Tanz zum Electric Boogie
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Tanz zum Electric Boogie
Weile ;!iiiTl|(i- 181/51 WOCHENENDE .Ifiliiiin Sanntag/SonnUg, 6./V. Auguri 1983 Nr. 18t 51 Kreuzworträtsel Nr. 260 Journal der Popkultur - i) (j + y Erscheint die noch so geputzt und geleckt, man weiss nicht, was dahinter steckt. Waagrecht: Tanz zum Electric Boogie I David Bowie hat wahrscheinlich recht: Bei all der pulsierenden Tanzmusik, die es gegenwärtig zu hören gibt, kann man nur seine roten Schuhe anziehen und den Blues tanzen. Die neue Tanzmusik ist zudem meilenweit von dem oft monotonen Beat des Disco-Sounds der siebziger Jahre entfernt, nachdem die Eindimensionalität des Basses und des Schlagzeugs in eine Vielzahl von rhythmischen Schlägen aufgelöst worden ist. Die neue Tanzmusik, eine Mischung aus Rock, Soul, Reggae, Rap und Funk, nährt sich aus zwei verschiedenen Quellen. Einmal aus dem neuen Dancing-Underground, der sich in den grossstädtischen Zentren Englands und Amerikas, aber auch anderer Länder ausgebildet hat. Dieser lebt ganz von den Errungenschaften des Video- und Computerzeitalters: Riesige Leinwände zur Projektion der neuartigen Videoclips (Verfilmungen 14 Zwiefach Joch? Neblig ii .11- ist, was so blieb. 15 Wo nie was war, kann der nicht dienen. 16 Also lehnt der Basler ab. 17 Windstill vor Marvin. 7 19 Was den Briten Green, kommt literarisch hin. 20 Wo der Kaiser sozusagen lauter ist, steht das am Wagen. Einst viel bewundert, heut viel gescholten, weil sie zuviel erkämpfen wollten. 21 23 Wenn Sie die sehen, sollt'* Ihnen dämmern. 25 Bleibender Auszug. 26 Gesellschaft im Saft. gebraten ist vom Genusse abzura29 Auch gesotten und ten. Wie man 29 waagrecht essen soll. 31 33 Hei, da sitzt die an der Wand, liederlich bestimmt be- kannt. 34 Kann zum Publizisten den Schmid ausrasten. enter gesalbt im alten Land, Hei er am Ende durch eigne Hand. 36 Als 37 Damit der stotzen konnte, fehlt ihm ein en am Ende. 38 Die können auch in England reissen. 40 Sein ewig Auf und Nieder besingen viele Lieder. (Abk.). 41 mutier. Bücher, Bücher 43 Nichts als der Name ist geblieben vom Ort, in dem sic's tierisch trieben. 44 Piz ohne Witz. 45 Kinder, immer im Schauen, früher oft diese hatten. 48 Halber Tand, als Blatt bekannt. 50 Nicht Denken, Sinnen, Müssigkeit 22 Vermischter düstrer so heisst die Losung unserer Zeit. 24 Unvergesslicher Jo Buchstäblich griechisch. Georg ihn steigen lässt. 53 Paradox: wenn 51 SS 25 Heiss wir manchmal als grossen 40 horizontal. Verrücktes Duo singt allein. 32 Saftiges Studium, sozusagen. 60 Lieber so als ohne. 35 Der Stoff aus dem Markisen sind. 63 Pseudogriechisch gewandet waren die Damen, die zu der Zeit in die Salons kamen. 65 Fflr Spannung sorgen die gespannt. 61 66 Die Ecke sei einfach beendet, womit der Gast sich wendet. Beim jüngsten Tanz aus Amerikas Farbigen vierteln bewegen sich die meist jugendlichen Tänzer pantomimisch graziös und elegant zu rhythmischer Funk- und Rap-Musik, die aus einem Transistorradio dröhnt. der jüngsten Hits) dominieren; auf zahlreichen Monitoren jiiguii Computergraphiken wie bei den neuen Videospielen. Die sich Musik hört sich auch oft wie deren Geräusche an. Piepende und blubbernde Töne prägen ihren Klang. Die zweite Quelle ist die Strasse. Vor allem in den Ghettos der South Bronx und Harlems haben schöpferische Jugendliche eine Fülle neuer Beats, Rhythmen und Tänze entdeckt. Sie fassen sich unter dem Begriff Electric Boogie zusammen. Gemeint ist damit, dass die Klänge zwar vornehmlich von elektronischen Instrumenten, computerisierten Synthesizern und Rhythmusmaschinen erzeugt werden, doch der Rhythmus nicht so robotersteif ist wie beim Techno-Pop-Rock, dem man im weitgehend weissen Dancing-Underground huldigt. Als Tanz ist der Electric Boogie überaus elegant und graziös. Man bewegt sich wie in Zeitlupe und zudem als Pantomime: Man steht scheinbar vor einer Glastür, die man abtastet, oder geht mit ausgebreiteten Armen an einem fiktiven Schaufenster entlang oder lässt in der Hand illusionär einen Muskel entstehen, den Arm hinauf zur Schulter und über die andere hinweg wieder hinunterrollen. Es gibt noch eine zweite, spektakulärere Art des Electric Boogie. Beim sogenannten Break dancing tanzen die «breakers» regelrecht akrobatisch, indem sie in der Hocke Pirouetten drehen, dann plötzlich über eine Schulter abrollen und im Kopfstand oft mit gespreizten Beinen weiterkreisen. Vor diesem modernen Kosakentanz können noch Rückwärts-Saltos eingebaut werden. Getanzt werden Electric Boogie und Break dancing zu rhythmischer Funk- und Rap-Musik. Dank elektronischen Instrumenten haben beide Stile ein fast futuristisches Klangspektrum bekommen. Doch darf ihr Rhythmus nie zu metronomisch sein. Die Electric Boogie- und Break-Tänzer achten sehr auf akzentuierte und vielfältige Beats. Da zudem die Strasse ihre Bühne ist, muss die Musik aus dem Transistorradio auch den gewaltigen Verkehrslärm übertönen. Produzenten, Gruppen und Interpreten wie Arthur Baker, Afrika Bambaataa, die Jonzun Crew und Michael Jackson versuchen bei ihren Aufnahmen trotz Computerund Weltraumtechnologie das Milieu der Strasse einzufangen. Peter Figlestahler Apropos Als Himmel und Erde sich verkehrten Für den bekannten und weit über die Grenzen des Landes hinaus berühmten Entdecker und Forscher F. P. D. Philipson war an den oberitalienischen Seen ein Forschungscamp aufgebaut worden, ein von einem netzartigen Zaun umschlossenes Gelände. F. P. D. Philipson arbeitete dort mit kurzen Unterbrüchen von morgens bis abends. Eines Tages geschah es. Philipson, wie stets mit einem sandfarbenen Overall bekleidet, lag entspannt am Boden die ihm gewohnte, eigene Arbeitsposition. Heute stützte er seine Hand in besonderer Weise auf die Erdoberfläche und drückte diese sanft und fest zugleich nach unten. Während er sein greisenhaftes Genick mit dem schweren, kahlen Haupt nach hinten bog, gab die Erdoberfläche Auf kaiserlichem Kopf sass der zur tZ e i von 49 ilWfl -. - ,: \ Vor manchem war sie zu Oberwinden, vor anderm dagegen wiederzufinden. traurig klingt. In jeder Madeleine ist diese Frau zu sehn. gttit! letztlich immer OljnoltlOßltSO 50 Worum es ,, 63 quer. 52 Zum Stillen berufen. 54 Mancher Brite ist's wohl nicht mehr. Dort braucht keiner weinend auf dem Trockenen zu sitzen. 9 Geheimnisvoller Gegenstand gelangt nur in des Reinen Hand. 56 Hundsbefehl (franz). Auch an der Buchstabenfolge gebricht's rh i e dem Zentrum göttlichen Lichts (Abk.). 57 Fremde Tante wäre bitte zu suchen in Santiagos Mitte. 59 Grosi, deutscher. 12 In 8 senkrecht ist das viel. Fremdes Es im Splitter. 13 Vorläuferin der EWA, vor 18 Wenn alles das ist, haben wir den Salat. 19 Daraufgehen 1 40 Tat 39-senkrechU Kindern manchen Frust wohl lindern. 47 Selbst mitten im Leben kann's die manchmal geben. 8 I . Mit britischem Sohn vermenschlicht schon 39 Der zeuselte im Norden. 46 Was im Lachen Schleswig am Wagen zu tragen, .4 Hat man in tralla ' 3 Wen, glatt wie der, mag man nicht sehr. 10 37 43 ähnlich wie, das wissen Sie. Ohne Bindung halt der nichts. 2 So 6 Gefährlich ist ein solcher Mann, wenn, was er sagt, er machen kann. 36 Selten langer Kundenfanges 42 Unnützes Liegen. Senkrecht: Ueberspringer. 1 3 und schon kann man die sehn (franz). von Vampiren bei den Opfern sicher führen. 28 Maupassant schrieb solchen Ami. 30 Im Frühling zeigt er sich hauptsachlich, an Stoffen eher oberflächlich. 27 Wozu Bisse Chemie im Drama. 57 Scherzhaft bezeichnen 58 König kürzt Religion ein wenig. für jene, die unter der Haube keine Frau vermuten. 60 Geniessbarer Kolben aus. 64 Partizipielles Können ist welsch zu nennen. (Auflösung in der nächsten Ausgabe der Beilage «Wochenende») auch als Mut zu verstehen. plötzlich nach und verschwand lautlos in der Tiefe und mit ihr das Camp, der Gitterzaun, der Mitarbeiterstab und die dahinter liegende Landschaft. Gleichzeitig wurde F. P. D. Philipson von einem atemraubenden, überaus blauen, unendlichen Gewölbe umfangen. Fassungslos hielt der Forscher seine Arme ausgebreitet, seine Hände zitterten und seine grossen, schönen Augen und sein zahnloser Mund standen weit offen. Das weltbewegende Experiment war geglückt, Himmel und Erde hatten sich verkehrt! F. P. D. Philipson, eben erst vier Monate alt geworden, war es gelungen, sich zum erstenmal vom Bauch auf den Rücken zurollcn- klingt mit diesem Halbton 62 Da fehlt ein Lackteil dem Wrack. 1958 da. Lore Dürr Streiflichter aus der Antike «Weissarmige» Schönheit «Leukölenos», «weissarmig», heisst Hera, die Gemahlin des Göttervaters Zeus und First Lady der olympischen Götterversammlung, mit ihrem poetisch wie kosmetisch schmückenden Beiwort in den Homerischen Gedichten; der Vossische Versschluss «... die lilienartige Here» mag manchem Homer-Leser noch in den Ohren klingen. «Weissarmig» nennt Homer aber auch sterbliche Frauen, wie in der «Ilias» die schöne Helena, die Miss World ihrer Zeit, und Andromache, die Gattin des trojanischen Vorkämpfers Hektor, und in der «Odyssee» die anmutige Königstochter Nausikaa und ihre Mutter, die Königin Arete. Als Penelope, die Gattin des Odysseus, sich zu einem förmlichen Auftritt vor den sie bedrängenden Freiern entschliesst, lässt Athene die von Sehnsucht verzehrte Frau «grösser und voller» erscheinen und «weisser als gesägtes Elfenbein». «Weissarmig» nennt Hesiod in seiner «Theogonie» auch Persephone, die Tochter des Zeus und der Demeter; diese eine Persephone brauchte, nachdem Hades sie in sein Schattenreich entführt hatte, wenigstens nicht mehr um ihren Teint zu fürchten. Ueber Jahrhunderte und Jahrtausende hinweg ist Weiss die Farbe der Frauenschönheit gewesen, von der mythischen Schönheit Helenas bis zur Märchenschönheit Schneewittchens, wo das Schneeweiss der Haut mit dem Blutrot der Lippen und dem Ebenholzschwarz der Haare kontrastiert. Bezeichnend ist, wie in den ursprünglich Menandrischen, dann Terenzischen «Brüdern» der sittenstrenge Demea seine ohnmächtige Wut an der hübschen Hetäre Baechis auslassen will: «Die schicke ich in der heissesten Mittagshitze aufs Feld hinaus, die Aehren aufzulesen; die lasse ich in der Sonne schmoren, bis sie kohlrabenschwarz ist . . .» Gleich zu Anfang seines Fragment gebliebenen Lehrgedichts über die Pflege des Gesichts verweist Ovid die Sonnenbräune in die unkultivierte Frühzeit, da «die alten Sabinerinnen noch mehr Sinn für die Pflege des Ackers als für die ihres Körpers und in den Jahrhunderten hatten». Zu Ovids eigener Zeit schminkte sich die gepflegte Frau mit Bleidavor und danach pslmythos, griechisch lateinisch cerussa um jeden weiss Anflug von Sonnenbräune zu überdecken. In der wiederum ursprünglich griechischen, dann Plautinischen «Mostellaria» fordert die junge Hetäre Philematium in einer köstlichen, von ihrem Liebhaber heimlich beobachteten Toilettenszene zuerst cerussa, Bleiweiss, um sich die Wangen damit schminken zu lassen; doch die Dienerin Scapha verwehrt es ihr: Gerade so gut könne sie verlangen, Elfenbein mit atramentum, schwarzer Tusche, noch strahlender zu machen. Darauf fordert Philematium purpurissum, Purpurschminke, und wieder weigert sich die Dienerin, die Schminke aufzutragen: Ob sie denn das reizendste Kunstwerk, indem sie es übermale, verfälschen wolle? Philematiums jugendliches Alter solle überhaupt von jeglicher falscher Farbe die Hände lassen . . Vierhundert Jahre nachdem Plautus diese griechische Gespensterkomödie in seiner lateinischen Version auf die römische Bühne gebracht hatte, treffen wir Philematiums Schminktöpfchen wieder, in Tertullians Kampfschrift wider die weibliche Putzsucht. «Ich will dann einmal sehen», ruft der Kirchenvater darin den törichten Jungfern zu, «ob ihr mit eurem Bleiweiss, eurem Purpur, eurem Safran und eurem eitlen Kopfputz am Jüngsten Tage auferstehen werdet, ob die Engel solche bunt angemalten Frätzchen, wie ihr seid, überhaupt in die Wolken empört ragen wollen. Christus entgegen I» Angesichts der überdimensionalen Plakatwände, auf denen sich eine anfänglich noch hellhäutige Miss «Vorher» stufenweise in eine tiefgebräunte Miss «Nachher» verwandelt, oder der dunkelgetönten Reklamespiegel, in denen der Homo louristicus excoctus seinem schöneren Selbst begegnet, müsste einen alten Griechen oder Römer und mehr noch eine alte Griechin oder Römerin das blanke Entsetzen über solche Metamorphosen pakken. Und wir müssten dem antiken Zaungast wohl allesamt vom Hundsstern geschlagen scheinen, sähe er erst, wieviel Zeit und Geld, wieviel Oel und Mühe eine moderne Helena in diesen Wochen tatsächlich aufwendet, um nur ja nicht «weissarmig» alte Helena, sondern vielmehr schöne? wie die schöne Baechis aus den arme? «kohlrabenschwarz» wie die arme Ferien heimzukehren. Nichts Neues unter der Sonne? Tempora mutantur, et nos mutamur in illis. Klaus Bartels Neue Zürcher Zeitung vom 06.08.1983