Kapitel 2
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Kapitel 2
A-PDF Split DEMO Kapitel 2 Stadtentwicklung und ländliche Siedlungen Petra Möbus 2.1 2.1.1 Stadtentwicklung Historische Entwicklung und Grundstruktur der spanischen Kolonialstadt Die Entwicklung Lateinamerikas ist seit der Kolonialzeit eng mit seiner Stadtentwicklung verknüpft. Die kolonialen Städte wuchsen allerdings nicht wie in Europa allmählich aus Agrardörfern, kleinen Handels- oder Marktorten heran, sondern entstanden fast ausschließlich als planmäßige Gründungen gewissermaßen ,,aus dem Nichts”. In sehr kurzer Zeit von ca. 1520/30 bis ca. 1570/80 war die Hauptphase der kolonialzeitlichen Stadtgründungen durch einen intensiven Eroberungs- und Kolonisationsvorgang in Lateinamerika abgeschlossen. So wurden auch die Städte Asunción und Santiago in den Jahren 1573 und 1541 von den spanischen Eroberern Juan de Salazar de Espinosa (Asunción) und Pedro de Valdivia (Santiago) gegründet. In der folgenden Phase festigten die Städte durch Konzentration von politischadministrativen, religiösen, kulturellen und wirtschaftlichen Funktionen ihre Führungsposition. So wurde Santiago 1609 zur Hauptstadt des Generalkapitanats und Asunción wurde zu einem wichtigen Handels- und Agrarzentrum, von dem aus weitere Stadtgründungen in Paraguay erfolgten. Intention der spanischen Eroberer für die Kolonisation war die Ausbeutung der in Lateinamerika vorhandenen Ressourcen, insbesondere Edelmetallen. Dabei dienten die Städte zur Absicherung der politischen und wirtschaftlichen Interessen und trugen eine wichtige Versorgungsfunktion für den Bergbau. Abbildung 2.1 zeigt den Idealplan einer spanischen Kolonialstadt. Die Plaza umfasst ein Straßenviereck mit einer Seitenlänge von ca. 100 m. Von ihren Ecken gehen rechtwinklige Straßen ab, die wiederum Straßenvierecke mit der gleichen Seitenlänge begrenzen, die als Manzanas oder Cuadras bezeichnet werden. Um die Plaza mayor befinden sich die wichtigsten öffentlichen Gebäude für die Regierung, Verwaltung und Kirche, wie z.B. Polizei, Rathaus, Gericht, Kloster und Schule. Eine Cuadra von Zentrum entfernt beginnen die Wohnhäuser, wobei zur Gründungszeit die reichsten Bürger zentrumsnah und die ärmsten zentrumsfern wohnten und sich somit ein zentral-peripheres Gefälle des Sozialgradienten ergab (ein wichtiges 26 A-PDF Split DEMO Abbildung 2.1: Idealplan einer spanischen Kolonialstadt (M - Municipalidad (Rathaus), G Gobierno (Regierung), T - Tribunal (Gericht), P - Policia (Polizei), Ca - Catedral (Kathedrale, Kirche), Co - Convento (Kloster)) [13]. Kriterium vorindustrieller Städte). Heutzutage trifft das zum großen Teil nicht mehr zu. Mit der Vergrößerung der Städte erhöhte sich die Attraktivität einzelner Stadtteile, so dass die Oberschicht aus dem Zentrum wegzog. In Santiago zum Beispiel ziehen sich die Villenviertel der Oberschicht bis zum äußersten Stadtrand. Um die Stadt herum gab es verschiedene Flächen, die als Gemeinschaftseigentum (Allmende) galten und landwirtschaftlich als Viehweide und/oder Ackerbaufläche genutzt wurden. Daran schlossen sich dann große Flächen an, die den höchsten Bürgern der Stadt gehörten und von diesen genutzt bzw. verpachtet wurden. Der Stadtgründer erhielt den größten Teil dieser Fläche. Bis heute ist die dominante räumliche Strukturkomponente fast aller Siedlungen im spanischsprachigen Lateinamerika der Schachbrettgrundriss, manchmal auch ein rechteckiger Grundriss, mit dem Hauptplatz (Plaza mayor) im Zentrum. Das trifft nicht nur für den Siedlungskern zu, sondern auch für seine phasenweise Ausdehnung, die gewissermaßen schablonenhaft erfolgte. Dabei kann aus topographischen Gründen, durch die Orientierung entlang von Flussläufen oder Straßen, durch Eigentumsgrenzen etc. der schachbrettartige Grundriss der neuen Stadtviertel gegenüber dem bestehenden Muster versetzt oder verschoben sein. So entstand oft ein Mosaik diskontinuierlich verlaufender Schachbrett- oder schachbrettähnlicher Grundrisse innerhalb der Stadt. Bei Betrachtung der Stadtpläne für Asunción und Santiago trifft das für beide Städte zu. In beiden Städten ist die Plaza mayor (in Asunción die Plaza Indenpendencia, in Santiago die Plaza de Armas) das Zentrum und der Ausgangspunkt um den sich die Städte schachbrettartig organisiert haben. Santiago sowie auch Asunción wurden beide nach dem typischen kolonialspanischen Schachbrettgrundriss angelegt. Dadurch wurde bereits mit der Stadtgründung die Plaza mayor durch die gleichzeitige Ausweisung der unmittelbar angrenzenden Cuadras für die wichtigsten Regierungs-, Verwaltungs-, religiösen und militärischen Gebäude zum funktionalen Stadtzentrum in beiden Städten und blieb dies bis heute. 27 A-PDF Split DEMO Abbildung 2.2: Gründungsskizze Santiagos [92]. In Asunción ist die ursprüngliche Plaza mayor die Plaza Independencia (Standort 31) um die sich auch heute noch das Bankenzentrum sowie die Hotels konzentrieren. Auch eine Kirche und eine Polizeistation stehen dort noch. Auf dem Platz selber gibt es regelmäßig einen Markt. In den angrenzenden Straßen befinden sich Büro- und Geschäftshochhäuser der größeren Firmen (Avenida General Diaz Ecke Independecia Nacional). Die heutige Plaza mayor ist die Plaza Uruguaya gegenüber dem Bahnhof. Auch in Santiago ballt sich das funktionale Zentrum der Stadt um die Plaza de Armas (Standort 37). Beim Vergleich der Gründungsskizze (Abb. 2.2) mit dem heutigen Stadtplan (Abb. 2.3) ist deutlich erkennbar, dass die alten Strukturen größtenteils noch genauso wie zur Gründung bestehen. Direkt an der Plaza stehen noch die Kathedrale, die Hauptpost, die Stadtverwaltung sowie die Casa Colorada. Eine Cuadra weiter auf der Avenida Bandera befindet sich der Gerichtshof. Darum herum erstrecken sich die Hauptgeschäftsstraßen (Huerfanos, Paseo Ahumada) mit Handel in Paterre und Büros der großen Firmen in den Hochhäusern. Auch ein typisches Banken- und Hotelviertel (von der Huerfanos bis zum Rı́o Mapocho im Nordwesten der Plaza) findet sich dazwischen. 28 A-PDF Split DEMO Abbildung 2.3: Ausschnitt des Stadtzentrums Santiagos. 2.1.2 Modell zur funktionalen und sozialräumlichen Differenzierung lateinamerikanischer Großstädte Bis heute hat das von Bähr und Mertins [13] entwickelte Modell (Abb. 2.4) einer lateinamerikanischen Großstadt bei der Betrachtung der Stadtentwicklung in Lateinamerika seine Gültigkeit. Es versteht sich als empirisches Modell und basiert hauptsächlich auf Feldforschungen (u.a. auch in Santiago de Chile) der Verfasser sowie Beobachtungen anderer Autoren in lateinamerikanischen Großstädten. Dabei werden die Grundprinzipien der inneren Differenzierung in der Überlagerung von drei verschiedenen Ordnungsmustern gesehen. 1. Ein älteres, oft schon in der Kolonialzeit angelegtes, mehr oder weniger abgewandeltes ringförmiges Muster im Stadtkern (ursprünglich beruhend auf, wie schon oben beschrieben, der Konzentration der wichtigsten Funktionen um die Plaza) 2. Sektorenförmige Wachstumsachsen, die sich in allen großen Städten seit den 30er und 40er Jahren herausbildeten und durch Fortschritte in der Verkehrstechnologie (Straßenbahn, Bus, PKW) ermöglicht wurden. Diese stehen im Zusammenhang mit den verstärkte Industrialisierungsbemühungen nach der Weltwirtschaftskrise und der Ansiedlung von größeren Industriekomplexen mit den zughörigen Arbeitersiedlungen entlang von Eisenbahnlinien und Ausfallstraßen. Die sektorenförmige Erweiterung ist auch eine Folge der 29 A-PDF Split DEMO Abwanderung großer Teile der Oberschicht aus den Stadtteilen um die zentrale Plaza. Eine einmal festgelegt Abwanderungsrichtung wurde dann meist beibehalten. 3. Eine zellenförmige Gliederung an der Peripherie, die seit den 60er Jahren das Bild der großen Städte entscheidend prägt und Folge der enormen, oft unkontrollierten flächenhaften Stadtexpansion ist, die ihrerseits durch wachsenden Zuwanderungsdruck ausgelöst wurde. Durch zahlreiche empirische Arbeiten gilt es dabei als erwiesen, dass die Zuwanderung (Migration) bestimmten Regelmäßigkeiten unterliegt [13]. Der überwiegende Großteil der Migranten entstammt danach der Altersgruppe der 15–35jährigen. Dabei trägt der weibliche Bevölkerungsteil die jüngste Altersgruppe, während die Männer erst in den mittleren Jahrgängen die Mehrheit bilden. Außerdem ist die Mehrzahl der Migranten unverheiratet und es besteht eine direkte Beziehung zwischen Ausbildungsstand und Migration, dass heisst vor allem die besser gebildeten und nach Weiterbildung Strebenden migrieren. Die Migranten finden in den Großstädten vor allem im Tertiären Sektor Arbeit. Nur 13 % aller Zuzüge erfolgen direkt vom Land, 42 % der Neuankömmlinge kommen aus Städten mit mehr als 20.000 Einwohnern und 45 % kommen aus Siedlungen mit Bevölkerungsgrößen von 900 bis 20.000 Menschen. Während die Wanderungen in Südamerika bis ins erste Drittel des 20. Jahrhunderts als Immigrationen registriert wurden, kam es ab 1930/40 zu einer rasch wachsenden Binnenwanderung, und damit einhergehend, zu einem explosionsartigem Wachstum der Städte durch Zuzug vom Land, das bedeutet Urbanisierung bzw. Landflucht. Die Ursachen dafür sind in erster Linie in der ungleichgewichtigen wirtschaftlichen und sozialen Entwicklung der Agrarregionen gegenüber den Städten sowie dem sozioökonomischen Entwicklungsdefizit des Primären gegenüber dem Sekundären und Tertiären Sektor zu sehen. Santiago In Santiago (Standort 37) tritt die ringförmige Struktur heute in einer stärker funktional bestimmten Abfolge von der im altstädtischen Kern befindlichen City über eine Wohn-GeschäftsIndustrie-Mischzone bis hin zu zellenartig ausgeprägten innerstädtischen Marginalvierteln in Erscheinung. Eines dieser Marginalviertel ist der Stadtteil Vega. Relativ gut erhaltene Häuser wechseln sich hier ab mit sehr heruntergekommenen. In jeder Straße ist Markt. Deutlich erkennbar ist jedoch, dass diese Häuser früher einmal besser verdienenden Leuten gehört haben müssen. Das gleiche lässt sich in dem Viertel wo sich die Jugendherberge (Cienfuegos) befindet, feststellen. Ehemalige Häuser der Oberschicht, nach europäischen Vorbild gebaut, werden heute hauptsächlich von Studenten bewohnt und kaum noch instandgehalten. Dies bestätigt die in Punkt zwei erwähnte Abwanderung der Oberschicht aus der Innenstadt. Die Oberschicht wanderte im Zuge der Stadterweiterung ab. Mit dem Bau neuer Parks (z.B. Parque O’Higgins) gewannen diese Stadtteile an Attraktivität und zogen die Oberschicht an. Deshalb siedelten sich viele Angehörige der Oberschicht in Nunoa und in Los Leones an und, es entstand das barrio alto, dass sich heute bis zum Kordillerenfuß ausdehnt. Das barrio alto hat sich zu einer Nebencity mit Geschäften, Restaurants und Dienstleitungsbetrieben entwickelt. Mit der Entwicklung der Infrastruktur und zunehmendem Verkehr wurde auch der Smog zu einem Grund aus der Innenstadt abzuwandern. Die City konzentriert sich, wie schon oben beschrieben, mit den wichtigen Hauptgeschäftstraßen um den Plaza de Armas wo alle Dinge des täglichen bis zum gehobenen Bedarf erhältlich sind. Außerdem finden sich hier besonders in der Compania viele Lokale, in die offensichtlich 30 A-PDF Split DEMO Abbildung 2.4: Modell zur funktionalen und sozialräumlichen Differenzierung lateinamerikanischer Großstädte [13]. 31 A-PDF Split DEMO bevorzugt Angehörige der Mittel- und Oberschicht einkehren. Eine der Hauptverkehrsachsen ist die Avenida Liberador Bernado O’Higgins, welche auf einem ehemaligen Bewässerungskanal, der ursprünglich ein Nebenarm des Rı́o Mapocho war, auf Initiative von Bernado O’Higgins entstand. O’Higgins machte sie zu einer Pracht- und Flanierstraße, und das ist sie bis heute. Heute durchschneidet diese Straße Santiago in südwest-nordöstlicher Richtung und trennt so die Neustadt von der Altstadt. Weitere Hauptverkehrsachsen sind die Avenida Presidente J. A. Rodriguez und die Avenida Santa Maria. Entlang dieser Verkehrsachsen erfolgt die sektorenförmige Ausweitung der Stadt. Die Industrieviertel konzentrieren sich an den Ausfallstraßen nach Norden und Süden, mit einer besonders starken Konzentration von Betrieben zwischen dem älteren Flughafen von Los Cerrilos und Panamericana. Industrieller Schwerpunkt ist dabei der Südosten, wo nach Angabe von Bähr [12] insgesamt 25 % der Industrieerwerbstätigen von Santiago beschäftigt sind. Der zentrumsnahe Bereich ist dabei durch die Konsumgüter- und Nahrungsmittelproduktion gekennzeichnet, und der peripher gelegene Bereich durch Grundstoff- und Investitionsgüterindustrie. Beim Herausfahren aus der Stadt fallen nicht die typischen Elendsviertel wie in anderen Großstädten Lateinamerikas auf. Das liegt daran, dass es 1973 von der Militärregierung eine rigorose Einschränkung der räumlichen Expansion durch damals viele illegale Hüttenviertel gab und damit einher eine verstärkte Sanierungstätigkeit in den randstädtischen Vierteln ging. Deshalb finden sich in Santiago keine typischen Slums mehr. Die Unterschicht wohnt in von der Oberschicht und Mittelschicht verlassenen innerstädtischen Vierteln oder in den genannten randstädtischen Vierteln. Eine Besonderheit Santiagos sind dabei die dadurch entstandenen Conventillos, Massenquartiere für die Unterschicht in der Innenstadt. In den von der Oberschicht verlassenen Wohnhäusern entstanden Unterkünfte für die sozial schwächsten Bevölkerungsgruppen, indem die Häuser mit ihren hintereinandergeschachtelten Innenhöfen einfach zimmerweise weitervermietet wurden. Später wurden nach diesem Organisationsschema solche Massenmietshäuser auch planmäßig angelegt, wobei Kleinstwohnungen an einem langen Gang entstanden. Diese Conventillos sind auch heute noch in der Alameda zu sehen. Allerdings sind diese Gebäude mittlerweile saniert und teilweise zu Geschäftspassagen umgewandelt worden. Asunción Auch in Asunción (Standort 31) hat sich die streng ringförmige Struktur aus der Gründungszeit im Stadtzentrum in eine eher nach funktionalen Gesichtspunkten gegliederte Struktur gewandelt, wobei die Hauptmerkmale der funktionalen Aufteilung einer typischen lateinamerikanischen Kolonialstadt noch deutlich vorhanden sind. Direkt an der ehemaligen Plaza finden sich die wichtigen Gebäude der Verwaltung, der Kirche etc. In den angrenzenden Cuadras konnten wie erwartet Banken, Geschäftshochhäuser, Geschäfte für alle Bedarfsstufen sowie Hotels gesehen werden. Die ehemalige Plaza Independecia liegt direkt am Hochufer des Rı́o Paraguay mit Blick auf die Viviendas temporarias (Abb. 2.5), wie die Elendsviertel in Paraguay genannt werden. Die sozial schwächsten Bürger siedeln am für den Rest der Bevölkerung unattraktiven Hochufer, welches von regelmäßigen Überschwemmungen (s. Kapitel 9) durch den Rı́o Paraguay heimgesucht wird. Auffällig war, dass zwischen den üblichen Bretter- und Wellblechhütten schon einige Häuser aus Stein mit Ziegeldächern zu sehen waren. Das spricht dafür, dass die Bewohner ihren sozialen Status mittlerweile gefestigt haben und über ein geringes aber re32 A-PDF Split DEMO Abbildung 2.5: Elendsviertel am Hochufer des Rı́o Paraguay (Foto: J. Kasperski). Abbildung 2.6: Hafen in Asunción (Foto: J. Kasperski). 33 A-PDF Split DEMO gelmäßiges Einkommen verfügen. Direkt daneben in der Avenida Republica befindet sich im krassen Gegensatz dazu das Regierungsgebäude. Ein Einblick in ein typisches Villenviertel konnte beim Arztbesuch erlangt werden, welches relativ zentrumsnah zwischen der Avenida Peru und der Avenida General Maximo Santos liegt und sich bis zum Flughafen hinzieht. Im Gegensatz zum Rest der Stadt vermittelten die Häuser (teilweise mit Garten) hier entsprechend dem höheren Einkommen der Bewohner einen gepflegten Eindruck, zusätzlich gab es viel Wachpersonal vor den Häusern. Zwei Cuadras vom Plaza Independencia entfernt befindet sich das Hafengebäude mit dem Zugang zum Kai. Der Hafen spielt für die Wirtschaft Asuncións eine untergeordnete Rolle, da die Schiffe aufgrund unregelmäßigen und jahreszeitlich bedingten, oft zu niedrigen Wasserstands des Rı́o Paraguay nicht fahren können (s. Kapitel 9). Deshalb stellte sich der Hafen unerwartet klein und ruhig dar (Abb. 2.6). Der größte Teil des Warenverkehrs wird über die Strasse abgewickelt. Die Hauptverkehrsachsen Asuncións sind die Ruta Transchaco, die Avenida Mariscal Lopez sowie die Ruta Mariscal Estigarribia. Auch in Asunción erfolgt eine sektorenförmige Erweiterung der Stadt entlang dieser Achsen, wie in Abb. 2.7 zu erkennen ist. Beim Herausfahren aus der Stadt konnte der Wechsel von Wohngebäuden und kleinen Betrieben entlang der Hauptverkehrsachsen Avenida Mariscal Lopez und Ruta Transchaco beobachtet werden. Dabei werden die Gebäude mit zunehmender Entfernung von der Stadt immer ländlicher. Am Stadtrand zeigten sich ansatzweise die typischen randstädtischen Hüttenviertel, in denen die Unterschicht der Bevölkerung wohnt. Auf dem Stadtplan sind die im Modell der lateinamerikanischen Großstadt beschriebenen zellenförmigen Erweiterungen erkennbar, welche auf fortschreitender Bevölkerungszuwanderung beruhen. Valparaiso Eine Ausnahme in der vorgestellten typischen Entwicklung einer lateinamerikanischen Stadt bildet Valparaiso (Standort 34). Valparaiso wurde 1544 als Hafenplatz für Santiago de Chile an der schmalen Küstenebene gegründet. Die Stadt wurde zwar auch im klassischen Schachbrettgrundriss angelegt, sie entwickelte sich aber nicht typisch sektorenförmig entlang von Hauptverkehrsachsen, sondern die Stadterweiterungen waren abhängig von der orographischen Lage. Zunächst wurde die schmale Küstenebene besiedelt, danach die einzelnen Bergrücken (Abb. 2.8). Das funktionale Zentrum der Stadt befindet sich analog zu Santiago und Asunción um die Plaza herum auf der Küstenebene. Die Geschäftshochhäuser im Cityzentrum konnten vom Aussichtspunkt aus gut gesehen werden. Die schmale Küstenebene wurde durch Aufschüttungen künstlich vergrößert. Der Großteil der Bevölkerung wohnt auf den Bergrücken. Dabei ergibt sich eine soziale Gliederung nach der Lage am Bergrücken. Die Oberschicht wohnt in oberen Bereichen mit geringer Hangneigung, an den unattraktiveren Steilhängen, welche durch Rutschungen gefährdet sind, sind die marginalen Hüttenviertel der Unterschicht entstanden. Die wichtigste Funktion Valparaisos ist der Hafen. Hier werden 70 % des Importwertes von Chile gelöscht, Valparaiso ist somit der Haupthafen Chiles. Es gibt zwei Hafenkomplexe. In dem einen werden Importgüter entladen, der andere dient hauptsächlich als Umschlagplatz von Massengütern aus der Küstenschifffahrt wie Salpeter, Kohle, Salz und Importgetreide. 34 A-PDF Split DEMO Abbildung 2.7: Stadtplan von Asunción [92]. 35 A-PDF Split DEMO Abbildung 2.8: Blick über den Hafen von Valparaiso (Foto: A. Herrmann). Aufgrund geschichtlicher Ereignisse ist es zu einer Arbeitsteilung zwischen Valparaisos Hafen und dem Hafen von San Antonio gekommen. Der Schwerpunkt des Hafens liegt heute auf dem Stückgutimport, San Antonio ist dagegen Kupferausfuhrhafen für die Großmine von El Teniente bei Rancagua geworden. 2.2 Ländliche Siedlungen Im Folgenden wird hauptsächlich auf die durch Mennoniten und Jesuiten entstandenen ländlichen Siedlungen eingegangen. 2.2.1 Mennonitische Siedlungen Eine große Bedeutung bei der Entwicklung ländlicher Siedlungen kommt in Paraguay den Immigranten zu. Dabei stellen die Mennoniten einen Teil der Immigranten dar, die in WestParaguay einige Kolonien gründeten. Die entstandenen Kolonien mussten sich wegen der anfangs kaum vorhandenen Infrastruktur möglichst in allen Bereichen selbst versorgen. So entstanden Orte mit breitgefächerten Versorgungsangeboten, wie z.B. Filadelfia (Standort 28). Der somit erworbene relative Wohlstand zog auch neue Zuwanderer an. Aufgrund der widrigen Bedingungen (Dürren, etc.) kam es hier auch schnell zum Zusammenschluss von Genossenschaften und Kooperativen. Filadelfia wurde 1931 als Koloniemittelpunkt von Fernheim angelegt und entwickelte sich seitdem zu einem zentralen Ort. An den beiden Hauptachsen der in rechteckige Baublöcke gegliederten Stadt liegt die Landwirtschaftliche Kooperative mit ihren administrativen und industriellen Einrichtungen (Standort 26/28, Abb. 2.9). Dabei übernimmt die Genossenschaft nicht nur den Verkauf der Agrarprodukte und den 36 A-PDF Split DEMO Abbildung 2.9: Koloniezentrum Filadelfias [92]. 37 A-PDF Split DEMO Ankauf wichtiger Bedarfsgüter, sondern fungiert auch als Bank für die Siedler. Die Kooperative unterhält eigene Lagerhäuser und eine Reihe industrieller Betriebe zur Verarbeitung von Kolonieerzeugnissen. Dem zentralen Genossenschaftskomplex schließen sich an den beiden Hauptstraßen die meisten der privaten Kaufläden, handwerkliche Betriebe, Zentralschule und Seminar, Volksschule, Druckerei, Bibliothek, verschiedene kirchliche Einrichtungen, Krankenhaus, Altersheim und Hotel an. Die übrigen Grundstücke nehmen Wohnhäuser ein. Dabei werden die Lebensbereiche einzelner Gesellschaftsschichten streng getrennt. So haben die Indianer im Südwesten ihr eigenes Siedlungsgebiet, und die ,,fremdverheirateten” Mennoniten am Rande der Stadt. Die Ruta Transchaco ist die wichtigste Verkehrsverbindung zur Hauptstadt, über die der gesamte Güterverkehr abgewickelt wird. Die kleineren ländlichen Siedlungen der Mennoniten sind oft in der Struktur von Straßendörfern angelegt worden, deren Form aus Russland übernommen wurde. Dabei reihen sich die Häuser entlang der Straße, dahinter sind die jeweiligen Grundstücke. Einige ländliche Siedlungen im Chaco, einem Siedlungsgebiet der Mennoniten, sind, wie in Campo Allegre (Standort 30) gesehen werden konnte völlig unregelmäßig angelegt. Am Rande dieser Siedlungen befinden sich verstreut Indianersiedlungen, die ebenfalls unregelmäßig da entstanden sind, wo den Indianer von den Mennoniten ein Stück Land zum Bewohnen zugewiesen wurde. Auch die nicht-mennonitischen ländlichen Siedlungen Paraguays stellen in Ausnahmefällen wie zum Beispiel Compania de Arizo (Standort 16), der Vorort von Acahay, Straßendörfer dar. Die meisten Siedlungen sind jedoch im traditionellen Schachbrettgrundriss angelegt, wie auch Acahay selbst. 2.2.2 Jesuitische Siedlungen Ein weiterer ländlicher Siedlungstyp ist der, welcher sich aus einer ehemaligen Jesuitenreduktion in dem von Jesuiten besiedelten Bereich Paraguays (Gebiet südlich von Villa Florida) entwickelt hat (s. Kapitel 1). Dabei kann danach unterschieden werden, ob die Siedlung aus den alten Strukturen der Jesuiten hervorgegangen ist und diese nur in der Nutzung verändert worden ist, oder ob die Siedlung, wie zum Beispiel Trinidad (Standort 10) neu neben der ehemaligen Reduktion aufgebaut wurde. Ein solche Siedlung ist Villa Florida (Standort 14). Die Siedlung war eine ehemalige Jesuitenreduktion mit der Kirche im Mittelpunkt und zeigt noch die alten Strukturen. Außerdem gibt es eine Plaza die mittlerweile, wie in mehreren Siedlungen zu beobachten war, als Erholungsplatz mit Wiese, Bäumen und Spielplatz genutzt wird. In der Siedlung selber gab es einige Geschäfte für Waren des täglichen Bedarfs sowie einige Hotels und Restaurants für den Tourismus. Auffallend war, dass auch hier der schachbrettartige Aufbau vorherrschte. Dies erklärt sich aus der staatlichen Überprägung durch die neue Verwaltung des Ortes nach der Vertreibung der Jesuiten. Typisch für Reduktionen ist die Lage in Flussnähe, die auch Villa Florida aufweißt. Das war früher wichtig für die Verkehrsanbindung durch den Fluss. Auch San Cosme y Damian (Standort 12) gehört zu den Siedlungen die aus einer ehemaligen Reduktion entstanden und heute noch Reste der alten Strukturen aufweisen. 38