Wenn ein Künstler und ein Manager spielen

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Wenn ein Künstler und ein Manager spielen
Hospodářské noviny, magazine Vikend, 22. 6. 2012
Author of text: Irena Jirků
Author of photos: Jan Schejbal
Wenn ein Künstler und ein Manager spielen
„Zwischen uns gibt es keinen so großen Unterschied. Wir haben beide einen Traum und den
Willen, ihn zu realisieren,“ so Jiří Wald. Und Petr Nikl ergänzt: „Die Arbeit eines Managers
sowie die Arbeit eines Künstlers muss bestimmte Überschneidungen haben. Ansonsten hätte
es keinen Sinn."
Vor ein paar Tagen eröffneten die beiden im
Kulturzentrum in Linz ihre bisher größte
Ausstellung. Diese heißt “Sinnesrausch” und zeigt
auf einer Fläche von über 6000 qm alles, was aus
dieser in tschechischen Verhältnissen beispiellosen
Zusammenarbeit entstanden ist. Hier treffen sie
aufeinander, ergänzen und unterstützen sich:
interaktive Objekte, welche bereits Kinder und
Erwachsene in Prag, Paris, Brüssel, Moskau oder
Vancouver bezaubert haben. Alle diese Ausstellungen zeichnen sich durch einen gemeinsamen
Charakter aus – es ist erlaubt, die ausgestellten Kunstwerke zu berühren bzw. mit diesen zu spielen.
Außerdem verbinden diese Veranstaltungen die zwei Hauptakteure, Jiří Wald und Petr Nikl. Der
erste, Mitbesitzer der Firma Mucos Pharma CZ, ist ein erfolgreicher Manager, der zweite ein
origineller Künstler, Musiker und Theatermacher. Wie aber kann das zusammengehen?
Wissen Sie noch, wann sie sich zum ersten Mal getroffen haben?
Jiří Wald: Am Anfang standen Petrs Bilder. Ich habe sie gesehen und dachte, was für ein
interessanter Mensch. Dann habe ich meinen Freund, den Maler Jiří Voves, mit dem ich die
bürgerliche Initiative Audabiac gegründet habe, gefragt, ob er Peter vielleicht ansprechen könnte.
Es dauerte nicht lange und wir stellten einige seiner Arbeiten bei uns in Audabiac in Südfrankreich
aus. Dort haben wir uns auch persönlich kennengelernt.
Petr Nikl: Du hast recht, es war im Jahre 2004. Ich war damals mit Unterbrechungen auf der
Akademie in Marseille tätig und habe euch in Audabiac besucht. Ich wusste, dass ihr dort im
Sommer Kunstworkshops für Kinder aus Kinderheimen organisiert. Der Ort und eure Festung hat
mich sofort begeistert. Ein Jahr später brachte ich ein präpariertes Klavier mit sowie die Einrichtung
für Aussichtsflüge Flip, und du hattest mir angeboten, dieses Werk auf dem Feld unterhalb der
Bastille zu platzieren.
Was sagten die französischen Nachbarn dazu?
Jiří Wald: Es war uns klar, dass Peters wahnsinnige Einrichtung sofort das Interesse „unserer
Kinder“ erwecken wird. Wir haben jedoch nicht geahnt, dass auch die französischen Bauern und
andere Vorbeigehende auf das Feld kommen werden, um sich zu unterhalten, indem sie mit dem
wunderschönen Kunstwerk spielen. Und als eines Abends auch Schafe von der Weide zum Flip
kamen, anstatt in ihre Umzäunung zu gehen, war es entschieden.
Dort auf dem Feld unter der mittelalterlichen, südfranzösischen
Bastille wurde also die Idee geboren die erste Spielausstellung
zu veranstalten?
Petr Nikl: Das folgende Jahr gab ich in Audabiac einen weiteren
Workshop für Kinder. Jiří war gerade dabei, eine Ausstellung für
das tschechische Zentrum in Paris vorzubereiten, wo er die
Sammlung seiner bürgerlichen Initiative zeigen wollte. In diesem
Zusammenhang hat er mich gefragt, ob ich nicht zu den Bildern
vielleicht auch ein Objekt machen könnte. Dieses sollte die Ideen
von Comenius symbolisieren bzw. von dem Buch Labyrinth der Welt
und Paradies des Herzens ausgehen, das er gerade im
Französischen herausgab. Ich bin also auf den Gedanken
gekommen, ein Herz darzustellen, indem sich ein Labyrinth als eine imaginäre Landschaft,
Metapher der Welt befinden würde. Dann habe ich weitere Künstler zur Teilnahme eingeladen und
so sind mehrere Instrumente entstanden. Die Veranstaltung in Paris 2006 entwickelte sich zu
unserer ersten interaktiven Ausstellung.
Eine weitere folgte dann im Jahre 2007 im Prager Musikmuseum, danach kamen die
Veranstaltungen in Florenz, Opava, Brüssel…
Ein Manager, der Comenius Werke publiziert und auf eigene Kosten Kinder aus Kinderheimen nach
Frankreich mitnimmt oder Künstler und Musiker dorthin einlädt, solche Menschen trifft man
wahrscheinlich nicht jeden Tag, oder?
Petr Nikl: Vorher hatte ich nur eine einzige Erfahrung mit Managern gemacht, und zwar bei der Expo
in Japan. Es war eine sehr schwierige Beziehung. Ich war damals dabei ein interaktives
Ausstellungskonzept für den tschechischen Pavillon zu entwerfen. Nach dieser Erfahrung schien mir
Jiří wie eine Offenbarung. Mit ihm gewann ich einen Partner für meine Ideen. Früher hätte ich nicht
geglaubt, dass es einen solchen Menschen geben kann.
Warum ist es schwierig, für Sie ein Partner zu sein?
Petr Nikl: Bei einer lange reifenden Ausstellung von solchem Ausmaß muss man einen
eingeschworenen Partner haben, der genauso hundertprozentig von einer wahnsinnigen Idee
überzeugt ist wie der Autor selbst. Ein interaktives Projekt ist etwas ganz anderes als eine
Bilderausstellung zum Beispiel. Es ist sehr kostspielig, es entstehen dreidimensionale, technisch
komplizierte Objekte, die man herstellen, lagern und vor allem ständig warten muss.
Die Objekte werden tausendmal berührt. Das ist sehr aufwendig und ich würde nie eine solche
Ausstellung selbst produzieren können. Man braucht dazu ein Team geschickter Menschen, so wie
sie Jiří umgeben und natürlich auch das Geld.
Die Ausstellung Spielneste haben Sie jedoch noch
selbst produziert, nicht wahr?
Petr Nikl: Zu dieser Ausstellung hat mich der Direktor
des Rudolfinum, Petr Nedoma, eingeladen und um den
gesamten Service, die Produktion und das Marketing
kümmerte sich die Galerie. Diese hat auch
verschiedene Begleitprogramme veranstaltet. Es war
eine besonders spontane Aktion, wir haben praktisch
in der Galerie gewohnt und sie auch ordentlich belastet. Wir erhielten zwar finanzielle Unterstützung,
aber das Geld hätte nicht gereicht, hätten wir nicht gesammelte Halberzeugnisse und im Voraus
vorbereitete Instrumente mitgebracht. Wir hatten jedoch damals keine großen, aufwendigen Objekte
gebaut.
Es war eine tolle Ausstellung, so etwas hatte das Rudolfinum noch nie erlebt.
Jiří Wald: Ich war nicht da, ich habe von der Ausstellung nur gehört. Für mich war vielmehr der Film
entscheidend, den mir Petr in Audabiac zeigte – es handelte sich um eine Aufnahme über die
tschechische Ausstellung der Expo in Aichi. Die Ausstellung wurde von Japanern in Anzügen
besucht, sehr seriösen und zurückhaltenden Menschen, die aber allmählich in der interaktiven
Landschaft lockerer und lockerer wurden, bis sie dem Spiel nicht mehr widerstehen konnten. Sie
wirkten ganz anders, als sie den Ausstellungssaal verließen. Als ich das gesehen habe, war ich der
Meinung, dass es ein Phänomen ist, das unsere „Gesellschaft der Spiele“ zu etwas Sinnvollerem
bringen kann.
Was meinen Sie mit der „Gesellschaft der Spiele“?
Jiří Wald: Die aktuelle reiche Westgesellschaft. Jeder ist ständig am Spielen. Es ist ein natürlicher
Ausdruck einer gut versorgten Gesellschaft. Es stellt sich aber die Frage, wozu diese Spiele sind
und wem oder wozu sie dienen. Computer, wo viele dieser Spiele stattfinden, sind in diesem Falle
ein guter Diener aber ein schlechter Herr. Wir versuchen einen anderen Weg zu gehen, Petrs
Ausstellungen prägen eine kreative Vorstellungskraft und dies ist eine Voraussetzung für die
Freiheit.
Sie sind doch Manager, sagen Sie mir nicht, dass der Gewinn für Sie nicht an erster Stelle
steht.
Jiří Wald: Einverstanden. Der Gewinn, ausgedrückt in Form von Geld, ist für einen Unternehmer ein
notwendiges Ziel. Das Geld muss jedoch nicht immer gleich aussehen. Es gibt Geld, wofür man
Ware oder Dienstleistungen und was sonst noch benötigt wird einkauft, damit man sein
Unternehmen weiterentwickeln kann. Daneben gibt es Geld, das man sich ausleiht oder jemand
anderem leihen kann. Dieses soll vor allem zur Umsetzung neuer Ideen und Fähigkeiten dienen.
Und dann gibt es noch das Geld, das man schenken kann. Dieses ist dann in der Lage, den
gesellschaftlichen Organismus zu verändern, da wir mit solchen Spenden auch uns selbst und alles
in unserer Umgebung umgestalten. Und nicht zu vergessen, es gibt noch das „gefressene“ Geld.
Das heißt das Geld, dass sich Jemand ausleiht, um mehr Genuss zu haben. Dieses
„durchgeliehene“ und „durchgefressene“ Geld verschuldet dann im Nachhinein die moralische und
wirtschaftliche Krise. Das Geld, das wir in die Ausstellungsprojekte mit der Konzeption von Petr Nikl
anlegen, gehört zu der Kategorie der spendierten Gelder.
Lassen wir die Theorie bei Seite. Wie sieht genau ihre Geldbeziehung aus? Der Unternehmer
zahlt und der Künstler schafft…
Petr Nikl: Ich versuche kein Geld im Kopf zu haben, denn ich weiß, dass es für Künstler
kontraproduktiv ist. Obgleich ganz ohne Geld geht es auch nicht.
Petr Nikl: Das Hauptinteresse eines Managers besteht darin, dass das Produkt, das er angefangen
hat, Gewinne bringt. Ansonsten hat es keinen Sinn. Sobald aber ein Künstler so etwas sagt, heißt es
auch Ende mit seiner Kunst. Er darf seine Kunst nicht ökonomischen Gründen unterwerfen, er darf
sich nicht sagen, hier kann man gut verdienen, hier soll ich also arbeiten. Mit einer solchen
Einstellung ist er im Inneren nicht mehr frei.
Starke Worte. Entschuldigen Sie bitte, aber ich
glaube nicht, dass bei einer so engen
Zusammenarbeit zwischen einem Künstler und
einem Manager nicht hie und da Kompromisse
einzugehen sind.
Petr Nikl: Meistens ist es so, dass der Unternehmer an
den Künstler glaubt, den er ausgewählt hat. Und dann
zahlt er auch seine Arbeit. Eine andere Situation kommt
aber, wenn ein Künstler einen Manager trifft, der Kunst sammelt. Dann versteht er ihn als eine gute
Investition, präsentiert sich auch so und schließt mit dem Künstler eine langfristigere
Geschäftsbeziehung ab. Meine Beziehung mit Jiří hat jedoch einen ganz anderen Charakter. Jiří,
dank seiner starken Persönlichkeit, sehnt sich nach einer Weiterentwicklung seiner Philosophie. Um
dies realisieren zu können, nutzt er das von ihm verdiente Geld und seine Energie, sein eigenes
Engagement. Auf diese Art und Weise nimmt er an unserem gemeinsamen Projekt aktiv teil.
Darum habe ich auch gefragt. Er ist bestimmt autoritär, gewohnt zu steuern. Das muss Sie
doch beeinflussen.
Petr Nikl: Davon weiß ich nichts. Vor irgendeiner Beeinflussung würde ich mich sehr fürchten.
Er entscheidet über das Budget, über das Marketing…
Petr Nikl: Sagt jedoch nichts zu künstlerischen Aktivitäten.
Jiří Wald: Sie verstehen es vielleicht nicht? Ich lasse diejenigen, die ich für die Zusammenarbeit
auswähle, das machen, was sie selbst wollen. Selbstverständlich im Rahmen von im Voraus
abgesprochenen Regeln. Also hier gibt es ein bestimmtes Budget und du kannst damit nach bestem
Wissen und Gewissen machen, was du willst, oder es ablehnen. Für die menschliche Kreativität ist
Freiheit entscheidend.
Petr Nikl: Wir haben gegenseitiges Vertrauen. Ich sage nichts zu organisatorisch-finanziellen
Angelegenheiten und Jiří nichts zum künstlerischen Konzept. Das ist die einzige Art und Weise wie
unsere außerordentliche Symbiose funktionieren kann.
Ihre Ausstellungen werden jedes Jahr größer und größer. Beteiligt sich sonst noch jemand
an der Finanzierung?
Jiří Wald: Sie haben recht – die Spenden unserer Firma reichen nicht mehr aus und es handelt sich
nicht mehr um eine Finanzierung aus einer einzigen Quelle. Meine Vorstellung war und ist auch
weiterhin, dass sich der Staat mittels Subventionen für solche außerordentlichen
Kulturveranstaltungen mit einem Drittel beteiligen sollte. Das zweite Drittel sollte aus dem
Businesssektor in Form von Sponsorengeldern kommen und das letzte Drittel durch die Tätigkeit an
sich gedeckt werden. Das heißt, dass ein Drittel der Kosten durch die Eintrittskarten bezahlt werden
sollten.
Und wie sieht es in Wirklichkeit aus?
Jiří Wald: Mindestens ein Drittel wird tatsächlich immer
durch die Eintrittskarten abgedeckt. Das gilt aber nicht
für Gelder aus der Businesswelt, wo man nie die
dreißig Prozent erreicht. Meistens ist es so, dass nur
unsere Firma Gelder spendiert, während die anderen,
falls man überhaupt welche findet, ihre finanzielle
Unterstützung durch Werbung anrechnen lassen. Und das ist für das Projekt viel zu einschränkend,
denn ein Werbungsdiktat kann die künstlerische Originalität und Kreativität vertreiben. Hier stimme
ich mit Petr überein, dass es unzulässig ist. Wenn ich also von einem Drittel der Geldmittel von
Unternehmern spreche, meine ich damit nur die Spenden. Vom Gesetz her ist man berechtigt, fünf
Prozent aus dem Firmengewinn zu spenden und den Betrag von der Steuerbemessungsgrundlage
abzuziehen. Stellen Sie sich nur vor, dass solche Beträge von allen Banken und Großunternehmen
spendiert werden würde! Dann würden Bereiche wie Kultur, Schulwesen oder andere Non-Profit
Bereiche keine finanziellen Probleme mehr haben.
Haben Sie schon mal eine Beihilfe bekommen?
Jiří Wald: Ja, aber das ideale Drittel ist damit lange nicht erzielt worden.
Also kurz zusammengefasst, Ihr Projekt bleibt im Defizit. Das kann doch keinen Manager
freuen.
Jiří Wald: Das Ausstellungsprojekt ist bis heute mit sechseinhalb Millionen Kronen (ca. 250 000
Euro) verschuldet, es ist sozusagen eine Schuld bei Freunden und darum sind wir nicht in eine
Konkurs-Situation gedrängt. Schulden müssen aber bezahlt werden, nicht wahr? Wir sind also zu
dem Ergebnis gekommen, dass wir nach der Ausstellung in Linz versuchen werden, unsere
Kunstwerke zu verkaufen. Die ganze Sammlung hat eigentlich einen Wert, welcher der Höhe dieser
Schuld entspricht, was auch beweist, dass wir auch unter solchen Bedingungen gesund
unternehmerisch tätig sind. Falls es uns gelingt, mehr dabei zu verdienen, werden wir
Ausgangskapital für neue künstlerische Projekte haben.
Sie verkaufen also vielleicht auch das berühmte Herz von Petr Nikl. Was für einen Standpunkt
hat der Künstler dazu?
Petr Nikl: Ich möchte betonen, dass ich Herausforderungen immer so wahrgenommen habe, wie sie
gekommen sind. Jetzt machen wir eine Ausstellung in Linz, also ich bin in Linz dabei. Wenn sich
aber anstatt dieser eine ganz andere, kleinere Ausstellung anbieten würde, würde ich es nicht als
etwas Minderwertiges verstehen. Ich mache keine Unterschiede zwischen monströsen Projekten mit
Millionen Besuchern und einer Theatervorführung für zwanzig Zuschauer. Für mich ist wichtig, dass
bei der einen oder anderen Veranstaltung, sei es eine Ausstellung oder ein Theaterstück, ein
Feedback kommt.
In diesem Zusammenhang ist jedenfalls zu erwähnen, dass eine Interaktion auch bei Ausstellungen
gelingt, die von Zehntausenden von Menschen besucht werden.
Petr Nikl: Sie sollen mich richtig verstehen – der Erfolg einer Ausstellung oder die Besucheranzahl
ist und soll für mich auch kein Kriterium sein. Wäre das der Fall, wäre alles nichts mehr als eine
Berechnung: Damit möglichst viele Menschen kommen müsste die Veranstaltung gut verständlich
sein und der Ansicht der Mehrheit angepasst werden. Ich muss aber die Sachen machen, die nicht
einmal für mich verständlich sind. Ich muss experimentieren. Das ist das, was mich interessiert und
erregt.
Es freut Sie aber vielleicht, dass so viele Menschen in Ihren Ausstellungen spielen, oder?
Petr Nikl: Das allein reicht aber nicht aus. Wenn ich mich an die erste Ausstellung im Rudolfinum
erinnere, war diese so aufgestellt, damit eine feine Konstellation, Harmonie zwischen den
verschiedensten Tonarten und visuellen Reflexionen entstehen kann. Es war für zirka fünf Besucher
pro Raum vorbereitet. Schließlich gab es dort jedoch permanent einhundert Menschen und ich war
mir nicht sicher, ob ich mich darüber freuen soll oder nicht. Ich fand die allgemeine Euphorie zwar
nett, aber die Stimmung der Ausstellung war dann ganz anders. Am Ende überließ ich das
Geschehen seinem Schicksal.
In jeder Ihrer Ausstellungen habe ich das Gefühl,
dass sie nach einer gewissen Zeit ein eigenes
Leben zu führen beginnt. Jede hat ihr eigenes
Schicksal.
Petr Nikl: Persönlich will ich immer spüren, dass die
Besucher erfüllt aus der Ausstellung heimgehen.
Glücklicherweise klappt es auch, egal ob einhundert
oder einhunderttausend gekommen sind. Einige
besuchen die Veranstaltung auch mehrmals. In der Prager Ausstellungshalle Mánes waren einige
Besucher auch siebenmal da, weil es sie interessiert hat, wie sich die Situation weiterentwickelt. Ich
will mir aber nichts einbilden, ich weiß auch, dass viele einfach gekommen sind, weil es gemütlich
war, man konnte Kinder spielen lassen und in ein Café gehen. Aus der Ausstellung ist eine Art
Freizeitzentrum geworden, was aber nicht ganz unsere Absicht war.
Jiří Wald: Wenn wir schon das „Freizeitzentrum“ erwähnen… Wir haben noch einen Plan B: sollten
wir nicht die gesamte Sammlung verkaufen können, versuchen wir noch einen Finanzpartner zu
finden und eine alte Bäckerei in der Nähe des Platzes Strossmayerovo náměstí in Prag in ein
Multifunktionelles Zentrum umzuwandeln, in dem einige Werke, z.B. auch Nikls Herz, dauerhaft
gezeigt werden. Dazu sollen noch weitere Ausstellungsräume kommen, ein Theater und
Kunstworkshops.
Der Architekt David Vávra hat sich bereits mit dem ganzen Projekt auseinandergesetzt und das
Model steht im Büro unserer Initiative. Es soll aber wieder kein einfaches Freizeitzentrum werden,
sondern wir wollen auch hier das künstlerische Übergreifen betonen. Hier sind wir uns mit Petr einig.
Wir sind beide davon überzeugt, dass die göttliche Energie, wie ich das künstlerisches Talent
nenne, eine unglaubliche Kraft hat. Sie ist in der Lage, uns alle positiv zu verändern.
Das sind nicht gerade bescheidene Ziele.
Petr Nikl: Es ist ein Spiel und es hängt mit dem Potenzial in jedem einzelnen von uns zusammen.
Derjenige, der kreativ und begeistert dafür ist, was er macht, wirkt auch auf die Umgebung
interessant und macht sie aktiv. In jedem Menschen schläft eine latente Kreativität. Wir kennen es
von unserer Kindheit. Die meisten schütteln jedoch im Laufe der Zeit diese Fähigkeiten ab. Man
lässt sich vom Leben besiegen und findet keine Zeit für Spontanität. Wir haben uns die Aufgabe
gesetzt, diese wieder zu erwecken. Ja, das ist das Übergreifen. Die künstlerische Arbeit, sobald sie
echt ist, soll über die persönlichen Ziele der Künstler hinausgehen.
Sollte dies vielleicht auch die Manager betreffen?
Petr Nikl: Ich bin der Meinung, dass wenn ein Manager nur für sein Wohlergehen arbeiten würde,
könnte er nicht glücklich sein. Ein echter Unternehmer sollte weit im Voraus denken, damit sein
„Werk“ auch später ein eigenes Leben führen kann, ganz abgesehen vom Schicksal des jeweiligen
Menschen.
Jiří Wald: Da hast du recht. Bis auf den Unterschied, dass ein Künstler mit einem Gotteskapital
arbeitet, während ein Unternehmer mit dem Kapital zu tun hat, das der Mensch geschaffen hat, ist
es eigentlich gleich. Beide sind eine Art Schöpfer, die sich entschieden und angefangen haben. Sie
haben Mut und Ausdauer. Bedingungslos müssen es auch Träumer sein.
Worüber träumen Sie jetzt gemeinsam?
Petr Nikl: Jezt gibt es die Ausstellung in Linz, also über Linz.
Petr Nikl
(* 1960)
Petr Nikl widmete sich am Anfang vielmehr der Malerei, Grafik
und Zeichnung, war Mitglied der Künstlergruppe Tvrdohlaví.
Im Jahre 1995 erhielt er den prestigevollen tschechischen
Preis für junge Künstler „Cena Jindřicha Chalupeckého“. Er ist
auch Autor von originellen Märchenbüchern, macht Kunst-,
Musik- und Theaterperformance. Sein Buch Zá hád ky wurde
2008 mit dem Literaturpreis Magnesia Litera gewürdigt.
Seine erste interaktive Ausstellung Hnízda her (Spielneste) wurde zur künstlerischen Veranstaltung
des Jahres 2000 in Prag. Seit dem Jahre 2005 arbeitet er mit Jiří Wald zusammen. Ihre Ausstellung
Orbis pictus aneb... (Orbis Pictus oder…) hatte ihre Prämiere 2006 in Paris, später folgten noch die
Ausstellungen Labyrint světla (Labyrinth der Welt, 2009) und Leporelohra (Leporellospiel, 2009).
Zum Jahreswechsel 2010-2011 realisierte er die Ausstellung Play im Ausstellungssaal Mánes in
Prag, welche 115 000 Besucher besichtigt haben. Zu seinen letzten Veranstaltungen gehört die
Ausstellung Sinnesrausch, die letzte Woche in Linz eröffnet wurde und im hiesigen Kulturzentrum
bis zum 20. 9. 2012 besichtigt werden kann.
Petr Nikl ist verheiratet und hat zwei Kinder. Er lebt in Prag bzw. momentan auch in New York.
Jiří Wald
(* 1950)
Jiří Wald arbeitete Jahre lang in der pharmazeutischen Industrie.
Er war einer der Gründer der Firma Mucos Pharma CZ, die in
Osteuropa Wobenzym und weitere Arzneimittel vertreibt.
In den letzten Jahren widmet er sich vor allem Non-ProfitProjekten. Er besitzt einen kleinen Verlag. Gemeinsam mit
seiner Frau und Freunden hat er die bürgerliche Initiative
Audabiac gegründet, die schon seit zehn Jahre künstlerische Sommeraufenthalte in Südfrankreich
und im Isergebirge in Tschechien für Kinder aus Kinderheimen vorbereitet. Im Rahmen dieser
Organisation entstehen auch einzigartige interaktive Ausstellungen, die von Petr Nikl konzipiert sind
und in ganz Europa erfolgreich sind.
Jiří Wald ist verheiratet und hat fünf Kinder. Er lebt in Prag und in Südfrankreich.
Foto Jan Schejbal: Bunte Schatten, Autor Ueli Seiler-Hugova, 2009, Akteure: Petr Nikl (links) und
Jiří Wald. Jiří Wald, Petr Nikl und sein Lichtkopf, 2009. In allen interaktiven Ausstellungen mit
der Konzeption von Petr Nikl dürfen Besucher spielen und ausgestellte Objekte berühren. Zurzeit
spielen die Kleinsten gemeinsam mit den Erwachsenen in Linz, sei es z.B. mit Nikls Golem oder
Sensorium der zwölf Sinne von Oldřich Hozman und Jiří Wald. Kaleidoskop, Autor Petr Lorenc,
2006.