Teil 12: Noch mehr Diskotheken
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Teil 12: Noch mehr Diskotheken
Noch mehr Diskotheken Überhaupt etablierten sich überall in kürzester Zeit weitere Diskotheken. In Emden machten das „Saskatchewan“ und das „California“ auf. Beide entsprachen nicht wirklich dem inzwischen üblich gewordenen Publikumsgeschmack in der Möblierung und Aufteilung, wobei das „California“ aus der Rolle fiel wegen einer ziemlichen Streckung in der baulichen Anlage. Hier war auf kleinem Raum die Bar, das Tanzparkett, der DJ und der Ausschank an einem Ende, am Kopfende sozusagen, installiert, an das sich eine lange Reihe beidseitiger Sitznischen anschloss. In der Mitte verband ein langer gerader Gang den oberen und unteren Bereich für Gäste und Bedienung. Hier habe ich übrigens mein erstes „Alt“ getrunken, und ich glaube, das Altbier vom Fass war ein Träger des anfänglichen Erfolges dieser neuen Diskothek. Das „Saskatchewan“ war dagegen durchaus gemütlich zu nennen. Der Einrichter hatte Ecken, Podeste und Abteilungen zugelassen, in denen man sich teils verkriechen, zumindest aber wohlfühlen konnte – auch wenn man nicht tanzen wollte... Rhein-Ems-Zeitung vom 31.12.1968 Selbst der gute alte „Reichshof“ baute 1969 um und brachte auf dem Eckbalkon eine leistungsfähige Stereoanlage unter. Ich entsinne mich noch genau jenes Abends, als wir die Neuerungen besichtigen wollten, natürlich voreingenommen, weil sich keiner vorstellen konnte, wie die „Mühle“ ohne Band funktionieren sollte. Doch mit dem ersten Auflegen röhrte da ein Sound aus den übergroßen Lautsprechern, der uns fast die Ohren wegblies: „Communication Breakdown“ von Led Zeppelin. Völlig unvorbereitet versetzte die Musik von LedZep unsere Körper sofort in heftigste Schwingungen. Wer war das, der da oben auflegte? Natürlich ein Profi, Rufus*, aus Holland angeworben und mit vielen neuen Scheiben ausgerüstet.* REZ v. 1.03.69 *Hier irrte ich mich wohl. Der DJ war Leon Dean, wie das vorherige Zeitungsinserat zeigt, und Rufus kam erst später. Meint jedenfalls auch Egon (siehe weiter unten Seite ...) Der Einstand und die Überraschung war gelungen. Und wie Meta vorgemacht hatte, zog Emden zumindest ein wenig nach und hatte seine „progressive“ Diskothek. Wer diese Art Musik nicht mochte, konnte inzwischen seinem persönlichen Geschmack folgend in die softeren Gefilde des „Sas“ oder des „Cali“ wechseln. Nur das gute alte „Hopo“ blieb sich selbst und dem so erfolgreichen Mix aus buntem Beat, Pop und einer Prise Rock treu, wenn es auch inzwischen ein wenig behäbiger wirkte. Manni versuchte der langsamen Auszehrung zu begegnen und veranstaltete Abende mit GoGoGirls, die sehr offenherzig vor- und abtanzten; er entwickelte ein System zur Wahl einer eigenen Hitparade – das jedoch von uns schamlos ausgenutzt und hintertrieben wurde, indem wir mit einer Art Blockbildung absolute Außenseitertitel auf das Siegerpodest erhoben; oder er veranstaltete Faschings- und Silvesterfeiern, wobei die besten Kostüme prämiiert wurden. Alles in allem erhielt sich das „Holtenport“ seinen Platz unter den Emder Discos, aber der Konkurrenzdruck durch die Vielzahl der neuen Tanzmöglichkeiten war groß. In der Friedrich-Ebert-Straße hatte für wenige Monate in einem Doppelstockhaus mit simpelsten Mitteln eine weitere Diskothek aufgemacht. Ein größerer Raum parterre enthielt eine Freifläche zum rumhüpfen, andere Zimmer und Zimmerchen oben und unten waren teils mit alten Möbeln, teils auch nur mit Matratzen bestückt. Die Wände hatte man einfarbig mit popblauen, -roten, -grünen oder –gelben Farben angemalt. Das entsprach dem letzten Trend, dessen Vorlage der gerade aufkommende Underground lieferte. Es öffneten auch noch eine Reihe von Mehrtagsfliegen ihre Türen, in der Brückstrasse das „Philadelphia“, wo neben Chrom und Edelholz dem Philly-Sound gefrönt werden konnte, eine Disko neben der Sparkasse am Delft (nicht das „La Grotta“, das kam wesentlich später...) und eine gegenüber dem Lindenhof auf der anderen Seite der Brücke, deren beider Namen mir nicht mehr präsent ist. Wie gesagt, die Zeiten waren und blieben bunt, chaotisch, unübersichtlich und gleichzeitig faszinierend. Viele aus der Szene versuchten, ihre ganz persönlichen Vorstellungen umzusetzen und landeten dabei meist doch im Abseits, weil inzwischen eine starke Aufspaltung innerhalb der Jugendkultur stattfand und sich die ehemalige Beatgeneration zu großen Teilen mit Beruf, Familie und Karriere arrangierte, andere dagegen politischere Positionen bezogen, wieder andere sich in die Subkultur der Haschisch- und Drogenkonsumenten zurückzogen und damit die Zeit der alle versammelnden Band- und Ereignisabende vorbei war. Nur dann, wenn – selten genug! - sich eine international bekannte Band nach Emden verirrte, kamen die Fans noch vermehrt zusammen. So gab im neuen Rathaus die deutsche Gruppe „German Bonds“ einen politisch-musikalischen Abend zum Thema Krieg und Frieden mit rockigen Titeln und Diashow. Später spielte „Steamhammer“, in der Turnhalle der Herrentorschule und ein langmähniges Völkchen in seltsamsten Klamotten lauschte zunächst am Boden hingelümmelt der Musik, um endlich langsam, aber sicher von den - im Grunde schludrig gespielten – Bluesrockstücken mitgerissen zu werden. Wir waren eben doch nur Provinz. Und dann der Abend mit den schon erwähnten „Lords“ in der Aula des (Mädchen-) Gymnasiums am Treckfahrtsweg. Als Vorgruppe spielte eine (zumindest mir) unbekannte Jazzformation, und wer auch immer für diesen Stilbruch verantwortlich zeigte, ausbaden musste ihn das Publikum. Auf zweierlei Art: Ich bin damals mit Freunden dabei gewesen. Wir saßen auf den ersten, besten Rängen und wollten unsere neue progressive 68er-Denkweise unbedingt auch den echten „Lords“-Fans von Transvaal und Port Arthur mitteilen. Also feierten wir die zuerst auftretende Jazzgruppe in einer Weise, dass die hinter uns Sitzenden wenigstens aufmerksam wurden. Als nun die „Lords“ ihre Knaller abließen, hatten wir nur Pfeifen und Buhrufe dafür übrig. Das ging zwar im begeisterten Geräuschpegel der anderen ziemlich unter, aber bemerkt wurde es doch... Und als der Auftritt zuende war, wurde es uns mulmig, denn ein Empfangskomitee einiger handfester Fans hatte sich schon am Ausgang versammelt. Nun ja, Charles konnte zwar noch durchschlüpfen, wurde dann aber quer durch die angrenzende Kleingartenkolonie über Zaun und Hecken gejagt. Keine Ahnung, ob er entkam. Zwei andere erhielten Faustschläge und verkrümelten sich schleunigst. Nur mir und einer Tochter Pastor Immers, die wir geradewegs durch die bedrohlich wartende Gruppe hindurchgingen, geschah nichts, außer wütenden Blicken, die uns anfunkelten. Meine guten Beziehungen zu den Transvaalern hatten sich ausgezahlt und ich schäme mich eigentlich noch heute, dass ich diesen Verrat an den Kumpels überhaupt beging! Auch die etablierten Jugendvertreter in Verwaltung und Vereinen versuchten sich an moderner Musik und veranstalteten Abende mit heissen Rythmen – oder was sie dafür hielten. Meist ging das aber an den Beat-Fans vorbei, weil die ganz andere Musik im Ohr hatten: Rhein-Ems-Zeitung vom 6.11.1967 Es gab zu der Zeit natürlich auch immer noch Emder Livegruppen, die z.B. im Lindenhof auftraten, wie „Grannies last Temptation“ (Tanztee Sonntagnachmittag!), Formationen im „Sternburg“ oder sonst wo. Aber wir gingen da nicht mehr hin... Gemeint sind "Grannies Last Temptation", was es mit Omas Temp-Station auf sich hat, war nicht mehr zu klären... Rhein-Ems-Zeitung vom 24.8.68 Hans-Jürgen Kleinert Radio Bremen strahlte 1965 den ersten Beat-Club aus. Die Ansagerin war Uschi Nerke. Neben den Yankees („Halbstark") traten u. a. die Rattles („Come on and sing") und die Lords („Poor Boy") auf. So langsam setzte die Beat-Musik sich durch. Viele junge Leute lernten ein Instrument zu spielen und gründeten Bands. Fast alle Tanzgaststätten hatten bald Hausbands, die nicht nur „Junge, komm bald wieder", sondern gerne auch die neue Musik spielten. Die Bands spielten manchmal auch in anderen Orten. Wenn sie dem Publikum Musikwünsche erfüllten, bekamen sie meistens auch einen ausgegeben. Ab 1965 musste man aber vorsichtiger sein; denn in diesem Jahr wurden die Puste-Röhrchen eingeführt. Alkoholfahrten waren bis dato kaum bestraft worden. Höchstens, dass der Polizist ein strenges (?) „Dudu Dudu!" äußerte. Das war jetzt vorbei. Wer mit über 1,5 (!) Promille erwischt wurde, bekam ein Fahrverbot von mindestens 4 Wochen. (Quelle: Heinz Giermanns in ON, 2009) Auch am Jungsgymnasium wurden Beat-Bands gegründet. Die wohl bekannteste waren die „Rustlers“ mit Leadgitarrist Otto Waalkes. Otto war vier Klassen über mir und verschaffte unserer Schülerzeitung „Boot" mit seinen Elefanten-Comics einen gewissen Pep. Die Rustlers waren die einzige Band in Emden, die dreistimmig sang und deshalb Songs spielte, die andere Bands nicht konnten, wie zum Beispiel „Norwegian Wood" von den Beatles. Meine Lehre als Bürokaufmann machte ich 1969 - 72 im Kaufhaus Hertie in Emden. Hier traf ich Otto wieder. Er studierte mittlerweile in Hamburg und jobbte in den Semesterferien im Außenlager in Harsweg in der Spielzeugabteilung. Ich erinnere mich, wie eine Lieferung mit Kinder-Banjos eintraf. Otto schnappte sich eins, stieg auf eine Gitter-Palette und gab ein „Konzert". Man könnte auch sagen, er hielt die Leute von der Arbeit ab. Ein anderer Beat-Musiker der ersten Jahre, den ich bei Hertie wieder traf, war Emmo Doeden, der bei den Robots und später bei den Odds Schlagzeug spielte. Letztere hatten sich u. a. auf Songs der Who spezialisiert. Die Rustlers und Odds spielten nicht nur in Tanzgaststätten, sondern gerne auch auf Schulbällen. Mein erster war 1966. Zu solchen Anlässen trug man damals noch Anzug. Ich hatte nur meinen Konfirmandenanzug mit Clip-Krawatte. Das war mir peinlich und ich fühlte mich nicht sehr wohl. Ich sah, dass einige Klassenkameraden Mädchen aufgefordert hatten und mit ihnen tanzten. Das wollte ich auch. Aber wie? Die übliche Aufforderung „Darf ich bitten?' erschien mir antiquiert und und unpassend. Ich musste herausfinden, wie die anderen das machten, und stellte mich neben eine Gruppe von Mädchen. Es dauerte nicht lange bis einer kam und eine zum Tanz aufforderte: „Wollen wir mal schwofen?' Dabei zog er das „O" gekonnt in die Länge. Das gefiel mir. Ich sah ein Mädchen allein an einem Pfeiler stehen. Sie hatte lange wellige Haare, die sie hinten zusammen gebunden hatte, trug ein sehr schönes blaues Kleid und sah einfach hinreißend aus. „Wollen wir mal schwofen?' Das „O" missglückte mir völlig. In Erwartung eines Korbes wandte ich mich schon halb ab. Doch sie lächelte und ging schnurstracks voraus zur Tanzfläche. Ogottogott - war ich aufgeregt. Eine Tanzserie dauerte gewöhnlich drei Lieder. Diese war schon halb gespielt. Die verbleibenden Eineinhalb waren mein erster Tanz. Anschließend brachte ich sie zu dem Pfeiler zurück und bedankte mich. Es wurde immer eine Serie mit drei schnellen Liedern gespielt, dann folgten drei langsame. Nach dem schnellen Tanz hätte ich nun den „Nahkampf“ ins Auge fassen müssen. Aber dafür war ich noch viel zu naiv. Auf den Schulbällen spielten zu der Zeit sehr oft die „Rustlers“ und die „Odds“, die an diesem Abend einige Who-Songs spielten. Die Briten waren nachmittags im Beat-Club aufgetreten, wo damals noch live gespielt wurde. Sie waren so zugedröhnt, dass sie eine grottenschlechte Vorstellung ablieferten. Die Odds dagegen waren an diesem Abend einfach nur gut. Es dauerte nicht lange und folgende Info machte die Runde: „Die Odds sind besser als die Who heute Nachmittag im Beat-Club." Auch meine Klassenkameraden Hans-Günther Heidrich, Ulli Kraut und Günther Richter gründeten Bands. Diese spielten oft im Falkenhorst. Gerne hörte ich Kwait. Der Name war genial. „Kwait" ist die Lautschrift von „quiet", also „ruhig". Die Gruppe hatte sich auf KinksTitel spezialisiert. Ihr Gitarrist Hansi Heidrich ärgerte mich gerne, indem er meine damaligen Favoriten Beach Boys als „Quietsch-Boys" oder „Kastraten-Band" bezeichnete. Ulli Kraut und Günther Richter spielten mit Erhard Goldau aus der Parallel-Klasse in einer Band, die sich später „Science Fiction“ nannte. Ich erinnere mich an einen Auftritt, den sie mit „I can't controll myself“ von den Troggs anfingen. Das Lied begann mit dem Aufschrei „Oh no!" Vielleicht hatten sie ihre Anlage vollkommen überlastet - nach dem „Oh no!" brach sie jedenfalls zusammen und das Konzert war gelaufen. Ich weiß nicht, ob sie an diesem Abend später noch gespielt haben. Der letzte Bus fuhr immer um 22.30 Uhr. Livemusik bei Schulbällen und im Falkenhorst gab es nur selten und einmal im Monat 45 Minuten Beat-Club war entschieden zu wenig. Die Suche ging also weiter. Gerne hing man in der Rialto-Eisdiele und Neutorklause herum, denn dort gab es hervorragend bestückte MusikBoxen. Fast immer die neuesten Titel. Der Kneiper der Neutorklause Joke Dusenpont hatte nur einen Arm. Mit dem konnte er in der Jackentasche Zigaretten drehen. Allerdings hatte ich immer den leisen Verdacht, dass er diese vielleicht schon vorbereitet haben könnte. Eine andere Kneipe mit guter Musik-Box war das Mariandl, die einer Prinzessin von Sachsen gehört haben soll. Die Juke-Box enthielt viele Kinks-Titel. Manchmal umstand eine Traube von Leuten einen ganz bestimmten Tisch. Es wurde viel gelacht und man konnte ziemlich sicher sein, dass Otto an diesem Tisch saß und für Heiterkeit sorgte.