Parfum – verpackte Verführung - Zürcher Hochschule der Künste
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Parfum – verpackte Verführung - Zürcher Hochschule der Künste
Impressum Ausstellung Kuratorin und Projektleitung: Sabine Flaschberger Wissenschaftliche Beratung und konzeptuelle Mitarbeit: Sebastian Fischenich / BEL EPOK, Zürich Kuratorische Assistenz: Tanja Trampe Ausstellungskoordination: Sonja Gutknecht Vermittlung: Sabine Flaschberger, Jacqueline Greenspan; Ursina Spescha, Zürich Bauten: Craig Neil / Pius Fäh, Susanna Grob; Jürg Abegg / Andrea Castiglia, Nils Howald, Frank Landes, Renata Lopo, Mohsen Rahimi, Domenico Scrugli; aroma, Zürich; Song Vega, Zürich; Wave Control GmbH, Wetzikon Kommunikation: Jacqueline Greenspan Museumsdienste: Christina Wellinger / Kumuduni Ametamey, Sanja Delizaimovic, Pius Fäh, Jennifer Mandzjuk, Esther Schweizer, Mustafa Yavuz AV Technik: Mike Honegger, Pascal Lampert, Claudio Pavan, Jörg Schellenberg, ZHdK Produktionszentrum / AV Technik IT Technik: Michael Koch, ZHdK Produktionszentrum Tonstudio: Gregg Skerman, Tonstudio SB Film, ZHdK Produktionszentrum Schauspieler: Lina Hoppe, Zürich; Stephan Stock, Zürich Fotografie: Regula Bearth, Betty Fleck, ZHdK Hochschulkommunikation Ausstellungsgrafik: Moritz Wolf, ZHdK Hochschul kommunikation Dokumentation: Guido Krummenacher, Rilli Scanzi, ZHdK Medien- und Informationszentrum MIZ-Archiv Ausstellungsarchitektur: atelier oï, La Neuveville Übersetzungen: Golnaz Houchidar Lausanne; Roderick O’Donovan, Wien Lektorat: Christina Reble, Sabine Träger; Sandra Leitte, München Ausstellungsgrafik und Werbemittel: Hi — Megi Zumstein & Claudio Barandun, Luzern Wir danken für Leihgaben Werner Abt / Parfümerie Osswald, Zürich; atelier oï, La Neuveville; BEL EPOK, Zürich; Bulgari Parfums, Rom; Cosmétiques SA - Guerlain, Zürich; Silvio Denz, Präsident Lalique SA, Zollikerberg; Peter Diem, Pratwal; Christian Dior Parfums, Paris; Dubinsky Fine Arts, Zürich; Essencia AG, Winterthur; Estate of Jeanloup Sieff, Paris; Firmenich SA, Meyrin; Beatrice Frankl, München; Heinz Glas GmbH, Tettau; Hermès, Paris; Hochschule der Künste Bern, Fachbereich Wirtschaft der Berner Fachhochschule; Humiecki & Graef, Köln; Kenzo, Paris; Lalique Parfums SA, Zollikerberg; Lalique SA, Paris; Dr. Silvio Levi, Milano; L’Oréal, VernierGenève; Uldis Mākulis, Zürich; Mäurer & Wirth GmbH & Co. KG, Stolberg; Dr. Joachim Mensing, Miami; Museum für Gestaltung Zürich / Designsammlung, Grafiksammlung, Kunstgewerbesammlung, Plakatsammlung; Parfümerie Osswald, Zürich; Präfektur der Jesuitenkirche Luzern; PUIG, Baden; Schweizerisches Nationalmuseum Zürich; George Stam – gscollection, Montreux Wir danken unseren Partnern und Sponsoren Walter B. Kielholz Stiftung Biophyt AG, Mellikon Dubinsky Fine Arts, Zürich Essencia AG, Winterthur Globus, Zürich Vogt Landschaftsarchitekten AG, Zürich Leureko AG, Laufenburg Berger Gartenbau, Kilchberg Weber Verpackungen Eine Ausstellung des Museum Bellerive, ein Haus des Museum für Gestaltung Zürich Jacqueline Greenspan, Operative Leitung Museum Bellerive, Christian Brändle, Direktor Zürcher Hochschule der Künste, Zürcher Fachhochschule Parfum – verpackte Verführung Deutsch Museum Bellerive Ein Haus des Museum für Gestaltung Zürich 2. Dezember 2011 – 9. April 2012 Die Omnipräsenz der uns umgebenden Düfte ist ein Phänomen, das uns alle berührt und verbindet. Im Zuge der erweiterten Selbstwahrnehmung ist der Duft als Bestandteil der eigenen Person und ihrer Inszenierung kaum mehr wegzudenken. Der Flakon, die Verpackung und die dazu gehörende Werbung tun das Ihrige, um uns in Versuchung zu führen. Sie atmen und reflektieren stets auch den Geist ihrer Entstehungszeit. Von den zahlreichen Werkstoffen, die über die Jahrhunderte zur Herstellung von Parfumbehältnissen verwendet wurden, erwies sich Glas langfristig als der idealste, da es keine chemischen Reaktionen mit dem Inhalt eingeht und sich in fast jede beliebige Form bringen lässt. Faszinierend schillernde Salbgefässe und -töpfchen katapultieren uns zurück in die Duftwelt der Antike. Bereits damals stellte der Mensch spezielle Behältnisse für Duftstoffe her, die zunächst ganz im Dienst kultischer Handlungen standen. Diese bilden den historischen Ankerpunkt einer Entdeckungsreise durch die variantenreichen Formen und Verarbeitungstechniken von Parfumflakons bis hin zu aktuellen Kreationen. Als bedeutender Wegbereiter der modernen Parfümerie inszenierte der französische Gestalter René Lalique für die grossen Pariser Parfumhäuser eine Vielzahl erstaunlicher Flakons. Die sich ausbreitende Luxusindustrie verlangte ständig neue Duftverpackungen. Die technische Neuerung des Pressglases ebnete nicht nur den Weg zur Massenproduktion, sondern eröffnete völlig neue Möglichkeiten der künstlerischen Umsetzung. Laliques Inspirationen stammten vielfach aus Flora und Fauna sowie aus der Mythologie. In seinen in klarem, teils auch gefärbtem Glas ausgeführten Fläschchen lotete er alle Facetten des Materials aus. Die auf den Innenflächen eingepressten Reliefs erschliessen oft erst im Gegenlicht eine ornamentierte Welt, die noch stark im Jugendstil verankert ist. Dem Stöpsel als Verkörperung und Wächter der kostbaren Flüssigkeit verlieh er als Teil der Gesamtkomposition neue Bedeutung. Eine weitere gestalterische Dimension eröffnen die Kristallflakons von Baccarat. Die traditionsreiche Firma stellte für Paul Poiret die Behälter für «Les Parfum de Rosines» her. Als erster Modeschöpfer setzte Poiret 1911 eine Parfumlinie ein, um den Stil seines Hauses zu unterstreichen. Er begründete damit eine Tradition, die das Pariser Modehaus Worth in architektonischen Kreationen fortsetzte, ebenso Chanel, deren «No. 5» von 1921 bis heute als puristische Ikone überzeugt. 1946 entwarf Salvador Dalí für Elsa Schiaparelli mit dem aus der Muschel strahlenden «Le Roi Soleil» einen weiteren Meilenstein der Flakongestaltung – ein Exempel dafür, wie eine raffinierte Verpackung das Verlangen nach dem Produkt kongenial verstärkt. Eine Wirkung, die auch der als Konservendose gestalteten Verpackung von Jean Paul Gaultiers Frauen- und Männertorso eigen ist. Betörende Plakate und laszive Filme erweisen sich als Meister der sinnlichen Manipulation und ideale Werbeträger für die verführerischen Objekte. Sie beschwören Rollenbilder, die vom Gentleman über den Verführer bis zum Wilden reichen, von der schutzbedürftigen Frau über die Domina bis zur Göttin. Ein Exkurs in die aktuelle Forschung zeigt ergänzend neue Wege der Duftentwicklung im Bereich der Artistic Perfumery. L’Univers de l’Homme Männerparfums bewegten sich lange Zeit im Bereich klassischer Düfte wie Eau de Cologne und lavendelhaltiger Rasierwasser. Mit dem eher süsslich riechenden «Le Dandy» mit holziger Basisnote brachte das Parfumhaus D’Orsay 1922 einen expliziten Männerduft auf den Markt. Der als Werbeträger agierende Gentleman hält den achteckigen schwarzen Flakon wie ein magisches Elixier in die Höhe, dessen Inhaltsstoffe aus der umgebenden Natur in die Flasche gebannt erscheinen. Weitere frühe Düfte wie «Caron pour Homme» (1935) mit Lavendel- und Vanillenoten und Rochas‘ «Moustache» (1948) positionieren sich im Bereich der Bart- und Gesichtspflege und fokussieren somit auf das Gesicht des Mannes. Klassische Statuen in Anzeigenkampagnen deuten eine erotische Konnotation lediglich an. Welcher Gegensatz begegnet uns aber im Mann der 1960er Jahre! In der Kampagne für «Eau Sauvage», einem sehr intensiven Zitrusduft, den der Parfümeur Edmond Roudnitska ursprünglich als Damenduft konzipierte, lässt Dior 1966 den Betrachter nur partielle Blicke auf sehr feingliedrige, sensible Männer erhaschen, die der Künstler René Gruau in Bademantel und Pantoffeln steckte. Der Name des Dufts weckt völlig andere Assoziationen, als es die Bilder tun: Statt einer entfesselten Bestie blickt uns ein Pantoffelheld entgegen. Ein weiteres Register zieht Yves Saint Laurent 1971 mit der Kampagne für «Pour Homme», einem zitronigen Lavendelduft mit Herznoten von Thymian und Rosemarin über Basisnoten von Vetiver, Sandelholz, Eichenmoos, Muskat und Patchouli. Er inszeniert sich selbst als Nackten, der in seiner Melancholie und Verletzlichkeit an Christusdarstellungen erinnert, was die Aureole noch verstärkt – ein Mann, dessen androgyne Seiten sehr stark ausgeprägt sind und der bis heute in der Werbung nachwirkt. Die Bilder transportieren also sehr starke Botschaften, die oft auch ambivalente Aussagen machen. Das Spektrum der Männerbilder, die in uns anklingen, bleibt bis heute sehr breit und eröffnet vom sensiblen, sich selbst noch suchenden jungen Mann bis zum selbstsicheren Eroberertypus zahlreiche Facetten. L’Univers de la Femme Frauen- und Männerparfums bestanden ursprünglich aus den gleichen Komponenten. Ausgehend vom Lilienwasser der Klostergemeinschaft von Santa Maria Novella, das seit 1612 in Florenz vertrieben wurde, entwickelten sich zahlreiche weitere leichte Duftwässer auf Pflanzenbasis. Die frühe Parfumwerbung verquickte denn auch die Vorstellung von naturnahen Duftstoffen mit der Welt von Pracht und Schönheit. Die Frau ging ganz in der sie umgebenden Duftwelt auf und nahm selbst die Qualität eines dekorativen Gewächses an. Weit verbreitet war in der Werbung die sensible oder schüchterne Frau. Sie zeigte sich gern als hilfsbedürftig, hielt ihren Kopf stets in Schräglage und schlug die Augen nieder. Erst nach und nach gewann die Frau in der Werbung den Ruch von Verführung. Mittels ihres Parfums kann sie magnetische Anziehungskräfte entfalten, die ihr zur temporären Bindung bis zur sicheren Ehe verhelfen. Worth nahm 1932 die Beteuerungen des Liebsten quasi vorweg, der im Bannkreis des Dufts «Je reviens» flüstert. Die Verwendung von Aldehyden (chemischen Inhaltsstoffen) machte völlig neue Parfummischungen möglich und öffnete gleichzeitig das Spektrum der Namensgebungen in neue, freiere Sphären. Provokative, humoristische, exotische Bezeichnungen wurden nun gängig, aber auch abstrakte wie «No. 5», was nicht mehr als die Position in einer Reihe markiert. Zeitgleich fand das Bild der eigenständigen Frau, die mit Bubikopf und Flapperdress selbstsicher ihren Stil auslebt, gerade in dieser Chiffre einen ersten Ausdruck. Der Typus wird in der Folge breit gefächert variiert, etwa als Geschäftsfrau, muskulöse Sportlerin, Bad Girl oder androgyne Rebellin. Mit «Angel» schuf Thierry Mugler 1992 einen hybriden Duft aus jungfräulich weissen Blüten und holzigem Patchouli. Optisch griff er den Typus der überirdischen Erscheinung wieder auf, der schon in den Reihentänzen auf René Laliques «Ambre Antique» von 1910 anklang. Die Frau ist hier ganz Göttin und steht ausserhalb jeglicher Erreichbarkeit. La Nature et la Culture, Sources d’Inspiration Die Parfumpräsentation ist eine multimediale Kunstform, die mehrere Bestandteile umfasst: den Namen des Parfums, die Etikette, die Form des Flakons sowie die Verpackung. Besonders die Wahl des Namens unterlag im Lauf der Geschichte grossen Veränderungen. Zunächst beschrieb dieser lediglich die Inhaltsstoffe, doch bald entwickelte er träumerische Komponenten, beschwor ferne Länder herauf oder machte klare Zuweisungen an die Zielgruppe. Die grafische Gestaltung der Etikette war im 19. Jahrhundert ein wichtiges Element. Sie bedeckte grosse Teile des meist sehr schlichten Flakons, der sich kaum von regulären Apothekerflaschen unterscheiden liess, schliesslich galt Parfum bis in die 1870er Jahre als Hygieneprodukt. Es war damals Usus, das erworbene Duftwasser erst zu Hause in einen unabhängig davon erworbenen Schmuckflakon umzufüllen. Im Aufschwung der Belle Epoque blühte der Parfumhandel als Luxusindustrie auf. Die neu entstandenen Pariser Warenhäuser verkauften neben hauseigenen Parfums auch bekannte Markenparfums. Damit wurde eine wiedererkennbare Gestaltung von Flakon und Verpackung unabdingbar. Der renommierte Schmuckgestalter René Lalique übersetzte im Auftrag des Parfumhauses Coty 1907 erstmals einen Parfumnamen in eine gläserne Gestalt. Unter seinem Einfluss entwickelte sich aus der Standardflasche eine neue formale Vielfalt. Lalique zog auch weitere bildende Künstler aus anderen Sparten als Erneuerer der Parfümerie an, darunter die Bildhauer Clovis und Julien Viard, die begannen, Flasche und Stöpsel skulptural zu behandeln, sowie Lucien Gaillard und Maurice Dépinoix. Laliques profunde Kenntnisse in der Glasverarbeitung trugen wesentlich dazu bei, die Wirtschaftlichkeit der Produktion zu erhöhen. Er verringerte den Aufwand für die nachträgliche Oberflächenbehandlung durch gegossene Reliefs und ersann den kalten Farbauftrag, die sogenannte Kaltpatinierung. Die hauptsächliche Inspirationsquelle für die Gestaltung blieb die Natur – sei es für in Form von kunstvollen Blüten gearbeitete Stöpsel als Sinnbild der Inhaltsstoffe oder für ein Dekor mit Bienen und anderen Insekten als zwischen den Blüten verkehrenden Boten. Meeres- tiere spielen auf den Inhaltsstoff Amber an, eine grauweisse Ausscheidung des Pottwals, die als einer der edelsten Rohstoffe der Parfümerie und als Garant für die Anziehungskraft des Parfums galt. Schlangen und Gestirne des nächtlichen Himmels weckten erotische Versprechen. Als Schmuckstücke gestaltete Flakons unterstreichen die Vorstellung ihres Inhalts als luxuriöses Produkt. Eine Hauptrolle spielte – besonders in der Belle Epoque – die weibliche Figur, die als Nymphe oder Vestalin auftrat oder schlicht als Verkörperung der Schönheit. Seit der ersten Weltausstellung 1851 in London galt fernen Kulturen grosse Aufmerksamkeit, orientalische und ägyptische Motive erfreuten sich grosser Beliebtheit. Kurios ist die Hinwendung zu albernen Motiven wie clownesken und an die «Revue Nègre» der Jazzclubs anschliessende Inszenierungen, die stark den Zeitgeist widerspiegeln. Die Schatullen zu den Flakons, die zunächst nur ein sicheres Transportbehältnis zu sein hatten, entwickelten sich zusehends zum wichtigen Bestandteil der Präsentation. Sie wurden aus kostbaren Materialien als kleine Meisterwerke der Kartonage ausgeführt und erhöhten den Sehnsuchtsfaktor der Produkte. Vermittlung Ausstellungsgespräche Sonntag, 11. Dezember 2011, 15 Uhr Düfte im Wandel der Zeit 1940–2011 / Trends, Mode, Zeitgeist Birgit Salow, Schulungsleiterin Parfümerie Osswald, Zürich Samstag, 21. Januar 2012, 15 Uhr Artistic Perfumery und berühmte Parfumeure Birgit Salow, Schulungsleiterin Parfümerie Osswald, Zürich Sonntag, 5. Februar 2012, 15 Uhr Bausteine des Parfums: Rohstoffe, Vorkommen, Gewinnungsverfahren und Grundbau der Parfums/Duftfamilien Marc Roesti, Duftconsultant, Winterthur Samstag, 3. März 2012, 15 Uhr Wissensduft: Ergebnisse aus einem Forschungsprojekt des Schweizerischen Nationalfonds zu Artistic Perfumery Claus Noppeney, Y-Institut für Transdisziplinarität, Hochschule der Künste Bern & Fachbereich Wirtschaft der Berner Fachhochschule und Sebastian Fischenich, Creative Director, bel epok, Zürich Samstag, 24. März 2012, 16–18 Uhr Lancierung von ODE Präsentation eines Fanzines zum Thema Parfum Sebastian Fischenich, Creative Director, bel epok, Zürich Führungen für Singles Samstag, 28. Januar und 11. Februar 2012, 15 Uhr Louisa Schmitt, Kulturvermittlerin Führungen und Workshops für Schulen in Zusammenarbeit mit schule&kultur Mit Ursina Spescha, Kulturvermittlerin Anmeldung und Informationen: www.schuleundkultur.zh.ch Öffentliche Führungen Jeden Sonntag, 14 Uhr Weitere Angebote und Informationen: www.museum-bellerive.ch Open House Sonntag, 29. Januar 2012, freier Eintritt