2600 Seemeilen mit der „Gorch Fock“: Meike aus
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2600 Seemeilen mit der „Gorch Fock“: Meike aus
Vorpommern Kurier Seite 22 Was wird die Reise bringen? Meike Neukirch genießt die Ruhe vor dem Auslaufen aus dem Hafen in Malaga. Hängematte an Hängematte: Privatsphäre gibt es an Deck eines Segelschiffes nicht. Etwa 30 junge Leute schlafen in einem Raum unter Deck. Klettern – egal bei welchem Wetter – nur mit Mütze und Handschuhen, das hat Meike Neukirch schnell an Bord schmerzvoll gelernt. Aufentern nennt der Fachmann das Erklimmen der Rah – ein Aufstieg, bei dem jeder Griff und jeder Fußtritt sitzen müssen. Donnerstag, 5. Februar 2015 Gischt, Sturm und Regenbogen – Augenblicke, die wohl nur die Seefahrt bietet. Meike jedenfalls genießt diesen Moment. In der Nordsee tobt der Sturm und peitscht die Wellen bis zu zehn Meter hoch – da ist dann Schluss mit Segelromantik. 2600 Seemeilen mit der „Gorch Fock“: Meike aus Anklam auf großer Fahrt Von Veronika Müller Segeln ist Meike Neukirchs Leidenschaft. Gelernt hat sie es beim Seesportclub Anklam. Große und kleine Segler sind ihr vertraut. Jetzt wartete eine neue Herausforderung: Eine Reise mit der Gorch Fock. Die zweimonatige Ausbildungsfahrt führte sie von Malaga durch die Straße von Gibraltar und die Biskaya bis nach Kiel. „Der Job ist nichts für zarte Mädchenhände.“ Meike Neukirch schaut ihre Hände an. Ein ein paar kleine Blessuren, sonst alles ganz normal. „Die kriegen da schon ordentlich was ab. Kälte, Seewasser, kräftig zugreifen ist manchmal gar nicht so einfach. Doch Arbeitshandschuhe helfen. Ohne ist das alles nichts.“ Die 18-Jährige schmunzelt und schaut einen Moment versonnen in die Ferne. Fast zwei Monate lang war sie mit dem Segelschulschiff Gorch Fock unterwegs von Malaga nach Kiel. Sie hat Segelromantik vom Feinsten, aber auch tosenden Sturm erlebt. „Da war wirklich von allem etwas dabei.“ Die junge Frau hat im Sommer ihr Abitur am Lilienthal-Gymnasium abgelegt und ist dann zur Marine gegangen. Als ANKLAM. leidenschaftliche Seesportlerin ein logischer Schritt? „Ganz und gar nicht. „Lehrer oder Psychologie waren eigentlich meine Favoriten. Segeln hätte ich ja trotzdem weiterhin können.“ Doch dann der Umschwung – sie ging zur Marine, nach Flensburg. „Warum? Es hat mich einfach gereizt. Und das Psychologiestudium kann ich bei der Marine auch machen – höchstwahrscheinlich ab Herbst.“ Aber in Flensburg war erst einmal die künftige Seefahrerin gefragt. Ausbildung in Theorie und Praxis. Im Hafen von Malaga: So präsentierte sich die Gorch Fock den Neuankömmlingen aus FOTOS(9): PRIVAT Das war auch gut so, denn Deutschland. als sie Anfang November die Gorch Fock betrat, schien die sehen, wo überall geschlafen aber dennoch habe ich mich hat ihren Nagel – alles fein riesige Rah nicht mehr ganz wurde.“ Weniger lustig war in diesen Momenten gefragt: geordnet. „Das heißt büfso gewaltig. „Das hatten wir es, als in der Nordsee ein Warum tust du dir das über- feln und nochmals büffeln. zum Glück zur Genüge an kräftiger Sturm auf kam. haupt an?“ Ohne Lernen und Üben läuft Land geübt.“ Und doch, das Das volle Programm: Hagel, Weil es am Ende doch nichts.“ gesteht sie unumwunden: Regen, die Wellen türmten Spaß macht und die EntDas gilt auch für das „Es war ein harter Job, kör- sich fast bis auf zehn Meter schädigung für solche Stra- Klettern in der Rah. Jeder perlich und psychisch.“ auf, peitschten übers Deck. pazen liefert die See dann Fußtritt, jeder Handgriff Der Alltag auf einer knapp Eine Herausforderung für die gleich selbst. „Spiegelglatte muss sitzen – die scheinba90 Meter langen Bark ist alles jungen Marineschüler. Nie- See, ein Sonnenuntergang, re Leichtigkeit, die „Landandere als ein vergnüglicher mand konnte sich im Bauch der nicht romantischer sein ratten“ beim Zuschauen so Spaziergang. Der ständige des Schiffes verkriechen, könnte, ein Sternenhimmel bewundern, ist ohne hartes Kurz-Wechsel von Dienst, um das tosende Unwetter in zum Träumen – einfach Training nicht zu leisten. theoretischer Ausbildung Ruhe abzuwarten. Also heißt wunderbar.“ Eindrücke, die Und das ist nur ein kleiner und „Erholung“ schlaucht. es an Deck anleinen, Schutz sie wohl niemals vergessen Teil dessen, was ein Matrose „Freizeit gibt es eigentlich suchen und hoffen, dass der wird. Auch nicht die Positio- an Bord eines Segelschiffes nicht. Müdigkeit ist ein stän- Spuk bald vorbei ist – eine nen der etwa 200 Nägel, an wissen muss, will er an Bord diger Begleiter. Klar, dass in vergnügliche Segeltour sieht denen die zahllosen Leinen bestehen. Dazu gehört auch und Taue der Segel an Bord zu akzeptieren, dass es keijeder freien Minute geschla- anders aus. fen wird, egal wo, egal wie Der Magen steht Kopf, befestigt werden. Für einen ne Privatsphäre gibt. Etwa -– Hauptsache schlafen. auch harte Jungs können Laien scheint das ein un- 30 Leute schwingen sich zum Meike Neukirch lacht ihren Magen nicht mehr übersehbarer Strippen-Wirr- Schlafen in einem Saal in die und nickt. „Es war manch- im Zaum halten. „Ich hatte warr, für den Fachmann ist dicht an dicht angebrachten mal schon fast komisch zu damit zwar keine Probleme, das alles logisch. Jede Leine Hängematten. „Wenn einer In der Nordsee war Schluss mit Romantik: Der Sturm peitschte die Wellen fast zehn Meter hoch auf. AZ AZD Daten und Infos zur Gorch Fock Ausbildungsschiff der Marine. Offizier- und Unteroffizieranwärter erhalten hier ihre praktische und theoretische Ausbildung für spätere Verwendungen in der Flotte Baujahr 1958, Werft Blohm & Voss, Hamburg, Typ Bark, Stahlrumpf, Länge 89,3 Meter, 23 Segel, insgesamt 1952 Quadratmeter Segelfläche, Höhe Großmast über Wasserlinie 45,3 Meter, Größte Rahlänge 24 Meter, Geschwindigkeit unter Segel max. 16 Knoten (ca. 30 km/h), 69 Mann Stammbesatzung, etwa 200 Offiziers- und Unteroffiziersanwärter. sich bewegt, haben alle etwas davon.“ Meike Neukirch hat ihre Bewährungsprobe bestanden – über 2600 Seemeilen war sie gemeinsam mit mehr als 200 anderen Marine-Schülern unterwegs. Und nun? Ausbildung in Flensburg. Dann wartet die nächste Herausforderung: eine Fahrt mit einer Fregatte. Kontakt zur Autorin [email protected] Meike (rechts) hat auf der „Gorch Fock“ Freunde gefunden. Ihre Kollegin Lisa ist eine der wenigen Frauen an Bord.