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17599_Umbruch_sauerland-3-2010.qxd:Sauerland Zeitschrift
ISSN 0177 - 8110
Nr. 3/September 2010
K 2767
Zeitschrift
des Sauerländer
Heimatbundes
SAUERLAND
Winterhilfswerk (WHW)
Reichs-Rundfunk-Gesellschaft (RRG)
Kraft durch Freude (KdF)
—
Propagandainstrumente
des Nationalsozialismus
Sonderausstellung
im Sauerland-Museum Arnsberg
26. September 2010 - 30. Januar 2011
Sauerland-Museum des Hochsauerlandkreises
Alter Markt 24 - 26 59821 Arnsberg
Tel. (0 29 31) 4098 Fax (0 29 31) 4114
[email protected]
www.sauerland-museum.de
Öffnungszeiten:
Di-Fr 9.00-17.00 Uhr
Sa
14.00-17.00 Uhr
So
10.00-18.00 Uhr
Feiertags wie sonntags geöffnet.
Heiligabend, 1. Weihnachtstag,
Silvester und Neujahr geschlossen.
107
S AUERLAND N R . 3/2010
SAUERLAND Nr. 3/September 2010
Zeitschrift des
Sauerländer Heimatbundes
Aus dem Inhalt
Geschichte
Die Geschichte des Bergbaus
im kölnischen Sauerland
115
Die Hünenburg Meschede
130
Natur • Landschaft • Siedlung
Bäume und Büsche –
Ästethik einer Landschaft
120
Konzeptkunstwerk „Auf Zeit ...“
in der Alten Synagoge
in Meschede
127
Vorbildliches Projekt einer
Dorfgemeinschaft
135
Foto: Heinz Lettermann
Sprache und Literatur
Danke für das Vertrauen
Nun hat mich die Mitgliederversammlung 2010 des Sauerländer Heimatbundes in Marsberg zu ihrem neuen Vorsitzenden gewählt. Dies ist für mich
eine ehrenwerte Aufgabe, deren Bedeutung ich schon deshalb einzuschätzen weiß, weil ich seit 1979 aus Interesse an sauerländischer Geschichte,
Literatur und Volkskunde in den Sauerländer Heimatbund eingetreten bin
und seit dieser Zeit die Arbeit aufmerksam verfolge. Es ist ebenso das Wissen um die Qualität der Arbeit des Heimatbundes, die ich direkt über die
verschiedensten Verknüpfungen von dessen Aktivitäten und kommunalen
Aufgaben in meiner fast 30jährigen Tätigkeit als Stadtdirektor und hauptamtlicher Bürgermeister im Sauerland erleben konnte; denn trotz der Aufgabenvielfalt im kommunalen Geschehen konnte ich mir für diese Dinge
noch immer Zeit und Neugierde bewahren.
Als man mir die Kandidatur angetragen hat, war ich – offen gestanden –
mit mir selbst zunächst nicht im Klaren darüber, ob ich der Richtige für diese Aufgabe sei. Der Grund ist zum Einen der Respekt vor den vielen ehrenamtlich tätigen Frauen und Männern in den Heimatvereinen und in den
Gremien des Sauerländer Heimatbundes. Sie setzen ihre Ausbildung oder
(viele auch als Autodidakten) ihre Lebens- und Berufserfahrung für Volkskunde und Heimatgeschichte, Bewahrung der Baukultur, Genealogie, um
nur Einiges zu nennen, mit großem Erfolg ein. Ein anderer Faktor ist der
Respekt angesichts der „Ahnenreihe“ der Vorsitzenden des Sauerländer
Heimatbundes in seiner fast 90jährigen Geschichte, also wenn Sie so wollen, von Franz Hoffmeister bis zu Dieter Wurm darunter auch unser jetziger
Ehrenvorsitzender Dr. Adalbert Müllmann, den hier zu nennen es 'zig gute
Gründe gibt.
Sicherlich werde auch ich mich auf meine Lebens- und Berufserfahrungen bei einem Teil meiner neuen Aufgaben hier im Sauerländer
Heimatbund stützen können. Viele Repräsentanten des sogenannten öffentlichen Lebens im kurkölnischen Sauerland sind mir bei meiner langjährigen überörtlichen Tätigkeit für die kommunale Familie begegnet. Auch
durch meine über Jahre währende Arbeit an verantwortlicher Stelle in den
bitte lesen Sie weiter auf der folgenden Seite
„Im reype Koren“
134
Die Stadt Essen im Leben und Werk
der Christine Koch
139
„O Mutter, back us Geyseke!“
146
Religion und Glaube
Kloster Brunnen Orgel
erklingt wieder
138
Heimat • Kultur
Danke für das Vertrauen
107
Die Mitgliederversammlung 2010
des SHB in Marsberg
109
Zwölf gute Jahre mit
Dieter Wurm
113
Dank an Wilma Ohly
114
Kommentiert
138
Termine
140
Aus dem Vorstand
141
Fußball, Fußball über alles?!
143
Leserbrief
144
Rezensionen • Personalien
Bücher • Schrifttum
148
Personalien
153
Unser herbstliches Titelbild
fotografierte Friedhelm Ackermann †
108
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Präsidien des Städte- und Gemeindebundes NordrheinWestfalen und des Deutschen Städte- und Gemeindebundes in Berlin, verfüge ich über Einsichten, Kontakte und Verbindungen, die ich vermutlich auch zum Wohle der Ziele des Sauerländer Heimatbundes nutzen kann.
Sehen Sie mir bitte nach, wenn ich zunächst keine programmatischen Erklärungen für die vor mir liegende
Wahlzeit abgeben möchte. Wie ich zuvor schon deutlich
gemacht habe, will ich mich zunächst in die neue Rolle
und in die neue Aufgabe hineinfinden.
Was meine fachlichen Qualitäten zu den diversen Anliegen des Sauerländer Heimatbundes angeht, so habe ich
schon dem Vorstand angesichts der einstimmigen Empfehlung für meine Kandidatur deutlich gemacht, dass ich
zunächst in erster Linie Moderator der Gremien- und Vorstandsarbeit sein werde, im wahrsten Sinne des Wortes
gut zuhören und beobachten werde, um dann hoffentlich
den Sauerländer Heimatbund und die 800jährige Geschichte des kurkölnischen Sauerlandes in der Tradition
meiner Vorgänger repräsentieren und führen zu können.
Dazu nur so viel: Ich weiß nicht, ob es gelingen wird im
Sauerland unsere Ursprünglichkeit zu bewahren. Keine
Nation, geschweige denn eine Region, lebt heute noch in
einer beschaulichen historischen Nische. Die Zivilgesellschaft in Deutschland wie in Europa steht vor kolossalen Anforderungen, die aus sich heraus „Umbauten“ erfordern. Die Liste der dringlichen „Baumaßnahmen“ ist
vielen Zeitgenossen bekannt. Wir müssen sehen, was daraus wird. Mich hat immer die Sorge um die Zukunft des
ländlichen Raumes beschäftigt. Im Heft 2/2009 in unserer Zeitschrift habe ich versucht,
die Situation und Ziele für die nahe Zukunft zu beschreiben.
Deshalb ist meine wichtigste
Botschaft in diesem ersten
Grußwort an Sie, meine Damen
und Herren, die Mitglieder des
Sauerländer Heimatbundes, mich
in dieser Rolle anzunehmen und in
der gewohnten Art und Weise
mich in der zukünftigen Arbeit als
erster Vorsitzender zu unterstützen. Ich sichere Ihnen einen fairen
und offenen Dialog zu, denn Hinterzimmer- oder Stammtischpolitik war noch nie meine Sache.
Lassen Sie mich auch dies bekennen, so wie ich es bislang immer gehalten habe: Für mich ist
die Quelle meiner Kraft und meines Engagements die christlich geprägte Wertordnung.
Aufgaben in der Gesellschaft, wie diese, die ich nun übernommen habe, lassen sich nach meiner Auffassung nicht
wertneutral betreiben. Wer anderen, zumal jüngeren, und
auch das ist ja ein Ziel der Heimatbundarbeit, ein eigenes
Wertebewusstsein, ethische Maßstäbe, Lebenssinn, ja Lebensfreude, vermitteln will, muss dazu eine eigene Position anbieten. Für mich sind im Umgang miteinander Fairness und Geradlinigkeit wichtig. Nach wie vor halte ich
es für die Gestaltung unserer Zukunft in unserer Gesellschaft für wichtig, dafür zu sorgen, dass Gemeinschaftssinn, Entschlossenheit und ehrenamtliches Engagement
nicht verloren gehen.
Ich weiß, dass der Spruch, „Beharrlichkeit führt stets
zum Ziel“, sehr wohl seine Richtigkeit haben kann. Man
muss ihn aber paaren mit der Bereitschaft, auch einmal
teilweise oder vollständige Korrekturen seines selbst gewählten Kurses vorzunehmen, wenn sich dies im gesellschaftlichen Dialog als richtig herausstellt.
So bleibt mir nur die Bitte:
schenken Sie mir Ihr Vertrauen –
nicht nur, wie Sie es beim Wahlgang getan haben, sondern auch
fortwährend in der nun vor uns
liegenden gemeinsamen Arbeit
für den Sauerländer Heimatbund.
Diese Bitte äußere ich gleichermaßen für die neue stellvertretende Vorsitzende Birgit HaberhauerKuschel aus Attendorn. Sie hat
mir Erfahrungen in der HeiFoto: Peter Kracht
matarbeit voraus, sowohl auf örtlicher Ebene als auch hier im Vorstand unseres Sauerländer Heimatbundes. Ich freue mich
auf die Zusammenarbeit mit ihr und dem gesamten Vorstand.
Wer anders als Friedrich-Wilhelm Grimme, diesmal in
der Rolle des fröhlichen Mundartpoeten, gibt uns in seinem Gedicht: „All Surland sall liäwen“, eine vermutlich
immer noch zeitgemäße Empfehlung für unser Tun:
Niu Musikanten, spielt us op!
Yi wiätet, biäm it gellet.
Met diusend Stemmen sall et syin
Düärt Strunzerdaal vermellet.
Düär use Biärge sall et schlohn,
un ok der nau beniäwen!
De äiste Note awer lütt:
„All-Surland, dat sall liäwen!“
Elmar Reuter, 1. Vorsitzender des Sauerländer Heimatbundes
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Die Mitgliederversammlung 2010 des SHB in Marsberg
Eine gelungene, kraftvolle Demonstration für das kurkölnische Sauerland
von Hans Wevering
Die östliche Eingangspforte zum Sauerland, die Stadt Marsberg, mit rd.
22 000 Einwohnern am Rande der sauerländischen Mittelgebirgslandschaft,
hatte den Sauerländer Heimatbund zur
diesjährigen Mitgliederversammlung eingeladen. Obwohl am östlichsten Rand
des kurkölnischen Sauerlandes gelegen
und für viele Mitglieder eine weite Anreise erforderlich war, ist der Besuch wie
in all den Vorjahren sehr gut. Schon vor
Mit „Glück auf, Glück auf, der Steiger kommt ...“ wurden die Teilnehemer
vom Musikverein Marsberg, unter Leitung von Karl-Ludwig Willeke begrüßt
Alle Fotos: Hans Wevering
getragenen von zwei Könnern in dieser
Sparte, nämlich Margaret Banneyer und
Maria von Rüden. Ein Auftakt nach Maß.
Heimisches Literaturangebot
Beginn der Versammlung konnten sich
Besucher an den Büchertischen des Sauerländer Heimatbundes, des Marsberger
Heimatbundes und des Literaturkreises
„Die Feder“ über das heimische Literaturangebot informieren. Mit einer Meldezahl auf den Niveau der Vorjahre
konnte der Vorstand durchaus zufrieden
sein und der 1. Vorsitzende Dieter Wurm
brachte das auch in seiner Begrüßung
zum Ausdruck.
In der Begrüßung der Heimatfreunde,
des Bürgermeisters, des Landrats und
der Gäste, dankte der 1. Vorsitzende
auch der Stadt Marsberg für die kooperative Zusammenarbeit bei der Vorbereitung und brachte zum Ausdruck,
dass die Stadt im Grenzgebiet zu Hessen
immer eine Stadt mit bewusster westfälischer Tradition geblieben ist.
Es folgte die Begrüßung der Gäste
durch den Bürgermeister der Stadt Marsberg, Hubertus Klenner, der auch seine
Freude über den guten Besuch der Versammlung und damit auch den Besuch
seiner Stadt zum Ausdruck brachte. Die
Stadt sei bemüht, allen Besuchern eine
positive Erinnerung an diesem Tag mit
auf den Heimweg zu geben. Es folgte das
Grußwort von Dr. Karl Schneider, Landrat des Hochsauerlandkreises, der es
sich, trotz einer Verpflichtung zur
Schmallenberger Woche, nicht hatte
nehmen nehmen lassen, an dieser Versammlung teilzunehmen. Dr. Schneider
nahm aber schon hier die Gelegenheit
wahr zu einer Laudatio für Dieter Wurm,
dessen Rücktritt angekündigt war.
Kernsätze aus seiner Ansprache sind
nachfolgend in Kursiv dargestellt. (Den
vollständigen Text werden wir aus Platzgründen in der nächsten Ausgabe veröffentlichen.)
An der Schnittstelle einer personellen
Veränderung die sich mit dem Verzicht
Dieter Wurms ankündigt, möchte ich die
Gelegenheit nutzen, persönliche Worte
an einen Freund zu richten. Es sind fast
auf den Tag zwölf Jahre vergangen, als Du
1998 das Amt übernommen hast. In die-
Der Auftakt zur Versammlung war wie
immer der gastgebenden Stadt vorbehalten. Der Musikverein Marsberg, unter
Leitung von Karl-Ludwig Willeke, erfreute die Besucher mit schönen Melodien.
Daran schloss sich die zur Freude aller
Gäste „Plattdeutsche Sketche“ an, vor-
Plattdeutsche Sketche mit
Margaret Banneyer und Maria von Rüden
Blick in die vollbesetzte Schützenhalle
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Bürgermeister
Hubertus Klenner
Dieter Wurm
beim Tätigkeitsbericht
ser langen Zeit ist es Dein großer Verdienst, den Sauerländer Heimatbund in
das neue Jahrtausend geführt zu haben.
Es ist Dir dabei vortrefflich gelungen, die
Mitglieder zu motivieren, ihre Rolle als Erinnerungsakteure wahrzunehmen und ihnen praktische Wege aufzuzeigen, sich ihrer Heimat – dem kurkölnischen Sauerland – zu nähern. Immer wieder hast
Du daran appelliert, dass das Sauerland
Dr. Adalbert Müllmann
bei der Laudatio
aus: (Originalpassagen in kursiv) „Mir
hat die Heimatarbeit viel Freude bereitet,
so dass ich dankbar zurückblicken kann.
Dankbar bin ich für die harmonische und
fachlich fundierte Zusammenarbeit im
geschäftsführenden und erweiterten Vorstand sowie im Redaktionsteam.
Besonders danken möchte ich meiner
Vertreterin Frau Wilma Ohly für ihre kooperative und freundschaftliche Partnerschaft und unserer bewährten, zuverlässigen und professionellen Geschäftsführerin Frau Karin Kraft, ohne die ich mein
Amt hätte gar nicht bewältigen können.
Auch ist es mir ein Herzensanliegen,
unserem Ehrenvorsitzenden Dr. Adalbert
Müllmann für seine guten Ratschläge
und treue Weggefährtenschaft zu danken.
Prominente Besucher:
Dr. Edeltraud Klüting, Geschäftsführerin des
Westfälischen Heimatbundes und Professor
Dr. Dr. Harm Klüting aus Münster
ein vortreffliches Untersuchungsgebiet
der Regionalgeschichte ist.
Die Begrüßung des Marsberger Heimatbundes durch den 2. Vorsitzenden
Bernd Follmann, leitete zum Hauptteil
der Versammlung, den Regularien, über.
Zuvor wurde aber noch der Verstorbenen Mitglieder des letzten Jahres gedacht und stellvertretend der am Ostersonntag im Alter von 75 Jahre verstorbene Leiter des Sauerland-Museums Dr.
Ernst Reher mann genannt.
In seinem Tätigkeitsbericht brachte der
1. Vorsitzende Dieter Wurm schon vorab den Hinweis, das dies sein letzter
Tätigkeitsbericht in einer Mitgliederversammlung des SHB sei. Weiter führte er
Letztendlich verdient unser immer
jung gebliebene und fachkundige Endredaktionsleiter und Mediengestalter,
Hans Wevering, meinen herzlichen Dank.
Was wäre unser Sauerländer Heimatbund ohne unsere hochgeachtete
Zeitschrift SAUERLAND. Lieber Hans,
im wesentlichen Dein Verdienst.
Der Sauerländer Heimatbund setzte
bis heute in großer Harmonie und Teamarbeit – und ich bin überzeugt, dass wird
auch in der Zukunft so sein – auf Kontinuität. Er verstand sich nie als Perfektum, sondern im zeitlichen Werden und
Wachsen, sich Ändern und Verändern als
Futurum. Sein im Grundsätzlichen
gleichgebliebenes Selbstverständnis in
Hinsicht auf Denkmalschutz und Landschaftsschutz, Brauchtum und Mundartpflege, Heimatkunde und Heimatpflege
blieb erhalten. Auch die Zusammenarbeit
mit den Kreisheimatpflegerinnen und
-pflegern: Susanne Falk (Kreis Olpe), Rolf
Klostermann (Märkischer Kreis), HansJürgen Friedrichs (Hochsauerlandkreis)
und Peter Sukkau (Kreis Soest) und den
gleichgerichteten Organisationen und
Verbänden bewährte sich weiterhin. In
der bewusst kommunalen Einbindung
und in engem Kontakt zu den 128 Heimatvereinen vor Ort in der Heimatregion
und überregional zum Westfälischen Heimatbund bemüht sich der Sauerländer
Heimatbund, im Kurkölnischen Sauerland die aus einer 800jährigen Geschichte erwachsene Tradition aufzunehmen,
Kultur als Erbe und Auftrag anzunehmen
und sich zugleich mit den dringendsten
Gegenwartsproblemen in den Kreisen,
Städten und Dörfern des Sauerlandes zu
befassen und insbesondere die Jugend
einzubeziehen. Verbundenheit mit der
Heimat und Verantwortungsbewusstsein
für die Heimat bleibt eine ständige Herausforderung.
Im Jahr 2009/2010 fanden drei Vorstandssitzungen, vier Redaktionskonferenzen und zwei Facharbeitsbesprechungen statt.
Unsere Heimatbewegung hält sich auf
stabilem Niveau, dass verdeutlicht der
Blick in die Mitgliederbewegung:
Eintritte:
Austritte:
Todesfälle:
Aktueller Bestand:
4
5
5
2725
9
9
1
Das Buchprojekt „Das kurkölnische
Herzogtum Westfalen – Band 1“, herausgegeben von Prof. Dr. Dr. Harm Klueting
ist mit breiter positiver Resonanz aufgenommen worden. Der geplante 2. Band
soll im Jahr 2012 vorliegen.
Ausstellungsprojekt
Das in Zusammenarbeit mit dem Sauerland-Museum des Hochsauerlandkreises unter Leitung von unserem Vorstandskollegen Dr. Jürgen Schulte-Hobein, große Ausstellungsprojekt „Herzogtum Westfalen“ ist auf breite Resonanz
gestoßen und hat überregional, insbesondere auch in Fachkreisen, hohe Anerkennung gefunden.
Mundartarchiv Sauerland
Das Mundartarchiv ist bis 2012 finanziell gesichert. Unser Mundartarchivleiter,
Dr. Werner Beckmann, hat Ende letzten
Jahres die Anthologie „Imme Suerlanne“
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tigen Ehrenbürgermeister, Elmar Reuter, vor. Andererseits
ist es uns gelungen, mit unserer bewährten Vorstandskollegin, Frau Birgit Haberhauer-Kuschel
–
Ortsheimatpflegerin von Attendorn – eine Stellvertreterin zu
präsentieren, die die kurkölnische Verbundenheit schon
länger im Vorstand mitträgt.“
Den Tätigkeitsbericht schloss
der Vorsitzende mit einer
mit Texten von rund 50 Autoren aus den Kreisen HSK
und Olpe auf 478 Seiten
und zahlreichen Abbildungen zum Preis von 10,–
Euro herausgegeben.
Auch ist die Mundartreihe
„Op Platt“ jeweils mit HörCD auf mittlerweile 9 Hefte
angewachsen, zum Stückpreis von 5,– Euro.
Über den gelungenen
plattdeutschen Tag im Mai
2010 mit den Heimatfreunden aus Grafschaft berichtet unser Obmann, Manfred Raffenberg, in der nächsten Ausgabe von SAUERLAND ausführlich.
persönlichen Erklärung:
Ich bin weder amtsmüde
noch desillusioniert. Vielmehr
hat mir die Arbeit im Sauerländer Heimatbund viel Freude bereitet und dankbare Genugtuung geschenkt.
Das neue Führungsteam:
Elmar Reuter
Birgit Haberhauer-Kuschel
1. Vorsitzender des SHB
stellvertretende Vorsitzende
Nutzung der elektronischen
Medien
wir gleich unter dem Tagesordnungspunkt Wahlen, den langjährigen, ehemaligen Bürgermeister von Olsberg und heu-
Auf bitten von Herrn Peter Bürger haben wir die Digitalisierung des Plattdeutschen Wörterbuches von Reinhard
Pilkmann-Pohl (1988) vorgenommen.
Gleiches geschieht mit der Veröffentlichung der Anthologie „Imme Suerlanne“ und der plattdeutschen Lesehefte auf
Vorschlag von Herrn Droste.
Als Kapitän gehe ich von Bord, bleibe
als Matrose aber der harmonischen
Mannschaft treu.
Unser Internetauftritt unter unserem
Webmaster Dr. Theo Bönemann wird immer aktueller und sehr stark genutzt
Heidenstraße
Das Ehepaar Schmoranzer hat das
„Pilgerstraßen-Projekt Heidenstraße“ so
vorbildlich in Absprache mit dem SHB,
dem Märkischen Heimatbund und dem
SGV gelöst, dass schon die Paderborner
auf Rat und Tat für ein erweitertes gemeinsames Vorgehen hoffen.
Amtswechsel
Zu den wichtigsten Aufgaben in der
letzten Amtsperiode vor dem Rücktritt
von Frau Wilma Ohly und mir zählte es,
dass der Vorstand einerseits einen kompetenten, erfahrenen, durchsetzungsfähigen und mit überregionalen Kontakten
ausgestatteten Kandidaten für den Vorsitz des Sauerländer Heimatbundes gewinnen konnte, der die Kontinuität und
Weiterführung für das kurkölnische Sauerland sicherstellen kann. Nach Übereinstimmung im gesamten Vorstand ist uns das
überzeugend gelungen, deshalb schlagen
Jedoch Altersgründe und gesundheitliche Probleme raten mir, den Vorsitz im
Sauerländer Heimatbund nach 12 Jahren erfolgreicher Tätigkeit aufzugeben.
So können jüngere Kräfte – wie oben ausgeführt – mit neuen Ideen Impulse für unsere Heimatarbeit setzen.
Mit viel Beifall wurde der Tätigkeitsbericht aufgenommen.Wortmeldungen
zu diesem Thema gab es keine.
Die erste Amtshandlung:
Verleihung der Urkunde
für das Ehrenmitglied Dieter Wurm
Gestaltung: Werner Ahrens
Die folgende Laudatio durch den Ehrenvorsitzenden Dr. Adalbert Müllmann
für die beiden scheidenden Vorsitzenden
haben wir im Originaltext auf Seite 113
und 114 abgedruckt.
Der Kassenbericht durch den Kassenführer in Vertretung von Hans-Dieter
Löffler von Bernd Follmann vorgetragen, ergab durch seine positiven Aussagen keine Rückfragen, so konnte nach
dem Vortrag der Kassenprüfer dem Vorstand Entlastung erteilt werden.
Für die anstehende Wahl, schon in
Heft 2/2010 angekündigt, für den 1.
und 2. Vorsitzenden lag nun doch eine
gewisse Spannung in der Luft. Die Versammlungsleitung für die Wahl des
1. Vorsitzenden übernahm Norbert
Föckeler. Da keine weiteren Vorschläge
für dieses Amt aus der Versammlung kamen, wurde der von Vorstand vorgeschlagene Elmar Reuter einstimmig ge-
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Schnappschüsse von den Exkursionen in
Bredelar und Padberg
essen auf Einladung der Stadt Marsberg
beginnen.
wählt. Der neue 1. Vorsitzende bedankte sich für das Vertrauen, versprach die
Arbeit des SHB in gleicher, bewährter
Weise wie seine Vorgänger weiter zu
führen.
Genauso reibungslos ging die ebenfalls einstimmige Wahl der 2. Vorsitzende Birgit Haberhauer-Kuschel vonstatten. Auch sie will an die erfolgreiche
Arbeit ihrer Vorgängerin Wilma Ohly
anknüpfen.
Nachdem nun die Weichen für die Zukunft gestellt waren, konnte der mit
Spannung erwartete Festvortrag von
Professor Dr. Wilfried Reininghaus, Präsident des Landesarchivs NordrheinWestfalen, mit den Titel „Die Geschichte des Bergbaus im kölnischen Sauerland“ folgen.
Die Vielfalt der angebotenen Exkursionen war enorm und für manche Mitglieder auch in der Wahl nicht leicht. Eine gute Organisation kann der Stadt
Marsberg, aber auch unserer Geschäftsführerin Karin Kraft, bestätigt werden.
Immer dann wenn alles reibungslos gelaufen ist, spürt man wie gut die Organisation war.
Die Führer der einzelnen Exkursionen, angefangen vom „Führer des Besucherbergwerks Kilianstollen“, Ortsvorsteher Friedhelm Bracht und Ortsheimatpfleger Hermann Runte für die
Exkursion „Obermarsberg“, Vorstandmitglieder des Fördervereins Gerhard
Stein und Bernd Follmann für Kloster
Bredelar/Theodorshütte, Ulrike Gräfin
Droste zu Vischering und Ortsheimatpfleger Norbert Becker für den „kleinen,
geschichtsträchtigen Ort Padberg“ und
letzlich Werksleiter Franz-Josef Jesper
für die Exkursion „Biogasanlage“, seien
bedankt für ihre informativen, verständlichen Erläuterungen bei den Führungen.
Die schon traditionelle „Plattdeutsche
Messe“ in der Propsteikirche St. Magnus
in Marberg zelebrierte Geistlicher Rat
Pfarrer i. R. Franz Schnütgen aus Arnsberg. Grußworte sprach Pfarrer Alfred
Hammer, Superindendent des evangelischen Kirchenkreises Arnsberg. Für den
Gottesdienst, hatte in dankenswerter
Weise unser Mundartarchivleiter Dr.
Wer ner Beckmann mit plattdeutschen
Liedern und Texten vorbereitet.
Auf ein frohes Wiedersehen im
kommenden Jahr in Olpe.
Für die nichtteilnehmenden Mitglieder habe wir den Festvortrag ab Seite
115 in dieser Ausgaben abgedruckt.
Fast pünktlich, es gab unter „Verschiedenes“ keine Fragen und auch keine Anträge, konnte um 12.30 Uhr das Mittag-
Pfarrer Alfred Hammer, Superintendent des
evangelischen Kirchenkreises Arnsberg
Plattdeutsche Messe in der Propsteikirche St. Magnus, Marsberg
113
S AUERLAND N R . 3/2010
Zwölf gute Jahre mit Dieter Wurm
Es fällt nicht leicht, sich vorzustellen, dass unser Heimatfreund Dieter Wurm nun den Vorsitz in unserem Heimatbund abgibt. Er hat gute Gründe für sein Ausscheiden, und
das müssen wir respektieren. Einer davon ist das Alter. In
einigen Wochen wird er 75 Jahre alt,
und es besteht eine stillschweigende
Übereinkunft, dass man in diesem
Alter einem Jüngeren Platz macht.
Dieter Wurm hat unsere Jahresversammlungen souverän geleitet,
und in unserer Zeitschrift hat er sich
immer wieder mit fundierten und
richtungweisenden Beiträgen zu
Wort gemeldet. Diese Aktivitäten
sind unseren Mitgliedern bekannt.
Weniger bekannt ist die Arbeit, die
unserem Vorsitzenden darüber hinaus abverlangt wurde.
So ist er in den vergangenen zwölf
Jahren auch Vorsitzender unserer
Redaktionskonferenz gewesen. In
dieser Konferenz befassen sich etliche besonders sachkundige Heimatfreunde mit der inhaltlichen Weiterentwicklung ebenso wie mit der
äußeren Gestaltung unserer Zeitschrift. Ausgeprägte Sachkunde verbindet sich bekanntlich
oft mit ausgeprägtem Selbstbewusstsein. Es war immer ein
Vergnügen, zu beobachten, wie geschickt unser Vorsitzender auch die unterschiedlichsten Meinungen zusammen zu führen wusste. Dabei half ihm auch der gute Kontakt mit unserem Heimatfreund Hans Wevering, der seit
vielen Jahren die Verantwortung für die Endfassung und
das Layout unserer Zeitschrift wahrnimmt und der dieser
Aufgabe in vorbildlicher Weise gerecht wird. Und hierhin
gehört auch der Hinweis auf die gute Zusammenarbeit mit
und in der Geschäftsstelle, in der sich der tägliche „Papierkrieg“ abspielt, von dem auch ein Vorsitzender nicht verschont bleibt. Hier dürfen wir unsere tüchtige Geschäftsführerin Karin Kraft gern erwähnen.
Wer sich für das Sauerland einsetzt, der muss auch
außerhalb des Sauerlandes präsent sein. Keiner weiß das
besser als Dieter Wurm, und keiner ist besser als er „vernetzt“, um dieses Modewort einmal zu gebrauchen. In unserer westfälischen Hauptstadt Münster sind ihm wichtige
Aufgaben anvertraut worden. Lange Jahre war er Mitglied
der Landschaftsversammlung und sogar einige Jahre Präsident dieses „Westfalenparlaments“, gewissermaßen also
der „erste Bürger Westfalens“. Im Westfälischen Heimatbund hat er in all diesen Jahren die Funktion des stellvertretenden Vorsitzenden wahrgenommen, und manchmal
weiß man nicht: „Ist er nun mehr Sauerländer oder mehr
Westfale?“ Nun, ich weiß aus langjähriger Beobachtung,
dass er in all diesen Funktionen – und ich könnte noch eine Reihe von anderen kommunalen Ämtern auf Orts- und
auf Kreisebene aufzählen – viel, sehr viel für unsere Region tun konnte und getan hat.
Wenig bekannt sind seine erfolgreichen Bemühungen, mit
den Hauptverwaltungsbeamten
der Städte und Gemeinden im
kurkölnischen Sauerland in engeren Kontakt zu kommen. Wir
alle wissen, wie wichtig die Unterstützung unserer Heimatarbeit
durch die Kreise und die Gemeinden unseres weiten Einzugsbereichs ist. Erst durch diese
Kontakte wurde die finanzielle
Grundlage dafür geschaffen,
dass das „Jahrhundertwerk“ der
Geschichte des Herzogtums
Westfalen auf den Weg gebracht
werden konnte.
Dieter Wurm hat sich immer
wieder um die wirtschaftlichen
Gegenwarts- und Zukunftsprobleme des kurkölnischen Sauerlandes gekümmert. Das zeigen die Themen vieler unserer
Jahrestagungen. Die Schwerpunkte seiner Interessen und
seiner Leistungen liegen aber sicher auf kulturellem Gebiet
– Kultur im weitesten Sinne verstanden, kein Wunder bei
Jemand, der Deutsch und Geschichte studiert hat. Oberflächlichkeiten sind ihm ein Gräuel. So bemühte er sich
auch immer wieder – und mit Erfolg – um eine vertiefte
Auseinandersetzung mit dem, was wir unter Heimatbewusstsein und Heimatliebe verstehen. Wir dürfen
nicht verschweigen, dass das ihm eigene Wertebewusstsein geprägt ist durch ein christliches Elternhaus, so
wie es auch der vielhundertjährigen Tradition in unserem
kurkölnischen Sauerland entspricht.
Ich könnte jetzt noch die vielen Auszeichnungen erwähnen, die unserem Vorsitzenden verdientermaßen im Laufe
seiner langen ehrenamtlichen Tätigkeit zuteil wurden; darauf will ich verzichten. Wichtiger ist für ihn und für uns,
dass Dieter Wurm weiterhin im erweiterten Vorstand und
im Redaktionsstab mitarbeiten wird. Wir wünschen unserem langjährigen Vorsitzenden mit seiner verehrten, lieben
Frau Barbara nun etwas mehr Zeit füreinander und für ihre Familie, die kürzlich erst durch eine Drillings-Geburt in
der Enkelgeneration weiter angereichert wurde. Ich wiederhole gern, was ich zu seinem 70. Geburtstag geschrieben habe: „Ich bin mit meinem Nachfolger im Amt des
Vorsitzenden unseres Heimatbundes sehr zufrieden.“ Wer
kann das schon von sich sagen?
Dr. Adalbert Müllmann
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Dank an Wilma Ohly
Auf ihren Heimatkreis Olpe lässt sie nichts kommen und
schon gar nicht auf die Kreisstadt Olpe, in der sie lange
Jahre ehrenamtliche Bürgermeisterin war.
Als Wilma Ohly sich in der Mitgliederversammlung am 29. August
1998 in Ramsbeck zur Wahl als stellvertretende Vorsitzende stellte, erinnerte sie an einen Wandspruch, der
ihr in jungen Jahren im Dienstzimmer
ihres Großvaters, des weithin geachteten Landrats Josef Schräge, aufgefallen war und den ich mir damals
gleich notiert habe. Er lautet:
„Zunächst gehörst Du Deinem Gott,
ihm zunächst der Heimaterde.“ Es
scheint, dass dieser Spruch ihren
ganzen Lebensweg begleitet hat.
In Olpe besuchte sie das Gymnasium der Franziskanerinnen. Nach dem
Abitur studierte sie in Münster und
München Philosophie, Geschichte
und Anglistik. Als Leiterin der St.-Barbara-Realschule in Lennestadt-Meggen fand sie ihre berufliche Erfüllung. Daneben nahm sie sich Zeit für wichtige
heimatbezogene Aufgaben, so im Vorstand des Olper
Kreisheimatbundes und als Vorsitzende des Museumsfördervereins in „ihrer“ Stadt Olpe.
Ihre umfassenden Erfahrungen in der Heimatarbeit
brachte sie vor nun zwölf Jahren in ihr neues Amt als stellvertretende Vorsitzende unseres Heimatbundes ein. Sie
setzte sich mit Nachdruck für den Zusammenhalt der Städte und Gemeinden innerhalb des kurkölnischen Sauerlandes ein. Die Sicherung des überkommenen Brauchtums war ihr
ebenso wichtig wie die Pflege des
Plattdeutschen, und sie war gern gesehener Gast bei den Plattdeutschen
Tagen in Cobbenrode. Immer wieder
erinnerte sie aber auch daran, dass
unser Heimatbund die Gegenwartsund Zukunftsprobleme nicht aus den
Augen verlieren darf. Besonders
wichtig war ihr deshalb auch die Zusammenarbeit mit dem SauerlandTourismus.
Gern hat sie für unseren Vorsitzenden den Heimatbund auch nach
außen vertreten. Ausgestattet mit eiFoto: Hans Wevering ner überzeugenden Sprache, hat sie
mitgeholfen, der Heimatarbeit im kurkölnischen Sauerland
einen angemessenen Platz zu sichern. Wir danken ihr für
viele wichtige Anregungen und freuen uns, dass sie auch in
Zukunft im erweiterten Vorstand unseres Heimatbundes
mitarbeiten wird.
Dr. Adalbert Müllmann
Die Kupferstecher Johann Heinrich Löffler d. J. und
Johann Eckhard Löffler d. Ä.
Der Freundeskreis Oelinghausen hat
in Zusammenarbeit mit der Erzbischöflichen Akademischen Bibliothek
und deren Leiter, Herrn Dr. Schmalor,
einen Großteil von berühmten Kupferstichen (und Druckplatten) der aus Nordhessen stammenden Künstler zusammengetragen. Die Stiche werden mit
ausführlichen Erläuterungen in einer
weithin beachteten Ausstellung im Klostergartenmuseum in Oelinghausen zu
sehen sein.
Christine Steuernagel, Künstlerin
aus Paderborn, zeigt parallel moderne
Radierungen aus ihrer Werkstatt und
wird am ersten und letzten Tag der Ausstellung den drucktechnischen Entstehungsvorgang eines Kupferstiches mit
ihrer Druckpresse vorführen. Sie wird
außerdem
die
Unterscheidungsmerkmale eines Kupferstiches von anderen Tiefdruckarten u. a. an Originalkupferdrucken der Brüder Löffler erläutern.
Im Klostergartenmuseum und Klosterkeller von Sonntag, 26. Sept. 2010
(Eröffnung um 15 Uhr) bis 31. Oktober.
Geöffnet sonntags zwischen 14 und 17
Uhr. Sonderführungen sind nach Absprache möglich (02932-29159).
Mitarbeiter dieser Ausgabe:
Elmar Reuter, Olsberg
Hans Wevering, Arnsberg
Dr. Adalbert Müllmann, Brilon
Professor Dr. Wilfried Reininghaus,
Düsseldorf
Professor Dr. Wilhelm Gössmann,
Düsseldorf
Christian Raue, Meschede
Leo Klinke, Meschede
Peter Bürger, Düsseldorf
Rainer Norbisrath, Möhnesee
Dr. Siegfried Kessemeier, Münster
Manfred Raffenberg, Schmallenberg
Günter Becker, Lennestadt
Stiftung Bruchhauser Steine
Hans-Jürgen Friedrichs, Bestwig-Nuttlar
Dr. Erika Richter, Meschede
Christoph Söbeler, Meschede
Wolfgang Meyer, Olsberg
Siegfried Olms
115
S AUERLAND N R . 3/2010
Die Geschichte des Bergbaus im kölnischen Sauerland:
Ein Überblick
In Marsberg, dem diesjährigen Versammlungsort des Sauerländischen Heimatbundes, über die Geschichte des
Bergbaus zu sprechen, ist sicher passend. Denn für keinen anderen Ort im
Sauerland lässt sich eine so lange Prägung durch montanwirtschaftliche Aktivitäten nachweisen.1 Mir gibt dieser Vortrag Gelegenheit, Ihnen die wichtigsten
Befunde einer nunmehr zehnjährigen
Forschungsarbeit vorzustellen. In dieser
Zeit haben Reinhard Köhne und ich gemeinsam mit Hilfe vieler anderer eine
große Zahl von Berg- und Hüttenwerken
im ehemaligen Herzogtum Westfalen
dokumentiert und damit für das kölnische Sauerland einen Platz unter den
deutschen Bergrevieren gefunden.
Zunächst einmal ist für diese Hilfe allen
Ortsheimatpflegern und anderen in der
Ortsgeschichte Engagierten herzlich zu
danken. Als wir mit dieser Arbeit anfingen, musste dieses Gebiet überregional
als ein vergessenes Revier gelten.2 Vergessen deshalb, weil der Steinkohlenbergbau an der Ruhr in der industriellen Revolution des 19. Jahrhunderts dominant war und deshalb auch die
deutsche und die westfälische Wirtschaftsgeschichte maßgeblich mitbestimmt hat. So sehr auch das Ruhrgebiet
als Ballungsraum mit seinen fast 10 Millionen Einwohnern unser Bundesland
bestimmt, so dürfen darüber doch nicht
die anderen Regionen unseres Bundeslandes ins Hintertreffen geraten. Sie haben ihre je eigene Geschichte mit all
ihren Facetten in Politik, Wirtschaft, Gesellschaft oder Religion. Auch wenn der
Bergbau die größte Bedeutung in der
vorindustriellen Zeit hatte, so hoffen
Reinhard Köhne und ich doch, dem kölnischen Sauerland mit seiner BergbauGeschichte ein Stück historischer Identität zurückgegeben zu haben.
Vortrag von
Professor Dr.
Wilfried Reininghaus,
Präsident des Landesarchivs
Nordrhein-Westfalen,
anlässlich der
Mitgliederversammlung
des Sauerländer
Heimatbundes
am 28. August 2010
in Marsberg.
Abdruck mit freudlicher
Genehmigung des Autors
und Olpe sind auch durch Buntmetalle
und nicht nur durch Eisenerz bestimmt.
Die Archäologen gehen zunächst von
den Spuren älteren Bergbaus an der
Professor Dr. Wilfried Reininghaus
Fotos: Hans Wevering
Bevor ich Ihnen die Ergebnisse unserer Forschungen vorstelle, will ich kurz
die Methoden der Montangeschichte
vorstellen. Sie ist auf das Zusammenwirken mehrerer wissenschaftlicher Disziplinen angelegt. Zuallererst sind die
Geologen gefragt, denn nur dort, wo
sich entsprechende Lagerstätten finden,
kann das Erz abgebaut werden. Wir finden im Sauerland Braun- und Roteisenstein fast überall vor. Blei, Zink und
Kupfer kommen seltener vor. Die Reviere bei Marsberg, Brilon, Ramsbeck
Oberfläche aus. Durch Explorationen im
Gelände lassen sich viele Pingen und
Stollenmundlöcher erschließen. Nur in
seltenen Fällen kann durch Ausgrabungen tiefer „gebohrt“ werden. Die
Studien aus der Landes- und Wirtschaftsgeschichte setzen meistens erst
für Zeiten seit dem Spätmittelalter ein.
Das hat zu tun mit der Quellenlage. Wir
müssen vom Verlust der Akten der kurkölnischen Bergverwaltung ausgehen,
verfügen aber dennoch für das 16. bis
18. Jahrhundert über einen guten Fundus an Akten und Urkunden. Eine Lücke
bleibt für das Mittelalter. Für viele Orte
im Sauerland gibt es keine direkten
schriftlichen Belege, vielmehr können
montanwirtschaftliche Unternehmungen nur durch Bodenbefunde wahrscheinlich gemacht werden. So geschehen, ist die Forschung im Sauerland
längst nicht abgeschlossen. Die Publikationen von Reinhard Köhne, mir und anderen stellen also nur eine Art Zwischenbilanz dar, die in kommenden Generationen noch vertieft werden sollte.
Der Bergbau im Sauerland beginnt in
der römischen Kaiserzeit, also um Christi Geburt. Dies ist wahrscheinlich der
spannendste Befund der neueren Forschungen. Gerne erinnere ich an den
Workshop, den der Arbeitskreis Bergbau
im Sauerland 2005 im Bergbaumuseum
Ramsbeck durchgeführt hat.3 Vor allem
Peter Rothenhöfer und Gabriele Körlin
konnten damals den Beweis führen, dass
rechts des Rheins um Christi Geburt römische Unternehmer von Köln aus bei
Rösrath und um Brilon Blei fördern
ließen. Umfangreiche Funde von Bleibarren aus dieser Zeit streuen von der
Briloner Hochfläche bis zu den Schiffswracks vor Sardinien. 2009, zwei Jahrtausende nach der Varusschlacht, konnten diese Barren in der Ausstellung in
Haltern besichtigt werden. Auslöser für
die große Nachfrage nach Blei war die
universelle Verwendbarkeit dieses Rohstoffs. Die Funde im Mittelmeer deuten
auf einen Transport in Richtung Rom.
Ob zur Römerzeit auch in Marsberg
schon Kupfer abgebaut wurde, bedarf
weiterer Untersuchungen. Momentan
darf dies nicht ausgeschlossen werden.
Blei schlägt eine Brücke ins frühe Mittelalter. Hier können wir uns wieder auf
archäologische Befunde stützen. Zwischen 1980 und 1982 wurde am Kohlbrink in Soest eine Saline aus dem 6./7.
Jahrhundert ergraben. Neben Salzsiedeöfen fanden sich auch Bleireste. In
Soest wurden durchgängig Bleipfannen
zum Salzsieden verwendet. Dies ist leicht
zu erklären, denn bis in das 16. Jahrhundert hinein war es in europäischen Salinen üblich, für Siedepfannen den Rohstoff Blei zu wählen. Woher aber kam
dieses Blei? Mit hoher Wahrscheinlichkeit stammte es von der Briloner Hochfläche, von der es einen ersten schriftli-
116
chen Nachweis erst aus dem Jahr 1103
gibt. Soest jedenfalls bewies ein nachhaltiges Interesse an Brilon. St. Patrokli sicherte sich bald nach seiner Gründung
Rechte in und um Brilon. Der andere
Rohstoff, der für das frühe Mittelalter
wichtig wurde, ist Kupfer. Die vor einigen Jahren erfolgte Grabungskampagne
in Marsberg in der 1046 ersterwähnten
Siedlung Twesine, heute im Industriegebiet diemelabwärts gelegen, ermittelte
36 Öfen und Röstgruben, von denen die
ältesten zwischen 700 und 750 (merowingische Keramik) errichtet wurden.
Der zugehörige Kupferbergbau findet
sich entlang einer Verwerfungslinie im
unterkarbonischen Schiefer auf den
Höhen südlich der Diemel. Diese frühe
archäologische Datierung wirft ein ganz
neues Licht auf die Frühgeschichte von
Marsberg und Westfalen. Bekanntlich
wurde die Eresburg 772 und 776 von
Karl dem Großen erobert. Gewiss ist die
große strategische Bedeutung dieser Festung an der Kreuzung von Verkehrswegen in Nord-Süd- und Ost-West-Richtung zu würdigen, aber sollte nicht der
Karolinger Marsberg auch wegen seiner
Bodenschätze ins Visier genommen haben. Im Übrigen liegt auch die sächsische Burg, die er erobert hat, die Hohensyburg bei Dortmund, umgeben von
Bergwerken. Die Paderborner Ausstellung 1999 bot jedenfalls Gelegenheit,
die Karolingerzeit als eine Zeit wirtschaftlichen Wachstums zu begreifen.
Die Christianisierung Westfalens im 9.
Jahrhundert verband sich mit einer Anbindung an das Frankenreich und einer
Verstetigung von Handel und Gewerbe.
Welche Einbrüche die Einfälle der Wikinger und der Ungarn auslösten, wissen
wir nicht. Gesichert erscheint jedoch,
dass zurzeit der Ottonen und Salier in
Westfalen ein erneuter Aufschwung des
Bergbaus im Sauerland stattfand. Wir
können dafür sichere Belege anführen.
Das Felsenmeer in Hemer liefert Messdaten für die Zeit zwischen 999 und
1155. Hier wurde, wie man noch in der
Landschaft sehen kann, in großem Stil
Eisenerz abgebaut und in der Umgebung
in Rennfeueröfen verhüttet. In das Jahr
900 fällt die Verleihung der Markt- und
Münzrechte für Horhusen, das heutige
Niedermarsberg. Dieses Jahr markiert
nicht den Anfang des Kupferbergsbaus,
sondern ihn bereits voraus, wie sich dem
Marktprivileg deutlich entnehmen lässt.
S AUERLAND N R . 3/2010
Horhusen muss für auswärtige Einkäufer
attraktiv gewesen sein. Wahrscheinlich
wurden im Tal die Vorkommen auf dem
Bilstein und dem Eresberg weiterverarbeitet. Horhusen konnte sich deshalb zu
einem frühen Gewerbezentrum entwickeln, in dem Metallwaren aus Kupfer
oder aus Eisen produziert wurden. Auch
der Bergbau bei Ramsbeck und bei Bleiwäsche lässt sich mittlerweile durch die
C14-Datierung von Holzkohlenfunden
sicher in die Zeit um 1000 datieren.
Wenn Widukind von Corvey in seiner
Geschichte Sachsens erzählt, dass sich
dort zur Zeit Ottos des Großen die Silberadern öffneten, und wenn Thietmar von
Merseburg davon spricht, damals eine
goldene Zeit anbrach, dann mag dafür
nicht nur der Harz, sondern auch das
Sauerland den Anlass geboten haben.
Zwischen 1000 und 1350 wurden die
Grundlagen der Montanwirtschaft im
Sauerland ausgebaut und vertieft. Eine
wachsende ländliche Bevölkerung in immer mehr Siedlungen benötigte Geräte
und Werkzeuge, die wiederum die Nachfrage nach den Bodenschätzen erhöhten. Eine wichtige Funktion kam den
Klöstern zu. Es waren vor allem die Zisterzienser, die in ganz Europa die Bodenschätze und die übrigen wirtschaftlichen
Potentiale von Landschaften erschlossen. Kloster Bredelar war seit seiner
Gründung im Jahr 1196 in der Montanwirtschaft aktiv und ließ in seinen Klosterdörfern wie Giershagen, Messinghausen oder Rösenbeck nach Eisen und
Kupfer graben. Mit den aufkommenden
Städten kamen Verteilzentren ins Spiel,
die auch die überregionale Nachfrage
vermittelten. Markant war 1273 der
Streit um die Eisenstein-Vorkommen am
Arnstein bei Giershagen, bei dem die
Städte Marsberg und Korbach im Hintergrund zwischen Ritterfamilien vermittelten, die Ansprüche auf Erzgruben erhoben. Wahrscheinlich gab es überall auch
im kölnischen Sauerland Rennfeueröfen, die oberflächennah vorkommendes
Eisenerz verhütteten und damit die Weiterverarbeitung ermöglichten. Es gab
hinreichend Nachfrage, weil Eisen nicht
nur für die friedliche Produktion der Erntegeräte benötigt wurde, sondern auch
für die Kriegsführung. Ein Markenzeichen des märkischen wie des kölnischen
Sauerlandes war die Anfertigung der
Kettenhemden, die in den zahlreichen
Fehden und Kämpfen während der Ausbildung der Territorialstaaten im 13.
Jahrhundert. Iserlohn und Marsberg waren neben Soest und Dortmund frühe
Zentren der Waffenproduktion. Ihnen
kam die Nähe zu den Eisen- und Kupfervorkommen zustatten, denn die einzelnen Kettenglieder, die zu einem Hemd
zusammengeschmiedet wurden, enthielten sowohl Eisen als auch kleinere Mengen beigegebenen Kupfers. Während
sich Marsberg auf den Kupferabbau konzentrierte, spielten auf der Briloner
Hochfläche Blei und Galmei eine zentrale Rolle. Im Karstgebiet waren diese Erze relativ leicht erreichbar. Auch bei
Bönkhausen und Endorf im heutigen
Stadtgebiet von Sundern setzte bereits
im 14. Jahrhundert der Bergbau auf Blei
ein. Es ist wohl kein Zufall, dass der gelehrte Dominikaner Bartholomäus Angelicus um 1240 über den Hellweg zog
und dabei über Westfalen notierte: fontes habet salis et montes fertiles in metalla (Es hat Salzbrunnen und reiche Metallvorkommen in den Bergen).
Ob das Spätmittelalter sich für das
Sauerland als eine Krisenzeit durch die
Pestumzüge nach 1348 darstellte, ist in
der Forschung umstritten. In vielen europäischen Bergrevieren waren die
oberflächennahen Lagerstätten abgebaut, tiefer gelegene Gruben konnten
nicht mehr entwässert werden. Für das
Sauerland fehlen vergleichbare Erscheinungen – im Gegenteil, es gibt Indizien,
dass der Bergbau auf Eisen florierte. Die
neue Technik der Floßöfen und Frischhütten löste im märkischen Sauerland eine größere Nachfrage nach Eisen aus.
Im östlichen Teil des kölnischen Sauerlands blieb es länger bei den überkommenen Waldschmieden, während der
Raum Olpe bis Arnsberg die neue Technik aufnahm. Nachweisen lässt sich das
an einer Familie Massenbläser, die 1327
von (Kirch-)Hundem nach Grevenstein
ausgewandert war. Sie hatte offenbar die
Technik der Hochöfen und Massenöfen
mitgebracht. Neben den Formen der
Kontinuität dürfen wir nicht übersehen,
dass es zu Wüstungen kam. Nicht nur
Blankenrode, sondern besipielsweise
auch die Vorgängersiedlung von Bleiwäsche wurde aufgegeben.
Möglicherweise verliefen im Sauerland die Bergkonjunkturen anders als in
117
S AUERLAND N R . 3/2010
den großen Revieren in Mitteleuropa.
Während sie dort in den Jahren um
1475 in großem Stil wieder einsetzte,
blühte das Sauerland erst viel später auf.
Goslar und der Harz verzeichneten ab
1470 einen Bergsegen, im Erzgebirge
wurde Bergstadt auf Bergstadt neu gegründet. Schwaz in Tirol erreichte im
frühen 16. Jahrhundert die Zahl von
50 000 Einwohnern wegen seines Silberbergbaus. Wir tun gut daran, für das Sauerland viel bescheidenere Dimensionen
anzunehmen. Auffällig ist ein Wandel in
den damals schon alten Bergrevieren um
Brilon und Marsberg. Ihr Wohlstand hing
im 16. Jahrhundert weniger von Kupfer
und Blei, sondern von Eisen ab. Beide
Städte wirkten weit in ihre Umgebung
hinein, bis tief in die Grafschaft Waldeck.
Ihre Kaufleute finanzierten mit ihrem Kapital die Verhüttung der Eisenerze und
die weitere Ausformung zu Stabeisen auf
den Hammerwerken. Die Diemel und ihre Nebenflüsse Hoppecke und Itter waren dicht besetzt mit wassergetriebenen
Anlagen. Wir erfahren von heftigen Auseinandersetzungen zwischen den Stadtbürgern, Kloster Bredelar und benachbarten Adligen (z. B. dem Haus Padberg)
um immer knapper werdende Ressourcen. Vor allem Holz wurde ein sehr begehrter Rohstoff. Zur guten Konjunktur
trug der Einstieg in die Weiterverarbeitung bei. Ofen-, Glocken- und Geschützguss waren ein Markenzeichen der Region seit Beginn des 16. Jahrhunderts.
Von Beverungen aus wurden jährlich
mehrere hunderttausend Pfund Eisen
und eiserne Öfen weserabwärts bis Bremen verschifft. Voraussetzung für das eisenverarbeitende Gewerbe war eine ausreichende Versorgung mit Erz. Im Zentrum stand der Briloner Eisenberg und
der Assinghauser Grund, der zwischen
Kurköln und Waldeck heftig umstritten
war. Selbst auf dem Augsburger Reichstag 1555 wurde über diese Auseinandersetzungen gesprochen. Ein weiteres
Zentrum der Eisenverarbeitung lag im
heutigen Kreis Olpe. Auch die Lenne
und ihre Nebenflüsse trieben immer
mehr Hütten- und Hammerwerke an.
Wahrscheinlich etablierte sich in dieser
Zeit die Arbeitsteilung mit dem siegerländischen Bergbau, der seine Eisenerze zur
weiteren Verarbeitung nach Norden versandte. Während in Brilon und Marsberg
bürgerliche Familien den Bergbau und
die Weiterverarbeitung kontrollierten,
Versammlungsteilnehmer während des Vortrages
waren es im Einzugsgebiet der Lenne
auch Adlige wie die Fürstenbergs, die zu
Montanunternehmern wurden. Rückläufig war der Buntmetallbergbau. Er
konzentrierte sich nur noch auf wenige
Plätze im Herzogtum Westfalen. In Brilon und Marsberg schrumpfte die Zahl
der Blei-, Galmei- und Kupfergruben auf
je zwei. Wahrscheinlich lag die Ursache
im fast vollständigen Abbau der reicheren Schichten. Eine vorübergehende Angelegenheit blieb die vermehrte Suche
nach Blei während der kurzen Regentschaft des Mansfelder Kurfürsten
Johann Gebhard von 1558 bis 1562. Er
sandte Experten aus seiner Grafschaft
ins Sauerland, um dort Blei für die
thüringischen Saigerhütten zu gewinnen. Überall tauchten auswärtige Gewerken im Sauerland auf. Zum Beispiel
engagierten sich Augsburger Gewerken
im Bergwerk Kumpf bei Rüthen. In Silbach eröffneten Kaufleute aus Aachen,
Antwerpen und Köln Bleibergwerke.
Der kurze Boom nach 1559 bewirkte eine dauerhafte institutionelle Veränderung. Silbach bekam von Kurfürst Johann Gebhard die Rechte einer Bergfreiheit zugesprochen, die diese Gemeinde
bis auf den heutigen Tag pflegt. Bekanntlich konnte dort im vorigen Jahr die 550.
Wiederkehr der Verleihung der Rechte
einer Bergfreiheit ein ganzes Jahr lang
gefeiert werden. Als zweite Bergfreiheit
erhielt später Endorf Sonderrechte von
Kurfürst Ernst, dessen Bergmeister Lautenschläger hier auch seinen Sitz hatte.
Die zweihundert Jahre zwischen
1618 und 1815, zwischen dem Beginn
des Dreißigjährigen Kriegs und dem Ende der Napoleonischen Zeit, lassen sich
nicht auf einen gemeinsamen Nenner
bringen. Zu ambivalent verlief die Entwicklung im Eisen- bzw. im Buntmetallbergbau. Vielen hoffnungsvollen Neuanfängen standen tiefe Enttäuschungen gegenüber. Kaum ein Bergwerk oder ein
Revier förderte durchgängig. Die Folgen
des Dreißigjährigen Krieges wurden insgesamt nur schlecht bewältigt, wobei
noch offen ist, in welcher Weise der
Krieg die regionale Montanwirtschaft beeinträchtigte. Durch Rüstungsaufträge,
insbesondere durch den Geschützguss
für ein niederländisches Konsortium um
1620, profitierte der Brilon-Marsberger
Raum sogar vom Krieg. Eine von ihnen
1618 angelegte Geschützgießerei bei
Marsberg berief sich ausdrücklich auf ein
Privileg des Kurfürsten. Weitere Investitionen und Waffenkäufe, u. a. durch die
Amsterdamer Familie Trip, stärkten bis
1633 die Wirtschaft des Herzogtums,
das in der ersten Hälfte des Kriegs ein
gefragter Waffenlieferant war. Erst in der
zweiten Hälfe des großen Krieges stürzte „das Herzogtum Westfalen in eine
langjährige und permanente Subsistenzkrise“, weil die landwirtschaftlichen Anbauflächen verwüstet wurden. Ob allerdings Eisenbergwerke und -hütten in
gleicher Weise litten, darf bezweifelt werden. Aus Sicht Bremer Kaufleute war
1643 das Eisen aus dem Sauerland teu-
118
er und gefragt. Sie wehrten sich vehement gegen ihre Ausschaltung durch die
Bremen meidende sogenannte Vorbeifahrt, wahrscheinlich in die Niederlande.
Über 200 Jahre hinweg betrachtet
gab es neben unternehmerischem Versagen kraftvolle Persönlichkeiten, die sogar nach 1648 ein sauerländisches Wirtschaftsbürgertum entstehen ließen.
Technologisch fiel der Raum eher ab,
denn die Wasserhaltungsprobleme wurden in den meisten Revieren vor 1815
nicht befriedigend gelöst.
Dies gilt vor allem für den im 16. Jahrhundert so erfolgreichen Eisenbergbau
in den Revieren um Brilon und Marsberg. Zwar gelang es, an die tiefer gelegenen Vorkommen im Briloner Eisenberg durch gewerkschaftlich betriebene
Erbstollen im 18. Jahrhundert heranzukommen. Mit der Ausbeute des Briloner
Eisenbergs konnten mehrere Hüttenund Hammerwerke versorgt werden.
Doch der Erfolgsbilanz der Familien
Kannegießer, Ulrich, Unkraut und
Kropff-Hester stehen ungelöste Wasserhaltungsprobleme am Enkenberg, am
Grottenberg und im Giershagener Raum
gegenüber. Zwar lagen die Eisenhütten
und -hämmer im Raum Marsberg nicht
still, doch wurden sie mindestens zeitweise abhängig von Eiseneinfuhren aus Waldeck. Gleiches gilt für die Hammerwerke
im Assinghauser Grund, die sich nicht
mehr auf Eisengruben im Bereich der
oberen Ruhr und ihrer Nebenflüsse stützen konnten. Tiefgreifende soziale Folgen sind dort zu beobachten. Sowohl im
Assinghauser Grund als auch im benachbarten Raum Medebach stellte sich im
späten 17. und 18. Jahrhundert die Bevölkerung um: Hüttenmeister gingen zu
Saisonarbeit über; Hammerschmiede
fertigten Nägel, die wiederum im Wanderhandel vertrieben wurden.
Eine völlig gegenläufige Entwicklung
nahm der Bereich an Lenne, Hönne und
Sorpe, der nach allem, was wir derzeit
wissen, an der Hochkonjunktur des
16. Jahrhunderts nicht teilgenommen
hatte. Adlige Unternehmer (v. Dücker,
v. Landsberg-Velen, v. Plettenberg, v.
Wrede) eröffneten zwischen 1720 und
1750 die Suche nach Eisen. Auch die
Betriebe des Hauses Fürstenberg-Her-
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dringen gehören in diesen Zusammenhang, wenngleich sie stärker auf den
Familienbesitz an der oberen Lenne und
im Amt Bilstein ausgerichtet waren. Die
adligen Häuser strebten Verbundlösungen mit dem Ziel an, vertikale konzernähnliche Strukturen aufzubauen: Eisen aus eigenen Gruben sollte verhüttet
und zu Fertigprodukten weiterverarbeitet
werden. Der Impuls zu diesem Aufbruch
kam von auswärts. In jenen Jahren setzte jenseits der Grenze zur Grafschaft
Mark in Iserlohn, Altena und Lüdenscheid eine Phase raschen Wachstums
ein, die auf Kurköln ausstrahlte. Der Versuch, 1721 Drahtgewerbe bei Menden
heimisch zu machen, lässt sich sogar als
bewusste Gegengründung zur Mark interpretieren. Der Neuansatz durch adliges Unternehmertum zeigte Folgen. Erstens wurden Bergbezirke neu oder wieder erschlossen. Die Eisengruben um
Balve, Amecke, Stockum, Endorf, Allendorf und Wildewiese waren seit der Mitte des 18. Jahrhunderts zwar insgesamt
nicht allzu ergiebig, blieben aber doch
zum Teil bis in das 20. Jahrhundert in
Betrieb. Die auf Holzkohle basierenden
Hütten in Wocklum und Oberrödinghausen produzierten bis zur Mitte des 19.
Jahrhunderts. Wenig Erfolg hatte die
Gründung des Hauses Plettenberg-Lenhausen in Rönkhausen. Während die
Hütte dort nach 1790 fehlschlug, hatten
die Hämmer an der unteren Fretter bei
Lenhausen größeren Erfolg. Durch
Pacht oder Kauf fielen sie an märkische
Unternehmer, die neben die adligen Unternehmer traten oder sie ersetzten. Namen wie Rumpe aus Altena, Brünninghausen, Geck und Hücking aus dem
Raum Werdohl/Lüdenscheid oder Stahlschmidt, Thomee und Dulheuer waren
zwischen Garbeck und Eslohe als Pächter oder Eigentümer von Hammerwerken geläufig. Der nordwestliche Teil
des Herzogtums Westfalen war damit
eng an das märkische Eisengewerbe angebunden. 1793/94 wollte sogar der
preußische Staat die Vernetzung instrumentalisieren. Auf der Suche nach Herstellern von Kugeln ließ Fabrikenkommissar Eversmann über seinen Mittelsmann Dulheuer bei der Lenhauser
Gewerkschaft nachfragen, ob sie nicht in
Rönkhausen für die preußische Armee
Kugeln herstellen wolle. Das Geschäft
kam nicht zustande, weil der Reichsgraf
v. Plettenberg zögerte.
Bodenständiges Unternehmertum
hielt sich in Olpe. Die dortigen Eisenhändler brachten nicht nur die Hämmer
an Bigge und Lister an sich, sondern
dehnten ihren Besitz bis an die obere
Lenne und nach Kirchhundem aus. Zugleich etablierte sich mit der Wendener
Hütte in den 1720er Jahren ein extern
gegründeter Betrieb, der mehrere Hämmer im heutigen Kreis Olpe für sich arbeiten ließ. Als weitere Hütte darf die
Dohmer Hütte vor den Toren Olpes
nicht unterschätzt werden. Die Nachfrage dieser Hütten forcierte die Suche
nach Eisen südlich von Olpe bei Thieringhausen, Elben und Gerlingen. Die Inbetriebnahme zahlreicher Gruben reichte aber nicht aus, um den Bedarf der
Hütten- und Hammerwerke zu decken.
Der Olper Raum war abhängig vom Import des Eisens aus nassauischen Hütten
und damit selbst Teil einer weiträumig organisierten Produktionskette.
Kontinuierlichen Betrieb seit dem
späten 16. Jahrhundert stellen wir in
Warstein fest, wo das Unternehmen des
Freiherrn Hoesch die Erze von Suttrop
und die Holzkohle aus landesherrlichen
Waldungen in einer protegierten Eisenhütte miteinander verband.
Die Bilanz des Buntmetallbergbaus
nach 1618 fällt ähnlich zwiespältig aus
wie beim Eisengewerbe. Keiner der bedeutenden Standorte des 16. Jahrhunderts produzierte ununterbrochen.
Durchgängig in allen Revieren war ein
mehr oder minder großer externer Einfluss. Der Kupferabbau in der Rhonard
fiel im frühen 17. Jahrhundert in bürgerliche Hände, litt dabei Not und erholte
sich erst, als die adlige Familie von Brabeck um 1680 die Gruben übernahm
und mitsamt der Stachelauer Hütte zu
neuer Blüte führte. Auch die Rhonard
durchlief aber zwischenzeitlich Phasen,
in denen die Wasserhaltung den Abbau
gefährdete. Zwischen ca. 1690 und
1765 blühte der Kupferabbau in Silberg
(Gem. Kirchhundem), der für längere
Zeit in den Besitz des Pächters des Kasseler Messinghofs kam. Nach dessen
Konkurs fand der Bergbau in Silberg nur
auf deutlich eingeschränktem Niveau eine Fortsetzung. Der Bergbau um Ramsbeck stand nach dem Dreißigjährigen
Krieg unter landesherrlichem Einfluss
und ging dann in adligen und bürgerli-
119
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chen Besitz über. Die Potentiale des Bastenbergs und Dörnbergs weckten immer
wieder Hoffnungen, die jedoch im 18.
Jahrhundert nicht richtig erfüllt wurden,
zumal die Verhüttung bei Ramsbeck Probleme machte. Der Galmeibergbau um
Brilon konzentrierte sich auf zwei Gruben, von denen eine unter hessischem
Einfluss stand. Schon von der Anzahl der
Bauten blieb er deutlich hinter dem hohen Mittelalter zurück. Ähnliches gilt für
Silbach und den Marsberger Kupferbergbau, wobei letzterer jedoch nach 1690
neu belebt wurde. Vor allem setzte in der
Umgebung von Marsberg die Suche
nach alten wie neuen Kupfervorkommen
ein. In Leitmar und Borntosten seit
1701, in Essentho seit 1712 sowie bei
Giershagen lassen sich intensive Mutungen nachweisen, die jedoch selten auf
Dauer Erfolg hatten. Direkt in Marsberg
setzte im 18. Jahrhundert neuer Bergbau auf Kupferbergbau einschließlich der
Verhüttung ein, der in das Industriezeitalter hinüberführte. In Marsberg spielten
ebenfalls hessische Unternehmer eine
wichtige Rolle. Äußerst erfolgreich war
der auch im Marsberger Raum beteiligte
protestantische Unternehmer Möller aus
Warstein, der von hier aus ein weiträumiges Netz im Kupferhandel aufbaute.
Nach 1681 erlosch der Kupferbergbau
bei Rüthen. Bei Endorf verkümmerte der
Bleibergbau im 18. Jahrhundert immer
mehr. Auf der Kupferlagerstätte am Justenberg bei Hagen folgten den Arbeiten
des 17. Jahrhunderts vor 1815 keine
ernsthaften Versuche mehr. Weiterhin
wurde aber im gesamten Territorium exploriert und experimentiert. Zu erwähnen ist der Grevensteiner Pfarrer Becker,
dessen Versuche um 1730 zwischen Alchemie und modernem Labor standen.
Neuansätze in Brunskappel scheiterten
1732. Die Versuche der Gebrüder Mette
bei Saalhausen fanden seit 1780 Beachtung, während zur gleichen Zeit die Versuche, die Lager bei Glindfeld erneut zu
erschließen, scheiterten.
Im Herzogtum Westfalen liefen einige
Experimente, die nicht immer erfolglos
waren. Die Gewinnung von Farbstoffen
bei Meschede ging bis 1679 zurück. Das
seltene Metall Antimon bei ArnsbergUentrop und bei Bestwig-Nuttlar erregte
bereits um 1730 Aufmerksamkeit, wurde aber erst seit 1789 abgebaut. Mit der
Anlage eines Blaufarbenwerks bei Ober-
kirchen scheiterte Christian von Fürstenberg 1745 ebenso wie der Bergmeister
Kropff 1764 mit einer Vitriolfabrik in
Marsberg. Selbst nach Steinkohle grub
man im Herzogtum, wenngleich die Ausläufer der Lagerstätten an der Ruhr bis
Wickede und Ense nur leere Versprechungen boten.
Als Preußen 1815/16 als neuer Landesherr in das Herzogtum Westfalen einzog, erhofften sich seine Bergbeamten
wegen der Lagerstätten Gewinn aus dem
Territorium. Zwar hatten die napoleonischen Kriege das Eisengewerbe stark beeinträchtigt, doch gab es Hoffnung auf
neue Belebung. Diese Hoffnung trog.
Die Hammerwerke des Olper Raums erholten sich nicht mehr. Erst nach 1870
gelang ein Neuanfang. Der Rückstand
zum märkischen Sauerland und zum Siegerland ließ sich im 19. Jahrhundert
nicht mehr aufholen. Nach 1830 gerieten die meisten der noch bestehenden
Eisenhütten in eine tiefe Krise, weil sie
zuerst gegen das importierte englische
Eisen und dann gegen die Kokshochöfen
an der Ruhr nicht mehr konkurrieren
konnten. Dagegen hatten die Puddelwerke Erfolg, die seit 1827 auf ehemals
kurkölnischem Boden entstanden und
schufen eine Brücke zur Metallindustrie
des 19./20. Jahrhunderts. Auch der
Marsberger Kupferbergbau blühte nach
1832 auf, nachdem neue technologische Verfahren eingesetzt wurden, und
blieb bis in das 20. Jahrhundert ein wichtiger lokaler Wirtschaftsfaktor. Zwar war
in Ramsbeck das übersteigerte Bergbaufieber zwischen 1851 und 1854 nur von
kurzer Dauer, doch darf nicht verkannt
werden, dass reichere Partien an Blei,
Kupfer und Zink hier noch bis 1974 abgebaut wurden. Unverkennbar ist, dass
die ganz große Zeit des Bergbaus nach
1800 vorbei war.
1 Vgl. Wilfried Reininghaus / Reinhard Köhne,
Berg-, Hütten- und Hammerwerke im Herzogtum
Westfalen im Mittelalter und in der frühen Neuzeit,
Münster 2008. Hierauf greift die folgende Darstellung zurück.
2 Wilfried Reininghaus, Eine vergessene Montanregion der vorindustriellen Zeit: das Kölnische
Sauerland, in: Hans-Jürgen Gerhard / Karl Heinrich
Kaufhold / Ekkehard Westermann (Hrsg.), Europäische Montanregion Harz, Bochum 2001, S. 279296.
3 Reinhard Köhne / Wilfried Reininghaus / Thomas
Stöllner (Hrsg.): Bergbau im Sauerland. Westfälischer Bergbau in der Römerzeit und im Frühmittelalter. Tagungsband, Münster 2006.
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Bäume und Büsche – Ästhetik einer Landschaft
von Professor Dr. Wilhelm Gössmann
Die Landschaft entdecken
Unsere Landschaft wäre öde und
kahl, wenn sie nicht bewachsen wäre,
wenn es hier keine Bäume, Wälder und
Sträucher gäbe. Die Beschäftigung mit
Büschen und Hecken in unserer Gegend
kann das landschaftliche Heimatgefühl
stärken, nicht nur auf der Erlebnisebene,
sondern auch auf der Ebene einer ästhetischen Wahrnehmung.
Poetisierung, ein faszinativer Vorgang
mit kultureller Bedeutung. Die Welt um
uns ist schön, wird aber erst schön durch
Poetisierung, nicht zuletzt durch die
Dichtung. Wer literarisch zu schreiben
versucht, poetisiert. Das ist nicht nur eine Nachwirkung der Romantik, die überall, wo sie Einfluss ausüben konnte, poetisiert hat. Zugrunde liegt die neu aufgekommene ästhetische Weltansicht. Eine
solche gab es immer, hat sich aber
grundsätzlich gewandelt. Vorher war der
Zugang zum Schönen weniger von der
Subjektivität beherrscht.
Fast alles kann poetisiert werden.
Bleiben wir beim Thema Landschaft. Bekannt ist, dass Petrarca sozusagen als erster einen Berg bestieg, den Mont Ventoux, um die landschaftliche Schönheit
von der Höhe eines Berges zu genießen,
also aus rein künstlerischem Interesse.
Wenn ein Bauer noch heute ins Feld
geht, dann gibt er weniger acht auf die
schöne Gegend, er beurteilt und genießt
den Ertrag seiner Felder. Kornblumen
und Klatschmohn erfreuen nicht sein
Herz, weil sie die Ernte beeinträchtigen.
Schifffahrt im Mittelmeer. Landschaftsschilderungen gehören speziell zur Gattung der Reisebilder. Bekannt sind die
Naturbeschreibungen bei Heinrich Heine, wie er sie in der „Harzreise“ vorgenommen hat. Hier wird aber auch das
schon angedeutete Grundproblem greifbar: Die übertriebene, rein emotional gesteuerte Erlebniswelt. Ironie wird notwendig, schafft Distanzierung, entlarvt
selbstgefällige Illusionen. Ein Musterbeispiel ist hierfür Heinrich Heines Schilderung des Sonnenuntergangs auf dem
Brocken: „Während ich so in Andacht
versunken stehe, höre ich, dass neben
mir jemand ruft: ‚Wie ist die Natur doch
im allgemeinen so schön!‘“
In der „Harzreise“ wird die höchste
Form der Poetisierung einer Landschaft
geboren, wie sie auch von anderen
Schriftstellern vorher und nachher für
andere Landschaften erreicht worden
ist. Heine hat dazu beigetragen, dass wir
den Harz in erhöhtem Maße poetisch erleben können. Also eine Qualität, die
vorher nicht so bewusst war. Wir können
auf Fontane verweisen und die von ihm
entdeckten brandenburgischen Landschaften. Theodor Storm wäre zu nen-
Touristen, aber noch mehr für die Einheimischen. So hat auch Friedrich Wilhelm Weber den Nethegau für dessen
Bewohner besungen und literarisch anschaubar gemacht. Ich müsste noch weiter aufzählen, aber Eichendorff darf man
nicht verschweigen. Er entdeckte den
Wald, den deutschen Wald, nicht in einer
bestimmten Landschaft, sondern überall. Landschaften bieten sich seitdem als
poetische Landschaften geradezu an.
Die Eigentümlichkeiten einer Landschaft sind vielfältig und gewiss auch
übertragbar, aber nicht austauschbar, sollen sie den Charakter des Einmaligen
und Singulären behalten. Jede Landschaft, wenn sie poetisiert wird, gewinnt
etwas Einmaliges.
Büsche in unserer Landschaft
Zu unserer Gegend gehören die Felder, Wiesen und Wälder, vor allem Buchen- und Tannenwälder. Man kann aber
nicht übersehen, dass an den Waldrändern, an den Wegen und auch mitten
in der Flur überall Büsche und Sträucher
und lang sich hinziehende Hecken stehen. In den letzten Jahrzehnten sind sie
allerdings weniger geworden, ausgerot-
Schon eine erste Konsequenz aus unseren Überlegungen: Die Realität verhindert oft, zu Recht oder zu Unrecht, eine
ästhetische Wahrnehmung, ist zumindest ihr Widerpart. Dennoch, wenn die
Poetisierung gelungen ist, entsprechen
sich Wirklichkeit und ästhetisches Erleben.
Ein fast revolutionär zu nennender
Umbruch war die Entstehung der Landschaftsmalerei, in der Dichtung steht
dafür als Analogon die Naturschilderung.
In Ansätzen verdrängte auf sakralen Bildern eine ideale oder reale Landschaftsansicht den Goldhintergrund. Die Naturschilderung gab es im Grunde immer, um
die Überwindung von Naturwidrigkeiten
zu beschreiben, so bei Homer und Vergil
in Hinblick auf die Strapazen bei der
Am Alten Berg zwischen Eickhof und Langenstraße
Foto: Hildegard Nordberg
nen mit seiner Husumer Küstenlandschaft. Durch Annette von Droste-Hülshoff ist die münsterländische Heidelandschaft in ihrer verhaltenen Schönheit bewusst geworden für die damaligen
tet mit Hilfe der Maschinen der modernen Landwirtschaft. Büsche und Sträucher erwiesen sich als hinderlich für den
Ackerbau. Dabei waren sie und sind sie
noch für die Landwirtschaft unentbehr-
121
S AUERLAND N R . 3/2010
lich. Sie sorgen nicht nur im Landschaftsbild für Abwechslung und Schönheit. Sie bieten Windschutz, brechen den
Sturm, ersparen Zäune und Eingrenzungen. Hecken und hohe Sträucher stehen vor allem in den Tälern, wo sie wild
wachsen können. An den Straßen werden sie jährlich zurückgeschnitten.
Wichtig ist vor allem das Gebüsch, das
seit altersher überall wuchert, nicht nur
als Windschutz, es ist der Lieblingsaufenthalt für die Vögel. Hier finden sie
Zuflucht, hier können sie nisten und hineinschlüpfen. Die einzelnen Straucharten durchdringen sich: Weißdorn,
Schwarzdorn, Hagebutten, Holunder,
oft durchwachsen von Brombeeren.
Einzelne Bäume stehen dazwischen.
Oft sind es Wildkirschen, die im Frühjahr
für Blütenpracht sorgen. Die Büsche und
Sträucher gliedern und strukturieren die
Landschaft. Im Grunde haben die Büsche und Sträucher ihr eigenes Leben,
nicht von Menschen gepflanzt, sondern
von der Natur aus der Erde getrieben.
Fast unausrottbar ist das Dorngebüsch.
An einigen steinigen Hängen durchdringt das Gestrüpp den sogenannten
Niederwald. Die Hainbuchenstämme, alle zwanzig Jahre als Brennholz oder
Nutzholz abgeschlagen, wachsen von
selbst nach. Ein solcher Niederwald
braucht nicht nachgepflanzt zu werden.
Es muss über die Bedeutung des buchen, Holunder, Haselsträuchern,
Wachstums nachgedacht werden. Bäu- auch Weidekätzchen. Wegen der blühenme, Büsche und Hecken sind lebendig, den Dornen, den Hagebutten, werden
solche Triften im
gewissermaßen sogar
Volksmund auch
lebendige Wesen. Sie
Reosenbusch gesind nicht wie die FelSeit Urzeiten liegen gebliebene
nannt.
sen und das Gestein
wachsen gelassene Triften
Hainbuchen
bloße Materie. Sie beDie Hagebutten
Holunder
sitzen eine vegetative
sind
ein von TrieHaselsträucher
Seele. Zu ihnen gehört
ben
und Ranken
wegen
der
Dornen
das Wachsen. Von
Reosenbusch
dichter Busch. Seigroßer Bedeutung sind
im Volksmund genannt
ne Blüten, die
die Aussagen Goethes.
kaum durchdringbar
Heckenrosen, sind
Sie sind von ihm so geVogelgeschrei
die Urform aller
fasst, dass das Wachsnach Regenschauern
Rosen. Wenn die
tum wie ein künstlerifließt der Bach
ersten verblühen,
sches Prinzip gesehen
keinen triffst du
knospen schon anwerden kann. Zum
nur die Doppelgängerin
dere nach bis weit
Wachstum gehört die
verschwiegen im Herzen
in den Sommer.
Dualität von vertikal
eine verlassene Natur
Die Schlehen sind
und spiral. Das vertikaWurzelstücke vermodern
die dichtesten und
le Wachstum sorgt für
in einzelnen hohen Bäumen
dornigsten Sträudas Streben nach
wispernder Wind
cher. An Gräben
einmal in einer Generation
oben. Das spirale
und
Feldwegen
wird Kahlschlag geschlagen
Wachstum gibt dem
wachsen
sie zu
nur die Dornen ringsum
Gewachsenen BiegHecken
aus.
An
bleiben
stehen
und
blühen
samkeit und SchwinWaldrändern
schütgung. Büsche und
zen sie den Wald vor
Sträucher beziehen ihre
Kraft aus dem Erdboden, in dem sie ver- Sturmwinden und Schneetreiben. Im
wurzelt sind, dann aber auch vom Licht Winter schmecken die vom Frost durchfrorenen blauschwarzen Früchte herzder Sonne, das sie in sich verwandeln.
haft. Man sollte sie sammeln und mit AlZu unserer Landschaft zwischen der kohol aufsetzen: ein Getränk gegen KälLippe und der Haar gibt es noch immer te und Erkältung. Holunderbüsche, wenn
liegen gebliebene Triften mit Hain- sie blühen,
sind überGestrüpp
voll
mit
Dornengestrüpp
weißen
BlütendolDenkdickicht
den, auch
sprossende
ihre BeeRanken
ren dienen
eingeigelt
zur
Gestachelig geschützt
sundheit.
offen
Die hoch
rückhaltlos offen
aufstrekommen die Blüten
benden
Sträucher
in der Landschaft – das sind meist ausgewachsene Weißdornbüsche. Ihr schönes
Aussehen zur Blütezeit wird geschmälert
durch den intensiven, unangenehmen
Geruch.
„
“
„
“
Die Feldflur „Die Horst“ zwischen Langestraße und Oestereiden
Foto: Elisabeth Nüttgens
Bekannt ist das Schleddetal der Pöppelschen, von der Haar ins Lippetal, entlang der Straße von Oestereiden nach Eikeloh, ein Naturschutzgebiet. Ein ver-
122
S AUERLAND N R . 3/2010
Die Feldflur mit einer Baumreihe aus Pappeln, in der Nähe von Hemmern
Fotos: Elisabeth Nüttgens
wunschenes Land, ein Reservat der Verwilderung. Der Rücken des Haarstrangs
ist relativ kahl, aber an seinen Feldwegen
sieht man immer noch Büsche und
Sträucher. Während der Sommerzeit,
wenn das Getreide hoch steht, versinken
sie zum Teil. Anders das Lippetal. Hier
korrespondieren die Sträucher und Büsche mit den grünen Wiesenflächen.
Hecken, Sträucher und Büsche finden
eine Korrespondenz in den alleinstehenden hohen Bäumen und den sich lang
hinziehenden Baumalleen. Jeder einzelne Abschnitt unserer Landschaft bietet
einen eigenen Anblick und eine eigene
Poesie.
Annette von Droste-Hülshoff hat die
hohen Wallhecken des Münsterlandes
beschrieben. Die Bauernhöfe verschwinden dahinter. Christine Koch liebte die
Wälder des Sauerlandes, die lang sich
hinziehenden Talwiesen. Die Schönheit
unserer Landschaft, sie gilt es wahrzunehmen, eine Ästhetik, viel normaler
und allgemeiner gedacht als im romanti-
len Höfen stehen noch alte Linden.
Wenn sie blühen, summt der ganze Hof
von fleißigen Bienenschwärmen. Lindenholz ist weich und nachgiebig, trotzdem oder gerade deswegen, werden LinDie verschiedenen Bäume
denbäume sehr alt. Sie höhlen zwar aus,
wahrnehmen
die Rinde ist dagegen unerwartet lebensfähig. Ich habe
In unserer Landschaft
noch die Linde
stehen die unterschiedliAls Kind noch gesehn
auf unserem
chen Bäume, die für sie
und bestaunt
Kirchplatz gecharakteristisch sind.
in seine Mitte verkrochen
kannt, die vor
Auf sie soll näher eingeund dunkle Verse geraunt
mehr als taugangen werden.
uralter christlicher Baum send Jahren an
Lindenbäume stehen
Nun wiedergefunden
der Stelle gevor Bauernhäusern, auf
eine uralte Linde
pflanzt wurde,
Kirchplätzen, an Wegauf dem Kirchplatz
wo der Missiokreuzungen. Auch gibt
bei einem früheren Kloster
nar, ein irischer,
es Lindenalleen, die oft
einst zwölf Aststämme
predigend gezu einem Schloss oder
der Judasstamm ausgebrochen
standen haben
einem Gutshof hindurch Blitzschlag
soll.
führen. Aber einzeln
Im Frühjahr
oder in kleineren Grupein grünes Himmelsgewölbe
Eichen wachpen von drei oder vier
voll Duft und Bienen
sen auch in
können sie sich am besdie Sprache des Himmels
Wäldern, von
ten auswachsen. Auf vieschen Kunstverständnis. Nicht mit ästhetischen Vorstellungen die landschaftliche
Welt verschönern, sondern sie sehen
und überblicken, wie sie tatsächlich ist.
„
“
123
S AUERLAND N R . 3/2010
jungen Buchen hochgetrieben, brauchen sie die doppelte Lebenszeit. Sie
halten Abstand, um nicht zu verkümmern, stehen auch einzeln, bilden dann
ein breites, abgerundetes Geäst aus, be-
„
Der kriuse Eichenbaum.
Jahrhunderte
zählt der Stamm
mit den beiden
abgebrochenen Ästen
ein Urkreuz
diese Eiche
wo sie steht
laufen die Wasseradern
überkreuz zusammen
darum das gekrümmte
schlangenförmig verquirlte
Baumkronengeäst
Generationen von Bäumen
und Menschen überwachsen
Wer dich schlägt
fordert Gott heraus
“
stimmen das Landschaftsbild. Eichenholz ist hart und vermodert nur widerwillig, weshalb man es für Hausbalken und
Sargbretter verwendet. Es nimmt die
dunkle Farbe der Erde an. Bei Festen,
die im Frühjahr und in den ersten Sommermonaten gefeiert werden, holt man
Eichengrün und bekränzt damit die Säle
und Hallen. Eichen verkörpern einen
konservativen Sinn.
Ulmen erreichen eine beachtliche
Höhe. Es kommt darauf an, dass sie gesund bleiben, widerstandsfähig gegen
Pilzbefall und den Splintkäfer. Bei einem
Spiel, als ich mit dem Rücken an unsere
Hofulme angebunden war, spürte ich die
Lebenskraft eines solchen Baumes, aus
den Wurzeln herauf bis in den Gipfel. Ulmen blühen sehr früh, schon bevor sie
Blätter haben. Die Samenblättchen können in manchen Jahren so reichlich ansetzen, dass man meinen könnte, die Ulme wäre schon belaubt. Ulmenholz, in
der Möbelfabrikation auch Rüster genannt, nahm man früher für Drechslerarbeiten. Heute können daraus Skulpturen entstehen, die die Durchblutung alles Körperlichen aufweisen.
Nussbäume beanspruchen einen sonnigen Platz, hinten im Garten, neben einem Schuppen, verbreiten einen herben
Geruch, werden von Fliegen und
Mücken im Sommer gemieden. Rinde ten werden, damit die Äste kräftig genug
und Nussschalen enthalten einen kräfti- auswachsen, aber auch, um sich gegengen Farbstoff, der bis unter die Haut seitig nicht im Weg zu stehen. Es gibt
zieht, wildes Laubgrün, das sich bräun- Baumkronen, die so wachsen, dass sie
lich verfärbt. Im Alter lockert sich die wie Kelche offen sind und das SonnenBaumkrone, trockene und halbtrockene licht von oben hereinfallen lassen. Die
Äste strecken sich zwischen belaubten normalen Baumkronen haben einen
aus. Nussbaum gehört zu den Edelhöl- Gipfel, vom Südwestwind in die Nordzern, feine Maserung, erreicht wohltuen- richtung gebeugt. Die Apfelblüten sind
de Glätte. An der Vikarie des Dorfes widerstandsfähig, zu ihrem Weiß gehört
standen zwei haushohe Walnussbäume, ein rötlicher Schimmer, Apfelblüten
dicht an der Gartenmauer, verfinsterten blühen lange, nicht nur ein paar Tage.
die Studier fenster, die Hälfte aller Nüsse Winteräpfel haben eine bräunliche Schafiel auf den Weg. Nüsse für den Nikolaus, le, die sich an der Sonnenseite rot färbt.
Apfelbäume wachsen und sterben
der sie aufwie Menschen, erreichen auch
sammelt und
ihr Lebensalter, meist sogar leverschenkt.
Zwischen Kämpen und Zäunen
Büschen und weidenden Rindern ben sie länger.
„
In Kämpen,
aber auch
an den Straßenrän dern
stehen noch
immer die
hochstämmigen Obstbäume.
älter als das ältestes Haus
im Dorf
die Hainbuche
innen ausgehöhlt wächst sie
treibt sie frische Blätter
in jedem Jahr
wie oft schon vorher
abgeschlagen und
mit diesen Stämmen
aus den Wurzeln
wieder ausgeschlagen
uralter Baum
als ich davor stand
vergingen Jahrhunderte
einer knorrigen Zeit
Bir n bäu me sind Indivi duali sten.
Der Birnbaum steht
an der Ecke
des Gartens, wächst gerade empor und
erreich nicht selten die Höhe des Dachfirstes. Auch die Seitenäste laden nicht
zur Seite hin aus, sie streben vielmehr
rund um den Haupttrieb aufwärts. Im
Frühjahr blüht er in dicken weißen Blütenbüschen, und im Herbst bleiben die
Früchte oben in der Spitze unabgeerntet
hängen. Der Stamm vernarbt, wenn die
Kühe mit ihren Hörnern die Rinde aufstoßen oder abschaben. Man sieht dann
in den umwachsenen Löchern das
trockene Stammholz. Unter ihm im
Sommer einschlafen, zwischen Schatten
und Lichtflecken dahinträumen.
“
Von den Apfelbäumen liegen mir vor
allem am Herzen die frühen, die Sommeräpfel, und die späten, die Winteräpfel, weshalb ich gerade diese beiden Sorten, hochstämmig natürlich, im Garten
nachpflanzen würde für die nächste Generation. Apfelbäume brauchen schon
einige Jahre, bis sie tragen. Die Baumkronen müssen alle paar Jahre beschnit-
Pflaumenbäume stehen in
meinem von Kindheitserinnerungen geprägten Garten am
Rande, bis in die Dor nenbüsche
hinein. Und einmal, im Frühjahr, bringen sie sich zum Vorschein, wenn sie blühen, voller
weißer Blüten, noch ohne grüne Blätter. Es sind aber auch die
Bäume, die, sobald sie im
Herbst voll hängen, leicht brechen. Äste reißen am Stamm
herab und lassen offene Wunden. Selbst morsche Stämme
schlagen frisch wieder aus. Die
Pflaumenkerne sind noch so ge-
„Der alte Ahorn
unten an der Gartenmauer
schüttelt seine roten Blätter
in den Garten
lebensüberdrüssig
schaut er drein
Gott hat ihn so
wachsen lassen
oft gestutzt
geduckt
doch er blieb
der alte Ahorn
ein Requisit
aus früheren Zeiten
als die Bäume
noch von selber wuchsen
und die Axt nur
für die Lichtung schlug
Märchenbaum
Zaubernische
Schutzgott
greises Altertum
“
124
S AUERLAND N R . 3/2010
sund, dass sie in der Erde, unter der
Grasnarbe, wieder ausschlagen und
neue Pflaumenbäume hervorbringen.
Man könnte eine ganze Welt mit ihnen
bepflanzen.
Die mythische und literarische
Tradition von Bäumen
Man bekommt ein tieferes Verständnis von Bäumen, wenn man sich ihre
mythische, literarische und auch religiöse Bedeutung ins Bewusstsein ruft. Diese Anschauungen sind eng mit der
menschlichen Kulturgeschichte verbunden, können aufzeigen, von welchen
Vorstellungen unser Weltbild geprägt ist.
Der Paradiesesbaum
Für die religiöse wie literarische Tradition ist von überzeitlicher Aussagekraft
der Paradiesesbaum. Er gilt als Lebensbaum, hat aber noch eine weitere Bedeutung als Baum der Erkenntnis. Im
zweiten Schöpfungsbericht der Genesis
heißt es: „Gott pflanzte einen Garten in
Eden und setzte dahinein den Menschen.
Gott ließ aus dem Erdboden allerlei Bäume hervorwachsen, lieblich anzusehen
und gut zu essen, den Baum des Lebens
mitten im Garten und den Baum der Erkenntnis des Guten und des Bösen.“
Die Geschichte des Sündenfalls und
die Vertreibung aus dem Paradiese ist
mehr als bekannt. Wichtig ist, dass im
Neuen Testament, in der Apokalypse,
das Bild des Lebensbaumes wiederkehrt.
Diese Bibelstelle habe ich wie folgt übersetzt:
Hier steht der Baum des Lebens, ohne zu altern oder morsch zu werden,
bringt er jeden Monat neue Frucht,
zwölfmal im Umlauf der Zeit. Auch
die Blätter bringen Heilung. Nichts
Ungenießbares mehr, die Kraft des
Wassers und der Erde, das Licht des
Himmels durchdringen ihn.
(Off. 22,2-5)
Das biblische Bild des Lebensbaumes
spiegelt sich in vielen Dichtungen und religiösen Werken, ist Sinnbild für das
heilsgeschichtliche Verständnis des Menschen, steht aber auch für das Wachsen
und Gedeihen auf Erden allgemein.
Die Weltesche
Yggdrasil
Yggdrasil ist in der
germanischen Mythologie der Name einer
Esche, die als Weltenbaum den gesamten
Kosmos verkörpert.
Seine Deutungen in
den indogermanischen
mythologischen
Schriften sind so vielfältig, dass hier nicht
darauf eingegangen
werden kann. Nur ein
Hinweis: Er ist der
Baum des höchsten
germanischen Gottes
Odin, der sich selbst an
Yggdrasil aufhängt,
um das geheime Wissen bei den Wurzeln
Yggdrasils zu erlangen. Man kann Yggdrasil als einen Wissensbaum sehen, der
ein Verständnis der
Welt und der Götter
preisgibt. Die Edda
zeigt die verschiedeAlter Ahorn im Dorf Langenstraße
nen Bedeutungen von
Foto: Hildegard Nordberg
Yggdrasil auf. Für uns macht er darauf
aufmerksam, welch hohen Rang Bäume
und Wälder bei den Ger manen hatten.
zehnlinden“ literarisch verwandt, um Elmar, den Herrn vom Habichtshofe, in
Die Donareiche
seiner Herkunft aus dem germanischen
Welche Bedeutung die Bäume für die Götterglauben zu charakterisieren:
germanische Mythologie hatten, ist uns
Grüne Lichtung! In der Mitte
in eindrucksvoller Weise überliefert. Es
stand die graue Donnereiche,
ist die Fällung der Donareiche, geweiht
riesenhaft vor all den Riesen
dem germanischen Gott Donar bzw.
auf und ab im Gaubereiche.
Thor, dem Gott des Gewitters und Donners. Bei seiner Missionierung musste
Hehr und breit wie Tempelhallen
sich Bonifatius mit der Verehrung alter,
wölbte sich das Astgeschlinge,
ehrwürdiger Bäume auseinandersetzen.
altgeweiht, von Frevlerhänden
Dabei stieß er auf die Donareiche. Um
nie verletzt mit Beil und Klinge.
die zum großen Teil noch nicht zum
Denn nach Sag‘ und Väterglauben
Christentum bekehrten Chatten, einem
war sie eines Gottes Eigen, der da
germanischen Stamm, vom Christentum
rauscht‘ im dunkeln Wipfel, der da
zu überzeugen, ließ er im Jahre 723, unweht‘ in Stamm und Zweigen.
ter dem Schutz fränkischer Soldaten und
in Gegenwart zahlreicher Chatten, die Die Judenbuche
uralte Eiche fällen. Damit wollte er die
Bekannt aus der Literatur ist die JuÜberlegenheit des christlichen Gottes denbuche in der gleichnamigen Novelle
unter Beweis stellen. Aus dem Holz der Annette von Droste-Hülshoffs. Die JuEiche ließ er eine dem hl. Petrus geweih- denbuche stand in einem Waldstück, in
te Kapelle bauen. Friedrich Wilhelm We- dem der Jude Aaron erschlagen wurde
ber hat die Donareiche in seinen „Drei- und an der sich später Friedrich Mergel
125
S AUERLAND N R . 3/2010
erhängte. Die Juden der Umgebung ritzten in die Rinde in hebräischer Schrift
den Spruch: „Wenn du dich diesem Orte nahest, so wird es dir ergehen, wie du
mir getan hast.“ Die Stelle im
Breder Holz, an der die Judenbuche
stand, ist heute noch zu sehen.
Der Lorbeerbaum
Von ihm gibt es in den „Metamorphosen“ des Ovid eine wunderbare
Geschichte. Die Nymphe Daphne wird
von ihrem Vater in einen Lorbeerbaum
verwandelt, um vor der Liebesnachstellung des Gottes Apoll geschützt zu
sein. Noch heute gilt der Lorbeerzweig
als Zeichen des Sieges und des Ruhmes.
„Das Dorf B. galt
für die hochmütigste
schlauste und kühnste
Gemeinde des ganzen Fürstentums
Nah das Brederholz
wo die Judenbuche stand
und eine Geschichte bewahrt
von der Droste wiedererzählt
Vermoost der Steinhaufen
einzelne aufgelesene Feldsteine
an dem Ort des Totschlags
von dem er
mit dem Kainsmal fortlief
und als Doppelgänger
zurückkehrte
“
Apoll empfand für Daphne, das
Kind des Peneus, die erste Liebe: sie
war vom Zorn des Cupido gefügt,
nicht vom Zufall
•••
Apoll – er liebt!
Er hat Daphne erblickt und ersehnt die Vermählung,
und er hofft auf Erfüllung:
dem Seher ist dunkel die Zukunft.
•••
Er preist ihre Hände und Finger,
preist ihre Arme: sie trägt sie entblößt wohl über die Hälfte;
was ihm verborgen,
reizt ihn noch mehr.
Doch sie flüchtet geschwinde,
leicht wie der Wind, und bleibt
nicht stehn, wenn er so ihr
nachruft:
Erneut ausgeschlagene Hainbuche, im Kneblinghausen Feld
Foto: Hildegard Nordberg
„Warte Daphne! O bitte!
Nicht jagt dir ein Feind nach ...“
Daphne ruft:
„Vater, verwandle mir die Gestalt,
die der Kränkung mich preisgibt!“
Kaum hat sie solches gebetet,
da fällt eine schwere Erlahmung
ihr auf die Glieder,
die schwellende Brust überzieht
sich mit feiner Rinde;
es wachsen die Haare zu Blättern,
zu Zweigen die Arme;
auch die Füße, soeben so rasch
noch, sie hangen in trägen
Wurzeln, das Haupt wird Wipfel:
was bleibt, ist glänzende Schönheit.
Ausblick
Durch unsere Gegend fahren oder
auch noch zu Fuß gehen und wahrnehmen, wie sie beschaffen ist. Der Künstler
Hagebölling hat in den letzten Jahren einige Grafiken gemacht, die von unserer
Gegend angeregt sind: die Weite des
Himmels und die Ausstreckung der
Landschaft. Er abstrahiert von Bäumen
und Büschen. Um so mehr bin ich bemüht, sie zu sehen und zu beschreiben.
Dennoch: Beides gehört zusammen, will
man die Gegend hier verstehen und erleben, ästhetisch verstehen und erleben.
Apoll — er liebt auch den Baum:
er legt an den Stamm seine Rechte;
unter der Rinde, der neuen,
erspürt er noch immer des Herzens
flatternden Schlag ...
„Weil es verwehrt ist“,
so sagt ihm der Gott,
„daß du Gattin mir werdest,
sollst du doch sicher, ich will es, als
Baum mir gehören: für immer
wirst du, o Lorbeer, das Haar, die
Leier, den Köcher mir schmücken,
wirst auch die Helden von Latium
zieren, wenn froh des Triumphes
Zuruf erschallt und zum Capitol
der Festzug emporsteigt. ...“
Neue Mitglieder
bzw. Abonnenten
Dr. Ralph Röttgen, Sundern
Katja Friedrich-Schnütgen, Lennestadt
Hans-Friedrich Droste, Sundern
Günther Schroer, Sundern
Hubert Wienecke, Sundern
Hubertus Rudolphi, Sundern
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S AUERLAND N R . 4/2009
tretboottürkis und
rennschlittenrosa
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K
CMY
CM
CY
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15.09.2010
14:10:00 Uhr
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S AUERLAND N R . 3/2010
Konzeptkunstwerk „Auf Zeit ...“ in der Alten Synagoge in Meschede
„Ein fremder Blick auf das Vertraute“
Vom 2. – 23. Mai 2010 war in der alten Synagoge in Meschede die Ausstellung „Auf Zeit ...“ zu sehen. Sie zeigte
ein Konzeptkunstwerk der Kunstlehrerin
Christin Raue, das sich mit Momenten
der Befremdung und inneren Auseinandersetzung mit der Migration im eigenen
Land auseinandersetzte. Dabei wurden
vor allem biografische Aspekte wichtig.
Im Sachsen-Anhaltischen Zerbst geboren, verbrachte Christin Raue ihre frühe
Kindheit in der ehemaligen DDR. Nach
dem Studium der Kunstpädagogik und
Geschichte in Leipzig (2001–2007),
nahm sie eine Stelle im Vorbereitungsdienst Gymnasium der Benediktiner in
Meschede (2008-2010) an. Seit Februar
2010 arbeitet sie dort als Lehrerin.
Erst im Sauerland wird eine Sachsen-Anhalterin zum „Ossi“?
Sie ging ins Sauerland mit dem Vorsatz nur für zwei Jahre zu bleiben. Vorherrschend war also das Bewusstsein,
dass diese Zeit vorläufigen Charakter
hat, jedoch als Weiterentwicklung des
beruflichen Lebenslaufs notwendig ist.
Dabei wurde sie nach eigener Aussage in
Nordrhein-Westfalen bzw. im Sauerland
erstmals direkt damit konfrontiert, „Ossi“ zu sein. Das Bewusstwerden der eigenen Herkunft und – damit einhergehend
– das Zurückgeworfen – werden auf Klischees und Vorurteile, Verspüren von
Hierarchie und Hegemonie im eigenen
Land veranlasste Christin Raue zu einer
künstlerischen Auseinandersetzung mit
diesem Aufenthalt „auf Zeit“ im Sauerland bzw. in einem der alten Bundeslän-
von Christin Raue
Und täglich grüßt
die deutsche Flagge
Die künstlerische Auseinandersetzung
Raues mit ihren deutsch-deutschen Erfahrungen im Sauerland fand zum einen
in durch Polaroids „eingefangenen“
Wahrnehmungen und zum anderen
durch Texte des inneren Dialogs statt.
Porträtfoto
der. „Und wenn sich das im ersten Moment trocken und humorlos anhört, ist
es nur müßig zu erwähnen, dass der ein
oder andere Teil des Kunstwerks von
Kontaktversuchen wie ,Kennste den
schon ...‘ – dann folgt der nächste Ossiwitz – bis hin zu Aufforderungen wie
,Sag doch mal was auf Sächsisch!‘
herrührt“, so die Künstlerin. Da wurde
dann aus der Sachsen-Anhalterin ein
„Ossi“. Aus dem Ossi wurde dann eine
Sächsin - schlimmer geht es in den Augen von Sachsen-Anhaltern nicht. Und
aus der Sächsin wurde auch schon mal
eine „Ossischlampe“ oder eine Kollegin
mit Migrationshintergrund. Die Künstlerin „gibt inzwischen zu“: „Ja, ich bin ein
Ossi!“ und fügt hinzu: „... wenn ich alles
andere [eben erwähnte] nicht mehr sein
muss!“
Polaroidarbeiten
Die kleinformatigen Polaroid-Fotografien jedoch zeigten das „schöne“ Sauerland – entgegen jeder Postkartenidylle
– als menschenleere Tristesse, die sich zu
einer unmenschlichen Einsamkeit steigerten. Die Deutschlandfahne im Vorgarten der Nachbarn wirkte dabei widersprüchlich und hoffnungsvoll zugleich.
„Immer wenn ich in meiner Wohnung
auf den Balkon trat, sah ich die deutsche
Flagge. Und entweder kamen dann Gedanken, die mit ,Wir sind ein Volk!‘ – mit
Ausrufezeichen – oder mit ,Wir sind ein
Volk?‘ – mit Fragezeichen endeten.“ Die
fotografische Dokumentation auf den Instant-Fotografien offenbarte zudem Architektur von gestern, suggerierte Geschmacklosigkeit und altmodisches Denken. Sie zeigten Landschaften, die den
Eindruck erwecken, hinter Bergen festzusitzen. Begrenzt und zum Teil düster
erschien die durch die Minderwertigkeit
der Polaroidfotografie entwertete Bergwelt. Zugleich standen die Polaroids wie
kein anderes fotografisches Medium für
Vergänglichkeit und Verblassen einer Erinnerung. Auch wenn die Wahrnehmung der neuen, fremden Umwelt von
einer gewissen Ablehnung gezeichnet zu
sein schien, so machte Christin Raue in
128
der Dokumentation auch einen Versuch
der Annäherung, ein Versuch des Sichzu-eigen-machens - „auf der Suche nach
einem Sauerländer im Ossi ... oder auch
umgedreht: nach einem Ossi im Sauerländer“, so Christin Raue mit einem
Augenzwinkern.
Deutsch-deutsches Theater
und/oder Schützenfest
Als quasi einleitende Idee zu den Bildkomplexen dienten zwei separate, übergroß abgebildete und gerahmte Texte.
Der Abschnitt „Auf Zeit ...“ äußert erste
Gedanken und Erfahrungen in der deutschen Fremde und endet mit der ebenso
tiefenphilosophischen wie oft von Sauerländern gestellten Frage: „Von wo
kommst du wech?“ Diese wird dann abschließend kommentiert: „Plötzlich war
ich wer – nämlich auf Zeit Mitwirkende
eines deutsch-deutschen Theaterstücks.“
Der zweite Textabschnitt „Der Freischütz ...“ (nach Carl Maria von Weber)
spielt auf die ambivalente Rolle der Natur bzw. des Waldes - ein nicht unwesentlicher Bestandteil der von Einheimischen
gepriesenen Idylle - an. „Dieser bildet zugleich das Schöne, das Lichtdurchflutete,
Farbige, Geheimnisvolle, Märchenhafte,
das Nebel verschleierte sowie das Düstere, Unheimliche, das Gespenstische, das
Furchterregende, Finstere und Beängstigende ab. Man kommt in die Fremde,
die etwas Ungewisses birgt. Fremdes,
das man nicht versteht bzw. begreift: andere Bräuche, eine andere Sprache.
Fremd in Deutschland. Sich in der düsteren Wolfsschlucht zwischen diesen be-
S AUERLAND N R . 3/2010
waldeten Bergen befinden. Für die anderen nicht sichtbar, die Liebsten nicht sehen können. Die begrenzte Sicht. Die
lichte und die dunkle Seite der romantisch-idyllischen Landschaft.“, erklärt die
Künstlerin. Doch auch der Aspekt der
Annäherung, gewürzt mit einer unüberhörbaren Ironie, wird in diesem Textabschnitt wieder deutlich: „Versuch der Integration auf dem Schützenfest Meschede Süd (... der Meister soll leben). Prozession. Walzer. Volltrefer.“ Dann wieder
Befremdung: „Glaube, Sitte, Heimat.
[...] Lasse ich meine Heimat im Stich?
Was war meine Heimat? Wo wird meine
neue Heimat sein?“
„Ich verstehe nicht“ – so beginnt
der deutsch-deutsche Dialog?
Das im Titel aufgegriffene Motiv der
Zeit erklärte sich nicht nur durch die zeitliche Begrenztheit des beruflichen Lebensabschnittes, sondern auch durch
den Bezug zur Zeitgeschichte. Dieser
wurde durch einen Briefwechsel, ebenfalls als großformatig gerahmte Texte,
zwischen Ost- und Westdeutschen als
Schlusspunkt der Betrachtungen hergestellt. Ein zunächst als wütender Vorwurf
und Anklage gegen Einstellungen und
Verhalten Westdeutscher formulierter
Brief, den Christin Raue schon vor etwa
einem Jahr an ihre westdeutsche Verwandtschaft verschickte, lässt nicht nur
nach den letzten Sätzen tief durchatmen:
„Die Verachtung, die die Menschen hier
der DDR entgegenbringen, gleicht dem
Desinteresse an meiner Vergangenheit.
Sie wird dadurch wertlos gemacht und
Polaroidarbeiten
sie machen mich damit ein Stück kleiner.
Ich stehe in der Hierarchie weiter unten,
weil ich acht Jahre kürzer bin. Ist es denn
da verwunderlich, dass es im Osten Menschen gibt, die die Mauer wiederhaben
wollen. Denn wer hat schon gern permanent das Gefühl, weniger Wert zu sein
als der Rest der Republik?“ Ausgelöst
wurden diese Gedanken von einem
Kommentar eines Bekannten: „Ich verstehe nicht, wie sich so viele Studenten
in Jena den Sozialismus zurückwünschen können, nach allem was war.“
Von da an beschreibt die Künstlerin die
in ihr weiterlaufende Diskussion „voller
Energie, Wut und Verteidigungsdrang“:
„Es hat mich hier noch niemand gefragt,
wie ich meine Kindheit in der DDR empfunden habe. Alle wollen mir immer nur
ihr undifferenziertes Urteil aufs Auge
drücken, ganz so als hätten sie Angst,
dass mein verblendetes Ossi-Hirn nach
eigenem Nachdenken zu dem falschen
Schluss kommen könnte.“ Dies und
mehr konnte man in der Ausstellung auf
zwei großformatigen „Textrollen“ nachlesen. Einem westdeutschen Ehepaar
wurde dies jedoch eines (vorausgegangenen) Tages per Post mitgeteilt.
„Liebe Christin“ – so beginnt der
deutsch-deutsche Dialog!
Diese antworteten wiederum mit je einem Brief. Zum einen wurde dadurch ein
weiterer zeitlicher Horizont eröffnet, indem die Migrationserfahrung in der Reaktion der geflüchteten Schlesierin als
Kontinuum in der deutschen Geschichte
auftaucht. „Du wirst nicht ahnen, wie
129
S AUERLAND N R . 3/2010
mich (uns) Dein Brief aufgewühlt hat,
weil er mich sehr an meine eigene Lebensgeschichte erinnert.“ In dieser ersten
Antwort „outet sich“ die so genannte
„Vergessene Generation“ der heute 7080jährigen mit ihren Kriegs- und Fluchterfahrungen, aber auch Verlusten und
Demütigungen: „Neun Jahre alt, letzte
Kriegsmonate, Flucht, Kriegsende –
Wende auch –, 1946 Vertreibung aus
Breslau, zwei Jahre SBZ bei Dresden,
1948 Flucht in die gerade gegründete
BRD, Leben zur Untermiete, in Ruinen ...,
1950 die erste abgeschlossene Schlichtwohnung seit fünf Jahren, zusammengestoppelte Möbel, zwei Jahre Schulverlust, mehrere Schulwechsel - Flüchtlingskind im Osten wie im Westen! ...“ Aber
die Briefschreiberin macht auch Mut:
„Liebe Christin, du bist nicht acht Jahre
kürzer sondern acht Jahre - wenn nicht
mehr - voraus [...].“ Christin Raue erklärt: „Dieser Brief meiner Verwandten
hat mich sehr berührt, weil er so persönlich geschrieben war und mir das Gefühl
gab, dass wir etwas teilten.“
Zum anderen wurde der Anklage, die
die Künstlerin in ihrem Brief laut werden
ließ, durch einen weiteren Antwortbrief
entgegnet: „[...] Das für mich beunruhigende ist aber, dass Du in Deinem Brief
viele Fragen schon selbst beantwortet
hast.“ Die Mahnung zur Offenheit auf
beiden Seiten in diesem zweiten Brief begründete aber abschließend die Hoffnung auf Versöhnung mit Eigenem und
Fremden: „Ich denke, dass die Frage für
Dich sein kann, wie Du auf die Belehrungen reagierst. Nicht mit Gegenerklärungen, sondern offen; etwa: Was
wollen Sie mir damit sagen? Oder mit einer Gegenfrage. Darüber sollten wir reden!“
Von der Romantisierung der
Heimat und der „Überversorgung“
aus dem Osten
Neben der literarischen Auseinandersetzung und den Polaroids, die innere Befindlichkeiten in die Wechselwirkung mit den schriftlich formulierten
Gedanken und Erfahrungen setzten,
nahm eine Installation zudem Bezug auf
familiäre und emotionale Bindungen zu
der ostdeutschen Heimat. Ein in der
„VEB Blechbearbeitungsmaschinenwerk“ hergestellter Campingtisch war
über und über beladen mit Briefen, Kon-
frontiert. Eine ältere Dame kam am
Eröffnungstag auf mich zu und erklärte
mir, sie sei Schlesierin. Sie bedankte sich
bei mir dafür, dass ich das aussprach,
was sie nie hätte aussprechen können.“
Auch Herr Prof. Buschkühle stellte in
der Eröffnungsrede fest, dass „Auf
Zeit ...“ nicht nur eine biografische Dimension enthalte, sondern dass die Texte der Ausstellung auch eine zeitgeschichtliche gebe. „Sie werfen Fragen
auf, die über das Persönliche hinausgehen.“ Prof. Buschkühle sah die Kontroverse der Ausstellung in dem „fremden Blick auf das Vertraute“, denn „das
Routinierte neu zu sehen ist nicht immer
angenehm.“
Die Künstlerin Christin Raue:
„Hausaltar“
serven, Verpackungsmaterialien von Lebensmitteln und sogar einer Wurst. Aufgetürmte Schuhkartons verrieten, dass
sie jüngst von Verwandten als Pakete
von Ost nach West (!) versandt wurden.
Den oberen Abschluss bildete die Abbildung eines barocken Kirchenaltars auf
einem von der Kreissparkasse AnhaltBitterfeld gesponserten Kalenders. „Vieles davon konnte ich gar nicht gebrauchen oder verbrauchen. Ich konnte diese
Dinge aber einfach nicht wegwerfen“,
erklärt die Künstlerin. Die gesamte Installation mutete an wie ein „Hausaltar“
und rief – wohl je nach Herkunft des Betrachters – ambivalente Assoziationen
hervor: religiöse Befremdung, Aspekt
„Kloster auf Zeit“, Gabentisch, Erntedank, Opfergaben, Gedanken bzw. Erinnerung an die Heimat, die Romantisierung derselben, akribisches Sammeln
von Reliquien, übertriebene Fürsorge,
vom Postpaket zum „Ostpaket“.
geboren am 26.03.1982 in Zerbst in SachsenAnhalt
2000 Abitur im Gymnasium Francisceum in
Zerbst
2001-2007 Studium an der Universität Leipzig, Institut für Kunstpädagogik
2007 künstlerische Abschlussarbeit im Bereich der Konzeptkunst und Erstes Staatsexamen für Sekundarstufe I und II für die
Fächer Kunst und Geschichte
2008-2010 Vorbereitungsdienst zum Lehramt am Gymnasium der Benediktiner in Meschede
2010 Zweites Staatsexamen für die Sekundarstufen I und II für die Fächer Kunst und Geschichte
seit Februar 2010 Lehrerin am Gymnasium
der Benediktiner in Meschede
künstlerischer Schwerpunkt: Konzeptkunst,
Grafik und Fotografie
Wer hat Angst vorm Ossi
(oder auch vor sich selbst)?
Der Konzeptcharakter der Arbeit insgesamt barg jedoch Raum für Assoziationen, Erfahrungen und Fragen, die
der Betrachter mit seinem individuellen
biografischen Hintergrund einbringen
konnte und sollte. „Die Selbstbefragung
war eine wesentliche Intention des Werkes“, so Christin Raue. „So wurden die
Betrachter vor allem mit sich selbst kon-
Redaktionsschluss
für die
nächste Ausgabe
ist der
15. November 2010
130
S AUERLAND N R . 3/2010
Die Hünenburg Meschede
Ortstermin mit der Geschichte
von Leo Klinke*)
Weiten Teilen der Bevölkerung unbekannt liegt ziemlich genau 1500 m Luftlinie entfernt vom Mescheder Stadtzentrum die frühmittelalterliche Anlage der
sogenannten Hünenburg. Ein äußerer
590 Meter langer Wall- und Grabenring
umschließt einen inneren von 280 Metern Länge. Unter den Wallstrukturen
haben sich Sockel- und Mauerfragmente
des 8. bis 10. Jahrhunderts erhalten.
Repräsentation,
Macht, Missionierung –
Die Funktionen der Hünenburg
Die Stadt Meschede liegt an der Kreuzung von historischen Fernwegen, die
hier in einer Furt die Ruhr überquerten.
Im Norden führt der überregionale
„Plackweg“ als geschichtlich bedeutende
Ost-West-Verbindung vorbei. Von Südwesten aus kommend führt der „Kriegerweg“ von Siegen über Meschede nach
Paderborn. Darüber hinaus ist auch die
Hansestadt Soest als wichtiges Zentrum
des (Salz-)Handels durch eine direkte
Straße mit dem Handelsplatz Meschede
verbunden. Des Weiteren verläuft über
die westlichen Höhenrücken ein historischer Fernweg Richtung Hönnetal. Daher ist schon fast schon von einem Verkehrsknotenpunkt zu sprechen. Dieser
führte zum wirtschaftlichen Wachstum
als Handelsplatz, sodass König Otto III.
im Jahr 958 der Stadt die Markt- und
Zollrechte bewilligte.
Die Hünenburg ist mit großer Wahrscheinlichkeit der Stammsitz der Grafen
des Lochtrop-Gaus, die um 900 in Meschede lebten. Ihre auf Handel und Heirat basierende Expansionspolitik machte
sie zu den sehr einflussreichen späteren
Grafen von Werl, die weite Gebiete zwischen Rothaargebirge und der Nordsee
und viele wichtige vom Rhein ostwärts
führenden Straßen beherrschten. An
diesem wirtschaftlich und politisch strategischen Punkt errichteten sie ihren repräsentativen Stammsitz.
Vom Ruhrübergang der Fernwege
und von der mittelalterlichen Stadt Meschede gut sichtbar, ist die Hünenburg
auf einem Hochplateau errichtet worden. Allein der Richtung Zentrum ausgerichtete Abschnitt der Außenmauern hat
eine Länge von weit über 200 Metern
und lässt sie von unten betrachtet imposant erscheinen. So legt der Standort der
Überwachsene Wälle
Größe von Hünenburg und Stadtareal im 10. Jh.
Burg nahe, dass sie sowohl der lokalen,
wie auch der überregionalen Machtdemonstration und Repräsentation ihrer
Besitzer diente.
Auf Grund ihrer Größe (vgl. Abb. Hünenburg und Stadtareal im 10. Jh.)
wird die Hünenburg aber auch in Zeiten
kriegerischer Auseinandersetzung, die in
dieser fränkisch-sächsischen Grenzregion im Mittelalter eigentlich immer wieder gedroht hat, als Fliehburg gedient
haben. Im Besonderen sind Religionskonflikte ausgetragen worden, da hier
Christentum auf heidnischen Glauben
stieß. So ist auch eine Funktion als religi-
Digitale Zeichnung nach
Hünenburg Twistringen
131
S AUERLAND N R . 3/2010
onspolitisches Druckmittel denkbar:
Schutz als Fliehburg wird nur der Bevölkerung geboten, die bereits christianisiert ist, wodurch die Repression der
übrigen Bevölkerungsteile verstärkt und
der Druck zum Glaubenswechsel erhöht
wird.
In diesem Kontext steht auch die
Gründung eines Kanonissen-Stifts in der
zweiten Hälfte des 9. Jahrhunderts. Erste Äbtissin ist Emhildis, die aus dem Geschlecht der Mescheder Grafen des
Lochtrop-Gaus, der späteren Grafen zu
Werl, stammen soll. Zehn Priester sind
für die Betreuung des Konvents verantwortlich.1 Die große Anzahl der Geistlichen legt deren missionarische Tätigkeit in dieser Region nahe. Erst wenige
Jahrzehnte zuvor war der Landstrich
überaus gewaltsam durch Karl den
Großen christianisiert worden, wodurch
der christliche Glaube in der breiten Bevölkerung zunächst wohl auch auf massive Ablehnung gestoßen sein dürfte. Missionierung und Glaubensfestigung werden daher die obersten religionspolitischen Ziele gewesen sein.
Bereits vor 876 wird mit dem steinernen Großbauten der Stiftskirche begonnen. Die Dimensionen des Baus legen
nahe, dass er als repräsentatives Signal
zu verstehen ist und um diese Zeit kaum
durch einen tatsächlichen Platzbedarf
begründet gewesen ist.2 Vielmehr manifestiert er den religiösen und politischen
Machtanspruch der Grafen zu Werl.
wurde auch diese zum komfortablen
„Steinbruch“ und Baustofflager, dessen
kostbares Baumaterial neuen Nutzungen
zugeführt wurde.
Zu Beginn des 19. Jahrhunderts scheint
die Hünenburg keine prägnante Landmarke für das Mescheder Stadtgebiet gewesen zu sein, denn Annette von DrosteHülshoff, die die Region 1824 bereiste,
berichtet zwar von der benachbarten
Eversberger Burg, über Meschede führt
sie allerdings nur aus: „... dennoch lässt
sich nichts hervorheben, es gibt weder
Felsen, noch Ruinen …“4
1833 wird das Gelände der Hünenburg regelrecht abgetragen wie aus einem Brief, der 1878 durch F. Hülsenbeck im Rahmen von Lokalforschungen
veröffentlicht wurde, hervorgeht.5
Durch das Abtragen der Mauern sind
die innen angeschütteten Wälle über die
noch verbliebenen Mauerreste gerutscht,
teilweise auch bis in die außenliegenden
Gräben und haben diese mit ihrem Erdund Geröllraum zum Teil verschüttet, sodass die Mauern heute nur noch als Erdwälle und in viel geringeren Ausmaßen
wahrnehmbar sind.
Des Weiteren wird im 19. Jahrhundert auf dem Gelände der Hünenburg
dann ein Ausflugslokal mit Gartenwirtschaft betrieben. Hierfür planierte man
das Innere der Hauptburg und Teile der
Vorburg wurden terrassiert.
1971 entsteht eine erste Vision, den
historischen Wert der Hünenburganlage
ins Blickfeld zu rücken und sie für die Öffentlichkeit attraktiv zu gestalten. Es werden vier Hinweistafeln an verschiedenen
Punkten der Burganlage aufgestellt, die
Besucher über die kulturgeschichtliche
Bedeutung der Anlage aufklären sollen.
1984 erfolgte dann die Eintragung
der Hünenburg Meschede in die Liste
der Bodendenkmäler des Landes Nordrhein-Westfalen.
In den danach folgenden Jahren hat
jedoch das geschichtliche Interesse der
Allgemeinheit an der Hünenburganlage
stark abgenommen. Die Vegetation
überwucherte die Wallstrukturen und hat
so das charakteristische Relief der Anage
fast gänzlich unsichtbar gemacht.
Ein Hünenburgverein hat sich dafür
einsetzt, dass die Burg trotzdem besucht
wurde. Die Zielgruppe hat sich jedoch
verlagert, da die Anlage nun für private
Freiluft-Festivitäten zu buchen ist. Hier für hat der Verein zuletzt im Sommer
2005 die jetzige Grillhütte samt Platz
ausgebaut. Dabei ist es jedoch zur Zerstörung des Burgtor II gekommen. Der
Tordurchgang ist ohne Absprache mit
der Denkmalbehörde deutlich verbreitert
worden, um die Zufahrt von Baumaschinen zu erleichtern. Der historisch mit einer Breite von 2,3 Metern am Eingang
und 3 Metern am Ausgang vermessene
Werte-Wandel –
Die Hünenburg im Zeitraffer der
Geschichte
Wann genau jedoch die Hünenburg
ihre Bedeutung verliert, bleibt im Dunkeln. Das Geschlecht der Grafen von
Werl erlischt 13713. Bereits deutlich
früher wird die Funktion der Befestigungsanlage als Fliehburg in Glaubenskriegen unwichtig geworden sein, da die
christliche Missionierung rasch erfolgreich war.
Natürliche Witterung, aber auch das
Abtragen und Wiederverwenden der
Steine zum Bau anderer Gebäude durch
nachfolgende Generationen, haben zum
Zerfall der einst massiven Mauern geführt. Wie viele andere Burganlagen
In die Jahre gekommene Infotafel
132
S AUERLAND N R . 3/2010
Zugang6 ist auf heute (nach eigener Messung des lichten Maßes) 4,4 Meter Breite vergrößert worden. Ein solch massiver
Eingriff ist jedoch unvertretbar und gesetzeswidrig, da auf diese Weise historisches Allgemeingut unwiederbringlich
zerstört wird.
Im Januar 2007 richtete dann auch
noch der Orkan Kyrill große Schäden auf
dem Areal der Hünenburg an, in dem er
den dortigen dichten Fichtenbestand zu
Fall brachte. Die Wurzelteller der umstürzenden Bäume haben das Erdreich aufgeworfen und dabei Wallteile abgetragen
oder sogar Teile der Mauern durch Herausreißen der Steine zerstört. Dadurch
sind wichtige Informationen über den
Aufbau der historischen Mauern verloren gegangen. Inwieweit die Wucht des
Falls der stürzenden Stämme die Mauern
unter den Wällen und im Erdreich in Mitleidenschaft gezogen haben, wird sich
erst bei späteren Grabungen herausstellen. Aufgrund des Gewichts und der
Dichte der umgestürzten alten Bäume
muss jedoch damit gerechnet werden,
dass hier weitere Schäden erfolgt sein
können.
Rettungsmaßnahmen
Für die Stadt Meschede und die Denkmalbehörde ist klar, dass der Erhalt des
Bodendenkmals eine echte Herausforderung, aber auch eine lohnenswerte
Aufgabe ist, da sie doch Vergangenheit
und geschichtliche Wurzeln unmittelbar
erfahrbar macht. Aber was erhalten werden soll, muss auch gepflegt werden. Allein schon Witterung und Umwelteinflüsse setzen einem Bodendenkmal
zu. Unbeobachtet ist es aber oft noch anderen Bedrohungen ausgesetzt, vielfach
aus Unwissenheit. Da helfen nur Aufmerksamkeit, Aufklärung und Pflege.
Für die Zukunft ist deshalb geplant,
dass die Hünenburg eine gezielte Bepflanzung erhält. Das Konzept von
Stadt, Forst und Denkmalbehörde sieht
vor, dass die Burganlage durch ein Blätterdach vor Witterung geschützt wird.
Aus den Erfahrungen mit Kyrill weiß
man, dass eine Nadelholzbepflanzung
dafür jedoch nicht geeignet ist. Daher
sollen Laubhölzer zunächst recht dicht
gepflanzt werden. Deren Blätterdach
wird dazu führen, dass der Boden schattig bleibt und so aus Lichtmangel weni-
ger Wildwuchs die Hünenburg überwuchern wird. Unterhalb der Baumkronen
sollen etwa 6500 m² Landschaftsrasen
entstehen. Dieser ist sehr dicht und bedeckt den Boden völlig, so dass auch deshalb kaum „Unkraut“ empor wachsen
kann. Der Rasen wird das gesamte Burgareal samt der Wälle und Gräben überziehen. Die farbliche Gleichmäßigkeit
der immergrünen Fläche lässt dann die
hügelige Ober fläche klarer hervortreten
und macht damit die Burganlage besser
sichtbar.
Um einen Gesamteindruck von Stift,
Stadt und Burg zu bekommen, ist eine
Sichtachse zwischen Hünenburg und
Stadtzentrum geplant. Dafür wurde be-
reits 2003 westlich der Burg ein größeres Areal durch die Stadt Meschede angekauft, um die zukünftige Unverbaubarkeit zu sichern. Als Basis der Sichtachse ist hier der Wald bereits gerodet.
Der Ruhrübergang der historischen
Fernwege an der Flussfurt, an der heute
die Antoniusbrücke steht, ist aber noch
immer nicht zu sehen. Um diesen Blick
zu ermöglichen, müsste der Wald südwestlich der Burg geschlagen und dann
lediglich mit Buschwerk wieder aufgeforstet werden. Mindestens aber müssten
forstliche Rückegassen in den Waldbestand als Blickachsen gebracht werden, da diese sowieso im ungefähren Abstand von circa 20 Metern angelegt werden.
Reliefmodell aus dem Archiv des Sauerland-Museums Arnsberg
133
S AUERLAND N R . 3/2010
Man kann nur achten und schützen,
was man kennt und versteht
Je mehr man über ein Bodendenkmal
weiß, desto leichter fallen die umsichtigen Entscheidungen beim Umgang mit
ihm. Daher sind Beschilderungen sehr
notwendig. Diese Informationstafeln
sollten anschaulich für den Besucher
sein, das heißt, die Schilder müssen von
dem berichten, was der Besucher in dem
Moment sieht und sie müssen die Fragen
beantworten, die er in dem Moment hat.
Unglücklich ist es deshalb (wie bei den
momentanen Info-Tafeln), wenn der
Text vom weiten Blick in die Landschaft
spricht, dichtes Geäst diesen aber völlig
unmöglich macht. Eine solche Beschilderung und Erklärung wirkt absurd, der
Besucher fühlt sich nicht ernst genommen und wird eher verärgert als informiert. Aus diesem Grund schlage ich vor,
dass neue Tafeln die in die Jahre gekommenen alten ersetzen und dann mit neuen Schwerpunkten über die Geschichte
der Hünenburg informieren.
Ein Bronze- bzw. Aluminiummodell
der Burganlage könnte den Aufbau der
Burganlage für jeden anschaulich und für
sehbehinderte Menschen auch erfassbar
machen.7
Um die Hünenburg als Burg und nicht
als bloße Hügelanlage zu zeigen, könnte
man ein Teilstück der Umfriedung rekonstruieren wie es auch bei Ver gleichsbeispielen gemacht wurde (z. B. Hünenburg Twistringen). Um denkmalgerecht
zu arbeiten, dürfte aber lediglich das zerstörte Tor II in Form eines frühmittelalterlichen Kammertors mit einem rekonstruierten Torhaus überbaut werden. So
könnten Wallteile und auch Torhaus anschaulich ihre Funktion zeigen. Wenn
diese Rekonstruktion für den Besucher
zugänglich gemacht würde, wäre dies
natürlich besonders attraktiv, da man so
den alten erhöhten Blick über das Ruhrtal und das Mescheder Zentrum nachvollziehen kann.
Wallburgen des oberen Ruhrtals
(aus WP 03.02.1950) als Stationen einer möglichen, gleichnamigen Wanderroute
gen in der Umgebung Meschedes verbinden. Beginnend mit der Eversberger
Burg könnte er über die Eiserkaulen, an
denen im Mittelalter Eisenerz abgebaut
wurde, zur Hünenburg gehen, wo dieses
in früherer Zeit verhüttet wurde. Von
dort könnte er zur Stiftskirche St. Walburga über die alte Furt bei der Antoniusbrücke weiter über die mit dem Stift
eng verbundene Klause zum Fernweg
auf das Langeloh führen, dieser ist schon
im 7./8. Jahrhundert begangen worden,
um darauf zum frühgeschichtlichen
Friedhof bei Berghausen zu gelangen.
Über die Stesser Burg könnte er schlussendlich zur Wallburg in Freienohl, neben
welcher der Küppelturm errichtet ist,
führen.
Hier Zusammenfassung der Facharbeit
Jgst. 12, betreut durch M. Kaldewei, Gymnasium der Benediktiner Meschede
200 und 300 nahe. Im 17. Jh. ist sie auf circa 800
angestiegen. Bereits schon sehr früh (aus Quellenmangel keine seriöse Datierung möglich) hat sich
ein doppeltes Pfarrsystem mit gleich zwei Kirchen
entwickelt: das der Stiftskirche für die Bewohner
von Stift und Stiftsimmunität und das der Kirchspielskirche für die Bewohner der Umgebung. In
diesem Licht erscheint es als noch klarer, dass die
Größe des Baus nicht durch Bedarf begründet ist,
sondern ein religionspolitischer Akt ist.
Vgl. (Mescheder) Geschichtssteine, S.15
Schulte 1986, S. 84
„6. Von der Hünenburg bei Meschede gibt Dr. Kutschet in einem Briefe aus dem Jahr 1833, zu welcher Zeit die Überreste der Burg weggeräumt wurden, folgende Beschreibung, die, soviel ich weiß,
noch nicht veröffentlicht ist. „Die alten Mauern sind
zum Teil sehr schlecht gemauert. Die Steine daran
sind nicht groß und durch Kalk, der mit Grand vermischt ist, verbunden; vielfach liegen auch die Steine lose aufeinander. Die Mauern bilden fast einen
Kreis, dessen größter Durchmesser 150 und einige
Schritte hat (einschließlich der Wälle und Gräben
war die Burg 300 Schritt lang (sic!). 14 Türme waren daran teils viereckige, teils runde, jeder 6-8
Schritt dick im Laichten. Auf der Nordwestseite ist
der Haupteingang, 7 Schritt breit, auf jeder Seite
war ein Turm; auf der Ostseite ist ein zweiter Eingang, ebenfalls zwischen zwei Türmen, aber so enge, daß kaum ein Mensch hindurch kann. In demselben fand man Pferde- und Menschenzähne, Kohlen,
Asche Fragmente einer Urne und eine Art Messer,
wahrscheinlich die Spitze eines Speeres. Im Innern
der Mauerrings findet sich keine Spur von sonstigen
Bauten, nur der Schutt der eingefallenen Türme.
Um das ganze geht ein 30-40’ breiter Graben und
ein Erdwall mit Gebüsch bewachsen. Eine Ritterburg
ist es nicht. In den Mescheder Urkunden sind sie gar
nicht erwähnt. Ich halte sie für eine Burg aus der
deutschen Urzeit oder aus Karls des Großen Zeit;
vielleicht war sie ein fester Punkt der Sachsen im
Kriege gegen denselben.“ Aus: Hülsenbeck 1878
Hömberg 1983, S. 8
Grundlage könnte ein im Sauerlandmuseum Arnsberg archiviertes Reliefmodell im Maßstab 1:200
aus Gips von 1932 sein. Für Meschede als HonselStadt böte sich natürlich die Übertragung in einen
Aluminiumguss an.
1 Vgl. …walburga-tafel-klein.pdf
2 Aus den Anfangsjahren der Freiheit Meschede gibt
es kaum Informationen. Aufzeichnungen des 14.
Jh. legen allerdings eine Einwohnerzahl zwischen
Literatur
Hömberg, Albert K.: Die Karolingisch-Ottonischen
Wallburgen des Sauerlandes in historischer Sicht, in:
Zwischen Rhein und Weser, Aschendorffsche Verlagsbuchhandlung, Münster 1967.
Zusätzlich ist zukünftig darüber hinaus
natürlich auch eine Vernetzung mit den
übrigen Wallburgen des oberen Ruhrtals
durch Wanderwege vorstellbar.
Unser jüngster
Mitarbeiter:
*) Leo Klinke bei seinem Referat anläßlich der gemeinsamen
Sitzung von Vorstand
und Redaktionsausschuß am
12. März 2010
in Oberhenneborn.
Foto: Hans Wevering
Mescheder Burgen-Wanderweg
Um die Hünenburg Meschede stärker
im öffentlichen Bewußtsein zu verankern
und um ihr neue Besuchergruppen zu erschließen, wäre sie als Teil einer neu anzulegenden Wanderroute, eines Burgenwegs, vorstellbar. Dieser sollte alle Bur-
3
4
5
6
7
134
Hömberg, Philipp R.: Frühe Burgen in Westfalen 1 –
Die Hünenburg bei Meschede, Hrsg. Altertumskommission für Westfalen, Aschendorff, Münster 1983.
Hömberg, Philipp R.: Burgen des frühen Mittelalters
in Westfalen, in: Hinter Schloss und Riegel – Burgen
und Befestigungen in Westfalen, Bönen 1998.
Abschrift aus: Hülsenbeck, F.: Die Gegend der Varusschlacht, nach den Quellen und Lokalforschungen,
S. 44, Paderborn 1878, aus Stadtarchiv Meschede.
Köhne, Reinhard: Die Burg am Nordhang des Ruhr-
S AUERLAND N R . 3/2010
tals, in: Mescheder Geschichte, Band 1, Hrsg. Heimatbund der Stadt Meschede, Meschede 2007.
Schulte, Bernd: Reise Anno 1824 – Im Sauerland
durchs Tal der Ruhr – Auf den Spuren der Annette von
Droste-Hülshoff, Meinerzhagen 1986.
Wolf, Manfred: Das Stift Meschede, in: Mescheder Geschichte, Band 1, Hrsg. Heimatbund der Stadt Meschede, Meschede 2007.
Internet: http://www.meschede.de/freizeit_kultur_
tourismus/tourismus/urlaub_wandern/wanderwege_
„Im reypen Koren“
Statistisches zum neuen sauerländischen Mundartautorenlexikon
von Peter Bürger
Ein seit 1994 in Arbeit befindliches
Mundartautorenlexikon des ChristineKoch-Mundartarchivs am Esloher Museum ist in diesem Jahr endlich erschienen. Das 768 Seiten umfassende Buch
heißt mit vollem Titel: „Im reypen Koren
– Ein Nachschlagewerk zu Mundartautoren, Sprachzeugnissen und plattdeutschen Unternehmungen im Sauerland und in angrenzenden Gebieten.“ Eine ausführliche Vorstellung, die ungekürzte Einleitung und sämtliche Register sind als kostenloses Heft im Internet
abrufbar (Reihe „daunlots“ Nr. 6: www.
sauerlandmundart.de).
Dort kann man alles zum
Werdegang, zum Aufbau
und zu den Anliegen des
Unternehmens nachlesen.
Ein Schlüsselgedanke: Ohne kulturelle Anstrengungen wird es im 3. Jahrtausend in der Region kein
Kulturgedächtnis der plattdeutschen Sprache mehr
geben. In dem Werk finden
gerade auch die unbekannten „kleinen Dichter“ Beachtung. So
kann hier erstmals dokumentiert werden, wie breit sich im Sauerland des
20. Jahrhunderts das Kulturphänomen
des plattdeutschen Schreibens entwickelt hat.
(151 Ortsbezüge), Hagen (38 Ortsbezüge) sowie das weitere märkische Sauerland – aber auch nähere Nachbar gebiete des Sauerlandes (z. B. einzelne
Einträge zum Ennepe-Ruhr-Kreis und
zum Waldecker Land). Die gute Darstellung des märkischen Landschaftsteils
wäre ohne gutnachbarschaftlichen Austausch mit Dr. Horst Ludwigsen, Dr. Wilhelm Bleicher und Walter Höher vom
Niederdeutschen Arbeitskreis im Heimatbund Märkischer Kreis nicht möglich
gewesen.
An dieser Stelle sollen vor allem einige ergänzende statistische Hinweise den
Blick auf die Neuerscheinung lenken.
Insgesamt gibt es über 900 Einträge.
Berücksichtigung finden der Hochsauerlandkreis (358 Ortsbezüge), der Kreis
Olpe (203 Ortsbezüge), der Kreis Soest
(163 Ortsbezüge), der Märkische Kreis
Ins Auge sticht das enorme Ungleichgewicht der Geschlechter. Von
834 Namenseinträgen entfallen nur 152
auf Frauen, was sehr zu denken gibt! Zusätzlich enthält das Buch 89 Sacheinträge zu Themenfeldern, Zeugnissen
und Quellen der Mundartliteratur und zu
plattdeutschen Projekten.
Für die ehedem kurkölnischen Kommunen seien
hier noch die gesonderten
Anteile an den Ortsbezügen
mitgeteilt. Hochsauerlandkreis: Arnsberg 62, Bestwig
11, Brilon 34, Eslohe 34,
Hallenberg 4, Marsberg 5,
Medebach 10, Meschede
44, Olsberg 21, Schmallenberg 51, Sundern 39,
Winterberg 41. Kreis Olpe:
Attendorn 22, Drolshagen
23, Finnentrop 17, Kirchhundem 32,
Lennestadt 30, Olpe 49, Wenden 19.
Kreis Soest: Anröchte 5, Erwitte 12, Geseke 13, Möhnesee 12, Rüthen 14,
Warstein 42, Werl 13, Wickede 1. Märkischer Kreis: Balve 13, Menden 12.
meschede_ker nstadt/ausflugsziel_geschichtssteine/geschichtsstein_heft_komplett.pdf
vom 10.02.2010.
http://www.st-walburga-meschede.de/
Kifue-Dateien/walburga-tafel-klein.pdf
vom 12.2.2010.
Archiv
Stadtarchiv Meschede: B 2742.
Neben den Informationen zu Leben
und Werk der plattdeutsch schreibenden
Frauen und Männer habe ich von Anfang an den Blick insbesondere auf die
jeweiligen Sprachbiographien gerichtet.
Ein Ergebnis kann trotz der noch ausstehenden Gesamtauswertung zur Sprachgeschichte schon vorweggenommen
werden: Die allermeisten Autorinnen
und Autoren haben, sofern sie nach dem
Ersten Weltkrieg geboren worden sind,
keinen ungebrochenen muttersprachlichen Zugang mehr zum Plattdeutschen.
Oft erfolgte die Sprachaneignung auf
spannenden Umwegen.
Bereitwillige Anpassung oder Mitarbeit von Mundartautoren zur Zeit des Nationalsozialismus werden weder ausgeblendet noch beschönigt. Die kritische
Beleuchtung geschichtlicher Hinter gründe gehört ausdrücklich zu den Zielsetzungen der Arbeit. Da Heimatbewegung und Mundartpflege im 20.
Jahrhundert personell wie sachlich eng
verzahnt waren, erhellen viele Einträge
auch Aspekte der Geschichte des Sauerländer Heimatbundes. Dessen DruckErzeugnisse wurden für die Bibliographien vollständig ausgewertet. Der Nutzen liegt auf der Hand, denn die entsprechenden Beiträge sind ja heute vollständig im Internet zugänglich.
Der Bearbeiter geht – nicht ganz ohne Stolz – davon aus, dass eine so umfassende bio-bibliographische Erhebung für
eine einzelne Landschaft bislang einzigartig ist. Ob das freilich zutrifft, werden
vor allem Rezensenten mit guten überregionalen Kenntnissen beurteilen müssen.
Das Werk ist für 30,- Euro zzgl. Versandkosten beim
Maschinen- und Heimatmuseum Eslohe erhältlich:
www.museum-eslohe.de (shop) – Tel. 02973/2455
und 02973/800-220.
135
S AUERLAND N R . 3/2010
Vorbildliches Projekt einer Dorfgemeinschaft
„ D O R V - Zentrum Völlinghausen“ • Überregionale Anerkennung als Verein des Jahres
von Rainer Norbisrath
Große Einkaufszentren im stadtnahen Bereich schränken die Versorgung
nichtmotorisierter und vor allen Dingen älterer Bürger ein. Vielleicht finden Leser für ihren Bereich aus dem nachfolgenden Erfahrungsbericht Lösungsmöglichkeiten und Anregungen für ein angenehmeres, problemloseres Zusammenleben.
Nein, liebe Leser, Sie haben nicht falsch gelesen und es ist auch kein
Schreibfehler. DORV mit „V“ steht für „Dienstleistungen und Ortsnahe
RundumVersorgung“. Die Idee, die dem wirklichen Bedürfnis des Ortes
entspricht, ist für unsere Region neu. Aus der Not versuchte man sich im
Internet über Lösungen zu informieren. Man fand im Dorf Barmen bei
Düren Parallelen, informierte sich vor Ort und kam zu Lösungsmöglichkeiten für die eigenen Probleme. Die letzte Informationsveranstaltung am 2. April 2009 wurde, so zeigen es die Unterlagen, professionell
vorbereitet und der Erfolg blieb nicht aus. Nach fast zweijähriger Planungsarbeit konnte am 9. April 2010 der Laden öffnen. Schon 3 Monate später,
am 14. Juli 2010, konnte für die Mitglieder, aber auch für die Öffentlichkeit mit Rundfunk und Fernsehen eine positive Bilanz vorgelegt werden.
Red.
Im Herbst 2007 hatte der Metzger in
unserem Dorf seine Pforten geschlossen, und damit war die einzige Möglichkeit dahin, irgendwelche Dinge des täglichen Bedarfs kurzfristig zu kaufen. Statt
dessen war nun immer ein ca. 7 km langer Weg – egal ob nach Sichtigvor oder
nach Körbecke – notwendig, um Frischeeinkäufe oder vergessene/spontane
Einkäufe zu tätigen.
Dieses Problem hat aber nicht nur
Völlinghausen. Bei Recherchen im Internet stießen wir auf das Dorf Barmen im
Kreis Düren, das bereits im Jahr 2001
vor ein ähnliches Problem gestellt wurde
und dieses erfolgreich gemeistert hat.
Die Lösung des dortigen DORV-Zentrums hat uns überzeugt und wir waren
sofort der Meinung, dass das auch für
Völlinghausen passen könnte. Hinzu
kommt, dass das Dorf Barmen fast eine
identische Einwohnerzahl wie Völlinghausen hat (1416 Einwohner) und eigentlich hinsichtlich Grundversorgung
eher noch besser als Völlinghausen an
andere Orte angeschlossen ist.
Wie sieht nun das Konzept „DORVZentrum Völlinghausen“ aus? Uns war
von Anfang an klar, dass wir keinen privaten Investor oder eine Handelskette als
Betreiber eines Geschäftes in unserem
Dorf finden würden. Also musste durch
die Dorfgemeinschaft ein Trägerverein/eine Gesellschaft gegründet werden,
die Investitionen durchführt und dieses
DORV-Zentrum betreibt und vor allem –
am Leben hält. Dieses ist nur durch eine
partnerschaftliche Einstellung vieler
Dorfbewohner (ja, wir wollen das!),
durch finanzielles Engagement möglichst
vieler Dorfbewohner und viel Überzeugungsarbeit der Projekt-Macher möglich.
Die Lösung mit der Dorfgemeinschaft
als Betreiber des DORV-Zentrums ist
zwar ein beschwerlicher Weg, bietet aber
auch einige Vorteile, da das Waren- und
Dienstleistungsangebot nicht allein anhand von Renditegesichtspunkten, sondern an den spezifischen Bedürfnissen
des Dorfes ausgerichtet werden kann.
Nun klärt sich auch auf, dass „DORV“
kein Rechtschreibfehler oder ein Ergebnis der Rechtschreibreform ist, sondern
für „Dienstleistungen und Ortsnahe RundumVersorgung“ steht. Für Völlinghau-
Logo des DORV-Zentrums Völlinghausen
sen wurde folgendes 3-Säulen-Modell
geplant:
Grundversorgung
Brot/Backwaren
Fleisch/Wurst
Gemüse/Obst
Milchprodukte/Käse
Getränke
Zeitschriften
Sonst. Lebensmittel
Sonst. Non-Food Artikel
Dienstleistungen
Paketdienst
Postwertzeichen
Reinigungsannahme
Lieferdienst
Anträge Gemeinde
Blick in den DORV-Laden. Für den Verkauf: Adele Mankopf und ...
136
S AUERLAND N R . 3/2010
Sozialleistungen
Hol-/Bringedienst
Apotheken-Bringedienst
Arzt-Sprechstunden
Caritas
Kegelbahn
Steh-Café
Unser Vorhaben kann nur erfolgreich
sein, wenn das Projekt eine „Wir-wollendas-Einstellung“ bei möglichst vielen
Dorfbewohnern bewirkt. Hierzu war es
erforderlich, schrittweise vorzugehen
und mit sachlichen Argumenten eine positive Meinungsbildung zu erreichen.
In einem ersten Schritt haben wir zusammen mit dem DORV-Zentrum Bar men im September 2008 eine Machbarkeitsstudie durchgeführt. Hierbei
wurden Fragen wie bsp. Altersstruktur
der Bevölkerung, öffentlicher Nahverkehr, Kaufkraft, Einkaufsverhalten, Entfernungen zu anderen Stellen der Grundversorgung beantwortet und beurteilt.
„Manches Mitglied wird
auf dem Weg von der benachbarten Stadt überlegen, ob hier
gekauft wird oder im eigenen
Laden“
Rainer Norbisrath
Ergebnis der Studie war, dass ein DORVZentrum für Völlinghausen wirtschaftlich
sinnvoll erscheint! Im nächsten Schritt
wurde eine Bedarfsanalyse bei den Völlinghausener Haushalten durchgeführt
(September/Oktober 2008). Hierbei
wurden folgende Fragen gestellt: Besteht
überhaupt Interesse an einem solchen
DORV-Zentrum? Wenn ja, welche Waren-, Dienstleistungs- und Sozialleistungsangebote werden vorzugsweise
... Marie-Theres Zepernick
Beispiele aus den umfangreichen Vorbereitungsarbeiten
gewünscht? Wie sollten die Ladenöffnungszeiten aussehen? Und schließlich
noch die wichtige Frage: Wer ist bereit,
sich an einer Trägergesellschaft zu beteiligen? Hierbei ging es nicht darum, hohe
Geldbeträge zu investieren, sondern
möglichst viele Dorfbewohner mit einem
kleinen Geldbetrag (ab 100 €) für eine
Beteiligung zu gewinnen. Das Ergebnis
der Befragung war sehr positiv! Wesentliche Bedarfsnachfragen bei der Grundversorgung bestehen nach Frischeartikeln wie Fleisch/Wurstwaren, Brot/
Backwaren und Obst/Gemüse. Auch für
einzelne Dienst- und Sozialleistungen
zeigten sich bei der Befragung eindeutige Schwerpunkte.
Im Zuge der weiteren Projektierung
wurde uns ein geeignetes Objekt für ein
derartiges DORV-Zentrum angeboten:
Die Eigentümer der Dorfgaststätte wollten Ende 2009 den Betrieb aufgeben.
Neben einem Dorfladen mit ca. 200 qm
konnten für eine Arztpraxis entsprechende Räumlichkeiten zur Verfügung
gestellt werden, die vorhandene Kegelbahn sollte möglichst erhalten und für die
„Dorfkommunikation“ sollte ein Stehcafé (mit Sitzgelegenheiten) eingerichtet
werden. Wir haben die notwendigen
Umbaumaßnahmen mit den daraus resultierenden Kosten geplant, die notwendigen Investitionen für Ladeneinrichtung und -ausstattung berechnet, den
137
S AUERLAND N R . 3/2010
Einladende Atmosphäre schon im Außenbereich des DORV-Ladens – das Gebäude ist eine ehemalige Gaststätte
Personalbedarf geschätzt, und darauf
aufbauend eine Wirtschaftlichkeitsrechnung erstellt. Auch wenn ein Investitionsrahmen von insgesamt ca.
93 000 EURO € – neben ca. 500 Stunden Eigenleistungen – zu stemmen war,
haben wir die Chance, in unserem Dorf
die Infrastruktur nachhaltig zu verbessern – getragen von vielen Bürgern unseres Dorfes! Eröffnungstermin des
DORV-Zentrums Völlinghausen war der
9. April 2010.
Insgesamt haben sich 218 Bürger
bzw. Haushalte unseres Dorfes mit ca.
53 T€ Einlagen an dem DORV-Zentrum
beteiligt. Im Mai 2009 wurde daher der
Startschuss für die Realisierungsphase
mit Verwirklichung der Gesellschaftsstruktur (Verein „DORV-Gemeinschaft
Völlinghausen e. V.“als Gesellschafter
und „DORV-Zentrum Völlinghausen
GmbH“ als Betreiber) gegeben.
Überregionale Anerkennung fand das
Projekt durch die Wahl des Vereins
„DORV-Gemeinschaft Völlinghausen“
zum Verein des Jahres unter 340 Bewerbern in Südwestfalen. Dieser 1. Platz
wurde mit 5 000 EURO € honoriert!
Für Rückfragen steht zur Verfügung:
Rainer Norbisrath, Auf den Steinern 8,
59519 Möhnesee, Tel. 02925-817356,
Mail: [email protected]
Rainer
Norbisrath
ehrenamtl.
GF des
DORVZentrum
Völlinghausen
GmbH
Eine beachtliche Warenvielfalt ist im Angebot
Alle Fotos: Hans Wevering
138
Kloster Brunnens Orgel
erklingt wieder
Nach langer Zeit, ausgefüllt mit Restaurierungsarbeiten konnte Klaus Baulmann, Vorsitzender des Freundeskreises Kloster Brunnen am Sonntag,
27. Juli 2010, den geladenen Gästen die
Teilrestauration der über 200 Jahre alten
Fromme-Orgel melden und auch zu
Gehör bringen. Die volle Bespielbarkeit
hängt vom Fortschritt der Restaurierungsarbeiten des Restaurators Dieter
Bensmann ab. Pastor Josef Pohlmeyer
äußerte sich zufrieden über den Fortschritt und Prof. Dr. Hermann J. Busch
gab eine Kostprobe der zurzeit nur mit
einem Register bespielbaren Orgel.
S AUERLAND N R . 3/2010
Kommentiert ...
Solche und solche Töne
Wer hätte gedacht, dass die Fußball-Weltmeisterschaft in Südafrika so
„vertrötet“ zu uns herübergekommen wäre? Das konnte einem die Freude
daran schon sehr verderben. „Vuvuzela“ hieß das Ding, das mit wahnsinnigem Dauergetön die Stadien erfüllte. So neu, wie es schien, war dieses Instrument gar nicht, nur seine Anwendung. Wir hatten früher im Sauerland
schon längst die „Troatelke“ mit der „Huppsterte/Huppelte“ als Mundstück,
im Frühjahr aus Baumrinde gefertigt. Die gab einen ebenso durchdringenden Ton. Aber keiner dachte daran, sie massenhaft einzusetzen.
Hoffentlich kommt nun nicht einer auf die Idee, sie nach Vuvuzela-Art wiederzubeleben. Die afrikanische Variante reicht!
Do kannste mol saihn, dat et liuter bat Nigget giet,
un wennet et Olle is.
Richtig musikalisch blasen, das ist schon was anderes. Da hat das Sauerland neuerdings Beachtliches vorzuweisen: das Blechbläser-Festival „Sauerland-Herbst“, das nun schon zum 11. Mal stattfindet (16. 10. bis
7. 11.) – eine intelligente Anknüpfung an Blasmusik-Traditionen der Region. Mittlerweile hat es darüber hinaus einen Namen. International besetzt,
mit einem interessanten Programm und teils ausgefallenen Spielorten, ist es
ein neu geschaffenes Stück sauerländischer Musikkultur, aller Achtung und
natürlich allen Zuspruchs wert.
Prospekt und
Spieltisch der
Orgel in
Klostern
Brunnen
Fotos:
Hans Wevering
Klaus Baulmann stellte sein 152seitiges, reich bebildertes Buch mit dem Titel
„Historische Orgel Kloster Brunnen“ vor
und Prof. Dr. Hermann J. Busch wies in
seinem beachteten Vortrag auf die Bedeutung des Erhalts der historischen Orgeln hin.
Red.
Und noch ein weiterer blasmusikalischer Fortschritt verdient Aufmerksamkeit: die Belebung der Orgelmusik hierzulande. Eine merkwürdige
Zuordnung? Keineswegs, ist doch die Orgel mit ihrem Pfeifensystem auch
ein Blasinstrument, wenngleich anderer Spielart. Dass im Sauerland nicht
wenige historische Orgeln erhalten sind und sorgsam restauriert wurden, ist
das eine; das andere, dass diese seit einiger Zeit auch kontinuierlich in Konzerten erklingen. So etwa die in den ehemaligen Klosterkirchen Rumbeck
und Oelinghausen oder im Rahmen eines eigenen „Orgelsommers Südsauerland“ (4. 7. bis 5. 9.) die in St. Peter und Paul Kirchhundem und der Wallfahrtskirche Kohlhagen. Das hat es früher in dieser Form nicht gegeben.
Auch hier bestechen Niveau und Originalität der Programme. Gleichzeitig
werden sauerländische Orgeln immer wieder in das „Internationale Orgelfestival Westfalen-Lippe“ einbezogen, in diesem Jahr erneut die in Rumbeck
und Bigge.
Eins steht fest: Wenn schon geblasen wird, dann sind unsere Bläser- und
Orgelkonzerte allem Vuvuzela-Getöse haushoch überlegen. Denn immer
noch gilt, auch für andere Auftritte:
Harre alloine maket et nit. Un oin Täon alloine äok nit. Et liäwe de
Unnerschoid!
Siegfried Kessemeier
Zum Wortverständnis: liuter – immer, harre – laut.
139
S AUERLAND N R . 3/2010
Die Stadt Essen im Leben und Werk der Christine Koch
von Manfred Raffenberg
1888 begann die damals 19jährige
Christine Wüllner nach erfolgreichem
Studium in Duderstadt und dem von einer staatlichen Prüfungskommission abgenommenen Examen in Hannover als
Lehrerin in Padberg bei Brilon, wo sie
die Mädchen des 3. bis 8. Jahrgangs unterrichtete. 1890/91 erlebte sie dort eine Diphterie-Epidemie, die 32 Kinder in
den Tod riß. Am 1. Februar 1902 kam
sie nach Borbeck-Vogelheim an die erst
Ostern 1898 eröffnete Schule an der
Hesselstraße. In den Akten der 1915
nach Essen eingemeindeten Bürgermeisterei Borbeck heißt es dazu: „Die
Lehrerin Christine Wüllner (geb. 23.
April 1869 in Herhagen, Kreis Meschede) ist am 1. Februar 1902 nach
Borbeck, Hesselstr 72, Schule, zugezogen“.1 Bald wurde sie mit der Leitung
der Mädchenschule in Vogelheim II auf
dem Hesselbruch beauftragt Die damalige Klassenstärke lag bei 70. Ein um
1904 aufgenommenes Photo zeigt die
junge Hauptlehrerin mit 66 Mädchen ihrer Klasse.2 Am 1. Januar 1905 scheidet Christine Wüllner krankheitsbedingt
freiwillig aus dem Schuldienst aus und
zieht zurück ins Sauerland nach Bracht,
wo sie am 3. Mai im Alter von 36 Jahren Ehefrau des damals noch vermögenden Landwirts Wilhelm Koch wird. Zuvor
hatte sie sich einer „längeren Kur in dem
Bad Lippspringe“ unterzogen.3
Anfang und Ende der dreijährigen
Episode in Essen-Borbeck-Vogelheim
waren letztlich krankheitsbedingt gewesen. In der 1929 verfassten Bitte um eine nachträgliche Pensionsgewährung
heißt es, „daß ich mir … eine schwere
Erkrankung der Atemwege zugezogen
(hatte), so daß ich wegen Tuberkuloseverdacht von Herbst 1895 bis 1896
gegen meinen Willen beurlaubt wurde …
Als ich dann, um in mildere Luft zu kommen, eine Stelle in dem dicht an einem
großen Walde gelegenen Vogelheim …
annahm, gereichte das noch nicht zur
Genesung“.4
Immerhin behielt sie an ihrer neuen
Wirkungsstätte an der Hesselstraße die
Nähe zur Natur. „Östlich an der Schule
querte eine Güterbahnstrecke die Hesselstraße, dahinter sofort der Borbecker
Mühlenbach. Weiter östlich schloss sich
ein etwa 500 m breiter Streifen mit Feldern und Wiesen an, auf dem Bauern-
Christine Koch
höfe standen. Dann kam noch ein Bach,
die Berne, dahinter ein größeres Waldgebiet, die Borbecker Mark“.5 Sollte der
Wechsel von Padberg nach Vogelheim
dennoch auf einem Irrtum beruht haben?
Denn „im Hinblick auf die Frage, ob die
Luft im Bereich der Schule, wo Christine
Koch wohnte, besonders gut gewesen
ist, muss man … auch auf die Zechen
und die Eisenbahn in der Nähe verweisen“. Schließlich befand sich die Schule
„ in etwa gleicher Entfernung zwischen
den Zechen Christian Levin im Nordosten und Neucöln im Südwesten“.6
Am 4. Juli hat die ChristineKoch-Gesellschaft eine „Literaturfahrt“ zum Welterbe Zeche
Zollverein unternommen. Diese
Fahrt war Teil des Programms
„Sauerland-Masuren, poetischer
Sommer 2.-7. Juli 2010“ und
sollte den polnischen Gastautoren eine Begegnung mit dem
Ruhrgebiet ermöglichen, das um
die Jahrhundertwende Tausende
von ostdeutschen und polnischen Industriearbeitern und
Bergleuten angelockt hatte.
Damals, von 1902 – 1905, war
Christine Wüllner als Lehrerin in
Essen-Borbeck-Vogelheim tätig.
Der Vortrag geht der Frage nach,
welche Rolle diese Zeit im Leben
und Werk der Namensgeberin
der Christine-Koch-Gesellschaft
gespielt hat. Der Text wurde
während der Anreise im Bus vorgetragen und lag den polnischen
Gästen in einer Übersetzung des
Entwurfs vor.
Möglicherweise haben verwandtschaftliche Gründe eine ebenso große
Rolle gespielt wie die schriftlich geltend
gemachten klimatischen. Während ihrer
Padberger Zeit nämlich konnte die junge
Lehrerin ihre kleine feuchte Wohnung
zu Besuchen ihrer Tante Christine im nahe gelegenen Niedermarsberg verlassen.
Diese, eine geborene Nolte aus Reiste,
war dort seit 1877 als Lehrerin tätig (sie
lebte von 1851–1920) und damals etwa doppelt so alt wie ihre gleichnamige
19jährige Nichte. Besuche bei der wohl
gleichgesinnten Tante müssen eine willkommene Abwechslung gewesen sein.
Denn sehr „eingeengt … war Christines
gesellschaftlicher Verkehr (in Padberg).
In der Regel beschränkte sich der Kontakt auf Lehrer und Geistlichkeit, und
„bedrückend und nicht frei von Spannungen war das enge Zusammenwohnen mit der Familie des Lehrers“.7
In Essen-Borbeck war Christine Wüllner ebenfalls nicht allein. Im Borbecker
Dorf wohnte nämlich ihre zweitjüngste
Schwester Therese, die mit ihrem aus
dem Sauerland stammenden Ehemann
Bernhard Schmidt die bekannte Gaststätte „Am Schützenhof“ eingangs der
„Rechtstraße“ betrieb; wie die Konzessionsurkunde besagt, seit dem 22. Januar 1900.8
Konnte Christine hier auch Einblicke
in die Schank- und Gastwirtschaft nehmen, die ihr später im Hause Koch in
Bracht hilfreich waren? Therese hatte im
Laufe ihrer Ehe 6 Kinder und konnte der
älteren Schwester sicherlich außerhalb
der Schule und des sie umgebenden industriellen Aufbruchs familiäre Wärme
bieten. „Zumindest zeitweise hat dort
(später?) im Haus ihrer Schwester auch
die Tante Christine Nolte nach ihrer Pensionierung gewohnt.“9 Der Schwager
Franz-Josef Koch kam erst 1908 als
Lehrer von Wanne nach Essen, dürfte
wahrscheinlich beim Wechsel Christines
von den Briloner Bergen in die Essener
Industrielandschaft kaum eine Rolle gespielt haben.
Die Welt der Industrie wird übrigens
für Christine Wüllner nichts grundsätzlich Neues gewesen sein. Immerhin lag
Padberg gleichsam im Zentrum des Sauerländer Erzabbaus. Im Werk der Christine Koch spielt dieser jedoch so gut wie
keine Rolle. Lediglich in dem plattdeut-
140
S AUERLAND N R . 3/2010
schen Text „Im Hagen bey Padbiärg“
klingt der Bergbau im „Biärggäist“ und
„’n Wichtelmänneken“ sowie im „Stäingeröllungen am Wiäge“ an.10 Auch
Bracht, seit 1905 Christines endgültige
Heimat, kannte den Bergbau. Denn viele Arbeiter gingen von hier in die Schiefergruben bei Heiminghausen und/oder
die Erzgruben bei Harbecke und Meggen. In dem Gedicht „Acht Finsterscheywen“ werden „Feyf Biärgmannshuiser, blank, met Schiewer
decket“ erwähnt11, und der plattdeut-
sche Schwank „De Hochteyt im Baukhagen, ’ne wohre Geschichte“12 handelt
u. a. von jungen übermütigen Bergleuten, die auf dem Wege von der Nachtschicht (in Heiminghausen?) nach Hause
sind.
Menschen und Landschaft der rasch
mehr und mehr industrialisierten Welt in
und um Essen-Borbeck-Vogelsang finden aber im Werk der Christine Koch
überhaupt keine Erwähnung. So urteilt
Augustin Wibbelt zutreffend, wenn er
Termine • Termine • Termine • Termine
Termine für „700 Jahre Sundern – Freiheit und Kirche“
Fr - So
3. - 5.10.
Großes Stadtfest unter dem Leitwort
„Sundern gestern - heute - morgen“
Maschinen- und Heimatmuseum, Museumsverein Eslohe e. V.
Homertstraße 27, 59889 Eslohe
25./26. Sept.
10 - 18 Uhr
5. Dezember
Esloher Dampftage, Maschinen- und Heimatmuseum
mit Aktionen für Kinder im Rahmen von „Tatort Technik"
Info unter: 02973/2455 und 800-220
Der Nikolaus kommt mit der Dampfeisenbahn
Maschinen- und Heimatmuseum von 15 - 17 Uhr
Info unter: 02973/2455 und 800-220
Aus dem Programm 2010 der Christine-Koch-Gesellschaft
1. Oktober
Vorstellung des 17. Bandes der „Kleinen Reihe”
Golfcafé in Schmallenberg-Winkhausen, 19.00 Uhr
2. - 3. Oktober Schreibseminar im Bildungszentrum Sorpesee,
Sundern, Anmeldung bei der CKG-Geschäftsstelle,
Tel.: 02972/980201
9. - 16.Oktober Literaturfahrt nach Rom
26. Sept
Die Kupferstecher Johann Heinrich Löffler d. J.
und Johann Eckhard Löffler d. Ä
im Klostergartenmuseum und Klosterkeller
(Eröffnung um 15 Uhr) bis 31. Oktober.
Geöffnet sonntags zwischen 14 und 17 Uhr.
Sonderführungen sind nach Absprache möglich
02932/29159
29. - 31. Okt.
Arnsberg-Niedereimer
Jubiläumswochenende anlässlich des 25-jährigen
Bestehens des Arbeitskreis Dorfgeschichte
Niedereimer e.V. mit Buchpräsentation, Rückblick,
historischen Filmen, Bilderrätsel, Kinderspiele etc.
Die Redaktion bittet um Mitteilung weiterer Termine
schreibt: „… die Großstadt taucht auch
nicht einmal am fernen Horizont auf.“13
Umgekehrt gilt: „Wenigen Leuten in Essen wird Christine Koch, die sauerländische Nachtigall, ein Begriff sein.“14
Eigentlich ist es ja verlockend sich
vorzustellen, dass diese „Nachtigall“, bevor sie nach Bracht kam, in Vogelheim
zu „singen“ begonnen hat. Ein Schüler
aus ihrer Padberger Zeit berichtet, „dass
sie (dort) manchmal während des Unterrichts – z. B. wenn sie am Fenster stand
– kleine Verse aus dem Stehgreif dichtete und uns Kindern vortrug“.15
Aus Vogelheim findet sich indessen
im späteren Werk kein Nachhall, auch
kein Hinweis auf die Menschen, mit denen sie dort zu tun hatte.
Ob dies auch für die zahlreichen unveröffentlichten Texte gilt, die sie später
in Bracht vernichtet hat, ist eine müßige
Frage. Bedenkenswerter ist da schon der
Umstand, dass Christine Wüllner unter
dem Druck der Verantwortung als Schulleiterin und der Belastung durch den Unterricht, dazu einer fortdauernden Erkrankung der Atemwege, dem Dichten
keinen Raum geben konnte.
Denn „durch Bergbau, Eisenbahn und
Industrie kamen seit Jahrzehnten viele
neue Leute hinzu. Die Bürgermeisterei
war deshalb gezwungen, neue Schulen
zu bauen und Lehrer einzustellen. Im
Rahmen dieser Entwicklung wurde auch
die Schule an der Hesselstraße gebaut …
viele Väter der Schüler waren Bergleute,
viele aus den östlichen Provinzen
Preußens zugezogen. Ein unbestimmbarer Anteil der Schüler der katholischen
Schule Vogelheim II wird polnisch als
Muttersprache gesprochen haben“.16
Vielleicht waren die Verhältnisse ähnlich
den heutigen dort, wo Schüler mit „Migrationshintergrund“ in der Mehrheit
sind. Jedenfalls dürfte die Lehrerin Christine Wüllner kein leichtes Leben gehabt
haben. Dennoch bekennt sie später in einem Schreiben an ihre Freundin Josefa
Berens-Totenohl vom 3. Juli 1937.
„Sechzehn Jahre (davon 13 in feuchter
Wohnung…) habe ich reichlich schweren Schuldienst gern und treu verrichtet…“17 Diese „Berufsfreude“ kommt
auch in dem gleichnamigen Gedicht zum
Ausdruck, das aus dem handschriftlichen
141
S AUERLAND N R . 3/2010
Nachlass der Dichterin stammt und undatiert ist. Dort lauten die Schlusszeilen:
„Ein König bist du … in deinem
Reich/Dem Amt des Jugendbildners
kommt kein anderes gleich“.18 So heißt
es denn auch im Nachruf über ihre Tätigkeit in Vogelheim in den „Borbecker
Nachrichten“: „Wegen ihrer wahren
Herzensgüte und als tüchtige Lehrerin
war Frl. Wüllner allgemein beliebt und
sehr geschätzt, und man bedauerte aufrichtig ihren Fortgang.“19
Ein Jahr danach schätzt Matthias
Lambertz als Pfarrer der neugegründeten Kirche St. Michael – wie die Schule
zwischen den Zechen Christian Levin
und Neucöln gelegen – den Anteil der
Polen in seiner Gemeinde auf ein Drittel.
Nach seiner Priesterweihe am 10. August 1897 hatte er sich ein Jahr zum Studium der polnischen Sprache beurlauben lassen und war jetzt in der Lage, seine polnischen Pfarrkinder in deren Muttersprache religiös zu betreuen.20
Die vielfältigen Probleme der Immigranten mit der Sprache ihres Zuwandererlandes dürften auch Christine Wüllner in ihrem Schulalltag begegnet sein.
Und so ist es durchaus möglich, dass diese Erfahrungen – nicht nur aus ihrer
Lehrtätigkeit – später den Grund dafür
abgegeben haben, den eigenen Kindern
das Erlernen der heimischen Mundart im
häuslichen Milieu zu versagen, um ihnen
die Sozialisation in eine auch im Sauerland zunehmend vom Hochdeutschen
beherrschte Gesellschaft nicht zu erschweren. Vielleicht haben bei dieser für
eine Mundartdichterin doch überraschenden Entscheidung auch Erfahrungen des Schwagers Franz Josef Koch eine Rolle gespielt, der 1908 nach Essen
kam, und zwar von Wanne, wo er mit 60
Schulneulingen konfrontiert worden
war, die nahezu ausschließlich aus Polen,
Russen, Tschechen und Italienern bestanden. Christine Wüllners Situation
könnte der ihres Schwagers ähnlich gewesen sein.
„Spuren von Christine Koch“, so hat
mir Andreas Koerner, 2. Vorsitzender
des Kultur-Historischen Vereins Borbeck e. V. mitgeteilt, „sind heute nur mit
viel Fantasie zu erhaschen. Das Schulgebäude von kath. Vogelheim II existiert
nicht mehr. An der Stelle der Gastwirt-
Aus dem Vorstand
Die zweite Vorstandssitzung in diesem Jahr führte uns, wie schon Tradition, bei sommerlichem Wetter nach Weuspert-Faule Butter zum Landgasthof
Rademacher. Zu Beginn begrüßte unser Vorsitzender Dieter Wurm die Vertreter der Stadt Marsberg, mit denen die letzten Einzelheiten für die kommende
Mitgliederversammlung durchgesprochen wurden. Der Vorstand lobte besonders das attraktive Exkursionsprogramm am Nachmittag.
Über den 16. Plattdeutschen Tag berichteten unser Heimatfreund Manfred
Raffenberg, wie immer im „gekonnten“ Plattdeutsch, und unsere stellvertretende Vorsitzende Wilma Ohly. Wer hätte bei den ersten Plattdeutschen Tagen gedacht, dass der Veranstaltungsreihe eine so lange Dauer beschieden
sein würde! In Zukunft soll die Arbeit der Plattdeutschen Arbeitskreise noch
stärker in unserer Zeitschrift und im Internet vorgestellt werden.
Besonderes Interesse fand der Bericht unseres Vorsitzenden über die Arbeit
innerhalb der „Regionale 2012“. Inzwischen befinden sich mehrere sinnvolle
Projekte in einem fortgeschrittenen Planungsstadium. Man hofft natürlich,
dass auch in der Zukunft genügend öffentliche Mittel zur Verfügung stehen.
Unser Heimatbund wird sich besonders für den Kulturlandschaftsführer einsetzen, über den Frau Susanne Falk berichtete.
Heimatfreund Hans Wevering wies bei der Vorstellung der neuen Ausgabe
unserer Zeitschrift besonders auf die Qualität der Schwarz-Weiß-Photos hin,
die auch von den anderen Vorstandsmitgliedern gelobt wurde.
Unter dem Punkt „Verschiedenes“ berichtete Bürgermeister a. D. Elmar
Reuter, der vom Vorstand der Mitgliederversammlung als Nachfolger unseres
Vorsitzenden vorgeschlagen wird, über seine bisherigen heimatbezogenen Aktivitäten. Seit 1979 ist er Mitglied unseres Heimatbundes. Es soll bemerkt werden, dass der gebürtiger Sunderaner auch mit dem Plattdeutschen gut zurecht
kommt.
Dr. Adalbert Müllmann
schaft „Schützenhof“ befindet sich jetzt
eine Parfümerie. Es gibt eine Karte der
Bürgermeisterei von 1904, auf der man
die Lage der Schule in Augenschein nehmen kann. Es gibt eine Luftaufnahme
von etwa 1965, auf der die Schule noch
erkennbar ist. Es gibt ein Foto von der
Gastwirtschaft „Schützenhof“, eine Anzeige im Adressbuch von 1905.“ Und
weiter: Der Wald wurde 1920 abgeholzt.
Da es, wie schon erwähnt, auch im
Werk der Sauerländer Nachtigall keine
unmittelbaren Hinweise auf ihre Essener
Zeit gibt, müssen deren Nachwirkungen
anderswo zum Vorschein kommen.
Am augenscheinlichsten finden sie sich
in der Ausnutzung bestimmter Essener
Publikationsorgane. Das geschieht von
Bracht aus und wäre wahrscheinlich ohne die Unterstützung durch den Schwager Franz Josef Koch (22. März 1865
Bracht – 23. Oktober 1947 Berge Kr.
Meschede) nicht möglich gewesen. Dieser war, wie schon erwähnt, 1908 nach
Essen gekommen, wo er 1910 Schulleiter und 1937 Rektor der neugegründeten 22-klassigen Schule in der „Großen
Bruchstraße“ (ab 1915 „Tiegelstraße“)
wurde. Selbst Autor plattdeutscher Texte und zahlreicher pädagogischer Sachbücher, war ihm 1914 der Dichterpreis
142
der „Literarischen Gesellschaft Köln“
verliehen worden Er war Schriftleiter
des 1924 gegründeten Essener „Kindersonntag“, einer wöchentlich erscheinenden sechsseitigen Kirchenzeitungsbeilage im Verlag der „Katholischen Kirchenblätter Essen“, Ottilienstr. 16 a. Diese
wollten der religiösen Bildung, aber auch
„zweckfreier Kinderunterhaltung“ dienen.21 Hier veröffentlichte Christine
Koch über 170 Gedichte und über 200
kleine Prosastücke. Eine Auswahl davon
hat Peter Bürger zusammengestellt in
Band III der Esloher Werksausgabe. Unter den Gedichten finden sich einige, die
auch in sauerländer Platt erschienen
sind, wobei nicht immer zu ermitteln ist,
welche Fassung die ursprüngliche ist. Jedenfalls bietet das kirchliche Publikationsorgan der längst aus dem Schuldienst ausgeschiedenen und nach Bracht
im Sauerland verzogenen Autorin die
Möglichkeit, auf andere Art pädagogisch
tätig zu bleiben.
Zu Recht weist Peter Bürger im
„Liäwensbauk“ darauf hin, dass ihr dies
als verheirateter Lehrerin im Dienst nicht
möglich gewesen wäre, da Lehrerinnen
im Dienst von Staats wegen unverheiratet sein mussten. So aber kann sie fern
der Schule jene „Berufsfreude“ genießen, die sie in dem bereits erwähnten
gleichnamigen Gedicht besungen hat.
Vielleicht ist dies auch der Grund dafür,
dass sie im „Kindersonntag“ fast ausschließlich unter ihrem Mädchennamen
schrieb (Kurzform Chr. W. oder C. W.),
unter dem sie ja drei Jahre lang an der
kath. Volksschule Vogelheim II tätig gewesen war. In der Zeit von 1925 bis
1936 erschienen in den insgesamt 13
Jahrgängen des „Kindersonntag“ in erster Linie religiöse Texte zum katholischen Brauchtum, zu den Festen im Kirchenjahr und zum Leben Jesu sowie – in
auffälliger Häufung – zur Hl. Maria. Über
das Engagement der katholischen Erzieherin hinaus verraten sie einen nahezu
missionarischen Eifer. Angesichts der
wöchentlichen Erinnerung an die ehemalige Lehrerin Christine Wüllner ist es
natürlich nicht verwunderlich, dass diese
in Essen als „Sauerländer Nachtigall“ so
gut wie unbekannt bleiben musste, selbst
den Lesern des „Kindersonntag“, denn
ihren Künstlernamen erhielt sie erst in
Bracht. Immerhin wird dieser kurz er-
S AUERLAND N R . 3/2010
wähnt in einem Aufsatz von Johannes
Pesch über die Geschichte des katholischen Volksschulwesens im Essener
Stadtbezirk Borbeck.22
Auch dem bedeutendsten Dichter in
Borbecker Platt, Herrmann Hagedorn
(1884 – 1951), war die Sauerländer
Nachtigall keine Unbekannte. Sein
hochdeutsches Widmungsgedicht „Christine Koch“ stammt aber wohl erst aus
seiner Zeit in Fretter, wohin er von Essen
verzogen war. Seine „Gedichte in niedersächsischer Mundart“ – Hatte on Heeme, Botterblaumen, Essen o. J. –, hatte
er Christine Koch am 20. November
1946 in einem Exemplar gewidmet:
„Christine Koch, dä Suerlänner Nachtigall, ant Hatte gelagg.“23
Hatte Christine Wüllner/Koch im
„Kindersonntag“ die „Katholischen Blätter Essen“ dazu genutzt, als ehemalige
katholische Lehrerin religiös-pädagogische Wertvorstellungen für Kinder öffentlich zu machen, so publiziert sie
1925 in der „Essener Volkszeitung“ sieben Folgen einer Erzählung unter dem
Titel „Gottes Mühlen mahlen“, in der sie
gesellschaftskritische Gedanken zur Anschauung bringt, wie Peter Bürger formuliert: „Kritik am bäuerlichen Patriarchat“.24 Die „Essener Volkszeitung“ bietet ihr also ein Forum für Ansichten, die
zu äußern ihr die bäuerliche Gesellschaft
des Sauerlandes und wohl auch die
Rücksicht auf die eigene Familie in
Bracht verboten hätten. Auch die Wahl
des Handlungsortes, nämlich des Münsterlandes, dürfte in diesem Sinne als Vorsichtsmaßnahme gedeutet werden. Wäre
die Geschichte der Tochter des Dorfschulzen Berkenhof, die ausdrücklich
nicht als „Frauenrechtlerin“,25 sondern
als Lehrerin einer gemischten Klasse das
aus Gewohnheit und Überlieferung gewordene „Recht“ des Mannes auf „Unterdrückung“ der Frau abschaffen will, in
ihrer Heimat verbreitet worden, so wäre
Christine Kochs Stellung im Dorf sicherlich noch schwieriger geworden, als sie
ohnedies schon war. Denn die fiktive
Lehrerin Margit, die bei einer Familientragödie zu Tode kommt, hatte auch
Presseartikel vorbereitet wie z. B. „Frauen auf dem Lande“, „Heimiche Märtyrerinnen“, „Gefährtin, nicht Sklavin des
Mannes“.26
Über Christine Koch
schreibt deren Freundin Josefa Berens-
Totenohl 1929: „Sie ist die am schwersten niedergebeugte und vom Leben getretene Frau, die ich kenne, Aber sie
kann da einmal sterben, wo ihr Leben
zertreten worden ist.“27
Vieles spricht dafür, dass die Bereitschaft Essener Zeitungen zur Publikation
von Texten Christine Kochs kaum auf
deren Popularität bei den dortigen Lesern zurückzuführen ist, schon gar nicht
so lange nach ihrem Fortgang. So dürfte wie beim „Kindersonntag“ auch bei
der „Essener Volkszeitung“ der Schwager Franz-Josef Koch die Hand im Spiel
gehabt haben. Schon 1910 Rektor einer
großen Schule, könnte er auch als Mitbegründer der Essener Volkshochschule
Einfluss auf das kulturelle Leben der
Stadt und deren Pressewesen gehabt haben. Schließlich hatte er in der VHS neben der Dozentur für Botanik auch die
für Religionspädagogik, woraus sich
möglicherweise die religiöse Grundausrichtung des „Kindersonntag“ erklären
lässt. Dass ihm viel an der literarischen
Position seiner Schwägerin lag, mag aus
der verbreiteten Vermutung erhellen,
dass er aus Rücksicht auf sie seine eigenen Gedichte nicht gesammelt herausgegeben hat.28
Sein umfangreicher Nachlass liegt im
Heimat- und Schieferbergbaumuseum
in Schmallenberg-Holthausen. „Verborgenes Schreiben“ nennt Peter Bürger
Christine Kochs Mitarbeit am „Kindersonntag“ und an der „Essener Volkszeitung“, da diese Texte scheinbar weder
für das Sauerland geschrieben noch
tatsächlich im Sauerland bekannt
waren.29
Eine fragmentarisch wirkende Brieferzählung („Sonntagskinder“), die möglicherweise entfernt auch mit Essen zu tun
haben könnte, ist aber gar nicht veröffentlicht worden, sondern handschriftlich im Nachlass verblieben. Peter Bürger hat sie in Bd. III der Esloher Werksausgabe Publiziert.30 Es handelt sich um
einen als Liebesgeschichte entwickelten
pädagogischen Text um die junge Lehrerin Felicitas Ehrhardt mit deutlich autobiographischen Anklängen, in dem der
von Franz Josef Koch erfundenen „Phonomimik“ ein eigenes Kapitel gewidmet
wird, jener „Lautgebärdenmethode“
zum Erlernen des Lesens und Schrei-
143
S AUERLAND N R . 3/2010
bens, die angeblich noch bis vor kurzem
hier und da als „Kochsche Fingerlesemethode“ im Anfangsunterricht minderbegabter Schüler benutzt wurde. Andreas
Koerner, in Anlehnung an das „Lexikon
westfälischer Autoren und Autorinnen
1750 – 1950“, und auch Dietmar Rost
verneinen ausdrücklich, dass dieser Methode die pädagogisch-didaktischen Erfahrungen Franz Josef Kochs mit den
multinationalen „Schulneulingen“ im
Kohlerevier zugrunde gelegen haben
sollen. Sie sei vielmehr aus der Beeinträchtigung des eigenen Sprechvermögens nach einem Schlaganfall in jungen
Jahren entstanden. Ihr Ursprung aus Erfahrungen mit Immigrantenkindern wird
jedoch überzeugend von Dieter Wiethoff
dargelegt, der Franz Josef Koch entsprechend zitiert.31
So könnte man Christine Kochs Erzählung „Sonntagskinder“ als eine Homage an ihren Schwager verstehen, als
ein Dankeschön für alles, was er von Essen aus für seine Schwägerin bewirkt
hat.
Zusammenfassend lässt sich feststellen: Der krankheitsbedingte Wechsel
Christine Wüllners von Padberg/Brilon
nach Essen-Vogelheim-Borbeck hat keine nachhaltige positive Wirkung auf deren Gesundheit gehabt. Obwohl Schulleiterin an der neuerrichteten Schule Vogelheim II und sehr beliebt, hat sie dort
keine Spuren hinterlassen. Auch Wohnund Arbeitsstätten ihres dreijährigen
Aufenthalts in der aufblühenden Industriestadt sind heute nicht mehr vorhanden.
Essens Bedeutung für die spätere
„Sauerländer Nachtigall“ beruht auf dem
Einfluss des ebenfalls als Schulleiter in
Essen tätigen renommierten Schwagers
Franz Josef Koch. Er ermöglicht Christine Veröffentlichungen im „Kindersonntag“ beim Verlag der „Katholischen
Kirchenblätter Essen“ sowie in der „Essener Volkszeitung“, durch die sie von
Bracht aus eine Essener Leserschaft religiös-pädagogisch und sozial-kritisch zu
„erziehen“ sucht.
In der im Nachlass überlieferten Erzählung „Sonntagskinder“ setzt sie dem
Schwager ein literarisches Denkmal
durch die begeisterte Darstellung der
ll
a
b
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F
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Fußba
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über
In den Wochen der Fußball-Weltmeisterschaft haben auch wir im
Sauerland viel gelernt. Wir wissen
jetzt, was Public-Viewing bedeutet
und dass man dabei mit afrikanischen Vuvuzelas laute Stimmung erzeugen kann. Ein ganzes Volk identifizierte sich plötzlich mit den Nationalfarben Schwarz-Rot-Gold,
und man sprach nicht mehr von der
BRD, sondern man nahm oft und
gern das Wort „Deutschland“ in den
Mund.
Und was war mit dem Geschehen in den südafrikanischen SportArenen selbst? Hier befand man
sich im „Fußball-Himmel“. Jedenfalls wählte Dompastor Alois Schröder aus Paderbom, vielen von uns
durch seine langjährige Tätigkeit in
Brilon bekannt, in der Paderborner
Bistumszeitung „Der Dom“ diese
Überschrift für die nachfolgenden
Verse:
Der grüne Rasen –
ein heiliger Boden.
Die Fußballarena –
wie eine Kathedrale.
Die Spieler –
wie Fußballgötter.
Die Zuschauer
eine Fan-Gemeinde.
Die Nationalhymne –
das gemeinsame Credo.
Das Fußballspiel –
wie eine Liturgie.
Der Fußballrausch –
wie eine neue Religion?
Die Fußball-Welt –
der neue Himmel?
Mit Andacht haben wir verfolgt,
wie viele Spieler, vor allem aus
Südamerika, sich bekreuzigten,
wenn sie den Rasen betraten. Das
Diözesan-Museum in Osnabrück
zeigt noch bis zum 21. November
unter dem Titel „Im Fußballhimmel
und auf Erden“ eine Ausstellung,
der Bischof Bode folgenden Text
gewidmet hat:
„Fußball öffnet Ventile für
Emotionen und führt fremde
Menschen im Stadion zusammen.
Sie jubeln und leiden gemeinsam,
sie fachsimpeln und sie schimpfen –
sie liegen sich in den Armen oder
teilen ihre Niedergeschlagenheit.
Dabei haben sich seit den neunziger Jahren Rituale entwickelt, die
Analogien zu religiösen und kirchlichen Ritualen aufweisen.“
Wenn nach Beginn der Bundesliga-Saison an den Wochenenden wieder Tausende von Schalke- und Borussia-Fans aus den Städten und Dörfern des Sauerlandes –
vorbei an den immer leerer werdenden Kirchen – nach Gelsenkirchen
und nach Dortmund fahren, dann
suchen sie sicher auch dieses von
Bischof Bode geschilderte Gemeinschaftserlebnis.
Unseren Heimatvereinen ist diese Entwicklung nicht verborgen geblieben. Ob man daraus Lehren für
das örtliche Gemeinschaftsleben
ziehen kann, darüber sollte man ruhig einmal nachdenken.
Dr. Adalbert Müllmann
144
S AUERLAND N R . 3/2010
LESERBRIEF
Kochschen „Fingerlesemethode“. Diese
geht zurück auf Erfahrungen mit multinationalen Schulklassen als Folge der
starken Einwanderung ins Kohlerevier,
die auch in Essen-Vogelheim-Borbeck
eine Rolle gespielt hat.
Die Erfahrungen mit den sprachlichen und folglich auch sozialen Schwierigkeiten der Einwandererkinder dürften
wohl mit ein Grund dafür sein, dass die
Mundartdichterin Christine Koch mit
den eigenen Kindern nur hochdeutsch
gesprochen hat.
Für sachliche Hinweise und kritische
Durchsicht danke ich dem Kultur-Historischen Verein Borbeck e. V. und seinem
Zweiten Vorsitzenden, Herrn Andreas
Koerner.
Nachtrag zu Franz Josef Koch:
„Die kleinen Slawen zeigten ein lebhaftes Gebärdenspiel, das mich an die
Taubstummen beim Hospitieren in der
Taubstummenanstalt zu Büren denken ließ …
Aus dieser pädagogischen Sicht entwickelte ich das Fingerlesen für den
Unterricht der Anfänger.“
In: „Daten zur pädagogischen Lebensarbeit von Franz Joseph Koch“, S. 4,
Teil der Unterlagen zu Franz Joseph
Koch bei Dieter Wiethoff.
19
20
21
22
23
24
25
26
27
28
29
30
31
Johannes Pesch, Christine Koch/Wüllner: die
„Sauerländische Nachtigall“, in: Borbecker
Nachrichten vom 25. Mai 1951, zitiert von
A. Koerner
wie 1
wie 18, S. 9
wie 1
wie 2, S. 272 u. 301
wie 18, S. 9
wie 18, S. 136
wie 18, S. 139
Vgl. Manfred Raffenberg, „Impulse – Christine
Koch und Schmallenberg“. In: Lebensbilder
Schmallenberger Frauen. Hrsg. Frauenbeauftragte der Stadt Schmallenberg und Heimat- und
Geschichtsverein Schmallenberger Sauerland
e.V., Zimmermann Druck Balve, o. J., S. 181
Dietmar Rost, „Drei Schulen im Sauerland
tragen seinen Namen: Franz Joseph Koch“.
In: SAUERLAND, Zeitschrift des Sauerländer
Heimatbundes, Nr. 2/Juni 1990, S. 53
wie18, S. 9
wie18, S. 142 ff.
Dieter Wiethoff, Nachwort zu „Bunte Musekanten. Plattduitske Reyme van Franz Josef Koch“.
Hrsg. Schieferbergbaumuseum Holthausen, Verlag Grobbel, Fredeburg 1991, S. 162
Wenn ein
Fest
Quellen:
2
3
4
5
6
7
8
9
10
11
12
13
14
15
16
17
18
Andreas Koerner, 2. Vorsitzender Kulturhistorischer Verein Borbeck e.V., Weidkamp 10,
46355 Essen, auf Anfrage
Peter Bürger, „Liäwensbauk“. Christine-KochWerke, Ergänzungsband, hrsg. Maschinen- und
Heimatmuseum Eslohe1993, S. 33
Christine Koch, wie 2, S. 35
wie 2, S. 32 f.
wie 1
wie 1
Johannes Bödger, „Christine Koch - des Sauerlandes große Dichterin - als Lehrerin in Padberg“. Zitiert in „Liäwensbauk“, S. 192
wie 1
wie 2, S. 32
Christine-Koch-Werke Bd.2, bearbeitet von
Alfons Meschede, Eslohe 1994, S. 125
Christine-Koch-Werke Bd. 1, bearbeitet von
Manfred Raffenberg, Eslohe 1992, S.150
wie 10, S. 126 f.
Zitiert im Anhang zu Christine Koch,
„Sunnenried“, Gedichte in Sauerländischer
Mundart, Neheim (Ruhr) 1929
wie 1
wie 2, S. 32
wie 1
wie 2, S. 33
Christine-Koch-Werke Bd. 3, bearbeitet von
Peter Bürg, Eslohe 1991, S. 65
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B4
1
„Ein jüdischer
Grabstein auf dem
Esloher Kirchplatz?“
(Sauerland Nr. 2/2010)
Die jüdischen Wurzeln der Esloher Familie Gabriel wurden vor Ort lange in
mündlicher Überlieferung bedacht und
sind vage auch in einer Chroniknotiz aus
dem Familienarchiv vermerkt. Hans Jürgen Rade sei gedankt für den seriösen
Nachweis dieser Wurzeln, aber auch für
die freundlich-behutsame Richtigstellung
meiner übereifrigen „Judenforschung“
aus dem Jahr 1992. Louise Gabriel
(1814 – 1830) war kein jüdisches Mädchen, sondern getauft. Scherzhaft (!)
fragte schon 2004 mein Esloher Forscherkollege Dierk Stoetzel, ob ich denn
gehbehindert sei. Der Weg vom Grabstein der Louise bis zum Taufregister im
Pfarrarchiv besteht nämlich nur aus wenigen Schritten. Leider habe ich Wilfried
Oertel, den Herausgeber des Buches
„Jüdisches Leben im Synagogenbezirk
Meschede“, nicht rechtzeitig vor dem
Wiederabdruck des Artikels vom neuen
Stand informiert. Das ist ein bedauerliches Versäumnis. Allerdings möchte ich
zu H. J. Rades Beitrag und auch zu D.
Stoetzels Ausführungen in den „Esloher
Museumsnachrichten 2009“ zu denken
geben: Der vor Ort unübliche „Sechsstern“ sieht dem Davidstern fast zum
Verwechseln ähnlich. Das vor Ort ebenfalls unübliche Grabmotiv „Schmetterling“ wird im Einzelfall als typisch
(wenngleich nicht exklusiv) für jüdische
Friedhöfe beschrieben. Sind diese beiden Auffälligkeiten wirklich reiner Zufall?
Vielleicht gibt das seltene Esloher Grabdenkmal doch mehr Zeugnis ab vom jüdischen Herkommen der Familie als von
einer spezifisch christlichen Auferstehungshoffnung. Erwiesen ist allerdings,
dass die Gabriels zurzeit des I. Vaticanums (1870) besonders papsttreue Katholiken waren.
Peter Bürger, Düsseldorf
Leserbriefe geben die Meinung
unserer Leser wieder, nicht die
der Redaktion. Wir freuen uns
über jede Zuschrift, müssen uns
aber das Recht zur Kürzung vorbehalten.
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„O Mutter, back us Geyseke!“
DE PLATTDUITSKE DAG im Steertschulten Huaf in Cowwenrohe am 29. Mai 2010
von Manfred Raffenberg
No der Begruißunge diär Frau Ohly
vam „Sauerländer Heimatbund“ un Bertold Beste vam „Heimat- und Förderverein Grafschaft“ heät de Heimatpfleger Dr. Hans Vollmer seyn Duarp in
Woort un Bielld viärstallt. De Groskopper het jo ne Menge tau vertellen
vam Wilzmereg, diäm hillegen Beärg,
met seynen Sagen un Geschichten un’
em Kläoster, dät me tau Faiten legget un
no ’m Kreyge van diän Borromäerinnen
restauraiert un tau me gräoten Krankenhius widderbugget is.
De Laiers, dai met ’m Treckebuil sungen woren, kemen dütmol nit iut ’m
Viärrot an plattduitsken Laiern dai de
Luie kennt. Sai wören alle üewer Groskopp un biu me do liäwet, un van Groskoppern macht.
Dorümme harren se jo äok en paar op
der Schrift loten, taum Bispel
„Wo der Grafschaft Silberquell entspringt“ udder „Gruß an
Kloster Grafschaft“. Owwer
et gaffte äok et „Schützenlöid der Groskopper, dai in
der Früemede seyd“ un et
„Geyseke-Loid“, un dorinne
gaiht et dorümme, dät me iut
der Welt liuter wier no Groskopp terügge kummen mott,
derweylen et nix Schoiners giett
asse iähr kleine Düarpken. Et
gaffte owwer äok lustege Laiers
un Spargitzkes iut ’er Noberskop
vam Leähr Otto Hanses und Hedwig Jungblut-Bergenthal iut ’er
Smallmereg un de „Jagd“ van
Christine Koch. De „Jagd“ was
viärluasen vamme Groskopper Jiäger, dai düen Muaren ne Bock
schuaten harr. Süß woren de meysten plattduitsken Texte van Miäkens
un jungen Fruggen präsentaiert, dai
sick viärnuammen het, et häimeske
Platt te leähren un imme Duarpe
labändeg te hollen.
Wuat de Groskopper kuiert, is nit dät
Platt, dät me im „Plattdeutsches Wörterbuch Kurkölnisches Sauerland“ finget. Se siett „Höüs“, nit „Hius“; „Kläster“, nit „Kläoster;“ „Loid“, nit „Laid“;
„fär“, nit „fiär“ etc. En schoin Bispel fiär
et Groskopper Platt was dai Geschichte
„De leste Organist van uesem Kläster“,
bo de Pater Odilo Girsch et reyke Liäwen
De Laiers, dai met ’m Treckebuil sungen woren
van der ehrwürdegen Abtei an der Üörgel verklingen lätt.
Derno woren van Frau Schrewe ne
Menge Sinnsprüeke taum besten gafft.
Wann dann et „Geyseken-Loid“ an der
Reyge was, harren de Groskopper säo
richteg et Hiärte op ter Tunge:
… doch immer zog es
mich nach Haus,
wo hell erschallt
das schöne Lied:
O Mutter, back us Geyseke …
Un taum Schluß
konn me dann äok
Geyseke kennen
leähren. Et gaffte se
frisk vam häiten
Eysen taum Probaiern. De Iärftenzoppe und de
Wüärstkes kemen
ächterher.
Manfred Raffenberg, der Organisator der plattduitske Dage
Et was ne schoine Veranstaltunge. Alles was met Sinn un Verstand
iutsocht un guet präsentaiert. Owwer et wören nit viell Luie kummen; näomol wenneger asse im
lesten Johr.
Gint Johr well ne Krink van
Dörnholtsener Fruggen diän
Plattduitsken Dag maken.
Vortragende Damen
Bat konn vey daun, dät sick
iähre Arbet äok luahnt?
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Vortragende Herren
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Sinnsprüeke
Fruggensteärben is kenn Verdeärben. Peärre verrecken,
dät giet Schrecken.
Der Tod der Ehefrau führt nicht ins
Verderben (Man kann ja eine andere
heiraten). Verreckt ein Pferd, so ist das
schrecklich (Der Verlust ist unersetzlich).
Et Obendes konnt se hupsen
un springen, et Moargendes
konnt se de Büxe nit fingen.
Abends können sie hüpfen und
springen, des Morgens können sie ihre Hose nicht finden (An die Adresse
von Kindern, die nicht ins Bett wollten, und auch über Leute mit unstetem Lebenswandel).
Woi en Sofa metbrenget,
well äk drinne sitten.
Wer ein Sofa mitbringt, will auch
darin sitzen (Wer sich bequem einrichtet, will auch bequem leben).
Geschnien Brät un gehocht
Holt seyt waane reybe.
Geschnittenes Brot und geschlagenes
Holz werden sehr schnell verbraucht.
Bo ne gurre Frugge imme Höüse is, do wässet de Speck
annen Balken.
Wo eine gute Frau im Hause ist, da
wächst der Speck an den Balken
(d. h. an den Balken, an denen er
früher aufgehängt wurde).
„Wie soll das Kind denn
heißen?“ frogere de Pastäoer
deän Buern bey der Däpe.
„Strackfutt Hännes; hoi kümmet jo doch bey de Peärre.“
„Wie soll das Kund denn heißen?“
fragte der Pastor den Bauern bei der
Taufe. „Ganz einfach Hännes; er
kommt ja doch zu den Pferden.
Et hänget nit hundert Johre
ne Geldsack amme Höüse, aber
äk kenn Beälsack.
Es hängt nicht hundert Jahre ein
Geldsack am Hause, aber auch kein
Bettelsack.
Frönge seyd guett, aber doi
is übel draan, doi se
bröüken matt.
Freunde sind gut, aber der ist übel
daran, der sie gebrauchen muss (d. h.
der sie nötig hat).
Me säll deän Völkern (d.h.
dem Gesinde) kenne Knoaken
gieben; et könn mehr Flaiß
dranne seyn, ase me denket.
Man sollte dem Gesinde keine Knochen geben: es könnte mehr Fleisch
daran sein, als man denkt.
En gurrer Töün is de beste
Nachbar.
Ein guter Zaun ist der beste Nachbar,
Wann öüt ’m Scheytpott ne
Bropott weert, dann stinket
he.
Wenn aus dem Topf für die Notdurft
ein Bratentopf wird, dann stinkt der
(Plötzlicher Reichtum ist anrüchig).
Me sall sey Büxe nit grätter
käpen, ase me en Ees heät.
Man soll seine Hose nicht größer
kaufen, als der Hintern ist (Man soll
sich finanziell nicht übernehmen).
Em Herbes un me Kingerees
kann me nit truggen.
Dem Herbst und dem Kinderpopo
kann man nicht trauen.
De Knecht sall
de Hansken nit
eger terhaime
loten, bit de
Äskenblaar ne
Pänning grät
seyd.
Der Knecht soll die
Handschuhe nicht eher
zu Hause lassen, bis die
Blätter der Esche groß
sind wie ein Pfennig (Im
Frühjahr muss man immer noch auf Kälte gefasst sein).
Dät droige Johr
kann em naaten
nä wat metgieben.
Das trockene Jahr kann
einem nassen noch was
mitgeben.
Man sieht – Besucher hören interessante Vorträge
Alle Fotos: Helmut Vogt
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BÜCHER • SCHRIFTTUM
SüdWestfalenArchiv –
Landesgeschichte im ehemals kurkölnischen Herzogtum Westfalen
und der Grafschaft Arnsberg
9. Jahrgang 2009. G. Lohage: Die
Zünfte in der Stadt Arnsberg. G. Brökel:
Henker und Hinrichtungen in Brilon.
H. J. Deisting: Typar mit halben Steinbock und Umschrift „S’SIFRIT VON
WERDEN“ in Bad Westernkotten gefunden. R. D. Kohl: Wer regierte im alten
Affeln? Die Bürgermeister der kurkölnischen „Freiheit“ und ihre Familien im
15. und 16. Jahrhundert. E. Westermann: Die Bergfreiheit Silbach und ihre
überregionalen Beziehungen um die
Mitte des 16. Jahrhunderts. Zum „mansfeldischen Inter mezzo“ im westfälischen
Bleibergbau
1558
bis
1562.
J. Ludwig: Die Bergfreiheit Silbach vor
dem Hinter grund territorialpolitischer
Interessen im 16. Jahrhundert. J. Gosmann: Die Entstehung des Eisenhammers zu Arnsberg-Obereimer
1655. Edition neuer Quellen zur Montangeschichte. J. von Nathusius: Zur Genealogie der Fröndenberger Äbtissinnen
in kriegerischen Zeiten zwischen dem
Ende des 16. und der Mitte des
17. Jahrhunderts. H. Conrad: Eine
Chronik und die Wilküre der Stadt Warstein aus dem 17. Jahrhundert. U.
Hennecke: Zur wundärztlichen Versorgung im 17. Jahrhundert. J. K.
Mehldau: Die ersten Häuser in Langewiese, Mollseifen und Hoheleye. J.
Hahnwald: Philipp (Augustinus) Baaden
(1781-1846) – einer der letzten Wedinghauser Konventualen und bis 1842 Direktor des Gymnasiums Laurentianum,
Arnsberg. O. Höffer: Der „Herold’sche
Gesangbuchstreit“ in Attendorn. Quellen zur Volkskunde und zu den religiösen
Verhältnissen 1812–1824. G. Cronau:
Karl Eugen Dellenbusch (1901–1959),
„Führer“ des Sauerländischen Gebirgsvereins vor und SGV-Hauptvorsitzender
nach 1945.
Herausgeber: Stadt Arnsberg, Der Bürgermeister,
Stadtarchiv, hrsg. von M. Gosmann, Stadt- und Landständearchiv im Kloster Wedinghausen, Klosterstraße
11, 59821 Arnsberg.
Der Schwammklöpper
Fredeburger Heimatblätter
21/2010: H. Gierse: Zum Geleit.
Festival der Kulturen „Wir sind auf einem guten Weg“. I. Beule: Caritas-Klei-
derkammer des Dekanates Wormbach
unterstützt seit 20 Jahren Pater Airton
in Brasilien. B. Fresen: Katholische öffentliche Bücherei St. Georg. D.
Hennecke: 20 Jahre Verein zur Förderung der Jugendarbeit in Fredeburg. Arbeitskreis Heimat: 20 Jahre „Arbeitskreis Heimat“ 1989–2009. A. Schrewe:
Katholische Grundschule Bad Fredeburg
lud zum Präsentationstag ein. B. Schüttler-Hengsten: 40 Jahre Schießsportgruppe Bad Fredeburg. Y. Pieper: St.
Georg Krankenhaus in Bad Fredeburg –
100-jähriges Jubiläum –. R. Fischer:
Feuerwehr macht das Leben ein Stück
sicherer. Arbeitskreis Heimat: St. Georg-Schützen mit neuer Anlage im
Hömberg. B. Nückel: 12. Stadtschützenfest in Bad Fredeburg. H. Gierse: Es
läuft „rund“ an der Wehrscheid. Englische Militärverwaltung richtet Polizeischule ein 1945–1946. G. Schulte: Seltsame Verordnungen und Erlasse – Kurioses aus der guten alten Zeit.
I. Ratte: Twiärsbraken – Fredeburger
Originale. Im Namen des Königs – Dünger und Jauche kommen auf das Land.
J. Lauber (†): Katasteramt Fredeburg –
1910 eingerichtet. G. Schulte: Ein neues Schulzimmer für Fredeburg – Anmerkungen zu einem Briefwechsel des Jahres 1807/08 Fredeburger Schulwesen. H. Gierse: Johann W. Sinn
schuf 1759 Wormbacher Hochaltar.
J. Nückel: Und da war noch ... Wehrscheid ganz oben (Höhe 450). H. Gierse: Kopfschatzregister der Stadt Fredeburg von 1865 – aus dem Archiv der
Kurkölnischen Landstande vor 325 Jahren. U. Schüttler: die Hausierer des oberen Sauerlandes. H. Gierse: Sauerländische Kinderspiele. Josephine Amelunxen (†): Waigenlaid. E. Hölscher: Ein
Streit um den Kahlen Asten. Die Wenne. H. Gierse: Ist meine traute Heimat.
Sagen und Geschichten. G. Schulte:
Ausgegraben. H. Gierse: 200 Jahre
Zeitreise – Es geschah vor ... Es tut
sich was in Fredeburg. U. Schüttler:
Bad Fredeburg im Rückblick – vom
31. 10. 2008 bis 31. 10. 2009.
Hrsg. vom „Arbeitskreis Heimat“ der S. G. V., Abteilung Bad Fredeburg 14, 57392 Schmallenberg.
Handirk –
Grafschaft, Latrop, Schanze in
Wort und Bild
26/2009: Aus der Festschrift: Ereignisse aus dem Mutterhaus der Borromäe-
rinnen, Kloster Grafschaft a) Neuer
Hausgeistlicher und Krankenhausseelsorger – Mutterhaus, b) Schwester
Eustachia Sluga wurde 100 Jahre alt –
Mutterhaus, c) Deutsche Schule der Borromäerinnen in Alexandria/Ägypten.
H. R. Schrewe: Die Chronik des Odilo
Girsch 1772-1832 – Ein Grafschafter
Mönch berichtet vom Klosterleben und
aus dem kur-kölnischen Sauerland. B.
Peine: 50 Jahre Fraunhofer Institut in
Grafschaft. A. Wenzel und M. Herrchen:
Tierarzneimittel in der Gülle – schädlich
für die Umwelt? Aus der Kath. Kirchengemeinde St. Georg Grafschaft a) M.
Heimes: 10 Jahre Kath. Öffentliche
Bücherei Grafschaft im Pfarrheim. b) T.
Kotthoff: Neugestaltungen rund um die
St. Georg Pfarrkirche Grafschaft. c) W.
Ewers: Vikar Witold D. Sojka versetzt.
B. Stegmann: 50 Jahre St. BonifatiusKapelle Schanze. P. Schneider: In God’s
own time we’ll meet again. – 10. April
1942: Absturz eines britischen Bombers
am Heidenstock bei Schanze –. U. Vogelheim: Die Intensivgruppe JanuszKorcak-Haus in Latrop. P. D. Kloidt:
Vertriebene und Flüchtliche Grafschaft.
R. Beste: Rückblich 100-Jahr-Feier SkiClub Wilzenberg 1909. Private Initiative: Lebensbäume am Aberg bei Schmallenberg. M. Schrewe: Ene, mene, muh
... Kinderspiele in den 1950er und -60er
Jahren. K. Schulte-Göbel: Wohnen in
Grafschaft – Neues Baugebiet „Am Wilzenberg II“ erschlossen. H. Vogt: 100
Jahre Tambourkorps Grafschaft. M.
Schrewe: En Möül vull Platt. Auf dem
Vereinsleben: a) = A. Sporing u. G.
Schmidt: Gesangsverein „Cäcilia“ 1879
Grafschaft – Jahresrückblick Juli 2008
bis Juli 2009. b) D. Vogt: Pfarrjugend
Pusteblume Grafschaft. c) D. Saßmannshausen: Tambourkorps Grafschaft. d) H.
Vogt: Heimat- und Förderverein Grafschaft/Schanze e. V. e) C. Heimes: St.
Sebastian Schützenbruderschaft Grafschaft 1825 e. V. f) B. Vogt: Sportverein
DJK RS Grafschaft 1930 e. V.
Hrsg. von der St. Sebastian Schützenbruderschaft
Grafschaft 1825 e. V, 57392 Schmallenberg
Friedrich Georg Jünger
Werk und Leben
Spätestens seit dem umfangreichen
Katalogband zum 100. Geburtstag des
Bildhauers Eugen Senge-Platten (Fredeburg 1990) weiß man um die engen Bindungen des Autors Friedrich Georg Jün-
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ger (1898-1977) an das Sauerland, genauer: an Siedlinghausen und den Arzt
Dr. Franz Schranz, der dort über Jahrzehnte hinweg völlig uneitel einen gastfreien „Hof“ (Josef Pieper) für ihn interessierende Künstler, Autoren, Denker
und Theologen ,führte‘ und diese z. T.
auch massiv unterstützte. Jüngers 1942
erstmals publiziertes Gedicht an Schranz
und sein im o. g. Katalog erstmals publizierter Nachruf (S. 325-29) legen beredtes Zeugnis ab von einer Freundschaft,
die wohl mehr gewesen sein dürfte als
eine nur lockere Bekanntschaft ähnlich
denkender Intellektueller.
Siegfried Olms
ANDREAS GEYER, Friedrich Georg Jünger. Werk
und Leben, Wien/Leipzig 2007, Karolinger Verlag,
319 S.
in den völlig veränderten und neu definierten politischen Verhältnissen der
noch jungen Bundesrepublik.
Bd. 6), Dresden 2008, w.e.b. Universitätsverlag /
Thelem, 658 S.
Man konnte als Leser erwarten, beide
Autoren würden – wie dies etwa in der
neuen Carl Schmitt-Biografie R. Mehrings en passant geschieht (z. B. S.463)
- auch den Siedlinghauser Kreis zumindest erwähnen als eine Art „Denkhütte“
(Viorat, S.330), eine lockere Verbindung
konservativer, auch christlich geprägter
Geister. Immerhin waren sich die Brüder
Jünger und Schranz ja bereits ca. 1933
begegnet (vgl. V. Runte-Schranz, in:
Schmittiana 111, 1991, S.64), und der
Kontakt riss wohl bis zum Tod des Arztes 1961 nie völlig ab.
Mundarttexte aus dem Hochsauerlandkreis und dem Kreis Olpe
Siegfried Olms
Von der Tat zur Gelassenheit
So gab denn das beinahe gleichzeitige Erscheinen dreier umfangreicher
Bücher zu Friedrich Georg Jünger berechtigten Anlass zu der Hoffnung, Neues über dessen Kontakte zu Schranz und
zum Siedlinghauser Kreis zu erfahren.
Um das Fazit vorwegzunehmen: Diese
Hoffnung erfüllt sich nicht.
Damit soll keineswegs behauptet werden, die Bücher von Geyer, Morat und
Fröschle seien misslungen – interessierte Leser erhalten im Gegenteil vielfältige
und neue Informationen über den Autor.
So legt Geyer eine straffe Werkbiografie
vor, die Jüngers Hauptwerke in den Mittelpunkt von Darstellung und Untersuchung stellt, dabei jedoch auf biografische Feinuntersuchungen ebenso bewusst verzichten muss wie auf die Einbeziehung von kleineren Arbeiten – und
damit entfallen die auf Schranz Bezug
nehmenden Texte. Fröschle und Morat
konzentrieren sich in ihren Büchern auf
bestimmte Phasen im Leben Jüngers:
Fröschle untersucht dessen Weg vom
schrill-aggressiven und antidemokratischen Pamphletisten der Weimarer Jahre bis zu seiner Umorientierung hin zum
Beobachter und eigenständigen Dichter
(ca. bis 1936). Morats Schwerpunkt dagegen thematisiert Jüngers Versuch der
Selbstrestituierung nach dem zweiten
Weltkrieg das Zu-sich-Finden, ein hochfahrend-elitäres Sich-behaupten-Wollen
DANIEL MORAT, Von der Tat zur Gelassenheit. Konservatives Denken bei Martin Heidegger, Ernst Jünger
und Friedrich Georg Jünger 1920-1960 (Veröffentlichungen des Zeitgeschichtlichen Arbeitskreises Niedersachsen Bd. 24), Göttingen 2007, Wallstein Verlag, 592 S.
Friedrich Georg Jünger
und der ,radikale Geist‘
Fröschle jedoch erwähnt Schranz mit
keinem Wort. Morat nennt ihn (immerhin!) zweimal in Fußnoten mit Briefen
von 1941/42 – erstaunlich, denn beide
Autoren werten ansonsten unzählige,
auch ungedruckte Quellen aus. Dass dabei der Siedlinghauser Kreis nicht genannt wird, könnte deshalb den indirekten Schluss nahelegen, es hätte sich bei
diesem um eine zu vernachlässigende
Größe gehandelt, auch für dessen regelmäßige „Teilnehmer“ von nur marginaler Bedeutung. Dies trifft sicher nicht zu
– Konrad Weiß Widmungsgedichte an
Schranz wie auch dessen zahlreiche Erwähnungen im Werk Josef Piepers sprechen eine deutlich andere Sprache. Daher bleibt zu wünschen, dass weitere Arbeiten und Nachlasspublikationen (Carl
Schmitt, Konrad Weiß, Friedrich Georg
Jünger, Josef Pieper u. a.) den Siedlinghauser Kreis und seine Geschichte endlich einmal ins Zentrum der Untersuchung rücken und in seiner Bedeutung
analysieren.
Siegfried Olms
ULRICH FRÖSCHLE, Friedrich Georg Jünger und
der ,radikale Geist‘. Eine Fallstudie zum literarischen
Radikalismus der Zwischenkriegszeit (Kulturstudien
„Op Platt“ –
Zu den Zwecken, die der 2001 gegründete, in Cobbenrode beheimatete
Trägerverein Mundartarchiv Sauerland
laut Satzung verfolgt, gehören „die Direkterfassung der heute noch gesprochenen Ortsdialekte durch Aufzeichnung von Interviews, Verschriftlichung
der gesprochenen Texte sowie die Anlage und Veröffentlichung einer Anthologie inklusive entsprechender Tonträger.“
Gemäß dieser Aufgabenstellung hat der
Sprachwissenschaftler Dr. Werner Beckmann seit 1999 in den Kreisen Olpe und
Hochsauerlandkreis Interviews mit 267
Mundartsprechern aus 129 Herkunftsorten geführt und die Gespräche auf
Tonträgern festgehalten, um möglichst
viele der lokalen Varianten der zum niederdeutschen Sprachraum gehörenden
Mundart des kurkölnischen Sauerlandes
zu dokumentieren. Hinzu kamen zahlreiche Tonaufzeichnungen von plattdeutschen Vortragsabenden an verschiedenen Orten. Neben der Absicht, mit den
aufgenommenen Mundartproben das
Sauerländer Platt bleibend in wissenschaftlich verwertbaren Sprachzeugnissen zu archivieren, verfolgt man mit
dem vom Sauerländer Heimatbund angeregten und begleiteten Projekt
„Mundarten im Sauerland“ das aktuelle
Ziel, die vom Aussterben bedrohte plattdeutsche Muttersprache zu pflegen, das
Interesse an ihrem Erhalt zu wecken und
ihre Kenntnis durch Veröffentlichungen
und CDs zu fördern. Dem dienen die
vom Mundartarchiv bisher herausgegebenen acht handlichen Hefte der Schriftenreihe „Mundarten im Sauerland“. In
praktischer Kombination verbinden sie
den Abdruck plattdeutscher Texte unterschiedlicher Art mit der Möglichkeit, sie
sich auf einer beigegebenen CD anzuhören. Dem mit der jeweiligen lokalen
Mundart weniger oder gar nicht Vertrauten erleichtern in reichlicher Zahl angehängte Worterklärungen das Verstehen des vorliegenden Textes. Gedacht
sind die Hefte vor allem für den Einsatz
in Schulen und sonstigen Bildungseinrichtungen. Sie sind aber auch allen zu
empfehlen, die nach Texten für plattdeutsche Veranstaltungen suchen oder
150
sich zu Hause auf einer CD Darbietungen in sauerländischem Platt anhören
möchten. Inzwischen liegen folgende
Hefte mit einer CD vor:
Heft 2: Vortragsabend 19. März
2001 Lennestadt-Langenei,
Heft 3: Vortragsabend 14. Mai 2001
Brilon,
Heft 4: Vortragsabend 15. Oktober
2001 Meschede,
Heft 5: Vortragsabend 12. Nov.
2001 Sundern-Endorf,
Heft 6: Interview mit Hilde Beckmann aus Meschede-Remblinghausen
am 12. November 1999,
Heft 7: Interview mit Elisabeth Kaiser
aus Oberhundem-Selbecke, Gemeinde
Kirchhundem, am 24. Juni 1999,
Heft 8: Hörbuch Elisabeth Kaiser
(1919-2009). Ortsmundart: Oberhundem.
Heft 9: Interview mit Rudi Plugge aus
Lennestadt-Elspe am 24. Juni 1999.
In Vorbereitung ist Heft 1 mit Texten
von einem plattdeutschen Vortragsabend am 15. März 2001 in Winterberg-Züschen,
Günther Becker
Mundartarchiv Sauerland (Hrsg.): Op Platt. Texte aus
den Kreisen Hochsauerland und Olpe zum Lesen und
zum Hören. (= Schriftenreihe „Mundarten im Sauerland). Hefte und CDs 2 – 9. Meschede/Olpe 20042010. (Tonaufnahmen und Textübertragungen Dr.
Werner Beckmann. Red.: Klaus Droste) ISSN 16123328. Heftpreis: 5,- EUR.
Der Wirtschaftsraum
Warstein
Der Kunstmaler Gerhard Becker ist in
der Zeitschrift SAUERLAND schon oft
gewürdigt worden. Nun zeigt er sein
Können in ganz neuartiger Weise. Hatte
er sich in seinen bisherigen Sauerlandbänden vor allem landschaftlichen
und architektonischen Phänomenen gewidmet und charakteristische Bauwerke
in sauerländischen Städten und Ortschaften dargestellt, zeigt er jetzt u. a.
ausdrucksvoll Menschen in den verschiedensten Tätigkeiten. Der neue Bildband,
den er zusammen mit dem für den Text
verantwortlichen Gerd Flaig gestaltet,
hat auch eine andere Thematik als die
bisher üblichen heimatkundlich geprägten Werke. Der Titel „Wirtschaften
in Warstein“ kündet das schon an,
S AUERLAND N R . 3/2010
präzisiert die Zielsetzung im Untertitel
aber noch deutlicher: „Wirtschaftliche
Grundlagen, Potenziale und Entwicklung der neun Ortschaften der Gemeinde Warstein“. Der opulent gestaltete
Bildband ist mit Karten und auch Fotos
angereichert und differenziert gegliedert
in Abschnitte über: Landwirtschaft, Erz
und Bergbau, Wald, Holzkohle und Wasserkraft, die Verkehrsentwicklung nach
der Erfindung der Eisenbahn hier mit
den Bahnhöfen der einzelnen Gemeinden Warsteins, der Entwicklung wichtiger industrielller Produktionsstätten bis
hin zur Warsteiner Kalkindustrie. Aus
dieser Aufzählung geht schon hervor,
wie breit das „Wirtschaften in Warstein“
ist, ohne dass das Brauwesen, das heute
den Namen Warsteins weltbekannt
macht, schon genannt worden ist. Ihm
gilt mit dem Kapitel „Historische Gaststätten“ (S. 86 - 120) noch ein weiterer
gewichtiger Teil, um dem gesamten „Potenzial“ Warsteins gerecht zu werden.
Für die eindrucksvolle Anschaulichkeit
dieses breiten Themenspektrums sorgt,
wie bereits erwähnt, Gerhard Becker mit
begleitenden Aquarellen und vielfachen,
oft bildfüllenden Zeichnungen. Im Anfangsteil vergegenwärtigt er die Landwirtschaft, geformt durch die harte Arbeit der Bäuerinnen und Bauern in Feld
und Wald, wo die Köhler ihre Meiler errichteten, die für die schon früh beginnende Montanindustrie Warsteins die
notwendige Holzkohle lieferten. Die Bearbeitung der reichen Erzvorkommen
bis zur Stahlerzeugung in den Puddelwerken wird nicht nur im Text verständlich und ausgiebig erläutert, sondern
durch Beckers Zeichnungen über die
einzelnen Arbeitsprozesse noch stärker
veranschaulicht. Die Produktion von
Fahrzeugachsen, wie sie vorgeführt
wird, brachte Warstein schon vor seinen
Brauerzeugnissen Weltgeltung ein. Aber
auch die wachsenden Industrien in
den Gemeinden wie Sichtigvor, Allagen,
Niederbergheim und Suttrop sind in
Bild und Wort festgehalten. Selbstverständlich erfährt der Leser dann auch
viel Interessantes über den Brauvorgang. Hier vermittelt uns Becker in bekannter Genauigkeit auch die architektonischen Besonderheiten der Vielzahl
der historischen Gaststätten, in denen
Warsteiner Bier seit alter Zeit ausgeschenkt wurde und wird. So ist ein überaus informatives und durch die Bilderfolge immer ansprechendes Buch über
die wirtschaftliche Bedeutung des Warsteiner Raumes entstanden, das weit
über Warstein und das Sauerland hinaus
gewiss beeindruckte Leser finden wird.
Wirtschaften in Warstein. Historische Wurzeln für heutige Erfolge, Bildband des Stadtmarketingverbandes
Warstein e.V., Bilder von Gerhard Becker, Texte von
Gerd Flaig, Belecke 2009, 121 S., 20,– Euro, Vertrieb
über Gerd Flaig
Attendorn
Gestern und Heute
32/2010. B. Haberhauer-Kuschel:
Erinnerung – Gedenken – Mahnung. J.
Hormes: Meine Kriegsjahre und meine
Gefangenschaft. G. Ortmann: Elend in
den Gefangenenlagern am Rhein.
M. Jolk: Glocke und Glockenturm der
Waldenburger Kapelle. R. König: Die
Heiligentracht in Attendorn. C. Ortmann: Das Turmkreuz St. Johannes
Baptist Renovierung 2009. J. WagenerZeppenfeld: Eynmal noch ... B. Flusche:
RucklaÅNufer. E. u. O. Kersting:
75 Jahre Kersting in Attendorn.
M. Löcken: Neuzugänge des Museums
2009.
Attendorn Gestern und Heute Mitteilungsblatt des
Vereins für Orts- und Heimatkunde Attendorn e. V.,
Hansastraße 4, 57439 Attendorn
Rechenbuch des Hermann
Vasbach 1534 – 1624
Gemeindearchiv Kirchhundem
veröffentlicht ein Kassen- und
Familienbuch aus der Zeit der
Wende zum 17. Jahrhundert
Gut Vasbach ist ein seit dem 15. Jahrhundert nachweisbares Mühlengut zwischen den Orten Kirchhundem und
Herrntrop im Kreis Olpe. Die Besitzer
betrieben außer der Mühle zeitweise
auch eine Stahlschmiede. Über Generationen waren sie auch Richter oder Gerichtsschreiber am kurfürstlichen Gericht in Bilstein. Der Hoferbe Hermann
Vasbach legte 1581 ein Kassen- und Familienbuch an, in das er Nachrichten zur
Familiengeschichte und zu wirtschaftlichen Betätigungen verzeichnete. Interessant sind dabei insbesondere die Aufzeichnungen zur von ihm in den Jahren
von 1581 bis 1583 betriebenen Stahlschmiede sowie der Mühle. Das von ihm
selbst als Rechenbuch bezeichnete Stück
beinhaltet Aufzeichnungen zu Personal
der Vasbach und macht auch überregionale wirtschaftliche Kontakte (Siegen,
151
S AUERLAND N R . 3/2010
Hilchenbach, Köln, Schmallenberg, Attendorn usw.) deutlich. Es enthält genealogische Aufzeichnungen, die weit vor
dem Beginn der Kirchhundemer Kirchenbücher liegen und insofern für alle
Nachkommen der Vasbachs von Bedeutung sind. Da auch Taufpaten angegeben werden, wird deutlich, in welchen
gesellschaftlichen Kreisen die Familie
Vasbach verkehrte. Als Taufpaten von
Kindern Hermann Vasbachs erscheinen
u. a. der spätere Paderborner Fürstbischof Dietrich von Fürstenberg und der
spätere Landdrost des Herzogtums
Westfalen Kaspar von Fürstenberg. Eine
Taufpatin war Dorothea Becker, Ehefrau
des Bilsteiner Richters Franz von der
Hardt, die etwa zeitgleich als Hexe angeklagt war und einen Folterprozess über
sich ergehen lassen musste. Da Hermann Vasbach oft auch Anlässe verzeichnete, aus denen er Zahlungen an
sein Personal tätigte, ergeben sich zahlreiche Hinweise auf Märkte, Kirmessen,
Schießspiele, Fastnachtsfeiern u. ä., wodurch ein interessanter Einblick in das
gesellschaftliche Leben der Zeit um
1600 gegeben wird. Fortgeführt wurde
das Buch von seinem Sohn Eberhard
Vasbach (* 1570 † 1629) und dem Enkel Johannes Vasbach (* 1604 † 1653).
Bei dem Rechenbuch handelt es sich
um eine bedeutsame Quelle zur Wirtschafts-, Sozial- und Familiengeschichte
des südwestfälischen Raumes. Für Genealogen ist das Rechenbuch deshalb
besonders interessant, weil die Familie
Vasbach in Südwestfalen, aber auch darüber hinaus eine zahlreiche Nachkommenschaft hat. Der Vater Hermann Vasbachs, Anton Vasbach (* um 1500
† 1590) war verheiratet mit der Adeligen
Margaretha von und zu Bruch, so dass
Vasbach-Nachkommen hierüber eine
Anknüpfung an die adelige Familie von
Bruch und deren Vorfahren, die Ritter
von Hundem, erhalten.
Das Gemeindearchiv Kirchhundem
hat jetzt eine Transliteration des Rechenbuches, versehen mit einer zwölfseitigen
Einleitung sowie einem Personen- und
Ortsnamenindex veröffentlicht.
Das 71 Seiten umfassende Werk im Format DIN A 4
kann zum Preis von 10 € zzgl. Versandkosten bestellt
werden beim Gemeindearchiv Kirchhundem,
Hundemstr. 35, 57399 Kirchhundem,
Tel.: 02723 40929, Fax: 02723 9250129,
E-Mail: [email protected].
Der Märker
59. Jahrgang 2010: G. E. Sollbach:
Das Ryn-Gut. Ein mittelalterlicher limburgischer Lehnhof in Hagen-Halden.
B. Seifen u. D. Strohmann: Architektur
und Innenraumfassung der Lutherkirche
in Altena. Bemerkungen zu Sanierung
1992 bis 2007. H.-H. Stopsack: „Zur
Deutschen Redlichkeit“. Die Iserlohner
St.-Johannis-Loge, 1796 bis 1817.
W. Lehnemannn: „LG“ Gebrauchsglas
aus Lü nen seit 1907. D. Simon: Der
„Rote Sauerländer“ und sein Verfolger.
Ein politischer Zweikampf in der
Frü hgeschichte der Lü denscheider Sozialdemokratie. H. Pahl: Emmy vom Hofe (1883-1964). Eine Bildhauerin aus
Lü denscheid. R. Blank: „Target Gudgeon“. Hamm und die alliierte Luftkriegsfü hrung 1940 bis 1944.
Der Märker. Landeskundliche Zeitschrift für den
Bereich der ehemaligen Grafschaft Mark und den Märkischen Kreis. Herausgeber: Märkischer Kreis. Der
Landrat. Heedfelder Str. 45, 58509 Lüdenscheid
Die Bruchhauser Steine
stellen sich vor
Der neue Leitfaden zum Gebiet – vierfarbig, vielseitig, umfassend, informativ
– Druckfrisch liegt der neue Leitfaden
zum Stiftungsgebiet „Bruchhauser Steine“ für Gäste, Besucher und Interessierte bereit. In übersichtlicher, farbiger Ausführung vermittelt er Einblick und Eindruck in das einzigartige Boden- und
Kulturdenkmal, das Archäologische Reservat und den Nationalen Geotop sowie
das FFH-Gebiet (Fauna-Flora-Habitat)
von Europäischer Bedeutung. Die bebilderten Textbeschreibungen zeigen: Lage- und Erscheinungsbild der 4 Felsmassive auf dem Istenberg oberhalb von
Bruchhausen Entstehungsgeschichte
aus nahezu 400 Mio. Jahren Grabungsergebnisse in den Wallanlagen der
vorrömischen Eisenzeit (ca. 500 v. Chr.)
mit Fundbeschreibungen und Besiedlungsgeschichte. Eindrucksvoll werden
die landschaftsprägenden Felsmassive
im Bild dargestellt. Faune, Flora, Habitat
(FFH), die seltenen Tiere, wie z. B. Wanderfalke und Uhu, die eiszeitlichen Reliktpflanzen w. z. die Alpen-Gänsekresse
sowie die exponierten Fels-Standorte
der seltenen Moose und Flechten finden
Beschreibung in Text und Bild. Die Stiftung selbst und ihre Zweckbestimmung
werden erläutert ebenso wie die interessanten Themenwege und ihre Beschil-
derung im übersichtlichen Kartenplan
dargestellt werden. Nähere Beschreibungen zu Besuch und Besichtigung sowie das Informationscenter am Eingang
zum Stiftungsgebiet schließen die BildBroschüre ab. Hinweise auf angebotene
Fachführungen für interessierte Gruppen ergänzen den Eindruck in das besuchswerte Naturschutzgebiet und seine
historische Umgebung.
Stiftung Bruchhauser Steine
Historische Orgel
Kloster Brunnen
„Die orgl ist doch in meinen Augen
und ohren der könig aller instrumenten“, schreibt Wolfgang Amadeus Mozart in einem Brief an seinen Vater. Diesem „König“ der Instrumente ist nun ein
schmales, schön gestaltetes Buch gewidmet: Der Orgel in der Kirche des Kapuziner-Klosters Brunnen. Über die Kirche in der Waldeinsamkeit der Homert
ist hier schon mehrfach berichtet worden, aber auch die Orgel hat eine bemerkenswerte Geschichte, die der sauerländische Or gelkenner Klaus Baulmann
und ein Kreis sachkundiger Mitarbeiter –
allesamt Freunde von Kloster Brunnennun in ihren Beiträgen aus den verschiedensten Aspekten beleuchten.
1801 wurde
sie von Freiherr Friedrich
Leopold von
Fürstenberg zu
Herdringen
den Kapuzinern
geschenkt, die
nach der Säkularisation ihr
Kloster verlassen mussten,
immerhin blieb der letzte Ordensmann
bis 1835 am Ort. Die verbliebene arme
Gemeinde konnte an der Orgel nicht viel
ändern, Schäden waren unvermeidlich,
aber in den letzten Jahrzehnten gab es
dann viele Ansätze zur Restaurierung,
wie Baulmanns Aufsatz „Der lange Weg
zwischen Idee und Durchführung der Orgelrestaurierung“ schildert. Sie ist zurzeit
wieder im Gange und soll bald abgeschlossen sein. Diese Restaurierungsarbeiten z. B. des Orgelprospekts und der
Balganlage zum „Wind machen“ werden
von Expertinnen eingehend und fach-
152
kundig dargestellt. Doch nicht nur diese
orgelspezifisch technischen Maßnahmen kommen zu Wort, auch die Frage,
was man auf dieser historischen Orgel –
einmanualig und ohne selbständiges Pedal- spielen kann, wird durch viele Musikbeispiele veranschaulicht. Darüber
hinaus melden sich viele Zeugen, die
sich mit der Orgel, aber auch der Kirche
in ihrer idyllischen sauerländischen Umwelt verbunden fühlen. Unvermeidlich
bleibt der Hinweis auf die Veränderungen in der gegenwärtigen pastoralen Situation. Das alles kann hier nur kurz aufgelistet werden, erst die persönliche
Lektüre kann die vielschichtigen Einzelheiten eröffnen. Wer sich mit der Geschichte der Orgel genauer vertraut machen will, dem hilft das „Orgellexikon“
am Schluss zur Klärung der Fachausdrücke. Die zahlreichen Abbildungen
führen noch anschualicher in das Leben
rund um die hier so liebevoll und gründlich vermittelte Orgelwelt. Fazit: Eine
rundum gelungene Vorstellung einer bewahrenswerten historischen Orgel.
Klaus Baulmann: Historische Orgel Kloster Brunnen,
Sundern 2010, 156 Seiten,
ISBN 978-3-00-031242-7
Heimatpflege
im Kreis Soest
Nr. 16 – März 2010: Ein neues Heimathaus in Oestinghausen. Herbstsitzung der Ortsheimatpfleger und Vorstände der Heimatvereine. Die Ortsnamen des Kreises Soest. Der Warsteiner-Möhnetal-Geschichtsweg. Wem die
Stunde schlägt. Pflichtexemplare. Projektidee für die Regionale Süd-Westfalen. Gärten und Parks in Süd-Westfalen. Kippflug als bäuerlicher Willkommensgruß. Nachrufe. Fundsache
Katasterkarten. Nachrichten. Termine.
Heimatliteratur. Literaten-Nachruhm.
Heimatpflege im Kreis Soest; Kreisheimatpfleger Peter Sukkau, Goldschmiedeweg 21, 59494 Soest
Deutscher Krieg und
sauerländische Landwirtschaft
Die Chronik des Theodor Droste
Theodor Droste (*25. 3. 1838) aus
Osterwald (Schmallenberg) hält seine Erlebnisse und Erfahrungen in Form einer
Chronik fest, die von Alfred Bruns herausgegeben wurde.
S AUERLAND N R . 3/2010
SEIT 1928
Theodor Droste berichtet von
Lange Wende 94 – Mendener Straße 8
seinem Leben auf
Tel. 0 29 32/2 43 64 – Tel. 0 29 32/71 04
dem Sonderhof,
beschreibt
die
Teilnahme
am
„Deutschen
Krieg“ 1866 aus
Theodor Droste berichtet von schweseiner persönlichen Perspektive.
ren Krankheiten, die im Bereich des
Der eigentlichen Chronik stellt der Sauerlands viele Opfer forderten, auch
Herausgeber einige Erläuterungen vor- ihn und seine Familie bedrohten. Der
an. Alfred Bruns skizziert Eigenheiten Medizin seiner Zeit stellt er angesichts eides „Sonderhofes“ (u. a. Grundriss, La- ner Ruhr-Epidemie ein schlechtes Zeugge, Größe, Geschichte), informiert über nis aus: Medikamente gegen die Ruhr
die Rolle der Landwirtschaft bis 1901, „fruchteten wenig, oder gar nicht“.
erläutert Maß- und Münzangaben des (S. 37) Er betont, dass Zuwendung „das
19. Jhdts., die für das Verstehen der Hauptnothwendigste“ gewesen sei.
Chronik von Bedeutung sind, verfasst ei1859 wird der Hof neu gebaut. Der
nen knappen Abriss über den Deutschen
Chronist
liefert ein lebendiges Bild von
Krieg von 1866 (Ursache, Anlass, Verder
Baumaßnahme.
Er beschreibt die
lauf).
Beschaffung und die Herstellung der
Die Chronik selbst behandelt Baumaterialien (Eichenholz, Steine …),
zunächst die Entstehung des Sonder- den Einsatz der Arbeitskräfte, wie z. B.
hofs. Eine zeitgenössische Handzeich- des Zimmermeisters und des Maurer nung ist beigefügt. Theodor Droste be- meisters, die anfallenden Kosten. Der
schreibt eingangs Besitzverhältnisse, Tag des „Hausaufrichtens“ wird hervorgeht auf die Geschichte seiner Familie gehoben, die Feierlichkeit des „Haushenäher ein.
bens“ betont er besonders. Viele Gäste
Theodor Droste wird am 2. 5. 1852 sind zu versorgen, „Brantwein“, Bier
aus der Schule entlassen. Offenbar ist er und „14 Stück Schinken (wurden) auf
ein guter Schüler, der von seinem Leh- einmal in einem großen Topfe gekocht“.
rer gefördert wird. Er erhält „1/2 Jahr (S. 38 f.)
Privatstunden außer der Schulzeit beim
1861/62 muss Theodor Droste, alle
Schullehrer“ (S. 31). Sein Vater stimmt „Reklamationen“ (Einwände) blieben undem zu, obwohl die wirtschaftlichen Ver- berücksichtigt, seinen Militärdienst in
hältnisse nicht immer einfach waren. Berlin ableisten. (S. 40). Am 9. 5. 1866
Der Junge verzichtet auf ein Studium, er erhält er seine „Ordre Einberufung zur
„widmete (sich) der Bauerschaft“, auch Fahne“. (S. 45) Er muss am preußischwenn er als „Kind von 9-11 Jahren (da- österreichischen Krieg teilnehmen. Er
zu) gar keine Lust hatte.“ Mit 13(!) Jah- kommentiert, dass ihn „… dieser Feldren konnte er „ohne besondere Fehler zug wol 10 Jahre (seines) Lebens gezu machen … Fahren, Pflügen, Eggen raubt“ habe (S.4 5). Der Leser erlebt den
etz(etera):“(S. 31). Schließlich trifft er ei- Krieg aus der Perspektive Theodor Drone endgültige berufliche Entscheidung: stes. Er beschreibt Landschaften, Städ„Ich widmete mich nun mit Eifer mei- te, Dörfer, Quartiere (z. B. S. 57). Immer
nem Stande, nämlich ein tüchtiger zu erinnert er an Kameraden und Vorgesetwerden.“ (S. 32)
ze (z. B. S. 58 f.). Der Krieg verläuft aus
59755 Arnsberg-Neheim
Der Leser der Chronik kann detailliert
Theodor Droste auf seinem Lebensweg
begleiten. 1855 wird Theodor „Knecht“
bei „Herrn Nückel zu Winkhausen“ (S.
35). Für den Chronisten steht der
Wunsch dahinter, seine landwirtschaftlichen Kenntnisse zu vertiefen. Es ist eine Art Praktikum, das dem jungen Mann
viel abverlangt. Er notiert: „Die Arbeiten
begannen im Winter um 4 Uhr Morgens
bis 8 Uhr Abends, außer der Essenszeit
fast ununterbrochen…“ (S. 35).
der Perspektive Preußens erfolgreich.
Nicht ohne Stolz erinnert sich Theodor
Droste an Empfänge, „Ehrenforten“
usw., die in verschiedensten Ortschaften
für die zurückkehrenden Soldaten auf
dem Marsch nach Berlin organsiert wurden. (vgl. z. B. S. 66 f.). Am 26. 9. 1866
endet sein Dienst, er verabschiedet sich
„von allen lieben Freunden“ (S. 59), erreicht am 28.9. Osterwald. „Zu Hause
alles gesund und wohl. Der Herbst ziemlich gut“ (S. 69) notiert er.
153
S AUERLAND N R . 3/2010
PERSONALIEN
Er führt die Chronik fort. Wir nehmen
wieder teil am Leben des Landwirts und
Familienvaters.
Robert Beule –
Änderungen zeichnen sich ab. „Im
Mai (des Jahres 1881) ließ ich unten im
Höltchen 4200(!) Stück Tannen pflanzen; am Steinsiepen 250 Stück.“
(S. 84), sicher eine Folge der Entwicklung des Ruhrgebiets (vgl. S. 131). Der
Ausbau des Wegenetzes beschäftigt ihn
sehr (S. 84, 102, 104). Auf dem Hof
müssen neue Wasserleitungen gelegt
werden (S. 106, 114). Wir können den
Weg der Kinder und anderer Familienmitglieder verfolgen: Schulbesuch, Ausbildungsverhältnisse, Krankheiten (z. B.
S. 118), Hochzeiten, Sterbefälle.
Das 95. Lebensjahr vollendete am
17. Juni Pastor Robert Beule aus Meschede. Für viele Kenner und Liebhaber
der 1000jährigen St. Walburga Kirche
in Meschede ist er ein versierter Führer
durch die Geschichte dieser Kirche, die
gleichsam ein Fenster in die Geschichte
Meschedes und des Sauerlandes ist.
Stationen
seines Lebensweges als Priester und Seelsorger waren
nach der Weihe zum Priester am 10.
August 1947
durch Erzbischof Lorenz
Jäger in der
Zeit von 1947 bis 1953 Warburg-Neustadt und von 1953 bis 1955 die Gemeinde Herz Jesu in Dortmund Hörde.
Es schloss sich die Ernennung zum
Domvikar
in
Paderborn
an.
25 Jahre war er dann Pfarrer von
St. Walburga in Meschede. Er hat in dieser Zeit das Leben der Mescheder Pfarrgemeinde als Seelsorger nachhaltig geprägt und bis heute sichtbare Spuren
hinterlassen. Dazu gehören im Jahr
1965 die erste große Renovierung der
Walburgakirche mit spektakulären Ausgrabungen und dem Bau der Emhildiskapelle – für die Mescheder die „Beule“.
Dazu kamen weitere bauliche Initiativen
wie 1974 Bau des Kindergartens St. Raphael, 1975 die Renovierung des Jugendheimes, 1976 der Neubau des
St. Walburga-Kindergartens und 1984
der Neubau des Pfarrhauses mit einer
Begegnungsstätte. Immer wieder galt
sein Interesse und seine besondere Liebe aber „seiner“ St.-Walburga Kirche.
So sorgte er zunächst 1974 für den Einbau einer neuen Chororgel, 1977 für
die Einrichtung der Schatzkammer und
1983 für den Einbau einer neuen
Hauptorgel.
Die Chronik des Theodor Droste verdiente die Überschrift „Heimat“. Die
Chronik könnte beinahe die Vorlage für
ein Drehbuch sein. Kindheit, Jugend,
Verantwortung eines Hofbesitzers und
Familienvaters, Kriegsteilnehmer. Die
Chronik vergegenwärtigt nicht nur bäuerliches Leben im 19. Jahrhundert auf
einem Hof im Sauerland, sondern geht
weit darüber hinaus. Die Chronik des
Theodor Droste ist in ihrer Einzigartigkeit eine sozialgeschichtliche Quelle
mit besonderer Bedeutung.
Hans-Jürgen Friedrichs
Deutscher Krieg und sauerländische Landwirtschaft.
Die Chronik des Theodor Droste vom 18. Jahrhundert
bis 1901. Bearbeitet von Alfred Bruns in Zusammenarbeit mit Rötger Belke-Grobe(†) und dem Schieferbergbau-Museum Holthausen Schmallenberg, Warendorf 2008 (Verlag SCHNELL)
An Möhne, Röhr und Ruhr.
Heimatblätter 46/2010. 150 Jahre
St. Johannes-Hospital Neheim. Vorwort
des Kuratoriumsvorsitzenden Hubert
Cloer. Grußworte des Bü rgermeisters
Hans-Josef Vogel und des Heimatbundes Neheim-Hü sten e. V. G. Schäfer und
F. J. Schulte: Neheim um 1850. F.-J.
Leclaire:Krankenhaus St. Johannes zu
Neheim – Geschichte und Geschichten.
F. J. Schulte: Bauliche Entwicklung –
von 1860 bis 2010 – historischer
Rü ckblick. B. Nadol: Die Entwicklung
von 1974 bis heute. Die Fachabteilungen im Überblick.
An Möhne, Röhr und Ruhr. Heimatblätter des Heimatbundes Neheim Hüsten e. V., Widukindstraße 23,
57579 Arnsberg
ein Fredeburger, der sein Herz in
Meschede verloren hat
Deutlich wird seine Bedeutung gleichermaßen bei der Rückschau auf sein
Wirken in verantwortlichen kirchlichen
Leitungspositionen. Für die Zeit von
1968 bis 1974 wurde Robert Beule von
seinen Amtsbrüdern zum Dechant des
damaligen Dekanats Meschede gewählt.
Von 1974 bis 1979 war er Dekan des
früheren Seelsorgebezirks SauerlandNord. Die Anerkennung und Wertschätzung seiner Arbeit drückte sich in seiner
Ernennung zum nicht-residierenden
Domkapitular im Jahr 1975 aus.
Nachhaltige Spuren hat er gleichermaßen als „Mentor“ zahlreicher Diakone und Vikare hinterlassen, die mit seiner Begleitung ihre ersten Berufserfahrungen gemacht haben.
Was ihn darüber hinaus bis heute zu
einer faszinierenden und Orientierung
gebenden Persönlichkeit für alle Genrationen als Priester, Seelsorger und
Mensch macht, ist seine bodenständige,
dem Leben zugewandte und offene Lebensart. Auch mit 95 Jahren steht der
gebürtige Fredeburger aufgeschlossen,
interessiert und aktiv im Leben und begleitet die Pfarrgemeinde und die Entwicklungen in der Kirche mit gleich bleibendem Interesse. Die Kolpingsfamilie
Meschede ist ihm als Ehrenpräses und
ehemaligem Senator verbunden. Die
Fronleichnamsprozession und das Mescheder Schützenfest sind in seinem
Jahreskalender feste und unumstößliche
Termine und Ausdruck seiner Verbundenheit mit den Menschen.
Seine besondere Leidenschaft gilt seiner St.-Walburga Kirche. Ihre Erforschung als kirchen- und kulturgeschichtliches Baudenkmal ersten Ranges in Meschede und im gesamten Sauerlandes
hat er zu seiner Aufgabe gemacht, seitdem er in Meschede lebt. Durch seine
mit Leidenschaft – so auch in den vergangenen Sommerferien – durchgeführten Kirchenführungen haben schon viele Einheimische und Besucher die St.Walburga-Kirche auf eindrucksvolle
Weise kennen gelernt.
Der 17. Juni war einmal mehr Anlass
für zahlreiche Menschen, Freunde und
Verwandte mit einem festlich-frohen
Gottesdienst und anschließender Gratulation gemeinsam mit Robert Beule
dankbar auf 95 Jahre eines erfüllten Lebens zurück zu blicken. Der Sauerländer
Heimatbund schließt sich mit einer herzlichen Gratulation an.
Christoph Söbbeler
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S AUERLAND N R . 3/2010
Professor Ansgar Nierhoff †
Im Alter von 68 Jahren verstarb am
2. August 2010 Ansgar Nierhoff in
Köln. Der Künstler wurde 1941 in Meschede geboren und wuchs auf in Siedlinghausen. Nach einer Berufsausbildung zum Maurer studierte er an der
Kunstakademie Düsseldorf. 1965 zog er
nach Köln, wo er dann bis zu seinem
Tod lebte und arbeitete. 1977 nahm er
an der documenta 6 teil.
Von 1988 – 2008 war er Professor
an der Akademie für Bildende Künste in
Mainz. Ansgar Nierhoff gehörte zu den
wichtigsten deutschen Stahlbildhauern,
seine Werke wurden mit zahlreichen Ehrungen und Preisenbedacht und sind im
öffentlichen Raum vielfach präsent. Im
Jahr 2000 erhielt der den AugustMacke-Preis. Die erste Kultur am Waldskulpturenweg Wittgenstein-Sauerland
stammt von ihm. Dem Sauerland blieb
er zeitlebens verbunden.
Wolfgang Meier
SAUERLAND
Zeitschrift des Sauerländer Heimatbundes (früher
Trutznachtigall, Heimwacht und Sauerlandruf)
43. Jahrgang • Heft 3, September 2010
ISSN 0177-8110
Herausgeber und Verlag: Sauerländer Heimatbund e. V., Postfach 14 65, 59870 Meschede
Vorsitzender: Dieter Wurm, Am Hainberg 8 a,
59872 Meschede, Tel. (02 91) 71 90 p, Fax (02 91)
71 90 p, 94-16 05 d, Fax 94-2 61 71. Stellv. Vorsitzende: Wilma Ohly, Goerdelerweg 7, 57462 Olpe,
Tel. (0 27 61) 6 16 98.
Ehrenvorsitzender: Dr. Adalbert Müllmann, Jupiterweg 7, 59929 Brilon, Tel. (0 29 61) 13 40
Geschäftsstelle: Hochsauerlandkreis, Fachdienst
Kultur/Musikschule, Karin Kraft, Telefon (02 91)
94-14 62, Telefax (02 91) 9 42 61 71, E-Mail: kultur
@hochsauerlandkreis.de, Postfach 14 65, 59870
Meschede
Internet: www.sauerlaender-heimatbund.de
Konten: Sparkasse Arnsberg-Sundern
(BLZ 466 500 05) 4 000 600.
Jahresbeitrag zum Sauerländer Heimatbund einschließlich des Bezuges dieser Zeitschrift 15,– EUR.
Einzelpreis 4,00 EUR.
Erscheinungsweise vierteljährlich.
Redaktion: Günther Becker, Lennestadt. Werner Cordes, Attendorn. Dr. Theo Bönemann, Menden.
Susanne Falk, Lennestadt. Norbert Föckeler, Brilon.
Professor Dr. Hubertus Halbfas, Drolshagen.
Heinz Lettermann, Bigge-Olsberg. Dr. Adalbert
Müllmann, Brilon. Heinz-Josef Padberg, Meschede.
Dr. Erika Richter, Meschede. Michael Schmitt, Sundern. Dr. Jürgen Schulte-Hobein, Arnsberg. Dieter
Wiethoff, Meschede. Dieter Wurm, Meschede.
Schlussredaktion: Hans Wevering, Schlossstr. 54,
59821 Arnsberg, Tel. (0 29 31) 32 62, Fax (0 29 31)
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Es gilt die Anzeigenpreisliste Nr. 10 vom 1. Jan. 2010.
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