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Ausgabe RIND 04 2012 Rindergrippe – Damit ist nicht zu spaßen! 0 Tuberkulose und Paratuberkulose – Trotz ähnlicher Namen zwei unterschiedliche Krankheiten 0 otiert Kurz n Behandlung boviner Atemwegserkrankungen beim Rind 0 Was ist besser für die Milchkuh: Raps oder Soja? 0 Rindergrippe vorbeugen mit Impfungen Erscheint quartalsweise ISSN 1867-4003 2|3 aktuell TIERGESUNDHEIT RIND Mit Beginn der feuchtkalten und windigen Jahreszeit der Herbstmonate ist es wieder so weit, dass die Rindergrippe Einzug hält. Am ehesten betroffen davon sind Kälber und Jungrinder im Alter von vier Wochen bis vier Monate, da deren Atmungsapparat bei geringerer funktioneller Widerstandskraft noch nicht voll entwickelt ist. Erst im Alter von 12 Monaten hat sich die Lunge ausgebildet. Dr. Siegfried Kalchreuter erklärt, wie die Rindergrippe entsteht und wie die Behandlung und Vorbeugung am besten gelingt. Die Rindergrippe ist eine hochansteckende Infektion, die besonders junge Tiere befällt und zu den infektiösen Faktorenkrankheiten zählt. (Foto: Engels) Generell ist das Rind aufgrund anatomischer und physiologischer Struktur vergleichsweise anfälliger gegen Atemwegserkrankungen, da die Lunge eine starke Gliederung in einzelne Abschnitte ohne Querverbindungen untereinander aufweist. So bedeutet eine Entzündung eines Lungenabschnittes mit Luftwegblockade sogleich den Ausfall des betreffenden Lungenteils mit nicht unerheblichen Leistungseinbußen. Viren bereiten Bakterien den Weg Noch immer gehen die wirtschaftlichen Verluste durch Frühund Spätschäden einer Rindergrippe in die Millionenbeträge. Je nach Schweregrad reichen die Erkrankungen von der subklinischen Form bis zur irreversiblen Schädigung der Lunge mit Verenden des Tieres. Oftmals wird das Problem der Rindergrippe-Infektion nicht rechtzeitig erkannt und entsprechend behandelt. Es ist meist immer derselbe Krankheitsverlauf: Zunächst erfolgt der Befall des Tieres mit Viren unter Stressbedingungen wie schlechtes Stallklima oder Überbelegung, die den Organismus schwächen. Die Ersterkrankung mit leichtem Temperaturanstieg und wässrigem Tränenfluss wird zum Wegbereiter für die bakterielle Sekundärinfektion, wenn nicht rechtzeitig eingegriffen wird. 8 4|5 aktuell TIERGESUNDHEIT RIND Foto: Engels Neben Antibiotika werden im akuten Erkrankungsfall häufig NSAIDs zur Schmerzstillung und Entzündungshemmung eingesetzt. Es kommt sonst zur massiven Schädigung im Lungenbereich mit beeinträchtigter Sauerstoffversorgung des gesamten Organismus, was sich negativ auf die Entwicklung des Tieres wie verminderte Zunahmen und verlängerte Aufzucht bzw. Mast mit geschwächter Immunität und eingeschränkter Milchleistung als Spätschaden auswirkt. Dann können die Problemkeime im Betrieb identifiziert werden und gezielt Präventivmaßnahmen (z.B. Impfprogramm gegen Grippeviren) und Therapiemaßnahmen mit dem Tierarzt abgestimmt werden. Tierarzt entscheidet über richtige Therapie Die Entscheidung für den richtigen Arzneimitteleinsatz muss der Tierarzt treffen. Tiere gut beobachten Foto: Intervet Landwirte sollten daher ihre Tiere besonders oft in dieser unwirtlichen Jahreszeit beobachten. Sobald ein Tier sich von der Gruppe absondert, beim Tränken schwächelt und angestrengt atmet, muss sofort die Körpertemperatur gemessen werden. Wenn ein Kalb in Ruhe steht oder liegt und vermehrt Luft holt mit mehr als 36 Atemzügen pro Minute, sollte der Tierarzt informiert werden. Denn dann besteht höchstwahrscheinlich eine infektiöse Lungenentzündung. Maßnahmen gegen die Keime und gegen die Entzündung sind dann umgehend zu erfolgen. Moderne diagnostische Hilfsmittel helfen bei der Abklärung der Problematik und beim Auffinden des Erregers. Neben Nasentupferproben aus dem Nase-Rachen-Raum zum Virusnachweis (z.B. BRSV, BHV1, PI-3) wird zunehmend die Lungenspülung zur Untersuchung des Tracheobronchialsekretes mit Bestimmung der beteiligten bakteriellen Erreger (z.B. Mannheimia haemolytica, Pasteurella multocida, Haemophylus somnus, Mycolpasma bovis, Chlamydien) mit Resistenztest als sichere Methode angewandt. Sie gewährleistet den Nachweis von den Infektionserregern mit hoher Treffsicherheit, die tatsächlich für das Krankheitsgeschehen verantwortlich sind. Eitriger Nasenausfluss ist nur eines von vielen Symptomen, wenn ein Tier an Rindergrippe erkrankt. Bei Fieber (Körpertemperatur liegt über 39.5°C) ist einerseits der Einsatz von Antibiotika zur Abtötung ursächlicher Erreger nötig und andererseits müssen der Bronchialkrampf gelöst und die Entzündung gehemmt sowie der Schleim verflüssigt werden. Es gibt mittlerweile auch Kombinationspräparate, die Antibiotika und einen Wirkstoff zur Lösung des Bronchialkrampfes mit Entzündungshemmung beinhalten. Diese Präparate hemmen den grippalen Infekt, senken das Fieber, stellen den Appetit wieder her und blockieren die entzündlichen Vorgänge im Lungengewebe. So können Totalverluste sowie Spätschäden verhindert werden. Vorbeugung besser als Behandlung Dr. Siegfried Kalchreuter Foto: Intervet Der medizinische Einsatz ersetzt nicht vorbeugende Maßnahmen in Haltung und Fütterung wie etwa die rechtzeitige Biestmilchverabreichung (Qualitätstest mit Kolostrometer), die Optimierung der Eisen- und Selenversorgung zur Stärkung der Immunität, bedarfsgerechte Tränkegaben sowie Stressvermeidung durch Haltung der Kälber in kleinen, gleichaltrigen Gruppen bei gutem Stallklima mit zugfreier Frischluft. Kurze Transportzeiten bei Zukauf von Tieren sowie die Jungviehaufzucht nach der Igluphase in eigenen Stallungen getrennt vom Großvieh mit viel Auslauf und trockenen Liegeplätzen durchzuführen sind ebenfalls empfehlenswerte Maßnahmen. Und auch die gezielte und regelmäßige Parasitenbekämpfung hilft, einer Rindergrippe vorzubeugen, da Parasitenbefall die Tiere schwächt und sie damit anfälliger für jedwede Erkrankung sind. n Generell ist das Rind aufgrund anatomischer und physiologischer Struktur vergleichsweise anfälliger gegen Atemwegserkrankungen, da die Lunge eine starke Gliederung in einzelne Abschnitte ohne Querverbindungen untereinander aufweist. Zum Lebensstart ideal geschützt BERGIN Kälberfit der kraftvolle „Startschuss” für neugeborene Kälber hochkonzentrierte probiotische Milchsäurebakterien hochverfügbares organisch gebundenes Eisen und Selen hochkonzentrierte Biestmilch- und EipulverImmunglobuline mit breitem Antikörperspektrum Besuchen Sie uns 1210 0605004 in Hannover! 6|7 aktuell TIERGESUNDHEIT RIND Foto: Regina Bartel Verschiedene Mycobakterien sind die Verursacher von Tuberkulose und Paratuberkulose in Rinderbeständen. Beide Krankheiten sind meldepflichtig und führen zur Tötung der betroffenen Tiere. Staatliche Gesundheitsüberwachung und gutes Herdenmanagement auf den Betrieben helfen, sie zurückzudrängen, hat Regina Bartel recherchiert. Sauberkeit vor dem Abkalben – nicht nur die Box, auch die Kuh sollte vor der Geburt gereinigt werden. Es gibt viele Arten von Mykobakterien, die meisten davon sind Bodenbewohner, die sich von organischem Material ernähren, indem sie es zersetzen. Die stäbchenförmigen Bakterien dieser Gattung mögen sauerstoffhaltige Umgebung, sie sind sehr widerstandsfähig gegenüber Säuren, aber empfindlich gegen UV-Licht und sie teilen sich nur langsam. Selbst die schnelleren unter ihnen brauchen mehrere Tage, um eine Kolonie zu bilden. So träge und unauffällig die meisten von ihnen sind, ein paar Mykobakterien-Arten haben sich als Krankheitserreger etabliert und bevorzugen jeweils unterschiedliche Wirtsorganismen. Zu den von Mykobakterien verursachten Krankheiten gehören die menschliche Lepra und die Geflügeltuberkulose. Beim Rind sind die bedeutendsten Krankheiten die Paratuberkulose und die Tuberkulose. Aufgrund der engen Verwandtschaft der Bakterien untereinander fasst man die Tuberkuloseauslöser zum Mycobacterium tuberculosis-Komplex (MTC) zusammen. Die Bakterien dieser Gruppe unterscheiden sich in der Wahl ihrer Wirte und in der Pathogenität, also der Fähigkeit, die Krankheit auszulösen. Rindertuberkulose wird von Mycobacterium bovis verursacht. Sie ist in vielen Ländern der Welt verbreitet, vor allem in Afrika ist sie ein häufiges und wirtschaftlich sehr bedeutsames Problem in Rinderbeständen, aber auch in Teilen Asiens und Amerikas kommt sie weiterhin vor. In den Wildtierbeständen von Kanada, USA, Neuseeland und Großbritannien liegen Reservoire des Krankheitserregers. In Deutschland gilt die Rindertuberkulose als getilgt, den- Foto: Regina Bartel Tuberkulose weltweit verbreitet Während Tuberkuloseerreger die Atemwege angreifen, findet Paratuberkulose im MagenDarm-Trakt statt. noch treten immer wieder vereinzelte Fälle auf. Klingt unlogisch, ist es aber nicht: 99,9 % der Rinderbestände müssen seit mehr als 10 Jahren amtlich bestätigt frei von Tuberkulose sein, damit ein Land von der Weltorganisation für Tiergesundheit, der OIE (Office International de Epizooties), den Status „tuberkulosefrei“ zuerkannt bekommt. Das hat Deutschland im Jahr 1997 erreicht und seitdem halten können. Rindertuberkulose durch Kontakt zu Menschen Die Wahrscheinlichkeit einer Ansteckung in Deutschland ist sehr gering. Der Zukauf von Tieren aus Ländern mit hoher Durchseuchungsrate oder eine Übertragung durch andere Spezies und den Menschen aber möglich. 8 8|9 aktuell TIERGESUNDHEIT RIND Die Erkrankung kann außerdem über den Handel und Transport infizierter Tiere verbreitet werden. Sie ist nicht auf Rinder beschränkt, M. bovis kann unter anderem bei Schafen, Ziegen, Pferden, verschiedenen Zootierarten und Wild eine Tuberkulose auslösen. Ebenso bei Hunden und Katzen und die sind auf Bauernhöfen aus den Ställen kaum fern zu halten. Schleichender Krankheitsverlauf Tuberkulose verläuft beim Rind oft lange Zeit symptomlos, so dass sich viele Stallkumpane mittels Tröpfcheninfektion ange- Foto: Regina Bartel Menschen sind tatsächlich die Hauptansteckungsquelle für neue Tuberkulosefälle beim Rind. Kranke oder Bakterien ausscheidende Betriebsangehörige, die direkten Kontakt mit den Rindern haben – seien es Mitarbeiter oder Familienangehörige – können die Tiere infizieren. Umgekehrt gilt das aber auch. Tuberkulose ist eine Zoonose: Sie ist sowohl vom Rind auf den Menschen als auch umgekehrt übertragbar. An der Tuberkulose des Menschen ist zwar meist ein verwandtes Bakterium M. tuberculosis schuld, doch bei etwa einem Prozent der Tuberkulosefälle in Deutschland, die Menschen betreffen, ist M. bovis beteiligt. Prävention bei Rinder-Tuberkulose bedeutet also auch Schutz des Menschen vor dem Erreger. Kot ist die Ansteckungsquelle Nr. 1 für Paratuberkulose. steckt haben können, bevor die Krankheit überhaupt auffällt. Wenn klinische Symptome auftreten, sind diese meist unspezifisch: Chronischer Husten und Abmagerung kommen auch bei anderen Erkrankungen vor. Das Befinden des Tieres verschlechtert sich in Schüben mit wiederholten Fieberanfällen. Die Lymphknoten schwellen an. Ist die Lunge befallen, dann hustet das Tier und atmet schneller. Tuberkulose kann generalisieren, das bedeutet, den ganzen Körper mit all seinen Organen in Mitleidenschaft ziehen. Eine Besonderheit des Tuberkulose-Erregers ist, dass der befallene Wirt das Bakterium abkapseln kann: Es wird eingeschlossen und geht in eine inaktive Form über. Dann kommt die Erkrankung zum Erliegen, kann aber jederzeit wieder ausbrechen. Tuberkulintest gibt Klarheit Tuberkulin ist eine Proteinmischung, die aus Mycobakterien oder synthetisch hergestellt wird: Es löst eine Immunreaktion aus, wenn das Immunsystem gleichzeitig auch Kontakt zu Mycobakterien hat. Liegt eine Infektion vor, dann bekämpft der Organismus das Tuberkulin, diese Abwehrreaktion des Immunsystems ist in der Haut messbar. Dazu spritzt der Tierarzt an einer Stelle am Hals oder am Schulterblatt eine winzige Menge Tuberkulin und 72 Stunden später steht das Ergebnis fest: Ist die Haut an der Stelle deutlich verdickt und entzündet, gilt das Ergebnis als positiv, das Tier hat Tuberkulose. Hat sich an der Hautstelle nicht viel getan und keine Entzündung gebildet, ist der Test negativ. Schutz für Mensch und Tier Weiterhin überwacht werden allerdings Milch- und Fleischerzeugung. So kommt es, dass die exakte Diagnose beim Tier oft erst nach seinem Tod bei der amtlichen Fleischuntersuchung am Schlachthof erfolgt oder bei der Untersuchung verendeter Tiere durch die Untersuchungsämter der Bundesländer. Verdächtige Organveränderungen melden die Landeseinrichtungen an das Nationale Referenzlabor für Tuberkulose am FriedrichLoeffler-Institut, wo Proben untersucht werden. Die Krankheit ist anzeigepflichtig, die Behandlung verboten, daher werden infizierte Tiere getötet. Da Tuberkulose über infizierte tierische Lebensmittel übertragbar ist, ist die Pasteurisierung der Milch eine wirkungsvolle Vorsorge. Außerdem sollen die amtlichen Fleischuntersuchungen am Schlachthof dafür sorgen, dass infiziertes Material nicht die Reise in den Lebensmitteleinzelhandel antritt. Paratuberkulose: Nicht Lunge sondern Darm betroffen Auch bei der Paratuberkulose ist ein Mycobakterium der Auslöser: Mycobacterium avium spp. Paratuberculosis (MAP). Die vor allem im englischen Sprachraum auch nach ihrem Entdecker als Johnsche Krankheit bezeichnet wird, hielt man zunächst für eine andere Ausbildung der Tuberkulose, die ein- Foto: Regina Bartel Mit Tuberkulin experimentierte bereits Robert Koch um 1890. Was sich der Tuberkuloseforscher als Heilmittel erhofft hatte, wurde zum flächendeckend eingesetzten Diagnoseverfahren. Etwa in den 1920er Jahren etablierte sich der Tuberkulintest für Rinderbestände in vielen Staaten, so auch in Deutschland. Die Tests fanden flächendeckend in regelmäßigen Abständen statt, diese Maßnahme wurde erst mit der offiziellen Feststellung der Tuberkulosefreiheit abgeschafft. In den ersten Wochen einzeln und dann in altersgleichen Gruppen gehalten minimiert sich das Ansteckungsrisiko. fach nur ein anderes Organsystem angreift: statt der Lungen den Magen-Darm-Trakt. Das ist nicht so. Obwohl der Erreger verwandt mit dem der Tuberkulose ist, ist die Krankheit doch eine gänzlich andere und eigenständige. Meist infizieren sich schon die Jungtiere über mit Kot verschmutztes Futter. Die Bakterien sind in Gülle und Boden lange, bis zu einem Jahr, überlebensfähig, da sie von einer schützenden Wachsschicht ummantelt sind. Kälber infizierter Kühe können sich schon im Mutterleib oder über das Kolostrum anstecken. Die Inkubationszeit kann zwischen einem und zehn Jahren liegen. Als Kalb infizierte Tiere, scheiden meist ab einem Alter von etwa zwei Jahren selbst MAP aus. Zum Ausbruch der Krankheit bei diesen Tieren kommt es aber erst erheblich später, oft zwischen dem 3. und 6. Lebensjahr. Jahrelang versteckte Infektion Im Verlauf der Krankheit besiedelt das Bakterium den Darm und dringt von dort aus in die anderen Organe vor. Da der Darm geschädigt ist, verringert sich seine Fähigkeit, Nährstoffe aufzunehmen. Das Tier ist in seiner Leistung eingeschränkt, was wirtschaftliche Verluste für den Betrieb mit sich bringt. Kommt es zum Ausbruch der Krankheit, dann magert das betroffene Tier immer mehr ab, obwohl es gut frisst. Zu Anfang hat es mal Durchfall und mal nicht, später geht nur noch dünner, blasiger Kot ab. Kühe bringen leichte Kälber zur Welt und sie lassen in der Milchleistung nach, die irgendwann gänzlich zum Erliegen kommt. Langfristig mergelt der Patient aus und stirbt an Entkräftung. Das Bakterium vermehrt sich nur im lebenden Wirt, kann aber über die Milch in die Lebensmittelkette gelangen. Pasteurisierung reduziert die Bakterienbelastung deutlich. Das ist insofern von Bedeutung, als dass seit Jahren in der Diskussion ist, ob die Morbus Crohn-Erkrankung des Menschen, an der allein Deutschland geschätzte 150.000 Patienten leiden, mit der Paratuberkulose des Rindes zusammenhängt. Bei Morbus CrohnPatienten wird häufiger als in der Normalbevölkerung auch MAP im Darm gefunden. Ob das Ursache oder Folge der Krankheit ist, ist bisher nicht geklärt. Daher ist auch unklar, ob es sich bei der Paratuberkulose um eine Zoonose handelt. 8 aktuell 10 | 11 TIERGESUNDHEIT RIND Regina Bartel In altersgleichen Gruppen ist die Ansteckung mit Paratuberkulose durch ältere Tiere verringert. Meldepflicht und hohe Dunkelziffer Herdensanierung ist langwierig Paratuberkulose ist eine meldepflichtige Erkrankung. Etwa 350 Fälle im Jahr werden in Deutschland registriert. MAP-Infektionen sind allerdings nicht so selten, wie diese gemeldete Fallzahl hoffen lässt: Der langsame und lange versteckte Verlauf der Infektion bewirken, dass jedes nachgewiesen kranke Tier für Dutzende steht, die sich im Laufe der Jahre angesteckt haben. Paratuberkulose gilt als versteckte Rinderseuche. Zwischen 10 und 15 % der deutschen Herden sollen schätzungsweise betroffen sein, wobei wiederum nicht alle, sondern zwischen 15 und 30 % der Tiere durchseuchter Bestände das Bakterium in sich tragen. Nachweisbar ist die Infektion über Blut und Kot. Doch Paratuberkulose gilt als unheilbar, die Behandlung ist zwecklos und das Bakterium aus dem Bestand nur schwer wieder loszuwerden. Keime ausscheidende Tiere sollten also schnell aus dem Bestand entfernt werden. Für Herden mit erheblichen ParatuberkuloseProblemen kann es tatsächlich eine Lösung sein, die komplette Herde zu merzen und mit paratuberkulosefreien Tieren neu aufzubauen. Allerdings wird diese radikale Lösung unter anderem von den Tierseuchenkassen inzwischen skeptisch betrachtet, denn zur Sanierung gehört mehr, als nur die Tiere auszutauschen. Eine Bestandssanierung dauert Jahre. Die wesentliche Maßnahme ist Hygiene. Die für eine Ansteckung mit MAP besonders empfindlichen Jungtiere sollten in einer sauberen Abkalbebox zur Welt kommen und erst einmal keinerlei Kontakt zu Kot älterer Tiere haben. Es hilft, die Kuh vor der Geburt zu reinigen, auf die Hygiene der eigenen Hände zu achten und das Neugeborene nur mit absolut sauberen Gerätschaften zu transportieren. Kolostrum muss sauber gemolken werden. Da diese Hygiene-Maßnahmen auch vor einer Vielzahl anderer ansteckender Keime schützt, sind sie immer sinnvoll. Die Kälbchen zunächst in Einzelboxen unterzubringen und später in altersgleichen Gruppen zu halten ist ebenfalls hilfreich. Es gibt viele Wege, wie Kot von älteren Tieren zu den jüngeren gelangen kann. Dazu gehören Geräte und Gummistiefel genau wie die Profile von Fahrzeugreifen, an denen etwas haften bleiben kann. Auch Tränkwasser und Futter sollten unter sauberen Bedingungen aufgenommen werden können. Bei Weideflächen für Jungtiere ist zu bedenken, dass auf mit Tierkot gedüngten Flächen MAP noch lange überleben. Beim Zukauf von Tieren ist nicht nur der Paratuberkulosestatus des Herkunftsbetriebes interessant, sondern auch die Einhaltung von Hygienemaßnahmen durch das Transportunternehmen wichtig. Fazit Von den durch Mykobakterien übertragenen Erkrankungen sind für Rinder vor allem die Tuberkulose und die Paratuberkulose relevant. Bei der Tuberkulose ist eine Ansteckung zwischen Rind und Mensch möglich. Vor allem die Paratuberkulose, deren Zoonosestatus nicht geklärt ist, ist in hiesigen Beständen ein Problem. Vor allem der langsame, schleichende Verlauf von Mykobakterieninfektionen macht die Sanierung der Herden schwierig. Nur konsequent eingehaltene Hygienemaßnahmen können die Jungtiere vor einer frühen Infektion schützen. n Regina Bartel Hier gibt es weitere Informationen: Auf der Webseite des Bundesministerums für Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz findet sich ein ausführlicher Ratgeber Paratuberkulose, den das Friedrich Löffler Institut zusammen mit Wissenschaftlern anderer Forschungseinrichtungen erstellt hat. Hier findet sich eine vielzahl an Hygienemaßnahmen für die Paratuberkuloseprophylaxe: http://bit.ly/SWPvXt ert noti z r u K Das Langzeit-Makrolid Tildipirosin, das seit einem Jahr auf dem Markt erhältlich ist, überzeugt laut einer Pressemitteilung des Unternehmens Intervet vor allem durch seinen sehr schnellen Wirkungseintritt, die hohe Anreicherung im Zielorgan Lunge und die langanhaltenden Wirkstoffkonzentrationen oberhalb der MHK90-Werte für die relevanten bakteriellen Erreger der Rindergrippe. Dies unterstreichen die Ergebnisse einer experimentellen Metaphylaxe-Studie sowie eines Therapie-Feldversuches. Studien belegen Wirksamkeit von LangzeitAntibiotikum In der Metaphylaxe-Challenge-Studie erhielten 18 gesunde Bullenkälber zunächst entweder 4 mg Tildipirosin/kg KGW, 2,5 mg Tulathromycin/kg KGW oder 2 ml/100kg KGW NaCl. Am Tag 5 wurden alle Kälber massiv intratracheal mit Mannheimia haemolytica infiziert. Die pathologische und bakteriologische Untersuchung der Lungen nach der Sektion am Tag 8 zeigte, dass die Befunde der Tildipirosin-Gruppe entschieden besser ausfielen als in den Kontrollgruppen (Tulathromycin und NaCl). Bei denjenigen Tieren, die Tildipirosin erhalten hatten, konnten keine Erreger aus dem Lungengewebe isoliert werden. Die Erregerelimination aus dem Bronchialsekret war bei allen Tildipirosin-Tieren erfolgreich (100 %), während sie in der Tulathromycin-Gruppe nur bei einem Tier gelang und in der NaCl-Gruppe gar nicht stattfand. In der NaCl-Gruppe starben noch vor Versuchsende 5 von 6 Tieren. Auch in der Tulathromycin-Gruppe verendete ein Tier nach der Belastungsinfektion. Unter Tildipirosin gab es keine Mortalität. Auch hinsichtlich der klinischen Befunde wie Körpertemperatur, Allgemeinbefinden, Appetit, Atemfrequenz und -qualität zeigte die Tildipirosingruppe signifikant bessere Ergebnisse als die Tulathromycin- und NaClKontrollgruppen. Eine Therapie-Feldstudie mit insgesamt 104 Kälbern (52 Kälber wurden mit Tildipirosin, 52 mit Tulathromycin behandelt) bewies den schnellen Wirkungseintritt von Tildipirosin – der im Mittel 12 Stunden früher einsetzte als in der Tulathromycin-Kontrollgruppe. Zudem wurden die gute Verträglichkeit, die langanhaltende Wirkung und die niedrige Rückfallrate des Langzeit-Makrolids bestätigt. Stallposter und Broschüre erhältlich In Zusammenarbeit mit Frau Prof. Kerstin E. Müller, Berlin, hat Intervet ein anschauliches und informatives „Stallposter zur Früherkennung der Rindergrippe“ sowie einen „Leitfaden zum Atemwegweiser für Kälber und Rinder“ entwickelt. Achten Sie als Tierhalter aufmerksam auf die ersten Anzeichen der Rinder-/Kälbergrippe. Wann ist noch alles im grünen Bereich, wann herrscht Alarmstufe Rot? Diese Atemwegweiser fassen die wichtigsten Informationen zu Risikoperioden und äußeren Symptomen für den Tierhalter zusammen und stehen unter www.msd-tiergesundheit.de/rindergrippe kostenlos zum Download bereit. Dieses Poster informiert zum einen über die kritischen Perioden in Bezug auf Atemwegserkrankungen beim Kalb. Zum anderen wird aufgezeigt, wie sich gesunde, frischinfizierte und schwerkranke Kälber hinsichtlich Verhalten, Kopfhaltung und dem Aussehen der Augen und Nasengegend unterscheiden. Zusätzlich zum Stallposter ist nun auch die ausführliche Broschüre zur Früherkennung der Rindergrippe „Leitfaden zum Atemwegweiser für Rinder und Kälber“ erhältlich. n Literaturquellen zu den Studien auf Anfrage Quelle: Intervet aktuell 12 | 13 TIERGESUNDHEIT RIND ert noti z r u K In modernen Kuhställen ist heute Hochleistungstiere und deren Fütterung ein ausgeklügeltes System. Das Futter soll alles liefern, was die Kuh benötigt, um mehrere tausend Liter Milch pro Jahr zu geben und das möglichst viele Jahre bei guter Gesundheit. Die Zusammensetzung des Futters entscheidet dabei auch darüber, ob es zu Stoffwechselerkrankungen wie dem Milchfieber kommen kann. Als Protein-Komponente wird heute überwiegend Sojaextraktionsschrot gefüttert. Doch die Hülsenfrucht, deren Anbaufläche vor allem in Südamerika rapide wächst, ist ökologisch umstritten und am Markt umkämpft. Ob der heimische Raps langfristig eine wirkliche und alleinige Alternative für die Milchkuhfütterung darstellen kann, untersuchten die Versuchsanstalten der Landwirtschaftskammer Schleswig-Holstein zusammen mit Wissenschaftlern anderer Kammern und der Universität Hohenheim. Dazu wurden Rinder der Rasse Deutsch Holstein auf den drei Versuchsanlagen mit Gras- und Maissilage und einer Ergänzung aus Raps-, Raps- und Soja oder nur Sojaextraktionsschrot gefüttert. Damit der Energiegehalt des Futters vergleichbar blieb, wurden die Rationen mit kleinen Mengen Fett auf ein einheitliches Kalorienniveau gebracht. Auf einem Pressegespräch zum Thema Rinderfütterung in Hamburg stellte Dr. Karin Mahlkow-Nerge, Landwirtschaftkammer Schleswig-Holstein, die Ergebnisse vor: Es sieht gut aus für den Raps. Die Kühe können ausreichend Protein in ihrem Stoffwechsel verwerten und der Proteinanteil der Milch ist gleich oder höher als bei Sojafütterung. Auch bei der Futterqualität punktete der Raps: „Die Qualität ist hoch, die Eiweißgehalte stabil“, sagte Mahlkow-Nerge, „die Rapsschalen sind unverdaulich, aber der Wert der Ration liegt im Inneren.“ Milchkuhfütterung mit einem heimischen, gentechnikfreien Produkt ist also auch bei Hochleistungskühen möglich. n Regina Bartel http://www.riswick.de/pdf/forum-2012-08extraktionsschrot.pdf Foto: Sandten Hier ist die Original-Publikation zu finden: Im Kampf gegen die Rindergrippe sollte man nicht allein auf Medikamente setzen. Aufklärung und Unterstützung bei der Diagnostik und Früherkennung sowie die Vorbeugung sind hierbei ebenso wichtig. Thomas Wengenroth hat recherchiert, wie die Vorbeugung mittels Impfungen optimal angegangen werden kann. Foto: Intervet Eitriger Nasenausfluss bei Kühen oder Kälbern ist ein Alarmzeichen für Rindergrippe. aktuell 14 | 15 TIERGESUNDHEIT RIND Ein effizientes Rindergrippemanagement, das gezielte und konsequente Prophylaxe und Metaphylaxe einschließt, schützt den Bestand vor irreversiblen Lungenschäden, die die Leistungsfähigkeit der Tiere immens beeinträchtigen. Somit wird der Betrieb vor langfristigen finanziellen Einbußen bewahrt. Da die Erkrankung einzelner Tiere schnell auf die gesamte Herde übergreifen kann, ist es von großer Bedeutung, die bereits erkrankten Tiere zu therapieren und die noch gesund erscheinenden Kälber mit einem lang wirksamen Antibiotikum vorbeugend (metaphylaktisch) zu behandeln. Strategisches Impfmanagement, um den Bestand von Anfang an zu schützen Rindergrippe ist nicht nur ein Kälber-, sondern ein Bestandsproblem. Eine frühzeitige Impfung aller impffähigen Tiere senkt den Infektionsdruck und erhöht den Schutz der gesamten Herde durch einen homogeneren Immunstatus des Betriebes. Dadurch können die Behandlungskosten gesenkt werden, insbesondere während Risikoperioden wie Absetzen, Umstallen, Transporten oder in der kalten Jahreszeit. Die Frühimpfung von Kälbern ab dem 8. Lebenstag als auch die Impfung hochtragender Kühe und Färsen ist insbesondere deshalb wichtig, weil die Kälber über das Kolostrum der geimpften Muttertiere sofort über einen passiven Immunschutz verfügen, bevor sie selbst dazu in der Lage sind, eine aktive Immunisierung aufzubauen. Spätestens zwei Wochen nach Abschluss der Grundimmunisierung wird eine maximale humorale Immunantwort gegenüber dem BRSV (Bovines Respiratorisches Syncytial Virus), Parainfluenza-3-Virus und M. haemolytica Serotyp A1 und A6 erreicht. Rindergrippe ist nicht nur ein Kälber-, sondern ein Bestandsproblem. Eine frühzeitige Impfung aller homogeneren Immunstatus des Betriebes. ( Foto: Intervet) Kälber und Muttertiere impfen Muttertiere können über maternale Antikörper ihre Kälber effektiv vor Infektionen schützen. Dies gilt auch für die Haupterreger der Enzootischen Bronchopneumonie – die Kälber- bzw. Rindergrippe. Eine Impfung der hochtragenden Kühe boostert den bereits vorhandenen Immunschutz und sichert die Übertragung von maternalen Antikörpern auf ihre Kälber. Die Impfung der hochtragenden Kühe ist Teil des Rundumschutzes für den gesamten Bestand. Doch nicht alle Betriebe setzen diese einfache Präventionsmaßnahme auch konsequent um. In über 400 Videos geben Tierärzte Auskunft www.Tiergesundheit-aktuell.de DAS Tierhalterportal im Internet! Maternale Antikörper schützen Kälber Die Bedeutung der passiven Immunität durch kolostrale maternale Antikörper bei Kälbern wurde bei Infektionen mit BRSV (Bovine Respiratorisches Synzytial Virus) gezeigt: Die passiv über das Kolostrum (Biestmilch) erworbenen maternalen Antikörper können eine Infektion mit dem BRS-Virus und dessen Vermehrung zwar nicht verhindern, die maternalen Antikörper bieten jedoch zumindest teilweise einen Schutz vor der klinischen Symptomatik. So waren Häufigkeit und Schwere von BRSV-Infektionen bei Kälbern mit maternalen Antikörpern geringer ausgeprägt: Je mehr maternale Antikörper im Serum der Kälber gemessen worden waren, desto weniger schwer und häufig waren respiratorische Erkrankungen. In einer Challenge-Studie mit dem BRS-Virus wurden drei Gruppen von Kälbern miteinander verglichen. impffähigen Tiere senkt den Infektionsdruck und erhöht den Schutz der gesamten Herde durch einen Eine Gruppe hatte Kolostrum erhalten und wurde mit BRSV infiziert. Zwei Vergleichsgruppen hatten kein Kolostrum erhalten, eine wurde mit BRSV infiziert und eine weitere blieb als Kontrolle ohne Infektion. Die durch die Kolostrum-Fütterung vermittelte passive Immunität führte dazu, dass bei diesen Kälbern die BRSV-Infektionen weniger heftig ausfielen als in der Kontrollgruppe ohne Kolostrum-Schutz. 8 Impressum Herausgeber VetM GmbH & Co. KG Am Stadion 2 - 4 26871 Papenburg Tel: 0 49 61 - 9 82 88 - 17 Fax: 0 49 61 - 9 82 88 - 26 E-Mail : [email protected] Impressum Redaktion VetM GmbH & Co. KG Am Stadion 2 - 4 26871 Papenburg Tel: 0 49 61 - 9 82 88 - 17 Fax: 0 49 61 - 9 82 88 - 26 E-Mail : [email protected] Foto: Intervet ISSN 1867-4003 Muttertiere können über maternale Antikörper ihre Kälber effektiv vor Infektionen schützen. Titelfoto: © tinleYla Realisation VetM GmbH & Co. KG Am Stadion 2 - 4 26871 Papenburg Tel: 0 49 61 - 9 82 88 - 17 Fax: 0 49 61 - 9 82 88 - 26 E-Mail : [email protected] aktuell TIERGESUNDHEIT RIND Foto: Intervet 16 Im Zweifel, ob das Tier erkrankt ist, sollte schnellstmöglich der Tierarzt gerufen werden, der eine schnelle Behandlung einleiten kann. Das Konzept der Impfung kurz vor der Kalbung zur Stimulierung maternaler Immunität wird bereits sehr erfolgreich bei der Prävention von Durchfällen bei neugeborenen Kälbern eingesetzt. Für die Prävention der Enzootischen Pneumonie beim Rind durch maternale Immunität gibt es bislang nur wenige wissenschaftliche Untersuchun-gen. Die Studien zu BRSV-Infektionen bei Käl-bern und aktuelle Studien zeigen die Bedeu-tung, die eine Impfung hochtragender Kühe und Färsen gegen die Erreger der Enzooti-schen Bronchopneumonie hat. Saisonale Impfung Die enzootische Bronchopneumonie (EBP) kann zwar das ganze Jahr über auftreten, doch kommt sie saisonal gehäuft bei kalter Witterung vor. Und so fallen ihr jeden Herbst zahlreiche Tiere anheim. Doch dies müsste nicht sein, denn es gibt gezielte Prophylaxemaßnahmen, in erster Instanz die rechtzeitige Schutzimpfung aller impffähigen Tiere eines Bestandes. Vorbeugende Schutzimpfungen erhöhen gezielt die Immunität geimpfter Tiere, verhelfen ihnen somit, die Erreger erfolgreich abzuwehren und senken Inzidenz und Schwere von Atemwegserkrankungen sowie wirtschaftliche Einbußen. Doch leider existiert eine gewisse „Impfmüdigkeit“, die Tierhalter jedes Jahr aufs Neue beschleicht und den Erregern der Rindergrippe die Chance gibt, in den Beständen zu grassieren und sich ungehindert auszubreiten. Ist die EBP jedoch erst einmal zum Bestandsproblem avanciert, sind die Klagen von Seiten der Landwirte über hohe Aufzuchtverluste, persistierende Lungenschädigungen, verminderte Tageszunahmen, höheres Erstkalbealter und reduzierte Milchleistung hoch. Vernünftig also, rechtzeitig vorzubeugen! Weitere Informationen hierzu gibt gerne der Tierarzt. n Thomas Wengenroth