Page 1 Nachbesserung nach Wasserschaden Diese vielfältigen
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PRAXIS BODEN Boden-Profi – Folge 98 Nacherfüllung auch bei Parkett Eine nachgebesserte Versiegelung berechtigt nicht zur Wertminderung Hinweise zur Wertminderung Das Thema Wertminderung kann nie pauschal beantwortet werden, sondern wird immer von Fall zu Fall unter Berücksichtigung vieler Gegebenheiten beurteilt. In dem Fachbuch „Schäden an Z ur Renovierbarkeit von Parkettböden kursieren viele Halbwahrheiten in der Branche: So wird je nach Parkettart mit „bis zu neun Mal“ geworben und selbst DreischichtFertigparkett soll sich „bis zu vier Mal“ abschleifen lassen. In der Realität kommen Parkettböden allerdings so gut wie nie an ihre „Abschleifbarkeitsgrenze“, also in einen Bereich, in dem die verbleibende Materialstärke – beispielsweise oberhalb der Nutwange – die Tragfähigkeit der Konstruktion nicht mehr gewährleistet. Vielmehr setzen vor allem bei schwimmend verlegten Holzfußböden“, dem Band 29 Nachbesserung nach Wasserschaden der Fachbuchreihe „Schadenfreies Bauen“, (Fraunhofer IRB Diese vielfältigen – und im Beratungsgespräch immer gern zitierten – Aussagen und Sachverhalte zur Haltbarkeit von Parkettböden manifestieren sich beim Kunden oft in Zahlen als zugesicherte Eigenschaft. Und so führt der Fall einer typischen Nachbesserung an einer frischverlegten Parkettfläche fast immer zur Diskussion über Wertminderung. Verlag) wird unter anderem definiert: „Die Fragestellungen, ob ein Missverhältnis vorliegt, ob anstatt nachzubessern, gemindert wird, und wie eine vorzunehmende Minderung zu bemessen ist, sind rechtlicher Art und nicht vom 1 Sachverständigen zu beurteilen. Er wird jedoch bei der Beantwortung der Rechtsfragen unterstützend tätig, indem er Nachbesserungskosten errechnet und Minderwerte als Grundlage für die Bemessung der Minderung ermittelt.“ Die Autoren Andreas Rapp, Bernhard Sudhoff und Daniel Pittich geben in ihrem Werk auch praktische Beispiele zur Ermittlung der Wertminderung, erklären die Nutzungserwartung von Holzfußböden und liefern Anhaltspunkte für eine mögliche Nutzschichtminderung. 116 RZ 1/2013 2 Parkettböden verlegetechnische Gegebenheiten (natürliche) Grenzen der Renovierbarkeit: Durch hohe Schwingungen der nicht fest mit dem Untergrund verbundenen Parkettfläche und einem (zudem) nicht immer eben ausgeführten Untergrund, ist ein Schleifen des Parketts kaum oder nur mit einem unverhältnismäßig hohen Aufwand möglich. Häufig werden Parkettböden aber noch vor dem Ende ihrer natürlichen Lebenserwartung ausgebaut, beispielsweise bei Umnutzung der Flächen oder Veränderungen im Einrichtungskonzept. Andererseits gibt es unzählige Parkettböden, die auch nach Jahrzehnten intensiver Nutzung ihre „Abschleifbarkeitsgrenze“ nicht erreicht haben, was im Regelfall auf gute Pflege und eine gekonnte Erhaltung der Oberflächenbeschichtung zurückgeführt werden kann. Ein Beispiel: In einer Wohnung wurde ein fest mit dem Untergrund verklebtes und werkseitig versiegeltes Einstab-Zweischichtparkett in der Holzart Eiche verlegt. Infolge eines stattgefundenen Wasserschadensereignisses mussten Teilbereiche bereits kurz nach der Verlegung geschliffen und versiegelt werden. Diese durchgeführte Maßnahme wurde vom Auftraggeber beanstandet, da sich die „nachversiegelten“ Flächen deutlich von denen im Originalzustand unterschieden. Zu Recht, wie die sachverständige Begutachtung ergab: Die „nachversiegelten“ MehrschichtParkettflächen zeigten bei gebrauchsüblicher Betrachtung Schleif- und Lackierfehler (Bilder 1 bis 3). Weiterhin war erkennbar, dass das Schleifen und Neuversiegeln ohne Demontage der Sockelleisten erfolgte. Infolgedessen wurde der Versiegelungslack bereichsweise „wannenartig“ zu den Sockelleisten hinführend angearbeitet (Bild 4). ✂ Richard A. Kille vom IFR Köln und RZ-Redakteur Jens Lehmann BODEN PRAXIS Streitfall Wertminderung 3 Als Folge daraus zeigten sich auch im Bereich von Türzargen – hervorgerufen durch das natürliche Quell- und Schwindverhalten des Parketts – Lackabrisse in unterschiedlich deutlichem Ausmaß (Bilder 5 und 6). Auch war erkennbar, dass der Parkettlack partiell eine Orangenhautstruktur aufwies, die nachträglich mit einem abrasiv wirkenden Pad zwecks Neutralisation bearbeitet worden ist (Bild 7). 4 ✂ Möglichkeit der Nacherfüllung Offenkundig hatte der Auftragnehmer also seine Arbeit nicht einwandfrei ausgeführt und die Parkettfläche nicht in einen optisch gleichwertigen Zustand zu den Originalflächen hergestellt. Allerdings steht ihm im Rahmen seines Werkvertrags die Möglichkeit der Nacherfüllung zu: Er kann also seinen „missglückten Versuch“ durch Nachbesserung wieder gut machen. Was er auch in Form des erneuten Schleifens und Versiegelns anbot. Der Auftraggeber zeigte sich damit zwar einverstanden, wollte jedoch eine Wertminderung geltend machen, da sein Parkettboden einen zusätzlichen und aus seiner Sicht unnötigen Abschliff erfahren müsse. Er argumentierte, dass durch den doppelten Abschliff die Lebenserwartung deutlich herabgesetzt würde, da ja ein Renovierungszyklus entfalle. Im vorliegenden Fall ist aus sachverständiger Sicht eine Nacherfüllung auch ohne anschließende Wertminderung gerechtfertigt: Zur Herstellung einer optisch gleichwertigen Parkettoberfläche muss diese „lediglich“ einem so genannten Zwischenschliff, der auch Köpfschliff genannt wird, unterzogen werden. Entgegen der häufigen Meinung von „Nicht-Fachleuten“ wird mit Durchführung eines Zwischenschliffs/ Köpfschliffs, kein „Millimeterabtrag“ des Parketts verursacht. Bei der Maßnahme des Abschleifens der Versiegelung bei einem neuen Mehrschichtparkett wird die Versiegelung abgeschliffen und im Übergang des Parkettlacks zum Holz die Deckschicht berührt. Messtechnisch ist der Schichtdickenverlust der Deckschicht bei fachgerechter Ausführung im Bereich von 0,3 Millimeter anzuordnen und kein wirklicher Verlust registrierbar. Zeigen sich nicht nur Beschädigungen der Ver- 5 siegelung, sondern auch Einkerbungen innerhalb der Deckschicht, ist zu berücksichtigen, dass diese nicht herausgeschliffen, sondern durch Spachteln/Kitten der Oberfläche nach dem Schleifen gefüllt werden und so nicht mehr sichtbar sind. Die Folge ist, dass – auf Grundlage der geschilderten Faktoren – dem Bauherrn/ Auftraggeber grundsätzlich kein wirtschaftlicher Schaden entsteht, sodass auch keine Wertminderung in Frage kommt. Vielmehr handelt es sich um eine reine Nacherfüllungsmaßnahme, die dem Auftragnehmer zusteht. dicke Deckschicht eines Mehrschichtparketts rund einen Millimeter abzuschleifen. Dann ist es tatsächlich so, dass im Regelfall eine Wertminderung berücksichtigt wird, die sich auf die Nutzungserwartungszeit bezieht und theoretisch mindestens zwei Renovierungszyklen berücksichtigt. Die Situation führt häufig zu einer theoretischen Reduzierung der Nutzungserwartungszeit von beispielsweise 15 bis 20 Jahren auf 10 bis 15 Jahre, sodass Wertminderungssätze im Bereich von 30 Prozent bei gütlichem Einigungsbestreben angesetzt werden. Die Frage der Wertminderung ist also dann gerechtfertigt, wenn der Parkettboden mit den vorhandenen Unzulänglichkeiten so verbleibt, ohne nachgebessert zu werden. Auch wenn der Auftragnehmer grundsätzlich eine mangelfreie Leistung schuldet, müssen vorhandene Mängel, die die Gebrauchseigenschaften nicht beeinträchtigen, nicht zwangsläufig nachgebessert werden: Stehen allein 6 optische Kriterien im Vordergrund, ist die Regelung, dem Auftraggeber eine Wertminderung zuzubilligen (ohne eine Nachbesserung durchzuführen), oft die bessere und vor allem verhältnismäßigere Lösung. Es besteht jedoch nicht die Möglichkeit, hier einen pauschalen, prozentualen Anteil der Wertminderung zu nennen, da jeder Fall für sich einzeln zu bewerten ist. Nutzungserwartung reduziert Anders ist dies, wenn zweifelsfrei die Notwendigkeit und das Erfordernis besteht, aufgrund vorhandener Beschädigungen, die zum Beispiel 3,6 Millimeter 7 RZ 1/2013 117