Zeitung März 2007

Transcrição

Zeitung März 2007
M ä r z
2 0 0 7 Schluss mit der Genitalverstümmelung von
Mädchen und
Frauen
In dieser Ausgabe:
■
Frauen berichten
■
Aufklärungsarbeit genauer
betrachtet
■
Togo, Kamerun, Tschad
und Burkina Faso:
überall derselbe Kampf
www.morija.org
N r.
2 2 4
Übersicht
Editorial:
8000 Beschneidungen
täglich
© IRIN
F
GM*: Drei Buchstaben zur Bezeichnung
der Praxis weiblicher
Genitalverstümmelung. Wenn
Abkürzungen sich als praktisch und griffig anzubieten
scheinen, dann kaschieren sie
bisweilen eine Schändlichkeit, die eigentlich kaum
hinzunehmen ist.
Die UNICEF begrüsst die
Fortschritte, die zu einer
Beendigung der Verstümmelung von Mädchen führen
sollen. Doch trotz eines gewissen Hoffnungsschimmers
sind es immer noch an die
drei Millionen Mädchen, die
jedes Jahr diese Praktiken
erleiden: Das sind Tag für Tag
8000 verstümmelte Mädchen,
die meisten noch nicht einmal vierzehn Jahre alt.
In ganz Schwarzafrika ist eine
gesellschaftliche Bewegung
entstanden, die die FGM nicht
länger hinnehmen will. Burkina Faso gehört zu den 16
afrikanischen Ländern, in
denen die Beschneidung gesetzlich verboten ist. Dort
lernen Ärzte und Gesundheitsbeamte in Kursen, welche Möglichkeiten es gibt, die
Folgen zu «reparieren». Aminata Yé, Beraterin des Ministers für Soziales und nationale Solidarität, hat vor der
Presse Folgendes gesagt:
«Wenn die Frauen die Zukunft des Landes und der
Schlüssel zur Entwicklung
sind, dann ist es höchste Zeit,
sie vor all den Praktiken zu
schützen, die sie verletzlich
machen und ihre körperlichen, geistigen und seeli-
schen Fähigkeiten beeinträchtigen».
Die Berichte, die wir Ihnen
auf diesen Seiten vorstellen,
sprechen eine deutliche Sprache. Genitalverstümmelungen sind illegal, und wir danken unseren Mitarbeitern, die
sich um jene Mädchen und
Frauen kümmern, die das
erlitten haben. Sie fördern bei
der Bevölkerung das Bewusstsein für die Gefahren, die
diese Praktiken bei der Geburt hervorrufen, und zwar
nicht nur für die Mutter, sondern auch für das Kind.
Wir danken Ihnen dafür, dass
Sie uns weiterhin treu
unterstützen.
Beschneidung und die
Folgen (Seite 4)
Bewusstseinsbildung bei
den Müttern (Seite 5)
Das Morija-Team
Die Schulbildung der
Mädchen wird behindert
(Seite 6)
* Anmerkung Royal Line: Allgemein
verwendete Abkürzung für female
genital mutilation – weibliche
Genitalverstümmelung
Ziel:
Unterstützung der Ärmsten in Afrika, vor allem im
Sahelgürtel, ohne Unterschied von Rasse oder Religion.
Humanitäres Hilfswerk
En Reutet
1868 Collombey-le-Grand
Tel. 024/472.80.70 Fax 024/472.80.93
E-Mail: [email protected]
PC 19-10365-8
Die Hilfe beruht auf 3 Säulen:
• Nothilfe
• Verbesserung der Lebensbedingungen
• Entwicklungshilfe
Humanitäres Hilfswerk
Verein ohne Gewinnabsicht,
gegründet 1979 gemäss Artikel 60ff.
des Schweizerischen Zivilgesetzbuchs
Unser Hilfsauftrag wurzelt
im Geist des Evangeliums.
Sitz: Collombey-le-Grand (VS)
Revisoren: Treuhandbüro R. Künzlé SA – Monthey
Redaktion: Morija
Grafik: Jordi AG, Belp
Druck: Jordi AG, Belp
Monatszeitschrift
Abonnement:
CHF 25.–/€ 15.–
Förderabonnement:
CHF 50.–/€ 30.–
Jede zusätzliche Spende
ist willkommen!
DANKE!
Frauen berichten
D
as ist neu: Opfer
und Täterinnen,
betroffene Frauen
und Beschneiderinnen, brechen gemeinsam das Schweigen. Manche von ihnen gehen an die Öffentlichkeit und
beteiligen sich heute an dem
allgemeinen Kampf, der jegliche Form der Genitalverstümmelung beenden soll,
die immer noch an Frauen
vorgenommen wird.
Amina Iza, 40 Jahre,
in Kamerun
Ich war erst drei Jahre alt, als
ich beschnitten wurde. Auf
meine vielen Fragen gab mir
meine Mutter zur Antwort, die
Beschneidung von Frauen sei
eine arabische Tradition meines
Volkes, der Choa. «Eine unbeschnittene Frau ist unrein, sie
kann nicht heiraten und auch
nicht beten», sagte sie zu mir.
Deshalb glaubte ich, alle Mädchen auf der Welt müssten die
Beschneidung erleiden. Aber
als ich zehn war, entdeckte ich,
dass man mich belogen hatte,
denn Freundinnen aus einem
anderen Volk haben mir gesagt,
sie wüssten, dass ich beschnitten sei, sie aber nicht, und dass
Beschneidung gar nicht gut sei.
Mit 14 Jahren war ich so weit,
dass ich meiner Mutter zu
sagen wagte, ich würde meine
Tochter niemals beschneiden
lassen, denn es sei ein schrecklicher Brauch. «Das ist eine
Schande», sagte meine Mutter
zu mir, «es ist die Pflicht einer
Mutter».
Als ich 16 war, habe ich geheiratet. Ich war völlig verstört.
Am Abend meines Hochzeits-
tages hatte ich solche Schmerzen, dass ich in Ohnmacht
gefallen bin. Mit 18 bekam ich
mein erstes Kind. Ich litt wie
ein Märtyrer, alle meine Entbindungen waren fürchterlich.
Als ich 30 war, habe ich herausgefunden, wie mein Genitalapparat gebildet war, vor
allem aber habe ich entdeckt,
welcher Unterschied zwischen
einer beschnittenen Frau und
einer unbeschnittenen besteht. Da wurde ich sehr wütend.
Ich hatte ständig unerträgliche Schmerzen im Unterleib. Das Genital einer beschnittenen Frau ist wie eine
«Das Genital einer
beschnittenen Frau ist
wie eine Wunde, die sich
nicht schliesst und die
man in Alkohol taucht»
Wunde, die sich nicht
schliesst und die man in Alkohol taucht. Doch in Afrika
sieht niemand den Zusammenhang zwischen der Beschneidung und diesen
Schmerzen. Afrikanische
Mütter sind völlig überrascht,
wenn ihnen klar wird, dass
die Beschneidung die Ursache
ihres Leidens ist.
Ich bin Afrikanerin und ich
bin stolz darauf. Aber ich
finde, eine Gesellschaft muss
sich weiterentwickeln. Die
guten Bräuche, die für die
Entfaltung unserer Kinder
wichtig sind, muss man bewahren, doch von den anderen sollte man sich verabschieden. Ich habe mich nie
ganz und gar als Frau gefühlt.
Sahara, Memounetou
und Fatouma, ehemalige Beschneiderinnen
in Togo
weiht wird. Manche Familien
haben uns dafür entschädigt,
die einen mit Geld, die anderen
mit Naturalien. Aber seit der
Aufklärungskampagne der
Regierung und der NichtRegierungsorganisationen über
die schädlichen Folgen dieser
Praxis haben wir unsere Messer
weggeworfen».
«Wir haben diese Praktik von
unseren Müttern übernommen. Wir haben diese Tätigkeit
ausgeübt, mit der ein Mädchen
in seine Rolle als Frau einge-
Die Berichte wurden
von unseren Mitarbeitern
in Kamerun und Togo
aufgenommen
Mein Fleisch ist verstümmelt
und Sexualität bedeutet für
mich nur Schmerz. Lange
war ich deswegen böse auf
meine Mutter.
Die Folgen der Beschneidung
D
ie Beschneidung ist
eine Verstümmelung
des weiblichen Genitals. Dabei wird bei kleinen
Mädchen von 6 bis 8 Jahren die
Klitoris entfernt. Das ist tatsächlich ein chirurgischer
Eingriff, der vom Gesetz und
den geltenden Vorschriften her
verboten ist. Diese Operation
wird unter Bedingungen
durchgeführt, die alles andere
als hygienisch einwandfrei
sind. Das so beschnittene weibliche Kind erleidet ein körperliches und seelisches Trauma
und muss mit dramatischen
Folgen und Gesundheitsrisiken
rechnen.
Physische Komplikationen:
– Der Schmerz: Er ist furchtbar
und unerträglich, denn die
Entfernung der Klitoris wird
ohne Betäubung durchgeführt. Er vergeht auch nicht
und ist vor allem beim Geschlechtsverkehr sehr heftig.
– Blutungen während des
Eingriffs und bei der Entbindung. Eine häufige Folge
ist Blutarmut, oder die Frau
stirbt an den Blutungen.
– Infektionen: Die mangelhaften hygienischen Bedingungen, unter denen die
Beschneidung vorgenommen wird, verursachen
zahlreiche Infektionen, die
in der Folge zu Sterilität
führen können. Nicht zuletzt ist die Frau auch der
Gefahr einer Aids- und Tetanusinfektion ausgesetzt.
– Komplikationen bei der
Entbindung: Durch das
Narbengewebe ist die Vulva
der Frau weniger elastisch,
das erschwert die Entbindung. Entbindet die Frau
ohne fachmännische Hilfe,
besteht für Mutter und Kind
häufig akute Lebensgefahr.
Psychosoziale Folgen:
– Verlust der natürlichen
Empfindungsfähigkeit im
sexuellen Bereich bis hin
zur Frigidität.
– Verlust des Selbstbildes
innerhalb der Gesellschaft.
In Kamerun ist die Genitalverstümmelung weiter verbreitet als angenommen. Die
Quellen der WHO (Weltgesundheitsorganisation) melden, dass im Jahr 2000 zwanzig Prozent der Frauen Opfer
dieser Praktiken waren. Systematisch praktiziert wird die
FGM in zwei Provinzen: im
äussersten Norden des Landes
von den Sara, den ChoaArabern, den Bata und den
Mboum, und im Südwesten
von den Ekwe, den Boki und
den Akwaya.
Die Bemühungen um Aufklärung und Erziehung seitens
der Regierung und der Behörden von Kamerun bewirken
einen leichten Rückgang bei
der Ausübung dieser Praxis, die
jedoch insgeheim immer wieder vorgenommen wird. Wir
wollen gemeinsam gegen diese
Eingriffe kämpfen, die der Frau
ihre Würde nehmen!
Patrice Kuete, Krankenpfleger mit Spezialausbildung
Sylvain Touline,
Geburtshelfer
IGZ Guider, Kamerun
20 % der in Kamerun lebenden Frauen sollen beschnitten sein
«Ich hasse mein Körperbild»
Das Bild, das so schwer auszuhalten ist, ist das Bild einer
jungen Frau vom Volk der arabischen Choa. Sie stammt aus
Kousseri im äussersten Norden Kameruns. Sie war Schülerin eines Gymnasiums in ihrer Nähe. Unablässig wiederholte sie: «Ich bin nicht wirklich ein richtiges Mädchen,
mir fehlt etwas, und ich hasse das Bild meines Körpers im
Spiegel. Ich war noch ganz jung, als ich verstümmelt wurde. Eine Beschneiderin hat meine Klitoris entfernt. Wenn
ich meine Schulkameradinnen sehe, die aus anderen Eth-
nien stammen und körperlich und seelisch völlig intakt
sind, dann frage ich mich, ob ich tatsächlich eine Frau bin.
Das ist alles so ungerecht! Ich bin sauer auf meine Eltern».
Diese traurige Aussage bewirkt, dass wir uns ein paar
Fragen gefallen lassen müssen. Zum Beispiel die Frage:
Machen wir uns nicht mitschuldig, wenn wir zu diesen
Dingen schweigen?
Patrice Kuete
Das Übel mit der Wurzel ausrotten
Bila Dimzouré, Nobéré
D
ank der Aufklärungsarbeit in den Medien,
durch die Gesundheitsbeamten und durch die
Aufführungen von Theatergruppen nimmt die Zahl der
Beschneidungen in Burkina
Faso ab. Doch leider gibt es
noch immer viele Fälle von
FGM, und 70 % der Beschneidungen werden an Kindern
unter 7 Jahren vorgenommen.
Für die Beschneidung gibt es
keinerlei wissenschaftliche
Argumente. Die Regierung
hat Gesetze gegen die FGM
verabschiedet, hat Kommis­
sionen eingesetzt, die dagegen kämpfen und hat sogar
jenen Beschneiderinnen
Belohnungen versprochen,
die sich verpflichten, diese
üble Praxis aufzugeben.
Die heute 57-jährige Bila
Dimzouré wurde von ihrer
Grossmutter in der Praxis der
Beschneidung ausgebildet. Sie
nahm an allen Sitzungen teil
und gewann allmählich Geschmack an der Sache. Sie
berichtet: «Als meine Grossmutter starb, hinterliess sie
mir ihre Klinge, und ich wurde ihre Nachfolgerin in unserem Viertel. Seither habe ich
meine eigene Tochter beschnitten, die leider Tetanus
bekommen hat. Dank Gott hat
sie überlebt, leider hat sie
noch keine Kinder. Durch die
Aufklärungsarbeit habe ich
begriffen, dass die Beschneidung schuld daran ist, dass
meine Tochter niemals Kinder
haben wird. Ich habe vor Gott
geschworen, dass ich diesen
Fehler nie wieder an einem
Kind begehen will. Jetzt gehöre ich zu der Gruppe, die
das Bewusstsein der Menschen
für die Gefahren von Aids
schärft. Der Staat hat mir ein
Fahrrad geschenkt».
In unseren Ernährungszentren in Ouagadougou und
Nobéré nutzen wir die edukativen Plaudereien, um die
Mütter aufzuklären. Wir zeigen ihnen Bilder und Filme,
die die Folgen der Beschneidung demonstrieren.
Von unseren Mitarbeiterinnen in den AEZ Nobéré
und Ouagadougou
70 % der Mädchen werden
beschnitten, ehe sie das 7. Lebensjahr erreichen
Aufklärungsarbeit bei den Kindern
Mit Unterstützung des Ministeriums für Bildung und Alphabetisierung sowie des
Ministeriums für Soziales und
nationale Solidarität wurde
im Südwesten von Burkina
Faso ein Pilotprogramm gestartet, das die Einführung
einer Lehreinheit in Sexualkunde in den Grundschulen
vorantreiben soll. Damit wird
ein Thema angesprochen, das
bisher tabu war.
In der Paalga-Schule, die in
einem der ärmsten Viertel der
Hauptstadt liegt, gehört die
Aufklärung schon seit mehreren Jahren zum Unterrichts­
programm. In den Mittelschulklassen zeigt der Lehrer
den Schülern Bilder von den
Folgen der Beschneidung
oder demonstriert den Eingriff an einer Puppe. Dann
stellt er Fragen zum Thema
und bringt auf diese Weise die
Schüler dazu, dass sie selbst
feststellen, was Beschneidung
eigentlich ist, wie grausam
die Praxis aussieht und welche Gefahren daraus resultieren: Beeinträchtigungen der
Körperfunktionen, Infektionen und Krankheiten wie
Aids, ja, sogar der Tod. Der
Lehrer erklärt ihnen auch,
wie sie gegen diese schädliche
und schändliche Praxis ankämpfen können, die unter
gesetzlicher Strafe steht.
Es ist wichtig, dass alle
Schichten der Gesellschaft
begreifen, dass diese Praktiken
aus unserem Land verbannt
werden müssen. Wir nutzen
auch die Elternabende, um
durch Sketches und Gedichte
das Bewusstsein der Eltern zu
schärfen. Leider gibt es immer
noch Unbelehrbare …
Issaka Nikiema,
Paalga-Schule
Burkina Faso:
SOS Beschneidung www.sp-cnpe.gov.bf
Grüne Nummer:
(00 226) 31 15 71
e-mail:
[email protected]
Die Schulbildung der Mädchen
wird behindert
immer zahlreicheren afrikanischen Stimmen, die sich
gegen die Beschneidungspraxis
aussprechen, ändert sich nicht
viel an der Realität. Bei den fast
durchweg analphabetischen
Dorfbewohnern wird die Beschneidung heute leider immer
noch in grossem Umfang praktiziert, und oft genug herrscht
Unwissenheit über die Gefahren, denen die Opfer ausgesetzt sind, ebenso auch über die
I
m Tschad stellt die Beschneidung ein echtes
Hindernis für den Schulbesuch der Mädchen dar. Viele
dieser verstümmelten Mädchen
können nicht mehr zur Schule
kommen, weil sie krank sind
oder weil sie gleich nach dem
Eingriff verheiratet werden.
Deshalb müssen die schädlichen Auswirkungen der FGM
nicht nur in den modernen
Massenmedien angesprochen
werden, sondern gehören auch
in das Basis-Erziehungsprogramm und den Lehrplan der
Schulen. Auch unter dem Palaverbaum, am Feuer und auf
den Feldern, also einfach überall, muss diese Debatte geführt
werden. Denn in den Dörfern
gibt es viel zu sagen und zu
tun, wenn es um die Schulbildung der Mädchen und um
gewisse, hinter Unwissenheit
versteckte schädliche Praktiken
geht.
Wir müssen einfach anerkennen, dass die Bevölkerung sehr
traditionsbewusst ist, vor allem,
was die Beschneidung von
Mädchen betrifft. Zahlreiche
trügerische Argumente nähren
den Glauben der Menschen an
die Notwendigkeit dieser Praxis.
Sie befürchten, dass die Abschaffung der Beschneidung
nichts anderes als eine Forderung des Westens sei, der ihnen
nur zu gern seine eigenen Ideale aufdrängen würde.
Trotz der Reaktionen der Völkergemeinschaft und trotz der
«In den Dörfern gibt es
viel zu sagen und zu
tun, wenn es um die
Schulbildung der Mädchen und um gewisse,
hinter Unwissenheit
versteckte schädliche
Praktiken geht»
aus der Beschneidung resultierenden Gesundheitsschäden.
Man muss allerdings auch
sehen, dass die Dorfbewohner
nicht gerade viel Unterstützung
bei der Gesundheitsfürsorge
und der Schulbildung erhalten.
Es ist beispielsweise sehr
schwierig, dringende sanitäre
Verbesserungen vorzunehmen,
weil die entsprechende Infrastruktur fehlt. Und was die
Schulbildung betrifft: Im Busch
haben viele Grundschulen
nicht genügend ausgebildete
Lehrer. In einer staatlichen
Grundschule, die scheinbar
sechs Lehrer hat, sind nur zwei
wirklich qualifiziert. Das war
der Anlass, zahlreiche Gemeinschaftsschulen ins Leben zu
rufen, die nur durch die Beiträge der Eltern finanziert werden.
Diese Busch-Gemeinschaftschulen, die von Morija im Rahmen des «63-Dörfer-Projekts»
unterstützt werden, sind in
vielen Landesteilen, vor allem
im Süden, zu einem Vorbild für
nachhaltige Entwicklung geworden. Bei dieser Gelegenheit
möchten wir allen Spendern
herzlich für die konkrete und
positive Hilfe danken, die durch
die Spenden möglich wird.
Samuel Guidalbaye
Leiter des Waisenhauses
Eben-Ezer
In den Dörfern gibt es viel zu sagen und zu tun, wenn es um die Schulbildung der Mädchen und um
gewisse, hinter Unwissenheit versteckte schädliche Praktiken geht
In Togo trägt der Kampf allmählich
Früchte
Die verschiedenen Aufklärungsmethoden beginnen allmählich
Früchte zu tragen
I
n Togo betrifft die weibliche Genitalverstümmelung alle Altersgruppen:
Beschnitten wird bei der Geburt, in der frühen Kindheit,
in der Pubertät, kurz vor der
Heirat und sogar noch nach
der Geburt des ersten Kindes.
Bei manchen ethnischen
Gruppen wie den Kotokolis,
den Solas oder den Ana-Ifês in
den Zentralregionen ist diese
Praxis weiter verbreitet als bei
anderen Volksgruppen. Das
Resultat einer von der Forschungsgruppe Demographie
1996 durchgeführten Umfrage
sprach von etwa einhundertzehntausend beschnittenen
Frauen von 15 Jahren an aufwärts.
Die Beschneidung wird als
altehrwürdige Überlieferung
wahrgenommen. Um nicht
beschimpft zu werden, lassen
die Frauen diese Manipulationen an sich vornehmen.
Drei Arten von Eingriffen
werden an den weiblichen
Geschlechtsorganen vorgenommen:
– Beschneidung mit oder
ohne völliger oder teil­
weiser Entfernung der
Klitoris,
– Beschneidung der Klitoris
mit oder ohne völliger
Entfernung der kleinen
Schamlippen,
– Völlige oder teilweise Entfernung der äusseren Genitalien und Zusammennähen
der Vaginalöffnung.
Eine Beschneiderin ist eine
Frau, die die Beschneidung
vornimmt. Diese Aufgabe wird
vor allem von alten Frauen
durchgeführt, die für ihre
Dienste entlohnt werden. Das
Gewerbe wird von den Müttern an die Töchter weitergegeben. Eine Beschneiderin
geniesst hohes Ansehen in
ihrer Gesellschaft. Sie meldet
die Todesfälle, die sie entweder
mit unzureichender spiritueller Vorbereitung, dem Verlust der Jungfräulichkeit oder
mit Hexerei erklärt.
1998 wurde vom togolesischen
Parlament ein Gesetz verabschiedet, das die weibliche
Genitalverstümmelung verbietet. Dieses Gesetz war der
Beginn des Kampfes in Togo.
Im Lauf der letzten Jahre entstanden nationale und/oder
internationale Organisationen,
die Aufklärungsarbeit leisten
und die Menschen mobilisieren, diese Praxis auszurotten.
Es bleibt jedoch noch viel zu
tun. Als Beweis mag die Reaktion eines jungen Mannes
dienen, der gefragt wurde, ob
die Beschneidungspraxis beibehalten werden sollte: «Ich
würde sagen, dass heute ein
junger Mann wie ich sich der
Beschneidung nicht widersetzen kann. Im Gegenteil:
«Die Patientinnen in
unseren Zentren wissen
heute, dass man sie
belogen hat»
Wenn in einer Gruppe ein
Spinner sich dagegen aussprechen würde, dann würde
man alles tun, um ihn wieder
zur Vernunft zu bringen».
Doch allmählich beginnen die
verschiedenen Aufklärungsmethoden, Früchte zu tragen.
Die Patientinnen in unseren
Zentren wissen heute,
dass man sie belogen hat
und dass die Beschneidung
weder die Entbindung
erleichtert noch die Prostitution verhindert.
Bei beschnittenen Frauen kommt es häufiger zu Komplikationen bei
der Entbindung
7
Mariam aus Togo, 18 Jahre alt:
«A
ls ich zehn Jahre alt war,
haben mir meine Eltern
von der Initiation erzählt,
doch ich wollte das nicht. Eines schönen
Morgens wurde ich in ein Haus geschickt, wo ich in ein Zimmer gebracht
wurde. Dort waren vier Frauen, die mich
gepackt und ausgezogen haben. Eine
Alte zog ein Messer hervor, das angeblich
heilig war, und schnitt mir damit die
Klitoris heraus. Ich blutete heftig, aber
ins Gesundheitszentrum wurde ich nicht
gebracht.
Tunesien
Marokko
Algerien
Libyen
West-Sahara
Ägypten
Saudi-Arabien
Kap
Verde
Mauretanien
Oman
3
Niger
Mali
1
2
Guinea
4
5
Burkina
Faso
Elfenbeinküste
6 7
Sudan
Tschad
8
9
Nigeria
Príncipe
São Tomé
Jemen
10
Äthiopien
Zentralafrikan.
Kamerun Republik
14
Gabun
11
Kongo
12
13
DRKongo
Somalia
Kenia
Tansania
Seychellen
Komoren
Angola
15
Sambia
St.Helena
Simbabwe Mosambik Madagaskar
Namibia
Botswana
Mauritius
Réunion
16
Karte: © ReginaMaultzsch
Heute schäme ich mich zu heiraten,
denn ich habe Angst, dass mein Mann
mich verlässt. Ich habe ja nicht dieses
weibliche Organ, das sich aufrichten
kann, deshalb kann er mich beim Liebesakt nie befriedigen. Die Vorstellung, dass
mit diesem Messer noch weiteren Mädchen die Klitoris herausgeschnitten wird,
ist für mich ein richtiges Trauma.»
18
Südafrika
17
EXZISION
INFIBULATION
1
2
3
4
5
6
Senegal
Gambia
Guinea-Bissau
SierraLeone
Liberia
Ghana
7
8
9
10
11
12
Togo
Benin
Eritrea
Djibouti
Uganda
Ruanda
13
14
15
16
17
18
Burundi
Äquatorialguinea
Malawi
Swasiland
Lesotho
Verein.Arab.Emirate
Am 6. Februar begingen wir den weltweiten Tag des
Kampfes gegen die FGM. Danke, dass Sie sich an
diesem Kampf beteiligen, indem Sie unsere Mitarbeiter bei der Aufklärung von Frauen und Kindern
unterstützen.