Wenn ein Künstler und ein Manager spielen
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Wenn ein Künstler und ein Manager spielen
Hospodářské noviny, magazine Vikend, 22. 6. 2012 Author of text: Irena Jirků Author of photos: Jan Schejbal Wenn ein Künstler und ein Manager spielen „Zwischen uns gibt es keinen so großen Unterschied. Wir haben beide einen Traum und den Willen, ihn zu realisieren,“ so Jiří Wald. Und Petr Nikl ergänzt: „Die Arbeit eines Managers sowie die Arbeit eines Künstlers muss bestimmte Überschneidungen haben. Ansonsten hätte es keinen Sinn." Vor ein paar Tagen eröffneten die beiden im Kulturzentrum in Linz ihre bisher größte Ausstellung. Diese heißt “Sinnesrausch” und zeigt auf einer Fläche von über 6000 qm alles, was aus dieser in tschechischen Verhältnissen beispiellosen Zusammenarbeit entstanden ist. Hier treffen sie aufeinander, ergänzen und unterstützen sich: interaktive Objekte, welche bereits Kinder und Erwachsene in Prag, Paris, Brüssel, Moskau oder Vancouver bezaubert haben. Alle diese Ausstellungen zeichnen sich durch einen gemeinsamen Charakter aus – es ist erlaubt, die ausgestellten Kunstwerke zu berühren bzw. mit diesen zu spielen. Außerdem verbinden diese Veranstaltungen die zwei Hauptakteure, Jiří Wald und Petr Nikl. Der erste, Mitbesitzer der Firma Mucos Pharma CZ, ist ein erfolgreicher Manager, der zweite ein origineller Künstler, Musiker und Theatermacher. Wie aber kann das zusammengehen? Wissen Sie noch, wann sie sich zum ersten Mal getroffen haben? Jiří Wald: Am Anfang standen Petrs Bilder. Ich habe sie gesehen und dachte, was für ein interessanter Mensch. Dann habe ich meinen Freund, den Maler Jiří Voves, mit dem ich die bürgerliche Initiative Audabiac gegründet habe, gefragt, ob er Peter vielleicht ansprechen könnte. Es dauerte nicht lange und wir stellten einige seiner Arbeiten bei uns in Audabiac in Südfrankreich aus. Dort haben wir uns auch persönlich kennengelernt. Petr Nikl: Du hast recht, es war im Jahre 2004. Ich war damals mit Unterbrechungen auf der Akademie in Marseille tätig und habe euch in Audabiac besucht. Ich wusste, dass ihr dort im Sommer Kunstworkshops für Kinder aus Kinderheimen organisiert. Der Ort und eure Festung hat mich sofort begeistert. Ein Jahr später brachte ich ein präpariertes Klavier mit sowie die Einrichtung für Aussichtsflüge Flip, und du hattest mir angeboten, dieses Werk auf dem Feld unterhalb der Bastille zu platzieren. Was sagten die französischen Nachbarn dazu? Jiří Wald: Es war uns klar, dass Peters wahnsinnige Einrichtung sofort das Interesse „unserer Kinder“ erwecken wird. Wir haben jedoch nicht geahnt, dass auch die französischen Bauern und andere Vorbeigehende auf das Feld kommen werden, um sich zu unterhalten, indem sie mit dem wunderschönen Kunstwerk spielen. Und als eines Abends auch Schafe von der Weide zum Flip kamen, anstatt in ihre Umzäunung zu gehen, war es entschieden. Dort auf dem Feld unter der mittelalterlichen, südfranzösischen Bastille wurde also die Idee geboren die erste Spielausstellung zu veranstalten? Petr Nikl: Das folgende Jahr gab ich in Audabiac einen weiteren Workshop für Kinder. Jiří war gerade dabei, eine Ausstellung für das tschechische Zentrum in Paris vorzubereiten, wo er die Sammlung seiner bürgerlichen Initiative zeigen wollte. In diesem Zusammenhang hat er mich gefragt, ob ich nicht zu den Bildern vielleicht auch ein Objekt machen könnte. Dieses sollte die Ideen von Comenius symbolisieren bzw. von dem Buch Labyrinth der Welt und Paradies des Herzens ausgehen, das er gerade im Französischen herausgab. Ich bin also auf den Gedanken gekommen, ein Herz darzustellen, indem sich ein Labyrinth als eine imaginäre Landschaft, Metapher der Welt befinden würde. Dann habe ich weitere Künstler zur Teilnahme eingeladen und so sind mehrere Instrumente entstanden. Die Veranstaltung in Paris 2006 entwickelte sich zu unserer ersten interaktiven Ausstellung. Eine weitere folgte dann im Jahre 2007 im Prager Musikmuseum, danach kamen die Veranstaltungen in Florenz, Opava, Brüssel… Ein Manager, der Comenius Werke publiziert und auf eigene Kosten Kinder aus Kinderheimen nach Frankreich mitnimmt oder Künstler und Musiker dorthin einlädt, solche Menschen trifft man wahrscheinlich nicht jeden Tag, oder? Petr Nikl: Vorher hatte ich nur eine einzige Erfahrung mit Managern gemacht, und zwar bei der Expo in Japan. Es war eine sehr schwierige Beziehung. Ich war damals dabei ein interaktives Ausstellungskonzept für den tschechischen Pavillon zu entwerfen. Nach dieser Erfahrung schien mir Jiří wie eine Offenbarung. Mit ihm gewann ich einen Partner für meine Ideen. Früher hätte ich nicht geglaubt, dass es einen solchen Menschen geben kann. Warum ist es schwierig, für Sie ein Partner zu sein? Petr Nikl: Bei einer lange reifenden Ausstellung von solchem Ausmaß muss man einen eingeschworenen Partner haben, der genauso hundertprozentig von einer wahnsinnigen Idee überzeugt ist wie der Autor selbst. Ein interaktives Projekt ist etwas ganz anderes als eine Bilderausstellung zum Beispiel. Es ist sehr kostspielig, es entstehen dreidimensionale, technisch komplizierte Objekte, die man herstellen, lagern und vor allem ständig warten muss. Die Objekte werden tausendmal berührt. Das ist sehr aufwendig und ich würde nie eine solche Ausstellung selbst produzieren können. Man braucht dazu ein Team geschickter Menschen, so wie sie Jiří umgeben und natürlich auch das Geld. Die Ausstellung Spielneste haben Sie jedoch noch selbst produziert, nicht wahr? Petr Nikl: Zu dieser Ausstellung hat mich der Direktor des Rudolfinum, Petr Nedoma, eingeladen und um den gesamten Service, die Produktion und das Marketing kümmerte sich die Galerie. Diese hat auch verschiedene Begleitprogramme veranstaltet. Es war eine besonders spontane Aktion, wir haben praktisch in der Galerie gewohnt und sie auch ordentlich belastet. Wir erhielten zwar finanzielle Unterstützung, aber das Geld hätte nicht gereicht, hätten wir nicht gesammelte Halberzeugnisse und im Voraus vorbereitete Instrumente mitgebracht. Wir hatten jedoch damals keine großen, aufwendigen Objekte gebaut. Es war eine tolle Ausstellung, so etwas hatte das Rudolfinum noch nie erlebt. Jiří Wald: Ich war nicht da, ich habe von der Ausstellung nur gehört. Für mich war vielmehr der Film entscheidend, den mir Petr in Audabiac zeigte – es handelte sich um eine Aufnahme über die tschechische Ausstellung der Expo in Aichi. Die Ausstellung wurde von Japanern in Anzügen besucht, sehr seriösen und zurückhaltenden Menschen, die aber allmählich in der interaktiven Landschaft lockerer und lockerer wurden, bis sie dem Spiel nicht mehr widerstehen konnten. Sie wirkten ganz anders, als sie den Ausstellungssaal verließen. Als ich das gesehen habe, war ich der Meinung, dass es ein Phänomen ist, das unsere „Gesellschaft der Spiele“ zu etwas Sinnvollerem bringen kann. Was meinen Sie mit der „Gesellschaft der Spiele“? Jiří Wald: Die aktuelle reiche Westgesellschaft. Jeder ist ständig am Spielen. Es ist ein natürlicher Ausdruck einer gut versorgten Gesellschaft. Es stellt sich aber die Frage, wozu diese Spiele sind und wem oder wozu sie dienen. Computer, wo viele dieser Spiele stattfinden, sind in diesem Falle ein guter Diener aber ein schlechter Herr. Wir versuchen einen anderen Weg zu gehen, Petrs Ausstellungen prägen eine kreative Vorstellungskraft und dies ist eine Voraussetzung für die Freiheit. Sie sind doch Manager, sagen Sie mir nicht, dass der Gewinn für Sie nicht an erster Stelle steht. Jiří Wald: Einverstanden. Der Gewinn, ausgedrückt in Form von Geld, ist für einen Unternehmer ein notwendiges Ziel. Das Geld muss jedoch nicht immer gleich aussehen. Es gibt Geld, wofür man Ware oder Dienstleistungen und was sonst noch benötigt wird einkauft, damit man sein Unternehmen weiterentwickeln kann. Daneben gibt es Geld, das man sich ausleiht oder jemand anderem leihen kann. Dieses soll vor allem zur Umsetzung neuer Ideen und Fähigkeiten dienen. Und dann gibt es noch das Geld, das man schenken kann. Dieses ist dann in der Lage, den gesellschaftlichen Organismus zu verändern, da wir mit solchen Spenden auch uns selbst und alles in unserer Umgebung umgestalten. Und nicht zu vergessen, es gibt noch das „gefressene“ Geld. Das heißt das Geld, dass sich Jemand ausleiht, um mehr Genuss zu haben. Dieses „durchgeliehene“ und „durchgefressene“ Geld verschuldet dann im Nachhinein die moralische und wirtschaftliche Krise. Das Geld, das wir in die Ausstellungsprojekte mit der Konzeption von Petr Nikl anlegen, gehört zu der Kategorie der spendierten Gelder. Lassen wir die Theorie bei Seite. Wie sieht genau ihre Geldbeziehung aus? Der Unternehmer zahlt und der Künstler schafft… Petr Nikl: Ich versuche kein Geld im Kopf zu haben, denn ich weiß, dass es für Künstler kontraproduktiv ist. Obgleich ganz ohne Geld geht es auch nicht. Petr Nikl: Das Hauptinteresse eines Managers besteht darin, dass das Produkt, das er angefangen hat, Gewinne bringt. Ansonsten hat es keinen Sinn. Sobald aber ein Künstler so etwas sagt, heißt es auch Ende mit seiner Kunst. Er darf seine Kunst nicht ökonomischen Gründen unterwerfen, er darf sich nicht sagen, hier kann man gut verdienen, hier soll ich also arbeiten. Mit einer solchen Einstellung ist er im Inneren nicht mehr frei. Starke Worte. Entschuldigen Sie bitte, aber ich glaube nicht, dass bei einer so engen Zusammenarbeit zwischen einem Künstler und einem Manager nicht hie und da Kompromisse einzugehen sind. Petr Nikl: Meistens ist es so, dass der Unternehmer an den Künstler glaubt, den er ausgewählt hat. Und dann zahlt er auch seine Arbeit. Eine andere Situation kommt aber, wenn ein Künstler einen Manager trifft, der Kunst sammelt. Dann versteht er ihn als eine gute Investition, präsentiert sich auch so und schließt mit dem Künstler eine langfristigere Geschäftsbeziehung ab. Meine Beziehung mit Jiří hat jedoch einen ganz anderen Charakter. Jiří, dank seiner starken Persönlichkeit, sehnt sich nach einer Weiterentwicklung seiner Philosophie. Um dies realisieren zu können, nutzt er das von ihm verdiente Geld und seine Energie, sein eigenes Engagement. Auf diese Art und Weise nimmt er an unserem gemeinsamen Projekt aktiv teil. Darum habe ich auch gefragt. Er ist bestimmt autoritär, gewohnt zu steuern. Das muss Sie doch beeinflussen. Petr Nikl: Davon weiß ich nichts. Vor irgendeiner Beeinflussung würde ich mich sehr fürchten. Er entscheidet über das Budget, über das Marketing… Petr Nikl: Sagt jedoch nichts zu künstlerischen Aktivitäten. Jiří Wald: Sie verstehen es vielleicht nicht? Ich lasse diejenigen, die ich für die Zusammenarbeit auswähle, das machen, was sie selbst wollen. Selbstverständlich im Rahmen von im Voraus abgesprochenen Regeln. Also hier gibt es ein bestimmtes Budget und du kannst damit nach bestem Wissen und Gewissen machen, was du willst, oder es ablehnen. Für die menschliche Kreativität ist Freiheit entscheidend. Petr Nikl: Wir haben gegenseitiges Vertrauen. Ich sage nichts zu organisatorisch-finanziellen Angelegenheiten und Jiří nichts zum künstlerischen Konzept. Das ist die einzige Art und Weise wie unsere außerordentliche Symbiose funktionieren kann. Ihre Ausstellungen werden jedes Jahr größer und größer. Beteiligt sich sonst noch jemand an der Finanzierung? Jiří Wald: Sie haben recht – die Spenden unserer Firma reichen nicht mehr aus und es handelt sich nicht mehr um eine Finanzierung aus einer einzigen Quelle. Meine Vorstellung war und ist auch weiterhin, dass sich der Staat mittels Subventionen für solche außerordentlichen Kulturveranstaltungen mit einem Drittel beteiligen sollte. Das zweite Drittel sollte aus dem Businesssektor in Form von Sponsorengeldern kommen und das letzte Drittel durch die Tätigkeit an sich gedeckt werden. Das heißt, dass ein Drittel der Kosten durch die Eintrittskarten bezahlt werden sollten. Und wie sieht es in Wirklichkeit aus? Jiří Wald: Mindestens ein Drittel wird tatsächlich immer durch die Eintrittskarten abgedeckt. Das gilt aber nicht für Gelder aus der Businesswelt, wo man nie die dreißig Prozent erreicht. Meistens ist es so, dass nur unsere Firma Gelder spendiert, während die anderen, falls man überhaupt welche findet, ihre finanzielle Unterstützung durch Werbung anrechnen lassen. Und das ist für das Projekt viel zu einschränkend, denn ein Werbungsdiktat kann die künstlerische Originalität und Kreativität vertreiben. Hier stimme ich mit Petr überein, dass es unzulässig ist. Wenn ich also von einem Drittel der Geldmittel von Unternehmern spreche, meine ich damit nur die Spenden. Vom Gesetz her ist man berechtigt, fünf Prozent aus dem Firmengewinn zu spenden und den Betrag von der Steuerbemessungsgrundlage abzuziehen. Stellen Sie sich nur vor, dass solche Beträge von allen Banken und Großunternehmen spendiert werden würde! Dann würden Bereiche wie Kultur, Schulwesen oder andere Non-Profit Bereiche keine finanziellen Probleme mehr haben. Haben Sie schon mal eine Beihilfe bekommen? Jiří Wald: Ja, aber das ideale Drittel ist damit lange nicht erzielt worden. Also kurz zusammengefasst, Ihr Projekt bleibt im Defizit. Das kann doch keinen Manager freuen. Jiří Wald: Das Ausstellungsprojekt ist bis heute mit sechseinhalb Millionen Kronen (ca. 250 000 Euro) verschuldet, es ist sozusagen eine Schuld bei Freunden und darum sind wir nicht in eine Konkurs-Situation gedrängt. Schulden müssen aber bezahlt werden, nicht wahr? Wir sind also zu dem Ergebnis gekommen, dass wir nach der Ausstellung in Linz versuchen werden, unsere Kunstwerke zu verkaufen. Die ganze Sammlung hat eigentlich einen Wert, welcher der Höhe dieser Schuld entspricht, was auch beweist, dass wir auch unter solchen Bedingungen gesund unternehmerisch tätig sind. Falls es uns gelingt, mehr dabei zu verdienen, werden wir Ausgangskapital für neue künstlerische Projekte haben. Sie verkaufen also vielleicht auch das berühmte Herz von Petr Nikl. Was für einen Standpunkt hat der Künstler dazu? Petr Nikl: Ich möchte betonen, dass ich Herausforderungen immer so wahrgenommen habe, wie sie gekommen sind. Jetzt machen wir eine Ausstellung in Linz, also ich bin in Linz dabei. Wenn sich aber anstatt dieser eine ganz andere, kleinere Ausstellung anbieten würde, würde ich es nicht als etwas Minderwertiges verstehen. Ich mache keine Unterschiede zwischen monströsen Projekten mit Millionen Besuchern und einer Theatervorführung für zwanzig Zuschauer. Für mich ist wichtig, dass bei der einen oder anderen Veranstaltung, sei es eine Ausstellung oder ein Theaterstück, ein Feedback kommt. In diesem Zusammenhang ist jedenfalls zu erwähnen, dass eine Interaktion auch bei Ausstellungen gelingt, die von Zehntausenden von Menschen besucht werden. Petr Nikl: Sie sollen mich richtig verstehen – der Erfolg einer Ausstellung oder die Besucheranzahl ist und soll für mich auch kein Kriterium sein. Wäre das der Fall, wäre alles nichts mehr als eine Berechnung: Damit möglichst viele Menschen kommen müsste die Veranstaltung gut verständlich sein und der Ansicht der Mehrheit angepasst werden. Ich muss aber die Sachen machen, die nicht einmal für mich verständlich sind. Ich muss experimentieren. Das ist das, was mich interessiert und erregt. Es freut Sie aber vielleicht, dass so viele Menschen in Ihren Ausstellungen spielen, oder? Petr Nikl: Das allein reicht aber nicht aus. Wenn ich mich an die erste Ausstellung im Rudolfinum erinnere, war diese so aufgestellt, damit eine feine Konstellation, Harmonie zwischen den verschiedensten Tonarten und visuellen Reflexionen entstehen kann. Es war für zirka fünf Besucher pro Raum vorbereitet. Schließlich gab es dort jedoch permanent einhundert Menschen und ich war mir nicht sicher, ob ich mich darüber freuen soll oder nicht. Ich fand die allgemeine Euphorie zwar nett, aber die Stimmung der Ausstellung war dann ganz anders. Am Ende überließ ich das Geschehen seinem Schicksal. In jeder Ihrer Ausstellungen habe ich das Gefühl, dass sie nach einer gewissen Zeit ein eigenes Leben zu führen beginnt. Jede hat ihr eigenes Schicksal. Petr Nikl: Persönlich will ich immer spüren, dass die Besucher erfüllt aus der Ausstellung heimgehen. Glücklicherweise klappt es auch, egal ob einhundert oder einhunderttausend gekommen sind. Einige besuchen die Veranstaltung auch mehrmals. In der Prager Ausstellungshalle Mánes waren einige Besucher auch siebenmal da, weil es sie interessiert hat, wie sich die Situation weiterentwickelt. Ich will mir aber nichts einbilden, ich weiß auch, dass viele einfach gekommen sind, weil es gemütlich war, man konnte Kinder spielen lassen und in ein Café gehen. Aus der Ausstellung ist eine Art Freizeitzentrum geworden, was aber nicht ganz unsere Absicht war. Jiří Wald: Wenn wir schon das „Freizeitzentrum“ erwähnen… Wir haben noch einen Plan B: sollten wir nicht die gesamte Sammlung verkaufen können, versuchen wir noch einen Finanzpartner zu finden und eine alte Bäckerei in der Nähe des Platzes Strossmayerovo náměstí in Prag in ein Multifunktionelles Zentrum umzuwandeln, in dem einige Werke, z.B. auch Nikls Herz, dauerhaft gezeigt werden. Dazu sollen noch weitere Ausstellungsräume kommen, ein Theater und Kunstworkshops. Der Architekt David Vávra hat sich bereits mit dem ganzen Projekt auseinandergesetzt und das Model steht im Büro unserer Initiative. Es soll aber wieder kein einfaches Freizeitzentrum werden, sondern wir wollen auch hier das künstlerische Übergreifen betonen. Hier sind wir uns mit Petr einig. Wir sind beide davon überzeugt, dass die göttliche Energie, wie ich das künstlerisches Talent nenne, eine unglaubliche Kraft hat. Sie ist in der Lage, uns alle positiv zu verändern. Das sind nicht gerade bescheidene Ziele. Petr Nikl: Es ist ein Spiel und es hängt mit dem Potenzial in jedem einzelnen von uns zusammen. Derjenige, der kreativ und begeistert dafür ist, was er macht, wirkt auch auf die Umgebung interessant und macht sie aktiv. In jedem Menschen schläft eine latente Kreativität. Wir kennen es von unserer Kindheit. Die meisten schütteln jedoch im Laufe der Zeit diese Fähigkeiten ab. Man lässt sich vom Leben besiegen und findet keine Zeit für Spontanität. Wir haben uns die Aufgabe gesetzt, diese wieder zu erwecken. Ja, das ist das Übergreifen. Die künstlerische Arbeit, sobald sie echt ist, soll über die persönlichen Ziele der Künstler hinausgehen. Sollte dies vielleicht auch die Manager betreffen? Petr Nikl: Ich bin der Meinung, dass wenn ein Manager nur für sein Wohlergehen arbeiten würde, könnte er nicht glücklich sein. Ein echter Unternehmer sollte weit im Voraus denken, damit sein „Werk“ auch später ein eigenes Leben führen kann, ganz abgesehen vom Schicksal des jeweiligen Menschen. Jiří Wald: Da hast du recht. Bis auf den Unterschied, dass ein Künstler mit einem Gotteskapital arbeitet, während ein Unternehmer mit dem Kapital zu tun hat, das der Mensch geschaffen hat, ist es eigentlich gleich. Beide sind eine Art Schöpfer, die sich entschieden und angefangen haben. Sie haben Mut und Ausdauer. Bedingungslos müssen es auch Träumer sein. Worüber träumen Sie jetzt gemeinsam? Petr Nikl: Jezt gibt es die Ausstellung in Linz, also über Linz. Petr Nikl (* 1960) Petr Nikl widmete sich am Anfang vielmehr der Malerei, Grafik und Zeichnung, war Mitglied der Künstlergruppe Tvrdohlaví. Im Jahre 1995 erhielt er den prestigevollen tschechischen Preis für junge Künstler „Cena Jindřicha Chalupeckého“. Er ist auch Autor von originellen Märchenbüchern, macht Kunst-, Musik- und Theaterperformance. Sein Buch Zá hád ky wurde 2008 mit dem Literaturpreis Magnesia Litera gewürdigt. Seine erste interaktive Ausstellung Hnízda her (Spielneste) wurde zur künstlerischen Veranstaltung des Jahres 2000 in Prag. Seit dem Jahre 2005 arbeitet er mit Jiří Wald zusammen. Ihre Ausstellung Orbis pictus aneb... (Orbis Pictus oder…) hatte ihre Prämiere 2006 in Paris, später folgten noch die Ausstellungen Labyrint světla (Labyrinth der Welt, 2009) und Leporelohra (Leporellospiel, 2009). Zum Jahreswechsel 2010-2011 realisierte er die Ausstellung Play im Ausstellungssaal Mánes in Prag, welche 115 000 Besucher besichtigt haben. Zu seinen letzten Veranstaltungen gehört die Ausstellung Sinnesrausch, die letzte Woche in Linz eröffnet wurde und im hiesigen Kulturzentrum bis zum 20. 9. 2012 besichtigt werden kann. Petr Nikl ist verheiratet und hat zwei Kinder. Er lebt in Prag bzw. momentan auch in New York. Jiří Wald (* 1950) Jiří Wald arbeitete Jahre lang in der pharmazeutischen Industrie. Er war einer der Gründer der Firma Mucos Pharma CZ, die in Osteuropa Wobenzym und weitere Arzneimittel vertreibt. In den letzten Jahren widmet er sich vor allem Non-ProfitProjekten. Er besitzt einen kleinen Verlag. Gemeinsam mit seiner Frau und Freunden hat er die bürgerliche Initiative Audabiac gegründet, die schon seit zehn Jahre künstlerische Sommeraufenthalte in Südfrankreich und im Isergebirge in Tschechien für Kinder aus Kinderheimen vorbereitet. Im Rahmen dieser Organisation entstehen auch einzigartige interaktive Ausstellungen, die von Petr Nikl konzipiert sind und in ganz Europa erfolgreich sind. Jiří Wald ist verheiratet und hat fünf Kinder. Er lebt in Prag und in Südfrankreich. Foto Jan Schejbal: Bunte Schatten, Autor Ueli Seiler-Hugova, 2009, Akteure: Petr Nikl (links) und Jiří Wald. Jiří Wald, Petr Nikl und sein Lichtkopf, 2009. In allen interaktiven Ausstellungen mit der Konzeption von Petr Nikl dürfen Besucher spielen und ausgestellte Objekte berühren. Zurzeit spielen die Kleinsten gemeinsam mit den Erwachsenen in Linz, sei es z.B. mit Nikls Golem oder Sensorium der zwölf Sinne von Oldřich Hozman und Jiří Wald. Kaleidoskop, Autor Petr Lorenc, 2006.