mit teilstandardisiertem Gesprächsleitfaden
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mit teilstandardisiertem Gesprächsleitfaden
Der qualitative Zugang zur Realität Qualitative Befragung (Gruppendiskussionen, qualitative Einzelinterviews) mit teilstandardisiertem Gesprächsleitfaden Dr. Beate Großegger: STEP 5 Ablaufschema einer sozialwissenschaftlichen Studie Konzeptualisierung Erkenntnisinteresse – forschungsleitende Fragestellung: Was will ich wissen? (Warum?) Theorie Stand der Forschung: Forschungsliteratur erarbeiten, Sekundär(daten)analyse Konkretisierung der forschungsrelevanten Fragestellungen; Begriffsdefinitionen; Exposé Empirie • Bestimmung des Auswahlverfahrens: Wer soll untersucht werden? Definition der Untersuchungsobjekte (MerkmalsträgerInnen); Auswahl der Untersuchungsobjekte • Dimensionierung: Was soll untersucht werden? zu untersuchende Dimensionen/Merkmale/Variablen werden festgelegt Operationalisierung/Formatierung: Wie soll das untersucht werden? !Erhebungsverfahren und Erhebungsinstrument (z.B. Focus Groups; Gesprächsleitfäden) Erhebung Auswertung Berichtslegung Dr. Beate Großegger: STEP 5 1.) diskussionsbasierte Verfahren: Focus Groups und Gruppendiskussionen als „Klassiker“ der qualitativen Befragung Dr. Beate Großegger: STEP 5 Gruppendiskussionen/Focus Group: die Methode Spontaner Gedankenaustausch in der Gruppe – WICHTIG: quasi-natürliche Umgebung! Die Methode geht von der Annahme aus, dass das Gespräch zwischen Menschen die ursprünglichste Form der Meinungsbildung ist Gruppendiskussionen/Focus Groups • dienen zur Exploration von Meinungen und Einstellungen in einer bestimmten Zielgruppe (TeilnehmerInnen-Stichprobe) • gewinnen im Bereich der Motivanalyse im kommerziellen und nicht-kommerziellen Sektor immer mehr an Bedeutung • sehen TeilnehmerInnen als ExpertInnen ihrer eigenen Lebenswelt • liefern Antworten auf Fragen, die für die Analyse eines sozialen Phänomens von großer Bedeutung sind, vom ForscherInnenteam aber vielleicht noch gar nicht berücksichtigt wurden (Generierung neuer Forschungsfragen, Vertiefung der Perspektive) Dr. Beate Großegger: STEP 5 Gruppendiskussionen/Focus Group: Wie geht man vor? Gemäß den Zielen des Forschungsplans wird eine Stichprobe gezogen • 7 bis 12 Teilnehmer (Prinzip der Anonymität; Teilnehmer sollen sich nicht kennen; alters- und geschlechtshomogen) • Dauer: 1 bis 3 Stunden Es wird ein teilstandardisierter Interview-/Gesprächsleitfaden erstellt Ein Grundreiz dient quasi als „Ankick“ der Diskussion • „tieferliegende“ Meinungen unter Nutzung der Gruppendynamik „raus-kitzeln“; spontane Reaktionen provozieren Häufig: ergänzend zur Diskussion kurzer schriftlicher Fragebogen mit den wichtigsten demographischen Merkmalen (Alter, Geschlecht, Schulbildung) Transkription; Auswertung plus Dokumentation auf Video! Dr. Beate Großegger: STEP 5 Theoretische Konzepte: Gruppendiskussionsverfahren im deutschsprachigen Raum 1. • • Das Individuum in einer öffentlichen Gesprächssituation: Frankfurter Schule (Horkheimer/ Adorno)/Institut für Sozialforschung – 1950er Jahre Gruppendiskussionen als Alternative zur isolierten Befragung der klassischen Umfrageforschung Diskussion in der Gruppe soll die öffentliche Gesprächssituation nachbilden; Ziel: tiefer liegende politische Meinungen/latente Einstellungen aufdecken 2. Das Modell der informellen Gruppenmeinung: Mangold – 1960er Jahre • geht davon aus, dass die Gruppenmeinung nicht in der Diskussionsrunde produziert, sondern lediglich aktualisiert wird • die Diskussionsteilnehmer sind Repräsentanten eines bestimmten Kollektivs/einer bestimmten Gruppe und vertreten in der Diskussion die dort vorherrschende Gruppenmeinung 3. Das Modell des interpretativen Aushandelns von Bedeutung • 70er Jahre: in der Gruppendiskussion werden durch die Interaktionen der Diskussionsteilnehmer Bedeutungen ausgehandelt und so Meinung(en) produziert Dr. Beate Großegger: STEP 5 Theoretische Konzepte: Gruppendiskussionsverfahren im angelsächsischen Raum 1. Focus Groups • • • von Merton – 1950er Jahre: als neues Verfahren in der Rezeptionsforschung zur Wirkung von Propagandasendungen im 2. Weltkrieg eingeführt Focus Groups werden als reines Pre-Test-Verfahren gesehen (Generierung von Forschungsfragen und Hypothesen) Gruppe wird aus einander nicht bekannten, nach dem Zufallsprinzip ausgewählten Personen zusammengesetzt 2. Group Discussions • • • CCCS – 1970er Jahre Gruppen werden als Vertreter eines Kollektivs (meist Klasse/Schicht) verstanden und daher nach bestimmten demographischen Kriterien (Beruf, Ausbildung, Alter) zusammengesetzt Konzept der „interpretative community“: man geht davon aus, dass milieu-bzw. klassenspezifische Codes in der Diskussion repräsentiert werden Dr. Beate Großegger: STEP 5 2.) leitfadengestützte qualitative Interviews (= Einzelinterviews) als weitere wichtige Variante der qualitativen Befragung Dr. Beate Großegger: STEP 5 Qualitative Interviews – fokussierte, problemzentrierte Interviews: Wie geht man vor? … so wie bei Gruppendiskussionen Gemäß den Zielen des Forschungsplans wird eine Stichprobe gezogen • Die StudienteilnehmerInnen werden zu Einzelinterviews eingeladen • Dauer: 1 bis 2,5 Stunden Es wird ein teilstandardisierter Interview-/Gesprächsleitfaden erstellt Ein Grundreiz dient quasi als „Ankick“ der Diskussion • „tieferliegende“ Meinungen „rauskitzeln“; spontane Reaktionen provozieren; ev. biographisch-narrative Passagen initiieren Häufig: ergänzend zum Interview kurzer schriftlicher Fragebogen mit den wichtigsten demographischen Merkmalen (Alter, Geschlecht, Schulbildung) Transkription; Auswertung plus Dokumentation auf Video! Dr. Beate Großegger: STEP 5 Focus Groups oder qualitative Einzelinterviews? Vorteil der Gruppendiskussion • mehr Argumente aus verschiedenen Blickwinkeln! • Strategische Nutzung der Gruppeninteraktion, um Daten/Einsichten zu bekommen, die in Einzelinterviews nicht zu bekommen wären! Problem bei Gruppendiskussionen: dominante TeilnehmerInnen/Schweiger! Qualitative Einzelinterviews sind sinnvoller: • • • • bei sensiblen Themen, bei denen zu erwarten ist, dass das Phänomen der Schweiger besonders stark durchschlägt, bei Fragestellungen, bei denen sehr detailliert subjektive Sichtweisen und Handlungsstrategien des/der Einzelnen interessieren, bei Fragestellungen, bei denen die Berücksichtigung des biographischen Hintergrunds relevant ist, wenn qualitative Typologien gebildet werden sollen Dr. Beate Großegger: STEP 5 Ablaufschema einer sozialwissenschaftlichen Studie Konzeptualisierung E r k e n n t n i s i n t e r e s s e !forschungsleitende Fragestellung: Was will ich wissen? (Warum?) Theorie S t a n d d e r F o r s c h u n g : Forschungsliteratur erarbeiten, Sekundär(daten)analyse Konkretisierung der forschungsrelevanten Fragestellungen; Begriffsdefinitionen; Exposé Empirie Bestimmung des Auswahlverfahrens: Wer soll untersucht werden? 8 Definition der Untersuchungsobjekte (MerkmalsträgerInnen); Auswahl der Untersuchungsobjekte O p e r a t i o n a l i s i e r u n g/ D i m e n s i o n i e r u n g : W a s s o l l u n t e r s u c h t w e r d e n ? 8 zu untersuchende Dimensionen/Merkmale/Variablen werden festgelegt O p e r a t i o n a l i s i e r u n g/ F o r m a t i e r u n g : W i e s o l l d a s u n t e r s u c h t w e r d e n ? 8 Erhebungsverfahren und Erhebungsinstrument (z.B. Focus Groups; Gesprächsleitfäden) Erhebung Auswertung step 5 / SS 2008 !dr. beate großegger Interpretation Forschungsbericht; Management Summary Was kommt dann noch? • Erhebung • Datenaufbereitung • datennahe Analyse • Interpretation • Ableiten von Konsequenzen • textierter Endbericht Erhebung Auswertung Interpretation Forschungsbericht; Management Summary Dr. Beate Großegger: STEP 5 Von der Arbeit „im Feld“ zum fertigen Endbericht 1. Datenerhebung 2. Datenbeschreibung 3. Datenerfassung (Transkribieren/bandbassierter Protokolle, Codieren) und inhaltsanalytische Auswertung – thematische Systematisierung 4. Interpretation – interpretative Systematisierung Dr. Beate Großegger: STEP 5 Datenbeschreibung Infos zur Erhebungssituation sowie Kontextinformation zum Fall = interpretationsrelevant (Achtung: Anonymität der GesprächsteilnehmerInnen wahren) • „Feldtagebuch“ • „Postscriptum“ (detaillierte Fallnotizen) • Fall- bzw. Personenprofile Anknüpfungspunkt: Memo-Schreiben in der Grounded Theory (CodeNotizen, theoretische Notizen, Planungsnotizen) – Tool zur Entwicklung analytischer Ideen und Grundlagenmaterial für die Publikation Dr. Beate Großegger: STEP 5 Schritt 1: Daten erfassen und aufbereiten – drei Varianten a. Erstellung eines Gesprächsprotokolls als Grundlage für protokollbasierte Auswertungen: ist für unseren Bedarf (= inhaltsanalytische Bearbeitung/ Auswertung der Gesprächsdaten) zu ungenau b. Erstellung eines bandbasierten Protokolls: alle Passagen, die für die Beantwortung der Forschungsfrage relevant sind (das sind in jedem Fall alle im Gesprächsleitfaden als Leitfadenfrage operationalisierten Fragen) werden transkribiert; ausgenommen sind lediglich Fragen, die als reine Faktenfragen gestellt werden (= Antworten auf Faktenfragen werden nicht im Originalwort erfasst!) – Grundlage für systematische vergleichende Analysen auf hohem sozialwissenschaftlichen Niveau c. Erstellung einer kompletten Transkription – (nur) bei narrativen Erhebungsverfahren (z.B. narrativ-biographische Interviews) und rekonstruktiven Auswertungsverfahren sinnvoll und notwendig; ACHTUNG: hier gibt es diverse Transkriptionsregeln; in der Berichtslegung müssen die Transkriptionsregeln in jedem Fall erläutert werden Dr. Beate Großegger: STEP 5 Bandbasiert protokollieren: Transkription nach Kuckartz u.a. 2008 1. Es wird wörtlich transkribiert, also nicht lautsprachlich oder zusammenfassend. Vorhandene Dialekte werden nicht mit transkribiert. 2. Die Sprache und Interpunktion wird leicht geglättet, d.h. an das Schriftdeutsch angenähert. Beispielsweise wird aus „Er hatte noch so’n Buch genannt“ – „Er hatte noch so ein Buch genannt“. 3. Alle Angaben, die einen Rückschluss auf eine befragte Person erlauben, werden anonymisiert. 4. Deutliche, längere Pausen werden durch Auslassungspunkte (…) markiert. (Institut für Jugendkulturforschung: Längere Pausen werden durch eine in Klammer gesetzte Anmerkung erfasst – als Anm. kenntlich gemacht) 5. Besonders betonte Begriffe werden durch Unterstreichungen gekennzeichnet. (Institut für Jugendkulturforschung: Besondere Betonungen werden in einer Anmerkung vermerkt – als Anm. kenntlich gemacht) Literatur: Udo Kuckartz u.a.: Qualitative Evaluation. Der Einstieg in die Praxis. (2., aktualisierte Auflage). Wiesbaden: VS Verlag. 2008 Dr. Beate Großegger: STEP 5 Auswertung von Gesprächsdaten Die Auswertung erfolgt zweistufig: 1. die Ergebnisse werden einer thematischen Systematisierung unterzogen; Ziel: Zugang zu lebensweltlichen Wissensbeständen erhalten und Aufschluss über lebensweltrelevante Themen bekommen 2. mittels interpretativer Systematisierung werden subjektive Deutungsmuster sowie Handlungsmotive und handlungsleitende Wissensbestände rekonstruiert. Analyse und Interpretation erfolgen unter Berücksichtigung von Ergebnissen vorliegender qualitativer und/oder quantitativen Studien zum Thema (Stichwort: Stand der Forschung). „Mit Theoriegeleitetheit ist gemeint, daß der Stand der Forschung zum Gegenstand und vergleichbaren Gegenstandsbereichen systematisch bei allen Verfahrensentscheidungen herangezogen wird.“ (Mayring 2003: 45) Dr. Beate Großegger: STEP 5 Teil-standardisierter Gesprächsleitfaden als 1. grober Analyseraster Wissenschaftliche Fragestellung (abstrakte Formulierungen, Meta-Ebene – können als Themenüberschriften im GLF dienen): Frage 1: ................................ Gesprächsleitfaden – Übersetzung in die Alltagssprache der zu Befragenden: .................................... !Frage(n): Frage(n): .................................... Frage 2: ................................ Frage 3: ................................ Frage 4: ................................ ! .................................... !Frage(n): ! .................................... !Frage(n): !Frage(n): .................................. Frage 5: ................................ Frage 6: ................................ Dr. Beate Großegger: STEP 5 Frage(n): .................................... Auswertungsverfahren weniger komplex, weniger „wissenschaftlich“ komplexer und „wissenschaftlicher“, weil betont regelgeleitet („systematisch“) Deskriptiv-reduktive Analysen • mittels Kodierung/ Kategorisierung a) Cut-and-Paste-Technik • Interpretativ-reduktive Analysen mittels Kodierung/Kategorisierung a) Qualitative Inhaltsanalyse nach Mayring b) Thematisches Codieren Ziel ist es hier in erster Linie, die erkenntnisrelevanten Infos im (thematischen) Überblick darzustellen • MAFO: informationsermittelnde Funktion von qualitativer Forschung Dr. Beate Großegger: STEP 5 • Rekonstruktive Analyse-Verfahren – hier nicht behandelt a) Dokumentarische Interpretation (Bohnsack) b) Objektive Hermeneutik (Oevermann) Die Cut-and-Paste-Technik (rein deskriptiv!) 1. Aus den Fragestellungen/dem GLF wird ein Kategoriensystem entwickelt (Kategorien/Dimensionen; Kodiereinheiten/Analyseeinheiten – Wörter, Sätze, Phrasen oder Statements – z.B. Statement für Statement codieren) 2. Der Forscher/die Forscherin, der/die die Daten analysiert, nimmt am Gespräch teil 3. Es wird ein Video-/Audioprotokoll des Gesprächs erstellt 4. Forscher/Forscherin schreibt direkt im Anschluss an das Gespräch ein Memo (zentrale Inhalte, Zwischenergebnisse, auch offene Fragen) 5. Transkription jener Passagen, die für die Fragestellung(en) relevant sind 6. Ordnen des Materials: einzelne Textpassagen werden den forschungsleitenden Fragestellungen/Themenstellungen zugeordnet (Fragen an den Text herantragen; Um-/Zusammenkopieren am Computer) 7. IN DER MAFO ÜBLICH: Ergänzend zum thematisch geordneten Material wird ein stichpunktartiges, zwei- bis dreiseitiges Resümee (Key Outcomes) erstellt: Zusammenfassung der zentralen Ergebnisse plus ausgewählte Original-Zitate; in der akademischen Forschung: klassischer Forschungsbericht! Dr. Beate Großegger: STEP 5 In-vitro-Codes In-vivo-Codes • • • Analytische Perspektive und daran angelegte Begrifflichkeit Beispiel „Dimensionen/ Qualitäten von TVUnterhaltung aus Sicht der ZG“: „schräger Humor“ Dr. Beate Großegger: STEP 5 • Veranschaulichung durch „words of relevant mouth“ Beispiel „Dimensionen/Qualitäten von TV-Unterhaltung aus Sicht der ZG“/„schräger Humor“: „Lustig, weil total behindert“ Strukturierung: Arbeiten mit einem Kategoriensystem Was sind Kategorien? Wenn man die Alltagssprache bemüht, kann man sich Kategorien als Themenschlagworte vorstellen (Merkmalstypus, der durch zusammengefasste Merkmale entsteht) ! Prinzip der Klassifikation (Zuordnung/Nicht-Zuordnung oder Rangfolge/Intensität der Ausprägung) ! „Kategorien stellen Abstraktionen vom Material dar. Für die Kategorienbildung muß (...) eine Verdichtung der Information vorgenommen werden.“ (Bilandzic/ Koschel/Scheufele 2001: 102) ! Bei der Kategorienbildung geht es um ein Aufteilen des Textes in inhaltliche Segmente. Orientierungskategorien sind im Idealfall durch Themenüberschriften bereits im Gesprächsleitfaden festgelegt. Ein Grobgerüst für eine inhaltsanalytische Bearbeitung von Gesprächsdaten kann/sollte auf Basis der theoretischen Vorarbeiten (Ausloten des Standes der Forschung) sowie einer intensiven Brainstormingphase, die der Erstellung des Erhebungsinstruments vorgelagert ist (Stichwort: Dimensionierung) bereits vor der ersten Sichtung des Materials erfolgen. Dr. Beate Großegger: STEP 5 Qualitative Inhaltsanalyse nach Mayring (Mayring 2003: 98) Dr. Beate Großegger: STEP 5 Thematisches Codieren nach Flick (1996) • • • • 1. Schritt: Kurzbeschreibung des Falls (fallbezogene Analyse) Eine für den Fall typische Aussage: das Motto des Falls Kurzinfo zur Person Kurzinfo zu Umfeldbedingungen und Location Die zentralen Themen, die im Interview angesprochen worden sind (Variante: mit O-Ton!!) 2. Schritt: thematisches Codieren (fallübergreifender Vergleich) • Das Material wird nach thematischen Bereichen/Begriffen „sortiert“ • Bei Flick wird aus den zuerst analysierten Fällen eine „thematische Struktur“ entwickelt, die die Grundlage für die Analyse der weiteren Fälle dient Dr. Beate Großegger: STEP 5 Vergleichsanalyse = komparative Analyse 1. Vergleich ähnlicher Fälle: • dient der Absicherung der Geltungsbereichs 2. systematischer Vergleich von Extrem und „Mainstream“: • dient der Ausweitung des Geltungsbereichs der Analyse – höhere Generalisierbarkeit der Ergebnisse Dr. Beate Großegger: STEP 5 ACHTUNG: Die Qualität der Auswertung beeinflusst maßgeblich die Qualität der Dateninterpretation! Dr. Beate Großegger: STEP 5 Thematisches Codieren: konzeptuelle Basics • geht von der Annahme aus, dass in unterschiedlichen sozialen Welten bzw. unterschiedlichen sozialen Gruppen unterschiedliche Sichtweisen anzutreffen sind; Ziel ist, Erkenntnisse über gruppenspezifische Sicht- und Erfahrungsweisen zu entwickeln • Sampling ist an den Gruppen orientiert, deren (lebensweltliche) Perspektiven und (Alltags-)Erfahrungen für das zu untersuchende Phänomen besonders relevant sind – Stichprobenbildung: „bewusste Auswahl“ (theoriegeleitete Überlegungen) • Datenerhebung folgt dem Prinzip „Vergleichbarkeit durch strukturierende Vorgaben plus inhaltliche Offenheit“: Vergleichbarkeit durch Vorgaben von Themen bei gleichzeitiger Offenheit für die Perspektiven und Erfahrungen der Gesprächspartner • Verallgemeinerungen basieren auf Fall- bzw. Gruppenvergleichen (Typenbildung möglich!) Dr. Beate Großegger: STEP 5 In der Forschungspraxis heißt das 1. • • 2. Material wird reduziert und systematisiert 1: Paraphrase – Zusammenfassen der „Hard Facts“ WICHTIG: keine Wertungen, keine unscharfen Formulierungen/keine Eventualsätze Erstellen eines Kategoriensystems Material wird reduziert und systematisiert 2: Zuordnung zu einer Themenkategorie (ermöglicht systematischen Vergleich, ist Grundlage für Bildung qualitativer Typologien) – Vercoden des Materials • Originalzitate – wörtlich!! In-vivo-Codes sind für die Interpretation relevant und können in der Darstellung der Ergebnisse beispielhaft (veranschaulichend) miteinbezogen werden ACHTUNG: Transkription ist notwendig! (Originalzitate können dazu dienen, das Typische/Allgemeingültige im Einzelfall aufzuzeigen und lebensweltliche Deutungen/ Sinnkonstruktionsprozesse verständlich zu machen oder – in der Kontrastierung mit anderen Fällen – die Spezifik des Einzelfalles aufzuzeigen) Dr. Beate Großegger: STEP 5 Fallvergleich als Grundlage für Entwicklung qualitativer Typologien Was heißt Typologie? – Eine Typologie = Konstruktion von Merkmalsräumen: • • • ordnet eine Vielzahl von Objekten in überschaubare Gruppen Merkmalskombinationen = Zusammenhänge von Merkmalen Extremgruppenvergleiche auf Basis von Typologien möglich! - - Idealtypen: generalisierende Elemente; weisen den Weg zur Hypothesenbildung (sind aber keine Hypothesen) Realtypen: Abweichungen vom idealen Typus Dr. Beate Großegger: STEP 5 „Der Idealtypus ist ein Instrument, also ein Mittel der wissenschaftlichen Erkenntnisbildung, ein Gedankengebilde, das erstellt wurde, um ein soziales Phänomen verstehen zu können, ein scharfes Werkzeug, das man weglegt, wenn man es nicht mehr braucht oder wenn es stumpf geworden ist.“ (Richter 2002: 44f) Dr. Beate Großegger: STEP 5 „Schöne neue Arbeitswelt“: vier Mentalitäts-Typen Persönliches Lösungskonzept Kein persönliches Lösungskonzept Modernisierungssensible: Nicht-Modernisierungssensible: neue Arbeitswelt bedeutet Überforderung neue Arbeitswelt bedeutet nicht Überforderung Die „Traditionell-Soliden“ Die „Eigeninitiativen“ Suche nach langfristiger Sicherheit; Berufswahl, die kaum Karrierechancen, aber dafür Stabilität bietet flexibel, motiviert, setzen auf Eigeninitiative; Gefahr, den persönlichen Handlungsspielraum zu überschätzen Die „Orientierungslosen“ Die „Nicht-Jetzt-Akteure“ „Modernisierungsverlierer“ – keine konkreten Berufsziele; Mangel an Qualifikationen; Mangel an Flexibilität und Selbstmanagement Geringes Reflexionsniveau; Bildungs- und Berufsentscheidungen werden hinausgezögert; Problemgruppe in der Phase des Berufseinstiegs – höhere Bildungsschichten! Institut für Jugendkulturforschung Dr. Beate Großegger: STEP 5 im Auftrag des BMSG (2005): Jugend und Beschäftigung – Wege in die Arbeitswelt Typologie als Zielgruppensegmentierungstool Persönliches Lösungskonzept Kein persönliches Lösungskonzept Modernisierungssensible: Nicht-Modernisierungssensible: neue Arbeitswelt bedeutet Überforderung neue Arbeitswelt bedeutet nicht Überforderung Die „Traditionell-Soliden“ Suche nach langfristiger Sicherheit; Die „Eigeninitiativen“ Berufswahl, die kaum Karrierechancen, aber dafür Stabilität bietet tendieren dazu, den persönlichen Handlungsspielraum zu überschätzen Erwartungen: Angebote zu sinnvoller Freizeitgestaltung, Ausgleich zu Ausbildung/Beruf, Kontakte zu anderen Menschen (Hobbyisten) Erwartungen: Nutzenaspekt – Suche nach spannenden Angebote „on demand“, die Entwicklungsmöglichkeiten akzentuieren (fachlich und Persönlichkeit) Die „Orientierungslosen“ „Modernisierungsverlierer“ – keine Die „Nicht-Jetzt-Akteure“ konkreten Berufsziele; Mangel an Qualifikationen; Mangel an Flexibilität und Selbstmanagement Berufsentscheidungen werden hinausgezögert – bildungsnahe Jugendliche Erwartungen: keine! aufsuchende Strategien notwendig, um die Zielgruppe zu erreichen; hoher Bedarf an Qualifizierung, aber geringe Motivation Dr. Beate Großegger: STEP 5 flexibel, motiviert, hohe Eigeninitiative; Geringes Reflexionsniveau; Bildungs- und Erwartungen: Angebote die Kreativität fördern und einen Kontrast zum monoton u. entfremdend empfundenen Schul-/ Studienalltag bieten; eher wenig Realitätssinn, instrumenteller Nutzen nicht im Vordergrund (Selbverwirklicher) Dateninterpretation • Der theoretischer Hintergrund wirkt wie eine Brille, durch die man die Daten sieht – entscheidet darüber, was man sieht • Stichwort „kommunikative Validierung“: Team-Arbeit und MemberCheck als Mittel der Qualitätssicherung Dr. Beate Großegger: STEP 5 ACHTUNG: Interpretationen dürfen nicht selbst-erfüllende Prophezeiungen sein 1. Augenmerk auf Anomalien legen • • Gerade das, was am Material irritiert, ist wichtig Kritische Selbstreflexion und offen sein: sich irritieren lassen, um nicht in eigenen Vorannahmen bzw. Vorurteilen stecken zu bleiben 2. Die Beziehung zwischen Material und Kontext begründen/ argumentieren • Dazu gehört auch, dass man hypothetische Annahmen tätigt, in welchen Kontexten das zu interpretierende Phänomen sonst noch auftauchen könnte und in welchen Kontexten das nicht denkbar wäre 3. Methodische Betonung des Zweifels: „Nur wenn man Vertrautes anzweifelt (...), stellt man eine Frage, die über bereits Bekanntes hinausführen kann“ (Lueger 2000: 76) • Die quasi-sokratische Deutungstechnik nach Hitzler zeigt vor, wie das in einer ForscherInnengruppe funktionieren kann Dr. Beate Großegger: STEP 5 www.hitzler-soziologie.de www.jugendszenen.com Prinzip quasi-sokratischer Deutungstechnik nach Hitzler • Erste hermeneutische Schleife: Expliziere, was Du – z.B. in einer Textpassage oder an einem anderen Artefakt – zu sehen meinst, und plausibilisiere – gegen meinen Deutungswiderstand –, aufgrund welcher, wiederum explizierbarer Kriterien Du zu sehen meinst, was Du zu sehen meinst! • Weitere hermeneutische Schleifen: Expliziere, was Du nach dem Durchgang durch die erste hermeneutische Schleife zu sehen meinst, usw. Dr. Beate Großegger: STEP 5 Als Grundregel für die Interpretation gilt: Bei den ersten Interpretationsschritten besonders gründlich sein: Zeit zum Nachdenken lassen, im Team über Interpretationsmöglichkeiten diskutieren, mit Hitzlers „quasi-sokratischer Deutungstechnik“ arbeiten! Für die erste Interpretationsphase gilt: „Langsamer = schneller“ – fördert die Qualität des Gesamtergebnisses! Dr. Beate Großegger: STEP 5