Aufbruch - The Brando

Transcrição

Aufbruch - The Brando
DIE SUBSTANZ DES STILS
Auto/Reisen 2016
12
14
18
36
ZU TISCH SOPHIE TA EUBER-A RP
DESTINATION T E T I A ROA
STADT-DESTILLAT ROT T ERDA M
ROUND TABLE K RE AT I V ITÄT IS T EIN MUSS
PRODUKTE BA DE A NZÜGE
MANUFAKTUR V ELOS VON EDEL R A D
IM GESPRÄCH DESIGN-IKONE GIUGI A RO
ZENIT LU X USREISEN HEU T E
Aufbruch
SCHÖNE AU T OMOBIL E F ÜR MORGEN
VON HEU T E UND GE S T E RN
Seite 2 4
JUNI 2016
42
44
49
53
Z
DESTINATION
Nichts zu meutern
Tex t R O BE R T O Z I M M E R M A N N
E I N S T E N T S PA N N T E S I C H N U R M A R L O N B R A N D O I M S Ü D S E E PA R A DI E S T E T I A R O A . H E U T E S T E H T E S
D A N K D E M Ö K O - L U X U S - R E S O R T «T H E B R A N D O » A U C H Z A H L U N G S K R Ä F T I G E N G Ä S T E N O F F E N
Als der 36-jährige Marlon Brando 1960 auf Rekognoszierungstour
für den Film «Meuterei auf der Bounty» war, gelangte er per Boot
zum Atoll von Tetiaroa, das seit Beginn des Jahrhunderts den
Nachkommen eines Zahnarztes gehörte. «Wundervoller als alles,
was ich erwartet hatte», so wird er das Atoll über 30 Jahre später
in seiner Autobiografie beschreiben. Er traf auf etwa ein Dutzend
Inseln, deren kleinste nicht mehr als Sandbänke sind und im Laufe
der Zeit verschwinden, während andernorts neue entstehen. Sie
umschliessen eine Lagune, deren seichtes Wasser manchmal so
heiss wird, dass kein Mensch auch nur die Füsse darin baden will.
Etwa dreizehn Vogelarten, Schwarzspitzriff- und Zitronenhaie,
Buckelwale und Mantarochen leben im Atoll. Auf einer der Inseln,
Reiono genannt, steht ein Primärwald, der fast gänzlich frei von
Kokospalmen geblieben ist, welche die Vegetation von Tetiaroa
sonst dominieren. Im kniehohen Wasser der Kanäle zwischen den
Inseln wachsen junge Haie auf.
Brando verliebte sich in Tetiaroa, wie er sich zwei Jahre später
in die Polynesierin Tarita Teriipaia, seine dritte Ehefrau, verlieben
sollte, die im Film seine Geliebte darstellt. Das Atoll spielte darin
keine Rolle, im Leben Brandos hingegen eine grosse. Denn bald
kaufte er es, baute mit seiner Frau eine kleine Feriensiedlung auf
der Insel Onetahi und liess ein Flugfeld anlegen.
«Auf Tetiaroa wurde er auf das Thema Nachhaltigkeit aufmerksam», sagt Richard Bailey, CEO der Hotelkette Pacific Beachcomber, die Tetiaroa zum In-Place für eine wohlhabende Klientel
mit ökologischem Gewissen gemacht hat, «das Atoll war sein Schulzimmer und Labor.» Bailey traf Brando erstmals 1999, fünf Jahre
vor dessen Tod. Der Hollywood-Star hatte mit ihm Kontakt aufgenommen, weil der in Tahiti wohnhafte Hotelier die Resorts von
Pacific Beachcomber auf Ökologie trimmen wollte. Brando selber
war von seiner Mutter mit der Liebe zur Natur angesteckt worden,
wie er in den siebziger Jahren erklärte. Würde der Star heute auf
dem Atoll landen, würde er sich bestimmt über die völlig intakte
und geschützte Flora und Fauna freuen. Der Aufenthalt im nach
ihm benannten Resort hätte ihn, der in seinen letzten Jahren viel
durchmachen musste, wohl entspannt. Denn Tetiaroa ist eines der
perfektesten Hideaways der Welt, ein dreitägiger Aufenthalt fühlt
sich an wie anderswo zweiwöchige Ferien. Natürlich werden hier
auch genügend Unternehmungen angeboten, um die Zeit totzuschlagen: Tauch- und Schnorchelgänge, Kajak- und Kanufahrten,
Tennisspiele, Runden auf dem Velo, Quälereien im Fitnesscenter
oder Massagen im spektakulären Spa, dessen Räume wie
Riesennester aussehen. Selbst Koch-, Tanz- und Musiklektionen
sind buchbar. Und auch die europäisch-pazifische fusion cuisine des
IN F O R M AT ION
Nächs t er F lugha f en
B es i t zer
T H E B R A N DO E S TAT E
B e s t e R eis e zei t
Br ei t engr ad
S pr achen
Französisch-Polynesien
ME Z
PA P E E T E , TA HI T I
APR–OK T
17 ° 0 ’ 0 ” S
F R A N Z . / E N GL .
Gr ö s se
6 K M ² ( AT O L L )
E r ö f f nungsjahr
L ängengr ad
Vor w ahl
–12
2 0 14
14 9 ° 3 ’ 3 ” W
+689
FOTOS: PD
44
Z
DESTINATION
französischen Chefs Bertrand Jeanson sollte nicht unberücksichtigt bleiben.
Doch die eigentliche Bestimmung dieser idyllischen Destination ist das,
was heute Luxus ausmacht: Raum für sich. Stille.
Die Verhandlungen mit Brando seien schwierig gewesen, sagt Bailey: «Er
dachte, sein Name sei einen Haufen Geld wert, aber der Gewinn, den man bei
einem solchen Projekt daraus ziehen kann, ist begrenzt.» So findet sich auf dem
Atoll und im Resort ausser dessen Namen «The Brando» kaum ein Hinweis auf
den früheren Besitzer. Bailey und General Manager Silvio Bion wollen das
Hauptaugenmerk potenzieller Gäste nicht auf den Star, sondern auf die Nachhaltigkeit des Ferienparadieses richten – und natürlich auf die Schönheit dieser
einmaligen Destination mitten im Pazifik, deren Farben zwischen Babyblau,
Lavendel, Smaragdgrün und tiefem Ultramarin oszillieren.
Nachhaltigkeit sei die Quintessenz von Pacific Beachcomber, sagt Bailey.
Darunter kann man sich Unterschiedlichstes vorstellen. Ein Atoll wie jenes, das
Brando 1960 antraf: einfache Hütten, keine Klimaanlagen, kein fliessendes Wasser, keine Flugpiste, unzählige Moskitos. Oder so, wie es sich heute präsentiert:
technisch auf der Höhe der Zeit, mit dem kleinstmöglichen ökologischen Fussabdruck. Bailey sagt, auch Brando sei bewusst gewesen, dass nur die Technik
die Umwelt schützen und gleichzeitig die Bedürfnisse der Gäste befriedigen
könne: «Wir hatten den Traum von grösstmöglicher Naturbelassenheit. Doch
dann tauchten die Probleme auf.» Sollten die Gezeiten, sollte die Sonne, organischer Abfall oder Kokosnussöl genutzt werden? Und was war mit den Insekten,
den Mücken, die in dieser Weltgegend unter anderem das Zika-Virus verbreiten?
«Ohne die neusten Technologien gibt es keine Antworten», sagt Bailey, «wir
können nicht in die Steinzeit zurück.»
Ein Hauptproblem von Hotels in subtropischen oder tropischen Gefilden ist
die Kühlung der Innenräume, die meist Dieselgeneratoren gewährleisten.
Zwischen 2004 und 2006 wurde das zu Pacific Beachcomber gehörende InterContinental Bora Bora Resort & Thalasso Spa – 200 km westlich von Tetiaroa
gelegen – mit einer SWAC genannten Anlage ausgestattet, die Abkürzung steht
für Salt Water Air Conditioning. Eine Premiere. Sie nutzt den Temperaturunterschied zwischen dem fast 1000 Meter unter der Meeresoberfläche gelegenen
Salzwasser und dem Süsswasser, das überirdisch in Leitungen fliesst und zur
Kühlung der Häuser benutzt wird. Ein solcher Wärmetauscher mit Meerwasser
findet sich heute auch auf Tetiaroa.
Die SWAC-Anlage kostete 12 Millionen US-Dollar, soll 50 Jahre halten und
in zehn Jahren amortisiert sein. Der Energieverbrauch ihrer Pumpen sei gering,
versichert man, und er werde zum grössten Teil auf ökologische Weise produziert: 70 Prozent des Strombedarfs werden mit 3744 Solarpanelen erzeugt, die
rund um den Flugplatz aufgestellt sind, 30 Prozent durch Generatoren, die fast
ganz mit jährlich 400 Tonnen Kokosöl aus der Region betrieben werden. Mineralöl wird nur benötigt, um die Maschinen zu reinigen. Wenn Gäste warm
duschen, kommen 90 Prozent der Energie dafür von weiteren Panels auf den
35 Gästevillen und anderen Gebäuden. Das Wasser für die Dusche wiederum
45
stammt aus dem Meer und wurde entsalzt, das entstehende Abwasser wird
gefiltert und für die Bewässerung der Gärten und Töpfe genutzt. Regenwasser
spült die Toiletten und füllt die Schwimmbäder. Eine Kläranlage reinigt
das Abwasser, unter anderem mit UV-Strahlen. Danach werden damit die Grünanlagen bewässert.
Keine Frage, dass alles verwendete Material und sämtliche Lebensmittelabfälle gänzlich rezykliert werden, Letztere etwa mittels eines Ecodigester
genannten Apparates, der Gemüse, Früchte, Fisch und Fleisch in 24 Stunden zu
Dünger macht – dieser wird dem Humus beigemischt. Selbst die lästigen Mücken
hat man auf Tetiaroa auf nachhaltige Weise in den Griff bekommen. Zehntausende Männchen einer Mückenart, die auf einer anderen Insel FranzösischPolynesiens vorkommen, sind konstant daran, die Weibchen der auf Tetiaroa
beheimateten Art zu vernichten. 90 Prozent von ihnen wird so der Garaus gemacht.
Dem Vermächtnis von Marlon Brando, eine ökologisch vorbildliche Hotelinsel zu bauen, ist wohl auch die Gründung der Tetiaroa Society geschuldet,
deren «Ecostation» sich der wissenschaftlichen Untersuchung der Natur und
Kultur des Atolls widmet. Dem Hollywood-Star hatte eine «Universität des
Meeres» für Tetiaroa vorgeschwebt, welche gleichzeitig das Öko-System der Insel schützen und diese mit der Welt verbinden sollte. Viele Gäste besuchen die
Öko-Station, lassen sich über Flora und Fauna informieren und können sich an
kleinen Grünen Meeresschildkröten ergötzen, die hier wegen Verletzungen oder
Erkrankungen in Behandlung oder auf dem Weg zur Klinik auf der Insel Moorea
sind. Die Wahrscheinlichkeit ist gross, dass auch Leonardo DiCaprio seinen
Kopf in die Häuschen der Öko-Station gesteckt hat; er gehörte jedenfalls zu den
ersten Besuchern des Resorts The Brando und soll danach zweimal wiedergekommen sein. Dass er der Tetiaroa Society 100 000 Dollar überwiesen hat,
wurde im Juli 2015 öffentlich gemacht. Ob sein Aufenthalt mit seinen Plänen für
ein luxuriöses Öko-Resort im mittelamerikanischen Staat Belize zu tun hat,
bleibt aber offen.
Genauso wie die Frage, mit welchem Verkehrsmittel der Schauspieler
anreiste. Bekannt ist lediglich, dass viele Gäste des «Brando» im Privatjet nach
Papeete fliegen, das kann auch einmal eine Boeing 737 sein. Es braucht keinen
Wissenschafter und keine App, um zu erkennen, dass die auf dem Atoll «eingesparten» Kilogramme an Treibhausgasen keineswegs diejenigen der Reise
kompensieren – von Öko-Ferien kann da keine Rede sein.
Richard Bailey kennt die Einwände natürlich und antwortet: «Wir versuchen
nicht, die Welt zu ändern. Wir möchten lediglich, dass unsere Gäste etwas
Einmaliges erleben. Die treibende Kraft für einen Wandel müssen unsere Gäste
sein.» Warum aber versucht Bailey nicht, ein bescheidenes Drei-Sterne-Haus
ökologisch zu betreiben? «Das wäre heute noch nicht möglich, ökologischer
Fortschritt beginnt immer bei den Luxushäusern. Hier kann man zeigen, was
alles möglich ist. Und ich halte es für wichtig, einen Schritt in eine Zukunft ohne
Treibhausgase zu gehen.»
Wer also um die halbe Welt fliegt, um im ökologisch vorbildlichsten Resort
der Welt Ferien zu machen, muss sich wohl trotzdem den Vorwurf des elenden
Eskapismus gefallen lassen.
Französisch-Polynesien
DESTINATION
Tetiaroa liegt im Zentrum des Pazifischen Ozeans; dorthin kommt man nur mit einer kleinen
Propellermaschine oder per Boot. Der frühere Besitzer Marlon Brando wollte das Atoll
als Naturparadies erhalten und lieferte die Inspiration für das umweltfreundliche Resort.
Französisch-Polynesien
Z
FOTOS: PD
46
Z
DESTINATION
47
Die Südsee-Schönheit fasziniert mit Schattierungen von Blau und Grün, Inseln mit unberührter
Natur und intakten Riffen. Gäste des Resorts The Brando können das Eiland auf Ausflügen
erkunden, im Meer tauchen und Fische oder Tiere beobachten. Oder sich einfach treiben lassen.
Französisch-Polynesien