Jeden Tag eine fromme Tat - War Games and the Man Who Stopped
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Jeden Tag eine fromme Tat - War Games and the Man Who Stopped
Feuilleton SE IT E 32 · M I T T WO C H , 4 . F E B RUA R 2 0 0 9 · NR . 2 9 F R A N K F U RT E R A L LG E M E I N E Z E I T U N G Jeden Tag eine fromme Tat Wer war der Gründer der Muslimbruderschaft? Die Islamwissenschaftlerin Gudrun Krämer erklärt die Mission Hassan al-Bannas aus der viktorianischen Lebenswelt des kolonialen Ägypten. s habe sie immer wieder erstaunt, berichtete Gudrun Krämer in der Münchner Carl Friedrich von Siemens-Stiftung, wie geradlinig das Leben des Gründers der Muslimbruderschaft, Hassan al-Banna (1906 bis 1949), verlief. Ganz anders als bei vergleichbaren deutschen oder russischen Gestalten nirgends ein Zeichen des Zweifels, der Krise, der Entscheidung. Kein Bewusstsein von Zerrissenheit, Verlorenheit, Geworfenheit. Ein wenig mag der Eindruck auf entgegengesetzte Traditionen autobiographischer Darstellung zurückgehen, die im Orient Zielgerichtetheit, im Okzident das Bekehrungserlebnis hervorheben. Tatsächlich hielt sich der Vortrag der Islamwissenschaftlerin von der Freien Universität Berlin weitgehend an den Selbstbericht al-Bannas, schon weil die Muslimbrüder, von allen Seiten misstrauisch beobachtet, in Forschung Spionage argwöhnen und Quellen verschlossen halten. Indes gibt es keinen Anlass, alBanna in diesem Punkt nicht zu folgen, und von da dürfte einiges Licht auf den rasanten Erfolg der Organisation fallen wie auch auf die spezielle Stellung der Muslimbrüder innerhalb der islamischen Reformbewegungen. Al-Bannas Vater war Beamter in einer Kleinstadt des Nildeltas. Er arbeitete als Uhrmacher, wobei er auch Grammophone verkaufte, und fungierte als Imam. Diplomiert von der Al-Azhar-Universität, hatte er außerdem bei Muhammad Abduh studiert, der neben al-Afghani als Gründerfigur des Islamismus gilt. AlBanna selber ging nicht auf die Koran-, sondern auf die staatliche Schule und studierte nicht an der Al-Azhar-, sondern an der Kairoer Pädagogischen Hochschule. Er wurde zum Unterrichten nach Ismailia, der Stadt der englischen Kanalverwaltung, geschickt, und dort sollen sich 1928 sechs Muslime seiner geistlichen Führung unterstellt haben, aus denen 1945 eine halbe Million geworden waren. Sicher spielt für diesen Erfolg eine Rolle, dass die regierende nationale Wafd-Partei sich seit den englisch-ägyptischen Verträgen von 1936 durch Kooperation mit den Kolonialherren zunehmend diskreditierte, während die Muslimbrüder 1936 beim Palästinenseraufstand mitwirkten. Auch wurde, wie die E Edel sei der Bau, hermetisch und gut: So diskret und nobel können in Leipzig neue sachgerechte Laborbauten aussehen. Foto Bartetzky 007 bitte draußenbleiben Die Büchse der Pandora: Ein Neubau für die Sonderlabore der Universität Leipzig Während Leipzig der Fertigstellung seines ambitionierten Universitätshauptgebäudes am Augustusplatz entgegenfiebert und -streitet (F.A.Z. vom 31. Oktober 2008), nimmt im Südosten des Zentrums ein naturwissenschaftlich-medizinischer Campus Gestalt an, der bisher selbst von der lokalen Öffentlichkeit kaum wahrgenommen wird. Grund dafür ist die gestalterische Diskretion der Neubauten, die den vorwiegend gründerzeitlichen Bestand des Areals komplettieren. Mit dem Kubus für die Sonderlabore der Fakultät für Biowissenschaften, Pharmazie und Psychologie aber wurde jetzt ein markanter Solitär fertiggestellt, der zu den besten Bauten des nachwendezeitlichen Leipzig gehört. Seine Entwerfer, die Leipziger Architekten Schulz & Schulz, sind bekannt für ihre Konsequenz, mit der sie die Form eines Baus aus seiner Funktion entwickeln. Folgerichtig verzichteten sie auf Leichtigkeit und Transparenz, die derzeit gängige Leitidee öffentlicher Architektur, in der sich auch einige der neuen Nachbargebäude üben. Denn ihre Aufgabe war es, ein Gehäuse zu errichten, das die Labore mit der Zuverlässigkeit eines Atombunkers abschirmt. Die Hörforscher von den kognitiven Neurowissenschaften etwa benötigen für ihre Experimente einen absolut schalllosen Raum, der in keinem konventionellen Gebäude eingerichtet werden kann. Ihre Kollegen von den Biowissenschaften indes verlangten nicht nur optimale Versuchsbedingungen, sondern auch höchste Sicherheitsstandards. Denn die hochinfektiösen und radioaktiven Substanzen, mit denen sie im Namen des medizinischen Fortschritts experimentieren, gleichen bei unsachgemäßer Handhabung dem unheilbringenden Inhalt der Büchse der Pandora. Kein äußerer Einfluss darf die Versuche stören, und erst recht darf aus den Räumen nichts nach außen entweichen. Dementsprechend lassen sich einige der massiven Fenster in dem Dreigeschosser nicht öffnen, Speziallüftungen sorgen für Luftreinheit. Die rund um den Treppenhauskern angeordneten, mit umlaufenden Gängen erschlossenen Räume sind teilweise mit Sicherheitsschleusen versehen, für den Fall versehentlicher Selbstkontamination der Forscher sind über den Türen Notduschen angebracht. In diesem bedrohlichen Hightech-Ambiente ließe sich bestens der rituelle Endkampf eines James-Bond-Films drehen, in dem 007 seinen menschheitsbedrohenden Widersacher durch Schließen der Schleuse todbringenden Krankheitserregern oder Killerchemikalien überantwortet. Doch die Idee wird sich schwerlich verwirklichen lassen, denn nach der bevorstehenden Inbetriebnahme der Labore werden fachfremde Besucher in dem Gebäude denkbar unwillkommen sein. Folgerichtig verzichtet der Bau auf jede einladende Geste. Noch nicht einmal ein Eingang lässt sich ausmachen. Der Zugang erfolgt durch eine in Höhe des ersten Obergeschosses angebrachte, betonumhüllte Brücke, die das Laborgebäude mit dem benachbarten Alt- Picasso bleibt Einigung mit den Erben in New York Im Streit um zwei Picasso-Gemälde, die im Besitz von New Yorker Museen sind, haben sich die Erben nach Angabe ihres Sprechers Julius H. Schoeps, dem Leiter des Potsdamer Moses Mendelssohn Zentrums, zufrieden über den jetzt vereinbarten Vergleich gezeigt. Der jüdische Bankier Paul von Mendelssohn-Bartholdy musste sich im Nationalsozialismus verfolgungsbedingt von den Gemälden „Junge mit Pferd“ und „Die Mühle von La Galette“ trennen. Die Bilder sollen nun nicht zurückgegeben werden, sondern im Museum of Modern Art (MoMA) und dem Guggenheim Museum bleiben. dpa bau der Institute für Biochemie und Pharmazie verbindet, darunter befindet sich ein unauffälliger Lieferanteneinlass. Die Architektenbrüder Schulz gaben dem Laborbau, seiner Funktion als undurchdringliches Gehäuse gemäß, die Form eines schweren, in sich ruhenden Betonwürfels von knapp zwanzig Metern Kantenlänge, der ohne jeden Schnörkel auskommt. In der Detailgestaltung zeigten sie sich gleichwohl als passionierte Tüftler und ästhetische Perfektionisten. Jedes Bauteil ist streng der leitenden Würfelidee unterworfen. Die schwarz umrahmten Außenscheiben der quadratischen, doppelschaligen Fenster wurden bis an die äußere Kante der Laibungen gerückt, um vollkommene Ebenmäßigkeit der Außenhaut zu erzielen. Doch die an den Rändern hinterlüfteten Außenscheiben haben auch eine praktische Funktion, indem sie die dahinter angebrachten Sonnenschutzlamellen vor Witterungseinflüssen schützen. Die üblichen, unansehnlichen Dachaufbauten für gebäudetechnische Installationen versenkten die Architekten unter der Dachkante, damit der Würfel auch aus der Fernsicht perfekt sei. Selbst den als Schutz der Außenwände vor Niederschlägen obligaten Dachüberstand wussten sie zu vermeiden. Trotz aller Rigidität der Form nimmt der Bau Rücksicht auf seine Nachbarschaft. Auf einem Eckgrundstück in bestehende Baufluchten eingefügt, schließt er die Raumkanten der Liebig- und der Stephanstraße. Nicht nur die Gesamthöhe, sondern – eine Seltenheit in Zeiten architekturfeindlicher Knauserigkeit – auch die Geschosshöhen entsprechen denen der angrenzenden Gründerzeitbauten. Sogar der warme, cremefarbene Ton der vorgefertigten Sichtbetonplatten folgt dem des benachbarten Institutsbaus. Mit seinen erlesenen Details erweist sich der Kubus bei aller funktionalistischen Kargheit doch als ein Repräsentationsbau, der an ein hippes Gegenwartskunstmuseum in der Schweiz denken lässt. Nur dass der Betrachter hier draußenbleiben muss. ARNOLD BARTETZKY Wenn die Kraft zu Ende geht, ist Erlösung Gnade. Wir trauern um meinen lieben Gatten, unseren Vater, Groß- und Urgroßvater Herrn Dipl.-Ing. Max Günter Dronsek Vorstandsmitglied i. R. Träger des Bundesverdienstkreuzes der nach einem erfüllten, schaffensreichen Leben und nach einem langen, mit großer Geduld ertragenen Leiden im 86. Lebensjahr, gestärkt durch die hl. Sakramente der Kirche, von Gott zu sich berufen wurde. Ingrid Dronsek und Kinder Kerstin mit Joachim Birte mit Achil Martin mit Birgit Enkel und Urenkel Wir bestatten unseren lieben Verstorbenen im engsten Familienkreis am 7. Februar 2009 in Mariazell, Österreich. Das Requiem findet um 10.00 Uhr in der Basilika statt. neuere Forschung betont, durch die einfache Darstellung der politischen Ziele das städtische Kleinbürgertum überhaupt erstmals in die Politik geführt. Gudrun Krämer indes interessierten die religiösen Inhalte, in denen sie drei Einflüsse ausmachte. Al-Banna war mit Abduhs berühmtestem Schüler, Raschid Rida, befreundet, der in seiner Zeitschrift „al-Manar“ den Salafismus propagierte. Salafismus ist im eigentlichen Sinne Fundamentalismus, die Rückkehr zur Praxis der Altvordern, nämlich der Urgemeinde. Darin liegt einerseits das Überspringen der Auslegungstradition. Die Pforten der Auslegung werden geöffnet, was Modernisierungen erlaubt. Andererseits wird die eingespielte Trennung zwischen Staat und Religion kassiert. Die Gemeinde soll die Rechtmäßigkeit des staatlichen Handelns kontrollieren. Al-Banna habe wie die Salafisten das Ziel verfolgt, unter kolonialer Herrschaft eine Ordnung zu etablieren, die am wahren Islam ausgerichtet ist. Allerdings stehen die Fundamentalisten meist in scharfer Opposition zur Volksfrömmigkeit, während umgekehrt al-Banna in theologischen Streitigkeiten eher eine Ablenkung von der Aufgabe des richtigen Handelns in der Gemeinschaft sah. Den Grund für diese Konzentrierung auf die Lebensführung sieht Gudrun Krämer in al-Bannas früher Teilnahme an einer Sufi-Bruderschaft. Gewiss sei es ihm nicht um Introspektion, Gottesschau oder Ekstase gegangen. Aber die Exerzitien und die Zeitökonomie, die Achtsamkeit auf den Alltag, seien ihm Vorbild gewesen. Als dritten Einflussgeber nannte Gudrun Krämer die christlichen Missionen. Natürlich war al-Bannas Tätigkeit gerade gegen diese Missionen gerichtet und weiterhin auf die Restitution des islamischen Imperiums. Aber auch er hatte eine Mission, nämlich die in Indifferenz und moralischer Verfehlung dahindämmernde Gemeinschaft aus dem Schlaf zu rütteln, und dabei lehnte er sich an Methoden an, deren Erfolg er vor Augen hatte. Moschee, Schulen, Krankenhäuser werden gebaut. In Werkstätten soll Arbeitslosen geholfen werden. Prediger gehen in Kaffeehäuser, in Zirkeln werden lebenspraktische Fragen besprochen. Die Pfadfinderorganisation etwa werde gemeinhin mit faschistischen Verbänden verglichen, dabei lägen die christlichen Vorbilder viel näher, kurze Hosen, mens sana in corpore sano, Gebete, Nachtwachen. Speziell nannte Gudrun Krämer die von den Missionen verbreitete Selbsthilfe-Literatur des Erzviktorianers Samuel Smiles. Gemeinhin wird die muslimische Reform – analog zur katholischen Gegenreformation – als eine Übernahme westlicher Ideen gedeutet. Man muss, so Gudrun Krämer, indes nicht in eine Geringschätzung islamischer Traditionen verfallen, wenn man herausstellt, dass die Reformer von den Missionen lernen konn- ten, wie man die Inhalte dieser Tradition propagiert. Das Thema mochte selbst für das gebildete beziehungsweise akademische Stammpublikum der Siemens-Stiftung zu eng scheinen, doch zeigte es sich in der ausführlichen Diskussion als klug gewählt. Die Vortragende konnte nämlich die sehr allgemeinen, aber von verständlicher Sorge getragenen Fragen aus ihrem Material beantworten. Dschihad? Für al-Banna ist der Dschihad noch antikolonialer Befreiungskampf, erst Sayyid Qutb bezichtigt die eigenen Regierungen des Abfalls vom wahren Glauben. Friede? Al-Banna schwankt zwischen historisch übrigens ziemlich unberatenen Rückeroberungsvorstellungen und universalistischen Geboten; der Faschismus wird klar als rassistisch denunziert. Wenn die Muslimbrüder sich nach dem Krieg an Gewalttaten beteiligten, müsse man die gewaltträchtige Situation bedenken: So starb al-Banna bei einem Attentat, das seinerseits auf ein Attentat der Brüder gegen den Verantwortlichen des politischen Verbots der Brüderschaft reagierte. Allerdings blieb die bewaffnete Geheimorganisation im Vortrag unerwähnt. Demokratie? Generell befürworten Fundamentalisten in ihrer Anlehnung an die Urgemeinde eine islamische Republik, und aus schlechten Erfahrungen sind sie für die Unabhängigkeit der Justiz. Al-Banna sei als Beamtensohn immer staatstreu geblieben. Da hätte man freilich einwenden können, dass er mit König Faruk gegen die immerhin gewählten säkularen Nationalisten zusammenarbeitete und seine eigene Organisation scharf autokratisch führte. Frauen? Die Familienvorstellungen waren sehr konservativ. Zur Beschneidung, einer verbreiteten ägyptischen Praxis vorislamischer Herkunft, hat er sich nicht geäußert. Bildung? Man soll die Geheimnisse der Schöpfung ergründen und auf Erden umherreisen. Nicht der Islam, sondern der desolate Zustand des Bildungssystems sei das Problem. Gegen westliche Technik wie Grammophone gibt es keine Vorbehalte. Integration? Gerade die Reformer propagieren die Arbeit als innerweltliche Askese. Unter den Bedingungen des Parteiverbots und der Verfolgung durch das Nasser-Regime habe sich die Gruppe radikalisiert, damit aber auch marginalisiert. Bei den nichtägyptischen Muslimbrüdern handele es sich teils um autochthone Gründungen, teils um Organisationen eigener Geschichte. Die heutige ägyptische Muslimbruderschaft sei dagegen gemäßigt und alle anderslautende Berichterstattung falsch. Ihr Gründer war eben nicht ein westlich Gebildeter, der an der Dekadenz des modernen Ägypten und zumal der neuen Sexualmoral verzweifelte und sich für eine islamische Ideologie entschiede. Erfolg hatte die Bewegung vielmehr, weil und insoweit sie eine im Alltag und als Praxis lebendige Tradition systematisierend beGUSTAV FALKE wahrt. Der Mann, der den Kalten Krieg entschied Dariusz Jabłońskis Dokumentation über den Spion Ryszard Kukliński bewegt Polen WARSCHAU, Anfang Februar Wie dreht man einen Film über einen Mann, der sich tagein, tagaus in einen Generalstab begibt und dessen große Tat darin besteht, der anderen Seite streng geheime Dokumente zuzuspielen? Den Einfall für diesen Film hat das Leben selber geliefert. Ursprünglich wollte der Regisseur, Dariusz Jabłoński, mit seinem Helden – es handelt sich um den polnischen Oberst Ryszard Kukliński (1930 bis 2004) – ein Interview durchführen und um dieses herum Ereignisse und politische Debatten gruppieren. Aber als er Kukliński endlich nach mehreren Jahren Bitten für ein Gespräch vor der Kamera gewinnen konnte, war es zu spät. Kukliński starb kurz vor dem Drehtermin. Da sich dessen Frau nur in einem Rollstuhl fortbewegen konnte, erklärte sich der Regisseur bereit, die Urne von Florida, dem Wohnsitz des Exilanten, zu den feierlichen Abschiedszeremonien nach Washington und von dort aus zur endgültigen Bestattung nach Polen zu transportieren. Im Film, der jetzt in den polnischen Kinos anläuft, verfolgen wir als Zuschauer den Weg der Urne, die der Regisseur oft wie privates Gepäck auf dem Schoß halten muss. Den legendären CIA-Spion Ryszard Kukliński, eine der umstrittensten Gestalten der polnischen Zeitgeschichte, bekommen wir dagegen nur auf Fotografien zu sehen, auf denen er sich durch geschickte Kameraführung oft zu bewegen scheint. Aber nicht dies ist das eigentlich Ergreifende an diesem Film, der den Titel „Gry wojenne“ (Kriegsspiele) hat. Mitgerissen wird der Zuschauer durch die Interviews mit fast all jenen, die mit der Zentralfigur zu tun hatten, das heißt mit den damals wichtigsten sowjetischen Generälen, mit hochstehenden amerikanischen Politikern und CIA-Leuten und den Polen Kiszczak, Jaruzelski, Wałęsa und so weiter. Ein dauernder Wechsel der Sprachen findet statt: Amerikanisch, Russisch und Polnisch. In diesem Wechsel ist der einzig ruhige Punkt das Gespräch des Regisseurs mit der Ehefrau, die nur selten ihre Trauer zeigt, obwohl sie nicht nur den Verlust ihres Mannes, sondern auch den ihrer beiden Söhne, die in den neunziger Jah- ren auf geheimnisvolle Weise ums Leben gekommen waren, zu beklagen hatte. Für die Polen ist es eine ausgemachte Sache, dass es sich hier um die Rache der Russen, des eben nicht untergegangenen KGB, gehandelt haben muss. Da Kukliński zu gut bewacht war, mussten seine Söhne daran glauben. Wie nebenbei werden wir in die große Geschichte eingeführt und werden uns der unerhörten Gefahren bewusst, die gedroht hätten, wenn es den westlichen In Polen galt Ryszard Kukliński lange als Hochverräter, nun erkennt man in ihm den wahren Patrioten. Foto Apple Film Strategen nicht gelungen wäre, der militärischen Überlegenheit des Warschauer Pakts eine neue, wie nachträglich zu erkennen ist, kluge Strategie entgegenzusetzen, zu der Kukliński durch die abfotografierten hochgeheimen Dokumente, aber auch durch seine Kommentare einen großen Teil beigetragen hatte (F.A.Z. vom 16. Dezember 2008). Auf die Weise wurde den Amerikanern klar, dass es der Sowjetunion nicht vornehmlich um Verteidigung ging, son- dern dass sie eine militärische Aggression gegen Westeuropa vorbereitete, bei der sie vor dem Einsatz von Atombomben nicht zurückgeschreckt hätte. Wie der Angriff verlaufen wäre, wird uns im Film durch Computerspiele, aber auch durch Landkarten, die der Spion selber angefertigt hatte, bewusstgemacht. Ein nachträglicher Schrecken ergreift den Zuschauer, zumal bei dem Angriff so gut wie alle Soldaten aus Polen und der DDR ihr Leben verloren hätten. Der entscheidende Stoß sollte erst nach dieser Politik der verbrannten und verseuchten Erde erfolgen. Zu Recht trägt der Film seinen Titel – „Kriegsspiele“. Beeindruckend sind die amerikanischen Gesprächspartner, die immer wieder Bewunderung für Kuklińskis Taten, aber auch für seine Bescheidenheit zeigen. Sie können kaum begreifen, wie dieser Mann in steter Furcht, ergriffen, gefoltert und erschossen zu werden, neun Jahre lang imstande war, über 40 000 Dokumente zu kopieren und auf komplizierte Art dem CIA zuzuspielen. Immer wieder gab es Augenblicke, in denen er aufzufliegen drohte. Interessanterweise sind es vor allem die Amerikaner, die den Oberst als einen polnischen Patrioten bezeichnen. Dem amerikanischen Botschafter, der Kuklińskis Familie in letzter Minute mit dem Auto von Warschau nach Berlin „schmuggelte“, kamen am Ende Tränen, als er von diesem Bravourakt erzählte. Ende 1981 war bekanntgeworden, dass sich im polnischen Generalstab ein „Verräter“ befand. Da Kukliński im Grunde genommen der Einzige war, durch dessen Hände alle geheimen Dokumente des Warschauer Pakts gingen, musste die Spur in Kürze zu ihm führen. In den folgenden Jahren lebte er unter falschem Namen und in größter Isolation mit nur mangelhafter Kenntnis des Englischen. Es sollte recht lange dauern, bis er dem freien Polen einen Besuch abstatten durfte, nämlich bis das Todesurteil gegen ihn aufgehoben wurde und er nicht mehr fürchten musste, in seinem Land verfolgt zu werden. Der Regisseur hat klugerweise seine beide Besuche in Polen ausgespart. Er wäre dann nicht mehr der große Abwesend-Anwesende KAROL SAUERLAND geblieben.