Ovarialzysten
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Ovarialzysten
FORTBILDUNG + KONGRESS Ovarialzysten – Diagnostik und Therapie Adolf E. Schindler Ovarialzysten zählen zu den häufigen Problemen in der frauenärztlichen Praxis. Der folgende Beitrag gibt einen Überblick über die unterschiedlichen Arten von Zysten, die Diagnostik und Differenzialdiagnostik, die Bedeutung von Ovarialzysten in der Schwangerschaft sowie die Möglichkeiten der operativen und medikamentösen Therapie. Die Prävalenz von Ovarialzysten ist nicht genau anzugeben. Screeninguntersuchungen ergaben Ovarialzysten bei etwa 7 % der prä- und postmenopausalen Frauen (1, 2). Ovarialzysten können schon bei Neugeborenen gefunden werden (3). Klinisch relevant sind sie aber erst, wenn sie nach der Pubertät, verbunden mit dem Menstruationszyklus, während der Reproduktionsphase oder in der Prä- und Postmenopause auftreten. Definition und Einteilung von Ovarialzysten Definitionsgemäß spricht man von Ovarialzysten, wenn die Strukturen bei der Ultraschallabklärung einen Durchmesser von 3 cm und mehr aufweisen (4). Bei den Ovarialzysten sind funktionelle Zysten und organische Zysten zu unterscheiden. Zu den funktionellen Zysten gehören n Follikelzysten, n Corpus-luteum-Zysten, n Thekaluteinzysten (bei ovarieller Überstimulation sowie Mehrlingsschwangerschaften, Blasenmole und Chorionepitheliom bedingt durch hohe HCG-Konzentrationen), Nach einem Vortrag beim IV. Tübinger Treffen für gynäkologische Endokrinologie und Reproduktionsmedizin, 5.–6.11.2004 132 FRAUENARZT n 46 (2005) n Nr. 2 n PCOS und n Zysten in der Postmenopause. Zu den organischen Zysten gehören n Dermoide, n Endometriome, n seröse Zystadenome, n papilläre Zystadenome und n muzinöse Kystome. Zeitpunkt des Auftretens von Ovarialzysten Abgesehen von einzelnen Ovarialzysten im Neugeborenen- oder Kleinkindalter sind drei Zeiträume zu nennen, in denen Zysten jeweils unterschiedlichen Bedeutung zukommt: n Adoleszenz und Reproduktionsphase, n Schwangerschaft und n Klimakterium. In der Adoleszenz und der Reproduktionsphase sind die häufigsten gutartigen Ovarialzysten Follikelzysten. Sie werden meistens 4–6 cm groß, können aber, wenn auch seltener, bis über 10 cm Durchmesser erreichen. Follikelzysten sind dünnwandig und bilden sich meist innerhalb von 2–3 Monaten spontan zurück. Dies trifft auch für Corpus-luteumZysten zu. Im Gegensatz dazu steht das Verhalten von organischen Zysten. Diese entwickeln sich graduell und weisen keine Spontanregression auf (Dermoide, seröse und muzinöse Ovarialtumoren). In der Postmenopause muss bei Auftreten von Ovarialzysten ein Malignom immer in Erwägung gezogen werden. Diagnostik und Differenzialdiagnostik von Ovarialzysten Zur Diagnostik von Ovarialzysten gehören die gründliche gynäkologische Untersuchung und der Ultraschall (am besten vaginal). Stellt sich die Zyste sonographisch einkammerig und glattwandig dar, ist sie wahrscheinlich gutartig (Malignitätsrisiko 0,3 %, abhängig vom Alter der untersuchten Frau). Bei der Differenzialdiagnostik müssen folgende Möglichkeiten bedacht werden: n Hydrosalpinx, n Parovarialzyste, n Morgagni-Hydatide, n seröse Müllerzyste, n Zyste des Rete ovarii, n Gartner-Gang-Zyste und n Peritonealzyste. Ovarialzysten in der Schwangerschaft Werden in der Schwangerschaft Ovarialzysten mit dünner Wand gefunden, so handelt es sich meistens um Corpus-luteum-Zysten. Diese sind gegen Ende des ersten Trimenons generell nicht mehr vorhanden. Nach der 16. Schwangerschaftswoche überwiegen organisch bedingte Zysten. Am häufigsten finden sich dabei Dermoide. Die Prävalenz von Ovarialzysten in der Schwangerschaft wurde mit 0,5–2 pro 1.000 Schwangerschaften angegeben (5). Bei Ovarialzysten ab 6 cm besteht ein erhöhtes Komplikationsrisiko. Komplikationen können intrazystische Blutungen oder eine Ruptur sein. Ideal für eine geplante Operation ist der Beginn des zweiten Trimenons. Eine Operation vor der neunten Schwangerschaftswoche ist mit einem hohen Fehlgeburtsrisiko verbunden. Die Laparoskopie ist das operative Vorgehen der Wahl. Therapie von Ovarialzysten Für die Behandlung von Ovarialzysten steht ein Spektrum von therapeutischen Möglichkeiten zur Verfügung, die in Abhängigkeit von der klinischen Symptomatik, dem klinischen und sonographischen Befund, dem Alter und dem körperlichen Zustand (z.B. Schwangerschaft) sowie dem Verlauf unterschiedlich eingesetzt werden sollten. Zu den möglichen Behandlungsmaßnahmen gehören: n chirurgisches Vorgehen (Laparoskopie, ggf. Minilaparotomie bzw. Laparotomie), n medikamentöse Therapie und n Beobachtung. Chirurgische Therapie Eine größere Studie aus neuerer Zeit ergab, dass bei operativem Vorgehen 76,9 % der Ovarialtumoren per Laparoskopie und 21,5 % per Laparotomie behandelt wurden (7). Das Kri- terium für eine Laparotomie war Verdacht auf Malignität oder Größe von mehr als 10 cm. Laparoskopisch entfernte Zysten maßen im Durchschnitt 4,5 cm, per Laparotomie entfernte 8,2 cm (7). Von den 221 Frauen mit Ovarialzysten, über die eine andere Studie kürzlich berichtete, wurden 184 per Laparoskopie und 37 per Laparotomie operiert (8). Der Zystendurchmesser lag in 76 Fällen unter und in 145 Fällen über 5 cm. Follikelzysten, Parovarialzysten und Corpus-luteum-Zysten fanden sich histologisch in 90,8 % der Zysten mit einem Durchmesser von weniger als 5 cm und in 60 % der Zysten mit einem Durchmesser von mehr als 7 cm (p<0,01) (8). Prämenopausal machten Follikelzysten, Peritonealzysten und Corpusluteum-Zysten 84,0 % der Zysten aus, postmenopausal 81,5 % (8). Bei Frauen mit Ovarialzysten mit einem Durchmesser von mehr als 7 cm ist eine Operation indiziert. Eine Periode der Beobachtung wird als akzeptabel erachtet für Patientinnen mit Zysten, deren Durchmesser weniger als 7 cm beträgt. Bleiben die Ovarialzysten bestehen, wird eine operative Entfernung empfohlen (8). Für paratubare und paraovarielle Zysten gilt, dass kleine Zysten mit weniger als 3 cm Durchmesser punktiert und koaguliert, größere Zysten exstirpiert werden (9). Bei der chirurgischen Behandlung von Endometriomen wurde in einer Studie entweder Fensterung und Koagulation oder Endometriosezystenausschälung vorgenommen. Dabei war die klinische Schwangerschafts- und Rezidivrate bei beiden Methoden gleich (10). Beachtet werden sollte, dass Postzystektomie-Ovarien bei Frauen über 35 Jahre in natürlichen und Clomifen-stimulierten Zyklen eine verminderte Ansprechbarkeit haben. Sie produzieren jedoch eine vergleichbare Zahl von Follikeln wie nicht operierte Ovarien, wenn sie mit Gonadotropinen stimuliert werden (11). Medikamentöse Therapie Bei Ovarialzysten gibt es für Medikamente zwei Anwendungsbereiche: n Therapie und n Prävention. Als Medikamente für die Behandlung von Ovarialzysten sind bisher eingesetzt worden: n Östrogen-Gestagen-Kombinationen, n Gestagene, n GnRH-Analoga und n Danazol. FORTBILDUNG + KONGRESS In einer Studie waren 86 % der Ovarialzysten asymptomatisch, 14 % riefen Schmerzen hervor. Die Diagnosestellung erfolgte in 72 % im ersten Trimenon und in 28 % im zweiten und dritten Trimenon. Einfache, echoarme Zysten fanden sich in 50 %. In über 70 % lag der Durchmesser bei mehr als 5 cm. In 3,6 % wurde ein Borderlinetumor gefunden (6). Indikationen sind n rezidivierende Follikelzysten, FRAUENARZT n 46 (2005) n Nr. 2 133 FORTBILDUNG + KONGRESS n rezidivierende Corpus-luteumZysten, n Follikel- oder Corpus-luteum-Zysten nach Clomifen-, HMG/HCGoder FSH/HCG-Behandlung und n Frauen, die Antikoagulanzien einnehmen müssen. Für die Prävention von funktionellen Ovarialzysten gilt es eine sichere und kontinuierliche Suppression der Hypothalamus-Hypophysen-OvarAchse herzustellen (12). Dies kann erzielt werden durch n Einphasenpräparate (Pille höher dosiert), n kontinuierliche Gestagene in Dosen, die zu einer Amenorrhoe führen, und n GnRH-Agonisten mit Add-back. Bei den Östrogen-Gestagen-Kombinationen sollte grundsätzlich eine Ethinylestradioldosis von mehr als 0,03 mg täglich verwendet werden (12, 13). Um die Bedeutung der Dosierung zu veranschaulichen, ist in Tabelle 1 die Häufigkeit von funktionellen Ovarialzysten unter oralen Kontrazeptiva mit unterschiedlicher Ethinylestradioldosis dargestellt. Geeignete Östrogen-Gestagen-Kombinationen für die Prävention und die Behandlung sind n Einphasenpräparate: z.B. Neo-Eunomin® und n Zweiphasenpräparate: z.B. Oviol®. Bei den Gestagenen muss durch eine kontinuierliche Behandlung in Ab- Orale Kontrazeptiva: funtionelle Ovarialzysten und Ethinylestradioldosis Pillenart Mehrphasen ≤35 µg EE >35 µg EE Rate PersonenMonate (x 10.000) 13.196,4 3,8 22.251,6 2,2 8.365,6 1,1 Tab. 1: Häufigkeit von funktionellen Ovarialzysten bei oralen Kontrazeptiva mit unterschiedlicher Ethinylestradioldosis (13). 134 FRAUENARZT n 46 (2005) n Nr. 2 hängigkeit von der verwendeten Gestagendosis (oral oder parenteral) eine Hemmung der HypothalamusHypophysen-Ovar-Achse (d.h. eine Amenorrhoe) erreicht werden, um die Bildung von funktionellen Ovarialzysten zu vermeiden oder vorhandene Zysten zur Rückbildung zu bringen. Die dazu nötige Dosis kann von Frau zu Frau sehr unterschiedlich sein. Generell gilt als Leitlinie, dass mit zunehmendem Alter der betroffenen Frauen die Gestagendosis geringer wird, die notwendig ist, um die Kontrolle der HypothalamusHypophysen-Ovar-Achse und die Rückbildung der Ovarialzysten zu erzielen (12). Bei Danazol führt eine tägliche Dosis von 600 mg bei den meisten Frauen zu einer kompletten Suppression der Hypothalamus-Hypophysen-OvarAchse. Dies ist z.B. bei der Behandlung von Endometriosezysten gezeigt worden (12). Für eine medikamentöse Behandlung von funktionellen Ovarialzysten ist eine solche Behandlung aber wegen des Nebenwirkungsspektrums weniger geeignet. pregnancy. Brit J Obstet Gynecol 110 (2003) 578–583. 7. Mettler L, Jacobs V, Brandenburg K et al.: Laparoscopic management of 641 adnexal tumors in Kiel, Germany. J Am Assoc Gynecol Laparoscop 8 (2001) 74–82. 8. Xiaoman D, Jinhua L, Jinghe L et al.: Evaluation of surgery in simple ovarian cysts. Chin Med Sci J 18 (2003) 93–96. 9. Darwish AM, Armin AF, Mohamad SA: Laparoscopic management of paratubal and paraovarian cysts. JSLS 7 (2003) 101– 104. 10. Hemmings R, Bissonnette F, Bouzayen R: Results of laparoscopic treatments of ovarian endometriomas: laparoscopic ovarian fenestration and coagulation. Fert Steril 70 (1998) 527–529. 11. Loh FH, Tan AT, Kumar J et al.: Ovarian response after laparoscopic cystectomy for endometriotic cysts in 132 monitored cycles. Fert Steril 72 (1999) 316–321. 12. Schindler AE: Medikamentöse Therapie von Ovarialzysten. Zentral Gynäkol 116 (1994) 619–621. 13. Lanes SF, Birmann B, Walker AM et al.: Oral contraceptive type and functional ovarian cysts. Am J Obstet Gynecol 166 (1992) 956–961. Eine Behandlung mit GnRH-Agonisten bietet sich an, da damit eine anhaltende und ausgeprägte ovarielle Suppression erreicht wird. Wegen der Östrogenentzugserscheinungen ist bei längerer Behandlung die Addback-Therapie hinzuzufügen. Literatur 1. Borgfeldt C, Andolf E: Transvaginal sonographic ovarian findings in a random sample of women 25-40 years old. Ultrasound Obstet 13 (1999) 345–350. 2. Bailey CL, Ueland FR, Lund GL et al.: The malignant potencial of small cystic ovarian tumors in women over 50 years of age. Gynecol Oncol 69 (1998) 3–7. 3. Dobremez E, Moro A, Bondonny JM et al.: Laparoscopic treatment of ovarian cyst in the newborn. Surg Endoscop 17 (2003) 328–332. 4. Stauber M, Weyerstahl T: Gynäkologie und Geburtshilfe. Thieme, Stuttgart, 2001, 284. 5. Sergent F, Verspyck E, Marpeau L: Prise en charge d’un kyste de l´ovaire pendant la grossesse. Presse-Med 32 (2003) 1039– 1045. 6. Zanetta G, Mariani E, Lissoni A et al.: A prospektive study of the role of ultrasound in the management of adnexal masses in Autor Prof. Dr. Adolf E. Schindler Institut für Medizinische Forschung und Fortbildung Universitätsklinikum Essen Hufelandstraße 55 D-45147 Essen Tel. +49 201 7991833 Fax +49 201 7499533 E-Mail [email protected]