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Macau im Wandel: Mit Kasinos Geld verlieren - NZZ Finanzen
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Macau im Wandel
Mit Kasinos Geld verlieren
Las Vegas hat sich während Jahrzehnten von einer Spielhölle zu einem
Vergnügungspark für die Massen gewandelt. Das versucht nun auch Macau.
von
Eugen Stamm
9.11.2015, 07:39 Uhr
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Nach dem Ende des Zweiten Weltkrieges war Las Vegas ein kleines Kaff. Nur
wenige Besucher hielten auf der Durchfahrt hier an. Immerhin, eine exotische
Attraktion gab es damals schon. Die Touristen schauten zu, wie Atompilze
weitherum sichtbar aus dem Wüstenboden des nationalen
Sicherheitsgeländes Nevada wuchsen. Die Vibrationen der über 1000
Atombombentests liessen im Städtchen mit 20 000 Einwohnern die
Cocktailgläser zittern.
Gangster schufen ein Wunder
Die Gangster Bugsy Siegel und Meyer Lansky hatten 1946 das Kasino «The
Flamingo» eröffnet. Sie stiessen mit kriminellem Geld die phänomenale
Entwicklung von Vegas an. Heute sei die Stadt «ein Leuchtturm der
Zivilisation, nur Mekka zieht so viele Pilger an», schreiben Sally Denton und
Roger Morris nicht ohne Ironie in ihrem Buch «The Money and The Power»,
einer lesenswerten Chronik der Stadt und ihres langen Aufstiegs.
Ihr Übername mag auch heute noch «Sin City» lauten, aber sie ist zahm und
familientauglich geworden. Jedes Jahr zieht sie aufs Neue über 40 Mio.
Besucher in ihren Bann.
Der Bruttospielertrag (die Einsätze der Spieler minus die ausbezahlten
Gewinne) der über 300 lizenzierten Kasinobetreiber liegt derzeit bei 2,7 Mrd.
$ pro Quartal. Man mag beim Wort «Kasino» an Roulette denken, aber diese
Spielform ist wirtschaftlich beinahe bedeutungslos geworden. Zwei Drittel der
Spieleinnahmen gehen auf die Rechnung derer, die stundenlang wie in Trance
die Spielautomaten füttern – mit Mindesteinsätzen von einem Cent. Das
Verlangen, das Schicksal herauszufordern und ihm die Zunge
herauszustrecken, wie es der Schriftsteller Dostojewski in seinem Roman
«Der Spieler» beschrieb, hat stark an Dramatik eingebüsst und beschränkt
sich heute darauf, immer wieder einen Knopf zu drücken.
In Macau ist das anders. Hier wird verglichen mit Vegas verhältnismässig
häufiger an Tischen gespielt, von denen in beiden Städten über 5000 stehen.
Die Zahl der Automaten in Macau beziffert das Gaming Inspection Bureau auf
13 000, das Center for Gaming Research in Las Vegas kommt hingegen auf
über 150 000. Ausserdem sind die durchschnittlichen Mindesteinsätze an den
Tischen gemäss Angaben des Brokers CLSA in Macau mit 270 $ deutlich
höher als in Vegas mit 20 $. Die USA seien mit Spielautomaten mehr als
gesättigt, das Geschäft stagniere, so lautet der Tenor einer Studie von
Barclays. Von der wirtschaftlichen Erholung und der (dank dem gesunkenen
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Ölpreis) gestiegenen Kaufkraft in den USA haben bisher vor allem regionale
US-Betreiber wie Boyd oder Penn profitiert. Die grossen Firmen hingegen
hoffen auf Macau.
Ein Monopol wird gebrochen
Macau ist eine Sonderverwaltungszone in China, von Hongkong aus in 60
Minuten mit der Fähre erreichbar oder, noch besser, in 15 Minuten mit dem
Helikopter. Sie ist so klein wie die Stadt Zug, aber dreissigmal dichter
besiedelt. In den 1840er Jahren legalisierte die portugiesische Regierung
Glücksspiele in Macau, in Hongkong verbot die britische Regierung sie
dreissig Jahre später. Die lokale Spieltradition reicht bis ins sechzehnte
Jahrhundert zurück. Aber das erste Kasino, das diesen Namen auch
verdiente, war das 1970 errichtete «Casino Lisboa».
Die (private) Betreiberfirma STDM war dreissig Jahre Monopolistin, mit der
einzigen Konzession. Das moderne Macau erwachte spät, holte dafür umso
rascher auf. 1999 gab Portugal die Souveränität dieser letzten europäischen
Kolonie in Asien an China zurück. Eine Gesetzesänderung im Jahr 2001
erlaubte es den US-Kasinogiganten, in das lukrative Geschäft einzusteigen.
Die Liberalisierung war ein durchschlagender Erfolg. 2004 öffnete das Kasino
«Sands Macao», zwei Jahre später das «Wynn Macau», ein Jahr darauf das
«MGM Grand Macau». In dieser kurzen Zeitspanne überholten die
Spielerträge des asiatischen Newcomers die von Las Vegas. Kein Wunder,
verliert doch jeder Spieler dort mit umgerechnet über 1300 $ fast zehnmal so
viel wie in den USA. In den zehn Jahren nach der Liberalisierung stieg die
Zahl der Kasinos in Macau auf über 30, die der Spieltische von 300 auf 5300.
Das ist noch nicht alles. Allein in den nächsten drei Jahren würden acht
Riesen-Hotelprojekte zu einem Preis von insgesamt 28 Mrd. $ realisiert,
berichtet Bloomberg. Zu den bestehenden 17 000 Hotelbetten kommen 19
000 weitere hinzu. Macau ist die Zukunft der Kasinos. Die Aktien der
US-Branchengrössen, die dort ihre Finger im Spiel haben, bilden dieses
erhoffte Wachstum ab.
Was spielt James Bond, wenn er ins Kasino geht? Die Antwort «Poker» ist
erst seit «Casino Royale» aus dem Jahr 2006 richtig. Früher spielte Bond das
Spiel Baccara. Es ist noch heute das wichtigste in Macau. Baccara ist denkbar
einfach. Mit dem Aufnehmen von zwei oder drei Spielkarten muss man den
Wert 9 erreichen bzw. ihm möglichst nahe kommen. Jede Karte, die
umgekehrt wird, trägt zur Spannung bei. Bei diesem simplen Glücksspiel ist
der statistische Vorteil der Spielbank sehr gering, knapp über 1%.
Rascher Aufstieg, jäher Fall
Ihren bisherigen Höhepunkt erreichte die Stadt Macau, die
Glücksspielgewinne mit 39% besteuert, 2014. In diesem Jahr wurde dort fast
fünfmal so viel Geld verspielt wie in Las Vegas.
Wie die Autoren Zheng und Wan in ihrem Buch «Gambling Dynamism»
darlegen, stieg die Zahl der Besucher in Macau nach einer Änderung der
Visabestimmungen für Festlandchinesen im Jahr 2003 deutlich an. Sie
stellen heute noch das Gros der jährlich 30 Mio. Besucher, vor Bewohnern
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von Hongkong und Taiwan. Für den wirtschaftlichen Erfolg der Kasinos
waren die Massen der Gelegenheitsspieler aber bisher verhältnismässig
unwichtig. Richtiges Geld wird mit den sogenannten VIP verdient (die in der
Vergangenheit über 70% der Erträge beisteuerten). Wer ein Spielbudget
besitzt, das Zheng und Wan auf mindestens 65 000 $ beziffern (pro Ausflug,
notabene), bekommt Zugang zu exklusiven Separees. Wenn dort jemand 100
000 $ auf ein Blatt setzt, dann zieht niemand die Augenbrauen hoch, sondern
es wird applaudiert.
Wie jede Glückssträhne hatte aber auch die von Macau ein Ende. Denn der
demonstrative Konsum der VIP kam unter gesellschaftlichen Druck, durch
die Ende 2012 propagierte Anti-Korruptions-Kampagne Chinas. Seit Mitte
2014 sinken die Gewinne der Kasinos, und die Aktien, die wegen ihrer
üppigen Dividenden beliebt waren, haben teilweise massiv an Wert verloren.
Die Anleger fragen sich, welche Perspektiven Macau hat, wenn die VIP aus
Furcht fernbleiben. In Vegas gibt der durchschnittliche Besucher mittlerweile
mehr für Unterhaltung als für Glücksspiele aus. Kann Macau dieses Modell
kopieren, wo doch der Platz so knapp ist? Samir Mehta von JO Hambro ist
der Überzeugung, dass das Durchgreifen der Regierung das Beste war, was
Macau passieren konnte. Heute lebe die Stadt von richtigen Touristen, nicht
solchen, die «fremdes» Geld verjubelten, sagt er. Neue
Hochgeschwindigkeitszüge machen die Destination ausserdem für einen
grösseren Teil der Bevölkerung Chinas erreichbar.
Er gibt allerdings zu bedenken, dass die grossen Investitionen die meisten
Gesellschaften belasten würden, mit Ausnahme von Sands China, der
Tochtergesellschaft von Las Vegas Sands. Von Glücksspielen sagt man, die
Bank gewinne immer. Trotzdem muss sich der Anleger fragen, ob er auf eine
Bank mit Zukunft setzt. In den USA lobbyieren die Kasinos intensiv gegen
«Fantasy Sports»-Online-Spiele. Diese Spiele, bei denen man fiktive
Sportmannschaften steuert, sind bei jüngeren Spielernaturen offenbar viel
beliebter als der Besuch eines Kasinos.
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