Kontur „Mich treibt an, et
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Kontur „Mich treibt an, et
FLORISTIK Ko nt ur „Mich treibt an, et Gregor Lersch zählt zu den international bekanntesten Floristen. Zur Person Mit formalen Neuerungen setzt der Meister- Gregor Lersch ist in einer Gärtnerei florist und Träger unzäh- aufgewachsen, hat Gärtner gelernt liger Ehrungen immer und anschließend die Ausbildung wieder Akzente. zum Floristen aufgesattelt. Die Begegnung mit Albert Eurich, seinem Lehrer auf der Meisterschule in Friesdorf, bezeichnet Lersch als Meilenstein. Seitdem hat Lersch an vielen Berufswettkämpfen teilgenommen und wurde 1978 Europameister in Rom. „Die Wettkämpfe haben mir eine Menge Türen geöffnet,“ sagt er heute. Lersch ist außerdem bekannt von Seminaren, von seinen Auftritten auf großen Bühnen, auf Messen und Großmärkten, er war jahrelang auf der Home & Garden in Beekestijn/NL vertreten und organisiert Symposien mit der Beteiligung internationaler Floristen wie das in diesem Jahr bevorstehende zum Thema Weihnachten. Lersch arbeitet in über 20 Ländern und spricht fünf Fremdsprachen. Inzwischen wurden fast 20 Bücher mit seinen Werkstücken veröffentlicht. 18 F.I.: Der Name Gregor Lersch ist jedem Floristen ein Begriff, aber wie fing alles an? War für Sie immer klar, dass Sie Florist werden? Lersch: Meine Erwartungen zu dem, was ich aus meinem Leben machen kann, waren eigentlich immer sehr basic. Unsere Eltern haben immer gesagt, wir sind nur Gärtner, obwohl wir damals schon viel Grundbesitz hatten und keine armen Leute waren, aber so sind wir aufgewachsen. Ich habe dann die Gärtnerlehre angefangen, obwohl man mir sagte, ich sollte doch die weiterführende Schule besuchen. Nein, ich wollte Gärtner werden. Anschließend sollte ich auch noch Florist lernen. Ich kam in die Hände von Albert Eurich, dem ich viel verdanke. Er hat mich geprägt. Er hat gesagt: „Junge, du kannst zeichnen und auch gestalten.“ Es war nie so, dass ich von Anfang an ein gestaltungsbesessener, vom Schicksal wundersam geführter Künstler war. Ich bewerte mein Leben auch heute nicht als eine ausgesprochene Karriere. Ich habe Glück, in einer Zeit zu arbeiten, in der die Floristik ihre Blüte hat. F.I.: Wie sieht es mit Ihrer Liebe zu Blumen, zur Natur aus? Lersch: Der Initialfunke kam, als ich 27 Jahre alt war. Damals übernahm ich das Geschäft meiner Eltern, die zum Glück immer noch leben. Gleichzeitig habe ich das Gärtnern wieder angefangen. Im Grunde war ich nie nur Florist, sondern immer auch Pflanzensammler und Gärtner. Ich weiß, wo ich hingehöre. F.I.: Wie würden Sie Ihren Stil charakterisieren? Lersch: Keine Chance. Ich habe keinen typischen Stil. Das einzige, was wirklich charakteristisch ist, ist die ausschließliche Verwendung von Floralem. Da bin ich absolut. F.I.: Wie sieht es mit einer Vorliebe für Konstruiertes aus? Lersch: Nein, das ist nur ein temporäres Bild, das ist nicht wichtig. Mit Laien mache ich zum Beispiel Sachen, die nicht konstruiert und nicht aufgebaut sind. Ich mache alles gern. F.I.: Steht bei Ihren Werkstücken von Anfang an fest, welche Blume wohin muss? Wie entwickeln Sie? Lersch: Im Moment entwickle ich sehr stark nach grafischen Bildern. Und was die Blumen betrifft: Vor drei Wochen habe ich ein Fax nach Australien geschickt. Da steht dann: flowers like … Vielleicht sind die Kalla dann nicht schwarz, sondern weiß, nicht rot, sondern orange, aber im Grunde genommen ist das auch nicht entscheidend. Die Anmutung muss stimmen. F.I.: Was erwarten Floristen, wenn sie Ihre Seminare besuchen? Wollen sie Lersch-Floristik? „Im Moment entwickle ich sehr stark nach grafischen Bildern“ FLORISTIK was Eigenständiges zu tun“ Lersch: Nein, das kann ich nicht sagen. Die meisten sehen es als eine handwerkliche Herausforderung, nur mit Pflanzlichem zu arbeiten. Sie suchen nach gestalterischem Wissen, um nicht nur aus dem Bauch heraus ein anderes Ufer zu finden. Ich sage ein anderes, kein neues. Die Teilnehmer versuchen, eigene Dinge zu entwickeln, sie suchen nach neuen Bildern. F.I.: Wo finden Sie selbst neue Bilder? Lersch: Außerhalb des Berufs. In der Kunst oder Architektur. Zurzeit faszinieren mich die geraden Gliederungen des Klassizismus. Und mich fasziniert der Jugendstil – das hat wohl mit meinem Haus zu tun. Zurückblickend muss ich sagen, dass mich die Sache mit den schwebenden Blumen besonders fasziniert hat. Dahinter steckten die Bilder von Chagall. Da ist ein Nachthimmel und da fliegen Blüten und Sterne durch die Luft. Schwebende Liebespaare und schwebende Sträuße, das ist eine Romantiknummer, das weiß ich. Aber so etwas zu gestalten, Blumen und Grün in Röhrchen fliegen zu lassen, das ist wunderbar. F.I.: Wie lang dauern solche Schaffensphasen? Lersch: Zwischen ein und drei Jahre. Das sind wirklich meistens Dinge, die von außerhalb des Berufs kommen. Zur Phase jetzt könnte ich nicht sagen, ob ich Konstruiertes mache oder ob ich gewaltsam vermeiden will, der Mode von Gefäßen ausgeliefert zu sein. Sie kennen meine Ungefäße. Ich bin Mister Ungefäß. Zurzeit sind für mich gemachte Gefäße vom Glaser der Hit, weil ich sage: ich will nichts von einer Firma. Diese Verweigerung gibt mir die Möglichkeit, ein Unikum zu bleiben. Manches machen andere auch oder man hat vielleicht das eine oder andere auch schon übernommen, aber ich informiere mich wenig im Beruf. F.I.: Wie stark werden Sie durch Ihre Auslandsaufenthalte geprägt? Lersch: Ich profitiere menschlich. Beruflich gesehen kommt da recht wenig Inspiration, höchstens, wenn etwas am Wegesrand liegt wie Kunst und Design. Es liegt mir daran, Floristen aus der ganzen Welt nach Deutschland zu holen, ich habe aber den Eindruck, dass solche Einflüsse zur- „Ich war nie nur Florist, sondern immer auch Gärtner“ Perfektes Handwerk ist Grundlage für die Werkstücke von Lersch. Pflanzenkostbarkeiten, in ein florales „Nadelkissen“ gebettet. zeit gar nicht so sehr gefragt sind. Die Globalisierung scheint eher zu einer Gegenbewegung zu führen, zu einer Besinnung auf Traditionen. F.I.: Wie lange hat es gedauert, bis Sie das Selbstbewusstsein hatten, sich öffentlich zu präsentieren? Bis Sie sicher waren, dass Sie gute Sachen machen? Lersch: Also, ich will jetzt nicht rührselig werden, aber ich gehe mit dem, was mein Selbstbewusstsein betrifft, durch tausend Täler. Dass ich selbstsicher bin, das kommt vielleicht so rüber, vielleicht weil ich aus einer Familie komme, die immer das Gespräch gepflegt hat. Mein Vater ist ein hervorra- Floristik international 9/2000 19 FLORISTIK Ko nt ur „Ich habe keinen typischen Stil“ gender Erzähler, mein Großvater war Dichter. Und mir macht es wahnsinnig viel Freude, Dinge zu erklären und dann vergesse ich auch meine Ängste. Aber ich habe schon Angst, mich hinzustellen und zu sagen: so ist das, jetzt müsst ihr das alle gut finden.Verwöhnt bin ich auch nicht, weil es in Deutschland schon drei oder vier Mal für mich vorbei war. Von Zeit zu Zeit begräbt Deutschland seine Richtungsholder. F.I.: Was haben Sie für Ziele? Lersch: Ich kann keine Ziele für mich beanspruchen. Wichtig ist mir, dass die Blume im Mittelpunkt steht. Von der Blume als Werkstoff ausgehend ent- wickle ich Formen, die ein Stück weit den Zeitgeist widerspiegeln. Mich treibt an, etwas Eigenständiges zu tun. F.I.: Was ist für Sie Erholung? Lersch: Meine Frau, meine Familie, der Garten. Ich interessiere mich für Architektur, obwohl ich mir nicht anmaße, etwas davon zu verstehen. Ich spiele Gitarre und Klavier, und ich singe. Außerdem zeichne ich sehr viel. Ich habe meinen Skizzenblock immer dabei. F.I.: Sie sprechen auf Ihren Demonstrationen immer wieder an, dass Floristen sagen, Ihre Werkstücke seien nicht verkäuflich. Wie sieht die Floristik in Ihrem Blumengeschäft in Bad Neuenahr aus? Lersch: Genauso wie auf der Bühne. „Charakterisch ist, dass ich ausschließlich Florales verwende“ Alternative Steckhilfen spielen bei Lersch eine große Rolle. Ungefähr ein Drittel ist Präsentation in diesem Stil, natürlich gibt es auch Schnittblumen in Aluvasen. Immer sind zwei, drei fertige Arbeiten zu sehen, Floristikfiguren, dann noch die kleinen Versionen, die kleinen Dinge, oft in Reihungen. Es geht um Farbstimmungen, um Konstruiertes, Gebundenes, Gewundenes. Das erwartet der Kunde. Er findet solche Figuren im Moment interessant und sieht, dass sich immer wieder etwas ändert. Aber dass ein ganzer Laden voll steht mit solchen Sachen, und dass die Kunden das auch direkt kaufen, so ist es nicht. Aber ich frage mich: Was passiert, wenn der Kunde von alledem nichts mehr sieht, wenn er nur ein paar gepflegte Eimer mit Blumen sieht, und wir stehen da und fragen: was kann ich für Sie tun? Dafür brauchen uns die Kunden im Grunde doch nicht. F.I.: Wohin geht die Branche? Lersch: Man braucht Organisationstalent und Individualität, außerdem Lust und Leidenschaft. Ein großes Feld der Zukunft ist meiner Meinung nach die Arbeit mit Laien. Nicht jeder will in seiner Freizeit Bungee springen oder Wasserfälle hinunterstürzen. Viele Menschen suchen nach einem Ausgleich, sie wollen etwas selber machen, im Garten, in der Wohnung, mit Blumen und Pflanzen. Wir Floristen können diese Entwicklung moderieren, wenn wir sie positiv sehen. In Japan spielt Flower Design schon jetzt eine große Rolle. F.I.: Vielen Dank für das Gespräch. ■ Im Gespräch: Gregor Lersch und Edith Strupf. Fotos: Hillebrand 20 Floristik international 9/2000