Manchmal wünschen sich Projektmanagerinnen, sich statt mit
Transcrição
Manchmal wünschen sich Projektmanagerinnen, sich statt mit
erschienen in: Petra, November 2011 Cowboy statt Couture Bloß weg hier, dachte Ree Drummond und zog vom Land in Oklahoma nach LA,wurde PRLady, liebte Sushi und schicke Clubs. Und dann? Verliebte sie sich in einen Cowboy aus ihrem Heimatdorf!Jetzt hat sie eine Ranch, vier Kinder und bloggt über ihr Leben. Undganz Amerika liebt sie dafür. Von Nina Anika Klotz Heute hat Ree Drummond ihren vier rotwangigen Kindern und dem Cowboy, der ihr Ehemann ist, ein gigantisches Steak zu Mittag gebraten. Mit Whiskey-Sahne-Sauce und Kartoffeln. Und einen Kuchen hat sie gebacken, mit extra viel Butter. Später war sie bei den Kälbchen im Stall, hat einen Berg Wäsche gewaschen und dann hat sie dem Rest der Welt von ihrem sorgenfreien Leben als Countrygirl, Mutter und „The Pioneer Woman“ erzählt. Der Blog „Confessions of a Pioneer Woman“ (Bekenntnisse einer Pioniersfrau) ist einer der beliebtesten Blogs in den USA. 4,4 Millionen Menschen rufen die Seite 23,3 Millionen Mal im Monat auf, um Geschichten aus dem Leben der 42-jährigen Ree Drummond zu lesen, die mit ihrer Familie auf einer großen Rinderfarm irgendwo in Oklahoma lebt. Es sind Geschichten aus einer Welt, wo der nächste Nachbar 15 Kilometer weit weg wohnt, in der Kinder reiten lernen bevor sie richtig laufen können, und Autofahren bevor sie zur High School gehen. Es ist eine Welt, in der niemand Kalorien zählt, aber alle an Gott glauben. (Alles, was Ree unter der Rubrik „Kochen“ bloggt, hat irgendwas mit Butter oder Mayonnaise zu tun.) Eine Welt, wo Männer große Cowboyhüte tragen und Frauen sich nur mit einer einzigen Frage herumschlagen müssen: Was koche ich heute Abend? Ree Drummond gewann mit ihren Geschichten aus dieser Welt 2009 den Weblog-Award „Bloggie“, den begehrsten Blogger-Preis überhaupt. Auf Platz Zwei und Drei landeten PerezHilton.com und die Onlinezeitung „Huffington Post“. In der Woche vor der Preisverleihung hatte Promiblogger Hilton über neue Saufeskapaden von Lindsay Lohan berichtet, die Huffington Post über den Krieg im Irak – und Ree? Ree postete einen längeren Text über einen kleinen Hund, der ihr zugelaufen war. Der Artikel wurde tausendfach kommentiert und weitergeleitet. Er war einer ihrer besten. Klar, im ersten Moment klingt das irgendwie gaga und furchtbar, schrecklich anachronistisch. Auch wie Ree aussieht, so ein bisschen mopsig und mit diesen amerikanospießigen Cheerleader-Locken, immer in Knallfarben und immer mit Colgate-Lächeln, ist irgendwie nicht gerade en vogue. Man will nicht so recht glauben, dass sie der neue Shootingstar des Internets ist. Und wenn man zum ersten Mal auf ihren Blog schaut und Foto ihres achtjährigen Sohnes da sieht, mit lauter Rotz an der Nase und Cowboyhut auf dem Kopf, und darunter steht: „Mommy hat dich so lieb, dass es weh tut“ – man würde nicht sofort auf den Gedanken kommen, dass das der neuste heiße Scheiß aus den Staaten ist. Aber wenn man sich dann weiter ein bisschen auf der Seite der Pioneer Woman umsieht, und wirklich ehrlich zu sich selbst ist, dann stellt man plötzlich fest: Vielleicht würde ich ja doch mal gern Leben mit ihr tauschen. Nur so für einen Tag. Oder für zehn. Mal Kühe melken statt in Meetings sitzen, mit einem alten Truck durch die Prärie fahren statt mit der S-Bahn in die Innenstadt. Ja, ab uns zu ertappen Businessfrauen und Party-Girls sich gleichermaßen dabei, dass sie ganz heimlich von einem Leben auf dem Land träumen. Und aus demselben Grund, aus dem hierzulande Bankerinnen heimlich „Landlust“ lesen, klicken amerikanische Großstädterinnen auf „Pioneer Woman“: aus einer tiefen Sehnsucht nach einem besseren, einfacheren Leben – a simple life. In Ree’s „simple life“ kann man regelrecht eintauchen, weil sie es nicht nur beschreibt, sondern auch fotografiert. Gelernt hat sie das zwar nicht, aber sie ist trotzdem ziemlich gut und kann mit ihrer Digitalkamera umgehen – und mit Photoshop. So kommt es, dass die Wiesen von Oklahoma auf Rees Fotos noch ein bisschen grüner aussehen als in echt. Und dass die Augen von Rees Mann Ladd, den sie „Marlboro Man“ nennt, noch ein bisschen blauer scheinen. Ja, manchmal ist bei The Pioneer Woman alles noch ein bisschen schöner, ein bisschen zu schön vielleicht fast schon. Manchmal wird einem vor lauter Überschönheit beinahe ein bisschen schlecht. Aber dann fängt Ree einen schnell wieder ein mit so selbstironischen Sätzen wie: „Jedes Mal, wenn ich meine Cowboystiefel anziehe, habe ich das Gefühl, ich würde auf einen Kostümball gehen.“ Oder: „Ich bin zwar völlig glückselig mit meinem Landleben, aber irgendwie fühle ich mich die Hälfte der Zeit als würde ich schummeln.“ Denn eigentlich ist Ree ja ein Big-City-Girl. Zumindest war sie das einmal. Sie wurde ganz in der Nähe der Ranch, auf der sie nun lebt, geboren, aber nach der High-School wollte sie nichts wie weg aus der Provinz. „Ich ging aufs College nach LA – die größte und städtischste Stadt, die ich mir vorstellen konnte“, sagt sie. Sie bekam einen Job als PR-Assistentin, entdeckte Sushi, Low-Carb-Diäten und Nachtclubs, ging regelmäßig zur Maniküre und trug mit Freude die himmelhöchsten Highheelsandalen. Eigentlich wollte sie nur ihre Eltern in Oklahoma besuchen, als sie sich dann vor 15 Jahren total aus Versehen in einen Cowboy aus dem Nachbardorf verliebte. „Er war groß, stark und redete nicht viel, trank Bier, trug Jeans und bemerkenswerte Cowboystiefel. Mein Gott, er war wie eine Offenbarung, dieser Marlboro Man-artige Mensch“, erinnert sie sich. Es war der Beginn einer märchenhaften Liebesgeschichte zwischen einem Mädchen, das das Landleben hasst, Angst vor Hühnern hat und nicht reiten kann, und einem Cowboy, der voll Ungestüm nach zwei Wochen mit einem „Ich liebe dich“ und kurz darauf mit einem Heiratsantrag über diese Stadtpflanze herfällt und so ihr Herz erobert. Ach. Hollywoodreif, eigentlich. Das dachte sich auch Filmproduzentin Laura Ziskin („Pretty Woman“) und sicherte sich die Rechte an Ree Drummonds Geschichte, die diese für ihren Blog aufgeschrieben hatte. Im Februar 2011 erschien sie als Buch mit dem Titel „Black Heels to Tractor Wheels“ (etwa: „Tausche schwarze Pumps gegen Traktorräder“), das schlagartig auf Platz 2 der „New York Times“Bestsellerliste landete. Die Dreharbeiten zum Ree Drummond-Film sind in Vorbereitung und wer die Hauptrolle spielt, steht schon fest: Keine geringere als Reese Witherspoon. Reese ist Ree. Man fragt sich natürlich zu Recht, wie „simple“ das Leben einer Frau wohl noch sein kann, die einen Roman geschrieben hat, der Vorlage für einen Hollywoodfilm wurde. Die außerdem ein Kochbuch heraus gebracht hat („The Pioneer Woman Cooks – Rezepte eines versehentlichen Landmädchens“), das ein Amazon-Bestseller wurde, und ein Kinderbuch über den Farmhund Charlie. Und die ab Ende August eine eigene Kochsendung auf Food Network bekommt. Kritiker werfen Ree vor, sie sei weder eine Pioneer Woman noch ein Coutrygirl, sondern eine ausgefuchste Geschäftfrau, die mit erstunkenen Geschichten vom Landleben Kohle scheffelt. Ree selbst spricht nicht übers Geld, deutete lediglich einmal an, mit dem Blog in etwa eine Million Dollar verdient zu haben. Alleine im letzten Jahr. Und kein Wort über Bücher, Filmrechte, TV etc. Also von wegen „simple life“? Alles nur Show? Nein, das nicht unbedingt. Zumindest versucht Ree angestrengt, die Einfachheit ihres Lebens zu wahren. Sie gibt selten Interviews und auf ihrer Webseite heißt es, man könne sie für Veranstaltungen und Lesungen anfragen, es sei aber unwahrscheinlich, dass sie kommt: „Ihr müsst verstehen, ich bin da ein bisschen komisch, aber ich verlasse nicht gern die Ranch.“ Und wenn man das liest, dann ist es wieder da, das Gefühl, das man echt gern mal mit ihr tauschen würde. Denn Ree Drummond, Pioniersfrau und ungewolltes Cowgirl, weiß wo sie hingehört. Ree ist angekommen. Und wer kann das schon so von sich behaupten.