17 Ermittlung der Grundflächen von Gebäuden - WWW
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17 Ermittlung der Grundflächen von Gebäuden – ganz so einfach ist es nicht Univ.-Prof. Dr.-Ing. Wolfdietrich Kalusche Lehrstuhl Planungs- und Bauökonomie, Fakultät Architektur, Bauingenieurwesen und Stadtplanung, Brandenburgische Technische Universität (BTU) Cottbus Sebastian Herke M.Sc. Lehrstuhl Planungs- und Bauökonomie, Fakultät Architektur, Bauingenieurwesen und Stadtplanung, Brandenburgische Technische Universität (BTU) Cottbus 17.1 Vorbemerkung Die Verfasser dieses Beitrages beobachten, dass in der Praxis bei der Ermittlung der Grundflächen von Gebäuden viele Fehler gemacht werden. Diese führen sowohl bei der Planung als auch bei der Nutzung von Gebäuden zu Missverständnissen und Auseinandersetzungen. Anwälte und Gerichte befassen sich im Rahmen des Mietrechts und der Abrechnung von Nebenkosten mit diesen Fragen intensiv. Architekten und Ingenieure widmen dagegen diesem notwendigen Teil ihrer Arbeit zu wenig Aufmerksamkeit. Um diesem Umstand Rechnung zu tragen, werden mit dem vorliegenden Beitrag die Grundlagen und Besonderheiten des Aufgabenfeldes ausführlich behandelt. Bei der Vorbereitung, Planung, Ausführung, Nutzung sowie bei Abbruch und Beseitigung von Gebäuden sind Mengenermittlungen erforderlich. Sie beziehen sich neben Bauleistungen vor allem auf Grundflächen und Rauminhalte. Zu Mengenermittlung und Aufmaß von Bauleistungen wie auch zur Vergabe- und Vertragsordnung für Bauleistungen (VOB) gibt es umfangreiche Fachliteratur. Für die Ermittlung der Grundflächen von Gebäuden trifft das nicht zu. In Einzelfällen wird bei der Ermittlung der Grundflächen von Gebäuden sogar bewusst getäuscht. Spektakulär war in den 1990er Jahren die Flächenermittlung für das Bauprojekt Zeilgalerie in Frankfurt am Main. Der Investor Jürgen Schneider hatte der finanzierenden Bank eine falsche Mietfläche angegeben. Dies war Auslöser für einen bundesweiten Immobilien- und Bankenskandal, der großes Aufsehen erregte und der Bau- und Immobilienbranche insgesamt geschadet hat. Hierzu ein Auszug aus den Bekenntnissen des Baulöwen Jürgen Schneider: „Die Nettogrundrissflächen (gemeint sind Netto-Grundflächen nach DIN 277, Anmerkung der Verfasser) betrugen im Endzustand 20 500 Quadratmeter. Nach meiner Anweisung wurden als Kalkulationsbasis alle diese begehbaren Flächen für den Finanzierungsantrag als Mietflächen zugrunde gelegt, obwohl bei einer Galeriepassage, wie schon ein oberflächliches Stu- 240 Ermittlung der Grundflächen von Gebäuden – ganz so einfach ist es nicht dium der beigefügten Baupläne gezeigt hätte, der Anteil der Verkehrsflächen mehr als 30 Prozent beträgt. Jeder Laie weiß, dass die begehbaren Flächen einer Galerie mit Einzelhandelsgeschäften niemals zu 100 Prozent mit den vermietbaren Verkaufsflächen identisch sind – denn es werden Flächen für Zuwege, Passagen, Andienung, Technik, Lager Nebenräume, Toiletten und Verwaltung gebraucht, die zwar begehbar, aber nicht als Verkaufsfläche vermietbar sind. Wie viele Quadratmeter an reiner Verkaufsfläche am Ende herausspringen würden, wusste zu diesem Zeitpunkt niemand; irgendeine Zahl über 10 000 Quadratmeter musste es sein.“ 144 17.2 Grundlagen der Ermittlung von Grundflächen Wie die Ermittlung von Grundflächen zu erfolgen hat, wird durch Normen, Verordnungen und Richtlinien weitgehend vorgegeben. Die folgenden Ausführungen beziehen sich stets auf den Quadratmeter (m²) eines Gebäudes. Allein die Dimension stellt keine eindeutige und erschöpfende Information dar. Eine Flächenangabe ohne die Angabe der Grundlage, z. B. DIN 277, und ohne eine Definition der Flächenart, z. B. Brutto-Grundfläche, ist nicht nur unvollständig, sondern auch irreführend. Abbildung 01: Was kann in der Bau- und Immobilienwirtschaft ein Quadratmeter (m²) sein? 144 Schneider, 1999, S. 132 Ermittlung der Grundflächen von Gebäuden – ganz so einfach ist es nicht 241 Die in Abbildung 01 enthaltenen Flächenbezeichnungen sind, auch wenn die Grundlagen bereits überarbeitet oder aufgegeben wurden, alle noch gültig und werden in der Praxis angewendet. Je nachdem welche Fläche gemeint ist, z. B. die Geschossfläche (GF nach BauNVO) im Bebauungsplan als städtebauliche Rahmenbedingung, oder die Nutzfläche (NF nach DIN 277:2005-02) im Raum- und Funktionsprogramm für ein Bauprojekt, macht sie einen unterschiedlich großen Teil eines Gebäudes aus. Die folgenden Abschnitte beinhalten die Grundlagen, Besonderheiten sowie Unterschiede der Normen, Verordnungen und Richtlinien aller in der Abbildung 01 aufgeführten Flächen. 17.2.1 Art und Maß der baulichen Nutzung Die Baunutzungsverordnung (BauNVO) ergänzt das Baugesetzbuch in Bezug auf die Bauleitplanung. Sie setzt Maßstäbe für die bauliche Nutzung von Grundstücken. Mit diesem Instrument können die Gemeinden unter anderem mit dem Bebauungsplan verschiedene Festlegungen treffen. Hierzu gehört neben der Art der baulichen Nutzung, z. B. Wohnen, auch das Maß der baulichen Nutzung durch die Grundflächenzahl, die Geschossflächenzahl, die Baumassenzahl, die Zahl der Vollgeschosse sowie die Höhe baulicher Anlagen. Das Baugesetzbuch (BauGB) ist ein Instrument des Städtebaus und regelt die Zulässigkeit von Bauvorhaben im Bebauungsplan, vgl. § 30 Abs. 1 BauGB. Wesentlich ist in diesem Zusammenhang, dass Art und Maß der baulichen Nutzung festgelegt werden. Eine vorbereitende Bauleitplanung (Flächennutzungsplan) und ein qualifizierter Bebauungsplan (BPlan) bilden die Grundlage der Objektplanung, die durch den Architekten erfolgt. Im BPlan werden, bezogen auf das Grundstück, die Bebaubarkeit insgesamt und für das Gebäude die Geschossfläche und die Baumasse begrenzt. Die städtebaulichen Kennziffern hierfür sind: Grundfläche nach Grundflächenzahl GRZ (§ 19 BauNVO) Geschossfläche nach Geschossflächenzahl GFZ (§ 20 BauNVO) Baumasse nach Baumassenzahl BMZ (§ 21 BauNVO). 242 Ermittlung der Grundflächen von Gebäuden – ganz so einfach ist es nicht Abbildung 02: Anwendung der Grundflächenzahl (GRZ) nach BauNVO Abbildung 02 verdeutlicht das Verhältnis von Baugrundstück zu überbaubarer Grundfläche. Der Begriff des Baugrundstücks wird durch den Gesetzgeber nicht definiert. Werner, Pastor und Müller beschreiben das Baugrundstück als „ein räumlich abgegrenzter Teil der Erdoberfläche, der im Bestandsverzeichnis eines Grundbuchblattes unter einer Nummer eingetragen ist. Die überbaubare Grundfläche wird nach § 19 BauNVO, der Grundflächenzahl (GRZ), geregelt. Diese beschreibt die Grundfläche, nach welcher ein Baugrundstück mit „baulichen Anlagen überdeckt werden darf.“ 145 Dabei ist zu beachten, dass die Grundflächen von Garagen und Stellplätzen, Nebenanlagen und Anlagen unterhalb der Geländeoberfläche, z. B. Schwimmbecken, ebenso bei der GRZ anzurechnen sind. Die Aufteilung der Flächen auf dem bebaubaren Grundstück ist nicht definiert. Das Verhältnis der Vollgeschosse zum Baugrundstück ist in weiterführenden Regelungen der BauNVO bestimmt. Von besonderem Interesse im Hinblick auf die Bemessung von baulichen Anlagen ist neben dem Vollgeschoss (VG) die Geschossflächenzahl (GFZ). Sie ist mit der voraussichtlichen Brutto-Grundfläche (BGF) des geplanten Gebäudes abzugleichen. Eine Verwechslung beider Flächenarten ist in der Praxis leider häufig anzutreffen. Unterschied und Zusammenhang der städtebaulichen Festlegung Geschossfläche nach BauNVO einerseits 145 Werner, Pastor, Müller, 1995, S. 370 Ermittlung der Grundflächen von Gebäuden – ganz so einfach ist es nicht 243 und der Brutto-Grundfläche als Ergebnis einer Flächenermittlung im Hochbau nach DIN 277 andererseits werden durch die folgenden Abbildungen verdeutlicht. Abbildung 03: Vergleich der Brutto-Grundfläche (BGF) und der Geschossfläche (GF) Abbildung 03 lässt erkennen, dass die Grundfläche eines Gebäudes, hier die BruttoGrundfläche, deutlich größer sein kann als die im Bebauungsplan festgelegte Geschossfläche. Kellergeschosse und Dachräume, die nach der Landesbauordnung (z. B. LBO Sachsen) nicht als Vollgeschosse zählen, werden als Brutto-Grundfläche bedingt oder voll angerechnet. Die Geschossflächenzahl (GFZ) regelt im qualifizierten B-Plan das Verhältnis der zulässigen Geschossfläche zur Fläche des Grundstücks. „Die tatsächliche Geschossfläche eines Gebäudes setzt sich zusammen aus: der Summe der Flächen seiner Vollgeschosse einschließlich der Außen- und Innenwände, der Treppenhäuser sowie etwaiger in die Verkehrsfläche auskragender Gebäudeteile, den Flächen von Aufenthaltsräumen in anderen Geschossen als Vollgeschossen (z. B. Keller- und Dachgeschossen) einschließlich der zu ihnen gehörenden Treppenräume und einschließlich der Außenwände. Nicht zu berücksichtigen sind bei der Ermittlung der Geschossfläche Balkone, Loggien und Terrassen.“ 146 Der Begriff Vollgeschoss wird in der Musterbauordnung (MBO – Fassung November 2002) und in den Bauordnungen der Länder (LBO) jeweils unterschiedlich definiert. Vollgeschosse sind in der Sächsischen Bauordnung (SächsBO) im § 2 Begriffe Abs. 6 wie folgt beschrieben: „Geschosse sind oberirdische Geschosse, wenn ihre Deckenoberkanten im Mittel mehr als 1,40 m über die Geländeoberfläche hinausragen. Im Übrigen sind sie Kellergeschosse. Hohlräume zwischen der obersten Decke und der Bedachung, in denen Aufenthaltsräume nicht möglich sind, sind keine Geschosse.“ 147 146 Werner/Pastor/Müller, 147 Landesbauordnung 1995, S. 355 des Landes Sachsen (SächsBO) Fassung: Juni 2010 244 Ermittlung der Grundflächen von Gebäuden – ganz so einfach ist es nicht Abbildung 04: Welcher Teil der Grundfläche eines Gebäudes wird als Geschossfläche oder BruttoGrundfläche angerechnet? Für die Objektplanung ist von Bedeutung, dass außerhalb der Geschossfläche die Grundflächen der Sanitärräume, Abstellräume oder Fahrzeugabstellflächen, in DIN 277-2 unter Sonstige Nutzflächen (NF 7) zusammengefasst, Hausanschlussräume, Heizungsräume oder Müllräume, in DIN 277-2 als Technische Funktionsfläche (TF) enthalten, sowie Flächen der Verkehrserschließung und -sicherung, in DIN 277-2 als Verkehrsfläche (VF) berücksichtigt, mindestens teilweise, wenn nicht gar vollständig in den Geschossen untergebracht werden können, die nicht als Vollgeschosse zählen. Soweit es sich hierbei um Flächen in Kellergeschossen handelt, ist deren Ausführung, z. B. mehrere Untergeschosse, unter technischen und wirtschaftlichen Gesichtspunkten zu entscheiden. Zu den technischen Gesichtspunkten zählen z. B. die Beschaffenheit des Baugrundes und der Grundwasserstand. Ein wirtschaftlicher Gesichtspunkt ist z. B. die Höhe der Bauwerkskosten von Kellergeschossen. Folgendes Beispiel soll das verdeutlichen: Das Maß der baulichen Nutzung ist im Bebauungsplan mit einer Geschossflächenzahl (GFZ) von 0,6 beschrieben. Bei einem Grundstück mit einer bebaubaren Grundstücksfläche (Fläche Baugrundstück - FBG) von 1 600 m², beträgt die zulässige Geschossfläche al- Ermittlung der Grundflächen von Gebäuden – ganz so einfach ist es nicht 245 ler Vollgeschosse 960 m². Die Verteilung auf die einzelnen Vollgeschosse ist von Fall zu Fall unterschiedlich. Bei der überwiegenden Zahl von Gebäuden ist, soweit das Maß der baulichen Nutzung ausgeschöpft wird, fast immer die Brutto-Grundfläche größer als die Geschossfläche. Werden ein Erdgeschoss, ein begehbares Dachgeschoss, das nicht als Vollgeschoss anzurechnen ist, und ein Kellergeschoss mit gleicher Grundfläche errichtet, kann die BruttoGrundfläche bis zum Dreifachen der Geschossfläche betragen. Das Verhältnis BGF/GF ist also Ausdruck für den Grad der Ausnutzung eines Baugrundstücks. Es soll unter wirtschaftlichen Gesichtspunkten, vor allem bei einem hohen Grundstückswert, deutlich größer 1,0 sein. 17.2.2 Grundflächen und Rauminhalte von Bauwerken im Hochbau (DIN 277) Die Notwendigkeit einer einheitlichen Ermittlung der „Grundflächen und Rauminhalte von Gebäuden im Hochbau“, so lautet die Bezeichnung der heute gültigen DIN 277:2005-02, wurde im Zusammenhang mit der Ermittlung der „Kosten von Hochbauten und damit zusammenhängenden Leistungen“ erkannt. Das ist die Bezeichnung der ersten Fassung der DIN 276:1934-08. Für die Kostenermittlung war eine Bezugseinheit zu definieren. Diese wurde mit der im gleichen Jahr erschienenen DIN 277:1934-08, Umbauter Raum von Hochbauten, vorgegeben. Die jetzt gültige DIN 277 definiert im Wesentlichen drei verschiedene Grundflächen. Dies sind die Brutto-Grundfläche (BGF), die Netto-Grundfläche (NGF) und als Differenz der beiden Flächenarten die Konstruktions-Grundfläche (KGF). Die Netto-Grundfläche als Grundfläche zwischen den aufgehenden Bauteilen wird weiter in die Nutzfläche (NF), die Verkehrsfläche (VF) und die Technische Funktionsfläche (TF) unterteilt. Die in der DIN 277 enthaltenen Bestimmungen sind Berechnungsgrundlagen für die Objektplanung im Hochbau. Die Grundflächen beziehen sich auf alle Grundrissebenen einschließlich Keller- und Dachgeschoss, unabhängig davon ob es sich hierbei um Vollgeschosse handelt oder nicht. Vor der eigentlichen Planung soll durch ein Raum- und Funktionsprogramm die Aufgabenstellung eindeutig beschrieben sein. Die darin aufgeführten Räume sollen ausschließlich die Nutzflächen (NF) sein. Die Brutto-Grundfläche (BGF) nach DIN 277 ist für die Realisierung eines Bauprojektes die entscheidende Grundfläche. Sie ergibt sich aus den äußeren Maßen aller nutzbaren Ebenen eines Gebäudes, gemessen ab der Oberkante der Fundamente und umfasst damit das Bauwerk als Ganzes. Sie wird in die Konstruktions-Grundfläche und die NettoGrundfläche unterteilt. Die Netto-Grundfläche gliedert sich in 7 Nutzungsgruppen, wobei die Nutzungsgruppe Nr. 1 Wohnen und Aufenthalt eine davon ist. Die Nutzungsgruppen Nr. 8 Betriebstechnische Anlagen und Nr. 9 Verkehrserschließung und -sicherung bilden die Technische Funktionsfläche (TF) und Verkehrsfläche (VF). Im Bereich Wohnen und Aufenthalt unterscheidet die DIN 277 unter anderem in die Nutzungsart Wohnräume. Hierbei handelt es sich nicht um eine abschließende Definition der Wohn- oder Mietfläche, sie ist deswegen auch nicht als solche anzuwenden. 246 Ermittlung der Grundflächen von Gebäuden – ganz so einfach ist es nicht Bei der Ermittlung von Grundflächen und Rauminhalten soll nach ihrer Zugehörigkeit in folgende Bereiche getrennt ermittelt werden: „Bereich a: überdeckt und allseitig in voller Höhe umschlossen, Bereich b: überdeckt, jedoch nicht allseitig in voller Höhe umschlossen, Bereich c: nicht überdeckt.“ 148 Bei Kostenermittlungen nach DIN 276-1:2008-12 dienen unter anderem die Grundflächen (BGF, NF und weitere) sowie der Brutto-Rauminhalt nach DIN 277-3 als Bezugseinheiten von Kostenkennwerten. Bei der Mehrzahl von Datensammlungen werden Kostenkennwerte mit der Bezugseinheit des Bereiches a gebildet, die Bereiche b und c werden vernachlässigt. Aus den Grundflächen und dem Brutto-Rauminhalt sowie aus Nutzeinheiten oder der Wohnfläche als Bezugseinheiten können Planungskennwerte gebildet werden (vgl. Abbildung 05). Grundlage dieser Kennwerte sind abgerechnete Bauvorhaben, die z. B. vom Baukosteninformationszentrum Deutscher Architektenkammern (BKI), Stuttgart, dokumentiert worden sind. Die Planungskennwerte geben eine detaillierte Aussage über die Flächenverhältnisse eines Objektes. Die Kennwerte lassen eine umfassende Bewertung des betrachteten Objektes mit anderen vergleichbarer Art zu. Abbildung 05: Planungskennwerte für Grundflächen und Rauminhalte - Beispiel Ein- und Zweifamilienhäuser, unterkellert 149 Um die Finanzierbarkeit eines Objektes zu beurteilen, ist unter anderem eine Kostenermittlung notwendig. Dafür kann, wenn noch keine Objektplanung vorliegt, das Verhältnis von Brutto-Grundfläche zu Nutzfläche (BGF/NF) eine wichtige Grundlage sein. Hierbei ist zu berücksichtigen, dass das Verhältnis BGF/NF je nach Nutzungsart sehr unterschiedlich ausfällt. Diesen Überlegungen folgend, sind darüber hinaus weitere Planungskennwerte zu beachten: 148 DIN 277-1:2005-02 Baukosteninformationszentrum Deutscher Architektenkammern GmbH (Hrsg.): BKI Baukosten 2010. Teil 1: Statistische Kostenkennwerte für Gebäude. BKI Verlag, Stuttgart 2010, S. 227 149 Ermittlung der Grundflächen von Gebäuden – ganz so einfach ist es nicht 247 Technische Funktionsfläche/Brutto-Grundfläche (TF/BGF) Verkehrsfläche/Brutto-Grundfläche (VF/BGF) Konstruktions-Grundfläche/Brutto-Grundfläche (KGF/BGF). 17.2.3 Technische Normen, Gütevorschriften und Lieferbedingungen (TGL) Die Technischen Normen, Gütevorschriften und Lieferbedingungen (TGL) der Deutschen Demokratischen Republik (DDR) gingen nach der Gründung der DDR aus dem Deutschen Normenausschuss (DNA), heute Deutsches Institut für Normung e. V. (DIN), hervor. Anfangs bearbeitete der DNA die Normen für beide deutsche Staaten. Ab 1961 wurde die bis dahin bestehende Kooperationsvereinbarung zwischen den beiden Instituten beendet. Die TGL-Standards wurden durch das Deutsche Amt für Messwesen, ab 1973 in Amt für Standardisierung, Messwesen und Warenprüfung (ASMW) umbenannt, eigenständig weiterentwickelt. 150 Aufgrund der Geschichte von DIN und TGL ist es nicht verwunderlich, dass auf verschiedenen Gebieten, so auch bei den Grundflächen im Hochbau, grundsätzlich Übereinstimmung besteht. Die einzelnen Flächenarten der TGL 13742:1962-03, Umbauter Raum von Bauwerken, unterscheiden sich von der seinerzeit gültigen DIN 277:1960-11, Hochbauten, Umbauter Raum, Raummeterpreis nur in der Bezeichnung, nicht aber in den Messvorschriften. Bezogen auf die Grundflächen im Hochbau ist die TGL 7798:1980-04, Flächenberechnung, Gebäude und bauliche Anlagen, zu nennen (vgl. Abbildung 06). Abbildung 06: Gegenüberstellung ausgewählter Normen zu entsprechenden TGL In der DDR wurden die Grundlagen zur Ermittlung von Wohnflächen mit der TGL verbindlich geregelt. In der Bundesrepublik Deutschland (BRD) gab es drei Jahrzehnte lang gleichzeitig eine Norm und die Zweite Berechnungsverordnung. Für die Wohnungswirtschaft der DDR stand bis zur Wende die Deckung des Bedarfs an Wohnraum im Vordergrund. Ergebnis waren die typisierten und industriell hergestellten Wohnungsbauserien (WBS). Die Wohnfläche war ein entscheidendes Kriterium bei deren Herstellung und der gezielten gesellschaftspolitischen Bedarfsdeckung. „Schon kurze Zeit nach dem Fall der Mauer stellte das DDR-Amt für Normierung seine Arbeit ein und überließ dem DIN-Institut die Vertretung der DDR in internationalen Nor- 150 VEB Bibliographisches Institut Leipzig, 1982, S. 880 und 921 248 Ermittlung der Grundflächen von Gebäuden – ganz so einfach ist es nicht menorganisationen. Die so genannte Normenunion zwischen beiden deutschen Staaten trat am 4. Juli 1990 in Kraft, drei Tage nach der Währungsunion.“ 151 17.2.4 Mietflächen auf dem Immobilienmarkt Der Kauf- oder Mietpreis einer Immobilie oder einer Grundfläche hängt unter anderem von deren Größe ab. Für die Berechnung der Grundflächen von Bauwerken stehen unterschiedliche Verordnungen, Normen und Richtlinien zur Verfügung. Diese wurden vom Gesetzgeber, vom Deutschen Institut für Normung e. V. (DIN) oder anderen, z. B. Gesellschaft für Immobilienwirtschaftliche Forschung – gif e. V., entwickelt. Dabei liegt eine gleiche Zielsetzung zugrunde: Die Ermittlung und die Bezeichnung von Grundflächen muss nachvollziehbar und – soweit möglich – einheitlich sein. Einen für den gesamten Immobilienmarkt eindeutigen Begriff Mietfläche und einheitliche Regeln für diese Flächenermittlung gibt es nicht (vgl. Abbildung 07). Der Immobilienmarkt der Bundesrepublik Deutschland besteht im Wesentlichen aus den Teilmärkten Wohnungsmarkt, Markt für Gewerbeimmobilien und einem erforderlichenfalls weiter unterteilten Markt für sonstige Immobilien. Insbesondere der Wohnungsmarkt wird weiter nach Gesichtspunkten der Finanzierung (privat oder öffentlich) unterschieden. Abbildung 07: Immobilienmarkt, Teilmärkte und Grundlagen der Flächenermittlung bei Vermietung Für die Ermittlung der Grundflächen von Wohngebäuden oder Wohnungen sind unter Berücksichtigung älterer Grundlagen folgende Regelwerke vorhanden: 151 Tagesspiegel, 05.04.2010 Ermittlung der Grundflächen von Gebäuden – ganz so einfach ist es nicht 249 Die DIN 277:2005-02, Grundflächen und Rauminhalte von Bauwerken im Hochbau, ist eine Grundlage der Kostenplanung nach DIN 276-1:2008-12 Kosten im Bauwesen – Teil 1: Hochbau. Weiterhin dient sie der Bemessung der Nutzfläche (NF) von Keller-, Abstellräumen oder Kraftfahrzeugstellplätzen über die Wohnfläche hinaus. Die Wohnflächenverordnung (WoFlV:2004-01) zur Ermittlung der Wohnfläche (WF) ist eine Grundlage für die Objektplanung im Wohnungsbau. Die Wohnfläche wird mehrheitlich im Mietvertrag angegeben, wobei es sich in der Regel um ZircaAngaben handelt. Darüber hinaus werden die Betriebskosten, vorzugsweise nach der Betriebskostenverordnung (BetrKV:2004-01), auf die Mietfläche umgelegt. Die Verordnung über wohnungswirtschaftliche Berechnungen nach dem Zweiten Wohnungsbaugesetz in der Fassung vom 17.10.1957 (Zweite Berechnungsverordnung - II. BV) wurde in Bezug auf die Ermittlung der Wohnfläche durch die Wohnflächenverordnung ersetzt. Sie hat Bestandsschutz bei Objekten, die vor dem 1. Januar 2004 gebaut und Verträgen, die vor demselben Zeitpunkt geschlossen wurden. Die DIN 283-1:1951-03, Wohnungen - Teil 1: Begriffe, und die DIN 283-2:1962-02, Wohnungen - Teil 2: Berechnung der Wohnflächen und Nutzflächen, wurden 1983 zurückgezogen und zwischenzeitlich durch die Zweite Berechnungsverordnung sowie schließlich durch die Wohnflächenverordnung ersetzt (vgl. Abbildung 07). Für Gewerbe- und sonstige Immobilien und deren Mietflächen gibt es keine verbindliche Regelung im Sinne von Normen und Verordnungen. Die Mietfläche für gewerblichen Raum (MF-G), wie sie in der Richtlinie der Gesellschaft für immobilienwirtschaftliche Forschung – gif e. V. definiert ist, bedarf der ausdrücklichen Vereinbarung im Mietvertrag oder dient gegebenenfalls als Grundlage der Objektplanung. Die Anwendung der Richtlinie auf den Wohnraum ist nicht ausgeschlossen. Eine entsprechende gif-Richtlinie für Wohnflächen wird zurzeit diskutiert. In zahlreichen Mietverträgen stehen andere Eigenschaften der Mietsache im Vordergrund. Es werden ein Gebäude, eine Wohnung oder eine Gewerbefläche als Ganzes vermietet. Die Mietfläche ist häufig nur eine Eigenschaft des Objektes, da der Standort, der Grundriss oder der bauliche Zustand des Gebäudes ebenso von Bedeutung sind. 152 Vereinzelt werden in Verträgen Grundflächen angegeben, die mit der Mietsache nur mittelbar zu tun haben, z. B. die Brutto-Grundfläche. Für Mieter kann das zu einer unrealistischen Vorstellung über die Größe der gemieteten Fläche führen. Es besteht bei der Vereinbarung zwischen den Parteien Vertragsfreiheit, was gegenüber einem unerfahrenen Mieter nicht unbedenklich ist. Für die Objektplanung ist die Vorgabe der Mietfläche, unbeschadet der Tatsache, dass es keine einheitliche Definition gibt, notwendig, um die Wirtschaftlichkeit des Objektes zu beurteilen. Folgerichtig werden alle in der Praxis angewendeten Normen, Verordnungen und Richtlinien für die Definition und Ermittlung der Mietflächen von Wohn- und Gewerbeflächen und sonstigen Nutzungen in den folgenden Punkten ausführlich behandelt. 152 gif e. V. – Richtlinie zur Berechnung der Mietfläche für gewerblichen Raum (MF-G), Fassung: November 2004 250 Ermittlung der Grundflächen von Gebäuden – ganz so einfach ist es nicht 17.2.4.1 Vorhandene Regelwerke für die Ermittlung der Wohnfläche Seit dem Jahr 2004 ist für den Neubau sowie für Umbau, Erweiterung und Modernisierung ausschließlich die Wohnflächenverordnung anzuwenden. Es wird die Entwicklung der Regelwerke zur Ermittlung der Wohnfläche kurz wiedergegeben: Durch das Erste Wohnungsbaugesetz vom 24. April 1950 wurde die Bundesregierung ermächtigt, u. a. durch Rechtsverordnungen, Vorschriften über die Anwendung von Normen des Deutschen Normenausschusses zu erlassen. Um den Besonderheiten der Wohnbauten gerecht zu werden, erschienen bald darauf DIN 283-1:1951-03, Wohnungen - Teil 1: Begriffe, und DIN 2832:1962-02, Wohnungen - Teil 2: Berechnung der Wohnflächen und Nutzflächen. Aufgrund unzureichender Abstimmung zwischen dem Gesetzgeber und dem Deutschen Normenausschuss (DNA) - heute Deutsches Institut für Normung e. V. (DIN) - gelang es nicht, die Vorschriften zur Wohnflächenberechnung, insbesondere der Verordnung über wohnungswirtschaftliche Berechnung des Zweiten Wohnungsbaugesetzes (Zweite Berechnungsverordnung - II. BV) vom 17. Oktober 1957 und der DIN 283, für alle Wohnbauten einheitlich zu regeln. So enthielt die DIN 283-2:1962-02, Wohnungen - Teil 2: Berechnung der Wohnflächen und Nutzflächen, folgende Vorbemerkung: „Bei Anwendung dieser Norm ist zu beachten: Für den mit öffentlichen Mitteln geförderten und den steuerlich begünstigten Wohnungsbau gilt im Gebiet der Bundesrepublik Deutschland die Verordnung über wohnungswirtschaftliche Berechnung des Zweiten Wohnungsbaugesetztes (Zweite Berechnungsverordnung - II. BV) vom 17.10.1957 (BGBl. S. 17/19), die für wohnungswirtschaftliche Berechnungen ergänzende Bestimmungen enthält, insbesondere in Bezug auf die anrechenbare Grundfläche.“ 153 Die Flächenarten der DIN 277-1 erlauben, wie bereits erwähnt, eine dem Zweck entsprechende Abgrenzung der Wohnungsfläche nicht. Die Gliederung der Netto-Grundfläche nach Nutzflächen (NF 1 bis 7) nach DIN 277-2 enthält unter Nutzfläche Nr. 1 Wohnen und Aufenthalt in der 2. Ebene der Gliederung Wohnräume, Gemeinschaftsräume, Pausenräume, Warteräume, Speiseräume sowie Hafträume. Die Nutzungsgruppe Nr. 7 Sonstige Nutzungen enthält unter anderem Sanitärräume und die Nutzungsgruppe Nr. 9 Verkehrsflächen beinhaltet Flure und Treppen. Die genannten Flächen oder Räume können Teil einer Wohnung sein, aber eine Ermittlung der Wohnfläche nach dieser Gliederung ist in der Praxis nicht üblich. Da Flächen außerhalb einer Wohnung einer anderen Nutzungsgruppe zugeordnet werden können, ist eine abgrenzende Gliederung der Wohnflächen bezogen auf die gesamte Gebäudestruktur problematisch. Des Weiteren ist eine qualitative Unterscheidung von Flächen nach der lichten Raumhöhe, z. B. unter Dachschrägen, oder die teilweise Anrechnung von Flächen, z. B. Balkone, nicht Gegenstand der DIN 277. Der Schwerpunkt der DIN 277 liegt in der Objektplanung und ist für die Nutzungsphase nicht immer sinnvoll. 153 Kalusche: Grundflächen und Planungskennwerte [ … ]. In: Gralla; Sundermeier, 2010, S. 35 Ermittlung der Grundflächen von Gebäuden – ganz so einfach ist es nicht 251 Abbildung 08: Vergleich DIN 277-1:2005-02 (links) und WoFlV (rechts) (Grundriss: T. Bamberger, Haus Reutlingen, EG) In der Praxis herrscht folgendes Verständnis: Die Wohnfläche beginnt hinter der Eingangstür der Wohnung. Die in der Wohnung gemessenen Grundflächen werden als Wohnfläche im Mietvertrag vereinbart. Zubehörräume, das heißt, Keller sowie Dachbodenräume zur Lagerung und sonstigen Verwendungen, sind davon ausgeschlossen 154 (vgl. Abbildung 08). In den Erläuterungen zu § 19 Anm. 2 Wohnraumförderungsgesetz (WoFG) vom September 2001 finden sich folgende Angaben zur Wohnfläche, welche sich auf die Bestimmung der II. BV und WoFlV beziehen. Die Wohnfläche unterliegt demnach folgenden Kriterien: anrechenbare Grundflächen der Wohnräume ausschließlich in der Wohnung befindliche Räume (Wohnungsabschluss) gemessen und berechnete Grundfläche (zwischen den aufgehenden Bauteilen). 154 Kohnke-Wensing; Bachmann; Kinne, 2008 252 Ermittlung der Grundflächen von Gebäuden – ganz so einfach ist es nicht Es ist geregelt, dass gewerblich genutzte Wohnungen als Wohnfläche bestehen bleiben, wenn die bauliche Ausstattung dem Wohnzweck entspricht. 155 Die Normen und Richtlinien zur Wohnflächenberechnung unterscheiden sich nach dem § 46 WoFG in frei und öffentlich finanzierten Wohnraum. Der frei finanzierte Wohnraum kann, unabhängig von den geltenden Regelungen, vereinbart werden. Preisgebundener Wohnraum unterliegt einer weitaus stärkeren Regulierung. So kann die DIN 283 (1983 zurückgezogen), die Zweite Berechnungsverordnung (2003 zurückgezogen) oder die Wohnflächenverordnung angewendet werden. 156 Berechnung der Wohn- und Nutzflächen nach DIN 283 Die DIN 283 definiert ausschließlich Wohnflächen und Nutzflächen. Es folgt die Unterteilung in Wohn- und Schlafräume sowie Küchen und Nebenräume. Die Maße können den Bauzeichnungen entnommen werden, wobei ein Putzabzug von 3 Prozent zulässig ist. Ebenso sind Nutzräume im Sinne von Wirtschaftsräumen und gewerblichen Räumen als solche auszuweisen. 1983 wurde die DIN 283 ersatzlos gestrichen, da mit der Zweiten Berechnungsverordnung ein entsprechender Ersatz durch den Gesetzgeber erfolgte. DIN e. V. plant keine Neuauflage einer Norm zur Wohn- bzw. Mietflächenberechnung. Grund dafür sind die Regelungen des Gesetzgebers, welcher mit eigenen Verordnungen zur Regulierung des Wohnungsmarktes reagiert hat. Zweite Berechnungsverordnung - II. BV (Verordnung über wohnungswirtschaftliche Berechnungen nach dem Zweiten Wohnungsbaugesetz) Die Einführung einer gesetzlichen Regelung im öffentlich geförderten Wohnungsbau ist bedingt durch das Zweite Wohnungsbaugesetz (Wohnungsbau- und Familienheimgesetz II. WoBauG). Dieses diente der Schaffung sozialen Wohnraums. Es begünstigte sowohl den preiswerten Mietraum als auch das selbstgenutzte Immobilieneigentum. Das Gesetz führte zur Sicherung der Zweckbestimmung von Sozialwohnungen (Wohnungsbindungsgesetz - WoBindG) und erhöhte den Schutz der Mieter. Im Gesetz sind sowohl die Kostenmiete als auch die Vergleichsmiete enthalten. In diesem Zusammenhang veröffentlichte der Gesetzgeber 1957 die Zweite Berechnungsverordnung, in welcher die Wirtschaftlichkeitsberechnung von öffentlich gefördertem Wohnraum geregelt wird. Als Rechtsverordnung hat sie verbindlichen Charakter. Die Zweite Berechnungsverordnung ist sowohl auf den sozialen, als auch für den steuerbegünstigten freien Wohnraum anzuwenden. Für die Wohnflächenberechnung sind die § 42 bis § 44 der II. BV entscheidend. In diesen Paragraphen werden entsprechende Festlegungen zur Flächenermittlung vorgegeben. Die Art der Flächenermittlung beruht auf der DIN 283. Die II. BV bestand parallel zur DIN 283 und galt als Ersatz der 1983 gestrichenen Norm, da nur geringe Abweichungen enthalten waren. Bis zum Erscheinen der Wohnflächenverordnung und nach dem Rückzug der DIN 283 war die II. BV die einzige Rechtsnorm im preisgebundenen Wohnungsmarkt. Sie wurde zudem vielfach auf dem freien Wohnungsmarkt angewendet. 155 156 Heix, 2004 Kohnke-Wensing; Bachmann; Kinne, 2008 Ermittlung der Grundflächen von Gebäuden – ganz so einfach ist es nicht 253 Abweichungen gibt es in der Wohnflächenermittlung zwischen II. BV und der DIN 283 bei der Flächenberechnung bei Balkonen und Terrassen sowie bei der Flächenreduzierung in Zweifamilienhäusern. Das Aufmaß kann im Rohbau erfolgen, ein Putzabzug von 3 Prozent ist zulässig. Verordnung zur Berechnung der Wohnfläche nach Wohnflächenverordnung (WoFlV) Ab dem 1. Januar 2004 ersetzt die Wohnflächenverordnung (WoFlV) die §§ 42 bis 44 der Zweiten Berechnungsverordnung (II. BV). Für bis dahin bestehende Gebäude, die ab diesem Zeitpunkt nicht durch Umbau, Erweiterung oder Modernisierung verändert wurden, gelten weiterhin die vorhandenen Ermittlungen nach der II. BV. Wurden oder werden Veränderungen vorgenommen, hat eine Neuberechnung nach der WoFlV zu erfolgen. Die Wohnflächenverordnung bezieht sich direkt auf den Mietwohnraum und wird den veränderten Wohnungsbauweisen gerecht. Die WoFlV beruht auf der Zweiten Berechnungsverordnung. Dementsprechend fallen die Änderungen nur geringfügig aus. Abbildung 09: Flächenermittlung unter Dachschrägen nach WoFlV (Zeichnung des Nutzers: Ernst Hürlimann) 254 Ermittlung der Grundflächen von Gebäuden – ganz so einfach ist es nicht Die Ermittlung der Wohnfläche nach der WoFlV unterscheidet sich zur II. BV gemäß §§ 42 bis 44 vor allem in den folgenden Punkten: Bei der Ermittlung der Grundfläche ist von den lichten Maßen zwischen den Bauteilen auszugehen, die Vorderkante der Bekleidung ist dabei entscheidend (§ 3 Abs. 1 WoFlV). Nach § 43 Abs. 3 II. BV konnte, sofern die Rohbaumaße zugrunde gelegt wurden, die errechnete Grundfläche um 3 Prozent für z. B. Putz gemindert werden. Diese Regelung ist entfallen. Die Grundflächen von Balkonen, Loggien, Dachgärten und Terrassen sind in der Regel zu einem Viertel, höchstens jedoch zur Hälfte anzurechnen (§ 4 Abs. 4 WoFlV) anstatt zur Hälfte nach § 44 Abs. 2 II. BV. Die Grundflächen von Schornsteinen, Vormauerungen, Bekleidungen, freistehenden Pfeilern und Säulen bleiben außer Betracht, wenn sie eine Höhe von mehr als 1,50 m und soweit ihre Grundfläche mehr als 0,1 m² beträgt; aber nach § 43 Abs. 4, Ziffer 1 II. BV werden sie unabhängig von der Höhe abgezogen. Ein pauschaler Abzug von 10 % der Wohnfläche eines Wohngebäudes ist nicht mehr zulässig. Es entfällt die mögliche Minderung der Wohnfläche bei Wohngebäuden mit einer oder zwei Wohneinheit/en. 17.2.4.2 Mietfläche nach gif e. V. Für die Nutzung und Vermietung von Flächen - besonders Wohnflächen und Gewerbeflächen - sind die Begriffe und die Gliederung der Grundflächen nach DIN 277 nicht gedacht und nur mit Einschränkungen geeignet. Aus diesem Grund erschienen in den letzten Jahrzehnten verschiedene Normen und Verordnungen zur Berechnung der Wohnfläche. So war es erforderlich, auch für Gewerbeflächen ein eigenes Regelwerk aufzustellen, das den spezifischen Erfordernissen der Vermietung und Nutzung von gewerblichem Raum entspricht. Die notwendige Initiative ging von der Gesellschaft für immobilienwirtschaftliche Forschung e.V. (gif) in Wiesbaden aus. Sie zeichnet für die vorliegende Richtlinie zur Berechnung der Mietfläche für gewerblichen Raum (MF-G) verantwortlich. Die Richtlinie zur Berechnung der Mietfläche für gewerblichen Raum (MF-G) in der Fassung vom 1. November 2004 geht bereits von der seinerzeit noch in Bearbeitung befindlichen DIN 277:2005-02, Grundflächen und Rauinhalte von Bauwerken im Hochbau, aus. Die in DIN 277 definierte Nutzfläche (NF) ist Teil der Mietfläche für gewerblichen Raum (MF-G). Hierbei werden Differenzstufen (maximal 3 Stufen) ohne Abzug zur Mietfläche gezählt. Ferner können Flächen, die überdeckt, jedoch nicht allseitig in voller Höhe umschlossen (Bereich b nach DIN 277-1) sowie nicht allseitig überdeckt (Bereich c nach DIN 277-1) sind, Gegenstand einer Mietfläche nach gif e. V. sein. Eine unterschiedliche Bewertung der Grundflächen nach der lichten Raumhöhe erfolgt nicht. Damit unterscheiden sich Gewerbeflächen insbesondere in Dachgeschossen von entsprechenden Wohnflächen. Es werden zudem anteilige Flächen definiert, die Gegenstand einer gewerblichen Nutzung oder Vermietung sein können. Dabei wird die Brutto-Grundfläche eines Objektes in die Mietfläche für gewerblichen Raum (MF-G) und solche Flächen unterschieden, die nicht zur Mietfläche zählen: keine Mietfläche (MF-0). Ermittlung der Grundflächen von Gebäuden – ganz so einfach ist es nicht 255 Zusätzlich können weitere Grundflächen der DIN 277 anteilig zur MF-G gezählt werden. Hier werden die anteiligen Grundflächen gemäß DIN 277-2 benannt und erläutert, die im Einzelfall zur Mietfläche gezählt werden können. Technische Funktionsfläche (TF): Hierzu zählen grundsätzlich die Räume für betriebstechnische Anlagen für die Ver- und Entsorgung des Bauwerks selbst, einschließlich der unmittelbar zu deren Betrieb gehörigen Flächen für Brennstoffe, Löschwasser, Abwasser- und Abfallbeseitigung, weiterhin Hausanschlussräume, Installationsräume, -schächte, -kanäle und Abfallverbrennungsräume. Es können als Mietflächen die Grundflächen angerechnet werden, die individuell für einen Mieter zur Ver- und Entsorgung selbst genutzter Flächen auf besondere Anforderung eingerichtet werden. Verkehrsfläche (VF): Dabei handelt es sich grundsätzlich um Flure, Gänge, Dielen, Korridore einschließlich Differenzstufen, ferner Eingangshallen, Windfänge, Vorräume, Schleusen, Fluchtbalkone, Treppenräume, -läufe, Fahrtreppen, Rampen (jeweils je Geschoss), Aufzugsschächte, Abwurfschächte (jeweils je Geschoss) sowie Durchfahrten, befahrbare Rampen und Gleisflächen. Als Mietflächen gelten nicht die übergeordneten Verkehrserschließungen in Gebäudekomplexen wie zum Beispiel die Eingangsbereiche, Hallen, Flure und Treppenräume in Shopping-Centern. Es können Verkehrsflächen als Mietflächen gelten, die aus individuellen Mieteranforderungen resultieren wie feste und bewegliche Treppen einschließlich der Zwischenpodeste oder Aufzugs- und Abwurfschächte (jeweils je Geschoss). Konstruktions-Grundfläche (KGF): Sie wird gebildet aus Wänden, Stützen, Pfeilern, Schornsteinen, raumhohen Vormauerungen und Bekleidungen, Installationshohlräumen der aufgehenden Bauteile, Wandnischen und Schlitzen, Wandöffnungen, z. B. Türen, Fenster und Durchgänge, Installationskanälen und -schächten sowie Kriechkellern bis 1,0 m² lichtem Querschnitt. Grundflächen von leichten Trennwänden oder anderen veränderbaren Konstruktionen im Mietbereich zählen zur Mietfläche, insbesondere wenn sie zur Einteilung von großen Mietflächen in Einzelräume nach individuellen Anforderungen des Mieters dienen. Über die genannten Grundflächen oder -anteile hinaus können im Mietvertrag als Sonstige Mietobjekte gelten, wenn sie ausdrücklich vereinbart werden: 1. Fahrzeugabstellflächen; die Stellplätze von Parkbereichen werden als Menge der Nutzeinheiten ausgewiesen. 2. Schaufenster; Grundflächen der Bauteile von Schaufenstern können, gemessen in Fußbodenhöhe in der lichten Breite, ein Mietobjekt sein. 3. Kundenbedienzonen; das sind außerhalb der eigentlichen Mietfläche auf dem Grundstück liegende Grundflächen für die Bedienung von Kunden im Umfang von 1,0 m Tiefe und der Breite der Verkaufsöffnung. 4. Deckenöffnungen; auch größere Öffnungen in Geschossdecken, oft als Luftgeschosse bezeichnet, die nach DIN 277 nicht zur Netto-Grundfläche des Geschosses zählen, können abweichend davon nach gif e. V. als Mietfläche angerechnet werden, soweit sie innerhalb einer exklusiven Mietfläche liegen. 256 Ermittlung der Grundflächen von Gebäuden – ganz so einfach ist es nicht 5. Gastronomiezonen; ähnlich den Kundenbedienzonen können Gastronomie- und Schankflächen, die im Freien oder innerhalb von Allgemeinflächen liegen, sofern sie auf dem Grundstück des Vermieters liegen Mietobjekt sein. 6. Eventzonen, Marktstände; Bereiche in Malls oder Ladenpassagen von Einkaufszentren, auch wenn sie nur kurzfristig für Veranstaltungen dienen. 7. Schachteltreppenhäuser; unter einer Schachteltreppe versteht man die Anordnung von zwei räumlich getrennten, in der Regel übereinander liegenden Verkehrs- oder Rettungswegen in einem gemeinsamen Treppenraum. Dabei kann die zusätzliche Grundfläche von Treppenläufen innerhalb von exklusiven Mietbereichen angerechnet werden, wenn ihre Projektion größer ist als das darüber liegende Geschoss. 8. überdachte Gebäudebereiche im Freien; Grundflächen von Außenanlagen, die durch Baukonstruktionen überdeckt sind, soweit sie der exklusiven oder gemeinschaftlichen Nutzung der Mieter dienen, z. B. als Verkaufsfläche im Außenbereich oder als Speicher für Einkaufswagen. Die Grundflächen einer Mietsache sind Gegenstand des Mietvertrages. Die für die Flächenermittlung herangezogene Regel, in diesem Fall die MF-G, ist zu benennen. Eine Abweichung der Flächenermittlung von der tatsächlich vorhandenen Grundfläche kann zum Streitpunkt zwischen dem Mieter und Vermieter werden, wenn diese als erheblich anzusehen ist, z. B. 10 Prozent oder mehr. 17.3 Schlussbemerkung und Ausblick Dass es so viele verschiedene Regelwerke zur Ermittlung der Grundflächen von Gebäuden gibt, hat damit zu tun, dass an der Vorbereitung, Planung, Ausführung und Nutzung von Gebäuden zahlreiche Beteiligte mitwirken. In jeder dieser Phasen stehen für die Beteiligten immer wieder andere Gesichtspunkte im Vordergrund. Einmal ist es der Städtebau, im anderen Fall sind es das Raumprogramm, die Kostenermittlung, die Vermietung oder der Verkauf eines Gebäudes. In vielen Jahrzehnten sind Normen, Verordnungen und Richtlinien erstellt und teilweise wieder aufgehoben worden. Es braucht Zeit und Aufmerksamkeit, um all diese Entwicklungen bewusst wahrzunehmen, die Besonderheiten der Regelwerke zu verstehen und richtig anzuwenden. Für Bauherren, Architekten, Ingenieure, Makler, Mieter und Erwerber der Grundflächen von Gebäuden ist es wichtig, dass derjenige, der eine Ermittlung aufstellt und derjenige, der eine Ermittlung erhält und prüfen soll, das jeweils richtige Regelwerk kennt und anwenden kann. Schwierig ist es dann, wenn Angaben zu Flächen unvollständig sind oder wenn die Regelwerke vermischt oder falsch angewendet werden. Die Verwechslung der Geschossfläche (BauNVO) mit der Brutto-Grundfläche (DIN 277) ist eine häufige Fehlerquelle, die große Abweichungen zur Folge haben kann. Die Anrechenbarkeit einer Grundfläche zur Hälfte (WoFlV) oder der Abzug von 3 Prozent für Putz bei gegebenen Rohbaumaßen (II. BV) erfolgen oft in unzulässiger Weise. Das wiederum führt zu eher geringen Abweichungen, ist dennoch mehr als nur ein Ärgernis. Wer beruflich mit der Ermittlung von Grundflächen zu tun hat, muss sein Handwerk beherrschen und die Regelwerke richtig anwenden. Wer nur gelegentlich hiermit in Berührung kommt, muss den Fachleuten, die Grundflächen ermitteln, vertrauen können. Wer heute bei einem Neubau die Wohnflächenberechnung „nach DIN“ vorgelegt bekommt, Ermittlung der Grundflächen von Gebäuden – ganz so einfach ist es nicht 257 darf zu Recht argwöhnisch sein. Die Anwendung der beschriebenen Regelwerke ist nicht schwer, aber es sind doch genaue Kenntnis und große Sorgfalt erforderlich, um keine Fehler zu machen. Die Verfasser hoffen, dass sie dem Leser des vorliegenden Beitrages die Bedeutung dieses scheinbar nicht so wichtigen Themas vermitteln konnten. Die vorhandenen Regelwerke können ohne Zweifel verbessert, sollen auf jeden Fall weiterentwickelt und noch besser aufeinander abgestimmt werden. Das wiederum gelingt nur, wenn sich Fachleute in den Arbeitsgruppen des Deutschen Institutes für Normung e. V. oder der Gesellschaft für Immobilienwirtschaftliche Forschung gif e. V., an den Universitäten und weiteren Institutionen zusammenfinden, um möglichst gemeinsam die jeweils beste Lösung zu erarbeiten. 17.4 Literatur BKI (Hrsg.): Bildkommentar DIN 276/277, 3. Aufl., Stuttgart 2007 BKI (Hrsg.): Handbuch Kostenplanung im Hochbau, 2. Aufl., Stuttgart 2008 BKI (Hrsg.): Baukosten 2010. Teil 1: Statistische Kostenkennwerte für Gebäude, Stuttgart 2010 BKI (Hrsg.): Objektdaten Neubau N10, Stuttgart 2011 Blecken; Hasselmann: Kommentar zur DIN 276, Köln 2007 DIN 277:1934-08, Umbauter Raum von Hochbauten DIN 277-1:2005-02, Grundflächen und Rauminhalte von Bauwerken im Hochbau - Teil 1: Begriffe, Ermittlungsgrundlagen DIN 277-2:2005-02, Grundflächen und Rauminhalte von Bauwerken im Hochbau - Teil 2: Gliederung der Netto-Grundfläche (Nutzflächen, Technische Funktionsflächen und Verkehrsflächen) Fröhlich: Hochbaukosten – Flächen – Rauminhalte, 16. Aufl., Wiesbaden 2010 Heix, G.: Wohnflächenberechnung, 3. Aufl., Essen 2004 Hölting; Gaedtke: WISO Immobilienrecht, 2. Aufl., Frankfurt 2004 Kalusche, W.: Bemessen von Gebäuden – einfach aber richtig! In: Liebchen, Jens; Viering, Markus G.; Zanner, Christian (Hrsg.): Baumanagement und Bauökonomie: Aktuelle Entwicklungen, Wiesbaden 2007 Kalusche, W.: Grundflächen und Planungskennwerte von Wohngebäuden. In: Gralla; Sundermeier (Hrsg.): Innovation im Baubetrieb, Werner Verlag Köln 2011 Kohnke-Wensing; Bachmann; Kinne: Flächen und Mietverträge, Berlin 2008 Landesbauordnung des Landes Sachsen (SächsBO), Fassung: Juni 2010 Linhardt; Kandel; Höfler: Kosten- und flächensparendes Bauen, 3. Aufl., München 1985 Musterbauordnung (MBO), Fassung: November 2002 Richtlinie zur Berechnung der Mietfläche für gewerblichen Raum (MF-G), Fassung: November 2004 Richtlinie zur Berechnung der Mietfläche für Büroraum (MF-B), Fassung: April 1996 Richtlinie zur Berechnung der Mietfläche für Handelsraum (MF-H), Fassung: Juli 1997 258 Ermittlung der Grundflächen von Gebäuden – ganz so einfach ist es nicht Schneider, J.: Bekenntnisse eines Baulöwen, Verlagsgruppe Econ Ullstein List, München 1999 VEB Bibliographisches Institut Leipzig (Hrsg.): Bi-Lexikon A – Z. in einem Band, 3. Aufl. 1982 Verordnung über wohnungswirtschaftliche Berechnungen nach dem Zweiten Wohnungsbaugesetz (Zweite Berechnungsverordnung - II. BV), Fassung: Oktober 1957 Verordnung zur Berechnung der Wohnfläche (Wohnflächenverordnung - WoFlV), Fassung: Januar 2004 Warnecke, K. H.: Wohnflächenberechnung, 3. Aufl., 2009 Weiß; Hasselmann.: Normgerechtes Bauen, 20. Aufl., Köln 2007 Werner; Pastor; Müller: Baurecht von A-Z, 6. Aufl., München 1995 Winkler, W.: Hochbaukosten Flächen Rauminhalte, 7. Aufl., Braunschweig 1988 Wöhrmann, W.: Flächenbewirtschaftung in Verwaltungs- und Bürogebäuden, Renningen 2007 http://www.tagesspiegel.de/berlin/art270,1921829 am 05.04.2010