Der Fonds du Logement
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Der Fonds du Logement
imedia Kampf der Wohnungsnot Der Fonds du Logement 44 O hne die zahlreichen Wohnungsbau- und Sanierungsmaßnahmen des Fonds du Logement der letzten dreißig Jahre wäre die Wohnungsnot der sozial schwach gestellten Personen um ein Vielfaches größer als das heute der Fall ist, darüber sind sich die Vertreter sämtlicher politischen Parteien einig. Es gibt kaum ein Viertel auf dem Gebiet der Stadt Luxemburg, in welchem die Realisierungen des Fonds nicht sichtbar sind. Als Vorzeigeprojekte gelten die Wohnquartiers Sauerwiss in Gasperich, Eecher Schmelz in Eich-Mühlenbach oder die renovierten Häuser im Stadtgrund. Angefangen hat das Ganze 1978, als der Staat als Antwort auf fehlenden sozialen Mietwohnungsbau den Fonds du Logement als „établissement public“ gründete. Verankert wurde der Fonds schließlich durch ein Gesetz vom 25. Februar 1979. Zuvor bestand sehr wohl die Société Nationale des Habitations à Bon Marché s.a. mit Sitz in Belair, die auch heute immer noch aktiv ist, allerdings hörte die SNHBM in den 60er Jahren auf, soziale Mietwohnungen zu bauen und gab dem Bau von Eigentumswohnungen Priorität. Die ehemalige Winnschoul im Stadtgrund Die Eecher Schmelz mit ihren insgesamt 237 Wohneinheiten Zusammen mit der SNHBM schuf der Fonds du Logement zahlreiche Wohnungen auf Cents imedia Daniel Miltgen, der Präsident des Fonds du Logement Stadtgrund in marodem Zustand „Es ist ein Unglück, dass Würde und Freiheit von Gedanken oft von den Raumverhältnissen eines Zimmers, einer beglückenden Fensteraussicht, einem gewissen Maß von Licht und Farbe abhängig sind. Einer, der sein Leben lang in einer Art von länglichen Schachteln gehaust hat und eines Tages ein schön proportioniertes Zimmer betritt, ist dann geneigt zu glauben, dass er vielleicht allein durch den Charakter seiner Wohnräume geistig viel verloren haben könnte.“ Christian Morgenstern (1871-1914) Bereits kurz nach der Gründung des Fonds konnte mit dem ersten größeren Projekt begonnen werden: der Instandsetzung des Viertels Stadgronn. Zahlreiche Häuser im Stadtgrund waren in einem teils sehr schlechten Zustand und von dem unmittelbaren Verfall bedroht. Die Renovierung dieses Viertels war umso dringender, da es sich fast ausnahmslos um historische Bausubstanz handelte. Erschwerend kam hinzu, dass eine private Aktiengesellschaft namens Vieux Luxembourg beabsichtigte, die Häuser billig aufzukaufen und das gesamte Viertel in ein Nobelquartier zu verwandeln. Die politische Antwort ließ nicht lange auf sich warten: Die Stadt Luxemburg erklärte den Stadtgrund zur „zone d’aissainissement“, und der Fonds du Logement begann auf Basis einer zwischen den Stadtverantwortlichen und dem Familienministerium unterschriebenen Konvention, den Stadgronn einer sanften Renovierung zu unterziehen. So wurden etappenweise eine ganze Reihe Häuser in der Rue St. Ulric, der Rue Munster, der Rue de Trèves, der Rue du Rham, der Rue Plaetis und dem Bisserwee aufgekauft und zu sozialen Mietwohnungen umgebaut. Da die Häuser noch größtenteils bewohnt waren, wurde den Bewohnern vorgeschlagen, entweder dauerhaft in eine andere Unterkunft umzuziehen oder nach der Sanierung in die aktuelle Wohnung zurückzukehren. Komplett umgebaut wurde ebenfalls die so genannte Winnschoul rechtsseitig des Aufzuges, der das Plateau du Saint Esprit mit dem Stadtgrund verbindet. Die Winnschoul diente kurzzeitig – wie ihr Name besagt – als Erziehungsanstalt für Buben, war aber auch zeitweilig ein Gefängnis, eine Schuhfabrik sowie eine Bibliothek für die Klöster aus Echternach und Clerf. Wie Daniel Miltgen, der Präsident des Direktionskomitees des Fonds du Logement, gegenüber ons stad erklärt, begann die Sanierung des Stadgronn Ende der siebziger, Anfang der achtziger Jahre und ist bis heute noch nicht abgeschlossen. 45 Kampf der Wohnungsnot: Der Fonds du Logement Die soziale Mixität war dem Fonds du Logement von Anfang an ein wichtiges Anliegen Rue de Trèves imedia Das Vorzeigeprojekt Sauerwiss in Gasperich Den Beruf zum Hobby gemacht Daniel Miltgen hat Städtebau in Wien studiert und arbeitete nach seinem Studium im Innenministerium. Ende der siebziger Jahre wurde er vom damaligen Minister Jean Spautz gefragt, ob er nicht interessiert sei, mit ihm ein neues Ministerium, das „Ministère du Logement et de l’Urbanisme“ zu gründen. Er hatte gerade mal vierundzwanzig Stunden Zeit, um seine Entscheidung zu treffen. Die Antwort fiel positiv aus, und ein Jahr danach wurde Miltgen zum Präsidenten des Fonds du Logement ernannt. „Dies war ein faszinierender Auftrag für mich, denn so konnte ich meinen Beruf zu meinem Hobby machen. Ich habe es nie bereut, diesen Posten angenommen zu haben.“ Ein Vorzeigeprojekt ist sonder Zweifel die Bebauung der Sauerwiss in Gasperich. „Über zwanzig Jahre hat der Fonds mit den Verantwortlichen der Stadt Luxemburg verhandelt, bis das Projekt endlich realisiert werden konnte“, so Daniel Miltgen, der anmerkt, dass die Verhandlungen nur so lange gedauert hätten, weil die Stadtpolitiker 46 wegen der Größe des Projektes Angst vor Hunderten von Sozialfällen in Gasperich gehabt hätten. Dies sei jedoch nicht eingetreten. Die Sauerwiss sei ein ganz normales Wohnviertel, mit kleinen und großen Appartements und mit Einfamilienhäusern. Es gäbe hier lokale Einkaufsmöglichkeiten, ein Polizeikommissariat, eine Apotheke, Schulen und eine Sportinfrastruktur, das heißt alles, was unter dem Begriff der „mixité des fonctions urbaines“ so in ein Wohnviertel gehöre. Die Sauerwiss bestehe zu einem Drittel aus Mietwohnungen und zu zwei Dritteln aus Eigentumswohnungen, so dass man von einer gelungenen „mixité sociale“ sprechen könne. Mieter und Eigentümer würden praktisch nebeneinander wohnen. Weitere bedeutende Realisierungen des Fonds du Logement auf dem Gebiet der Stadt Luxemburg sind der Bau von 231 neuen Wohnungen mitsamt 56 Prozent Grünfläche auf dem Gelände der alten Eecher Schmelz in Eich-Mühlenbach, der Bau zahlreicher Mietwohnungen im Garer Viertel und auf Kirchberg sowie der Bau von geförderten Wohnungen im Carmel auf Cents. Die Wohnungen auf Cents wurden zu einem Drittel vom Fonds und zu zwei Dritteln von der SNHBM realisiert. Auch hier galt es, HLM-ähnliche Strukturen, wie sie in Lothringen und in den nördlichen Wohnvierteln von Paris bestehen, zu vermeiden, eine Mischung von Personen unterschiedlicher sozialer Herkunft zu begünstigen und lokale Geschäfte, eine Apotheke, ein Polizeikommissariat, Grünflächen und Spielwiesen in das Viertel zu integrieren. Von großer Notwendigkeit waren auch die Realisierung von 73 Studentenwohnungen in einem ehemaligen Kloster in der Avenue Pasteur auf Limpertsberg, der Bau eines Arbeiterfoyers mit 70 Wohneinheiten im Viertel Millebaach sowie der Bau von 49 Wohneinheiten in Hollerich. Insgesamt hat der Fonds du Logement bis heute 1 424 Wohneinheiten auf dem Gebiet der Stadt Luxemburg geschaffen. Sozialer Wohnungsbau und Sanierungen des Fonds du Logement auf dem Territorium der Stadt Luxemburg Stadtviertel Wohnungen in Zahlen Grund 73 Wohnungen Gare 109 Wohnungen 6 Appartements + Kinderkrippe + Büros Kirchberg 148 Wohnungen Merl / Belair 3 Wohnungen 1 Einfamilienhaus Eich 237 Wohnungen 70 Unterkünfte für Arbeiter Gasperich 411 Wohnungen Cents 124 Immobilien 38 Häuser 11 Wohnheime Limpertsberg 9 Wohnungen 73 Wohnungen für Studierende Hollerich 49 Wohnungen Verlorenkost 26 Wohnungen Pfaffenthal 9 Wohnungen Neudorf 9 Wohnungen 1 Einfamilienhaus Beggen 17 Wohnungen TOTAL 1424 Wohneinheiten imedia Offene Urbanität mit viel Grün Rund 1 700 Wohnungen landesweit in Miete Landesweit hat der Fonds du Logement derzeit ungefähr 1 700 Wohnungen in Miete, der größte Teil davon auf dem Gebiet der Stadt Luxemburg. Fünf bis acht Prozent dieser Wohnungen stehen momentan leer, nicht, weil es keine Nachfrage mehr gäbe, sondern weil diese Wohnungen zwischen fünfundzwanzig und dreißig Jahre alt sind und dringend renoviert werden müssen. Wie Daniel Miltgen gegenüber ons stad präzisiert, dürfen laut Gesetzgebung vierzig Prozent der vom Fonds gebauten Wohnungen auf dem freien Markt verkauft werden. Daraus erklärt sich, dass der Fonds ab und zu größere Anzeigen betreffend Wohnungsversteigerungen in der einheimischen Presse publiziert. Sechzig Prozent der Wohnungen werden indes an Leute verkauft, die die staatliche Bauprämie erhalten. Was das Vermieten der vom Fonds erbauten oder renovierten Wohnungen anbelangt, darf ein Viertel der Wohnungen auf dem freien Markt angeboten werden. Die Durchschnittsmiete für Sozialwohnun- Vom Wohnungsbau zum Städtebau gen liegt bei 370 € pro Monat. Ausschlaggebend für die Höhe der Miete sind die Zusammensetzung des Haushaltes, sprich die Zahl der Kinder und das Gesamteinkommen der Bewohner. Der Präsident des Fonds du Logement unterstreicht, dass neben seiner Institution auch die Stadt Luxemburg seit Jahrzehnten Anstrengungen macht, um der Wohnungsnot von sozial schwach gestellten Personen entgegen zu wirken. Als Beispiel gilt der Neubau des Béinchen im Pfaffenthal vor fast dreißig Jahren. Am 30. Mai 1976 waren zahlreiche Häuser im Pfaffenthal einer verheerenden Benzinexplosion in der Kanalisation zum Opfer gefallen, und es hatte Tote und Verletzte gegeben. Derweil der Fonds du Logement sich in seinen Anfangsjahren schlichtweg auf den Wohnungsbau konzentrierte, entwickelte er sich im Laufe der Jahre immer mehr zu einem Global Player im Bereich Städtebau, wie das Beispiel Sauerwiss beweist. Die Verantwortlichen des Fonds haben auch nie Angst vor Innovation gehabt. Als einer der ersten Städtebauer des Landes hat der Fonds eine Fernwärmezentrale in Gasperich in Auftrag gegeben, mit der die Schulen und Wohnungen des Quartier Sauerwiss beheizt werden. Wie sieht es eigentlich derzeit mit der Wohnungsnot und mit den Miet- und Verkaufspreisen von Wohnungen aus? Daniel Miltgen zitiert das „Observatoire de l’Habitat“, demzufolge die Verkaufspreise für Wohnungen sich inflationsbereinigt seit 2008 stabilisiert haben und die Mieten für Appartements um fünf Prozent, die für Häuser sogar um zehn Prozent gefallen sind. Auf der Warteliste des Fonds stehen derzeit etwa 1 200 bis 1 300 Anträge. Allerdings äußert der Fonds-Präsident sein 47 Kampf der Wohnungsnot: Der Fonds du Logement Neubau des Fonds du Logement in der Hollericher Straße Renovierung alter Bausubstanz im Grund imedia Das Foyer für Arbeiter mit Migrationshintergrund in Mühlenbach Mangel an Einzelzimmern Missfallen an der Einstellung einzelner Antragsteller, die die vom Fonds vorgeschlagenen Wohnungen mit verschiedenartigen Begründungen ablehnen würden, so etwa dass die Behausung zu alt, das Wohnviertel nicht angenehm sei, dies und jenes ihnen in der Wohnung nicht gefiele oder dass zu einer Wohnung auch eine Garage gehöre. Für eine Monatsmiete von durchschnittlich 370 € ist es für Miltgen unverständlich, dass die Antragsteller derart hohe Ansprüche stellen. Wer in Wohnungsnot sei, so der Fonds-Präsident, der müsse doch froh sein, wenn ihm überhaupt etwas angeboten würde. Entgegen den im Volksmund gelegentlich zirkulierenden Behauptungen, der Fonds du Logement würde Wohnungen lediglich an gesellschaftlich gut situierte Leute vermieten, präzisiert Daniel Miltgen, die soziale Situation der Fonds-Mieter würde Jahr für Jahr analysiert und die Miete den aktuellen Begebenheiten angepasst. Je nach Zahl der Bewohner kann eine größere oder eine kleinere Wohnung vorgeschlagen 48 werden. Laut dem Fonds-Präsidenten gibt es keinen Missbrauch in punkto Verschleierung der sozialen Situation der Mieter. „Falls jemand seine Miete nicht bezahlt, greifen wir jedoch streng durch. Wir schauen lange zu, wir setzen niemanden sofort auf die Straße. Wenn aber kein Kompromiss mehr möglich ist, greifen wir auf gesetzliche Mittel zurück, um das Geld einzutreiben.“ „Man kann mit einer Wohnung einen Menschen genauso töten wie mit einer Axt.“ Heinrich Zille (1858 - 1929) Berliner Zeichner und Fotograf Kopfzerbrechen bereitet dem Präsidenten des Fonds du Logement derzeit der Mangel an Zimmern für Einzelpersonen, meist Arbeiter mit Migrationshintergrund. Es gibt nicht genügend Einzelzimmer auf dem Wohnungsmarkt, und das begünstigt das Vermieten von Zimmern über Cafés oder Restaurants zu überteurten Preisen. Darüber hinaus fehlt es in den meisten so genannten Cafézimmern an elementarer Sicherheit, und die gemeinschaftlichen Duschen und Toiletten lassen fast ausnahmslos zu wünschen übrig. Mit der Verschlimmerung der Wirtschaftkrise in ganz Europa und den daraus resultierenden Auswanderungswellen dürfte sich die Situation auf dem Wohnungsmietmarkt in den nächsten Monaten zuspitzen. Daniel Miltgen hebt hervor, dass die Skepsis der Leute gegenüber den FondsRealisierungen in den letzten Jahren stark abgenommen hat. Hatte man am Anfang noch Angst vor einer zu starken Konzentrierung an Sozialfällen auf kleinem Raum, so hat der Fonds du Logement bewiesen, Das Kirchberger Viertel Kiem imedia Familienfreundliches Wohnen in der Rue Wilson Die Zukunft dass sozial schwächer gestellte Personen und Leute, die gesellschaftlich eher gut situiert sind, ganz gut nebeneinander wohnen können. Damit diese soziale Ruhe auch bewahrt wird, arbeiten nicht nur Verwaltungsangestellte, sondern auch Sozialarbeiter und Erzieher für den Fonds du Logement. „Das Hauptproblem des Fonds du Logement liegt nicht bei seinen Mietern“, so Daniel Miltgen abschließend, „sondern in der Schnelligkeit, mit der wir unsere Projekte verwirklichen können. Wir unterliegen nun einmal bestimmten Regeln, und da dauert es eine gewisse Zeit von der Planung bis zur Fertigstellung einer Wohneinheit.“ Der Fonds du Logement wird durch ein neues, im Dezember 2012 hinterlegtes Gesetz reorganisiert. Diese Neuorganisation dürfte es ihm erlauben, mit mehr Flexibilität zu arbeiten. Wie der Präsident des Fonds du Logement, Daniel Miltgen, erläutert, kommt es zur Gründung einer Aktiengesellschaft, die den Namen SNDU tragen wird, was „Société nationale du développement urbain“ (National Siedlungsgesellschaft) bedeutet. Der Fonds du Logement wird also zur Nationalgesellschaft, die 100- prozentig von dieser neuen Sozietät getragen wird. Ein wichtiger Vorteil dieser Neuorganisierung ist, dass die Muttergesellschaft zahlreiche andere Gesellschaften sowie Privatinvestoren aufnehmen kann, was es erlauben wird, Projekte zu verwirklichen, die bisher wegen der unterschiedlichen Gesetzeslage unmöglich waren. Als Staatsgesellschaft hatte der Fonds du Logement in der Tat in solchen Fällen oft nicht die nötige Flexibilität. Die Verwaltung der gesamten subventionierten Mietwohnungen obliegt allerdings immer noch dem Fonds du Logement, und die Muttergesellschaft ermöglicht es, immer größere Projekte durchzuführen. Daniel Miltgen unterstreicht, dass der Verwaltungsrat SNDU von einem Präsidenten geleitet und das Tagesgeschäft von einer Direktion übernommen wird, wie das für eine Aktiengesellschaft üblich ist. Henri Fischbach Weitere Informationen unter: www.fondsdulogement.lu 49