Aufhebung der Festsetzung des Kindergeldes und
Transcrição
Aufhebung der Festsetzung des Kindergeldes und
FG München, Urteil v. 13.03.2015 – 7 K 1529/14 Titel: (Aufhebung der Festsetzung des Kindergeldes und dessen Rückforderung) Normenketten: § 62 Abs 1 EStG 2009 § 63 Abs 1 EStG 2009 § 32 Abs 4 S 1 Nr 2 Buchst c EStG 2009 § 70 Abs 2 EStG 2009 § 37 Abs 2 AO EStG VZ 2009 EStG VZ 2010 Orientierungsatz: Die Aufhebung der Kindergeldfestsetzung und die Rückforderung des überzahlten Kindergeldes ist rechtens, wenn das Ausbildungsdienstverhältnis beendet wurde und weitere Berücksichtigungstatbestände nicht erfüllt sind . Für den Nachweis des Bemühens um einen Ausbildungplatz ist es nicht ausreichend, wenn pauschal Bewerbungen behauptet werden . Schlagworte: Arbeitsagentur, arbeitssuchend, Ausbildung, Ausbildungsplatz, ausbildungssuchend, Bemühen, Bewerbung, Glaubhaftmachung, Kind, Kindergeld, Meldung, Nachweis Fundstelle: BeckRS 2015, 95177 Tenor 1. Die Klage wird abgewiesen. 2. Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens. Tatbestand 1 I. Streitig ist, ob die Familienkasse die Festsetzung von Kindergeld für den Sohn des Klägers A für den Zeitraum Oktober 2009 bis Dezember 2010 zu Recht aufgehoben hat. 2 Nachdem der Kläger keine Unterlagen im Zusammenhang mit der Suche nach einem Ausbildungsplatz eingereicht hatte, hob die Familienkasse die Festsetzung von Kindergeld für seinen Sohn, geboren am 2. November 1988, ab September 2009 auf. Im dagegen gerichteten Einspruchsschreiben teilte der Kläger mit, dass A mit der Firma P einen Ausbildungsvertrag für den Zeitraum 1. September 2009 bis 31. August 2012 geschlossen habe. Die Familienkasse half dem Einspruch ab (22. Februar 2010) und ordnete die Weiterzahlung von Kindergeld ab Oktober 2009 an (Verfügung vom 22. Februar 2010). 3 Mit Eingang bei der Familienkasse am 20. Januar 2011 reichte der Kläger eine Erklärung zu den Einkünften und Bezügen eines über 18 Jahre alten Kindes ein und gab für A monatliche Bruttoeinkünfte aus nichtselbständiger Arbeit in Höhe von 1.500 € an. Auf die Anforderung der Familienkasse (Schreiben vom 4. Februar 2011), eine Verdienstbescheinigung für Dezember 2010 und Januar 2011 bzw. eine Ausbildungsbescheinigung vorzulegen, teilte der Kläger mit, dass A seit Mitte November 2010 in seiner Firma mitarbeite und einen festen Lohn von 1.073,29 € erhalte (Schreiben vom 2. März 2011). Da kein Nachweis über das Ende der Berufsausbildung vorgelegt wurde, hob die Familienkasse die Festsetzung des Kindergeldes für A für den Zeitraum Oktober 2009 bis Dezember 2010 auf und forderte den ausgezahlten Betrag in Gesamthöhe von 2.700 € mit Bescheid vom 23. Mai 2011 zurück. Mit Bescheid vom 9. August 2011 wurden Hinterziehungszinsen von 146 € festgesetzt. 4 Im dagegen gerichteten Einspruchsverfahren trug der Kläger vor, dass sich A bis zum 15. November 2011 beim Arbeitsamt als arbeitssuchend gemeldet und mangels Ausbildungsplatz keine Berufsausbildung gemacht habe. Deshalb habe er A ab 15. November 2011 als Hilfsarbeiter angestellt. Das Ausbildungsverhältnis mit der Firma P sei am 30. September 2009 fristlos gekündigt worden. 5 Der Einspruch hatte keinen Erfolg, er wurde mit Einspruchsentscheidung vom 9. Mai 2014 als unbegründet zurückgewiesen 6 Mit seiner Klage verfolgt der Kläger sein Ziel weiter. Die Aufhebung der Festsetzung von Kindergeld sei zu Unrecht erfolgt. Trotz der fristlosen Kündigung des Ausbildungsverhältnisses habe er nach wie vor Anspruch auf Kindergeld, da er seinem Sohn weiterhin Unterhalt leiste und dieser trotz intensiver Suche keinen neuen Ausbildungsplatz gefunden habe. A habe ab 1. Oktober 2009 erfolglos 15 Bewerbungen an die Firmen … geschickt. Das Fehlen schriftlicher Nachweise rechtfertige die Aufhebung der Kindergeldfestsetzung nicht. Da er über keine handwerksrechtliche Ausbildungsbefugnis verfüge, habe er seinen Sohn ab 15. November 2010 lediglich als Hilfsarbeiter in seinem Gewerbebetrieb für Küchenmontage einsetzen können und ihn entsprechend versichert. 7 Mittlerweile seien Vollstreckungsmaßnahmen eingeleitet worden, er habe zwei Mahnungen von der Bundessanstalt für Arbeit (24. Juni 2013 und 19. Mai 2014) sowie Vollstreckungsankündigungen und Zahlungsaufforderungen des Hauptzollamtes erhalten. 8 Der Kläger beantragt, die Familienkasse zu verpflichten, ihm unter Aufhebung des Bescheids vom 23. Mai 2011 und der Einspruchsentscheidung vom 9. Mai 2014 Kindergeld für seinen Sohn A Oktober 2009 bis Dezember 2010 zu gewähren. 9 Die Familienkasse beantragt, die Klage abzuweisen. 10 Ergänzend zur Einspruchsentscheidung weist sie im Wesentlichen darauf hin, dass die Anspruchsvoraussetzungen des § 32 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2c Einkommensteuergesetz (EStG) ab Oktober 2009 nicht nachgewiesen worden seien. 11 Mit Anordnung nach § 79b Abs. 2 Finanzgerichtsordnung (FGO) vom 2. Februar 2015 wurde der Kläger aufgefordert, konkrete Angaben zu den Bemühungen von A um einen Ausbildungsplatz sowie zu den Vorsprachen bei der Agentur für Arbeit zu machen. Eine Reaktion des Klägers erfolgte nicht. 12 Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die Akten der Familienkasse und auf die im Verfahren gewechselten Schriftsätze Bezug genommen. Entscheidungsgründe 13 II. Die Klage ist unbegründet. 14 Dem Kläger steht für den Zeitraum Oktober 2009 bis Dezember 2010 kein Kindergeldanspruch für A zu, da keiner der Tatbestände des §§ 62 Abs. 1, 63 Abs. 1 Sätze 1 und 2 i.V.m. § 32 Abs. 4 EStG verwirklicht wurde. 15 So kommt ein Anspruch nach § 32 Abs. 4 Satz 1 Nr. 1 EStG nicht in Betracht, da A, der im Oktober zwar noch nicht das 21. Lebensjahr vollendet hatte und nicht einem Beschäftigungsverhältnis stand, nicht bei einer Agentur für Arbeit als Arbeitssuchender gemeldet war. 16 Die Tatbestandsvoraussetzungen des § 32 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 Buchst. a EStG waren ebenfalls nicht erfüllt, insbesondere handelte es sich bei dem Beschäftigungsverhältnis im Betrieb des Klägers ab November 2010 nicht um ein Ausbildungsverhältnis, da – wie der Kläger selbst vorträgt – keine handwerksrechtliche Ausbildungsbefugnis besteht. 17 § 32 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 Buchst. c EStG kommt gleichfalls nicht zur Anwendung. Nach ständiger Rechtsprechung erfordert die Berücksichtigung eines Kindes gemäß § 32 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 Buchstabe c EStG, dass sich dieses ernsthaft um einen Ausbildungsplatz bemüht hat. Das Bemühen um einen Ausbildungsplatz ist glaubhaft zu machen. Pauschale Angaben, das Kind sei im fraglichen Zeitraum ausbildungsbereit gewesen, habe sich ständig um einen Ausbildungsplatz bemüht oder sei stets beim Arbeitsamt bzw. bei der Agentur für Arbeit als ausbildungssuchend gemeldet gewesen, reichen nicht aus (BFH-Urteil vom 19. Juni 2008 III R 66/05, BStBl II 2009, 1005 m.w.N.). Das Bemühen um einen Ausbildungsplatz kann außer durch Meldung bei der Arbeitsvermittlung auch glaubhaft gemacht werden durch Suchanzeigen in der Zeitung, durch direkte schriftliche Bewerbungen an Ausbildungsstätten und ggf. darauf erhaltene Zwischennachrichten oder Absagen (BFH-Urteil vom 19. Juni 2008 III R 66/05, BStBl II 2009, 1005 m.w.N.). Bewerbungen und Absagen durch E-Mails können ebenfalls zu berücksichtigen sein. Telefonische Anfragen können im Einzelfall als Nachweis ausreichen, wenn detailliert und glaubhaft dargelegt wird, mit welchen Firmen, Behörden usw. zu welchen Zeitpunkten (erfolglose) Gespräche geführt worden sind. 18 Der Kläger hat nicht nachgewiesen, dass sich A im fraglichen Zeitraum ernsthaft um einen Ausbildungsplatz bemüht hat. Wie der Kläger in der Klageschrift selbst angibt, verfügt A über keine schriftlichen Nachweise für die 15 erfolglosen Bewerbungen. Pauschale Angaben alleine genügen nicht, um die oben genannten Voraussetzungen zu erfüllen. In den vorliegenden Akten der Familienkasse sind zwar zahlreiche Bewerbungsschreiben um einen Ausbildungsplatz im Zeitraum Dezember 2006, sowie in den Jahren 2007 und 2008 enthalten, nicht jedoch für den hier maßgeblichen Zeitraum Oktober 2009 bis Dezember 2010. Es ist außerdem nicht ersichtlich, dass A bei der Bundesagentur für Arbeit als ausbildungssuchend registriert war. Auch insoweit ist der pauschale Vortrag, dass sich A beim Arbeitsamt als arbeitssuchend gemeldet habe, nicht ausreichend, um die Anspruchsvoraussetzungen für den Bezug von Kindergeld zu erfüllen. 19 2. Die Familienkasse war auch berechtigt, die Kindergeldfestsetzung rückwirkend ab Oktober 2009 aufzuheben. 20 Nach § 70 Abs. 2 EStG ist die Festsetzung des Kindergelds mit Wirkung vom Zeitpunkt der Änderung der Verhältnisse an aufzuheben oder zu ändern, wenn in den Verhältnissen, die für den Anspruch auf Kindergeld erheblich sind, Änderungen eintreten. Die Regelung betrifft den Fall, dass eine ursprünglich rechtmäßige Festsetzung durch Änderung der für den Bestand des Kindergeldanspruchs maßgeblichen Verhältnisse des Anspruchsberechtigten oder des Kindes nachträglich unrichtig wird (BFH-Urt. vom 20. November 2008 III R 53/05, BFH/NV 2009, 564). Eine Änderung der Verhältnisse i. S. des § 70 Abs. 2 EStG ist die Änderung der tatsächlichen oder auch rechtlichen Verhältnisse des Anspruchsberechtigten oder des Kindes. § 70 Abs. 2 EStG lässt dabei die rückwirkende Aufhebung oder Änderung der Festsetzung zum Zeitpunkt der Änderung der Verhältnisse nicht nur zu, sondern erzwingt sie bei Vorliegen der Tatbestandsvoraussetzungen, denn die Entscheidung über die Aufhebung oder Änderung ist nach dem eindeutigen Gesetzeswortlaut eine gebundene Entscheidung und räumt der Behörde keinen Ermessensspielraum ein (BFH-Urteil vom 25. Juli 2001 VI R 18/99, BStBl II 2002, 81). 21 Die Voraussetzungen des § 70 Abs. 2 EStG waren im Streitfall erfüllt. Mit der Beendigung des Ausbildungsverhältnisses bei der Firma P entfiel der Berücksichtigungstatbestand des § 32 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 Buchst. a EStG. Die für die Festsetzung maßgeblichen tatsächlichen Verhältnisse haben sich geändert, im streitigen Zeitraum war auch kein anderer Berücksichtigungstatbestand gegeben. Die Familienkasse war deshalb berechtigt und verpflichtet, die Kindergeldfestsetzung aufzuheben. 22 Die Rückforderung des überzahlten Kindergeldes ist rechtmäßig. Ist eine Steuervergünstigung - wie hier das Kindergeld (s. § 31 EStG) - ohne rechtlichen Grund gezahlt worden oder ist der rechtliche Grund für die Zahlung später weggefallen, so hat nach § 37 Abs. 2 AO der Zahlungsempfänger den erhaltenen Betrag zurückzuerstatten. Im Streitfall ist der rechtliche Grund für die Leistung durch die Aufhebung der Festsetzung nachträglich entfallen. 23 Die Familienkasse hat demzufolge einen Erstattungsanspruch in Höhe des tatsächlich ausbezahlten Betrags. 24 3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 Finanzgerichtsordnung (FGO).