Aktiv - Bund
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Aktiv - Bund
Jürgen und Monika Döllscher Fröhliche Mutbürger Manche hüten die Enkel oder begeben sich auf ausgedehnte Reisen. Jürgen und Monika Döllscher, er 71, sie 64 Jahre alt, gehen auf die Straße, betreuen Infostände und leisten Überzeugungsarbeit gegen das Projekt Stuttgart 21 – seit Jahren unverdrossen und unverbissen. BUND-Redakteurin Friederike Köstlin traf das Ehepaar. M Andachten im Park, eine Fahrt nach Straßburg ins EU-Parlament: Unweigerlich denkt man an das Schlagwort »Berufsdemonstranten«. Beide greifen BUND MACHT BUNT es fröhlich auf. Was von den S 21-Befürwortern als Schimpfwort gemeint war, empfinden sie eher als Auszeichnung, schließlich haben sie sich schon immer engagiert: In Leverkusen, wo Jürgen Döllscher 25 Jahre als Pfarrer im Schuldienst gearbeitet hat, war er bei für die Grünen im Gemeinderat, dazu war er noch Umweltbeauftragter in der Synode seiner Landeskirche. Seine Frau, ebenfalls Lehrerin, hat ihren Beruf aufgeben, 3 Kinder großgezogen und das soziale Netzwerk gepflegt. ontags, 17.45 Uhr: vor dem Stuttgarter Hauptbahnhof sammeln sich die ersten Menschen zur 68. Montagsdemo, der letzten vor der Landtagswahl. Am Infostand trifft Jürgen Döllscher ein. Wetterfeste, grüne, mit Buttons verzierte Wachsjacke, eine Strickmütze auf dem Kopf. Normalerweise wäre er schon viel früher da zum Standaufbau, entschuldigt er sich, aber er hat sich erkältet und ist nicht ganz fit. Wenige Minuten später steht seine Frau Monika neben PORTRAIT PORTRAIT ihm. Die beiden sind bester Laune, stellen sich hinter den Stand. Dort gibt es alles, was man als Mutbürger so braucht: Anti-AKW und Pro Kopfbahnhof 21Buttons, Aufkleber, Flyer, Fähnchen, Holzpfeifen, CDs, Videos, Taschen und Schals: »Mir verkaufet nix, aber wir haben unsere Vorstellungen, was Sie spenden können«, erklärt Monika Döllscher verschmitzt auf die Frage nach dem Preis. Auf der Bühne hat das Programm begonnen. Monika Döllscher sammelt Geld in die gelbe Spendendose, lachtRSC immer mal wieder laut NATU H UTZ N ATU RSC H UTZ zu den Pointen der Kabarettistin auf der Bühne, später zieht sie den Kopf einer Blockflöte aus der Tasche und stimmt ins Pfeif-Konzert der Menge mit ein. Ortswechsel. Im gutbürgerlichen Gänsheide-Viertel Nach dem Umzug nach Stuttgart vor 5 Jahren N D-REISE BU N D-REISE ist um 8 Uhr abends allesBU ruhig. Hier wohnt das Paar wollte Jürgen Döllscher erst mal die Lage sondieren: im Elternhaus von Monika Döllscher, seit sie 2006 aus »Man braucht ein paar Jahre, bis man weiß, wie der Leverkusen hergezogen sind. Die beiden sind den Weg Hase läuft«. Zunächst zeigte er seiner Frau, der Stuttvom Bahnhof mal eben herauf geradelt. In der Woh- garterin, mit dem Rad noch unbekannte Ecken der nung der Döllschers ist der Protest allgegenwärtig, auf Stadt. Ein Vortrag von Gangolf Stocker war dann die der Kommode im Flur Postkarten 21, Initialzündung für das Engagement K gegen Stuttgart 21. OMM E N TA R L A liegen N DESPOLITI K gegen L ANS DESPOLITI K auf dem Wohnzimmertisch liegt der Bauzaunkalender. Er meldete sich freiwillig zum Eintüten von Briefen Die Frage nach dem Warum ist beinahe überflüs- und engagierte sich fortan beim BUND. Dem gehört sig, so selbstverständlich erscheint ihr Engagement. er schließlich auch seit 1979 an. Mittlerweile ist er im Jürgen Döllscher empfindet »ein Pflichtgefühl, das Vorstand des Regionalverbands. Geschäftsführer Gerihm im Lauf der Erziehung vermittelt wurde«. Wenn hard Pfeifer lobt die Döllschers in Rihrem AT G EselbstverBER EN ERGI E EN ERGI E nicht Stuttgart 21, dann gäbe es andere Themen, sich ständlichen Engagement als »BUND-Aktive der Prezu engagieren wie etwa Flächenverbrauch oder den mium-Klasse«. übermäßigen Fleischkonsum. So aber begann er 2007 Noch ist offen, ob der Bahnhof am Ende oben auf Stuttgarts Straßen Unterschriften für den Bürger- bleibt. Monika Döllscher freut sich, dass sich schon entscheid zu sammeln. FastNAC keine der HRU F MontagsdeNAC H R U Fjetzt in Stuttgart durch die kreative, lebendige und mos haben sie ausgelassen, die Großdemos sowieso friedliche Kultur des Widerstehens vieles zum Posinicht. Auch den »schwarzen Donnerstag« im Schlos- tiven verändert hat: »Die Menschen sind offener, in spark am 31. September 2010 haben sie hautnah mit- der Stadt nicken sich die Buttonträger freundlich zu. erlebt. Dazu kommen zig Infoveranstaltungen, die Stuttgart ist nicht mehr so verhockt.« [2 - 11] BUNDmagazin Baden-Württemberg 15 BUND MACHT BUNT K O M M E N TA R R AT G E B E R