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DNotI
Deutsches Notarinstitut
GUTACHTEN
D o k u m e nt n u m m e r :
l e t zt e A k t u a l i s i e r un g :
11395
11.02.2005
ErbbauVO §§ 9 Abs. 3, 5, 7 Abs. 2
89)Keine Pflicht des Grundstückeigentümer zur Abgabe einer Stillhalteerklärung
gegenüber Grundschuldgläubiger des Erbbaurechts
I.
Sachverhalt
Der Erbbauberechtigte hat sein Erbbaurecht mit einem Grundpfandrecht für eine Bank belastet. Einer gesonderten Belastungszustimmung des Grundstückseigentümers bedurfte es
nicht, da dies zwar im Erbaurechtsbestellungsvertrag vorgesehen, die Eintragung hier aber
noch von einer allgemeinen Vorabzustimmung im Erbbaurechtsvertrag gedeckt war.
Der Grundstückseigentümer lehnt die Abgabe einer von der Bank geforderten
Stillhalteerklärung ab. Die Bank ist nicht bereit, die Grundschuld ohne Stillhalteerklärung
des Eigentümers als Sicherheit für das dem Erbbauberechtigten zugesagte Darlehen zu akzeptieren.
II. Frage
Besteht eine gesetzliche Pflicht des Grundstückseigentümers zur Abgabe einer
Stillhalteerklärung?
III. Zur Rechtslage
1.
Bedeutung der Stillhalteerklärung
Die Banken verlangen bei der Beleihung eines Erbbaurechts in der Regel eine
Stillhalteerklärung, falls der Grundstückseigentümer nicht mit seiner Erbbauzinsreallast
hinter das Grundpfandrecht zurücktritt. Der Grund liegt darin, dass der erbbauzinsberechtigte Eigentümer die Zwangsversteigerung betreiben könnte, wobei gem. § 92 ZVG
der Erbbauzinsanspruch kapitalisiert würde und eine nachrangige Grundschuld in der
Zwangsversteigerung erlöschen würde. Insofern besteht die Gefahr, dass der
nachrangige Grundschuldgläubiger mit seiner Forderung ausfällt.
Zur Vermeidung dieser Problematik haben sich in der Praxis zwei verschiedene Formen
der Stillhalteerklärung entwickelt: Zum einen kann der Grundstückseigentümer dem
Grundpfandrecht Vorrang gegenüber seiner Erbbauzinsreallast einräumen und sich dafür von der Bank eine Stillhalteerklärung geben lassen, wonach im Falle der Zwangsversteigerung des Erbbaurechts der Erbbauzins nicht kapitalisiert, sondern sein Fortbestand nach § 59 ZVG vereinbart wird. Andererseits kann – wie im vorliegenden Fall geplant – der Grundstückseigentümer gegenüber einem nachrangigen GrundpfandgläubiDeutsches Notarinstitut • Gerberstraße 19 • 97070 Würzburg • Telefon 09 31/3 55 76-0 • Telefax 09 31/3 55 76-2 25
email: [email protected] • internet: http://www.dnoti.de
ra gut0205 r1/11395.doc
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ger in einer Stillhalteerklärung oder „Nichtkapitalisierungserklärung“ erklären, bei einer
Zwangsversteigerung abweichenden Versteigerungsbedingungen dahingehend zuzustimmen, dass der Erbbauzins dann nicht zu einem Ablösebetrag kapitalisiert wird, sondern nach §§ 59 bzw. 91 ZVG fortbesteht (vgl. zu den verschiedenen Arten der Stillhalteerklärung: Dedekind, MittRhNotK 1993, 109, 112 ff.; Linde/Richter, Erbbaurecht
und Erbbauzins, 2. Aufl. 1993, Rn. 266; von Oefele/Winkler, Handbuch des Erbbaurechts, 3. Aufl. 2003, Rn. 6.258 ff.). Zu den verschiedenen Arten und den Risiken einer
Stillhalteerklärung erlauben wir uns, zu verweisen auf unser Gutachten DNotI-Report
2005, 89.
2.
Keine Verpflichtung des Grundstückseigentümers zur Abgabe einer Stillhalteerklärung
Die Frage, ob der Eigentümer zur Abgabe einer Stillhalteerklärung verpflichtet ist,
dürfte zu verneinen sein (vgl. Dedekind, MittRhNotK 1993, 109, 113).
a) Keine gesetzliche Verpflichtung aus § 7 Abs. 2 ErbbauVO
Ein Anspruch auf Abgabe der Erklärung lässt sich zunächst nicht aus § 7 Abs. 2
ErbbauVO ableiten. § 7 Abs. 2 ErbbauVO soll lediglich die Belastung des Erbbaurechts im Rahmen einer ordnungsgemäßen Wirtschaft ermöglichen. In diesem Umfang besteht eine Verpflichtung zur Zustimmung zu der Belastung. Daraus ergibt
sich aber nicht, dass der Grundstückseigentümer auch verpflichtet wäre, dem zur
Eintragung gelangenden Grundpfandrecht den Rang vor der Erbbauzinsreallast einzuräumen. Sinn der Zustimmungspflicht aus § 7 Abs. 2 ErbbauVO ist vielmehr,
dass zwar entsprechende Belastungen bestellt werden können, jedoch hierdurch das
Erbbaurecht im Rahmen des vereinbarten Zwecks nicht wesentlich beeinträchtigt
wird. Hierzu zählt als Inhalt des Erbbaurechts auch die Verpflichtung zur Leistung
des jeweiligen Erbbauzinses. Die Verpflichtung zur Erklärung eines Rangrücktritts
ließe sich hiermit nicht vereinbaren. Soweit der Grundstückseigentümer nicht zur
Erklärung eines Rangrücktritts verpflichtet ist, ist er entsprechend auch nicht zur
Abgabe einer Stillhalteerklärung verpflichtet.
Sowohl von Oefele/Winkler (Rn. 6.258 ff.) wie auch Linde/Richter (Rn. 267) gehen
davon aus, dass es zwar berechtigte Interessen für die Abgabe der Stillhalteerklärung als einem Kompromiss zwischen der Sicherung des Erbbauzinses und der
Gewährleistung einer effektiven Belastung des Erbbaurechts mit Grundpfandrechten gibt, eine Verpflichtung zur Abgabe der Stillhalteerklärung wird aber
von keinem angesprochen.
b) Keine vertragliche Pflicht aus dem Erbbaurechtsvertrag
Auch kann dem Erbbaurechtsvertrag wohl keine dahingehende Nebenverpflichtung
entnommen werden, dass der Grundstückseigentümer verpflichtet wäre, mit der
Erbbauzinsreallast hinter Finanzierungsgrundpfandrechte zurückzutreten. Insofern
dürfte sich auch aus dem Erbbaurechtsvertrag regelmäßig keine Verpflichtung zur
Abgabe der Stillhalteerklärung ergeben, sofern eine solche Regelung nicht ausdrücklich aufgenommen wurde.
Eine Verpflichtung des Grundstückseigentümers zur Abgabe der Stillhalteerklärung
dürfte folglich nicht bestehen. In diesem Zusammenhang ist aber darauf hinzuwei-
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sen, dass Stellungnahmen in Rechtsprechung und Literatur bis auf den Aufsatz von
Dedekind (aaO) noch fehlen.
3.
Ausgestaltung des Erbbauzinses nach § 9 Abs. 3 S. 1 Nr. 1 ErbbauVO
Eine Lösung des Problems – die allerdings auch der Mitwirkung des
Grundstückseigentümers bedarf – könnte möglicherweise die Umwandlung der bestehenden Erbbauzinsreallast in eine neue vollstreckungsfeste Erbbauzinsreallast durch
Änderung des Inhalt des Erbbaurechts bringen. Angesichts der mit der Stillhaltevereinbarung verbundenen Risiken hat der Gesetzgeber nämlich 1994 die Möglichkeit geschaffen, als Inhalt des Erbbauzinses nach § 9 Abs. 3 S. 1 Nr. 1 ErbbauVO zu vereinbaren, dass die Reallast hinsichtlich des Erbbauzinses abweichend von § 52 Abs. 1 ZVG
mit ihrem Hauptanspruch bestehen bleiben kann, wenn der Grundstückseigentümer aus
der Reallast oder der Inhaber eines im Range vorgehenden oder gleichstehenden dinglichen Rechts die Zwangsversteigerung des Erbbaurechts betreibt. Die Beteiligten haben
danach die Möglichkeit unter Zustimmung nachrangiger Berechtigter (§ 9 Abs. 3 S. 2
ErbbauVO) zum Inhalt der eingetragenen Rechte eine sichere Gestaltungsform zu finden, die den Interessen aller Beteiligten entspricht (vgl. das vorerwähnte Gutachten
DNotI-Report 2005, 89; v. Oefele/Winkler, Rn. 6.270 ff.).
Allerdings ist festzuhalten, dass eine Verpflichtung zur Änderung der Ausgestaltung der
Erbbauzinsreallast im vorgenannten Sinne nicht besteht. Der Gesetzgeber hat zwar mit
§ 9 Abs. 3 S. 2 ErbbauVO der Möglichkeit einer solchen nachträglichen Änderung
Rechnung getragen, einen Anspruch auf Vornahme einer solchen Abänderung hat er jedoch nicht vorgesehen. Der Grundstückseigentümer dürfte auch nicht schlechterdings
aufgrund von Treu und Glauben zur Abänderung verpflichtet sein, da ein zwingendes
Erfordernis zur Korrektur der getroffenen Abrede nicht offensichtlich und unabweisbar
ist.