1 5. Fastensonntag C 17.März 2013 Lesung: Jes 43,16 – 21
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1 5. Fastensonntag C 17.März 2013 Lesung: Jes 43,16 – 21
5. Fastensonntag C 17.März 2013 Lesung: Jes 43,16 – 21 Evangelium: Joh 8, 1-11 Predigt: I Im frommen Rahmen des Gottesdienstes, liebe Mitchristen, da hören sich Geschichten oft harmlos an. „Mose hat uns im Gesetz vorgeschrieben, solche Frauen zu steinigen.“ – sagen die Schriftgelehrten und Pharisäer zu Jesus, nach sie die Frau bei Ehebruch ertappten. In der Tat ist sowohl im Buch Leviticus (20,10) als auch im Buch Deuteronomium (22,22-24) diese Vorschrift zu finden. Diese Vorschrift fand dann Eingang auch in den Koran, wo sie als Sharia bis heute in jenen Staaten Gültigkeit hat, wo die Sharia Rechtsgrundlage ist. Es ist besser, sich nicht vorzustellen, wie das vor sich geht – die Steinigung Wer es wissen will, kann im Internet googeln: einfach grausam. Wir können unsere Augen nicht davor verschliessen. Es gibt solch grausame Realitäten. Kein Mensch wird in eine heile Welt hineingeboren. Doch bevor wir mit dem Finger auf die andern zeigen, holt uns Jesus in unsere eigene Lebenswirklichkeit zurück. „Wer von euch ohne Sünde ist, werfe den ersten Stein.“ – sagt er. Wir sind Teil einer Welt voll Grausamkeiten. Wir spielen darin gewollt meist aber ungewollt eine Rolle. Wer bis anhin glaubte, mit dem Kauf von Bio-Gemüse sein Gewissen beruhigen zu können, erschrak, als er erfuhr, dass die Setzlinge aus Marokko stammen. Es ist für uns alle nicht nachvollziehbar, wo und für wen unser Geld, das wir auf der Bank angelegt haben, eingesetzt wird; vielleicht auch bei rentablen Investmentfirmen, die ihr Geld damit machen, indem sie Land aufkaufen auf Kosten der eingesessenen Bevölkerung, die damit in noch grösseres Elend und Not gestürzt werden. Der FO-Kalender berichtet davon. Wir alle sind zu sehr verhängt in einer globalisierten Welt. Kaum geboren, bekommt das Kind eine AHV-Nummer verpasst und ist gefangen drin im System. Keiner kann mehr mit einer reinen Weste dastehen. 1 II „Du sollst das Böse aus deiner Mitte wegschaffen.“ – damit begründet das Buch Deuteronomium das Gebot der Steinigung. Steine werfen – das ist die grosse Versuchung des Moralismus. Ausrotten, was böse ist oder als böse erachtet wird. Alle Ideologien, alle Theorien, wie die Welt besser gestaltet werden kann, endeten im Steine werfen. Die Guillotine wurde in der französischen Revolution zur Ausmerzmaschine für all jene, die als böse, als Feinde der Revolution definiert wurden. „Freiheit, Gleichheit, Brüderlichkeit“ – dieses hohe Ideal machte tausende von Menschen um einen Kopf kürzer; im Nationalsozialismus waren es nebst den Kriegen die Gaskammern, im Kommunismus der ‚Gulag‘, die Arbeitslager. Und auch die Kirchen standen in nichts nach, denken wir auf katholischer Seite an die Inquisition mit ihren Scheiterhaufen und den Foltermethoden. Doch auch Martin Luther forderte Hexenprozesse, denn: „Du sollst das Böse aus deiner Mitte wegschaffen.“ „Wer von euch ohne Sünde ist, werfe den ersten Stein.“ – sagt Jesus. Er entscheidet sich gegen das Steine werfen. III Das Böse kann nicht aus der Mitte ausgerottet werden, auch in bester Absicht nicht. Dem Gerechtigkeitsideal des Kommunismus fielen Millionen von Menschen zum Opfer. Wo der Mensch das Heil der Welt in die Hand nimmt, da geschieht nur grösseres Unheil. „Heil Hitler!“ – bedeutete für Millionen den Tod. Vergangenheit ist das alles nicht. Auch die freie Wirtschaft der kapitalistischen Welt schickt Millionen von Menschen in den Tod, durch Kriege um Wasser, Erdöl und Land, durch das Recht des Stärkeren. Der Blick in die Vergangenheit und Gegenwart zeigt auf: wir leben nicht in einer heilen Welt. Unser Leben ist vergleichbar dem Durchzug des Volkes Israel durch die Wüste. Hindernisse, Widerstände liegen auf dem Weg, und auch Versagen, Schuld. ‚Der Herr spricht: - so hat es in der Lesung geheissen, ‚Denkt nicht mehr an das, was früher war; auf das, was vergangen ist, sollt ihr nicht achten.‘ Was war, und war es selbst Schuld und Versagen, soll abgelegt, hinter sich gelassen werden. Nicht mehr daran denken heisst nicht vergessen, was war, sondern hinschauen, zulassen, um dann davon abzulassen. In dieser Geschichte, die uns da von Jesus erzählt wird, gibt es einen Satz, den wir meistens überhören. In dem Moment, wo alle ihre Steine fallen lassen und fortgehen, in dem Moment, wo Jesus nur noch allein mit dieser Frau da ist, da richtet er sich auf und sagt: „ Auch ich verurteile dich nicht. Geh, und sündige von jetzt an nicht mehr.“ Jesus richtet sich auf und richtet damit auch die Frau auf. Er gibt ihr ein Ziel. „Geh und sündige von jetzt an nicht mehr.“ 2 Mit diesem Ziel vor Augen schickt er die Frau ins Leben zurück. Steine töten, auch im Namen der Moral. Doch Jesus setzt sich nicht fürs Töten ein, sondern fürs Leben. Deshalb – und daran denken wir in den kommenden zwei Wochen – nimmt Jesus den Tod auf sich am Kreuz. Die Ermordung Jesu am Kreuz zeigt auf, wie sinnlos es ist, im Namen der Moral zu töten. Jesus geht den Weg der Passion. Passion heisst Leiden. Passion heisst auch Leidenschaft. Mit der Passion, mit der Leidenschaft seines ganzen Lebens nimmt Jesus das Leiden, den Tod, die Passion auf sich, um uns Leben zu geben, selbst jenen, welche die Moralisten steinigen würden. Erich Guntli 3