als PDF - Katharina von der Leyen
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glosse [41] Experten gefällig? Hundebesitzer glauben sich stets von Feinden umzingelt. Aber viel il lus t r at ion: jul ien c an ave ze s Wer einen Hund hält, lebt auch mit mindestens zwanzig Millionen Hundefachleuten zusammen, weiß DOGS-Autorin Katharina von der Leyen. Und schlittert wider Willen von einer selbst ernannten Jury zur nächsten geworden? Was machst du denn da, um Himmels willen? Was soll das?“ Windspiel Harry sah sehr zufrieden mit sich aus. mühsamer sind die Menschen, die sich auf Ganz anders als eine ältere, hundelose offener Straße im Vorbeigehen mal eben als Hundeexperten outen. Man kann jahrelang Dame, mir völlig unbekannt, die mich schäumend vor Wut anschrie: „Das ist ja unbeschadet mit seinen Fifis zusammen unglaublich! Was sollte das? Sie haben leben und man trifft immer wieder Hunde freunde, die man zwar noch nie gesehen hat, ja überhaupt keine Ahnung! Ihr Hund hat Ihnen gerade bewiesen, dass er der Rudel die nichts über den Hund oder das Leben führer ist, nicht Sie! Der macht, was er will! des anderen wissen, womöglich selbst gar Sie wissen ja gar nichts! Lesen Sie mal ein kein Haustier haben, aber genau beurteilen Hundebuch, dann werden Sie vielleicht wollen, was mein Hund gerade braucht. Als meine braune Pudelin Ida ein Welpe irgendwann mit Ihrem Hund fertig!“ Ich war und das Gehen an der Leine lernen soll war zu baff über diesen Eimer giftgrüner Feindlichkeit, der sich über mich ergoss, um te, stemmte sie bei dem geringsten Zupfen am Halsband die Pfoten in den Asphalt und sie darauf hinzuweisen, dass meine Frage an Harry rein rhetorisch gemeint war. weigerte sich, auch nur einen Zentimeter Wer hierzulande einen Hund hält, lebt vorwärtszugehen, solange sie eine Leine mit mindestens zwanzig Millionen Hunde am Halsband spürte. Ich zupfte. Ich lockte. experten zusammen. Als Hundehalter Ich zog. Ida wehrte sich wie ein bockiges schlittert man wie ein Eiskunstläufer wider Fohlen, hopste herum und jammerte. Die Nachbarn riefen „Sie tun dem kleinen Hund Willen vor einer selbst ernannten Jury um ja weh!“ aus dem Fenster. Das tat ich natür her und muss jeden Moment mit Bewertun gen dieser SofaKynologen rechnen. Unge lich nicht. Ida übte einfach nur ihre schon fragt erteilen sie im Stil von Dieter Bohlen damals offensichtliche Bestimmung: ein Leben auf der Bühne des Lebens. Die Men oder mit dem Charme von Horst Schlämmer Ratschläge und befeuern einen gnadenlos schen auf der Straße blieben stehen und mit ihrem Reservewissen, das sie sich irgend tuschelten. Ein fremder Herr mit der Aura wann in irgendeiner Tiersendung oder aus eines Tigerbändigers meinte gönnerhaft, dem VierzehnZeilenBeitrag eines Apothe er würde mir mal zeigen, wie das ginge. Er kerblatts zusammengereimt haben. stapfte drauflos, Ida stieg, röchelte und galoppierte rückwärts. „Sie will einfach nicht an der Leine gehen“, sagte der Tigerbändi Es gibt natürlich auch andere ger, als hätten wir das Problem gerade Experten, solche, die echte Hundeleute erst entdeckt. Für Männer ist ein Problem sind. Die nehmen Hunde ernst, und zwar zumeist erst dann real existent, wenn sie todernst. Sie wissen alles, über jedes Hunde die Erfahrung selbst machen können. Als er futter, jeden neuen Trend, jedes pädagogisch mir die Leine zurückgab, betrachtete er Ida, wertvolle Hundespielzeug. Sie kennen jede als habe sie einen Konstruktionsfehler. neue Ausbildungsmethode und jede alte, Mein furchtsames Italienisches Wind sie kennen alle neuesten Hilfsmittel, es gibt spiel Harry, der gewöhnlich fußfesselartig kein Thema, zu dem sie sich nicht längst nicht von meinen Fersen weicht, beschloss eine fundierte Meinung gebildet haben. Vor eines frühen Morgens, mir zu beweisen, allem: Sie wissen es viel besser als die ande dass er nun seine allerschlimmsten Grund ren. Sie wissen so viel, dass einem im Ge ängste bewältigt habe, indem er ohne Vor spräch mit ihnen leicht der Humor vergehen warnung einen Lastwagen der städtischen kann: Wie ein endloser Schwall ergießt sich, Gärtner verfolgte und mit ohrenbetäu was der Experte kürzlich gelesen und gelernt bendem Gekläff umkreiste. Ich pfiff, Harry hat, über sein Gegenüber. Wenn jemand kehrte sofort zurück, und ich äußerte nur erwähnt, dass er Hundefutter aus dem meinen beachtlichen Schrecken, indem ich Supermarkt füttert, wird der Experte bleich ihn anschnauzte: „Ja, bist du wahnsinnig und murmelt tonlos: „Supermarktfutter? Wissen Sie denn nicht, was für ein Dreck darin enthalten ist?“ – und rezitiert dann nicht nur die kompletten Inhaltsstoffe des jeweiligen Futters, sondern versucht, den Unwissenden davon zu überzeugen, dass er das Futter wechseln solle und zwar jetzt und sofort. Wenn nötig begleitet er ihn persönlich zum nächsten Fachhandel. Sie lassen eine andere Meinung nicht zu, und es macht auch überhaupt nichts, dass der An dere sich vielleicht durchaus etwas bei dem gedacht hat, was er da tut, denn: Der Weg des Experten ist auf jeden Fall der bessere. Natürlich meinen diese Experten es nicht böse. Sie wissen meist tatsäch lich eine Menge, wenn auch vieles davon eher angelesen ist, als tatsächlich erlebt oder erfahren. Sie lernen alles, was sie können, weil sie das Leben für ihren Hund so perfekt wie möglich gestalten wollen – und sie teilen dieses Wissen gern. Sie sind Informa tionsBulimiker. Sie verstehen nicht, warum die Leute im Park häufig plötzlich in die andere Richtung gehen, wenn sie auftauchen, oder warum ihr Tierarzt aussieht, als würde er sich gleich aufhängen, wenn sie mit ihm noch einmal die Symptome ihres Hundes erörtern wollen – auch wenn er überzeugt ist, der Hund sei kerngesund (immerhin haben sie viele Stunden im Internet recher chiert und eine Meinung zu den Dingen). Ich habe inzwischen gelernt, solche Leute als meine persönliche ZenAufgabe zu betrachten: Ich werde ihnen nicht bei bringen, ihre Meinung für sich zu behalten. Also muss ich lernen, ihre Meinung nicht an mich heranzulassen. Wenn es gar nicht anders geht, treibe ich sie den Neuankömm lingen im Park in die Arme, die da nichts ahnend mit ihrem neuen kleinen Hündchen auf die Wiese kommen, und beobachte aus dem Hintergrund und mit höchstens minimaler Schadenfreude, wie der Experte auf den Neuhundbesitzer zusteuert wie ein Weißer Hai auf ein Seehundbaby. Wenn ich aus der Entfernung höre: „Sie sollten für den Welpen lieber ein Geschirr statt einem Halsband verwenden!“, kann ich mich wieder entspannt meiner Ignoranz und meinem völligen Unverstand hingeben.