Käuferverhalten
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Käuferverhalten
Teil 3 MIGT 2008/2009 H. Himmer 1 Käuferverhalten Konsumentenverhalten und Verhalten gewerblicher Käufer Einstieg PEPSI-COLA vs. COCA-COLA Wie Pepsi den großen Rivalen Coca Cola ärgerte Klaus Schmeh, 03.02.2008 Vor 20 Jahren erreichte in den USA ein interessantes Stück Werbegeschichte seinen Höhepunkt: der Cola-Krieg zwischen Pepsi und Coke Pepsi konnte im Laufe der Jahrzehnte einige Achtungserfolge erringen, doch am Ende verwies der Platzhirsch den Herausforderer in die Schranken. Am 8. Mai 1985 – also genau 40 Jahre nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs – feierte man bei der PepsiCo im US-Bundesstaat New York den "Tag der Kapitulation". Doch nicht etwa, dass der Softdrink-Konzern auf einmal seinen Sinn für Geschichte entdeckt hatte. Vielmehr ging es um einen historischen Sieg im so genannten Cola-Krieg, jenem erbitterten Kampf um Umsätze und Marktanteile, den Pepsi Cola und Coca Cola seit Jahrzehnten gegeneinander ausgetragen hatten und in dem es allein in den USA jährlich um 30 Dollar Milliarden Umsatz ging. Teil 3 MIGT 2008/2009 H. Himmer 2 Schon früh erkannte der erste Coca-Cola-Chef Asa Griggs Candler den Wert von Werbung. Dieses Plakat entstand in den neunziger Jahren des 19. Jahrhunderts Natürlich konnte Pepsi in jenem Mai 1985 keine endgültige Niederlage des ungeliebten Rivalen verkünden. Die Kapitulation bestand in den Augen des Herausforderers vielmehr darin, dass Coca Cola dem Konkurrenten Pepsi das größte Kompliment gemacht hatte, das ein Branchenriese einem aufstrebenden Mitbewerber machen kann: Coca Cola hatte Pepsi kopiert. Erstmals in der fast hundertjährigen Geschichte der weltbekannten Brause hatten die Coke-Manager die Rezeptur ihres Getränks geändert. Coca Cola wurde süßer und schmeckte nun mehr wie Pepsi. Der Grund für diesen historischen Schritt war offensichtlich: Der David Pepsi hatte den Goliath Coke in den Jahren zuvor mächtig geärgert und ihn in einigen wichtigen Kennzahlen sogar überholt. Vom Sirup zum Superstar Seinen Aufstieg zum Superstar unter den Markenprodukten begann Coca Cola 1886 in der USGroßstadt Atlanta. Als Erfinder der braunen Brause gilt der Sezessionskriegs-Veteran John S. Pemberton, den die Konzern-Geschichtsschreiber als Apotheker, unautorisierte Quellen dagegen als morphiumsüchtigen Quacksalber bezeichnen. In jedem Fall mixte der nicht besonders erfolgreiche Unternehmer 1886 aus Coca-Blättern, Cola-Nüssen, Kohlensäure und einigen anderen Zutaten ein wohlschmeckendes Gebräu, das er einerseits für einen guten Durstlöscher, andererseits aber auch für eine Medizin gegen Kopfschmerzen und Magendrücken hielt. In einem Getränkeladen fand er den ersten Abnehmer für seine Neuentwicklung, die er als Sirup verkaufte und die daher mit Wasser gemischt werden musste. Pembertons Buchhalter verpasste dem Getränk den Namen Coca Cola und kreierte den heute noch gültigen Schriftzug. Die rote Farbe kam ins Spiel, weil Pemberton seinen Sirup in roten Fässern lieferte. Lange konnte sich Pemberton jedoch nicht über Coca Cola freuen. Er starb bereits 1888, nachdem er seine kleine Firma an den Geschäftsmann Asa Griggs Candler und dessen Partner verkauft hatte. Dieser engagierte sich in mehreren Branchen, legte seinen Schwerpunkt jedoch zunächst einmal auf den Verkauf eines Duftwassers. Ohne größere Ambitionen übernahm er von seinen Partnern für wenig Geld nach und nach die kompletten Rechte an Coca Cola. Erst langsam dämmerte ihm, dass das braune Erfrischungsgetränk sein aussichtreichstes Projekt war. So gab er seine anderen Geschäfte schließlich auf und widmete sich in der 1892 gegründeten Coca Cola Company ausschließlich dem Getränkeverkauf. Offensichtlich tat er dies recht geschickt, denn bereits 1895 war Coca Cola in den ganzen USA verbreitet. Teil 3 MIGT 2008/2009 H. Himmer 3 Der anschließende Aufstieg von Coca Cola zum Weltkonzern ist vor allem ein Lehrstück in Sachen Marketing. Die Unternehmensleitung erkannte schon früh die Bedeutung von Werbung und handelte entsprechend. Coca-Cola-Schriftzüge fanden sich schon bald auf Uhren, Kalendern, Regenschirmen und sonstigen Gegenständen. 1915 gelang Candler ein besonderer PR-Schachzug, als er im Rahmen eines Wettbewerbs das Design für eine Coca-Cola-Flasche entwickeln ließ. Mit diesem Schritt, das den bis heute bekannten Flaschentyp hervor brachte, schaffte es Candler später, in Stuart Crainers Buch "Die 75 besten Management-Entscheidungen aller Zeiten" aufgenommen zu werden[1]. Es sollte nicht der einzige Geniestreich in der Coca-Cola-Geschichte bleiben. Zu einem weiteren Höhepunkt der PR-Historie geriet eine Aktion, die Coca Cola 1931 startete. Für eine Werbekampagne ließ das Unternehmen von einem Zeichner die Darstellung eines Weihnachtsmanns entwickeln, die so überzeugend ausfiel, dass sie zum Allgemeingut wurde. Bis heute stellen sich die meisten Menschen den Weihnachtsmann als pausbackigen Herrn im roten Gewand vor und übernehmen damit unbewusst das von Coca Cola eingeführte Design. Als mindestens genau so öffentlichkeitswirksam erwies sich die alte Coca-Cola-Legende, wonach die Zusammensetzung der Brause eines der bestgehüteten Geheimnisse der Welt ist. Wen stört es da schon, dass diese nicht stimmt? Denn in einem Banktresor in Atlanta lagert zwar tatsächlich das Coca-Cola-Originalrezept, doch mit den Mitteln der analytischen Chemie ist dieses heute auch ohne einen Bankeinbruch nachzuvollziehen. Eine weitere Aktion aus der Reihe der 75 besten Management-Entscheidungen aller Zeiten (und damit aus dem gleichnamigen Buch) gelang Coca Cola im Zweiten Weltkrieg. Damals versprach das Unternehmen den in aller Welt stationierten US-Soldaten, immer und überall eine Flasche Coke für 5 Cent kaufen zu können. Dieses Versprechen war zwar nicht billig, da sich der Transport von Abfüllanlagen in alle Welt durch den niedrigen Preis nicht refinanzieren ließ. Dennoch lohnte sich dieser Schachzug, denn er schaffte eine einmalige Identifikation der Kunden mit dem Produkt, die sich über Jahrzehnte halten sollte. Die Popularität von Coca Cola unter den US-Soldaten hatte sicherlich einen wesentlichen Anteil daran, dass der braune Softdrink nach dem Zweiten Weltkrieg endgültig seinen Siegeszug um die Welt antrat. Heute ist Coca Cola nicht nur die bekannteste Marke überhaupt, sondern auch nach "Okay" das am zweitmeisten verbreitete Wort der Welt. Coca Cola wird in mehr Ländern getrunken als die Vereinten Nationen Mitglieder haben. Als die Astronauten, die 1969 erstmals den Mond betreten hatten, von ihrer Mission zurückkamen, begrüßte sie ein Schild mit der Aufschrift "Willkommen daheim auf der Erde, in der Heimat von Coca Cola". Nach einer Krankheit benannt Kein Zweifel, einen größeren und überlegeneren Gegner als Coca Cola gibt es in der freien Wirtschaft dieses Planeten nicht. Doch wie konnte es dann dazu kommen, dass der Rivale Pepsi 1985 von einer Kapitulation sprechen konnte? Es lag jedenfalls nicht daran, dass Konkurrenz für Coca Cola ein Fremdwort war. Schon in den ersten Jahrzehnten der Unternehmensgeschichte hatten Hunderte von meist kleinen Herstellern versucht, ihre eigene Cola auf den Markt zu bringen. Die Unternehmensleitung in Atlanta ging jedoch rigoros mit rechtlichen Mitteln gegen jeden noch so kleinen Limonadenbrauer vor, der versuchte, Coca Cola zu kopieren. Allein 1916 soll das Unternehmen 153 Rivalen durch gerichtliche Schritte oder Repressalien vom Markt verdrängt haben. Den Konkurrenten Pepsi übersah man in Atlanta aber offensichtlich. Die Brause des später wichtigsten Coca-Cola-Konkurrenten war bereits 1898 von dem Apotheker Caleb D. Bradham in New Bern (North Carolina) erstmals zusammengemischt worden. Auch Bradham sah in seinem Gebräu aus Cola-Nüssen, Vanille, Öl, Kokosnuss und Zucker in erster Linie eine Medizin. Seine Cola sollte vor allem gegen Verdauungsstörungen (in der Fachsprache "Dyspepsie" genannt) helfen, was dem Getränk schließlich auch seinen Namen gab. So wurde – auch wenn die Pepsi-Marketing-Leute dies Teil 3 MIGT 2008/2009 H. Himmer 4 gerne verschweigen – Pepsi zum einzigen bekannten Markenartikel, der nach einer Krankheit benannt ist. An der Tatsache, dass Pepsi erst einmal als Medikament verkauft wurde, lag es möglicherweise auch, dass das Management von Coca Cola den Konkurrenten komplett übersah. Dabei hätte der Goliath aus Atlanta den David Pepsi gleich zweimal fast zum Nulltarif beseitigen können. Die 1902 gegründete Pepsi Cola Company ging nämlich 1922 zum ersten Mal und 1931 zum zweiten Mal Pleite. 1922 übernahmen ein paar Geschäftsleute die bankrotte Firma, bei der zweiten Zahlungsunfähigkeit griff der Süßwarenhersteller Loft Inc. zu. Coca Cola interessierte sich dagegen nicht für den wenig erfolgreichen Konkurrenten. Dies sollte sich ändern, als Pepsi in den Dreißigerjahren erstmals nennenswerte Marktanteile gewinnen konnte. Mit dem Werbespruch "Twice as much for a nickel, too" (doppelt so viel für auch nur 5 Cent) positionierte sich der Herausforderer als Billiganbieter, der die doppelte Abfüllmenge für den gleichen Preis wie Coca Cola anbot. Bei den rezessionsgeplagten Amerikanern kam diese Strategie gut an und sorgte für steigende Umsätze. Allerdings hatte Pepsi Cola fortan seinen Ruf als Cola für Arme weg und wurde von vielen gar als "Nigger Drink" verspottet. Doch immerhin, der erste Erfolg im scheinbar aussichtslosen Kampf war erzielt. Doch als Coca Cola in den Nachkriegsjahren seinen Siegeszug um die Welt antrat und es den Amerikanern wirtschaftlich wieder besser ging, war es mit dem ersten Pepsi-Höhenflug zu Ende. Zwischen 1946 und 1949 ging der Pepsi-Umsatz um zwei Drittel zurück, und während Coca Cola nun in immer mehr Ländern Fuß fasste, musste sich Pepsi mit einem vergleichsweise schwachen Auslandsgeschäft in Kanada, Kuba und Südamerika zufrieden geben. Die Wende kam, als der Werbefachmann Alfred N. Steele 1950 das Ruder bei Pepsi übernahm. Steele hatte zuvor bei einer Marketing-Agentur im Auftrag von Coca Cola gearbeitet, war jedoch beim mächtigen Kunden in Ungnade gefallen und daraufhin auf einen unattraktiven Posten versetzt worden. Zusammen mit einigen Leuten aus dem mittleren Management von Coca Cola, die ebenfalls zum Rivalen wechselten, blies Steele zur Aufholjagd. Zunächst gestaltete er das Marketing professioneller, experimentierte mit neuen Flaschenformen und reduzierte den Zuckergehalt des Getränks. Innerhalb von fünf Jahren konnte Steele den Umsatz um 130 Prozent steigern. Einen weiteren Erfolg konnte Pepsi verbuchen, als es den damaligen US-Vizepräsidenten Richard Nixon als Verbündeten gewann. Dieser schaffte es 1959 bei einer Messe in Moskau, ein Foto des sowjetischen Staatschefs Nikita Chruschtschov beim Trinken von Pepsi Cola zu arrangieren. Das Bild ging um die Welt. Nachdem Coca Cola eine Teilnahme an der Messe in der sowjetischen Hauptstadt abgelehnt hatte, konnte sich Pepsi dank der gelungenen PR-Aktion nun als Streiter für den Weltfrieden präsentieren. Nebenbei geriet der Auftritt in Moskau zum Startpunkt für ein erfolgreiches Engagement von Pepsi in der Sowjetunion, wo Coca Cola erst in den achtziger Jahren Fuß fassen konnte. Nachdem Nixon 1960 seinem Konkurrenten John F. Kennedy im Rennen um das Präsidentenamt unterlegen war, betätigte er sich als Pepsi-Repräsentant und sicherte dem Unternehmen den Zugang zu weiteren Auslandsmärkten. Als der spätere Watergate-Bösewicht 1968 schließlich dann doch USPräsident wurde, ließ Nixon als eine der ersten Amtshandlungen sämtliche Coca-Cola-Automaten aus dem Weißen Haus entfernen und ersetzte sich durch Geräte von Pepsi. Jimmy Carter, der 1976 das Amt des mächtigsten Mannes der Welt übernahm, war dagegen ein Coca-Cola-Fan und ließ daher nach seiner Wahl Coca-Cola-Automaten erneuten Einzug in den Präsidentensitz halten. Mit seiner Entscheidung für einen Boykott der olympischen Spiele in Moskau 1980 tat Carter jedoch ungewollt Pepsi einen Gefallen, denn Coca Cola hatte als traditioneller Olympia-Sponsor geplant, mit den Weltspielen in Moskau endlich den sowjetischen Markt aufzurollen. Der Pepsi-Test Teil 3 MIGT 2008/2009 H. Himmer 5 Die eigentliche Aufholjagd gelang Pepsi jedoch nicht mit Unterstützung der Politik, sondern durch eine geschickte Vorgehensweise in der Werbung. Ausgerechnet in einem Bereich, den Coca Cola eigentlich als seine Domäne betrachtete, musste sich der Konzern aus Atlanta nun einige Lektionen erteilen lassen. 1963 startete Pepsi eine Werbekampagne mit einem Konzept, das in ähnlicher Form einige Jahre vorher die Zigarettenmarke Marlboro in ungeahnte Absatzhöhen getrieben hatte[2]. Wie die Marlboro-Werber, so setzte auch Pepsi nicht auf konkrete Vorteile wie Geschmack oder Preis, sondern brachte das Getränk mit einer besonderen Lebensart in Verbindung. "Pepsi Generation" hieß das Stichwort, das in Werbespots nun geschickt unter das Volk gebracht wurde. Die Botschaft war einfach, aber wirkungsvoll: Wer jung ist oder sich zumindest so fühlt, trinkt Pepsi. Als man später in den siebziger Jahren bei Pepsi entdeckte, dass die eigene Brause bei Blindtests besser abschnitt als das viel gerühmte Coke, setzen die Herausforderer aus Purchase nahe New York noch einen drauf. "Take ´The Pepsi Challenge" ("Mach den Pepsi-Test") hieß ab 1976 das Motto, das Coca Cola weiter in die Enge trieb. Unterstützt von einer geschickten TV-Kampagne präsentierte Pepsi in den Folgejahren Stände in Einkaufszentren und Fußgängerzonen, an denen Cola-Trinker in Blindtests die Probe aufs Exempel machen konnten. Tatsächlich fand Pepsi dabei mehr Befürworter als Coke. Mit aggressiven Werbespots, die in Deutschland auf Grund des damaligen Verbots vergleichender Werbung nicht zu sehen waren, setzte Pepsi nach: Die Werbe-Manager der PepsiCo ließen beispielsweise Außerirdische in ihrem Raumschiff auf der Erde landen, um dort erst Coke und dann Pepsi zu probieren. Natürlich stellten die galaktischen Besucher fest, dass letzteres deutlich besser schmeckte und ließen daher gleich einen kompletten Pepsi-Verkaufsautomaten mitgehen. Zu einer gewissen Berühmtheit brachte es auch der Affen-Werbespot, in dem Wissenschaftler ein Experiment mit zwei Schimpansen durchführten. Der eine erhielt einen Schluck Coke und beeindruckte die Forscher anschließend mit unglaublichen Intelligenzleistungen. Das zweite Tier bekam Pepsi zu trinken. Doch statt nun die erhofften Rechenaufgaben zu lösen, brauste Schimpanse Nummer zwei lieber mit zwei hübschen Mädels im Cabrio davon. Pepsi, so die Botschaft, stand eben für Spaß und Lebenslust. Die angriffslustige Pepsi-Werbung verfehlte ihre Wirkung nicht. Zwar konnte der Underdog nach wie vor Coca Cola auf dem Weltmarkt nicht das Wasser reichen, und auch in den USA sorgten Verträge mit Fastfood-Ketten und gute Standplätze von Automaten für einen Coke-Vorsprung. Im Einzelhandel konnte Pepsi den Rivalen Coca Cola dagegen 1980 überholen. Die Sensation war damit perfekt, denn ausgerechnet auf dem so wichtigen Heimatmarkt hatte der scheinbar allmächtige Coca-Cola-Konzern eine empfindliche Niederlage erlitten. Die größere Popularität von Pepsi in den Kramerläden und Supermärkten bedeutete nämlich schlicht und ergreifend, dass der US-Verbraucher Pepsi bevorzugte, wenn er die freie Auswahl hatte. Coca Cola fand zunächst kein Gegenmittel gegen das geschickte Marketing des Herausforderers, und so kam Pepsi dem großen Konkurrenten Mitte der Achtzigerjahre auch in anderen Segmenten des US-Markts gefährlich nahe. Was dann passierte, gehört zweifellos zu den Höhepunkten der jüngeren Wirtschaftsgeschichte. Coca Cola steckte angesichts der steigenden Popularität des Konkurrenten in der Klemme, denn da Pepsi den Verbrauchern tatsächlich besser schmeckte, war es schwierig, gegen die Pepsi-ChallengeStrategie anzukämpfen. So trat das Coca-Cola-Management schließlich die Flucht nach vorn an. Am 23. April 1985 verkündete Coca-Cola-Präsident Roberto Goizueta einer erstaunten Öffentlichkeit, dass die Zusammensetzung des bekanntesten aller Softdrinks geändert werden würde. New Coke war geboren. Auch wenn Goizueta dies nicht zugab, so war doch kaum zu übersehen: New Coke war eine Kopie von Pepsi. So kam es, dass Pepsi nicht nur besagten "Tag der Kapitulation" feiern, sondern auch marketingmäßig noch kräftig nachtreten konnte. "Jahre lang haben sie getönt, Coca Cola sei das einzig Wahre, und jetzt ändern sie den Geschmack. Warum wohl. Wir haben es nicht nötig, den Teil 3 MIGT 2008/2009 H. Himmer 6 Geschmack von Pepsi zu verändern", hieß es nun in der Pepsi-Werbung. Der Goliath hatte dem David ungewollt bescheinigt, dass dieser das bessere Produkt hatte. Entsetzen über New Coke Doch die Einführung von New Coke erwies sich von Anfang an als Debakel. Eine Welle des Entsetzens ging durch die Vereinigten Staaten, eine Organisation der "Old Cola Drinkers of America" formierte sich. Das Fernsehen berichtete in Sondersendungen über Coca-Cola-Fans, die in ihrer Verzweiflung ganze Paletten ihres Lieblingsgetränks horteten. Während Anhänger der alten Coke-Rezeptur die Firmenzentrale mit Protestbriefen bombardierten, spekulierten einige allen Ernstes, die Firmenleitung habe wohl das legendäre Coca-Cola-Rezept verloren, das angeblich im Banktresor liegen sollte. Die stürmischen Reaktionen ihrer Kunden trafen die Coca-Cola-Manager völlig unvorbereitet. Während sie nun völlig in Panik gerieten, kamen ihre Kollegen in der Pepsi-Zentrale vor Lachen kaum noch zum Arbeiten. Der stetige Aufstieg von Pepsi ist zweifellos eine spannende Lektion für jeden David, der sich gegen einen Goliath behaupten will. Die Pepsi-Manager nutzten für ihre Strategie ihren größten Trumpf, und der hieß Flexibilität. Während ihre Kollegen von Coca Cola mit Rücksicht auf die eigene Legende keine größeren Risiken eingehen konnten, schaute ihnen die Öffentlichkeit kaum auf die Finger. So konnte Pepsi gleich mehrfach in seiner Geschichte Schriftzug, Rezeptur und Werbestrategie ändern, ohne dass dies größeres Aufsehen erregte. Pepsi experimentierte mit neuen Verpackungsformen, änderte die Preispolitik, brachte neue Varianten des Getränks auf den Markt und korrigierte vieles später wieder. Eine solche Trial-and-Error-Strategie konnte sich Coca Cola als allmächtiger Marktführer natürlich nicht leisten. Die Tatsache, dass Pepsi schlichtweg besser schmeckte als Coke, lieferte dann schließlich die Vorlage zum Frontalangriff. Dabei zeigte sich wieder einmal, dass vergleichende Werbung für einen Herausforderer eine wirksame Waffe sein kann. Für einen Marktführer wie Coca Cola ist es dagegen ungleich schwieriger, auf einen Vergleich mit der Konkurrenz zu bauen – schließlich wertet eine solche Vorgehensweise deren Produkte auf. Doch so glorreich Pepsi den Etappensieg gegen die übermächtige Konkurrenz auch errungen hatte, lange freuen konnte man sich in Purchase darüber nicht. Coca Cola besann sich nämlich nun auf seine Stärken und eroberte damit verlorenes Terrain zurück. Bereits drei Monate nach Einführung von New Coke verkündete Goizueta die Wiedereinführung der alten Rezeptur als Coca Cola Classic. New Coke wollte nun niemand mehr haben, und so verschwand es schnell wieder vom Markt. Die Amerikaner fühlten sich angesichts der Rückkehr der alten Coke, als wären sie aus einem Albtraum aufgewacht und entdeckten ihre neue Liebe zur guten alten Brause aus Atlanta. Anstatt an der Zusammensetzung herumzudoktern, pflegte das Management nun wieder die Legende und verwies Pepsi damit in die Schranken. Für eine Nebensächlichkeit wie den besseren Geschmack des Konkurrenten interessierte sich auf einmal niemand mehr. Diese Strategie funktionierte so gut, dass Gerüchte sogar wissen wollten, New Coke sei nur ein besonders geschickter Marketing-Gag gewesen. Dies ist zwar sicherlich falsch, denn so viel Weitsicht konnten die Coca-Cola-Manager unmöglich haben. Die schnelle Wiedereinführung der alten Rezeptur erwies sich jedoch als die richtige Antwort auf die Krise. Diese Aktion brachte der Firma Coca Cola daher den dritten Eintrag in Stuart Crainers Liste der 75 besten Management-Entscheidungen aller Zeiten ein. Teil 3 MIGT 2008/2009 H. Himmer 7 Grundlagen Abbildung 1: Meffert; 1992 Ein Modell des Käuferverhaltens Entscheidende Fragen, die im Marketing gestellt werden, sind wie und wodurch sich die Käufer oder möglichen Käufer für ein bestimmtes Produkt , eine bestimmte Dienstleistung oder eine bestimmte Idee begeistern und auch kaufen. • • • • • • Zentrale Fragen aus dem Marketing könnten dauer lauten1: Warum zeigen die Käufer ein bestimmtes Verhalten? Wie ausgeprägt ist dieses Verhalten? Wie stabil ist dieses Verhalten im Zeitablauf? Lässt sich dieses Verhalten verändern? Wie und mit welchem Zeitbedarf lässt sich dieses Verhalten verändern? Wer diese Fragen richtig beantworten kann hat einen enormen Wettbewerbsvorteil. Damit kann man seine Produkte perfekt auf die entsprechende Zielgruppe abstimmen. Leider ist der Mensch als 1 A. Bänsch; Käuferverhalten; Oldenbourg Wissenschaftsverlag; 2002; S. 2 Teil 3 MIGT 2008/2009 H. Himmer 8 Käufer nie so leicht zu erforschen, sodass man nur zum Teil wissen kann, warum und wie sich ein Käufer entscheidet. Zu den Fragen des Käuferverhaltens – vor allem bei Konsumenten – haben sich Anreiz-ReaktionsModelle entwickelt, die abbilden wie es zur Entscheidung des Käufers kommen kann Black Box Anreize des Marketings Andere Anreize „Marketing-Mix“ Persönlichkeit und Aufgeschlossenheit des Interessenten wirtschaftlich technologisch politisch kulturell product price place promotion Unbekannte Entscheidungsprozesse beim Käufer Sichtbare Reaktion beim Käufer Entscheidungsfindung beim Käufer Entscheidung für ein Produkt Entscheidung für eine Marke Entscheidung für einen Händler Entscheidung für einen Kaufzeitpunkt Entscheidung für einen Kaufbetrag Abbildung 2: abgewandelt aus: P. Kotler, ua; Grundlagen des Marketing; Pearson Studium; 2003; S. 303 Die sogenannte Black Box – also jener Bereich der sich zum Teil im Un- und Unterbewussten des Käufers abspielt – kann nur ansatzweise erfasst werden und beinhaltet so viele Unbekannte, dass ein vollständiges Erklärungsmodell nie vollständig sein wird. Allerdings kann man anhand verschiedener erprobter Modelle einzelne Faktoren bewerten. Die Einflüsse auf die Persönlichkeit eines Käufers Persönliche Lebensumstände Psychologisch begründete Einflüsse Alter und Position im Lebenszyklus Motivation und Willensbildung Vorbilder Beruf/Tätigkeit Kultur Familie Wirtschaftliche Lebensumstände Ansichten und Aufnahme der Dinge Subkultur Rolle und Status Kulturelle Prägung Sozialer Status Lernen Daraus ergibt sich: die Käuferpersönlichkeit Lebensstil Klassenzugehörigkeit Vorstellungen vom Leben Überzeugungen und Verhalten Abbildung 3: abgewandelt aus: P. Kotler, ua; Grundlagen des Marketing; Pearson Studium; 2003; S. 303 Teil 3 MIGT 2008/2009 H. Himmer 9 Kaufentscheidungen Abbildung 4 Gelbrich, Wünschmann, Müller; Erfolgsfaktoren im Marketing; Vahlen 2008 Bei hohem Kaufrisiko informieren sich Kunden vor dem Produktkauf eingehend, zB über Produktqualität und Preise. Sie nehmen beträchtliche (Such-)Anstrengungen in Kauf, um eine bewusste, kognitiv kontrollierte Kaufentscheidung treffen zu können. Bezieht sich diese auf selten gekaufte Produkte (zB PC, Pkw), so spricht man von einer extensiven Kaufentscheidung. Erfolgsfaktor ist hier ein umfassendes passives (z.B. Prospekte, Website) und aktives Informationsangebot (z.B. Beratung durch geschultes, Vertrauen erweckendes Personal). Dem Erwerb von häufiger gekauften Produkten, wie Kleidungsstücken, gehen hingegen limitierte Kaufentscheidungen voraus: Hier greifen die Kunden auf ihre Erfahrungen zurück und orientieren sich vorzugsweise an Schlüsselinformationen (z.B. Gütesiegel, Marke, Preis). Wenig risikobehaftete Kaufentscheidungen laufen unter geringerer kognitiver Kontrolle ab. Liegt kein zusätzlicher externer Anreiz vor (z.B. Sonderangebot), dann kommt es zu einer habituellen Kaufentscheidung. Besonders Low Involvement-Produkte, etwa Waren des täglichen Bedarfs, werden gewohnheitsgemäß gekauft, weil sich ein erhöhter Beschaffungsaufwand in ihrem Fall zumeist nicht lohnt. Der Erfolgsfaktor besteht darin, eine starke Marke zu etablieren, welcher die Käufer „blind“ vertrauen. Für impulsive Kaufentscheidungen ist das Zusammentreffen von geringem Kaufrisiko, schwacher kognitiver Kontrolle und externem Anreiz charakteristisch. Dies kann eine Ausnahmesituation sein (z.B. Urlaubsreise), eine besonders reizvolle Ladendekoration, Zeitdruck oder das Bestreben, sich ein Schnäppchen nicht entgehen zu lassen. Anbieter sind sehr daran interessiert, Impulskäufe auszulösen; denn für diese ungeplanten und spontanen Kaufentscheidungen ist eine überdurchschnittliche Zahlungsbereitschaft charakteristisch. Teil 3 MIGT 2008/2009 H. Himmer 10 Begünstigen lassen sich Impulskäufe durch künstliche Verknappung („Nur heute im Angebot!“), geschickte Platzierung (z.B. neben der Kasse), vorteilhafte Preise (Sonderangebote) oder Verkaufspromotions (z.B. Verkostungsaktion). Motive für Kaufentscheidungen2 Losgelöst von vielen Faktoren außerhalb und innerhalb der „Black-Box“ die zu einem Kauf führen, können einige klassische Motive isoliert betrachtet werden. Diese Motive gelten für viele Entscheidungsprozesse in ihren Grundsätzen. • Gewinnmotiv (Kostensenkungs- und/oder Erlössteigerungsmotiv) • Zeitersparnismotiv • Sicherheitsmotiv • Bequemlichkeitsmotiv • Geltungsmotiv • Nachahmungsmotiv • Ökologiemotiv Gefühle (Emotionen) im Kaufprozess Schon seit Generationen versucht die Wissenschaft die geheimnisvollen Abläufe im „Inneren der Menschen“ zu ergründen. Warum wird dieses Produkt stärker nachgefragt, warum jene Marke bevorzugt. Die sogenannte „Black Box“ beinhaltet diese unzähligen schwer messbaren Entscheidungsprozesse. Da Gefühle immer im Zusammenhang mit der individuellen Persönlichkeit zu sehen sind, lassen sich allgemeingültige Wahrheiten nicht definieren. Trotzdem gibt es in der psychologischen Forschung – die starke Auswirkungen auf die Entwicklung des Marketings hat – schon seit längerem erkundete Ergebnisse. Nachfolgend werden ein paar grundlegende Erkenntnisse dargestellt3: In der Psychologie können sich wohl die meisten Forscher auf die zentrale Bedeutung der sogenannten „emotionalen Trias“ für die Beschreibung von Emotionen einigen. Danach umfassen die Emotionen die • • 2 3 psychologischen Prozesse, das bewusst erlebte Gefühl und A. Bänsch; Käuferverhalten; Oldenbourg Wissenschaftsverlag; 2002; S. 24ff F. W. Nerdinger; Psychologie des persönlichen Verkaufs; Oldenbourg Wissenschaftsverlag; 2001 Teil 3 • MIGT 2008/2009 H. Himmer 11 den Gefühlsausdruck, der sich als nonverbales Verhalten darstellt. Emotionen sind „leib-seelische“ Vorgänge, das heißt physiologische und psychische Prozesse sind untrennbar verbunden. So ist die Emotion „Angst“ gewöhnlich durch einen hohen Adrenalinspiegel, eingeschränkte Blutzufuhr zur Haut, aufgerissene Augen, große Muskelspannung, erhöhten Puls und einen schnellen Atemrythmus gekennzeichnet. Allerdings können nicht für alle Emotionen eindeutige Muster physiologischer Prozesse identifiziert werden, daher machen die in der Konsumentenforschung so beliebten psychophysiologischen Messungen lediglich Aussagen über die mit Emotionen verbundene Aktivierung, aber nicht über die Qualität des Erlebens. Diese Qualität des Erlebens wird hier als Gefühl bezeichnet. Gefühle lassen sich nur sehr schwer und nur in ausgewählten Fällen genau einordnen. Abbildung 5: F. W. Nerdinger; Psychologie des persönlichen Verkaufs; Oldenbourg Wissenschaftsverlag; 2001; S. 44 Sehr viel häufiger lassen sich die Gefühlsausdrücke erfassen. Darunter wird eine Reaktion in der Mimik, Gestik, Stimmlage usw. verstanden. Es hat sich herausgestellt, dass einzelne Emotionen deutlich am Gesichtsausdruck abgelesen werden können. Dazu gibt es ausreichend Untersuchungen. Charles Darwin hat dies bereits 1872 in „The expressions of the emotions in man and animals“ beschrieben. Teil 3 MIGT 2008/2009 H. Himmer 12 In der Praxis ist es allerdings häufig schwierig einen allgemeingültigen Gesichtsausdruck festzustellen, da in vielen Gruppen gesellschaftliche Normen/Werte bestehen, die eine offene Reaktion eindämmen oder verhindern (zB bei Wut). Außerdem wird ein und derselbe Reiz unterschiedlich wahrgenommen. Eine kritische Anmerkung eines Kunden in einem Verkaufsgespräch kann den Verkäufer einschüchtern und ängstigen oder er wird dadurch zu noch besserem Verkaufen angespornt. Aufgrund dieser grundsätzlichen Verschiedenartigkeit menschlicher Reizbehandlung konzentrierte sich die Wissenschaft auf die Herausbildung von Basisemotionen, aus deren Mischung sich die einzelnen Emotionen zusammensetzen. Als grundlegende Dimensionen gelten dabei nach Wundt (1905): • • • Bewertung: Erregung: Stärke: angenehm – unangenehm erregend – beruhigend stark – schwach Die Basisemotionen gehen auf Darwin zurück und können in acht grundlegenden Emotionen aufgegliedert werden. Teil 3 MIGT 2008/2009 H. Himmer 13 Abbildung 6: F. W. Nerdinger; Psychologie des persönlichen Verkaufs; Oldenbourg Wissenschaftsverlag; 2001; S. 36 Wer hat Einfluss auf die Kaufentscheidung im Konsumentenbereich?4 Initiator Einflussnehmer Entscheider Käufer Nutzer 4 Dies ist diejenige Person, die zuerst den Vorschlag macht oder die Idee hat, ein bestimmtes Produkt zu kaufen. Eine Person, deren Ansicht oder Rat die Kaufentscheidung beeinflusst. Die Personen, die die Entscheidung über den Kauf treffen oder die an dieser Entscheidung teilnehmen; ob gekauft wird, was gekauft wird, wie gekauft wird und wo gekauft werden soll. Die Person, die den Kauf durchführt. Die Person, die das Produkt benutzt oder konsumiert. P. Kotler, ua.; Grundlagen des Marketing; 3. überarb. Auflage; 2003; S. 311 Teil 3 MIGT 2008/2009 H. Himmer 14 Verhalten gewerblicher Käufer Auch gewerbliche Käufer (zB Unternehmen, Vereinen) verhalten sich bei Kaufentscheidungen weitgehend wie private. Da grundsätzlich immer Menschen einen Kauf tätigen, gelten psychologische und soziale Grundlagen auch hier. Zusätzlich sind weitere Faktoren – besonders mit Zunahme der Größe der gewerblichen Käufer – entscheidend5 : • • • • höhere Bedarfsspezialisierung größere Zahl von Beteiligten stärkere Neigung bzw. stärkerer Drang zur Rationalität längere Dauer der Kaufentscheidungsprozesse Diese Faktoren führen auch zur einer stärkeren Bedeutung der Gruppenentscheidung. Durch Studien (zB SPIEGEL-Verlag, Der Entscheidungsprozess bei Investitionsgütern, 1982) konnte der Einfluss verschiedener Rollenbilder deutlich nachgewiesen werden. Bei dieser Studie stellte sich heraus, dass bei Unternehmen mit mehr als 1000 MitarbeiterInnen durchschnittlich 34 Personen in den Kaufprozess eingebunden waren. Nachdem allen Beteiligten bestimmte Aufgaben zugeordnet sind, lassen sich verschiedene Rollen erkennen. Diese Rollenbündel werden häufig als Buying Center6 bezeichnet. Rollen bei gewerblichen Kaufentscheidungen nach Webster/Wind 5 6 A. Bänsch; Käuferverhalten; Oldenbourg Wissenschaftsverlag; 2002; S. 182 F. E. Webster, Y. Wind; Organizational Buying Behaviour; Englewood Cliffs; 1972 Teil 3 MIGT 2008/2009 Abbildung 7: A. Bänsch; Käuferverhalten; Oldenbourg Wissenschaftsverlag; 2002; S. 183 H. Himmer 15 Teil 3 MIGT 2008/2009 H. Himmer 16 Exkurs: Push- und Pull-Strategie – Industrie versus Handel Achten Sie auf die Marke / Manner – Geiz Aufraggeber: Österr. Verband der Markenartikelindustrie Kreativagentur: Demner, Merlicek & Bergmann Mediaagentur: Media 1 Jahr: 2006 Hintergrund der Kampagne (Quelle: Österreichischer Verband der Markenartikelindustrie, 2008) Alle Kampagnen für den Österreichischen Markenartikelverband bauen auf den gemeinsamen Anspruch "Achten Sie auf die Marke!". Auf Basis dieses Anspruchs werden seit 12 Jahren immer wieder neue Anliegen für die Marke inszeniert. So hat die Kampagne vor einigen Jahren wirksam der "Geiz ist geil"-Mentalität entgegengesteuert. Die Konsequenz, mit der die Initiative Innovation und Qualität der Marken in den Blickpunkt rückt, ist sicher mit ein Grund dafür, dass der Anteil von Handelsmarken in Österreich deutlich niedriger ist als in anderen Ländern, wie z.B. in Deutschland. Laut Marktforschung haben zu Beginn der Initiative 12% der befragten Konsumenten aufgrund der Kampagne vermehrt Markenartikel gekauft - zuletzt waren es über 45%. Und wie das GfKKonsumentenpanel zeigt, ist es sogar gelungen, über diese Kampagne Handelsmarkenkäufer wieder für die Herstellermarke zurückzugewinnen. Nicht zuletzt zeigen sich auch positive Auswirkungen auf die Marktsituation jener Marken, die die Kampagne mittragen. Seit Jahren werden nach dem von Demner, Merlicek & Bergmann ursprünglich für den Österreichischen Markenartikelverband entwickelten Prinzip auch in anderen Märkten derartige Initiativen umgesetzt. Seit 8 Jahren führt der ungarische Verband jährlich eine Gemeinschaftskampagne durch und für den französischen bereitet die Agentur die dritte Kampagne vor. Teil 3 MIGT 2008/2009 H. Himmer 17 Aktuelle Kampagne „Achten Sie auf das Original: die Marke“ Rollenkonflikt Industrie und Handel Der Handel war traditionell der Erfüllungsgehilfe der Hersteller gewesen. Durch Konzentration sowie Professionalisierung der Betriebskonzepte wuchs jedoch im Laufe der 1970er Jahre ein gleichwertiger Partner, wenn nicht gar überlegener Gegenspieler der Industrie heran. Dieser hielt nunmehr die Tür zum Verbraucher offen (sogenannte Gatekeeper-Funktion). Außerdem machte der Handel den Industrieunternehmen ihre Vormachtstellung bei der Entwicklung von Marken-Konzepten streitig, indem er eigene Handelsmarken-Konzepte entwickelte. Angesichts dieser bedrohlichen Entwicklung konnten die Hersteller ihr Marketing nicht mehr ausschließlich an den Bedürfnissen der Endverbraucher ausrichten, sondern mussten auch die Forderungen des Handels in ihre Überlegungen einbeziehen (sogenanntes Vertikales Marketing). Die unweigerliche Konsequenz war das sogenannte „Push-and-Pull“-Marketing, bei dem der Hersteller an zwei Hebeln ansetzt. Zum einen drückt er die Ware in den Absatzkanal, in dem er auf die Wünsche und Vorstellungen des Handels eingeht und diesen spezielle Anreize bietet (Push-Effekt). Zum anderen umwirbt er mittels stufenübergreifender Media Werbung den Endverbraucher und schafft somit einen Nachfragesog, der den Handel zwingt, die Ware zu listen (Pull-Effekt). Push Hersteller Hersteller Push Handel Endverbraucher Marketingaktivitäten des Herstellers Marketingaktivitäten des Handels Pull Pull Handel Stufenübergreifende Marketingaktivitäten des Herstellers Endverbraucher Teil 3 Fallbeispiel Clever (Diskontmarke der REWE Gruppe) Industriemarke: SOLETTI (Kelly GmbH) MIGT 2008/2009 H. Himmer 18 Teil 3 MIGT 2008/2009 H. Himmer 19 Achten Sie auf die Kopie: Die Handelsmarke ©medianet Der Boom der Handelsmarken lässt trotz Finanzkrise auf sich warten.14 Prozent beträgt 2008 laut Nielsen der Eigenmarkenanteil im Lebensmittelhandel exklusive Hofer und Lidl Wien/Wr. Neudorf/Salzburg. Ist die Eigenmarke eine Bedrohung für die klassische Marke oder doch nur die kongeniale Ergänzung? Für den Präsidenten des Markenartikelverbandes, Günter Thumser, ist die Entwicklung nahezu ausgereizt. Sie sollte über den derzeitigen Umsatzanteil von unter 30% im heimischen LEH nicht hinausgehen. Deutsche Verhältnisse mit 40%-Anteil sieht er nicht – eher ortet er da und dort Stagnation in der Handelsmarkenentwicklung. „In den Kategorien, wo es starke Marken gibt, sind die Handelsmarken nicht die Erfolgsträger“, behauptet Thumser und verweist erstens auf die nun schon vier Jahre währende Stagnation bei den Handelsmarken im Wasch- und Putzmittelbereich sowie auf die sogar deutliche Rückläufigkeit bei Schokolade. Den positiven Signalen, die der MAV mittels neuer Kampagne unter dem Titel „Achten Sie auf das Original: die Marke“ verstärken möchte, setzen allerdings die Händler Gewichtiges entgegen: Die Edel-Bio-Marke der Rewe Ja! Natürlich absolviert heuer 15 erfolgreiche Jahre und selbst die aus dem gleichen Haus stammende, preislich klar akzentuierte Handelsmarke clever macht zum zehnjährigen Bestehen laut- und bildstark (TV Spots) auf sich aufmerksam. clever-Verantwortliche Melissa Scherr: „clever ist in 150 Warengruppen vertreten und in einigen ist clever stärkste oder zweitstärkste Marke.“ clever bietet überdies eine Geld-zurückGarantie – was bei einer Preiseinstiegsmarke zwar gewagt ist, aber letztlich den Unterschied zur bis dato herausragenden Qualität der Marke weiter schwinden lässt. Conclusio: Wenn die Preiseinstiegslage zusehends attraktiv wird, hat die klassische Marke zusehends ein Problem (so sieht man es zumindest bei den Händlern mit starkem Eigenmarkenanteil). Praktisch hat der klassische Markenartikel u.a. deswegen ein Problem, weil ihm mittlerweile sogar der ursprüngliche USP – die Innovationskraft – dann und wann aus der Hand genommen wird. Spar-Sprecherin Nicole Berkmann: „Ein Motiv, warum wir Eigenmarken produzieren, ist, dass wir damit Innovationen auf den Markt bringen können, die der Hersteller nicht so schnell realisieren kann.“ Teil 3 MIGT 2008/2009 H. Himmer 20 Stetig, aber nicht schnell Ergo, wenn man zum erfolgreich vollzogenen USP-Raub der Eigenmarke in puncto Qualität, Werbung und Innovationskraft die Finanzkrise hinzunimmt, müsste sich für die Eigenmarke ein Erfolgspfad auftun. Genau der lässt aber bislang auf sich warten. Laut Nielsen ist die Eigenmarkenentwicklung zwar stetig, aber nicht behend. Zwischen den Polen ‚zweistelliger Zuwachs bei clever‘ und dem vergleichsweise moderaten Anstieg des Anteils von 13,2 auf 14% im klassischen LEH liegt offenbar irgendwo eine strategische Wahrheit, die noch nicht zur Welt gekommen ist. Quelle: medianet Verlag AG (http://www.medianet.at/content19207-38.html, 06.02.09)