Bibliothekswesen im Ausland - Fachbereich Archiv
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Bibliothekswesen im Ausland - Fachbereich Archiv
Fachhochschule für Öffentliche Verwaltung und Rechtspflege in Bayern Fachbereich Archiv- und Bibliothekswesen Bibliothekswesen des Auslands 4. Fachstudienabschnitt Klaus Gantert Stand: 06/2007 Inhaltsverzeichnis Grundlagen nationaler Bibliothekswesen............................................................................4 a) historische Aspekte ......................................................................................................4 b) wirtschaftliche Aspekte .................................................................................................5 c) kulturelle Aspekte .........................................................................................................6 d) politische Aspekte.........................................................................................................6 e) technische Aspekte ......................................................................................................7 f) sprachliche Aspekte .....................................................................................................7 Internationale Organisationen ..............................................................................................8 International Federation of Library Associations and Institutions (IFLA) ..............................8 European Bureau of Library Information and Documentation Associations (EBLIDA).......13 Ligue des Bibliothèques Européennes de Recherche (LIBER)..........................................15 Bibliothek und Information International (BI-I) ....................................................................16 Kompetenznetzwerk für Bibliotheken (KNB) ......................................................................17 Österreich .............................................................................................................................19 Grundlagen.........................................................................................................................19 Das Wissenschaftliche Bibliothekswesen in Österreich .....................................................20 Das Öffentliche Bibliothekswesen in Österreich.................................................................26 Kooperationen und zentrale Einrichtungen ........................................................................26 Die Schweiz...........................................................................................................................28 Grundlagen.........................................................................................................................28 Das Wissenschaftliche Bibliothekswesen in der Schweiz ..................................................31 Das Öffentliche Bibliothekswesen in der Schweiz..............................................................36 Kooperationen und zentrale Einrichtungen ........................................................................37 Frankreich .............................................................................................................................39 Grundlagen.........................................................................................................................39 Das Wissenschaftliche Bibliothekswesen in Frankreich.....................................................43 Das Öffentliche Bibliothekswesen in Frankreich ................................................................47 Kooperationen und zentrale Einrichtungen ........................................................................48 Italien .....................................................................................................................................50 Grundlagen.........................................................................................................................50 Das Wissenschaftlichen Bibliothekswesens in Italien ........................................................53 Das Öffentliche Bibliothekswesen in Italien........................................................................57 Kooperationen und zentrale Einrichtungen ........................................................................58 2 Großbritannien .....................................................................................................................60 Grundlagen.........................................................................................................................60 Das Wissenschaftliche Bibliothekswesen in Großbritannien..............................................64 Das Öffentliche Bibliothekswesen in Großbritannien .........................................................70 Kooperationen und zentrale Einrichtungen ........................................................................71 Vereinigte Staaten von Amerika .........................................................................................73 Grundlagen.........................................................................................................................73 Das Wissenschaftliche Bibliothekswesen in den USA .......................................................76 Das Öffentliche Bibliothekswesen in den USA ...................................................................79 Kooperationen und zentrale Einrichtungen ........................................................................81 Skandinavien ........................................................................................................................83 Grundlagen.........................................................................................................................83 Das Wissenschaftliche Bibliothekswesen in Skandinavien ................................................85 Das Öffentliche Bibliothekswesen in Skandinavien............................................................87 Kooperationen und zentrale Einrichtungen ........................................................................88 Australien..............................................................................................................................89 Grundlagen.........................................................................................................................89 Das Wissenschaftliche Bibliothekswesen in Australien......................................................90 Das Öffentliche Bibliothekswesen in Australien .................................................................92 Kooperationen und zentrale Einrichtungen ........................................................................92 3 Grundlagen nationaler Bibliothekswesen Den Ausgangspunkt für die folgenden Überlegungen bildet die Frage, weshalb sich das deutsche Bibliothekswesen vom Bibliothekswesen anderer Länder unterscheiden könnte. Eine Vielzahl von Aspekten kommt in Frage: a) historische Aspekte (Föderalismus, späte Nationalstaatlichkeit) b) wirtschaftliche Aspekte (Deutschland ist eines der reichsten Länder der Erde) c) kulturelle Aspekte (Buchdruck, Verlagsstandort, Wissenschaftsstandort) d) politische Aspekte (Wiedervereinigung, Kulturhoheit der Länder) e) technische Aspekte (Deutschland ist eine Industrienation und daher in Technik, Bau und EDV entwickelt) f) sprachliche Aspekte Betrachtung der Gründe im Einzelnen: a) historische Aspekte - - - England, Frankreich, Spanien, ... sind schon viele Jahrhunderte zentral verwaltete Flächenstaaten; Deutschland ist seit dem Mittelalter föderal gegliedert (Flickenteppich). Die deutschen Fürsten betonten schon immer ihre Unabhängigkeit gegenüber dem Kaiser. Seit 1806 waren sie dann auch wirklich unabhängig (Königreich Württemberg, Königreich Bayern, Königreich Sachsen, ...). Die meisten europäischen Länder bildeten dagegen schon früh Nationalstaaten aus (angestrebt war zumeist die Deckung von Staatsgebilde und Sprachgebiet). In Deutschland ist dies erst spät der Fall (1871 Deutsches Reich, 1919 Weimarer Republik). Das Heilige Römische Reich um 1580 Das Heilige Römische Reich 1789 4 Europa um das Jahr 1700 (abgesehen von Deutschland und Italien meist Flächenstaaten) Auswirkungen auf das Bibliothekswesen - - b) In Deutschland gibt es heute keine Nationalbibliothek, die alle nationalbibliothekarischen Aufgaben übernimmt (Gründung der Deutschen Bücherei auf Initiative des Börsenvereins 1912/13). Im Ausland entstehen oft früh Nationalbibliotheken (häufig aus Zensurgründen). In Deutschland gibt es bis heute eine überaus reiche Bibliothekslandschaft auch in der Fläche (alte Stadtbibliotheken, Klosterbibliotheken, Hofbibliotheken, ... z.B. in Frankfurt, Donaueschingen, ... sind oft in Staats- und Landesbibliotheken aufgegangen). Die Landesbibliotheken haben in Deutschland einen überaus reichen Bestand (sie waren früher kleine Quasi-Nationalbibliotheken und profitierten von der Säkularisierung). Im Ausland finden sich wirklich bedeutende Bibliotheksbestände oft nur in der Hauptstadt bzw. in der jeweiligen Nationalbibliothek. wirtschaftliche Aspekte - - Deutschland war und ist eines der wohlhabendsten Länder Europas. Daher konnte und kann es auch heute relativ große Mittel in Kultur und Wissenschaft investieren (Bruttoinlandsprodukt ca. 33.150 USD pro Einwohner). Viele andere europäische (Bulgarien, Polen, Portugal, ...) und vor allem außereuropäische Länder (Tunesien, Argentinien, Indien, ...) haben einen wesentlich geringeren Wohlstand und können daher nur sehr begrenzt Mittel für kulturelle und wissenschaftliche Zwecke aufbringen. 5 Grundsätzlich gilt: - - c) Reiche Länder können natürlich wesentlich mehr Mittel für ihr Bibliothekswesen ausgeben als arme. Dennoch hat Kultur im Allgemeinen und das Bibliothekswesen im Speziellen in einzelnen Ländern unterschiedliche Priorität. Gemessen wird immer die prozentuale Höhe der Ausgaben am Bruttoinlandsprodukt. Hier bilden die skandinavischen Länder die Spitzengruppe innerhalb Europas. kulturelle Aspekte Viele kulturelle Gründe sorgen dafür, dass Deutschland im Vergleich zu anderen Ländern über ein besonders reiches Bibliothekswesen verfügt: - - d) Als Kernland des Heiligen Römischen Reiches hatte Deutschland schon im Mittelalter ein reiches Bibliothekswesen (Reichsklöster, Reichsstädte, Reichsfürsten, ...). Durch die Erfindung Gutenbergs in Mainz hatte Deutschland den frühesten Druckbeginn; schon bald bildeten sich neue Zentren aus (z.B. Augsburg, Nürnberg, Köln, ...). Seit dieser Zeit bis heute gibt es in Deutschland ein leistungsstarkes Verlagswesen. Deutschland ist schon seit dem späten Mittelalter ein zentraler „Wissenschaftsstandort“. Das gilt vor allem für das 19. Jahrhundert nach den preußischen Reformen und den 60er und 70er Jahren des 20. Jahrhunderts. politische Aspekte - - - - - Im Gegensatz zu anderen Ländern sind im heutigen föderalen System der Bundesrepublik grundsätzlich die Länder für die Kultur und damit auch für die Bibliotheken zuständig (Universitätsbibliotheken, Landesbibliotheken, ...). Viele zentrale Aufgaben des deutschen Bibliothekswesens sind durch die deutsche Teilung doppelt wahrgenommen worden (zwei Staatsbibliotheken in Berlin, zwei große Stadtbibliotheken in Berlin, die Deutsche Bücherei in Leipzig und die Deutsche Bibliothek in Frankfurt am Main...). Der Bund unterstützt die Länder nur in Teilbereichen (Bibliotheks- bzw. Hochschulbau, hier werden die Zuständigkeiten derzeit allerdings gerade neu ausgehandelt). Der Bund selbst finanziert direkt nur wenige Bibliotheken (Bibliothek des Deutschen Bundestags, die Deutsche Nationalbibliothek, Bibliotheken der Bundesministerien, Bibliotheken der Forschungsanstalten des Bundes, ...). Einige Bibliotheken sind mischfinanziert (z.B. die Staatsbibliothek zu Berlin durch die Stiftung Preußischer Kulturbesitz). Weitere politische Aspekte, die Einfluss auf das Bibliothekswesen eines Landes nehmen können: - Versteht ein Land den Unterhalt eines Bibliothekswesens als politische (nationale, regionale oder kommunale) Aufgabe? Greift der Staat legislativ in die Struktur des Bibliothekswesens ein? Gibt es ein Bibliotheksgesetz? Übt der Staat inhaltlich Einfluss aus? Unterliegt die nationale Literaturproduktion der Zensur? Gibt es Abschottung nach außen? Zu denken wäre hier an die Bücherverbrennungen der Nationalsozialisten oder die Zensur in Nordkorea. 6 e) technische Aspekte Im Gegensatz zu anderen Ländern ist Deutschland nicht nur unter wirtschaftlichen, sondern auch unter technischen Aspekten eine der führenden Industrienationen. - Nicht alle Länder verfügen über das ausreichende technische Know-how für den Betrieb von • elektronischen Bibliothekssystemen • Digitalisierungszentren • Verbundstrukturen • komplexen Bibliotheksbauten • ... - Allerdings deckt sich die Wirtschaftskraft eines Landes nicht immer mit der technischen Kompetenz (so z.B. in Indien, wo wirtschaftliche Probleme mit technischem Know-how verbunden werden). f) sprachliche Aspekte Das Bibliothekswesen eines Landes hat ein jeweils spezifisches Verhältnis zu seinem Sprachraum. - Die Grenzen des Landes und des Sprachraums können sich decken (so z.B. in Finnland, Polen, Norwegen, ...). Das Land kann einem größeren Sprachraum angehören (z.B. Australien, Österreich, Brasilien, ...). Ein Sprachkreis einer Landessprache kann nur einen Teil des Landes abdecken (dies kommt sehr selten vor, z.B. gälisches Schottisch in Großbritannien, ...). Ein Land hat insgesamt oder in einzelnen Regionen mehrere Amtssprachen (Schweiz, Republik Südafrika, Italien, ...). Ein Land hat geschützte Minderheitensprachen (Dänisch und Sorbisch in Deutschland, Baskisch in Spanien, ...). Ein Land gehört einem extrem großen (Englisch, Chinesisch, Spanisch, ...) oder einem extrem kleinen Sprachkreis (Isländisch, Maltesisch, ...) an. Ein Land hat einen hohen homogenen Ausländer- / Einwandereranteil (Maghrebiner in Frankreich, Inder und Pakistani in Großbritannien, ...). 7 Internationale Organisationen International Federation of Library Associations and Institutions (IFLA) http://www.ifla.org/ - Die IFLA ist die größte internationale Vereinigung im Bereich des Bibliotheks- und Informationswesens. Sie wurde 1927 auf einer Konferenz in Edinburgh gegründet. Sie dient der Kooperation und internationalen Vertretung von Personen und Institutionen des Bibliothekswesens. Die IFLA hat derzeit rund 1700 Mitglieder aus 150 Ländern. Der Sitz der IFLA ist an der Königlichen Bibliothek der Niederlande in Den Haag. Wie die meisten bibliothekarischen Organisationen ist sie eine non-profitOrganisation (NPO, oft gemeinnützig) und eine non-governmental-Organisation (NGO, nichtstaatliche Organisationen). Ziele der IFLA - hohe Standards bei Bibliotheks- und Informationsdiensten zu fördern - Verständnis für den Wert guter Bibliotheksarbeit zu wecken - weltweite Vertretung der Mitglieder - Organisation von Workshops, Seminaren und Expertentreffen (u.a. die IFLAJahreskonferenz mit ca. 4000 Teilnehmern) - Publikation von Richtlinien, Sammelbänden und Monographien zu ausgewählten Themen (z.B. Functional Requirements for Bibliographic Records, ...) Publikationen - IFLA Journal IFLA Directory IFLA Annual Report IFLA Publications Series IFLA Professional Report Series Eine Vielzahl der IFLA-Publikationen steht auf der Website in elektronischer Form kostenlos zur Verfügung. Zusammenarbeit mit anderen internationalen Organisationen - UNESCO (United Nations Educational, Scientific and Cultural Organization) WIPO (World Intellectual Property Organization) ISO (International Organization for Standardization) CDNL (Conference of Directors of National Libraries) Die Arbeit der IFLA setzt auf drei Säulen auf: - Gesellschaft Dieser Bereich beschäftigt sich mit der Rolle des Bibliotheks- und Informationswesens in der und für die Gesellschaft. - Facharbeit Hier bemüht sich die IFLA um die Verbesserung der Methoden, technischen Standards und Hilfsmittel der bibliothekarischen Arbeit. 8 - Mitglieder Hierunter fällt die internationale Kooperation der Mitglieder, ihre Vernetzung und Interessenvertretung, aber auch eine Vielzahl von Angeboten (Fortbildungen, Publikationen, ...). Die innere Struktur der IFLA ist geprägt durch vier zentrale Organe: a) Generalversammlung (General Council) b) Vorstand (Governing Board) c) Leitungsausschuss (Executive Committee) d) Fachausschuss (Professional Committee) a) Die Ratsversammlung (General Council) - ist das höchste Gremium, besteht aus den Delegierten der Mitglieder - trifft sich einmal im Jahr während der IFLA-Jahreskonferenz - wählt den Präsidenten und die Mitglieder des Vorstands - trifft Grundsatzentscheidungen b) Der Vorstand (Governing Board) - ist verantwortlich für das Management der IFLA insgesamt - besteht aus der Präsidentin (derzeit Frau Prof. Dr. Claudia Lux, 2007-2009), dem designierten Präsidenten, zehn direkt gewählten Mitgliedern und neun gewählten Mitgliedern des Fachausschusses (21 Personen) - trifft sich mindestens zweimal im Jahr c) Der Leitungssauschuss (Executive Committee) - ist verantwortlich für die generelle Ausrichtung der IFLA zwischen den Treffen des Vorstands (Finanzfragen, Marketing) - besteht aus dem Präsidenten, dem designierten Präsidenten, dem Schatzmeister, dem Vorsitzenden des Fachausschusses und zwei Mitgliedern des Vorstands sowie dem Geschäftsführenden Direktor d) Der Fachausschuss (Professional Committee) - koordiniert die Arbeit aller IFLA-Einheiten, ist verantwortlich für das inhaltliche Programm - besteht aus dem Vorsitzenden, Vertretern der 8 Abteilungen und 3 Mitgliedern des Vorstands - trifft sich mindestens zweimal im Jahr Die IFLA hat 3 Kategorien der Mitgliedschaft: Association Membership Vereinigungen von Personen und Institutionen des Bibliotheks- und Informationswesens sowie von Bildungs- und Forschungseinrichtungen aus dem Bibliotheks- und Informationsbereich (Stimmrecht) Institutional Membership einzelne Institutionen und Organisationen aus dem Bibliotheks- und Informationsbereich (Stimmrecht) Personal Affiliates Einzelpersonen aus dem Bibliotheks- und Informationsbereich (kein Stimmrecht) 9 Dazu kommen rund 30 Sponsoren (Corporate Partners), die im Gegenzug für ihre Unterstützung ihre Produkte vorstellen können, eingeteilt sind sie je nach finanzieller Zuwendung in die Kategorien Gold, Silber und Bronze. Die IFLA verfolgt sechs Core Activities: - - - - - ALP (Action for Development through Libraries Programme) unterstützt bibliothekarische Arbeit zur gesellschaftlichen Förderung in Entwicklungsländern, Büro in der Universitätsbibliothek Uppsala CLM (Committee on Copyright and other Legal Matters) bearbeitet Rechtsfragen und Urheberrechte, Büro in der British Library in London FAIFE (Committee on Free Access to Information and Freedom of Expression) freier Informationszugang und Freiheit der Meinungsäußerung, Büro in Kopenhagen (das Komitee äußerte sich z.B. im Fall der Mohamedkarikaturen) ICABS (IFLA-CDNL Alliance for Bibliographic Standards) bearbeitet Fragen der bibliographischen Regelwerke, Büros u.a. in Frankfurt am Main u.a. PAC (Preservation and Conservation) bearbeitet Fragen der Bestandserhaltung, Büros in Tokio, Caracas, Washington D.C., Moskau, Paris IFLA-UNIMARC bearbeitet Fragen der internationalen Austauschformate, besonders von UNIMARC, Büro in Lissabon Fachlich ist die IFLA in acht Abteilungen (Divisions) und 48 Sektionen (Sections) gegliedert. Abteilung 1: General Research Libraries Sektionen: 1. National Libraries 2. Academic and Research Libraries 3. Library and Research Services for Parliaments Diskussionsgruppe: Quality Issues in Libraries (2005-2006) Abteilung 2: Special Libraries Sektionen: 4. Government Libraries 5. Social Science Libraries 6. Geography and Maps Libraries 7. Science and Technology Libraries 28. Health and Biosciences Libraries 30. Art Libraries 37. Genealogy and Local History 48. Law Libraries Diskussionsgruppe: Agricultural Libraries (2006, 2007) 10 Abteilung 3: Libraries Serving the General Public Sektionen: 8. Public Libraries 9. Libraries Serving Disadvantaged Persons 10. Libraries for Children and Young Adults 11. School Libraries and Resource Centres 31. Libraries for the Blind 32. Library Services to Multicultural Populations 46. Metropolitan Libraries Diskussionsgruppe: Public Libraries and Democratic Processes (2005-2006) Abteilung 4: Bibliographic Control Sektionen: 12. Bibliography 13. Cataloguing 29. Classification and Indexing 47. Knowledge Management Arbeitsgruppen: Functional Requirements of Authority Numbering and Records (FRANAR) Functional Requirements for Subject Authority Records (FRSAR) Abteilung 5: Collection and Services Sektionen: 14. Acquisition and Collection Development 15. Document Delivery and Interlending 16. Serials and Other Continuing Resources 39. Newspapers 17. Government Information and Official Publications 18. Rare Books and Manuscripts 36. Reference Works Abteilung 6: Management and Technology Sektionen: 19. Preservation and Conservation 20. Library Buildings and Equipment 21. Information Technology 22. Statistics and Evaluation 34. Management and Marketing 35. Audiovisual and Multimedia 40. Management of Library Associations Diskussionsgruppe: New Professionals (2005-2006) 11 Abteilung 7: Education and Research Sektionen: 23. Education and Training 24. Library Theory and Research 33. Reading 43. Continuing Professional Development and Workplace Learning 44. Library History 42. Information Literacy Abteilung 8: Regional Activities Sektionen: 25. Africa 26. Asia and Oceania 27. Latin America and the Caribbean Gemeinsam mit drei anderen Organisationen bildet die IFLA das International Committee of the Blue Shield (ICBS). Es setzt sich aus folgenden Organisationen zusammen: ICA ICOM ICOMOS IFLA CCAAA - - International Council on Archives International Council of Museums International Council on Monuments and Sites International Federation of Library Associations and Institutions Co-ordinating Council of Audiovisual Archives Associations Das ICBS vergibt seit 1954 das Blue Shield an Bauwerke, Museen, Archive, Bibliotheken, etc., um diese vor Angriffen bei bewaffneten Auseinandersetzungen zu schützen. Nach der Genfer Konvention ist ein Angriff oder die Zerstörung von Gebäuden, die durch das Blue Shield gekennzeichnet sind, völkerrechtlich verboten. Seinen Sitz hat das ICBS in Paris, in zahlreichen Ländern bestehen Nationalkomitees. 12 Einschätzung der IFLA - - - Auf Grund ihrer Größe und Internationalität genießt die IFLA ein hohes Ansehen und kann die Belange des Bibliothekswesens bei internationalen Organisationen mit großem Nachdruck vertreten. Die Größe der Organisation ist jedoch auch ein Problem, wenn es um das rasche Stellung nehmen zu aktuellen Problemen geht; hier arbeitet die IFLA oft sehr bürokratisch. Die Internationalität der Organisation bzw. die damit verbundenen hohen Reisekosten bewirken ein Übergewicht bei Vertretern der westlichen Welt. Stipendien und Reisekostenzuschüsse vergeben in Deutschland die DFG und der Berufsverband Information & Bibliothek. Arbeitssprachen der IFLA sind neben Englisch auch Deutsch, Französisch, Russisch und Spanisch. Die IFLA in Deutschland Die IFLA-Arbeit vor Ort wird vom Deutschen IFLA-Nationalkomitee geleistet. Das Nationalkomitee - - leistet den Transfer von Wissen, Erfahrungen und Arbeitsergebnissen aus dem internationalen Bereich der IFLA in das nationale bibliothekarische Umfeld Deutschlands und umgekehrt koordiniert und fördert das deutsche Engagement in der IFLA berät bei grundsätzlichen Fragen mit berufspolitischem Charakter hat 13 Mitglieder (große Bibliotheken und Bibliotheksverbände, zwei davon ohne Stimmrecht) hat Frau Dr. Claudia Lux, Direktorin der Zentral- und Landesbibliothek Berlin, zur Vorsitzenden hat sein Büro beim Deutschen Bibliotheksverband (dbv) / Kompetenznetzwerk für Bibliotheken KNB in Berlin http://www.ifla-deutschland.de/ European Bureau of Library Information and Documentation Associations (EBLIDA) http://www.eblida.org/ Das European Bureau of Library Information and Documentation Associations ist - der Dachverband für nationale Berufsverbände aus dem BID-Bereich eine non-profit-, non-governmental-Organisation eine Vertretung der inhaltlichen und berufspolitischen Belange des BID-Bereichs auf europäischer Ebene zuständig für die Koordination und dient zugleich als Plattform zur Kooperation bei europäischen Projekten Veranstalter von Workshops, Konferenzen und Fortbildungen Zentrale Arbeitsfelder der EBLIDA: - Vertretung des BID-Bereichs auf allen Ebenen der EU (Europäische Kommission, Europäisches Parlament, Ministerrat, ...) - Konzeption der Europäischen Informationsgesellschaft (Projekt i2010) 13 - freier Zugang zu Information Copyright- bzw. Urheberrechtsfragen Projekte zum europäischen Kulturerbe Die EBLIDA ist nicht wie die IFLA in Abteilungen und Sektionen gegliedert, es vertritt das europäische Bibliothekswesen jedoch in den internationalen Arbeitsbereichen - IPRS Intellectual Property Rights / Recht am geistigen Eigentum - GATS General Agreement on Trade in Services / Allgemeines Abkommen über den Handel mit Dienstleistungen (bei der WTO, Welthandelsorganisation) - Professional Education / Fachliche Ausbildung - SCCR Standing Committee on Copyright and Related Rights / Ständiger Ausschuss für Urheberrechte und verwandte Rechte - WIPO World Intellectual Property Organization / Weltorganisation für geistiges Eigentum Mitverfolgt werden auch die Themenfelder - Kultur / kulturelles Erbe - lebenslanges Lernen Die EBLIDA besteht aus drei Gremien: a) dem Rat (Council) b) dem Leitungsausschuss (Executive Committee) c) dem Sekretariat (Secretariat) Der Rat - besteht aus den Repräsentanten der Vollmitglieder (mit Stimmrecht) und der assoziierten Mitglieder (ohne Stimmrecht) - entscheidet über die Struktur der Organisation - legt die politischen Richtlinien und Zielsetzungen der Organisation fest Der Vollzugsausschuss - in dieses Gremium können alle Vollmitglieder gewählt werden - gewählt wird alle zwei Jahre - das Gremium besteht aus zehn Personen - den Vorsitz führt der Präsident - dieses Gremium leistet die Facharbeit und ist für die inhaltlichen Aspekte der Programmdurchführung verantwortlich Das Sekretariat - hat seinen Sitz in Den Haag - führt die Beschlüsse des Rates und des Vollzugsausschusses aus - leistet die Verwaltungsaufgaben der Organisation Formen der Mitgliedschaft - Vollmitglieder • Berufsverbände aus Mitgliedstaaten der EU auf nationaler Ebene aus dem BID-Bereich • Institutionen bzw. Organisationen aus den Mitgliedstaaten der Europäischen Union - Assoziierte Mitglieder • vergleichbare Organisationen aus Nicht-EU-Ländern • andere Organisationen, Institutionen und Bibliotheken 14 - daneben gibt es zwei Arten von Sponsoren • basic sponsorship • patron sponsorship Einschätzung Die Arbeit im europäischen Rahmen ist für Bibliotheken in Deutschland oft relevanter als die weltweiten Aktivitäten der IFLA: internationale Kooperation findet meist mit europäischen Partnern statt Fördergelder werden oft von der EU bewilligt häufig bildet die gemeinsame europäische Kultur einen sinnvollen Arbeitszusammenhang Auf Grund der Beschränkung auf europäische Themen und körperschaftliche Mitglieder hat die EBLIDA ein Schwergewicht auf der Lobbyarbeit. Ligue des Bibliothèques Européennes de Recherche (LIBER) http://www.kb.dk/liber Die Ligue des Bibliothèques Européennes de Recherche - ist eine Vereinigung von Wissenschaftlichen Bibliotheken Europas wurde 1971 gegründet hat Mitglieder aus 30 Ländern (EU- und Nicht-EU-Länder) fördert die Zusammenarbeit mit der EU, der IFLA und den nationalen Bibliotheksverbänden ist eine non-profit-und non-governmental-Organisation Ziele und Aufgaben von LIBER - LIBER vertritt und fördert die Interessen der Wissenschaftlichen Bibliotheken in Europa - hilft den Bibliotheken, ein funktionierendes Netzwerk aufzubauen - hilft, das kulturelle Erbe Europas zu bewahren - bemüht sich, den Zugang zu den Beständen der europäischen Bibliotheken zu verbessern - bemüht sich, effiziente Informationsdienste aufzubauen Auch LIBER bearbeitet einige aktuelle übergeordnete Themenfelder, u.a. - Zeitschriftendigitalisierung - Open Access - MARC-Harmonisierung - Urheberrechte Daneben gibt es jedoch auch vier dauerhafte Fachabteilungen (Professional Divisions): - Erschließung und Benutzung - Bestandsaufbau - Bestandserhaltung - Bibliotheksmanagement und -verwaltung 15 Die organisatorischen Gremien von LIBER sind - die Mitgliederversammlung - der Vorstand (evtl. auch Ständige Ausschüsse bzw. Ausschüsse für besondere Aufgaben) - die Fachabteilungen (gegebenenfalls weitere Expertengruppen) Die Mitgliederversammlung - wird durch alle institutionellen LIBER-Mitglieder gebildet - wählt den Präsidenten, den Vorstand und die Vorsitzenden der Fachabteilungen - bestimmt über die Satzung - tagt einmal im Jahr Der Vorstand - besteht aus elf Mitgliedern - leitet alle Aktivitäten von LIBER - wird vom Präsidenten geleitet - kann bei Bedarf Ständige Ausschüsse und Ausschüsse für besondere Aufgaben einsetzen Die Fachabteilungen - jede der vier Fachabteilungen (Erschließung und Benutzung, Bestandsaufbau, Bestandserhaltung sowie Bibliotheksverwaltung) ist für die jeweilige Facharbeit verantwortlich - jede Fachabteilung wird von einem Vorsitzenden, einem Sekretär und drei Mitgliedern geleitet - Wahlen zu den Fachabteilungen finden alle zwei Jahre statt, die Arbeitsprogramme umfassen fünf Jahre - jede Fachabteilung kann bei Bedarf Expertengruppen einberufen Einschätzung - Mehr als andere Institutionen, die sich stärker auf die Lobbyarbeit und auf berufspolitische Ziele festlegen, fördert LIBER durch die Koordination einzelner Bibliotheken zahlreiche innovative Projekte. - LIBER konzentriert sich vollständig auf das Bibliothekswesen, weitere Organisationen des Informationsbereichs werden nicht berücksichtigt. - Die Hauptzielgruppen von LIBER sind National- und Universitätsbibliotheken. Bibliothek und Information International (BI-I) http://www.goethe.de/wis/bib/prj/bii/deindex.htm Bibliothek und Information International - ist eine Sektion des BID (Bibliothek & Information Deutschland) - koordiniert und unterstützt den internationalen Wissenstransfer auf bilateraler und multilateraler Ebene - fördert Auszubildende und Berufsanfänger im Bibliotheksbereich Die wichtigsten Arbeitsinstrumente von BI-I sind: - Entsendung deutscher Experten zu Fachaufenthalten im Ausland - Einladung ausländischer Experten zu Fachaufenthalten in Deutschland - Förderung des beruflichen Nachwuchses durch Auslandsaufenthalte - Organisation von Studienreisen innerhalb der Bundesrepublik und in das Ausland - Unterstützung von internationalen Workshops und Konferenzen 16 Wichtige Informationen zur Bibliotheksarbeit im Ausland finden sich auf der Website von BI-I vor allem unter den Punkten: - - - Berichte Hier finden sich zahlreiche Berichte über Fachaufenthalte im Ausland für 38 Länder. Diese Berichte sind zwar sehr subjektiv, dennoch bieten sie eine gute Einstiegsquelle zum Bibliothekswesen anderer Länder. Projekte Hier finden sich Informationen zu internationalen Bibliotheksstipendien und weitere Angebote von BI-I. Nachwuchs Hier finden sich wichtige Informationen zu internationalen Austauschprogrammen und zu Studien im Ausland. Einschätzung - BI-I arbeitet sehr projekt- und personenbezogen und ist daher zwar keine systematische, aber dennoch eine hervorragende und immer aktuelle Anlaufstelle für Informationen über das Bibliothekswesen anderer Länder. - BI-I führt eigene Auslandsprogramme durch und vermittelt Auslandseinsätze gerade auch für Berufsanfänger. Kompetenznetzwerk für Bibliotheken (KNB) http://www.knb.bibliotheksverband.de/ Das KNB wird von der Kultusministerkonferenz geführt und hat seine Zentrale beim dbv (daneben existieren weitere dezentrale Büros). Es erledigt überregionale Aufgaben des Bibliothekswesens, vor allem: - Deutsche Bibliotheksstatistik - Normenausschuss - Bibliotheksindex - Fortbildungsportal - Informationsportal Bibliothek - Internationale Kooperation - Internationale Kooperation / EU-Beratungsstelle Die Internationale Kooperation bemüht sich vor allem darum - internationalen Wissenstransfer durchzuführen - Innovation im Bibliothekswesen zu fördern - die Interessenvertretung der Bibliotheken im globalen Kontext wahrzunehmen - die internationale Zusammenarbeit zu fördern Die wichtigsten Elemente der Arbeit sind folgende Angebote: - individuelle Beratung - Best-Practice-Berichte - Informationen zur ausländischen Bibliothekspolitik (z.B. Gesetze, Entwicklungspläne, Steuerungseinrichtungen, ...) - Länderberichte (aus derzeit 56 Ländern) - Verzeichnis aktueller Themen zum ausländischen Bibliothekswesen 17 Internationale Kooperation / EU-Beratungsstelle - berät Bibliotheken über die oft sehr komplexen, aber zahlreichen Fördermöglichkeiten auf EU-Ebene - fungiert für das deutsche Bibliothekswesen als EUBAM-Sekretariat (Europäische Angelegenheiten für Bibliotheken, Archive, Museen und Denkmalpflege) - unterstützt deutsche Bibliotheken bei der Antragstellung und Durchführung von Projekten - hilft deutschen Bibliotheken bei der Vermittlung ausländischer Projektpartner Einen guten Überblick über die nationalen und europäischen Fördermöglichkeiten gibt das digital library forum. http://www.dl-forum.de Bedeutend sind vor allem: - 7. Forschungsrahmenprogramm (allgemein 2007-2013, 50 Mrd. Euro) http://www.forschungsrahmenprogramm.de/ - i2010 Europäische Informationsgesellschaft (Innovationen der Informationsgesellschaft) http://ec.europa.eu/information_society/eeurope/i2010 - eContent plus (Zugriff und Nachhaltigkeit digitaler Ressourcen) http://ec.europa.eu/information_society/activities/econtentplus - Culture 2000 (auch Programme für die Folgejahre, vor allem für Öffentliche Bibliotheken) http://ec.europa.eu/culture/eac/index_en.html - eTen (für elektronische Dokumente on demand) http://ec.europa.eu/information_society/activities/eten - Europäische Strukturfonds (für Bibliotheken in strukturschwachen Regionen) http://ec.europa.eu/regional_policy/funds/prord/sf_de.htm Einschätzung - KNB – Internationale Kooperation bietet eine sehr gute Informationsmöglichkeit über Techniken, Innovationen und aktuelle Entwicklungen im ausländischen Bibliothekswesen - KNB – Internationale Kooperation / EU-Beratung hier können sich Bibliotheken beraten und betreuen lassen, die sich in der Hoffnung auf europäische Fördergelder von den hohen Ansprüchen der Europäischen Union nicht schrecken lassen (große Projekte, lange Verfahrens- und Antragszeiten, mindestens vier internationale Partner, Stellung eines Eigenanteils, ...) 18 Österreich Grundlagen Historische Entwicklung Österreich Österreich bietet in seiner historischen Entwicklung (vor und nach dem 1. Weltkrieg) zwei völlig verschiedene Gesichter, die sich auch auf das heutige Bibliothekswesen auswirken, zumindest in den Beständen der österreichischen Bibliotheken. Österreich heute: - Bundesstaat bestehend aus neun Bundesländern Amtssprache Deutsch (Regionale Amtssprachen sind Kroatisch, Slowenisch, Ungarisch) 83.854 Quadratkilometer 8,22 Millionen Einwohner Bruttoinlandsprodukt 37.117 USD pro Einwohner Österreich vor 1918: Bis zum Ende des 1. Weltkrieges war Österreich der zentrale Teil der Habsburger Monarchie (mit Wien als Hauptstadt). - - - Vielvölkerstaat (umfasste neben dem deutschsprachigen Österreich auch die Gebiete von Böhmen, Mähren, Slowakei, Ungarn, Slowenien, Kroatien, Teile von Norditalien, Polen, der Ukraine, von Serbien und Rumänien) entsprechend vielfältig waren die Sprachen im Reich der Habsburger, im 19. Jahrhundert wurden Werke in 14 und mehr Sprachen gedruckt; nur eine Minderheit von ca. einem Drittel der Bevölkerung sprach Deutsch 676.615 Quadratkilometer (gegen 83.000 heute) 51,4 Millionen Einwohner (gegen 8,22 Millionen heute) 19 Rechtliche Grundlagen - - Es gibt in Österreich kein Bibliotheksgesetz, stattdessen sind einschlägige Bestimmungen in einer Reihe von Rechtsnormen enthalten (vergleichbare Situation wie in Deutschland). Es besteht eine Pflichtablieferung (seit 1624 durch ein Patent Ferdinands II., das die Ablieferung von Pflichtexemplaren für alle im Reich [!] gedruckten Bücher anordnete). In der heutigen Form stammt das Pflichtexemplarrecht aus dem Jahre 2000 und sieht eine Ablieferung von 2 Exemplaren, bei Periodika 4 Exemplaren an die Österreichische Nationalbibliothek vor. Darüber hinaus erfolgt eine regionale Ablieferung. Das Wissenschaftliche Bibliothekswesen in Österreich Während das (nationale) Bibliothekswesen Österreichs im Mittelalter und in der frühen Neuzeit stark von kirchlichen Institutionen geprägt war, ging mit den einschneidenden Veränderungen Ende des 18. Jahrhunderts die Verantwortlichkeit für das Bibliothekswesen auf den Staat über. Wichtige Stationen in diesem Prozess sind: - 1773 Auflösung des Jesuitenordens - ab 1782 Klosterauflösungen unter Joseph II. (Josephinismus) - 1803 Säkularisierung und Neuordnung des Heiligen Römischen Reichs Deutscher Nation (Reichsdeputationshauptschluss) - 1804 Gründung des österreichischen Kaiserreiches - 1806 Auflösung des alten Reiches (Abdankung Kaiser Franz II.) Gliederung des Wissenschaftlichen Bibliothekswesens in Österreich a) b) c) d) e) Österreichische Nationalbibliothek Wien Landesbibliotheken Hochschulbibliotheken Spezialbibliotheken Klosterbibliotheken a) Österreichische Nationalbibliothek Wien (ÖNB) http://www.onb.ac.at Geschichte: - 1368 wird als Gründungsjahr der Bibliothek betrachtet, aus diesem Jahr stammt der „Gründungskodex“ der kaiserlichen Bibliothek, ein Evangeliar Albrechts III. - 1440 lässt Kaiser Friedrich III. 110 wertvolle Werke in die Wiener Neustadt bringen, darunter das böhmische Erbe mit der Wenzelsbibel. - 1500 Kaiser Maximilian I. steht mit vielen Gelehrten in Verbindung, ist auch persönlich sehr bibliophil veranlagt und literarisch gebildet (eigene Buchprojekte von Maximilian I. sind der „Theuerdank“ und der „Weißkunig“); er erweitert die Bibliothek systematisch. - 1504-1608 zahlreiche Gelehrtennachlässe erweitern die Bibliothek, die sich zu dieser Zeit im Innsbrucker Minoritenkloster befindet. - 1624 Kaiser Ferdinand II. erlässt ein Patent zur Pflichtablieferung - 1665 Die Bibliothek wird nach Wien verlegt 20 - - 1723-1726 Kaiser Karl IV. lässt am heutigen Josephsplatz einen Bibliotheksbau nach den Plänen von Johann Bernhard Fischer von Erlach errichten 1730 die Bibliothek bezieht den Neubau, bis ins 19. Jahrhundert beherbergt der Prunksaal die gesamten Bestände (Drucke, Handschriften, Globen etc.), nach wie vor hat die Hofbibliothek stark repräsentative Zwecke 1800-1900 Gründung von einzelnen Sammlungen zur besseren Verwaltung der verschiedenen Bestandsgruppen 1919 Übernahme der kaiserlichen Bibliothek in die Staatsverwaltung 1920 Umbenennung von „Wiener Hofbibliothek“ in „Österreichische Nationalbibliothek“ Seit 1. Januar 2002 besitzt die Österreichische Nationalbibliothek die Vollrechtsfähigkeit (dies umfasst z.B. die eigenverantwortliche Mittelbewirtschaftung in allen Bereichen). Zahlen und Daten: Gesamtbestand 2006 Davon Bücher und laufende Werke Laufende Zeitschriften Lesesaalbesucher Benutzte Dokumente 7,719 Millionen Medieneinheiten 3,45 Millionen 11.296 246.000 542.000 Aufgaben, Funktionen und Organisation: Als Nationalbibliothek sind vor allem folgende Aufgaben von zentraler Bedeutung für die Österreichische Nationalbibliothek: - Sammlung und Archivierung von allen Austriaca (Literatur aus und über Österreich), Hochschulschriften der österreichischen Universitäten - Erschließung und Bereitstellung der Bestände vor Ort als Präsenzbibliothek - Herausgabe der Österreichischen Bibliographie - Sammlung der zentralen wissenschaftlichen Literatur des Auslandes - Pflege des herausragenden Altbestandes sowie der Sonderbestände - Der Generaldirektion unterstehen drei Hauptabteilungen (Bestandsaufbau und Bearbeitung, Benutzung und Information sowie Personal-, Finanz- und Rechnungswesen); hinzukommen die unten aufgeführten Sammlungen und weitere Aufgabengebiete. - Ausbildung und Fortbildung Wichtige Sondersammlungen Österreichischen Nationalbibliothek: Die bedeutenden Sonderbestände der Österreichischen Nationalbibliothek sind heute in zehn so genannten „Sammlungen“ organisiert: http://www.onb.ac.at/sammlungen Bildarchiv - mit mehr als eineinhalb Millionen Objekten Österreichs größte Bilddokumentationsstelle - Kernstück bilden über eine Million Fotonegative (Porträts, Architekturfotographie, zeithistorische Dokumente, Alltagsbilder und künstlerische Aufnahmen) - die Graphische Sammlung umfasst mehr als 500.000 Druckgraphiken, Aquarelle und Zeichnungen (16. bis 20. Jahrhundert) sowie die sogenannte Fideikommissbibliothek (die ehemalige kaiserliche Familienbibliothek) Flugblätter-, Plakate- und Exlibris-Sammlung - ca. 330.000 Objekte (Flugblätter, Plakate, Exlibris) als Quellenmaterial zur österreichischen Geschichte und Politik, sowie zur Kunst- und Druckgeschichte - Digitales Archiv zur Revolution von 1848 21 Handschriften-, Autographen- und Nachlasssammlung - größte und bedeutendste Handschriftensammlung Österreichs - in der Signaturengruppe Autogr. (278.000) werden überwiegend Korrespondenzstücke verwahrt - erworben werden auch Nachlässe und Teilnachlässe von österreichischen Autoren und Wissenschaftlern sowie Vertretern von Politik, Kultur, Religion und Kunst Österreichisches Literaturarchiv - sammelt literarische Vor- und Nachlässe österreichischer Autorinnen und Autoren ab dem 20. Jahrhundert (insbesondere ab 1945) und stellt sie für die wissenschaftliche Bearbeitung zur Verfügung - das Literaturarchiv ist die jüngste Sammlung der Österreichische Nationalbibliothek Kartensammlung und Globenmuseum - einziges Globenmuseum der Welt - Umfang gegenwärtig ca. 260.000 Karten, 240.000 geographisch-topographische Ansichten (Veduten), 380 Globen, etc. Musiksammlung - Österreichs größtes Musikarchiv - ca. 51.000 Musikhandschriften, 130.000 Musikdrucke, 8000 Textbücher, 22.000 Tonträger, etc. Papyrussammlung und Papyrusmuseum - geht auf eine private Sammlung zurück und ist mit ca. 180.000 Objekten die größte Sammlung der Welt - das Material stammt hauptsächlich aus Ägypten (es erfasst Stücke vom 15. Jh. v. Chr. bis ins 16. Jh. nach Chr.) - als Beschreibmaterialien sind neben Papyrus auch Pergament, Papier, Ton (u.a. Ostraka), Leder, Holz, Wachstafeln, Stein, Knochen und Textilien vertreten Sammlung für Plansprachen und Esperantomuseum - beherbergt die weltweit größte linguistische Sammlung für Plansprachen - die Sammlung ist Museum, Bibliothek und Dokumentationsstelle in einem Sammlung von Inkunabeln, alten und wertvollen Drucken - insgesamt über eine halbe Million Bände (zählt weltweit zu den fünf größten Sammlungen ihrer Art) - Besonderheiten sind eine Gutenberg-Bibel, zahlreiche historische Zeitungen und Zeitschriften sowie eine wertvolle Einbandsammlung Archiv des österreichischen Volksliedwerkes - enthält Dokumente musikalisch-poetischer Art (Tondokumente, Handschriften, Drucke, …) - nicht im Gebäude der Österreichischen Nationalbibliothek untergebracht, sondern im Gebäude des Dachverbandes der Volksliedwerke der österreichischen Bundesländer b) Landesbibliotheken in Österreich - - Landesbibliotheken gibt es für alle neun österreichischen Bundesländer. Ihre Aufgabenstellung entspricht recht genau derjenigen der deutschen Landes- und Regionalbibliotheken, d.h. vor allem Sammeln, Erschließen und Bereitstellen der Medien aus und über die Region. Einige bieten auch erhebliche Altbestände bzw. Spezialsammlungen (z.B. Wiener Stadt- und Landesbibliothek). 22 - Im Zusammenhang der österreichischen Landesbibliotheken sollte auch die FriedrichTessmann-Bibliothek in Bozen/Südtirol erwähnt werden. Die österreichischen Bundesländer B Burgenland / Eisenstadt K Kärnten / Klagenfurt NÖ Niederösterreich / St. Pölten OÖ Oberösterreich / Linz S Salzburg / Salzburg St Steiermark / Graz T Tirol / Innsbruck (mit der Exklave Osttirol, bis 1918 durch Südtirol verbunden) V Vorarlberg / Bregenz W Wien / Wien (vgl. zu den Abkürzungen auch die Karte am Anfang des Kapitels) Die österreichischen Landesbibliotheken Burgenländische Landesbibliothek Eisenstadt (1922) http://www.burgenland.at/kultur/landesbibliothek Kärntner Landesbibliothek Klagenfurt http://www.landesmuseum-ktn.at/Bibliothek/bibliothekfr.html Niederösterreichische Landesbibliothek (St. Pölten) http://www.noel.gv.at/service/k/k3/opac.htm Oberösterreichische Landesbibliothek Linz http://www.landesbibliothek.at/ Universitäts- und Landesbibliothek Salzburg http://www.uni-salzburg.at/bibliothek Steiermärkische Landesbibliothek Graz (1811) http://www.verwaltung.steiermark.at/cms/ziel/22432/DE/ Tiroler Landesbibliothek an der Universitätsbibliothek http://www.uibk.ac.at/ub/landesbibliothek/landesbibliothek.html Vorarlberger Landesbibliothek Bregenz (1977) http://www.vorarlberg.at/vlb/ Wiener Stadt- und Landesbibliothek (1813) http://www.wienbibliothek.at/ Die österreichischen Landesbibliotheken verfügen über einen Katalogverbund, dem zwar noch nicht alle Bibliotheken angehören, der jedoch auch externe Spezialsammlungen enthält. Derzeit enthält der Katalogverbund der österreichischen Landesbibliotheken rund 3,5 Millionen Titeldaten. http://www.landesbibliotheken.at 23 c) Die österreichischen Hochschulbibliotheken Die wichtigsten österreichischen Universitäten: - Universität Wien (gegr. 1364) Universität Graz (gegr.1585/1827) Universität Salzburg (gegr. 1622/1962) Universität Innsbruck (gegr. 16691826) Universität Linz (gegr. 1965) Insgesamt gibt es 17 Universitäten in Österreich; die Universitäten von Wien, Graz, Salzburg und Innsbruck gehen auf das Mittelalter bzw. die frühe Neuzeit zurück. Im 19. Jahrhundert wurden neben den Wiedergründungen die Technischen Universitäten Wien, Leoben und Graz gegründet. Wie in Deutschland waren auch in Österreich die 60er Jahre eine wichtige Zeit für den Ausbau der Hochschulen. Die meisten Universitäten und Hochschulen Österreichs sind in Wien ansässig. Die österreichischen Hochschulbibliotheken - - - Struktur und Aufbau der Universitätsbibliotheken in Österreich ähneln denen in Deutschland. Seit 1994 gibt es mit der Donau-Universität Krems eine Hochschule für den post-gradualen Bereich. Mit dem Universitätsgesetz von 2002 haben die Universitäten größtmögliche Autonomie erlangt. Sorgen, die Universitätsbibliotheken könnten mit Rechenzentren oder anderen zentralen Abteilungen fusioniert werden, erwiesen sich als unbegründet. Die Fachhochschulbibliotheken sind in der Regel kleine Sammlungen für die über 90 Studiengänge an 22 Standorten. Sie übernehmen ähnliche Aufgaben wie die FHBibliotheken in Deutschland. Die Universitätsbibliothek Wien http://www.univie.ac.at Geschichte: - 1365 Gründung durch Rudolf IV., sie ist die älteste Universitätsbibliothek im deutschen Sprachraum - im 16. und 17. Jahrhundert nimmt der Stellenwert der Universitätsbibliothek stark ab (Hintergründe sind vor allem die Pestepidemien und die Türkenkriege); zwischenzeitlich wurde die Universitätsbibliothek von den Jesuiten verwaltet, dann wurden die Bestände der Hofbibliothek einverleibt - 1777 erfolgte unter Maria Theresia die Neueröffnung, die Universitätsbibliothek untersteht direkt dem Staat, nicht der Universität, dieser Rechtsstatus galt bis ins Jahr 2000! - die seit ca. 1900 auftretenden Platzprobleme führten immer wieder zu Neu- und Anbauten mit den dazugehörigen Umsiedlungen - seit 2004 gibt es an der Universität einen eigenen Bereich „Bibliotheks- und Archivwesen“ (Zusammenschluss aller Bibliotheken und Archive der Universität nach dem Universitätsgesetz von 2002) 24 Zahlen und Daten: - mit über 6,5 Millionen Bänden ist die Universitätsbibliothek eine der beiden größten Bibliotheken Österreichs - die Universitätsbibliothek führt 11.600 laufende Zeitschriften (davon ca. 3000 in der Zentralbibliothek) - 85.000 Benutzer - 11 Millionen Suchanfragen im OPAC pro Jahr - 1,1 Millionen entliehene Bücher pro Jahr Aufgaben und Organisation: - die Universitätsbibliothek besteht aus rund 50 Teilbibliotheken (Fakultäts- und Institutsbibliotheken), die über die gesamte Stadt verteilt sind - die Universitätsbibliothek hat das Pflichtexemplarrecht für Wien, Niederösterreich und das Burgenland - sie hat den Sammelauftrag für alle an der Universität gelehrten Fächer - darüber hinaus kümmert sie sich um die Pflege und die Erschließung der historischen Bestände - sie beteiligt sich an nationalen und internationalen Kooperationen Wichtige Projekte der Universitätsbibliothek - Digitalisierung on Demand (hierbei werden nicht ganze Bestandsgruppen, sondern die jeweils gewünschten Bände digitalisiert) - Provenienzforschung (sie dient vor allem der Identifikation und der Rückgabe enteigneter Bücher aus jüdischen Sammlungen) - Retrokonversion (mittlerweile abgeschlossen) - Erfassung von „Sammlungen“ d) Spezialbibliotheken - - Wie in Deutschland und anderen Ländern bilden die Spezialbibliotheken eine sehr heterogene Gruppe (Bibliotheken wissenschaftlicher Einrichtungen, von Behörden und Firmen, etc.) mit Aufgaben, Strukturen und Arbeitsabläufen wie in Deutschland. Für Physik (jetzt zur Uni Wien) und Medizin (Universitätsbibliothek für Medizin) existieren zwei zentrale Fachbibliotheken. 1996 wurde das Österreichische Literaturarchiv als eigenständige Abteilung der Österreichischen Nationalbibliothek gegründet und sammelt vor allem Archivalien zur Literatur des 20. Jahrhunderts. Das Literaturarchiv bildet damit eine Spezialsammlung innerhalb einer Universalbibliothek. http://www.onb.ac.at/sammlungen/litarchiv/ e) Klosterbibliotheken - Die Anfänge der Klosterbibliotheken auf dem Gebiet des heutigen Österreich reichen bis ins 8. Jahrhundert zurück. Die Bibliothek des um 700 durch Rupert von Worms gegründeten Klosters St. Peter in Salzburg zählt zu den ältesten bis heute bestehenden Büchersammlungen der Welt. Die größte Klosterbibliothek ist die des 1114 gegründeten Augustiner-Chorherrenstifts Klosterneuburg. Entsprechend der Konfessionsstruktur des Landes (88% Katholiken) spielen die evangelischen Büchersammlungen nur eine geringe Rolle. Teilweise wurden sie im Zuge der Gegenreformation zerstreut. 25 - - Die Klosterbibliotheken Österreichs sind vor allem für ihre bedeutenden (meist barocken) Bibliothekssäle (Admont, Göttweig, Melk) bekannt, bis heute verwalten die Klosterbibliotheken sehr oft herausragende Altbestände, besonders im Bereich der Handschriften und Inkunabeln. Trotz der Josephinischen Reformen und den damit verbundenen Klosteraufhebungen am Ende des 18. Jahrhunderts haben viele Klöster mit ihren Bibliotheken bis in die Gegenwart überdauert. Eine aktuelle Übersicht der österreichischen Klosterbibliotheken führt 95 Bibliotheken auf: http://www.klosterbibliotheken.at/ Das Öffentliche Bibliothekswesen in Österreich - - - - - Die Wurzeln des Öffentlichen Bibliothekswesens in Österreich liegen – ähnlich wie in Deutschland – in den Jahren von 1840 bis 1920 in der Volksbüchereibewegung. Von Wien ausgehend gab es eine Vielzahl von Initiativen von Volksbildungs-, Lese- und Büchereivereinen. Heute hat das Öffentliche Bibliothekswesen in Österreich einen sehr hohen Stand erreicht. Zu den kommunalen Bibliotheken kommt ein dichtes Netz von kirchlichen Bibliotheken (1928 wurde der österreichische Borromäusverein nach dem deutschen Muster gegründet und 1947 wieder ins Leben gerufen). Durch die wichtige Rolle der Arbeiterbewegung und der katholischen Kirche gibt es bis heute nur eine relativ geringe Anzahl kommunaler Bibliotheken (nur etwa die Hälfte der heute ca. 2.500 Öffentlichen Bibliotheken werden von den Kommunen betrieben). Nur ein sehr geringer Teil der Öffentlichen Bibliotheken (knapp 6%) werden von ausgebildetem Fachpersonal betreut, dies vor allem in den größeren Bibliotheken der Großstädte, die auch die Hauptlast der Entleihungen tragen. In ländlichen Gebieten gibt es eine Vielzahl Klein- und Kleinstbibliotheken. Struktur und Aufgabenstellung der österreichischen Öffentlichen Bibliotheken entsprechen den Einrichtungen in Deutschland. Um die Behebung der deutlichen Defizite (starkes Gefälle Stadt-Land, keine flächendeckende Versorgung) bemüht sich der Büchereiverband Österreichs (BVÖ), der Dachverband aller Öffentlichen Bibliotheken, außerdem finanziert die Bundesregierung Büchereistellen, die in ihrer Funktionalität den deutschen Landesfachstellen entsprechen). Kooperationen und zentrale Einrichtungen a) Bestandsaufbau Im konventionellen Bereich gibt es keine abgestimmte Erwerbung, für die Erwerbung elektronischer Publikationen haben sich allerdings Konsortien gebildet. b) Erschließung Die weitgehend einheitliche Regelverwendung (RAK und RSWK) hat den Aufbau des Online-Gesamtkatalogs des Österreichischen Bibliothekenverbundes erleichtert. http://meteor.bibvb.ac.at/F?func=file&file_name=start&local_base=acc01 Nahezu alle bedeutenden österreichischen Bibliotheken nehmen an diesem Gesamtkatalog teil (derzeit 69 teilnehmende Bibliotheken, 4,6 Millionen Titeldaten, 8,7 Millionen Bestandsnachweise), der auch in den Karlsruher Virtuellen Katalog und in den Dreiländerkatalog integriert ist. 26 c) Benutzungsdienste Wie in Deutschland existieren ein landesweiter Leihverkehr und Dokumentenlieferdienste. d) Arbeitsgemeinschaft der Bibliotheksdirektoren Sie vereinigt die Direktoren der Bundesuniversität Krems, der 21 Universitäten in Landesträgerschaft und der Österreichischen Nationalbibliothek. http://www.uibk.ac.at/voeb/arge-dir Berufsvereinigungen Die wichtigste Berufsvereinigung ist die 1896 gegründete Vereinigung Österreichischer Bibliothekarinnen und Bibliothekare (VÖB) mit über 1000 Mitgliedern aus allen Laufbahnen des Wissenschaftlichen Bibliothekswesens. Ihre wesentlichen Tätigkeitsfelder bestehen in: - Förderung des Bibliothekswesens in Österreich Interessensvertretung der Mitglieder Fortbildung (Österreichischer Bibliothekartag) Sacharbeit in einzelnen Fachkommissionen gemeinsam mit der Österreichischen Nationalbibliothek Herausgabe der Zeitschrift „Biblos“ und der Reihe „Biblos-Schriften“ http://www.uibk.ac.at/voeb/ 1966 wurde an der Österreichischen Nationalbibliothek das Österreichische Institut für Bibliotheksforschung mit der Aufgabe gegründet, das Bibliothekwesen in Österreich voranzutreiben (vergleichbare Aufgabenstellung wie das DBI in Deutschland, es existiert heute in dieser Form allerdings nicht mehr). 1971 richtete das Bundesministerium für Wissenschaft und Verkehr den Arbeitskreis für Bibliotheksreform ein. Bibliothekarische Aus- und Fortbildung in Österreich - - - Der wichtigste Weg der bibliothekarischen Ausbildung ist die berufsbegleitende Ausbildung (Ausbildung im Dienststand), die für alle Laufbahnen angeboten wird. Ein Ausbildungslehrgang umfasst 27 Wochen mit fünf Wochen Praxisphase (hD) bzw. 20 Wochen mit vier Wochen Praxisphase (gD) sowie 40 Wochen Trainings- und Spezialisierungsphasen. Daneben gibt es Universitäts- und Fachhochschulstudiengänge für Library and Information Studies (LIS), sie umfassen vier Semester inklusive einer Master-Arbeit. Wichtigster Ausbildungsort ist die Fachhochschule in Eisenstadt (Burgenland). http://www.fh-burgenland.at Die wichtigsten Anbieter von Fortbildung sind die Österreichische Nationalbibliothek (mit einem eigenen Referat) und die VÖB. 27 Die Schweiz Grundlagen Die Schweiz bildet weder geographisch noch ethnisch, sprachlich, kulturell oder religiös eine Einheit – sie versteht sich gerade im Gegenteil als „Willensnation“ mit gemeinsamen Mythen (Rütlischwur 1291) und gemeinsamen politischen Überzeugungen (Föderalismus, starke Bürgerrechte, Neutralität). - in ihrer heutigen Form besteht die Schweiz seit 1848, sie umfasst 26 Kantone 7,5 Millionen Einwohner (41% katholisch, 40% evangelisch) mit 41.285 Quadratkilometer ein sehr kleines europäisches Land mit einem Bruttoinlandsprodukt von 52.880 USD pro Einwohner ist die Schweiz eines der wirtschaftsstärksten Länder der Welt Geographisch weist der Norden des Landes zahlreiche Seen (Tal der Rhone) auf, der Süden ist von der Alpenhauptkette geprägt, die allerdings von wichtigen Fernverkehrsverbindungen durchquert wird (Gotthard, Brenner). Die Kantone der Schweiz 28 Die sprachliche Gliederung der Schweiz - - „Die Landessprachen der Schweiz sind Deutsch, Französisch, Italienisch und Rätoromanisch“ (Artikel 4 der Bundesverfassung von 1999). Die Amtssprachen sind zwar nur Deutsch, Französisch und Italienisch, aber im Verkehr mit Personen der rätoromanischen Sprache wird auch Rätoromanisch zur Amtssprache. Die meisten Schweizer sprechen neben ihrer Muttersprache allenfalls eine oder zwei weitere Landessprachen oder auch Englisch. Wirklich viersprachig ist nur der Bundesstaat als Institution (jeder Bürger hat das Recht, sich in jeder Landessprache an die eidgenössische Verwaltung zu wenden und in dieser Sprache eine Antwort zu erhalten). Diese Mehrsprachigkeit gilt nicht für die Kantons- und Gemeindeebene, hier gilt das Territorialprinzip. Die sprachliche Gliederung der Schweiz Prozentuale Verteilung der Sprachen Deutsch Französisch Italienisch Rätoromanisch Jenisch 63,7% 20,4% 6,5% 0,5% 0,5% (nicht örtlich gebunden) Der Einfluss der Aufklärung - Der Einfluss der Aufklärung auf das Bibliothekswesen der Schweiz war sehr groß. Vor allem in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts bemühten sich die Aufklärer, die Bevölkerung an das Lesen heranzuführen. 29 - - - Es entstanden zunächst einzelne Bibliotheken in der deutschen und französischen Schweiz, dann auch Lesegesellschaften (auch in kleineren Orten), die als Vorschule der Demokratie begriffen wurden. In der Zeit der Aufklärung entstanden auch die größten privaten Buchsammlungen und die Sammlungen der kantonalen Fachgesellschaften. In der Zeit der „Helvetik“ (Helvetische Republik von 1798 bis 1803 nach französischem Muster) bemühte sich der Kultusminister Philipp Albert Stapfer, das Bibliothekswesen an den Verhältnissen in Frankreich auszurichten (Nationalbibliothek, Gesamtnachweis, ...), doch der stark ausgeprägte Föderalismus verhinderte diese Entwicklung. Geblieben ist von der Aufklärung der Grundsatz, dass staatlich finanzierte Bibliotheken immer der gesamten Öffentlichkeit zur Verfügung stehen müssen und ihr dienen sollen. Druck- und Verlagswesen in der Schweiz - - - - - Die Schweiz verfügt über neun Orte, an denen bereits im 15. Jahrhundert gedruckt wurde (Basel, Sursee, Beromünster, Burgdorf, Rougemont, Promenthoux, Lausanne, Zürich und Genf). Von überregionaler Bedeutung in der Frühzeit des Druckes waren vor allem Basel (Johann Froben und Erasmus von Rotterdam) und Genf (Calvin), die allerdings vor 1500 noch nicht zur Eidgenossenschaft gehörten. Ein starker relativer Rückgang der Buchproduktion setzte im 19. Jahrhundert ein. Die sprachlich übermächtigen Nachbarn Deutschland, Frankreich und Italien marginalisierten die schweizerische Buchproduktion und ließen sie auf provinzielles Niveau absinken. In der Gegenwart gehört die schweizerische Buchproduktion im Vergleich zur Einwohnerstärke zur Spitzengruppe der buchproduzierenden Staaten (hier profitiert die Schweiz nun umgekehrt von den angrenzenden großen Märkten). Die ehemals auch in der Schweiz bestehende Buchpreisbindung wurde von der dortigen Wettbewerbskommission als nicht rechtens bewertet; dieser Auffassung stimmte Anfang 2007 das Bundesgericht in Lausanne zu, womit die Buchpreisbindung in der Schweiz aufgehoben wurde. Rechtliche Grundlagen - - - Auf Grund der Kulturhoheit der 26 Kantone gibt es keine nationale Gesetzgebung für das Bibliothekswesen. Dennoch hat der Bund über das Hochschulförderungsgesetz gewissen Einfluss auf die Hochschulbibliotheken. Nur in zwei Kantonen (Neuchâtel und Tessin) gibt es eigene kantonale Bibliotheksgesetze. Ebenso fehlt ein nationales Pflichtablieferungsrecht (dies entspricht der liberalen Grundhaltung der Schweiz), allerdings gibt es seit 1915 ein freiwilliges Abkommen zwischen der Schweizerischen Landesbibliothek und den beiden Verlegerverbänden über eine freiwillige Ablieferung. Einzelne Kantone besitzen Pflichtexemplarregelungen für ihr Gebiet. 30 Das Wissenschaftliche Bibliothekswesen in der Schweiz Gliederung des Wissenschaftlichen Bibliothekswesens der Schweiz a) b) c) d) e) Die Schweizerische Nationalbibliothek Hochschulbibliotheken Studien- und Bildungsbibliotheken, Kantonsbibliotheken Spezialbibliotheken Kirchliche Bibliotheken a) Die Schweizerische Nationalbibliothek http://www.nb.admin.ch Mit der Gründung 1895 ist die Schweizerische Nationalbibliothek (zunächst Schweizerische Landesbibliothek) eine relativ junge Bibliothek, das Gründungsjahr ist grob mit dem der Deutschen Bücherei in Leipzig zu vergleichen. Seit den 90er Jahren des 20. Jahrhunderts erfolgte eine starke Modernisierung der Bibliothek (auch baulich), 1991 erfolgte die Gründung des Schweizerischen Literaturarchivs (vergleichbar mit dem deutschen Literaturarchiv in Marbach am Neckar), 2000 erfolgte die Eröffnung des Centre Dürrenmatt in Neuchâtel. Die Schweizerische Nationalbibliothek ist die Nationalbibliothek der Schweiz und erfüllt die entsprechenden nationalbibliothekarischen Aufgaben: - - Die Schweizerische Nationalbibliothek sammelt alle Publikationen der Schweiz, alle Publikationen über die Schweiz sowie Nachlässe von schweizerischen Wissenschaftern und Schriftstellern und deren Werke. Sie gibt die Bibliographie der Schweizer Neuerscheinungen heraus („Das Schweizer Buch“ erscheint vierzehntägig, Bibliographie des schweizerischen amtlichen Schrifttums), sie betreibt auch das ISSN-Zentrum der Schweiz. Die ISBN-Agentur für die Schweiz wird vom Schweizerischen Buchhändler und Verleger-Verband (SBVV) vergeben. Trotz ihrer Stellung als Nationalbibliothek verfügt die Schweizerische Nationalbibliothek nicht über ein Pflichtexemplarrecht, sondern bezieht die schweizerischen Drucke auf Grund einer freiwilligen Abgabe der großen schweizerischen Verlegerverbände (Schweizer Buchhändlerund Verleger-Verband SBVV und Société des Libraires et Éditeurs de la Suisse romande SLESR / ASDEL). Auch schweizerische Körperschaften und Autoren, deren Publikationen außerhalb des Buchhandels erscheinen, sind gehalten, ein Exemplar an die Nationalbibliothek zu liefern. Trotz des Archivauftrages wird ein Teil der Bestände auch außer Haus verliehen. Da die Schweizerische Nationalbibliothek aufgrund der späten Gründung keinen umfassenden Altbestand besitzt, kann sie den nationalbibliothekarischen Aufgaben in diesem Bereich nicht immer gerecht werden. Dies gilt auch für die naturwissenschaftlichtechnischen Fächer, in denen die Bibliothek der Eidgenössischen Technischen Hochschule über wesentlich größere Bestände verfügt. Der genaue Sammel- und Arbeitsauftrag der Schweizerischen Nationalbibliothek ist definiert im Bundesgesetz über die Schweizerische Nationalbibliothek (SR 432.21). Bis 2006 hieß die Schweizerische Nationalbibliothek noch Schweizerische Landesbibliothek (auch in dieser Umbenennung zeigt sich eine enge Parallele mit den Verhältnissen in Deutschland). 31 Zahlen und Fakten: - Gesamtbestand von 3,85 Millionen Einheiten - 20.000 aktive Nutzer - 80.000 Ausleihvorgänge - 200.000 Zugriffe auf die Website der Bibliothek - 10.000 Benutzer in den Lesesälen, dazu noch einmal 10.000 Besucher des Centre Dürrenmatt - 118 ganze Stellen - Ausgaben von ca. 23 Millionen Schweizer Franken Sondersammlungen / Spezialbestände: Neben den nationalbibliothekarisch definierten Sammelgebieten (Helvetica) finden sich in der Schweizerischen Nationalbibliothek einige bedeutende Sondersammlungen, z.B. - Bibelsammlung Indica-Sammlung Graphische Sammlung Spezialbestände in Musik, Buchkunde, Presse und Radio Organisation: Die Schweizerische Nationalbibliothek wird vom Bund finanziert, sie ist Teil des Bundesamtes für Kultur, das zum Eidgenössischen Departement des Inneren gehört. Die Leitung erfolgt durch die Direktorin, der die Bibliothekskommission als beratendes Gremium zur Seite steht. Derzeit gliedert sich die Schweizerische Nationalbibliothek in die drei Sektionen Sammlungen, Öffentlichkeitsdienste und Sondersammlungen. b) Schweizerische Hochschulen Neben den beiden vom Bund getragenen Hochschulen der Schweiz - Eidgenössische Technische Hochschule Zürich (1855) - Ecole Polytechnique Fédérale Lausanne (1969) gibt es noch zehn weitere, überwiegend von den Kantonen finanzierte Universitäten: - Universität Basel - Universität Bern - Universität Freiburg/Schweiz - Universität Genf - Universität Lausanne - Universität Lugano - Universität Luzern - Universität Neuchâtel - Universität St. Gallen - Universität Zürich Einen Überblick über die Universitäten, Hochschulen und Pädagogischen Hochschulen der Schweiz gibt Switch (The Swiss Education and Research Network) http://www.switch.ch/de/edu/educ_orgs.html 32 Die Universitätsbibliothek der ETH Zürich http://www.ethbib.ethz.ch Die ETH-Bibliothek ist die größte Bibliothek der Schweiz und die zentrale Hochschulbibliothek der Eidgenössischen Technischen Hochschule Zürich. Darüber hinaus nimmt sie die Aufgaben eines nationalen Zentrums für naturwissenschaftliche Informationen wahr. Zeitgleich mit der Eidgenössischen Technischen Hochschule wurde die ETH-Bibliothek im Jahr 1855 gegründet. Aufgaben der ETH-Bibliothek: Die zentralen Aufgaben der ETH-Bibliothek ergeben sich aus der genannten Doppelfunktion: a) Die Medienversorgung der Eidgenössischen Technischen Hochschule (Aufgaben einer normalen Universitätsbibliothek) b) Nationale Aufgaben im Bereich der naturwissenschaftlichen Disziplinen (Schweizerisches Zentrum für naturwissenschaftliche und technische Information; Aufgaben einer Bibliothek von nationaler Bedeutung) Bestände: Inklusive Karten, alter Drucke, audiovisuellen Medien, Zeitschriften, Mikroformen und anderem verfügt sie über einen Bestand von 6,8 Millionen Einheiten (ca. 80.000 Neuerwerbungen pro Jahr). Die wichtigsten Bestandskennzahlen sind: - 2,6 Millionen Bücher und Zeitschriftenbände 2,2 Millionen Mikroformen 1,3 Millionen Bilder 390.000 Karten und Pläne 260.000 Handschriften 27.000 elektronische Dokumente 7900 laufende elektronische Zeitschriften 5200 gedruckte Zeitschriften Sammelschwerpunkte: Entsprechend der Schwerpunkte der ETH in Forschung und Lehre sowie ihrer Funktion als Zentrum für naturwissenschaftliche und technische Information sammelt die ETHBibliothek vor allem Literatur aus folgenden Disziplinen: - Architektur - Bauingenieurwesen - Betriebswirtschaftslehre - Biologie - Chemie - Elektrotechnik - Geowissenschaften - Informatik - Kulturtechnik - Land- und Forstwirtschaft - Maschinenbau - Mathematik - Pharmazie - Physik - Sport - Verkehrswesen - Werkstoffkunde - Umweltwissenschaften Spezialgebiete der Bibliothek sind u.a. Bilder, Karten, Archive und Nachlässe sowie Reports. Bei den Nachlässen besitzt die ETH-Bibliothek auch einige bedeutende Sammlungen, die eher aus dem geisteswissenschaftlichen Bereich stammen, so z.B. die Nachlässe von Carl Gustav Jung und Thomas Mann. 33 Zahlen und Daten: - 30.000 aktive Benutzer - 291.000 ausgeliehene gedruckte Dokumente pro Jahr - 216.000 elektronisch oder als Kopie gelieferte Artikel - 334.000 Zugriffe auf die Bibliothekswebsite - 1,85 Millionen Zugriffe auf die elektronischen Zeitschriften - 425.000 Zugriffe auf die Datenbanken - 78.000 Zugriffe auf die E-Books Organisation: Der Direktion sind fünf große Bereiche unterstellt: - die Bestandsentwicklung - Information und Spezialbibliotheken - IT-Dienste - Spezialsammlungen - Logistik Zu diesen Hauptabteilungen kommen noch die vier Stabsstellen für übergreifende Aufgaben: Öffentlichkeitsarbeit und Bibliotheksmarketing, Personaldienst, Konsortium der Schweizerischer Hochschulbibliotheken und Projektassistenz. Neben der Zentrale und den Zweigbibliotheken gehören zur ETH-Bibliothek auch vier Spezialbibliotheken: a) Baubibliothek (Architektur, Bauingenieurwesen, Geodäsie, Kartographie, Kulturtechnik, Raumplanung) b) BWI-Bibliothek (Betriebswissenschaften, Unternehmenswissenschaft, Management) c) Geowissenschaften (Erdwissenschaften und geologische Karten) d) Grüne Bibliothek (Agrar- und Umweltwissenschaften, Biowissenschaften, Ökologie und Evolution, Nutztierwissenschaft, Geobotanik, ...) Die ETH-Bibliothek ist federführend an zahlreichen laufenden nationalen Projekten beteiligt (u.a. im Bereich der Langzeitarchivierung digitaler Daten, der Erschließung von Bildern, der Organisation elektronischer Sammlungen, etc.). Schweizerische Universitätsbibliotheken Die Bibliotheken der genannten Universitäten erfüllen zumeist eine Doppelaufgabe: - - - die Medien- und Informationsversorgung der jeweiligen Hochschule bzw. auch der jeweiligen Stadt und Region (wichtiges Prinzip in der Schweiz: Wissenschaftliche Bibliotheken stehen immer allen Bürgern offen) die Sammlung, Erschließung und Bereitstellung von Regionalia (damit Funktion von deutschen Landes- und Regionalbibliotheken) diese regionale Ausprägung der Universitätsbibliotheken ist in der Schweiz stärker als in Deutschland, darüber hinaus sind die schweizerischen Universitäten und damit auch die Universitätsbibliotheken öfter stärker auf einen Fächerkanon spezialisiert als in Deutschland (z.B. hat die Universität St. Gallen einen ausgesprochenen Schwerpunkt bei den Wirtschaftswissenschaften) auch in der Schweiz musste an zahlreichen Universitäten die duale Bibliotheksorganisation überwunden werden 34 Schweizerische Universitätsbibliotheken – Beispiel Zentralbibliothek Zürich http://www.zb.uzh.ch/ - - - - Die Zentralbibliothek Zürich (ZBZH) ist eine öffentliche Stiftung, die von der Stadt und vom Kanton Zürich gemeinsam getragen wird. Sie entstand 1914 aus dem Zusammenschluss der Bibliothek des Chorherrenstiftes am Großmünster (13. Jahrhundert), der Universitätsbibliothek (1833), der alten Stadtbibliothek (1629), der Kantonsbibliothek und einiger Gesellschaftsbibliotheken. Sie führt den zentralen Nachweis über die Bibliotheksbestände der Universität und der wissenschaftlichen Bibliotheken der Stadt und sie sammelt, erschließt und archiviert die Regionalliteratur von Stadt und Kanton. Heute übernimmt die Zentralbibliothek Zürich die Funktion einer Stadt-, Kantonsund Universitätsbibliothek (Universität des Kantons Zürich; nicht zu verwechseln mit der ETH-Bibliothek). Mit einem Medienbestand von ca. 4,7 Millionen (3,9 Millionen Bücher und Zeitschriftenbände, 120.000 Handschriften) ist sie nach der ETH-Bibliothek die zweitgrößte Bibliothek der Schweiz. Die schweizerischen Fachhochschulen und ihre Bibliotheken - Die rund 70 Fachhochschulen der Schweiz bieten insgesamt ca. 280 Studiengänge an; hinzu kommen noch ca. 20 Pädagogische Hochschulen. Wie in Österreich handelt es sich bei den Fachhochschulen meist um kleinere Organisationen mit entsprechend geringen Buchbeständen. Nähere Informationen zu den Fachhochschulen bietet das Fachhochschulportal der Schweiz: http://www.fachhochschulen.net/ c) Studien- und Bildungsbibliotheken, Kantonsbibliotheken - - - - Dieser Bibliothekstyp bildet eine schweizerische Eigenart. Es handelt sich hierbei um diejenigen Kantonsbibliotheken, die keine Universität mit Literatur zu versorgen haben, sowie um einige größere Stadtbibliotheken, alle vor 1848 gegründet und zum Teil mit reichen Altbeständen. Sie sammeln, erschließen und archivieren die Literatur zu der jeweiligen Region und leisten für diese auch die grundlegende Literatur- und Informationsversorgung. Damit stehen sie in der Funktion etwa zwischen einer Öffentlichen Bibliothek und einer Regionalbibliothek in Deutschland. Einige dieser Studien- und Bildungsbibliotheken haben sich seit dem 2. Weltkrieg durch Ausweitung ihres Sammelspektrums (zusätzlich Kinder- und Jugendliteratur, reine Unterhaltungsliteratur, moderne Medien, ...) dem Typ der Public Library angenähert. Wichtige Studien- und Bildungsbibliotheken finden sich beispielsweise in Biel, La Chaux-de-Fond, Zug u.a. http://www.bibliothekenzug.ch/de/ 35 d) Spezialbibliotheken - - - Wie in anderen Ländern auch, bilden die Spezialbibliotheken die größte und vielfältigste Gruppe der Wissenschaftlichen Bibliotheken. Mit der Spezialisierung der Wissenschaft – gerade in der Schweiz sind einige bedeutende High-TechForschungsinstitute angesiedelt – und dem wirtschaftlichen Aufschwung nimmt die Bedeutung dieser Gruppe weiterhin zu. Zunächst entstanden die Amtsbibliotheken von SBB (Bahn), PTT (Post) und Militär und kantonale Bibliotheken für die Lehrerausbildung (Pestalozzianum Zürich und die Schulwarte Bern). Nach dem 2. Weltkrieg kamen dann vor allem die Bibliotheken und Informationszentren der Chemie- und Pharmaindustrie, der Uhren- und Lebensmittelindustrie hinzu sowie das Dokumentationszentrum der Akademie der Medizinischen Wissenschaften. Neben den Technischen Universitäten in Zürich und Lausanne kommen hierzu noch: - Das Schweizerische Sozialarchiv in Zürich http://www.sozialarchiv.ch/ - Das Schweizerische Wirtschaftsarchiv in Basel http://www.ub.unibas.ch/wwz/wwzprosp.htm e) kirchliche Bibliotheken - - Im Mittelalter und in der frühen Neuzeit folgte die Schweiz der Entwicklung des europäischen Bibliothekswesens. Träger der Buchkultur waren vor allem die Klöster; mit bedeutendem Buchbestand in der Schweiz vor allem: - St. Gallen (im 9. Jahrhundert bereits rund 400 Handschriften) - Einsiedeln (10. Jahrhundert) - Engelberg, südlich des Vierwaldstädter Sees gelegen (Beginn des 12. Jahrhunderts) Hier finden sich noch heute bedeutende Sammlungen von Handschriften, Inkunabeln und historischen Drucken sowie der zugehörigen Forschungsliteratur. Andere Klosterbestände wurden zerstreut oder zerstört (so z.B. St. Maurice, Rheinau u.a.). Das Reformationszeitalter war geprägt durch Buchsammlungen der reformierten Städte und des Jesuitenordens. Die Bibliotheken der aufgehobenen Klöster dienten zumeist als Grundstock der im 19. Jahrhundert gegründeten Kantonsbibliotheken. Das Öffentliche Bibliothekswesen in der Schweiz - - - Die ersten Öffentlichen Bibliotheken entstanden Ende des 18. Jahrhunderts als Leihbibliotheken und wurden Anfang des 19. Jahrhunderts zur Hebung des allgemeinen Bildungsniveaus ausgebaut. Die Aufgaben des Öffentlichen Bibliothekswesens entsprechen denen in Deutschland. Auch hier gibt es Unterschiede zwischen der Stadt und dem Land, deren Beseitigung die größtenteils vom Bund getragene SVB (Schweizerische Volksbibliothek / Bibliomedia, 1920 gegründet) anstrebt. http://www.bibliomedia.ch/ Fast alle Öffentlichen Bibliotheken in der Schweiz verwenden Dezimalklassifikationen als Aufstellungssystematik. 36 - Die Schweizerische Arbeitsgemeinschaft für öffentliche allgemeine Bibliotheken und der genossenschaftlich organisierte Schweizer Bibliotheksdienst (gegründet 1965, entspricht der ekz) versuchen durch Fortbildungsmaßnahmen und Herausgabe von Richtlinien das Öffentliche Bibliothekswesen zu fördern. http://www.sabclp.ch/ http://www.sbd.ch/ Kooperationen und zentrale Einrichtungen Erwerbung: Beim Bestandsaufbau wird bereits seit 1934 immer wieder über Erwerbungsabsprachen diskutiert, was jedoch noch zu keinen nennenswerten Ergebnissen geführt hat. Eine Ausnahme bildet das Konsortium der Schweizer Hochschulbibliotheken, das landesweite Lizenzen zur Nutzung elektronischer Publikationen abschließt. Erschließung: In der Erschießung gab es seit 1912 Debatten über ein einheitliches Regelwerk für die Formalerschließung, diese führten 1999 zu gesamtschweizerischen Katalogisierungsregeln der Vereinigung der Schweizer Bibliothekarinnen und Bibliothekare, diese Regeln werden aber von den großen Verbünden nicht angewendet. Benutzung: Mit dem Schweizerischen Gesamtkatalog und dem Zeitschriftengesamtkatalog wurden für den Leihverkehr zwei wirksame Instrumente auf nationaler Ebene geschaffen. - Der ausgeprägte Föderalismus der Schweiz erschwert die nationale Kooperation des Bibliothekswesens, so scheiterte etwa der Aufbau eines nationalen Sondersammelgebietsplans nach deutschem Vorbild. - Mit dem Schweizer Wissenschaftsrat und der Schweizer Hochschulkonferenz gibt es jedoch auch Institutionen, die eine koordinierende Rolle spielen können. - Mit der Einführung der elektronischen Datenverarbeitung etablierte sich eine Vielzahl lokaler und regionaler Systeme, aus denen zwei leistungsfähige Regionalverbünde herausragen. Verbünde Die zwei wichtigsten Bibliotheksverbünde in der Schweiz sind: Der Informationsverbund Deutschschweiz (IDS) Diesem Verbund gehören über 400 Bibliotheken an. Es handelt sich um einen Katalogverbund mit einheitlicher Oberfläche auf der Grundlage eines Datenformats, das auf USMARC basiert. Die Katalogisierungsregeln (KIDS, Katalogisierungsregeln des Informationsverbundes Deutschschweiz) beruhen im Wesentlichen auf den AACR2. Realisiert ist auch ein gemeinsamer Ausleihverbund mit einer gemeinsamen Benutzerdatei, ein Dokumentenlieferdienst ist geplant. Der Verbundkatalog des IDS ist über den Karlsruher Virtuellen Katalog recherchierbar. http://www.informationsverbund.ch/ 37 Das Réseau des bibliothèques de Suisse occidentale (RERO, Westschweizerischer Bibliotheksverbund) Ihm gehören ca. 200 Bibliotheken zumeist der französischen Schweiz an. Als Format wird USMARC verwendet, die Katalogisierungsregeln lehnen sich eng an die International Standard Bibliographic Description (ISBD) an. Auch hier ist der Verbundkatalog in den Karlsruher Virtuellen Katalog integriert. http://www.rero.ch/ Berufsvereinigungen Die wichtigste bibliothekarische Berufsvereinigung der Schweiz ist der 1897 gegründete Verband der Bibliotheken und der Bibliothekarinnen und Bibliothekare der Schweiz (BBS) Der Verband umfasst ca. 350 körperschaftliche und ca. 1850 persönliche Mitglieder aller Laufbahnen. Die Schwerpunkte des Verbandes liegen - in der Interessensvertretung der Mitglieder - in der Erarbeitung und Empfehlung bibliothekarischer Normen - in Angeboten der Aus- und Fortbildung Auf Grund der föderalen Struktur der Schweiz ist der Verband besonders wichtig für nationale Projekte, wegen der vielen unterschiedlichen Träger der Bibliotheken ist er gewerkschaftlich jedoch nicht relevant. http://www.bbs.ch/ Bibliothekarische Aus- und Fortbildung - - - - Die traditionelle Ausbildung in der Schweiz legt das Schwergewicht auf die praktische Tätigkeit, die durch theoretische Ausbildungskurse des BBS ergänzt wurden (Bern, Zürich, Lausanne und im Tessin, Dauer 2,5 Jahre). Die zweite Möglichkeit, ein Diplom zu erwerben, ist die Ecole supérieure d'information documentaire (ESID) in Genf, wo die Ausbildung stärker theoretisch geprägt ist (Dauer 4 Semester). Die Ausbildung des höheren Dienstes ist berufsbegleitend, sie setzt eine Anstellung und einen Hochschulabschluss voraus und dauert 2 Jahre (ein Tag pro Woche Unterricht in Zürich). Relativ neu ist der informationswissenschaftliche Studiengang IuD an der Hochschule für Technik und Wirtschaft Chur, der dort als Bachelor- und Masterstudium angeboten wird (Bachelor of Arts in Information Science, Master of Advanced Studies in Information Science bzw. NDS Information und Dokumentation). http://vers1.iudchur.net 38 Frankreich Grundlagen Frankreich ist eine weitgehend zentralistisch verwaltete Republik mit einem semipräsidentialen System, bestehend aus dem festländischen Frankreich mit der Hauptstadt Paris, Korsika (France métropolitaine) sowie Überseegebieten in der Karibik, Südamerika, vor der Küste Nordamerikas, im Indischen Ozean und in Ozeanien (Überseedépartements). Frankreich weist folgende Daten auf: - 544.000 Quadratkilometer Fläche 60,65 Millionen Einwohner (ca. 83 % katholisch) Amtssprache: Französisch 21 Regionen mit insgesamt 100 Départements mit 35.727 US $ sehr hohes Bruttoinlandsprodukt pro Einwohner durch die ehemaligen französischen Kolonien ist der frankophone Sprachkreis noch heute sehr groß und über die gesamte Welt verbreitet Die französischen Départements 39 Die politische Gliederung Frankreichs Frankreich – Struktur - - Geographisch ist Frankreich vor allem durch Ebenen und flache Hügellandschaften geprägt, Hochgebirge gibt es mit den Alpen, dem Zentralmassiv und den Pyrenäen. Paris ist die mit Abstand bedeutendste Stadt (11,5 Millionen Einwohner) und das kulturelle, politische und wirtschaftliche Zentrum des Landes (jeder 5.-6. Franzose lebt in Paris bzw. der Umgebung von Paris). Die weiteren Städte sind wesentlich kleiner und machen deutlich, dass es in Frankreich wenig Mittelzentren, sondern nur Provinzstädte gibt: Marseille 808.000 Einwohner Lyon 445.000 Einwohner Toulouse 390.000 Einwohner Nizza 342.000 Einwohner Nantes 270.000 Einwohner Geschichte Frankreichs - - - - Als Teilstück des Fränkischen Reiches (Vertrag von Verdun 843) bildete Frankreich durch das gesamte Mittelalter hindurch eine zentral verwaltete Erbmonarchie. Wichtige Aspekte der mittelalterlichen und frühneuzeitlichen Geschichte: - ein blühendes Klosterwesen und Schriftkultur - häufige Auseinandersetzungen mit England (Hundertjähriger Krieg) - häufige Auseinandersetzungen mit dem Reich (Habsburg, Italien, Spanien) - der Feudalabsolutismus im 17./18. Jahrhundert (Ludwig XVI., Versaille, Mazarin, Blüte des Bibliothekswesens) Den entscheidenden Einschnitt in der französischen Geschichte, der nahezu alle Bereiche des Landes (auch das Bibliothekswesen) bis heute prägt, ist die Französische Revolution von 1789. Nach der Revolution begann ein steter Wechsel zwischen der republikanischen, napoleonisch-imperialen und der monarchischen Staatsform (mittlerweile existiert die fünfte Republik). Die Kombination aus der Bewunderung des französischen Absolutismus und der Eroberung Europas durch die napoleonischen Heere (Gesetzgebung, Verwaltung) führte dazu, dass die französische Sprache die lingua franca der Gebildeten wurde und in dieser Funktion das Latein ablöste (vgl. den Briefwechsel zwischen Voltaire und Friedrich II.). Relikte hiervon existieren noch bei der internationalen Post und der Diplomatie. 40 - Die Jahrhunderte seit der französischen Revolution sind durch häufige Auseinandersetzungen mit Deutschland geprägt, die auch die französische Innenpolitik bestimmten. Europa unter Napoleon Die Französische Revolution und das Bibliothekswesen - - - Im Zusammenhang mit der französischen Revolution und der Gründung der ersten Republik wurden nahezu alle Adels- und Klosterbibliotheken aufgelöst (Dekrete von 1789, 1791 und 1793). Die Bestände wurden verstaatlicht und zentral in riesigen Dépôts littéraires in den Départements gesammelt (insgesamt ca. 8 Millionen Bände). Ein Teil ging durch Zerstörung, Verkauf und Diebstahl unter, ein wichtiger Teil kam in den Bestand Pariser Bibliotheken. 1796 kam die Entscheidung, die Bestände der Dépôts littéraires den jeweiligen Départements zu übertragen, 1803 gingen sie in den Besitz der Städte über und bilden damit bis heute den Grundstock und die wertvollen Altbestände der meisten französischen Stadtbibliotheken. Buch- und Verlagswesen in Frankreich - Frankreich, das über eine herausragende Handschriften-Tradition verfügt, ist ein bis heute bedeutendes Land im internationalen Buch- und Verlagswesen, wobei das Schwergewicht in der Frühzeit auf zwei Städten lag: - Paris (Erstdruck 1470, 60 Druckwerkstätten bis 1500) - Lyon (Erstdruck 1473, 45 Druckereien bis 1500) 41 - - Die Religionskriege des 16. Jahrhunderts behindern die Entwicklung (1537 ordnet das Edikt von Montpellier aus Zensurgründen die Ablieferung eines Pflichtexemplars an die Königliche Bibliothek an). Der französische Buchmarkt wird bis heute von Paris beherrscht (284 Verlage in Paris, 27 in der Peripherie und 72 in der Provinz). Sprachen und Sprachpolitik in Frankreich Gesprochene Sprachen in Frankreich: Neben der Amtssprache Französisch werden in Frankreich weitere fünf romanische Sprachen (Okzitanisch, Frankoprovenzalisch, Katalanisch, Korsisch, Italienisch) sowie zwei germanische Sprachen gesprochen (Elsässisch und Flämisch). Hinzu kommen Baskisch und die Sprachen der Immigranten (Arabisch, Vietnamesisch) sowie die einheimischen Sprachen der Überseedépartements. Französische Sprachpolitik: Die aktuelle Sprachpolitik Frankreichs ist geprägt durch: a) eine Nichtanerkennung von Minderheiten- und Regionalsprachen (Französisch ist die einzige Amtssprache) b) aktiven staatlichen Kampf um die Reinerhaltung der französischen Sprache (Zurückdrängung von Anglizismen, Schaffung von französischen Neologismen) c) Kampf um die internationale Bedeutung des Französischen (z.B. innerhalb der Europäischen Union) Weitere Informationen über die französische Sprachpolitik und die Frankophonie bietet die Website: http://www.sprachpolitik.de/default.htm Französischsprachige Regionen 42 Rechtliche Grundlagen des französischen Bibliothekswesens - Es gibt kein umfassendes Bibliotheksgesetz in Frankreich, aber eine Reihe von Rechtsnormen, die das Bibliothekswesen sehr stark von zentraler Stelle aus regeln. Der Conseil Supérieure des Bibliothèques (CSB, 1990 eingerichtet) soll alle planerischen und politischen Aufgaben übernehmen, er steht an der Spitze eines Verbundes aller Bibliotheken Frankreichs, die aufeinander abgestimmte Aufgaben übernehmen sollen. Für das Bibliothekswesen in Frankreich sind zwei Ministerien verantwortlich: - Das Erziehungsministerium ist verantwortlich für die Wissenschaftlichen Bibliotheken. Das Kultusministerium ist verantwortlich für die BNF und die Öffentlichen Bibliotheken. Das Wissenschaftliche Bibliothekswesen in Frankreich a) b) c) d) Die Bibliothèque nationale de France Hochschulbibliotheken Spezialbibliotheken Bibliothèques Municipales Classés a) Bibliothèque nationale de France (BNF) http://www.bnf.fr Die Bibliothèque nationale de France untersteht dem französischen Kultusministerium; als französische Nationalbibliothek ist es ihre Aufgabe das Schrifttum Frankreichs, die Publikationen aus und über Frankreich sowie die wichtigsten internationalen Publikationen zu sammeln, der Öffentlichkeit zugänglich zu machen und zu archivieren. Geschichte: Die Ursprünge der Bibliothek gehen bis auf das Mittelalter zurück, vor allem die Sammlung Karls V. wird oft als Ursprung angesehen (insgesamt hat diese Sammlung 911 Handschriften umfasst), sie wurde allerdings von den Engländern im Hundertjährigen Krieg zerstört. - 1368 Sammlung Karls V. (im Louvre) 1536 Einführung des Pflichtexemplars durch Franz I. (ältestes Pflichtexemplarrecht der Welt, eingeführt aus Gründen der Zensur) 1692 Die „Bibliothèque du Roi“ wird Gelehrten zugänglich gemacht 1789-1815 erfolgen sehr große Bestandszuwächse durch landesweite Verstaatlichung von Bibliotheksgut (Säkularisierung) 1988 kündigt der französische Staatspräsident François Mitterand den Bau eines modernen Bibliotheksgebäudes an. Der Architekt Dominique Perrault übernimmt die Planung, der Neubau wird 1996 fertiggestellt. Hauptaufgaben: Aufgaben sind zunächst die Sammlung, Katalogisierung, bibliographische Verzeichnung und Erschließung der im Rahmen des Pflichtexemplars (Dépôt légal) abgelieferten Materialien. Hieraus entsteht die Bibliographie nationale française (auch online). Mittlerweile ist der Sammelauftrag jedoch ausgeweitet. Als bedeutende Universalbibliothek schafft die Bibliothèque nationale de France auch sehr viele ausländische Publikationen an; 43 vorrangig aus dem Bereich der Geistes- und Sozialwissenschaften, seit 1988 aber auch verstärkt aus den STM-Fächern. Einrichtungen (Sites): Die Bibliothèque nationale de France stellt ihr Angebot der Öffentlichkeit an verschiedenen Örtlichkeiten zur Verfügung. Vorrangig zu nennen sind : - die alte Bibliothèque nationale de France in Paris (site Richelieu-Louvois) die neue Bibliothèque nationale de France in Paris (site François-Mitterand) die Bibliothèque de l´Arsenal in Paris die Museumsbibliothek der Pariser Oper die Bibliothek und das Dokumentationszentrum der „Maison Jean Vilar“ in Avignon Benutzung: Die Zentralbibliothek (Benutzung des modernen Druckbestandes) steht Benutzern über 16 Jahren gegen eine Gebühr zur Verfügung; die Bibliothèque de recherche bzw. die Sonderabteilungen verlangen für die Benutzung den Nachweis des wissenschaftlichen Forschungszweckes. Die wichtigsten Nachweisinstrumente für die Bestände der Bibliothèque nationale de France sind der eigene OPAC BN-Opale-Plus und der französische Verbundkatalog BN-Opaline (CCFr) „Catalogue collectif de France“. - http://catalogue.bnf.fr - http://ccfr.bnf.fr Digitalisierungsprojekte: Die Bibliothèque nationale de France ist berühmt für ihre weit fortgeschrittenen Projekte im Bereich der Retrodigitalisierung ihrer Bestände. Wichtigstes eigenes Projekt hierbei ist die 1997 begründete Bibliothèque numérique GALLICA. Hier werden ältere, urheberrechtsfreie Werke in großem Maße digitalisiert. Neben französischen Werken finden sich in GALLICA auch lateinische, deutsche und englische Texte. Bisher sind über 90.000 Werke digitalisiert worden. http://gallica.bnf.fr Ausgehend von diesem sehr großen digitalen Bestand engagiert sich die Bibliothèque nationale de France auch sehr stark innerhalb des europäischen Digitalisierungsprojekts The European Library (TEL), ein Webportal, in dem die europäischen Nationalbibliotheken seit 2005 ihre digitalen und konventionellen Bestände präsentieren. Noch sind die digitalen Bestände von TEL (die oft mit dem Projekt Google Book search verglichen wird) allerdings sehr heterogen und oft sehr stark auf Spezialsammlungen bezogen. http://www.theeuropeanlibrary.org Bestände: Der Gesamtbestand der Bibliothèque nationale de France wird mit rund 30 Millionen Büchern und Dokumenten angegeben (davon ca. 13 Millionen Bücher und Zeitschriftenbände, allein 50.000 Dokumente gehen jährlich als Pflichtstücke ein). Die BNF besitzt bedeutende Sondersammlungen im Bereich Handschriften, Kupferstiche, Karten und Pläne, Fotographien, Münzen, Musik sowie umfangreiche Sammlungen zu Themen, die die früheren Kolonialgebiete betreffen. Stellung der Bibliothèque nationale de France im französischen Bibliothekswesen: Auf Grund der von ihr wahrgenommenen umfassenden nationalbibliothekarischen Aufgaben, ihrer Größe, der Einzigartigkeit ihrer Bestände und ihrer herausragenden Sondersammlungen sowie ihrer federführenden Stellung bei nationalen und internationalen Projekten nimmt die Bibliothèque nationale de France eine zentrale Stellung innerhalb des 44 französischen Bibliothekswesens ein (viel zentraler als beispielsweise die Deutsche Nationalbibliothek in Deutschland). b) Hochschulbibliotheken Frankreichs - - - - - Derzeit gibt es in Frankreich ca. 70 Universitäten, die zum Teil bis ins Mittelalter zurückgehen. Dennoch sind die französischen Universitätsbibliotheken mit drei Ausnahmen in ihrer heutigen Form erst nach 1872 entstanden, als ein Dekret die Zusammenführung von Instituts- und Fakultätsbibliotheken anordnete und gleichzeitig neue Universitätsbibliotheken gegründet wurden. Die mangelnde Kontinuität ist auch der Französischen Revolution geschuldet, nach 1789 wurden die alten Universitäten aufgelöst. Eine weitere Welle der Neugründungen erfolgte in den 50er und 60er Jahren, zusätzlich entstanden in dieser Zeit zahlreiche neue Bibliotheksgebäude. 1970 kam es zur Zerschlagung der Massenuniversitäten in kleinere Einheiten, wodurch die Universitätsbibliothek einer Stadt häufig mehrere Universitäten versorgen muss (Bibliothèque interuniversitaire BIU, insgesamt 18; vgl. auch Duisburg-Essen). Organisatorisch gliedert sich die Mehrzahl der Universitätsbibliotheken in eine zentrale und vier Sektionsbibliotheken (entspricht nicht ganz den deutschen Fachbereichsbibliotheken): Geisteswissenschaften Naturwissenschaften Medizin Jura Mit Ausnahme von Paris und Straßburg sind die Universitätsbibliotheken in Frankreich reine Studienbibliotheken ohne bedeutende Altbestände. Der Gesamtbestand der französischen Universitätsbibliotheken betrug 1984 18,4 Millionen Bände. Auch die Erwerbungsetats, die vom Wissenschaftsministerium kommen, sind eher gering; ein Teil der Erwerbungen wird aus Studiengebühren finanziert. Die Medienversorgung der „normalen“ französischen Universitätsbibliothek entspricht nicht dem deutschen Niveau. Beispiel für die problematische Literaturversorgung: Die Bibliothèque de la Sorbonne versorgt als Bibliothèque interuniversitaire fünf Pariser Universitäten bei einem Bestand von 3,3 Mio. Bänden und 112 Personalstellen (damit ist sie geringer dimensioniert als die Universitätsbibliothek Freiburg im Breisgau). Auch bei den Universitäten hat Paris eine bedeutende Stellung. Im Ballungsraum Paris gibt es allein 16 Universitäten (Berlin drei), ein Drittel aller Studenten studiert dort, 40 % der Neuerwerbungen aller Universitätsbibliotheken werden in Paris getätigt. http://www.bibliotheque.sorbonne.fr/ Bibliothèque nationale universitaire Strasbourg (BNU) http://www.bnu.fr Geschichte: - Wertvolle Bestände der Bibliothèque nationale universitaire Strasbourg (Seminarbibliothek) wurden im Deutsch-Französischen Krieg 1870 vernichtet (ca. 300.000 Bände, darunter viele Handschriften). - Anschließend kommt es zu einer Solidaritätsbewegung. Buchgeschenke aus 32 Ländern treffen ein, insgesamt ca. 170.000 Bände (darunter noch heute Bände der Universitätsbibliothek Königsberg). 45 - - Annexion des Elsass durch das Deutsche Reich; Neugründung der Bibliothek als „Kaiserliche Universitäts- und Landesbibliothek zu Straßburg“ mit der Doppelrolle als Regionalbibliothek für das Elsass und Universitätsbibliothek Bestand von 1914 ca. 1 Million Bände. Am Ende des 1. Weltkrieges wird das Elsass wieder französisch; die Bibliothek wird zu einer Hochschulbibliothek nach französischem Vorbild umgestaltet. 1926 erfolgt die Anerkennung des Sonderstatus der Bibliothek durch die Bezeichnung „Bibliothèque Nationale et Universitaire de Strasbourg“. Auch im 2. Weltkrieg erleidet die Bibliothek große Verluste. Seit den 50er Jahren erfolgte der Wiederaufbau und die Neugestaltung der Bibliothek. Aufgaben der BNU: - Die Bibliothèque nationale universitaire Strasbourg ist heute (mit einer relativ kleinen Bestandsgröße im Vergleich zu deutschen Bibliotheken) die zweitgrößte Bibliothek Frankreichs – auch dies ist ein Resultat der zentralstaatlichen Organisation Frankreichs. - Sie ist eine interdisziplinäre Forschungsbibliothek für die Geistes- und Sozialwissenschaften. - Sie nimmt die Aufgaben einer Landesbibliothek wahr (Pflichtexemplar für das Elsass seit 1926 und Erstellung der Landesbibliographie „bibliographie alsacienne“ seit 1965). - Sie ist Patrimonialbibliothek für das Elsass (Kulturgüterschutz, Bewahrung des kulturellen Erbes). Bestände: - Die Bibliothèque nationale universitaire Strasbourg verfügt über mehr als 3 Millionen Bestandseinheiten. - Sie abonniert über 5000 laufende Zeitschriften (auch ein großes Angebot an OnlineZeitschriften und Datenbanken). - Sie verfügt über einen Altbestand von über 220.000 Bänden (älter als 1810), davon ca. 2000 Inkunabeln; ca. 6350 Handschriften. - Dazu kommen Sondersammlungen, z.B. 5200 Papyri, 5000 Ostraka, 39.000 Münzen und Medaillen, ca. 30.000 topographische und Ortsansichten, 44.000 Karten und Pläne. Sammelschwerpunkte: - Die Bibliothèque nationale universitaire Strasbourg betreut die Sondersammelgebiete Germanistik und Religionswissenschaften - Pôle associé der Bibliothèque nationale de France für Germanistik und Religionswissenschaften (enge Zusammenarbeit mit der Nationalbibliothek) - Europa-Angelegenheiten - alle Bücher mit Elsass-Bezug c) Spezialbibliotheken - - Forschung und Lehre sind in Frankreich wesentlich stärker getrennt als in Deutschland (dies vor allem bedingt durch die Bildungsreformen Wilhelm von Humboldts). Die Universitäten dienen überwiegend der Lehre; Forschung, vor allem Spitzenforschung, findet überwiegend in einer größeren Zahl staatlicher Forschungseinrichtungen statt. Einen wichtigen Bereich der Spezialbibliotheken bilden die Bibliotheken der großen Firmen und Konzerne, hierbei handelt es sich vor allem um Spezialsammlungen aus dem naturwissenschaftlich-technischen Bereich. 46 - Wichtige Spezialbibliotheken unterhalten auch die wissenschaftlichen Akademien (z.B. Bibliothek des Institut des France) und die großen Pariser Museen. http://www.institut-de-france.fr Für die Spezialbibliotheken gibt es folgende Vereinigungen: a) eine Sektion für Spezialbibliotheken (Section des Bibliothèques Specialisées) innerhalb des französischen Bibliotheksverbands ABF b) einen Personenverband (L´Association des professionnels de l´information et de la documentation, ADBS, ehemals Association Française des documentalistes et bibliothècaires spécialisés) Trotz dieser Organisationen findet keine enge Zusammenarbeit zwischen den Spezialbibliotheken oder mit anderen Bibliotheken statt. Daher steht ein Großteil der wissenschaftlichen Forschungsliteratur der Lehre kaum bzw. nur unter erschwerten Bedingungen zur Verfügung. d) Bibliothèques Municipales Classés (BMC) Die Wissenschaftlichen Stadtbibliotheken (Bibliothèques Municipales Classés, BMC) sind eine französische Besonderheit. - - 1887 teilte ein Dekret die Stadtbibliotheken in Klassen ein; diejenigen, die aus den Dépôts littéraires hervorgegangen waren und große Sammlungen umfassten, wurden der ersten Klasse zugerechnet. Neben dem Gut der Revolution kam 1905 durch die Trennung von Staat und Kirche theologische Literatur in großem Umfang dazu. Neben der BNF verwalten sie den größten Teil des Altbestandes. Die Bibliothèques Municipales Classés werden vom Staat kontrolliert und von staatlichen Beamten geführt, allerdings zu 90 % von den Kommunen getragen. Die BMC haben auch die Aufgabe, die Literatur mit Regionalbezug zu sammeln und zu erschließen. Insgesamt gibt es in Frankreich 54 Bibliothèques Municipales Classés. Das Öffentliche Bibliothekswesen in Frankreich - - Die Forderung, die Lesefähigkeit breiter Bevölkerungsschichten zu verbessern, geht in Frankreich zurück auf die starke Aufklärung (18. Jahrhundert) und den zusätzlichen Impuls der französischen Revolution. Bereits 1902 gab es ca. 3000 Öffentliche Bibliotheken in Frankreich, viele davon in kirchlicher Trägerschaft. Seit 1945 ist eine größere Zahl von Stadtbibliotheken neu gegründet worden (insgesamt ca. 1500), die meisten der Neugründungen nach 1980. Heute haben fast alle Kommunen mit mehr als 50.000 Einwohnern eine Stadtbibliothek, allerdings ist nach wie vor Unterversorgung in Südfrankreich festzustellen. Bibliothèques départementales de Prêt - - Die Bibliothèques départementales de Prêt (BDP/BCP - Zentrale Ausleihbibliotheken, früher Bibliothèques Centrales de Prêt) sind ein Spezifikum des französischen Bibliothekswesens. Sie sind für die Medienversorgung im ländlichen Raum zuständig (für Gemeinden unter 10.000–20.000 Einwohner). 47 - - - - Sie haben ihren Sitz immer in der Départementshauptstadt und versorgen die Region mit Medien und Fachkompetenz (damit entsprechen sie deutschen Büchereifachstellen mit eigenen Beständen). Meist haben die Bibliothèques départementales de Prêt eine Zentrale sowie ein bis zwei feste Außenstellen und weitere Mediendepots (in Schulen, Kulturzentren, etc.), dazu kommen oft noch Medienbusse. Durchschnittlich umfasst eine BDP ca. 160.000 Medieneinheiten. Entsprechend der Anzahl an Départements gibt es knapp 100 BDP, seit 1986 unterstehen sie den Départements, seither hat allerdings das regionale Ungleichgewicht zugenommen. Der Koordination der Bibliothèques départementales de Prêt dient die Vereinigung der BDP-Direktoren. http://www.adbdp.asso.fr/ Kooperationen und zentrale Einrichtungen Erwerbung Da die umfassende Versorgung der Forschung und Lehre mit ausländischer wissenschaftlicher Literatur seit den 80er Jahren zunehmend in Frage gestellt wurde, bildeten einige Universitätsbibliotheken nach dem Vorbild der deutschen Sondersammelgebiete das System der CADIST (Centre d´Acquisition et de Diffusion de l´Information Scientifique et Technique), das auch Sondermittel des Wissenschaftsministeriums erhält. http://www.sup.adc.education.fr/bib/intro/cadist.htm Formalerschließung Hier bilden die ISBDs die Grundlage der bibliographischen Beschreibungen, die Ansetzungsformen orientieren sich an den 1963 von der Pariser Konferenz aufgestellten Regeln. Sacherschließung Seit 1986 arbeitet die Bibliothèque nationale de France mit der Universität Laval, Quebec, an der Schlagwortnormdatei Rameau (Répertoire d´autorité-matière encyclopédique et alphabétique unifié), die für alle frankophonen Länder gelten soll und auf eine Übersetzung der LoC-Subject headings zurückgeht. http://rameau.bnf.fr/ Freihandbestände werden zumeist nach der Universal Dezimalklassifikation aufgestellt. Verbundkatalog - - Der französische Verbundkatalog wird von der 1994 gegründeten „Agence Bibliographique de l´Enseignement Supérieur“ (ABES) verwaltet. Der Verbundkatalog (Système universitaire de documentation, Sudoc) umfasst mehr als 6 Millionen Nachweise, ist ein PICA-Katalog und beruht auf dem Datenformat MARC21. http://www.abes.fr/ http://www.sudoc.abes.fr/ Trotz des Verbundkataloges fehlt in Frankreich ein landesweites Fernleihsystem; außerhalb des Systems der CADIST-Bibliotheken wird über die Fernleihe immer vor Ort entschieden. 48 Berufsvereinigungen - - Die älteste (seit 1906) und mitgliederstärkste Vereinigung ist der Personen- und Institutionenverband Association des Bibliothécaires Française (ABF), der sich in 21 Landesgruppen und 4 Sektionen (BNF, Universitätsbibliotheken, Öffentliche Bibliotheken und Spezialbibliotheken) gliedert. http://www.abf.asso.fr/ Seit 1963 gibt es daneben noch die Association des Professionnels de l´information et de la documentation (ADBS, ehemals Association Française des Documentalistes et Bibliothécaires spécialisés). http://www.adbs.fr/site/ Bibliothekarische Ausbildung Die Laufbahngruppen sind in Frankreich, wie in vielen anderen Ländern auch, deutlich offener als in Deutschland. Folgende Ausbildungsmöglichkeiten existieren: Höherer Dienst - zweijähriges Studium an der Ecole Nationale Supérieure des Sciences de l´Information et des Bibliothèques (ENSSIB) in Villeurbanne bei Lyon - knapp vierjähriges Studium an der Ecole Nationale des Chartres in Paris, die vor allem für ihre herausragende Ausbildungsqualität im Bereich der Kodikologie und der Handschriftenkunde bekannt ist http://www.enc.sorbonne.fr/ Gehobener Dienst - nach dem Abitur Studium an der ENSSIB - einjährige Ausbildung an einem der zwölf regionalen Ausbildungszentren 49 Italien Grundlagen Zentraler Mittelmeerstaat mit der Hauptstadt Rom, seit 1946 parlamentarische Republik. Neben dem Festlandteil gehören zu Italien die Inseln Sizilien, Sardinien und Elba (Enklaven Vatikanstadt und San Marino). - - 58 Millionen Einwohner (80 % Katholiken) 301.000 Quadratkilometer 31.800 US $ Bruttoinlandsprodukt pro Einwohner 20 Regionen mit insgesamt 108 Provinzen (die Regionen Aostatal, Friaul-JulischVenetien, Sardinien, Sizilien und Trentino-Südtirol haben einen sprachlich bedingten Sonderstatus) traditionell starkes Nord-Süd-Gefälle (Wirtschaft, Arbeit, Kriminalität, …; Ausgleichszahlungen) geographisch bestimmt durch die Lage im Mittelmeer und den abschließenden Alpenkamm im Norden Die Regionen Italiens 50 Die Sprachen in Italien - - - - Neben der Amtssprache Italienisch gibt es noch vier regionale Amtssprachen: Deutsch (Südtirol) Ladinisch (Südtirol) Französisch (Aostatal) Slowenisch (Triest) Darüber hinaus stehen folgende Minderheitensprachen unter staatlichem Schutz: Albanisch, Katalanisch, Griechisch, Kroatisch, Franko-Provenzalisch, Furlanisch, Zimbrisch, Okzitanisch und Sardisch. Außerhalb Italiens wird Italienisch gesprochen in der Schweiz, San Marino, Vatikanstadt, Korsika, … Exklaven gibt es in den früheren italienischen Kolonien Libyen, Somalia und Eritrea, weitere Sprachinseln existieren in Argentinien, Brasilien und den USA. Fachwortschatz bei Banken und in der klassischen Musik (Saldo, Konto,... Adagio, Pianissimo. Erst spät fand die Volkssprache auch als Schriftsprache Verwendung, dies vor allem auf Grund der Nähe der einzelnen Dialekte zum Lateinischen. Erste Anwendung der italienischen Sprache in der Literatur durch Dante 1265-1321. Grundstrukturen der Geschichte Italiens a) Kernland des Imperium Romanum Aufnahme der griechischen Kultur (Siedlungen, Sprache, Philosophie), Ausgangspunkt der europäischen Staatlichkeit, der Verwaltung, des Militärwesens. Die lateinische Sprache war bis ins 19. Jahrhundert die lingua franca der Gebildeten. Frühe Verbreitung des Christentums in den Gebieten des Imperiums. b) Teilgebiet des mittelalterlichen Reiches Vor allem im Hochmittelalter zwischen Ost (Byzanz) und West umstritten. Politischer Niedergang, aber Sitz des Patrimonium Petri, lebendige kirchliche Kultur. Schmelzpunkt der Kulturen (Germanen, Byzantiner, Deutsche, Spanier, Franzosen u.a.). Kulturhöhepunkt mit der Renaissance. c) In Kleinstaaten zerteilt in der frühen Neuzeit Italien bestand zu dieser Zeit u.a. aus dem Herzogtum. Savoyen, dem Großherzogtum Toskana, dem Königreich Neapel, der Republik Venedig, dem Herzogtum Parma, dem Kirchenstaat, dem Herzogtum Mailand, der Republik Genua, dem Königreich Sardinien, … Unter wechselnden Herrschaftsverhältnissen (vor allem Frankreich, Spanien, nach dem Wiener Kongress dominiert Habsburg). d) Beginn des italienischen Nationalstaats im 19. Jahrhundert Die italienische Einheit (Risorgimento) war eine Süd-Nord-Bewegung (1861 bis 1906 mit Endpunkt Südtirol) und wurde unter dem König von Piemont-Sardinien, ViktorEmanuel II. erreicht, Zentralfigur der Einigungsbewegung war Giuseppe Garibaldi (Gebiets- und Machtverluste vor allem für Österreich und den Kirchenstaat). 51 Italien in der frühen Neuzeit Druckwesen in Italien - - Druckbeginn ist in Italien recht früh (1465), der spanische Kurienkardinal Juan de Torquemada hatte deutsche Buchdrucker ermutigt, eine Druckerei bei Rom zu errichten. Der Inkunabeldruck breitete sich rasch aus (1500 gab es 76 italienische Druckereien), die frühen Zentren waren Rom und Venedig (Aldus Manutius). Im 17. und 18. Jahrhundert ist ein Niedergang der Druckqualität festzustellen (opulente Titelblätter, aber schlechte Druck- und Papierqualität). Im 19. Jahrhundert wird der Buchdruck industrialisiert, gleichzeitig erfährt die Typographie von Italien aus neue Impulse. Buchhandel und Verlagswesen in Italien - - Wie in anderen Ländern auch, kam es im 17. und 18. Jahrhundert zu einer Spezialisierung der Händler und Verleger gegenüber den Druckern. Die Gewerbe wurden in Italien durch das Zunftwesen der vielen Kleinstaaten extrem geschützt, was ihre Ausbreitung erschwerte. Im 18. und 19. Jahrhundert litten sowohl das Verlags- wie auch das Buchhandelswesen Italiens am Fehlen eines Zentrums (vgl. Leipzig in Deutschland). Durch die Existenz der vielen Kleinstaaten und durch das Fehlen eines einheitlichen Urheberrechts wurden Raubdrucke in den italienischen Staaten sehr begünstigt. 52 - Wie in anderen Ländern, leidet das Verlagswesen in Italien heute unter der Globalisierung und den Konzentrationsprozessen, viele Verlage gaben auf, die wichtigsten Konzerne sind Mondadori und Rizzoli, der wichtigste Bibliotheksausstatter (Library Supplier) auch für deutsche Bibliotheken ist Casalini libri. http://www.casalini.it/ Rechtliche Grundlagen - Es gibt keine nationale Bibliotheksgesetzgebung (frühere Rechtsnormen z.B. von 1869, 1876 und 1885 haben sich oft als wirkungslos erwiesen). Einzelne Regionen (z.B. die Lombardei und Südtirol) haben eigene Gesetze für das Öffentliche Bibliothekswesen verabschiedet. Seit 1869/70 besteht ein Pflichtexemplarrecht für die Nationalbibliotheken in Florenz und Rom, zuletzt 1939 novelliert. Der Verlag liefert vier Exemplare an die Präfektur der Provinz, zwei davon gehen nach Rom und Florenz. Daneben gibt es allerdings auch ältere regionale Pflichtablieferungsrechte. Geschichte des italienischen Bibliothekswesens - - - - - Seit dem frühen MA verfügt Italien über reiche Bibliotheken, die teilweise heute noch existieren (5. Jahrhundert Verona Biblioteca Capitolare, 529 Monte Cassino, 612 Bobbio u.a.). Einen weiteren großen Aufschwung erhielten die Bibliotheken in der Renaissance mit der Gründung wichtiger Adelsbibliotheken (Visconti und Sforza in Pavia, Este in Ferrara und Modena, Biblioteca edicea Laurenziana in Florenz u.a.). Eine Vielzahl von Universitätsbibliotheken wurde im 17., viele Öffentliche Bibliotheken im 18. Jahrhundert gegründet, diese bilden oft die Kernbestände der heutigen großen Bibliotheken. Nach der Gründung des Einheitsstaates bestand die Aufgabe, die regionalen Bibliotheken in ein gesamtstaatliches System einzubinden (Gründung der Nationalbibliotheken von Florenz und Rom; strukturell vergleichbar mit der Situation in Deutschland nach 1871). Heute verfügt Italien über ca. 6000 Bibliotheken; Unterhaltsträger sind - die römische Zentralregierung 1800 - lokale Träger 2000 - kirchliche Einrichtungen 1000 - Akademien und andere Kultureinrichtungen 500 - weitere öffentliche und private Institutionen 600 Einen komprimierten Überblick über das italienische Bibliothekswesen gibt die folgende Website: http://wwwbiblio.polito.it/ Das Wissenschaftlichen Bibliothekswesens in Italien - Biblioteca Apostolica Vaticana (trotz der Zugehörigkeit zum Vatikan hier zum italienischen Bibliothekswesen gezählt) Nationalbibliotheken (insgesamt neun, davon zwei Zentrale Nationalbibliotheken) Hochschulbibliotheken Kirchliche und sonstige Wissenschaftliche Bibliotheken Spezialbibliotheken 53 Die Biblioteca Apostolica Vaticana http://bav.vatican.va/it/v_home_bav/home_bav.shtml Geschichte: Schon seit der frühesten Zeit gab es Büchersammlungen der römischen Bischöfe, der Beginn der Sammeltätigkeit lässt sich auf das 4. Jahrhundert datieren. Auf Grund verschiedenster Umstände (Völkerwanderungswirren, Übertragung der Sammlungen in andere Städte, etc.) haben die Bestände dieser frühen Sammlungen die Zeit jedoch nicht überdauert. Die Gründung der heute existierenden Biblioteca Apostolica Vaticana ist das Verdienst von Papst Nikolaus V. im Jahr 1447 (Nikolaus ergänzte die 350 vorgefundenen Bände durch seine eigene umfangreiche Bibliothek). Er reorganisierte die Bibliothek und veranlasste zahlreiche Erwerbungen; bei seinem Tod umfasste die Sammlung rund 1500 Bände. Zu weiteren beachtlichen Zuwächsen kam es unter Papst Sixtus IV., der die Bibliothek auf vier Zimmer verteilte, (griechische Werke, lateinische Werke, geheime Werke, päpstliche Bibliothek). 1587 gab Papst Sixtus V. den Neubau der Bibliothek in Auftrag, noch heute befinden sich hier die Prunkräume. Mit der Auslagerung eines großen Teiles der Bestände zu Beginn des 17. Jahrhunderts begann die Geschichte der vatikanischen Geheimarchive (hier auch der Zusammenhang mit der Gegenreformation). Seit dieser Zeit wurden auch viele Privatbibliotheken erworben. Wichtige Einzelbibliotheken der Biblioteca Apostolica Vaticana sind z.B. Biblioteca Palatina aus Heidelberg und die Bibliothek von Königin Christina von Schweden. Die Biblioteca Apostolica Vaticana wurde napoleonische Kriegsbeute, sie wurde dem Heiligen Stuhl 1815 jedoch in großen Teilen wieder übergeben. Weitere große Bestandszuwächse sind vor allem im 19. und 20. Jahrhundert zu verzeichnen. Daten und Zahlen: Neben den neueren Beständen (der Gesamtbestand beträgt ca. 2 Millionen Bände) umfasst die Vatikanische Bibliothek heute ca. - 70.000 Handschriften - 200.000 Autographen - 8000 Inkunabeln - 100.000 Karten und Stiche Aufgaben: Die Vatikanische Bibliothek ist eine Archiv- und Forschungsbibliothek. Hierzu dienen auch die Faksimilierungsanstrengungen, die kodikologischen Forschungen und die wissenschaftliche Bearbeitung der Bestände Gerade im Bereich der Handschriften verfügt die Vatikanische Bibliothek über eine der bedeutendsten Sammlungen der Welt. An die Bibliothek sind eine Bibliotheksschule (http://www.vaticanlibrary.vatlib.it/BAVT/scuola) sowie Werkstätten zur Restaurierung und Faksimilierung von Handschriften angeschlossen. In den Lesesälen der Vatikanischen Bibliothek wird seit einiger Zeit die RFID-Technik verwendet. Vor allem in den Bereichen ihrer Sondersammlungen und ihrer besonderen Fähigkeiten ergänzt und erweitert die Biblioteca Apostolica Vaticana das italienische Bibliothekswesen, auch wenn sie nicht zum italienischen Staatswesen gehört. 54 Die Nationalbibliotheken - - 1865 wurde in Florenz, nach Turin die zweite Hauptstadt des neuen Königreiches Italien, die erste Nationalbibliothek gegründet. Der Staat Italien vergrößerte sich in der Folgezeit, neue Regionen kamen hinzu, u.a. auch Rom, das zuvor komplett dem Vatikan unterstand. Nach dieser Erweiterung wurde 1873 eine weitere Nationalbibliothek in der neuen Hauptstadt gegründet. Durch die erste nationale Bibliotheksordnung von 1869 war 13 der wichtigsten Bibliotheken Italiens überregionale Bedeutung zugesprochen worden, zwei erhielten die Bezeichnung Biblioteca Nazionale Centrale (Rom und Florenz), sieben erhielten den Titel Biblioteca Nazionale (Turin, Mailand, Palermo, Bari, Venedig, Neapel, Potenza). Sie sind entfernt vergleichbar mit den deutschen Landesbibliotheken. Die Biblioteca Nazionale Centrale di Firenze (BNCF) http://www.bncf.firenze.sbn.it Geschichte: Die Biblioteca Nazionale Centrale di Firenze geht auf mehrere Gelehrtenbibliotheken des 17. und 18. Jahrhunderts zurück, zu nennen ist vor allem diejenige des Antonio Magliabechi. Untergebracht war sie zunächst im Palazzo della Dogana. Seit 1737 besitzt die Biblioteca Nazionale Centrale di Firenze das Pflichtexemplarrecht (zunächst für Florenz, seit 1743 für das Großherzogtum Toskana, seit 1869 für Italien). 1861 wurde die Biblioteca Magliabechina mit der Biblioteca Palatina vereint, woraus in der Folgezeit die Biblioteca Nazionale wurde. Seit 1935 residiert sie in einem Neubau direkt am Arno (1966 führte ein Arnohochwasser zu einer totalen Überschwemmung der Bibliothek) Funktion und Aufgaben: Neben dem eingehenden Pflichtexemplar (alle in Italien gedruckten Publikationen, auch die elektronischen) sammelt die Biblioteca Nazionale Centrale di Firenze alle in italienischer Sprache publizierten Veröffentlichungen und alle Werke, die Italien bzw. Teile davon betreffen und verzeichnet diese in der Bibliografia Nazionale Italiana, die von der Biblioteca Nazionale Centrale di Firenze bearbeitet wird (Herausgeber ist allerdings das Instituto Centrale per il Catalogo Unico delle Biblioteche Italiane e per le Informazioni Bibliografiche ICCU). Durch das Pflichtexemplar, die nationalbibliographische Verzeichnung und die herausragenden Altbestände, die sich zumeist auf das kulturelle Erbe Italiens beziehen, nimmt die Biblioteca Nazionale Centrale di Firenze wichtige Aspekte einer umfassenden Nationalbibliothek wahr. Ein geringerer Schwerpunkt wird in der BNCF allerdings auf die internationale moderne Forschungsliteratur gelegt, dieser Bereich wird schwerpunktmäßig von der Nationalbibliothek in Rom bearbeitet. Die Biblioteca Nazionale Centrale di Firenze ist Sitz des Projektes Servizio Bibliotecario Nazionale (SBN), das u.a. den italienischen Verbundkatalog anbietet, dem mittlerweile rund 3200 Bibliotheken angehören. http://opac.sbn.it/ Die Biblioteca Nazionale Centrale di Firenze nimmt auch an der Biblioteca Digitale Italiana teil, die vom ICCU (s.u.) administriert wird. Bestände: Im Bereich der historischen Bestände verfügt die Biblioteca Nazionale Centrale di Firenze über herausragende Sammlungen, die in neuerer Zeit allerdings durch das Pflichtexemplar und den Erwerb wissenschaftlicher Literatur entscheidend erweitert wurden. Die Bibliothek besitzt rund 55 - 5,3 Millionen Medieneinheiten 15.000 laufende Zeitschriften (insgesamt 115.000) 3700 Inkunabeln 25.000 Handschriften 1 Million Autographen Besonders zu erwähnen sind die umfangreiche Galileo-Sammlung mit einem eigenen Katalog sowie Nachlässe und thematische Sammlungen zu zahlreichen italienischen Schriftstellern und Wissenschaftlern. Benutzung: Die Normalbestände sowie die Dienstleistungen der Biblioteca Nazionale Centrale di Firenze können von jedermann über 18 Jahren in Anspruch genommen werden. Die Benutzung der Sonderbestände ist allerdings genehmigungspflichtig. Die Biblioteca Nazionale Centrale di Roma (BNCR) http://www.bncrm.librari.beniculturali.it/ Geschichte: - 1876 Gründung der Bibliothek durch König Vittorio Emmanuele II.; der Grundstock der Bestände stammte aus 69 Klosterbibliotheken. Untergebracht war sie zunächst in einer ehemaligen Hochschule der Jesuiten. - 1880 erhielt die Biblioteca Nazionale Centrale di Roma das Pflichtexemplarrecht. - 1974 Eröffnung des Neubaus auf einem Gelände, das bereits seit 1939 für die Bibliothek bestimmt war. Funktion und Aufgaben: Die Biblioteca Nazionale Centrale di Roma (BNCR) sammelt schwerpunktmäßig internationale wissenschaftliche Publikationen, verfügt allerdings wie auch die BNCF über das italienische Pflichtexemplarrecht. Gemeinsam mit anderen Wissenschaftlichen Bibliotheken Italiens gibt die Biblioteca Nazionale Centrale di Roma einen Gesamtkatalog des ausländischen Schrifttums heraus. Bestände: Der Gesamtbestand der Biblioteca Nazionale Centrale di Roma beträgt heute mehr als 6 Millionen Medieneinheiten. - 6 Millionen Einheiten - 15.000 laufende Zeitschriften (insgesamt 46.000) - bei weitem nicht so viele Inkunabeln (800), Handschriften (2000) und wertvoller Altbestand wie die BNCF, durch den Gründungsbestand der Klosterbibliotheken ist nur der Bereich der Theologie mit Altbestand stark vertreten - 21.000 geographische Karten - umfangreiche Sammlungen von Hochschulschriften und Zeichnungen Wie die BNCF beteiligt sich auch die BNCR an der Digitalen Bibliothek Italiens, auch kulturelle Veranstaltungen und Ausstellungen werden regelmäßig durchgeführt. Hochschulbibliotheken in Italien - In Italien wurden die ersten Universitäten gegründet (1088 Bologna, 1224 Neapel, noch früher existierten bereits theologische, juristische und medizinische Hochschulen). Zu Gründungen von regelrechten Universitätsbibliotheken kam es allerdings meist erst im 17. und 18. Jahrhundert. Bis dahin existierten allenfalls einzelne Fakultätsbibliotheken. 56 - - - - Von den heute ca. 100 Universitäten betreuen die 10 größten etwa die Hälfte der 1,8 Millionen Studenten. Einen Überblick über das italienische Hochschulwesen gibt das Deutsch-Italienische Hochschulzentrum. http://ait.tridentum.com/indexd.asp Ein Großteil der Universitätsbibliotheken übernimmt neben der Breitstellung der Literatur für Forschung und Lehre auch die Funktion einer Regional- oder Stadtbibliothek (vor allem die älteren, z.B. Bologna, Cagliari, Genua, Padua, etc.). Es gibt nur drei technisch ausgerichtete Universitäten; Fachhochschulen wie in Deutschland fehlen in Italien. Wie in Deutschland gab es auch in Italien gerade in den älteren Universitätsbibliotheken meist zwei- oder mehrschichtige Systeme, diese wurden oft erfolgreich restrukturiert und einem koordinierenden Bibliotheksrat unterstellt. Private Universitäten hatten ebenso wie Universitätsneugründungen zumeist von Beginn an einschichtige Bibliothekssysteme. Die Universität von Florenz hatte vor der Verwaltungsreform des Jahres 1993 keine zentrale Universitätsbibliothek, 21 Bereichsbibliotheken und 80 sogenannte Fondi librari (kleinere Büchersammlungen, Institutsbibliotheken). Heute besteht die Universitätsbibliothek aus einer Zentrale und fünf Fachbereichsbibliotheken. http://www.sba.unifi.it Kirchliche und sonstige Wissenschaftliche Bibliotheken - - Hierzu zählen einige Wissenschaftliche Bibliotheken mit ÖB-Funktion, z.B. in Brescia und trotz mehrerer Wellen von Klosteraufhebungen in Italien eine Vielzahl von Klosterbibliotheken mit wertvollen Altbeständen und wissenschaftlich relevanter Literatur. Ein Beispiel hierfür bietet die Biblioteca Ambrosiana in Mailand. Die 1607 vom Mailänder Erzbischof Federigo Borromeo gegründete Bibliothek umfasst neben herausragenden Altbeständen (u.a. 2100 Inkunabeln, 35.000 Hss., …) auch eine bedeutende Kunstsammlung von Weltruf (Pinacoteca). http://www.ambrosiana.it Spezialbibliotheken - - Die wichtigsten italienischen Spezialbibliotheken sind die Sammlungen von staatlichen Großforschungseinrichtungen (auch in Italien ist die technische Spitzenforschung von der universitären Lehre getrennt) und von großen Firmen (hierbei sind vor allem die wirtschaftsstarken Ballungsräume Norditaliens von Bedeutung). Einen Überblick über einige der wichtigsten italienischen Spezialbibliotheken gibt eine Zusammenstellung von Liber-Liber, eine Non-Profit-Vereinigung zur Förderung der Künste und der Wissenschaften. http://www.liberliber.it/servizi/link/italia/biblioteche_specializzate.htm Das Öffentliche Bibliothekswesen in Italien - Mit der Konstituierung der Regionen ging die Unterhaltspflicht für die Öffentlichen Bibliotheken an die Regionen bzw. die Kommunen über. Nach einem Ministerialerlass von 1972 soll in Italien ein abgestuftes öffentliches Bibliothekssystem aufgebaut werden, ähnlich den Bibliotheksplänen von 1973 und 1993. Ziel war die Schaffung einer Bibliothek für jede Gemeinde. Allerdings herrscht 57 - gerade im Öffentlichen Bibliothekswesen noch immer ein sehr großes Nord-SüdGefälle. Seit jeher sind die Schulbibliotheken in Italien eng mit dem Öffentlichen Bibliothekwesen verknüpft, allerdings gibt es auch hier keine verbindlichen staatlichen Regelungen. 1981 zählte man 12.743 „Schuleinheiten“ (ehrenamtlich betreute Schulbibliotheken). Kooperationen und zentrale Einrichtungen Istituto Centrale per il Catalogo Unico delle Biblioteche Italiane (ICCU) Das Istituto Centrale per il Catalogo Unico delle Biblioteche Italiane wurde 1951 in Rom gegründet, die wichtigsten Ziele des Instituts sind: - Gesamtkatalog aller italienischen Publikationen - Handschriftenzensus - Katalog der Frühdrucke - Erarbeitung von Richtlinien zur Formalerschließung (1978 Einführung der Regole Italiane di Catalogazione per Autore, RICA) http://www.iccu.sbn.it/ Servizio Bibliotecario Nazionale (SBN) Der SBN wurde 1986 gegründet und untersteht dem ICCU. Er bildet den landesweiten Verbund von über 3100 Wissenschaftlichen Bibliotheken (Universitätsbibliotheken, Nationalbibliotheken, etc.). Die wichtigsten Dienstleistungen sind: - Verbundkatalogisierung - ICCU-Verbundkatalog für Publikationen ab 1830 - Kataloge für Altbestand, Karten, Handschriften und Musica practica - Organisation der Fernleihe http://www.sbn.it/ Archivio Collettivo Nazionale Periodici (ACNP) Das Centro Inter-bibliotecario der Universität Bologna verwaltet den ACNP, eine Datenbank, die ca. 700.000 Zeitschriftentitel mit den entsprechenden Bestandsdaten nachweist. Die Datenbank ist mit der ZDB vergleichbar und dient in Italien auch für die Organisation der Fernleihe bzw. der Dokumentenlieferung. http://www.cib.unibo.it/acnp Katalog des ACNP: http://acnp.cib.unibo.it/cgi-ser/start/it/cnr/fp.html Kooperation - - Kooperation beim konventionellen Bestandsaufbau findet in Italien so gut wie nicht statt, allerdings werden auch hier E-Journals und andere elektronische Angebote oft konsortial erworben. Bei den großen Nationalbibliotheken hat die Retrodigitalisierung der eigenen Kataloge oft Vorrang vor innovativen Projekten; wie in der Schweiz werden überregionale Initiativen auch in Italien oft durch die Vielfalt der Bibliothekssysteme verhindert. Verwendet wird zumeist das Datenformat MARC, allerdings in verschiedenen Versionen. 58 Berufsvereinigung 1930 wurde die Associazione Italiana Biblioteche (AIB) gegründet, der einzige allgemeine Bibliothekarsverband in Italien, ein Vorläufer existierte seit 1896. Mitglieder sind über 4500 Einzelpersonen und Bibliotheken. Der AIB hat fachliche und regionale Untergruppen, seine wichtigsten Aktivitäten gelten folgenden Bereichen: - Organisation von Kongressen eigene Publikationen Organisation von Auslandsaufenthalten Lobbyarbeit für das Bibliothekswesen Vertretung des italienischen Bibliothekswesens in internationalen Berufsverbänden und sonstigen Organisationen Fortbildungsangebote http://www.aib.it/ Bibliothekarische Ausbildung - - - Die bibliothekarische Ausbildung in Italien wird zum einen von den Universitäten bestritten, deren Studiengänge jedoch häufig zu akademisch und praxisfern sind; die Studiengänge führen oft zur Promotion. Außerhalb der Bibliotheken halten die verschiedensten Institutionen (Bibliotheken, Gebietskörperschaften, Berufsverbände, etc.) Ausbildungskurse ab, die sich in Zielsetzung, Niveau und Inhalten allerdings stark unterscheiden. Nicht immer verschafft eine abgeschlossene bibliothekarische Ausbildung einem Bewerber einen deutlichen Vorteil. Die Bibliotheken gehen in der Regel davon aus, neue Mitarbeiter selbst auszubilden. 59 Großbritannien Grundlagen Das Vereinigte Königreich von Großbritannien und Nordirland ist eine konstitutionelle Monarchie im Nordwesten Europas, Hauptstadt ist London; gleichzeitig ist es der größte Inselstaat Europas. Es besteht aus den Landesteilen England, Schottland und Wales (auf der Insel Großbritannien) und Nordirland (auf der Insel Irland), sowie einigen Überseeterritorien (Falklands, Gibraltar, Bermudas, St. Helena, etc.). - 244.000 Quadratkilometer 60,4 Millionen Einwohner (74 % bezeichnen sich als Christen, nur 14 % gehören einer Kirche an) 38.100 US $ Bruttoinlandsprodukt pro Person inoffizielle Amtssprache ist Englisch die vier Landesteile sind in Verwaltungseinheiten gegliedert (England 81, Wales 22, Schottland 32 und Nordirland 26 Bezirke) Großbritannien ist geprägt durch die Insellage des Landes und die liberalen Grundüberzeugungen der Briten. Die Landesteile der britischen Inseln 60 Sprachen in Großbritannien Einheimische Sprachen Großbritanniens Großbritannien hat keine offizielle Amtssprache, allerdings wird Englisch von 95 % der Bevölkerung als einzige Sprache gesprochen. Anerkannte Regionalsprachen sind Walisisch (Wales, 600.000 Sprecher), Scots (Schottland, 60.000 Sprecher), Kornisch (Cornwall, 3500 Sprecher) und Ulster Scots (Nordirland 30-100.000 Sprecher), typisch für diese Sprachen sind ihre Randlagen im Norden und Westen des Königreiches. Minderheiten in Großbritannien und ihre Sprachen - Westinder - Sammelbegriff für Einwanderer karibischer oder afrikanischer Abstammung (Black Caribbean, Black African), 1,1 Million Inder - auch wenn sie aus einem Land kommen, unterscheiden sich die Inder doch sprachlich, religiös und kulturell sehr, 1,05 Millionen Pakistanis - wesentlich homogenere Gruppe als die Inder, allerdings oft als solche wahrgenommen, 750.000 zahlreiche weitere Minderheiten - vor allem aus dem Bereich der ehemaligen Kolonien, aber auch aus Osteuropa Englisch als Weltsprache - - Chinesisch ist zwar die meistgesprochene Sprache der Erde (hier ist Englisch nach Spanisch auf Platz drei), Englisch ist jedoch die am weitesten verbreitete. Englisch wird in mehr als 50 Ländern gesprochen und von zahlreichen internationalen Organisationen als Amtssprache verwendet (340 Millionen Muttersprachler, 170 Millionen Zweitsprachler). Englisch ist heute die Lingua franca in nahezu allen Bereichen: Wirtschaft, Politik, Wissenschaft, … In manchen Teilen der Welt wird der hieraus resultierende Anglozentrismus beklagt, für die anglophonen Länder ergeben sich oft bessere Voraussetzungen im internationalen Wettbewerb (vgl. u.a. Nobelpreise). Die anglophone Welt 61 Geschichte Großbritanniens - - - - - - Abgesehen vom Gebiet des heutigen Schottlands waren weite Teile Großbritanniens in der Antike Teile des Imperium romanum mit den hieraus resultierenden Implikationen (Latein, Religion, frühe Kultur). in der Völkerwanderungszeit Niedergang und germanische Eroberung (Angeln, Sachsen, Jüten und Friesen, keltische Randlagen, Heptarchie, Einheitsstaat unter Alfred dem Großen gegen die Bedrohung durch die Wikinger) 1066 Eroberung der Insel durch die Normannen (Hastings), Romanisierung der englischen Sprache, im weiteren Verlauf des Mittelalters und der frühen Neuzeit werden Wales, Schottland und Irland immer mehr von England dominiert (1707 mit dem Act of Union gesetzlich untermauert) Durch den Sieg über Napoleon (entscheidend die Schlacht bei Trafalgar 1805) etabliert sich das United Kingdom als unbestrittene Seemacht, das trotz des Verlustes der USA über ein Weltreich herrscht. Herausragend ist das United Kingdom bei der Industrialisierung im 19. Jahrhundert. Ausbau und Festigung des British Empire in der 2. Jahrhunderthälfte, Zeitalter des Victorianismus. England geht aus beiden Weltkriegen als Siegermacht hervor, nach dem 2. Weltkrieg verliert es seine Kolonien (Commonwealth) und hat mit einem wirtschaftlichen Niedergang zu kämpfen, der heute überwunden ist. Das British Empire Buchdruck und Buchhandel in Großbritannien - - - Der erste Druck in England durch Willam Caxton erscheint im Jahr 1476. Obwohl Großbritannien im Mittelalter ein Zentrum der europäischen Buchkultur war (Book of Kells, Lindisfarne Gospels), stand es bei der Erfindung und Rezeption des Buchdrucks am Rande; im 16. und 17. Jahrhundert spielt das Land kaum eine Rolle. Dies ändert sich ab dem 18. Jahrhundert; London wird neben Leipzig, den niederländischen Städten und Paris zu einem wichtigen Zentrum beim Buchdruck und im Buchhandel. England wird Zentrum eines immer größer werdenden Empires. Der wirtschaftliche Aufschwung stärkt die Binnennachfrage (breitere Volksbildung und Lesefähigkeit). 62 - Die Kolonien stellen auch einen großen Exportmarkt für die nationale Buchproduktion dar. England ist führend in der Industrialisierung (auch in der Buchherstellung). Die Rolle Londons - - Sowohl der Buchdruck als auch der Buchhandel konzentrieren sich sehr stark auf London. Von hier aus wurden die neuen Absatzmärkte in Übersee erschlossen (Nordamerika, Indien, Südafrika, Australien, ...). Erst die Unabhängigkeit und der wirtschaftliche Aufschwung der USA stoppten die Hegemonialstellung Londons auf dem englischsprachigen Weltmarkt. Mittlerweile ist New York die wichtigste Verlagsstadt und viele britische Verlage und Buchhandelskonzerne wurden von US-amerikanischen Konkurrenten aufgekauft oder haben mit ihnen fusioniert. Dennoch ist London in vieler Hinsicht noch immer das Zentrum der kulturell weitgefächerten anglophonen Welt (Zentrum des Commonwealth, Zentrum der anglikanischen Kirche, Sitz des Königshauses, internationaler Organisationen, ...). Großbritanniens Rolle bei der Zeitungspresse - - - Die liberale Grundhaltung in Großbritannien, besonders in England, hat schon früh wichtige Entwicklungen des Zeitungswesens befördert: - Mit „The Daily Telegraph“ erschien 1855 die erste Zeitung, die nur einen Penny kostete. - Nur vier Jahre nach ihrer Gründung erreichte die „Daily Mail“ eine Auflage von einer Million (erstes Massenblatt). - Mit „The Daily Mirror“ erschien 1903 die erste Zeitung für Frauen, diese Spezialisierung ist mittlerweile aber wieder aufgehoben. In den 30er Jahren entbrannte unter den Zeitungsbaronen ein regelrechter Auflagenkrieg um die Massenblätter (1950 erschien das Sonntagsblatt „News of the World“ in einer Auflage von 8,5 Millionen). 1986 verlegte der Australier Rupert Murdoch seine Zeitungen (The Sun, News of the World, Times, Sunday Times) vom Zeitungsviertel (Fleet Street) in den Osten von London und produziert dort mit neuesten Technologien. Das Bibliothekswesen in Großbritannien - - - England ist ein wichtiges Zentrum vor allem des frühmittelalterlichen Bibliothekswesens (iroschottische Mission, angelsächsische Mission), allerdings kam es immer wieder zu Zerstörung der Bibliotheken während der Wikingereinfälle des 8. und 9. Jahrhunderts. Im Spätmittelalter gab es nennenswerte Buchsammlungen in den Kathedral-, Klosterund Universitätsbibliotheken des Landes. Auflösung der Klosterbibliotheken um 1530. Um 1700 entstanden herausragende Privatbibliotheken (Robert Cotton, Thomas Bodley u.a.). Im 19. Jahrhundert kommt es zu zahlreichen Neugründungen von wissenschaftlichen und Öffentlichen Bibliotheken; seither verfügt Großbritannien über ein leistungsstarkes und vielfältiges Bibliothekswesen, das durch eine starke Gründungsund Modernisierungswelle in den 1960ern noch einmal entscheidend verbessert wurde. 63 Rechtliche Grundlagen - - - - Das erste Pflichtexemplarrecht Großbritanniens ist der „Licensing Act“ von 1662, danach stand der Royal Library und den Bibliotheken von Oxford und Cambridge je ein Exemplar jedes britischen Druckwerkes zu. Das heutige Pflichtexemplar geht auf den Copyright Act von 1911 zurück und wurde mehrmals novelliert. Heute gilt für das Pflichtexemplar der Legal Deposit Libraries Act von 2003. Er sieht eine obligatorische Abgabe aller in Großbritannien publizierten Druckwerke an die British Library vor sowie die Abgabe auf Anforderung an fünf weiteren Bibliotheken: - Nationalbibliothek von Schottland - Nationalbibliothek von Wales - University Library of Cambridge - Bodleian Library, Oxford - Bibliothek des Trinity College in Dublin. Der Public Lending Rights Act von 1979 regelt die urheberechtlichen Fragen im Zusammenhang mit der Ausleihe (Entschädigung der Urheber, entspricht funktional der VG Wort in Deutschland). Umfassende Rechtsvorschriften existieren für das Öffentliche Bibliothekswesen mit dem Public Libraries and Museums Act von 1964. Das Wissenschaftliche Bibliothekswesen in Großbritannien a) b) c) Nationalbibliotheken Hochschulbibliotheken Spezialbibliotheken a) Nationalbibliotheken The British Library http://www.bl.uk Geschichte: Die wichtigste Vorläuferorganisation der British Library, die Bibliothek des British Museum (mit dem berühmten 1857 eröffneten Kuppellesesaal) wurde 1753 gegründet. 1973 wurde durch die Zusammenlegung der Bibliothek des British Museum mit mehreren anderen Bibliotheken und Organisationen die British Library begründet (The British Library Act). Zusammengeführt wurden folgende Organisationen: - die Bibliothek des British Museum (diese Institution erhielt seit 1911 die CopyrightExemplare aller in Großbritannien veröffentlichten Drucke) - die Bibliothek des Patentamtes bzw. ab 1962 die Nationalbibliothek für Naturwissenschaften und Erfindungen - die Nationale Zentralbibliothek (Ausleihbibliothek für Studenten) - die Nationale Leihbibliothek für Naturwissenschaften und Technik (zentrale Versorgung der landesweiten Fernleihe) - die Britische Nationalbibliographie - das Amt für naturwissenschaftliche und technische Information Funktion im britischen Bibliothekswesen: - relativ dominierende Stellung als Nationalbibliothek (mehr nationalbibliothekarische Funktionen als z.B. die Deutsche Nationalbibliothek in Frankfurt und Leipzig, allerdings ist sie nicht die einzige Bibliothek mit dem nationalen Pflichtexemplar) 64 - - Archivierung der Pflichtexemplare für das gesamte Königreich (Legal Deposit) Umfassendste Sammlung der ausländischen wissenschaftlichen Literatur in Großbritannien (Diktum von Antonio Panizzi: größte italienische Bibliothek außerhalb Italiens, größte französische Bibliothek außerhalb Frankreichs, …) Höchstes Niveau der Informationsbeschaffung in Großbritannien Erstellt die British National Bibliography (BNB) Verfügt über einen herausragenden Altbestand und einzigartige sprach- und materialbezogene Sonderbestände Zahlen und Daten: - 150 Millionen physische Einheiten in den meisten bekannten Sprachen, dies entspricht 625 Regalkilometern bei einem jährlichen Zuwachs von 12 Kilometern - Mit 260.000 Zeitschriftentiteln (ca. 50.000 laufend) verfügt die British Library über den größten Zeitschriftenbestand Europas. - Die British Library umfasst herausragende Sonderbestände wie Handschriften (310.000 Beowulf, Magna Carta, Beatles, …) , Zeitungen, Karten (4 Millionen), Tonträger, Patente (50 Millionen), Briefmarken (8 Millionen), … - 1200 Leseplätze in den Lesesälen (rund 400.000 Benutzer pro Jahr in den Lesesälen) - über 6 Millionen Suchvorgänge im British Library Online Catalogue Gebäude: Die British Library unterhält heute drei Standorte: - den 1998 fertiggestellten neuen Zentralbau bei St. Pancras, neben dem Magazinbereich und den Lesesälen und dort ist auch die ständige Ausstellung herausragender Werke untergebracht. Der Neubau der British Library ist das größte öffentliche Gebäude Großbritanniens im 20. Jahrhundert; verarbeitet wurden über 10 Millionen Ziegelsteine und 180.000 Tonnen Beton. - die Gebäude in Bosten Spa (Yorkshire / Nordengland), dort ist der Zentralbereich für Ausleihe und Dokumentenlieferung (4 Millionen Fernleihanfragen pro Jahr, damit größter Lieferservice der Welt) - Newspaper Library in Colindale, einem Vorort von London, hier werden vor allem die magazinintensiven Zeitungsbestände aufbewahrt und auch der Benutzung zur Verfügung gestellt. Weitere Nationalbibliotheken Großbritanniens Neben der British Library gibt es noch zwei weitere Nationalbibliotheken in Großbritannien: The National Library of Scotland (mit Sitz in Edinburgh) The National Library of Wales (mit Sitz in Aberystwyth) [Die National Library of Ireland in Dublin gehört zur Republik Irland und damit nicht zu Großbritannien] Die Nationalbibliotheken von Schottland und Wales verfügen über herausragende Sammlungen zu den jeweiligen Landesteilen und Regionen sowie den jeweiligen regionalen Sprachen (Schottisch und Walisisch), wie die British Library haben auch diese Nationalbibliotheken das Pflichtexemplarecht für alle Teile von Großbritannien. Die Bibliothek des Trinity College in Dublin gehört heute zwar politisch nicht mehr zu Großbritannien, übernimmt aber aus historischen Gründen auch nationalbibliothekarische Aufgaben für die gesamten britischen Inseln und profitiert – wie die Nationalbibliotheken von Schottland und Wales und die Universitätsbibliotheken von Cambridge und Oxford – vom britischen Pflichtexemplar. Schottland: http://www.nls.uk/ Wales: http://www.llgc.org.uk/ Irland: http://www.tcd.ie/Library/ 65 b) Hochschulbibliotheken Das Hochschulsystem in Großbritannien - - - Es gibt in Großbritannien ca. 100 Universitäten (ca. 50 Volluniversitäten), die ältesten sind die renommierten Universitäten von Oxford und Cambridge, deren Bibliotheken zu den bedeutendsten im ganzen Land zählen. Dazu kommen 68 weitere Hochschulen (Colleges of Higher Education). Insgesamt studieren in Großbritannien ca. 1,9 Millionen Menschen. London verfügt über mehrere Universitäten, von denen die University of London die bedeutendste ist. Das Niveau der britischen Hochschulen ist sehr unterschiedlich, die berühmten Universitäten gehören zu den besten der Welt, die staatlichen sind wesentlich unter diesem Niveau, erheben jedoch geringere Studiengebühren. Auch wenn die britischen Universitäten streng genommen keine staatlichen Institutionen sind, bekommen sie ca. 75 % ihrer Finanzmittel vom Staat (verteilt durch das „University Grants Committee, diese Organisation entspricht der deutschen Hochschulrektorenkonferenz). 1950 schlossen sich die Wissenschaftlichen Bibliotheken in der Society of College, National & University Libraries zusammen (früher Standing Conference of National and University Libraries, SCONUL). Die Ziele der Organisation sind: - gegenseitiger Nutzen von Innovationen (best practice) - Vertretung der Belange der Wissenschaftlichen Bibliotheken in der politischen Diskussion - Schärfung des Profils der jeweiligen Bibliotheken http://www.sconul.ac.uk/ Die Hochschulbibliotheken Die britischen Hochschulbibliotheken lassen sich in drei Gruppen einteilen: - die mittelalterlichen und frühneuzeitlichen (Oxford, Cambridge, Glasgow, St. Andrews, …) Gründungen des 19. Jahrhunderts (Manchester, Birmingham, Sheffield, Bristol, …) Gründungen nach 1945 (Southampton, Exeter, auch einige in Universitäten umgewandelte Fachhochschulen) Die Ausbauphasen der britischen Universitätsbibliotheken entsprechen damit denen in Deutschland. Probleme der Hochschulbibliotheken Die Hochschulbibliotheken haben zu kämpfen mit: - stark gestiegenen Studentenzahlen stagnierenden Etats bei steigenden Preisen Platzmangel (in Großbritannien ein besonderes Problem, da ein Großteil der Bestände freihand aufgestellt ist) gerade die älteren Hochschulbibliotheken sind oft mehrschichtig angelegt und befinden sich in einem Umstrukturierungsprozess 66 Oxford University Libraries http://www.ox.ac.uk/libraries Oxford ist die älteste Universität Großbritanniens und der englischsprachigen Welt Sie ist aus verschiedenen, meist von Klöstern getragenen Schulen hervorgegangen, deren Existenz schon für das frühe 12. Jahrhundert bezeugt ist. Heute ist die Universität eine traditionsbewusste Eliteuniversität und gleichzeitig ein modernes Hochschulzentrum, in dem 18.000 Studenten aus mehr als 130 Nationen studieren. Die Universität besteht aus 39 Colleges, die sich selbst verwalten. Entsprechend dem Alter der Universität handelt es sich bei den Oxford University Libraries um ein mehrschichtiges System, dem insgesamt über 100 einzelne Bibliotheken angehören, die sich über das gesamte Stadtgebiet verteilen. Allein die 38 größen Collegebibliotheken auf dem Campusgelände vereinen einen Bestand von über 11 Millionen Einheiten, was die Oxford University Libraries nach der British Library zur zweitgrößten Büchersammlung im Vereinten Königreich macht. Dazu kommen noch kleinere Fakultäts- und Institutsbibliotheken. Typischerweise verfügen die einzelnen Collegebibliotheken über umfangreiche Bestände an moderner Forschungsliteratur sowie über einen oft herausragenden Altbestand. Viele der Sammlungen sind von nationaler Bedeutung. Alle Oxford University Libraries nehmen an dem gemeinsamen Nachweissystem Oxford Libraries Information System (OLIS) teil, das den gesamten modernen Bestand über eine Z39.50 Schnittstelle nachweist (insgesamt über 5 Millionen Titel). http://www.lib.ox.ac.uk/olis Die Kooperation, vor allem die Buchbearbeitung, aber auch der Buchtransport der Bestände innerhalb des Campus, erfolgt über den Oxford University Library Service. http://www.ouls.ox.ac.uk Viele der Bibliotheken, die zu den Oxford University Libraries gehören, sind von herausgehobener Bedeutung; wichtige Beispiele hierfür sind die - Bodleian Law Library (Jura) Redcliffe Science Library (Naturwissenschaften) Sackler Library (Archäologie, Kunstgeschichte, Klassische Philologie, Altertumswissenschaften) Social Science Library (Sozialwissenschaften) Taylor Institution Library (Geisteswissenschaften) Die zentrale Universitätsbibliothek der University of Oxford ist jedoch die Bodleian Library. The Bodleian Library http://www.bodley.ox.ac.uk Geschichte: Die Bodleian Library (offizieller Name ist Bodley´s Library) ist eine der ältesten Bibliotheken Europas. Die Erstgründung erfolgte um 1320 in Oxfords akademischem Zentrum. Im Zuge der Reformation kam es zu größeren Verlusten und zu einer zeitweiligen Schließung der Bibliothek. 67 Nach 1597 betrieb der Diplomat Sir Thomas Bodley den Wiederaufbau der Bibliothek, für den er sowohl seine eigene Büchersammlung wie auch sein privates Vermögen aufwendete, mit dem er die Sammlungen systematisch vergrößerte. 1602 wurde die Bibliothek dann mit einer Sammlung von über 2000 Bänden neu eröffnet. Neben den Sammlungen von Thomas Bodley bestand der Grundstock vor allem aus einer Schenkung des Duke of Gloucester, einem Bruder König Heinrichs II. 1605 erschien der erste gedruckte Bibliothekskatalog in England. 1610 erlangte Bodley eine Übereinkunft mit den englischen Verlegern, wonach der Bibliothek ein Freiexemplar von jedem gedruckten Werk zu überlassen war. Diese Übereinkunft wurde allerdings nicht in allen Fällen eingehalten. 1911 wurde die Bodleian Library zu einer der fünf (heute sechs) Bibliotheken mit Pflichtexemplarrecht in Großbritannien erhoben. In den 1930er Jahren wurde das sogenannte New Bodleian Building errichtet, das alte und das neue Bibliotheksgebäude sind durch einen Tunnel mit einer Buchförderanlage verbunden. Bestände: Die Bodleian Library verfügt derzeit über einen Bestand von über 9 Millionen Einheiten (davon rund 6 Millionen Bücher und Zeitschriftenbände, was 176 Regalkilometern entspricht, damit ist auch die Bodleian Library allein die zweitgrößte Bibliothek Großbritanniens). Allerdings gehören zur Bodleian Library auch einige Spezialbibliotheken, u.a. die Bodleian Japanese Library, die Indian Institute Library, etc. mit den entsprechenden Spezialbeständen. Die Lesesäle der Bibliothek bieten rund 2500 Lesern Platz. Digitalisierung: Die Bodleian Library bzw. die Oxford University Libraries sind führend in der Retrodigitalisierung ihrer Bestände. Von besonderer Bedeutung sind zwei Projekte: Oxford Digital Library (ODL) Diese 2001 begonnene Sammlung digitaler Texte besteht aus dem eigenen Bestand und konzentriert sich sehr stark auf die Sondersammlungen und Spezialbestände der Bibliothek, sie bündelt alle Digitalisierungsprojekte der Oxford University Libraries. http://www.odl.ox.ac.uk Google Book Search Über die Oxford Digital Library hinaus kooperierte die Bodleian Library als erste europäische Bibliothek auch mit Google Book Search, um eigene Bestände von Google digitalisieren zu lassen. http://books.google.de The Cambridge University Library http://www.lib.cam.ac.uk Zur Cambridge University Library, der zentralen Universitätsbibliothek der University of Cambridge, gehören neben der eigentlichen Zentralbibliothek noch vier weitere Bibliotheken: - Die Betty and Gordon Moore Library Die Medical Library Die Central Science Library Die Squire Law Library Neben dieser Gruppe von Bibliotheken, die zusammen die Cambridge University Library bilden, gibt es auf dem Campus aber noch zahlreiche unabhängige Collegebibliotheken. 68 Geschichte: - Erste Belege für die Bibliothek finden sich durch Schenkungsanordnung in Testamenten von 1416. - Anfang des 15. Jahrhunderts erfolgt die Erweiterung der Funktion als Universitätsbibliothek. - 1709 greift ein erstes Pflichtexemplarrecht. - 1919 bekommt Cambridge das nationale Pflichtexemplar zugesprochen. - 1931-1934 wird das neue Gebäude der Zentralbibliothek mit sehr großem Aufwand errichtet (damit es zu den Gebäuden der Umgebung passt, werden künstlich gealterte Steine verwendet). Bestände: Insgesamt verfügen die fünf Bibliotheken der Cambridge University Library über einen Bestand von nahezu 8 Millionen Einheiten (inklusive Mikroformen, Einblattdrucke, etc.). Wie die Bodleian Library hat auch die University Library of Cambridge das Pflichtexemplarrecht für Großbritannien. Insgesamt erwirbt die Bibliothek pro Jahr rund 80.000 Medieneinheiten, für die etwas mehr als 3 Millionen Pfund ausgegeben werden. Neben dem Pflichtexemplarbestand und dem wissenschaftlichen Allgemeinbestand verfügt die Cambridge University Library über zahlreiche renommierte thematische (Jura, Lateinamerika, Medizin, …) und medienspezifische (Dissertationen, Zeitungen, Fotographien, Karten, …) Sondersammlungen. Benutzung: Jährlich werden rund 210.000 Einheiten entliehen. Eine Ausleihe außerhalb der Bibliotheksgebäude ist nur für Graduierte möglich. Benutzer, die nicht der University of Cambridge angehören, benötigen ein Referenzschreiben und müssen eine Gebühr entrichten. Kataloge: Die wichtigsten Zugriffsinstrumente auf die Bestände der Cambridge University Library bieten die folgenden Kataloge: a) Newton (ist der Gesamtkatalog des universitären Bibliothekssystems von Cambridge, er umfasst die Hauptbibliothek mit ihren vier Zweigstellen und fast alle darüber hinaus existierenden Collegebibliotheken, einzelne Teile des Bestands können auch separat durchsucht werden, z.B. nur der Katalog der Zentralbibliothek mit den vier Zweigstellen, etc.) http://www.lib.cam.ac.uk/newton b) Janus (bietet seit 2002 Zugriff auf die Archivbestände der Cambridge University Library und weiterer Institutionen) http://janus.lib.cam.ac.uk Darüber hinaus existiert noch eine Reihe von Spezialkatalogen vor allem zu den Sonderbeständen der Cambridge University Library, beispielsweise den ostasiatischen Beständen. 69 c) Spezialbibliotheken - Die ersten Spezialbibliotheken waren die der verschiedenen wissenschaftlichen Gesellschaften und Akademien, die bis ins 18. Jahrhundert zurückreichen. - Heute gibt es ca. 2.000 Spezialbibliotheken in unterschiedlichster Trägerschaft: - Behörden (Parlamente, Verwaltungen, ...) - Forschungsinstitutionen und Verbände (sieben staatliche Research Councils, National Health Service, ...) - wissenschaftliche Gesellschaften (Royal Society of Chemistry, ...) - Verbände und Firmen (Institution of Electrical Engineers, ...) Viele der britischen Spezialbibliotheken sind in dem 1924 gegründeten Dachverband Association for Information Management zusammengeschlossen, der heute auch international tätig ist. http://www.aslib.co.uk/index.html - Das Öffentliche Bibliothekswesen in Großbritannien - - Bereits 1850 verpflichtete der Libraries Act die Kommunen Öffentliche Bibliotheken einzurichten, wenn sich die Mehrheit der Steuerzahler dafür aussprach. In der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts wurden mehr als die Hälfte aller britischen Öffentlichen Bibliotheken von der Stiftung des schottisch-armenischen Milliardärs Andrew Carnegie unterstützt (allein 380 Bibliotheksgebäude wurden auf diese Weise errichtet). Während des zweiten Weltkriegs erlitt das Öffentliche Bibliothekswesen schwere Verluste (ca. 750.000 Bände). Die Grundlagen des heutigen Öffentlichen Bibliothekswesens gehen auf ein Gesetz von 1964 zurück, das die Kommunen verpflichtet „ausreichende bibliothekarische Dienstleistungen“ zu schaffen. Heute ist das Öffentliche Bibliothekswesen in Großbritannien gut ausgebaut und wird hervorragend angenommen. Es umfasst ca.: - 5.500 Öffentliche Bibliotheken 137 Millionen Medieneinheiten 480 Millionen Ausleihen pro Jahr 35 Millionen eingeschriebene Bibliotheksbenutzer (58 % der Gesamtbevölkerung, was ein herausragend hoher Wert ist) Problematischer war dagegen lange Zeit die Situation der Schulbibliotheken, meist existieren sie nur in den Sekundarstufen und verfügen selten über eine bibliothekarische Betreuung. Dieser Zustand hat sich in den letzten Jahren erheblich verbessert. Mittlerweile leisten die Schulbibliotheken intensiv die Versorgung der Schüler mit elektronischen Informationen, gewähren den Zugang ins Internet und vermitteln Informationskompetenz. - Mit der School Library Association besteht in Großbritannien bereits seit 1937 ein eigener Verband der Schulbibliotheken, der zahlreiche Fortbildungen anbietet, BestPractice-Lösungen vorstellt, eine Zeitschrift herausgibt und Bibliotheken in Einzelfragen berät. http://www.sla.org 70 Kooperationen und zentrale Einrichtungen Erwerbung Abgesehen von Konsortien für die Zeitschriftenerwerbung gibt es in Großbritannien nahezu keine Erwerbungsabsprachen, was sicher auch an der beherrschenden Stellung der BL und der großen Universitätsbibliotheken von Oxford und Cambridge liegt. Erschließung Die Formalerschließung erfolgt nach AACR2, die Klassifikation nach DDC und LCC, das Datenformat ist UKMARC. Für die Verbundkatalogisierung betreibt das Consortium of University and Research Libraries (CURL) eine kostenpflichtige Datenbank mit ca. 32 Millionen Datensätzen. Verbundkatalog Für den Benutzer wichtig ist ein zweiter, ebenfalls vom Consortium of University and Research Libraries (CURL) angebotener Verbundkatalog, der so genannte COPAC: - 28 bedeutende Bibliotheken (alle Nationalbibliotheken und die wichtigsten Universitätsbibliotheken) bilden den Verbund - er umfasst ebenfalls 32 Millionen Titeldaten - er verfügt über eine Z39.50 Schnittstelle und ist in den Karlsruher Virtuellen Katalog integriert http://copac.ac.uk/ Benutzung Das System der Fernleihe ist in Großbritannien wesentlich hierarchischer organisiert als in Deutschland, fast alle Fernleihen gehen über das Documtent Supply Center der British Library in Boston Spa. http://www.bl.uk/services/document/dsc.html Berufsverbände - - Durch die Vereinigung der 1877 gegründeten Library Association und dem Institute of Information Scientists wurde im April 2002 das Chartered Institute of Library and Information Professionals (CILIP) gegründet. CILIP hat 23.000 Mitglieder und vertritt das britische Bibliothekswesen in der politischen Diskussion, in internationalen Organisationen (u.a. auch in der Commonwealth Library Association COMLA) und verfolgt folgende Ziele: - Angebot von Aus- und Fortbildung (eigne Angebote und Zertifizierungen von fremden Ausbildungsgängen) - Lobbyarbeit - Weiterentwicklung bibliothekarischer Standards - Initiative für kooperative Projekte http://www.cilip.org.uk Bibliothekarische Ausbildung - Bis in die 1960er Jahre fand die Bibliotheksausbildung nahezu ausschließlich in der Praxis statt, Examina wurden von der Library Association abgenommen. Die britische Ausbildungsordnung unterscheidet zwei Ausbildungsarten: Man kann Bibliothekswissenschaft als Erst- oder Aufbaustudium an verschiedenen Hochschulen studieren (17 dieser Studiengänge sind von der CILIP zertifiziert). Diese Studiengänge sind sehr akademisch und oft ohne jeden Praxisanteil. Dieser Ausbildungsgang ist im Vergleich zum deutschen System zwischen dem gehobenen und dem höheren Dienst angesiedelt. 71 - Das Library and Information Assistant Certificate kann man nach der Mittleren Reife durch den Besuch eines Colleges oder durch einen Fernstudiengang erwerben. Diese Laufbahn entspricht der des Bibliotheksassistenten. 72 Vereinigte Staaten von Amerika Grundlagen Die 1776 durch die Unabhängigkeitserklärung entstandene präsidiale Bundesrepublik gewann durch rasche Industrialisierung und Immigration aus Europa im 19. Jahrhundert schnell an wirtschaftlichem und politischem Einfluss. Als Siegermacht der beiden Weltkriege sind die USA nach dem Zerfall der Sowjetunion heute die einzig verbleibende Supermacht. Zu den kontinentalen Kerngebieten treten noch die Überseeterritorien in der Karibik und im Pazifik. - 9,6 Millionen Quadratkilometer 300 Millionen Einwohner 42.000 USD Bruttoinlandsprodukt pro Einwohner Gliederung in 50 Bundesstaaten Vielvölkerstaat unterschiedlichste geologische und Klimazonen (Alaska bis New Mexico) Die Bundesstaaten der USA Bevölkerungsgruppen der USA Traditionell gelten die USA als Schmelztiegel der Nationen, dies ist zutreffend auf Grund der Vielzahl der unterschiedlichen ethnischen und nationalen Bevölkerungsgruppen, jedoch nicht zutreffend im Bild des Schmelztiegels, da die einzelnen Ethnien sich oft eben nicht vermischen. 73 Die wichtigsten Gruppen sind: - Indianer (Urbevölkerung) Engländer, Franzosen und Spanier (erste Siedler der Kolonien) deutschsprachige Einwanderer und Iren (Mitte des 18. bis Mitte des 19. Jahrhunderts) Italiener, Osteuropäer, Skandinavier (nach 1850) (74 % der Bevölkerung stammen aus Europa) Afroamerikaner (Nachfahren der importierten Sklaven, ca. 13 %) Asiaten (ca. 4 %) zahlreiche Lateinamerikaner leben als illegale Einwanderer vor allem in den Südstaaten Sprachen in den USA - - - - Auch wenn es keine offizielle Amtssprache in den USA gibt, ist doch amerikanisches Englisch historisch bedingt die meistgesprochene Sprache der USA. Am 18. Mai 2006 wurde Englisch zur „Nationalsprache“ ernannt. Hinzu kommen die Sprachen der verschiedenen Einwanderergruppen, die in einheitlich besiedelten Regionen bis heute lebendig blieben (wichtigste Sprache ist Spanisch), und die Sprachen der Ureinwohner. Eine sprachhistorisch besonders interessante Minderheitensprache ist das Pennsylvania-Dutch, die Sprache der Amischen (auch Amish-People), mit ca. 300.000 Sprechern, das die historische Sprachstufe der pfälzischen Dialekte des 18. Jahrhunderts konservierte. Zur Bedeutung des Englischen als Weltsprache vergleiche Großbritannien. Geschichte der USA - - - - - - Nach der ersten europäischen Besiedlung Nordamerikas durch spanische Siedler im 16. Jahrhundert kam es 1620 aus religiösen Gründen zur Immigration der Pilgrim Fathers aus Großbritannien; im 16. und 17. Jahrhundert erfolgte dann die Gründung erster britischer, französischer, skandinavischer und niederländischer Kolonien auf dem Boden der heutigen USA. Nach dem Unabhängigkeitskrieg erklärten sich die USA 1776 unabhängig vom britischen Mutterland (1783 wurde diese einseitige Erklärung von Großbritannien anerkannt). Im Verlauf des 19. Jahrhunderts kam es zu immer größeren Auseinadersetzungen zwischen den Nord- und den Südstaaten um die Frage der Sklaverei. Hieraus entwickelte sich 1860 bis 1865 der Amerikanische Bürgerkrieg (auch Sezessionskrieg, z.T. auch von 1861-1865 datiert). Um 1900 wachsen die USA zum Wirtschaftsriesen (Bell, Ford, Edison, Rockefeller, …) und spätestens durch den Eintritt in den ersten Weltkrieg auch zur militärischen Macht. Die Militärmacht der USA war von entscheidender Bedeutung im 2. Weltkrieg (Abwurf der ersten Atombomben), der nahtlos durch den Kalten Krieg (Vietnam) und das globale Wettrüsten abgelöst wurde. seit dem 11. September 2001 innenpolitische Auseinandersetzung um die Antwort auf den internationalen Terrorismus (Bürgerrechtsdenken vs. Schutz durch intensive Überwachungsmaßnahmen) 74 Geschichte des Bibliothekswesens der USA - - Im Vergleich zu den europäischen Ländern kann das US-amerikanische Bibliothekswesen natürlich nur auf eine kürzere Tradition zurückschauen, dennoch ist es stark entwickelt und wird in den USA mehr als in anderen Teilen der Welt als wichtiger Teil der Gesellschaft, der Erziehung und der Bildung angesehen. Es gab vielfältige Kontakte zwischen dem deutschen und dem amerikanischen Bibliothekswesen. Zum Beispiel kauften nach 1900 viele amerikanische Bibliotheken deutsche Privatbibliotheken und Zimelien, der deutsche Fachreferent entspricht dem Subject Librarian, das Prinzip der „Free public library“ hat das deutsche Bibliothekswesen nach 1945 stark beeinflusst (idealtypisch noch heute festzustellen in der Amerika-Gedenk-Bibliothek in Berlin). Die USA als Druck- und Verlagsnation - - Durch die über lange Zeit engen Verbindungen zum britischen Mutterland hatten die Kolonien in Nordamerika einen späten Druckbeginn. Die erste Presse in Amerika wurde 1544 von Jesuiten in Mexiko-Stadt errichtet. Die erste auf dem Boden der USA wurde 1638 in Cambridge Massachusetts von der Witwe eines englischen Druckers in Betrieb genommen. Heute sind die USA die leistungsfähigste Druck- und Verlagsnation der Welt, eine Tendenz, die durch die Konzentrations- und Globalisierungsprozesse noch verstärkt wird. Hierbei profitieren die USA von: - dem weltweiten Absatz englischsprachiger Publikationen - der wirtschaftlichen Stärke des Landes - dem technischen Entwicklungsstand - der intensiven Forschungstätigkeit Rechtliche Grundlagen - - - Das Pflichtexemplarrecht hängt in den USA sehr eng mit dem Urheberrecht zusammen. Der Copyright Act von 1978 bestimmt, dass zum Schutz des Urheberrechts zwei Exemplare eines Werkes beim Copyright Office der Library of Congress hinterlegt werden müssen. Insofern entspricht die Lösung der USA nicht exakt dem Pflichtexemplarecht in Deutschland. Bei den Hochschulbibliotheken finden sich die rechtlichen Grundlagen in den Verfassungen der Bundesstaaten oder den Verordnungen der Kommunen (je nach Trägerschaft), bei privaten Hochschulen in deren Statuten. Öffentliche Bibliotheken gelten als Teil des Erziehungswesens und fallen in die Kompetenz der Bundesstaaten, die zumeist über Bibliotheksgesetze verfügen. Hierzu kommen ergänzende Bundesgesetze. Einen umfassenden, vor allem statistisch interessanten Überblick über das gesamte Bibliothekswesen der USA bietet das Library Statistics Program, das 1989 vom National Center for Education Statistics (NCES) begründet wurde (vergleichbar der deutschen Bibliotheksstatistik): http://nces.ed.gov./surveys/libraries/ 75 Das Wissenschaftliche Bibliothekswesen in den USA a) b) c) d) Nationalbibliotheken (LoC, NLM und NAL) Hochschulbibliotheken Spezialbibliotheken State Library Agencies a) Nationalbibliotheken der USA The Library of Congress http://www.loc.gov Die Library of Congress, gegründet als Parlamentsbibliothek des US-Kongresses, ist heute zugleich die Nationalbibliothek der USA. Sie ist nach eigener Aussage die größte Bibliothek der Welt mit herausragenden Alt- und Sonderbeständen. Geschichte: - 1800 nach der Verlegung des Regierungssitzes von Philadelphia nach Washington D.C. gegründet als Forschungsbibliothek des US-Kongresses - 1814 im britisch-amerikanischen Krieg abgebrannt - den Grundstock für den Neuanfang bildete die Privatbibliothek Thomas Jeffersons (ca. 6500 Bände) - rasche Entwicklung nach einem erneuten Bibliotheksbrand 1851 Gebäude: Die drei Gebäude der Library of Congress befinden sich alle auf dem Capitol Hill und sind durch ein unterirdisches Tunnelsystem verbunden. - Thomas Jefferson Building im italienischen Renaissancestil von 1897 (historistische Bauweise, mit dominierendem zentralem Kuppellesesaal) John Adams Building von 1938 im Jugendstil (wichtiger Magazinbau mit einem zweiten großen Lesesaal) James Madison Memorial Building, ein nüchterner Bau von 1980 (beherbergt die Zeitschriftenbestände, die Verwaltung, die IT-Technik und verschiedene Spezialabteilungen) Bestände: - 130 Millionen Einheiten, darunter mehr als - 29 Millionen gedruckte Bände und andere Druckmaterialien (ca. 850 Kilometer Regalfläche), täglich kommen ca. 10.000 Einheiten dazu. - 2,7 Millionen Tonaufnahmen - 12 Millionen Fotos - 4,8 Millionen Karten und Pläne - 58 Millionen (überwiegend neuzeitliche) Handschriften - die Bestände repräsentieren mehr als 460 Sprachen - jedes Werk, das den Urheberschutz verlangt, muss vom Verleger kostenlos in zwei Exemplaren an die Library of Congress bzw. das dort angesiedelte Copyright Office abgeliefert werden – dies entspricht im Ergebnis weitgehend dem Pflichtexemplarrecht, hat allerdings eine andere Rechtsgrundlage als die Praxis in Deutschland Die Library of Congress Classification (LCC): Sie wurde 1897 von Herbert Putnam entwickelt und ersetzte das von Thomas Jefferson eingeführte System. Heute wird die Library of Congress Classification von 76 Forschungseinrichtungen und Universitätsbibliotheken in den USA und anderen Ländern verwendet, die Öffentlichen Bibliotheken benutzen überwiegend die Dewey Decimal Classification. Die Library of Congress Subject Headings: Die Library of Congress gibt auch die Library of Congress Subject Headings (LOCSH) heraus, die sich weltweit einer sehr großen Beliebtheit erfreuen, durchaus auch in nichtenglischsprachigen Ländern. Neben den klassischen Aufgaben einer Nationalbibliothek (Sammeln und Verzeichnen der nationalen Buchproduktion, nationales Informationszentrum) ist die Library of Congress auch heute noch die Forschungs- und Servicebibliothek für den Kongress (u.a. unterhält sie den Congressional Research Service). Darüber hinaus ist die Library of Congress ein wichtiges Digitalisierungszentrum und versteht sich auch auf dem digitalen Weg als Zugangsportal zum kulturellen Erbe der USA. Neben der „eigentlichen“ universalen Nationalbibliothek der USA, der Library of Congress, existieren noch zwei weitere fachgebundene Bundesbibliotheken, die das Angebot der Library of Congress ergänzen: National Library of Medicine (NLM, Bethesda / Maryland) 1836 gegründet, ist sie heute die größte medizinische Fachbibliothek weltweit und produziert mit Medline und ca. 20 anderen Datenbanken die wichtigsten fachspezifischen Informationsangebote; sie ist das Zentrum der medizinischen Dokumentenlieferung der USA und des nationalen Verbundsystems der medizinischen Bibliotheken. http://www.nlm.nih.gov/ Die National Agricultural Library (NAL, Beltsville / Maryland) spielt auf ihrem Fachgebiet eine ähnliche Rolle wie die National Library of Medicine für Medizin, produziert wichtige Datenbanken, u.a. Agricola http://www.nal.usda.gov/ b) Hochschulbibliotheken Das Hochschulsystem in den USA Grundsätzlich unterscheidet das amerikanische Hochschulwesen zwischen: - - Colleges Sie vermitteln nach der High School eine breitere Allgemeinbildung, aber auch fachspezifische Kenntnisse (zweijährig ähneln sie der deutschen Oberstufe, vierjährig einem Grundstudium). Universities Sie bieten Absolventen der Colleges ein spezialisierteres Bildungsangebot (vergleichbar den deutschen Universitäten). Im Niveau und im Prestige der Hochschulen gibt es erhebliche Unterschiede, wobei die Universitäten der sogenannten Ivy League besonders angesehen sind (Harvard, Yale, Princeton, etc.). http://www.globalcomputing.com/CollegesContent.htm 77 Die Hochschulbibliotheken - - - In der Regel bestehen Hochschulbibliotheken in den USA aus einer Zentralbibliothek und Zweigbibliotheken, die auf dem Campus oder auf mehreren Standorten verstreut sind (Multi-Campus-Universitäten). Trotz dieser räumlichen Aufgliederung herrschen funktional einschichtige Systeme vor. Die Erwerbung stützt sich – vor allem bei den kleineren Universitätsbibliotheken – sehr stark auf Standing Order und Approval Plans, was zu homogenen Beständen der einzelnen Hochschulen führt. Approval Plans sind Abmachungen zwischen der Bibliothek und einem Verlag oder Lieferanten, der die Bibliothek nach einem festgelegten Profil mit Publikationen beliefert; im Gegensatz zum Standing Order kann ein Teil der gelieferten Bücher zurückgegeben werden. Ein Fachreferentensystem im deutschen Sinne haben vor allem die großen Universitätsbibliotheken. Mit anderen Forschungsbibliotheken sind eine Vielzahl von Hochschulbibliotheken im Center for Research Libraries zusammengeschlossen, derzeit hat das Center for Research Libraries rund 200 Mitglieder. http://www.crl.edu/ c) Spezialbibliotheken in den USA Die Statistik der American Library Association (ALA) verzeichnet ca. 10.000 Spezialbibliotheken. Die meisten werden von industriellen und technischen Firmen betrieben und sind dem konkreten Informationsbedürfnis ihrer Kunden und den ökonomischen Bedürfnissen der Institutionen natürlich stärker verpflichtet als kulturellen Zielen bzw. der allgemeinen Informationsversorgung. - - Die Bibliothekare dieser Spezialbibliotheken werden zumeist als Informationsmanager bezeichnet. Eine Besonderheit stellen die sogenannten Independent Research Libraries dar, die in der Regel nicht öffentlich finanziert werden, z.B. die Bibliotheken wissenschaftlicher Gesellschaften oder die Forschungsbibliotheken großer Public Libraries (z.B. die Getty Research Library Los Angeles). Vereinigt sind diese Bibliotheken in der 1972 gegründeten Independent Research Libraries Association (IRLA), der als einziges ausländisches korrespondierendes Mitglied die Herzog-August-Bibliothek Wolfenbüttel angehört. http://irla.lindahall.org/ d) State Library Agencies - eine Besonderheit der USA - - Bei den State Library Agencies handelt es sich ursprünglich zumeist um die Parlamentsbibliotheken der einzelnen Bundesstaaten; heute sind es vielfach Behörden, die für die Entwicklung des Serviceangebotes und der Bibliothekstechnik eines Bundesstaates zuständig sind und gleichzeitig Archivaufgaben für den jeweiligen Staat und Serviceleistungen für das Parlament übernehmen. Zusammengeschlossen sind die State Library Agencies im Verband Chief Officers of State Library Agencies, der sich vor allem um landesweite Vereinheitlichungen des bibliothekarischen Serviceangebots bemüht. http://www.cosla.org/ 78 Das Öffentliche Bibliothekswesen in den USA - - - - - - Das Öffentliche Bibliothekswesen der USA entwickelte sich vor allem zwischen 1850 und 1920 auch dank starker privater Initiativen (z.B. der Sponsorentätigkeit des Milliardärs Andrew Carnegie) und steht dem Wissenschaftlichen Bibliothekswesen näher als in Deutschland. Mehr als in Deutschland beruht das Prestige der Public Libraries auf der Überzeugung, dass jedermann das Recht auf Ausbildung, geistige Entfaltung und Teilnahme am politischen Leben besitzt. Bibliotheken werden als Teil und Hilfsmittel des amerikanischen Traums betrachtet. Neben den wichtigen kommunalen Unterhaltsträgern sind auch staatliche und private Zuschüsse für die Öffentlichen Bibliotheken von großer Wichtigkeit. Viele Öffentliche Bibliotheken haben Freundesvereine und ehrenamtliche Mitarbeiter. Auch Spenden und Erbschaften ergehen in den USA in höherem Maße an Bibliotheken als in Deutschland. Neben einer Zentralbibliothek mit der zentralen Buchbearbeitung existieren in großstädtischen Bibliothekssystemen oft 40 und mehr Zweigstellen für die Literaturversorgung vor Ort. Seit den 1990er Jahren hat sich das Angebot der Öffentlichen Bibliotheken etwas verschoben: Heute bemühen sich die Public Libraries verstärkt um Menschen, die eine Bibliothek nicht selbst besuchen können (Senioren, kranke und behinderte Menschen) und solche mit unzureichenden Englischkenntnissen. Ein weiterer Schwerpunkt ist die Versorgung der Bevölkerung mit technischen Medien und die Vermittlung von Informationskompetenz. Heute gibt es in den USA mehr als 10.000 Öffentliche Bibliotheken. Einen guten Überblick über die Public Libraries der USA und ihre vielfältigen Angebote gibt die unabhängige Seite: http://www.publiclibraries.com/ The New York Public Library http://www.nypl.org Geschichte: Die New York Public Library wurde am 23. Mai 1895 als private Stiftung gegründet. Der Nachlass von Samuel J. Tilden (ca. 2,4 Millionen Dollar) sollte dazu verwendet werden, eine Bibliothek in New York zu errichten. Der Nachlassverwalter John Bigelow führte mit dem Vermögen von Tilden die finanziell angeschlagene Lenox Library und die Astor Library (beide sind nach ihren Stiftern benannt) zusammen und gründete so die New York Public Library. - - 1901 fusionierte die New York Free Circulating Library mit der New York Public Library. Mit der Spende von Andrew Carnegie (5,2 Millionen Dollar) wurden Zweigstellen in ganz New York gegründet. 1896 stellte die Stadt New York Gelder für einen großen Bibliotheksneubau zur Verfügung. 1911 wurde das Hauptgebäude an der Fifth Avenue eröffnet; der markante Bibliotheksbau ist in den USA sehr bekannt und wurde bereits mehrfach als Filmkulisse verwendet. 1980ff. bekam die Bibliothek erhebliche Erweiterungen im Magazinbereich, wobei die neuen Magazine größtenteils unterirdisch gebaut wurden. 79 - Heute unterhält die New York Public Library neben der Zentrale und drei weiteren eher wissenschaftlich ausgerichteten Sammlungen 85 weitere Zweigstellen im gesamten Stadtgebiet, die den öffentlichen Bereich versorgen und teilweise eigene Schwerpunke aufweisen (sogenannte Branch Libraries). Die vier wissenschaftlichen Zweigbibliotheken neben der Zentralbibliothek sind die: - Humanities and Social Science Library - New York Public Library for the Performing Arts - Soumburg Center for Reseach in Black Culture - Science, Industry and Business Library Zahlen und Daten: - Insgesamt besitzt die New York Public Library mehr als 50,6 Millionen Medienstücke (44 Millionen in den wissenschaftlichen Bereichen), davon entfallen ca. 20 Millionen auf Bücher. - Die Bibliothek verfügt über 2360 Vollzeitbeschäftigte und 850 Teilzeitbeschäftigte. - 13,6 Millionen Menschen nutzen die New York Public Library. - 2,21 Millionen verfügen über einen Bibliotheksausweis. - Im Jahr 2005 hatte die Bibliothek Gesamtausgaben in Höhe von 310 Millionen USDollar. - Die New York Public Library bildet das größte Öffentliche Bibliothekssystem der USA, sie gilt als die zweite Nationalbibliothek. - Neben der Stadt New York tragen bis heute viele Sponsoren zum Unterhalt der New York Public Library bei. New York Public Library Digital: In der Sektion New York Public Library Digital stellt die Bibliothek einen Großteil ihrer Bestände online zur Verfügung, wobei ein besonderes Schwergewicht auf historische Karten, seltene Fotographien, illuminierte Handschriften, Kunstgegenstände u.a. gelegt wird. Derzeit stellt New York Public Library Digital über 550.000 digitale Bilder zur Verfügung, die über eine Suchmaschine recherchiert werden können, aber auch nach Kategorien und Themen sortiert zur Verfügung stehen. http://digitalgallery.nypl.org/nypldigital/index.cfm Schulbibliotheken in den USA - - - Nachdem noch in den 50ern nur etwa die Hälfte der US-amerikanischen Schulen Bibliotheken besaß (meist nur Büchersammlungen in Klassenzimmern), hat die Reformbewegung der 60er Jahre hier vieles verändert. Heute gibt es in den USA rund 100.000 Schulbibliotheken, die zum Teil von ausgebildeten Spezialisten geleitet werden. Sehr rasch haben sich die Schulbibliotheken der USA zu Medienzentren entwickelt, da AV-Medien schon lange eine wichtige Rolle im Unterricht spielen. Heute ist die Versorgung der Schüler mit dem Zugang zu digitalen Informationen aus dem Internet ein wichtiger Bestandteil der Aufgaben von Schulbibliotheken. Ein zwar internationales, allerdings stark US-zentriertes Verzeichnis von Schulbibliotheken bietet die Website: http://www.school-libraries.net 80 Kooperationen und zentrale Einrichtungen Online Computer Library Center (OCLC) Auf Grund seiner weltweiten Aktivitäten und der vielen zugehörigen internationalen Partner müsste das Online Computer Library Center eigentlich den internationalen Organisationen zugeordnet werden. Wegen seiner Entstehungsgeschichte und seiner bis heute hohen Bedeutung als US-amerikanischer Bibliotheksverbund wird es hier im Zusammenhang mit den amerikanischen Kooperationen und Verbünden behandelt. - - - 1967 gründeten die Leiter der Colleges und Universitäten des US-Staates Ohio das Ohio College Library Center (OCLC), um ein für die Bibliotheken gemeinsam nutzbares Computersystem zu entwickeln. Wichtigstes Ziel war die gegenseitige Datenübernahme für die Verbundkatalogisierung und die Schaffung elektronischer Kataloge. Ausgehend von diesen Basistools hat das Online Computer Library Center bis heute eine rasante Weiterentwicklung erfahren. Die Internationalisierung des Verbundes erfolgte 1977/78 durch die Bereitstellung von 750.000 Katalogdaten aus dem Verbundkatalog für die Königliche Bibliothek der Niederlande. Heue ist das Online Computer Library Center ein international tätiger Verbund, dem u.a. auch die Nationalbibliotheken von Großbritannien, Frankreich und Deutschland angehören. Insgesamt gehören OCLC heute 57.000 Bibliotheken in 112 Ländern an. PICA OCLC in Leiden ist die europäische Zentrale des Online Computer Library Center. Neben seinem Verbundkatalog bietet der OCLC den teilnehmenden Bibliotheken eine Vielzahl weiterer Dienstleistungen. Eines der wichtigsten Angebote des Online Computer Library Center ist der von 9000 teilnehmenden Bibliotheken und Institutionen gemeinsam erstellte „WorldCat“, der Online Union Catalog. Derzeit umfasst der WorldCat rund 84 Millionen bibliographischer Daten in 410 Sprachen mit 1,15 Milliarden Besitznachweisen. OCLC bietet die Daten des WorldCat in gestaffelten, z.T. kostenpflichtigen Zusammenstellungen an. Das Online Computer Library Center: Der WorldCat : http://www.oclc.org/ http://www.oclc.org/worldcat Research Libraries Group (RLG) Seit Juli 2006 ist die Research Libraries Group, ein international ausgerichteter gemeinnütziger Verbund von ca. 150 wissenschaftlichen Institutionen (Bibliotheken, Museen, Archive…), Teil des Online Computer Library Center. Im Zuge der Vereinigung mit OCLC wurde der Verbundkatalog der Research Libraries Group (Research Libraries Information Network) in den WorldCat aufgenommen. Trotz der Fusion bietet die Research Libraries Group auch heute noch eigenständige Dienstleistungen an. http://www.rlg.org/ Kooperationen Erwerbung Wie in vielen Ländern existieren Erwerbungsabsprachen zwar auf lokaler Ebene, nicht jedoch auf nationaler. Dies liegt sicherlich auch an der starken Rolle der Library of Congress und der beiden ergänzenden Nationalbibliotheken. 81 Erschließung Die Erschließung wird durch folgende Faktoren bestimmt: - einheitliches Regelwerk (AACR 2) - einheitliche Verwendung von Normdaten (Personen, Körperschaften, Schlagworte) - einheitliche Klassifikation (Library of Congress-Classification, auch Dewey Decimal Classification, die in den USA sehr bekannt sind und auch aktiv vermittelt werden, vgl. auch die online angebotenen Dewey-Quiz-Spiele und den populären DeweyRap) - überragende Rolle der Library of Congress als Produzent und Lieferant von bibliographischen Daten und Normdaten - den großen Verbünde stehen riesige bibliographische Datenbanken zur Verfügung (vgl. z.B. den WorldCat von OCLC) Benutzung Es gibt kein nationales System der Fernleihe, jedoch Absprachen zwischen einzelnen Bibliotheken bzw. Netze einzelner Bundesstaaten. Die Dokumentenlieferung spielt eine große Rolle und ist sehr gut ausgebaut, wobei es neben den bibliothekarischen auch zahlreiche kommerzielle Anbieter gibt. Berufsverbände Der wichtigste Berufsverband des amerikanischen Bibliothekswesens ist die American Library Association (ALA). Mit dem Gründungsjahr 1876 und mehr als 64.000 Mitgliedern ist sie der älteste und mit Abstand größte Bibliothekarsverband der Welt. Die American Library Association - leistet Facharbeit unterstützt die Lobbyarbeit der Bibliotheken veranstaltet Konferenzen und Fortbildungsveranstaltungen (halbjährliche Konferenzen) hat 11 Fachabteilungen (Divisions) gibt eigene Publikationsreihen heraus Das Motto der American Library Association lautet: “The best reading for the greatest number at the least cost.” http://www.ala.org/ Bibliothekarische Ausbildung - - - Seit dem Beginn der professionellen Berufsausbildung sind die Ausbildungsstätten in den USA Universitäten oder Colleges angeschlossen. Die Studiengänge enden mit dem Bachelor- oder dem Masterabschluss und werden von der American Library Association sehr streng zertifiziert (nur 68 Anerkennungen von 400 Studiengängen). Ein stärkerer Schwerpunkt als in Deutschland wird bei der Bibliothekarsausbildung auf den IT-Bereich gelegt, aber auch grundsätzlich findet eine stärkere Spezialisierung als in Deutschland statt: - nach Tätigkeit (Erwerbungs-, Auskunfts-, Zeitschriftenbibliothekar) - nach Zielgruppe (Kinder, Jugendliche, behinderte Menschen, etc.) - nach Fachrichtung (Medizin, Jura, etc.) Fast alle Ausbildungseinrichtungen sind in der bereits 1915 gegründeten Association for Library and Information Science Education (ALISE) zusammengeschlossen, die sich um eine Vergleichbarkeit der vielfältigen Ausbildungsangebote bemüht. http://www.alise.org/ 82 Skandinavien Grundlagen Die Bedeutung des Wortes „Skandinavien“ wird in unterschiedlichen Zusammenhängen sehr uneinheitlich gebraucht: - - Geographisch umfasst es die Landmasse der Halbinsel, auf der sich Schweden und Norwegen befinden. In Deutschland wird Finnland auf Grund seiner geographischen und politischen Nachbarschaft ebenfalls häufig zu Skandinavien gezählt. Kulturell und sprachlich umfasst es neben Norwegen und Schweden auch Dänemark und die Inseln Island und Färöer. Politisch umfasst Skandinavien auch noch Grönland, das mit den genannten Ländern im 1952 gegründeten Nordischen Rat zusammengeschlossen ist. Hier werden die gemeinsamen politischen Wurzeln und Überzeugungen betont (Panskandinavismus, Neutralität, …). Die politische Gliederung Skandinaviens 83 Landesdaten Die bibliotheksgeschichtlich wichtigsten Länder Skandinaviens sind Schweden, Dänemark und Norwegen, alle drei sind konstitutionelle Monarchien. Schweden Dänemark Norwegen 450.000 km2 9 Millionen Einwohner 20 Einw. / km2 42.400 US$ 43.000 km2 5,4 Millionen Einwohner 126 Einw. / km2 49.200 US$ 330.000 km2 4,6 Millionen Einwohner 14,3 Einw. / km2 61.900 US$ Damit ragt vor allem Norwegen als sehr reiches Land heraus, zeichnet sich aber auch durch seine extrem dünne Besiedelung aus. Von besonderer Bedeutung ist Island auf Grund der reichen volkssprachlichen Literatur des Mittelalters, die auch gut überliefert ist (Sagas, Skaldik, Eddische Literatur, …). Aufbewahrt und wissenschaftlich erschlossen wird ein Großteil der altnordischen Handschriften im Arni Magnusson Institut in Reykjavik auf Island (dorthin sind sie von Dänemark zurückgegeben worden). http://am.hi.is http://www.randburg.com/is/am/am_ge.asp Sprachen in Skandinavien Die Hauptsprachen Skandinaviens sind: - Dänisch Schwedisch Norwegisch (kommt in zwei Varianten vor: Bokmål, 85-90% der Bevölkerung Norwegens; Nynorsk, ca. 13%) Isländisch Färöisch Daneben wird in Skandinavien auch Finnisch, das nicht zur Gruppe der skandinavischen Sprachen zählt, Samisch und Deutsch gesprochen (anerkannte Minderheitensprachen), auf Grönland natürlich Grönländisch, eine in Grönland und Dänemark gesprochene Sonderform des Inukituk, der Eskimosprache. Sprachliche Besonderheiten in Skandinavien - - Alle skandinavischen Länder verfügen über einen sehr kleinen Sprachkreis, was dazu führt, dass viele wissenschaftliche Werke aus Gründen der Wirtschaftlichkeit nicht in die skandinavischen Sprachen übersetzt werden. Alle skandinavischen Länder verfügen über Minderheitensprachen. In allen skandinavischen Ländern wird Englisch auf sehr hohem Niveau gesprochen (viele ausländische Filme werden in der englischen Fassung ausgestrahlt). Auf Grund der sprachgeschichtlichen Entwicklung weisen die skandinavischen Sprachen untereinander, aber auch gegenüber dem Deutschen viele Gemeinsamkeiten auf. 84 Geschichte Skandinaviens Die gemeinsame Geschichte Skandinaviens zeichnet sich bei aller nationalstaatlichen Eigenständigkeit vor allem durch zwei Aspekte aus: a) gemeinsame Strukturen im Mittelalter, Herrschaft von lokalen politischen Eliten (Jarlen), im europäischen Vergleich lange Ablehnung des Christentums (Bekehrung um 900-1000 n.Chr.), spätes Aufkommen des Feudalismus, Kontakt nach Europa vor allem kriegerischer Natur (Wikinger), dann aber auch staatenbildend (Normandie, Sizilien, England, Königreich Jerusalem) b) gemeinsame Geschichte durch Personalunion erstmals unter Knut dem Großen (England, Schweden, Dänemark und Norwegen, 11. Jh.); Kalmarer Union vereinte 1397-1523 die Länder Dänemark, Norwegen und Schweden; die dänische Vorherrschaft über Norwegen bestand bis 1814 und wurde von der schwedischnorwegischen Union abgelöst, die bis 1905 andauerte Buch- und Verlagswesen Relativ früh hielt der Buchdruck Einzug in Skandinavien: - 1482 in Dänemark 1483 in Schweden 1643 in Norwegen Grundsätzlich ist das Verlagswesen der Gegenwart in Skandinavien auf Grund der kleinen Sprachkreise eher bescheiden. Wichtige Ausnahmen bilden allerdings Bonnier und Norstedt. Die Mediengruppe Bonnier, zu der auch deutsche Verlage gehören, beschäftigt insgesamt ca. 10.000 Mitarbeiter, die 1823 gegründete Verlagsgruppe Norstedt dominiert die skandinavische Verlagslandschaft. Mediengruppe Bonnier: Norstedt Verlagsgruppe: http://www.bonnier.com http://www.panorstedt.se Bibliotheksgeschichte - - Obwohl es im Mittelalter zahlreiche Klosterbibliotheken gab, hat sich keine bis auf den heutigen Tag gehalten (allerdings Teile der Bestände). Die neuere Bibliotheksgeschichte Skandinaviens beginnt zumeist im 17. Jahrhundert, als Herrscher ihre Adels- und Hofbibliotheken verstärkt der Öffentlichkeit zugänglich machten. Den nächsten entscheidenden Einschnitt brachte erst das 19. Jahrhundert mit der Gründung einer Vielzahl Wissenschaftlicher und Öffentlicher Bibliotheken. Gerade im Öffentlichen Bibliothekswesen kommt Skandinavien bis heute im internationalen Vergleich eine Vorreiterrolle zu. Das Wissenschaftliche Bibliothekswesen in Skandinavien a) Nationalbibliotheken b) Universitäts- und Hochschulbibliotheken c) Spezialbibliotheken 85 Anschauliche Übersichten über die wichtigsten Bibliotheken Skandinaviens bieten folgende Websites: http://www.germa.unibas.ch/nordistik/links/uni.html http://lists.webjunction.org/libweb/scand.html a) Nationalbibliotheken Die bedeutendsten Nationalbibliotheken der skandinavischen Länder sind - die Königliche Bibliothek Stockholm die Königliche Bibliothek Kopenhagen die Nationalbibliothek Oslo / Mo i Rana In allen skandinavischen Ländern übernehmen die Nationalbibliotheken Leitfunktionen innerhalb des nationalen Bibliothekswesens, sie erbringen zentrale Leistungen (Bibliographien, Verbundkataloge, etc.), archivieren die nationale Buchproduktion und sind Kernpunkt von Verbundaktivitäten. Beispiel: die Königliche Bibliothek Stockholm http://www.kb.se/ENG/kbstart.htm Die 1661 gegründete Königliche Bibliothek in Stockholm sammelt als Nationalbibliothek Schwedens alle Werke, die in Schweden erscheinen, mit Pflichtexemplarrecht und stellt sie – aus Archivgründen nur im Lesesaal – der Benutzung zur Verfügung; ausländische Literatur, für die es keinen rechtlichen Archivauftrag gibt, wird auch ausgeliehen. Neben den Hauptgruppen des Bestandes (Schwedische Sammlung, Ausländische Sammlung) verfügt die Königliche Bibliothek über bedeutende Sonderbestände (Zeitungen, Karten, Handschriften, Musikalien, ...). b) Das Hochschulwesen in Skandinavien - - - Die wichtigsten Universitäten Skandinaviens befinden sich in Uppsala, Lund, Stockholm, Göteborg, Umea, Linköping (Schweden), Oslo, Bergen, Tromsø, Ås, Trondheim, Stavanger (Norwegen), Kopenhagen, Odense, Aarhus, Roskilde und Aalborg (Dänemark). Insgesamt unterscheiden sich die Hochschulen in Skandinavien sehr voneinander, viele sind auf wenige Fachgebiete spezialisiert, insgesamt sind sie jedoch sehr modern und gut ausgestattet. Die gute Ausstattung betrifft sowohl die IT-Technik der Hochschulen als auch die Bibliotheken, auch wenn die Bestände natürlich deutlich geringer sind als z.B. in Deutschland. Auch die Relation von Dozenten und Studierenden ist sehr gut. Ein vollständiges Verzeichnis aller skandinavischer Hochschulen findet sich auf der Website. http://www.ssaaps.stint.se/index.php?articleId=154 Hochschulbibliotheken Wie in Deutschland werden auch in Skandinavien die Bibliotheken der Hochschulen immer stärker einschichtig organisiert. Auf Grund der hohen Zahl relativ junger Universitäten ist hier vieles bereits auf sehr modernem Stand. Dies betrifft vor allem: 86 - die Verbreitung elektronischer Medien die Freihandaufstellung der Bestände die Ausstattung der Bibliotheken mit moderner EDV-Technik lange Öffnungszeiten Quervernetzung von Bibliotheken mit anderen Organisationen des Informationssektors (Museen und Archiven, ...) Ein Beispiel für die genannte Vernetzung bietet das norwegische Kulturnetz: http://www.kulturnett.no/ Ähnlich den deutschen Sondersammelgebieten haben die Universitätsbibliotheken in Dänemark Erwerbungsschwerpunkte. Beispiel: Die Staats- und Universitätsbibliothek Aarhus http://www.statsbiblioteket.dk/ Sehr modern und mit großen Beständen ausgestattet ist in Dänemark z.B. die Staats- und Universitätsbibliothek Aarhus, die über 2 Millionen Medieneinheiten sowie über mehr als 10.000 laufende Zeitschriften verfügt. c) Spezialbibliotheken in Skandinavien Skandinavische Spezialbibliotheken werden in der Regel unterhalten durch: - staatliche Forschungsinstitutionen große Firmen/Konzerne wissenschaftliche Gesellschaften Kirchen Spezialbibliotheken finden sich in größerer Dichte meist nur in den Hauptstädten, in den größeren Städten und auf dem Land nahezu gar nicht mehr. Das Öffentliche Bibliothekswesen in Skandinavien Das Skandinavische Bibliothekswesen ist in mancherlei Hinsicht moderner als das zentraleuropäische und hat in den nordischen Ländern eine wesentlich zentralere Rolle als in Mittel- und Südeuropa. - - - Die Geschichte der Öffentlichen Bibliotheken ist stark mit dem Volksbildungsgedanken verbunden (skandinavisches Volkshochschulwesen, Abstinenz-Bewegung, christliche Volksbildung, Sozialdemokratie). Die Öffentlichen Bibliotheken sind schon sehr früh – Anfang des 20. Jahrhunderts – vom amerikanischen Bibliothekswesen beeinflusst gewesen (z.B. Freihandaufstellung). Überall in Skandinavien wurden die Gemeinden gesetzlich verpflichtet, Öffentliche Bibliotheken einzurichten – teilweise mit staatlicher Unterstützung – aus diesem Grund verfügt Skandinavien trotz seiner ländlichen Struktur heute über ein dichtes Netz Öffentlicher Bibliotheken. 87 Kooperationen und zentrale Einrichtungen Gerade im Bereich der Verbundkataloge konnte Skandinavien relativ schnell zu sehr guten Ergebnissen gelangen (überschaubare Bestände, moderne EDV-Technik, keine unterschiedlichen Verbünde wie in Deutschland). Der norwegische Verbundkatalog http://ask.bibsys.no (neue URL seit 2007) beinhaltet rund 3 Millionen Titeldaten und ca. 8 Millionen Besitznachweise Der schwedische Verbundkatalog http://websok.libris.kb.se beinhaltet rund 5 Millionen Titeldaten Der dänische Verbundkatalog In Dänemark sind die Kataloge von ca. 50 Bibliotheken über REX, den Katalog der Königlichen Bibliothek in Kopenhagen, nachgewiesen. http://rex.kb.dk Daneben gibt es mit DanBib einen separaten Verbundkatalog mit 14 Millionen Titeldaten und 26 Millionen Besitznachweisen. http://bibliotek.dk Auf Grund des kleinen Sprachkreises werden für die Sacherschließung zumeist die Dewey Decimal Classification und die Library of Congress Subject Headings verwendet (daneben auch andere Regelwerke). Auf Grund der guten Kenntnisse der englischen Sprache in Skandinavien ist dies recht problemlos möglich und macht auch Fremddatenübernahmen in großem Maßstab möglich. Bibliothekarische Ausbildung Wie in vielen anderen Ländern auch, hat sich die bibliothekarische Ausbildung, die zunächst meist in Kursen an den einzelnen Bibliotheken stattfand, immer mehr an spezielle Bibliotheksschulen bzw. an Hochschulen verlagert. Schweden - seit 1972 Bibliothekshochschule Boras - seit 1995 auch an den Universitäten Lund, Uppsala und Umea Norwegen - seit 1940 an der Bibliotheksschule in Oslo Dänemark - Königliche Schule für Bibliothekswesen und Informationswissenschaft in Kopenhagen und Ålborg 88 Australien Grundlagen Als flächenmäßig sechstgrößter Staat der Erde umfasst Australien die Landmasse des gleichnamigen Kontinents sowie einige vorgelagerte Inseln. Heute ist Australien eine parlamentarische Demokratie, Staatsoberhaupt ist die englische Königin. Die größte Stadt Australiens ist Sydney, die Hauptstadt Canberra. - 7,7 Millionen Quadratkilometer 20,5 Millionen Einwohner 2,6 Einwohner pro Quadratkilometer 30.600 US $ Bruttoinlandsprodukt pro Einwohner Amtssprache Englisch (zum englischen Sprachkreis siehe auch Großbritannien, 2,4% indigene Bevölkerung) Die Bundesstaaten Australiens Politische Gliederung Jeder der acht Bundesstaaten (Western Australia, Northern Territory, South Australia, Queensland, New South Wales, Victoria, Tasmania und Australian Capital Territory, seit 1989 ist auch die winzige Küstenprovinz Jervis Bay Territory unabhänigig) hat neben einem Parlament und einer Regierung einen Gouverneur, der als Stellvertreter der britischen Monarchin amtiert. 89 Geschichte Australiens - - Die Entdeckung Australiens erfolgte erst 1606 durch den Niederländer Willem Jansz (bis 1824 Neuholland). 1770 erreichte James Cook die fruchtbare Ostküste und nahm das Land für die britische Krone in Besitz. Australien diente u.a. als Strafkolonie, 160.000 Sträflinge wurden hierhin verbannt. Auch andere Länder errichteten Kolonien. Der Goldrausch von 1850ff. führt zur nationalen Einheit und zur stärkeren Distanzierung von England. Die Bildung des Nationalstaates Australien erfolgte erst 1901. Druck- und Verlagswesen / Buchhandel - - - Der erste Druck fand in Australien erst 1796 statt. Generell entwickelte sich das Druckwesen nur sehr langsam und nur regierungsnah (hier spielten vor allem Amtsdruckschriften eine wichtige Rolle). Früher als das Druck- und Verlagswesen entwickelte sich der Buchhandel in Australien, vor allem nach 1945 ist dieser Sektor stark gewachsen. In Australien existieren zahlreiche heute US-amerikanische und britische Verlagsniederlassungen und -depots, was die Literaturversorgung erheblich verbessert hat. Der australische Buchhandel ist in der Australian Booksellers Association organisiert. http://www.aba.org.au/ Das Wissenschaftliche Bibliothekswesen in Australien a) b) c) d) die National Library States Libraries Hochschulbibliotheken Spezialbibliotheken a) The National Library of Australia (Canberra) http://www.nla.gov.au/ Seit 1968 hat die 1901 zeitgleich mit dem Nationalstaat gegründete National Library of Australia in Canberra ihren Sitz in einem Neubau, der sehr deutlich dem Parthenon nachempfunden ist. Ebenfalls seit 1968 profitiert die Bibliothek vom „Pflichtexemplarrecht“ (ein Exemplar geht an die Nationalbibliothek, ein weiteres an die Bibliotheken der jeweiligen Bundesstaaten; wie in den USA ist die Ablieferung an das Urheberrecht gekoppelt). Insgesamt verfügt die National Library of Australia über rund 6 Millionen Medieneinheiten, davon fast 5 Millionen Bücher und 44.000 laufende Zeitschriften. Bemerkenswert ist die Sammlung von indigenen Tonaufnahmen, die 12.300 Oral history records. b) Die State Libraries - Bereits in der Zeit der unabhängigen Kolonien existierte in jeder Kolonie eine öffentliche Zentralbibliothek; diese wurden nach der nationalen Einheit von 1901 zu Staatsbibliotheken umfunktioniert. Die Verwaltung dieser Bibliotheken wird von staatlich bestellten Kuratorien übernommen, denen der Bibliotheksleiter rechenschaftspflichtig ist. 90 - Diese Bibliotheken waren gerade im 19. Jahrhundert besonders wichtig, da sie in dem riesigen Land oft die einzige Möglichkeit darstellten, an Literatur zu kommen. Jede der State Libraries Australiens erhält ein Pflichtexemplar aller in Australien gedruckter Publikationen. State Library of New South Wales http://www.sl.nsw.gov.au/ Die wichtigste und älteste der State Libraries ist die bereits 1826 gegründete State Library of New South Wales. Sie sammelt Literatur zu allen Aspekten des Lebens in Australien bzw. in New South Wales, wozu auch zahlreiche materialbezogene Sondersammlungen gehören (Autographen, Mikroformen, Fotographien, Karten, Zeitungen, ...). Insgesamt verfügt sie über 5 Millionen Medieneinheiten, beim Aufbau der Bestände profitiert sie vom regionalen Pflichtexemplar. Die State Library of New South Wales steht auch dem Öffentlichen Bibliothekswesen des Bundesstaates vor, das 97 Stadtbibliotheken mit 266 Zweigbibliotheken umfasst. c) Hochschulbibliotheken in Australien Das Hochschulwesen in Australien - - Erst 1850 wurde mit der University of Sydney die erste Hochschule des Landes gegründet. Heute verfügt Australien über 38 staatliche und 2 private Universitäten, an denen insgesamt rund 600.000 Menschen studieren. Die Studienstrukturen entsprechen recht genau denjenigen der britischen Hochschulen (Studiengebühren, Bachelor, Master, PhD, …). Australien hat sein Bildungswesen durch den Einsatz erheblicher finanzieller Mittel deutlich verbessert (der „Bildungskontinent“); noch vor dem Tourismus ist der Bildungssektor der Wirtschaftszweig mit den höchsten Einnahmen (!). Vor allem Angehörige der südostasiatischen Oberschichten studieren sehr gerne in Australien. Die Hochschulbibliotheken - Die Hochschulbibliotheken unterstehen – wie auch die Universitäten – den Bundesstaaten. - Insgesamt verwalten die australischen Universitätsbibliotheken rund 15 Millionen Medien und haben einen Jahresetat von insgesamt ca. 20 Millionen US $. - Die vielen Fachhochschulen außerhalb der Provinzhauptstädte haben es schwer, anspruchsvollere Bestände anzubieten; sie hängen von der Fernleihe ab bzw. die Studierenden müssen für Recherchen und Benutzung in die zentralen Universitätsoder Staatsbibliotheken fahren. d) Spezialbibliotheken - - Insgesamt gibt es ca. 1100 Spezialbibliotheken in Australien, die jedoch sehr wenig zu den bibliothekarischen Dienstleistungen des Landes beitragen und für die Allgemeinheit nicht leicht zu benutzen sind. Die leistungsfähigsten Bibliotheken werden unterhalten von: - Commonwealth Scientific and Industrial Research Organisation (CSIRO) - Regionalen Parlamenten - Australian Bureau of Statistics - Patent Office - St. Patrick´s College 91 Das Öffentliche Bibliothekswesen in Australien - - - - Die Öffentlichen Bibliotheken in Australien befinden sich auf einem sehr guten Niveau, sowohl was die Dichte der Bibliothekssysteme als auch die Vielzahl der Bestände betrifft. Bereits 1980 gab es in Australien 800 Öffentliche Bibliotheken mit ca. 20 Millionen Bänden, wobei sich das Öffentliche Bibliothekswesen relativ homogen auch über das dünn besiedelte Hinterland erstreckt. Bei ihren bibliothekarischen Angeboten werden die Öffentlichen Bibliotheken von den jeweils zuständigen State Libraries unterstützt (vgl. z.B. die State Library of New South Wales). Eine umfassende Übersicht mit zahlreichen weiterführenden Links zu allen Aspekten des Öffentlichen Bibliothekswesens in Australien bietet die Website: http://www.nla.gov.au/apln/links.html Kooperationen und zentrale Einrichtungen Berufsverband - Der dominierende Berufsverband in Australien ist die Australian Library and Information Association (ALIA). Die Gesellschaft hat ca. 6000 persönliche und körperschaftliche Mitglieder, ist in Sektionen unterteilt und bemüht sich, das australische Bibliothekswesen durch Lobbyarbeit, Fortbildungen, Publikationen und Facharbeit weiterzuentwickeln. http://www.alia.org.au/ Berufsausbildung - - - Bis in die 60er Jahre fand die Ausbildung zumeist an der einstellenden Bibliothek statt; nach der Ausbildungszeit wurden dann von der Australian Library and Information Association zentrale Prüfungen abgenommen. Sie vermittelt auch Praktika und Auslandsaufenthalte. Heute bieten 18 Bibliothekarschulen bzw. Fachbereiche von Universitäten und Fachhochschulen unterschiedliche Studiengänge an, an denen akademische Grade und Diplome verliehen werden. Pro Jahr schließen mehr als 300 Studenten ein Bibliotheksstudium ab. 92