Peter Schwingen (1813-1863) Ein Maler der Düsseldorfer
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Peter Schwingen (1813-1863) Ein Maler der Düsseldorfer
Peter Schwingen (1813-1863) Ein Maler der Düsseldorfer Malerschule Zum 200. Geburtstag Selbstbildnis mit Hut, vermutlich 1837, Öl auf Leinwand, Kopie von Fritz Faust, 1920er Jahre, Privatbesitz Peter Schwingen (1813-1863) Ein Maler der Düsseldorfer Malerschule Zum 200. Geburtstag Begleitbuch zur gleichnamigen Ausstellung des StadtMuseum Bonn im Ernst-Moritz-Arndt-Haus in Bonn in Kooperation mit der Peter-Schwingen-Gesellschaft Bonn-Bad Godesberg e. V. Herausgegeben von Ingrid Bodsch Bearbeitet und mit Beiträgen von Pia Heckes und Horst Heidermann Bonn 2013 Hubert Philipp Schwingen, Öl auf Leinwand, um 1848, Privatbesitz Satz und Layout: Sigrid Lange Redaktion: Sigrid Lange und Ingrid Bodsch in Zusammenarbeit mit den Verfassern der Beiträge Bildbearbeitung und Bildredaktion: Sigrid Lange Fotografie: Hans-Dieter Heckes: S. 2, 8, 15, 16, 20, 27, 29, 35, 81, 83, 86, 90, 106, 108, 117, 128. Ingrid Kemp: S. 4, 77. LVR- Rheinisches Amt für Denkmalpflege: S. 45. Stiftung Museum Kunstpalast-ARTOTHEK: S. 110. Stiftung Museum Kunstpalast-Horst Kolberg-ARTOTHEK: S. 78. Stiftung Preußische Schlösser und Gärten Berlin-Brandenburg/Fotograf: S. 53. sowie mit Genehmigung der in den Bildunterschriften genannten Besitzer. Umschlagentwurf: Hans-Dieter Heckes Druck: bonndruck GmbH ISBN 978-3-931878-39-9 © Verlag StadtMuseum Bonn 2013 www.bonn.de/stadtmuseum Inhaltsverzeichnis Vorwort der Herausgeberin S. 7 Pia Heckes Peter Schwingen – Eine Einführung in das Werk und zugleich ein Vorwort S. 9 Horst Heidermann Peter Schwingen (1813-1863) – Leben und Werk S. 41 Pia Heckes Peter Schwingen, Düsseldorf, der Vormärz und Heinrich Heine S. 129 Archivalien S. 150 Gedruckte Quellen und Literatur S. 152 Damenbildnis, Öl auf Leinwand, 1859, Wilhelm Körs, Galerie an der Börse Düsseldorf 6 Vorwort der Herausgegeberin Ein Jubilar des Jahres 2013 ist auch der aus dem heute zu Bonn gehörenden Winzerörtchen Muffendorf gebürtige Maler Peter Schwingen. Aus kleinbäuerlichen und ungebildeten Verhältnissen stammend, verdankt Schwingen seine Förderung und spätere Ausbildung einem Mitglied des preußischen Königshauses, das ihn an den Oberpräsidenten der Rheinprovinz empfahl, was für Schwingen die Aufnahme an die Düsseldorfer Kunstakademie zur Folge hatte. Dort reüssierte der junge Mann bald und konnte sich wirtschaftlich und künstlerisch etablieren. Schwingen, der noch vor Erreichen seines 50. Geburtstags am 6. Mai 1863 in Düsseldorf gestorben ist, ist nicht nur der einzige bekannte Bonner unter den Düsseldorfer Künstlern, sondern gehört zu den bedeutenden Vertretern der Malerschule. Ihn im Jahr seines 200. Geburtstags in Kooperation mit der in Bad Godesberg angesiedelten Peter-Schwingen-Gesellschaft mit einer Ausstellung zu ehren, war dem StadtMuseum Bonn, das auch im Besitz zweier Schwingen-Gemälde ist, ein besonderes und gerne aufgegriffenes Anliegen. Die Realisierung von Ausstellung und Begleitbuch verdanken wir dem finanziellen Engagement der Peter-Schwingen-Gesellschaft, deren Vorstandsmitglieder Dr. Pia Heckes und Dr. Horst Heidermann schon seit Jahren die wissenschaftliche Recherche zu Peter Schwingen betrieben haben, die in den grundlegenden Beiträgen im Katalog ihren Niederschlag finden. Die gesamte Organisation der Ausstellung und die Buchherstellung lag in der Hand von Dr. Sigrid Lange. Pia Heckes, Horst Heidermann und der gesamten Peter-Schwingen-Gesellschaft sowie Sigrid Lange gilt natürlich mein besonders herzlicher Dank! Eingeschlossen in den Dank sind auch die Leihgeber, ohne die wir keine Ausstellung zeigen könnten. Deshalb bin ich sowohl den Leihgebern aus öffentlichen Sammlungen und Stiftungsbesitz − Stiftung Museum Kunstpalast (Düsseldorf ), Museum Haus Martfeld (Schwelm), Stiftung Sammlung Volmer (Wuppertal), Dr. Axe-Stiftung − wie auch den vielen privaten Leihgebern, von denen ich hier Wilhelm Körs aus Düsseldorf (Galerie an der Börse) nennen darf, außerordentlich dankbar, dass Sie die von Frau Lange gestellten Leihersuchen zu erfüllen bereit waren. Dr. Ingrid Bodsch, Bonn, Ostern 2013 7 Wie groß ist das Kind? Öl auf Leinwand, 1846, Privatbesitz 8 Pia Heckes Peter Schwingen Eine Einführung in das Werk und zugleich ein Vorwort Mit großer Freude legt Ihnen die Peter-Schwingen-Gesellschaft Bonn-Bad Godesberg e. V. eine neue, stark erweiterte Dokumentation über Leben und Werk Peter Schwingens vor. Fast 20 Jahre sind vergangen, seit wir unser erstes Buch über Schwingen (Pia Heckes/Horst Heidermann: Peter Schwingen, Leben und Werk, Bonn 1995) veröffentlicht haben. Fast 20 Jahre Forschung, das Glück des Fleißigen, Trouvaillen, Zufälle, akribisches Archivalienstudium und das geduldige Zusammenfügen zahlreicher Hinweise, die gleichsam Mosaiksteinchen waren, haben nun unter den kundigen Händen Horst Heidermanns wiederum eine ergänzte Dokumentation entstehen lassen. Eine Schwingen-Monographie, die um Beträchtliches angewachsen ist und unser Wissen über den Maler aus Muffendorf erheblich erweitert. Daher wird der Leser bei genauem Studium auch um deutliche Nuancen veränderte Einschätzungen der Autoren vorfinden, die teilweise sich absetzen vom Text der ersten Dokumentation, die 1995 erschien. Denn fast 20 Jahre Forschung bedeuten eben einen Wissenszuwachs, der sich ablesen lässt. Walter Cohen kannte aus eigener Anschauung etwa 20 Bilder Schwingens, Walter Holzhausen hatte die Möglichkeit, 40 Bilder in Augenschein zu nehmen. Wir gehen heute von insgesamt vielleicht 200 Bildern Schwingens aus, von denen wir eine sehr große Zahl durch Anschauung oder Überlieferung kennen. Dies lässt eine Neubewertung notwendig und folgerichtig erscheinen. Wir gehen davon aus, dass das Gesamtwerk Schwingens damit aber nicht erschöpft ist und erwarten auch für die Zukunft weitere „Zufallsfunde“. Das heute bekannte Werk des Malers ist weitaus größer als wir dies vermutet und lange Zeit auch angenommen haben. Die Spannweite seiner Themen ist größer geworden, die politische Dimension, die Eingebundenheit in die gesellschaftlichen Bedingungen rund um die 1848er Revolution wird sichtbarer. Und es wird deutlich, dass Schwingen keinesfalls ein „unpolitischer“ oder gar den Verhältnissen seiner Zeit gegenüber unsensibler Künstler gewesen ist. Das Gegenteil wird diese Dokumentation belegen. 9 Peter Schwingen ist zu lange Zeit als ein zwar interessanter aber in erster Linie doch regional bedeutender Maler gesehen worden. Begünstigt wurde diese Einschätzung durch sein bisher absolut unzureichend dokumentiertes Leben sowie eine vielfach nur auf literarische Quellen sich stützende Forschung über den Verbleib eines großen Teiles seines Werkes. In Peter Schwingens Werk vereinen sich zwei große Themen, die die Düsseldorfer Malerschule beherrschten: Zum einen sind es die Porträts von Zeitgenossen, vor allem Industrieller aus dem Tal der Wupper, zum anderen − und dies scheint mir das eigentlich Bedeutende zu sein − wendet sich Schwingen erst gar nicht dem oftmals falschen Pathos der akademischen Malerei seiner Zeit zu, sondern malt Szenen des einfachen bäuerlichen und kleinbürgerlichen Lebens, die so realistisch wirken, als ob sie aus seiner Erinnerung stammten. Mit diesen Genrebildern, die zum Überzeugendsten gehören, was die Düsseldorfer Maler der Zeit hervorgebracht haben, reflektiert er liebevoll, bisweilen auch ironisch, das dörfliche Leben mit seinen deftigen Bräuchen. Das „Schießen um ein fettes Schwein“ oder „Der Gewinn des großen Loses“ schildern gleichermaßen ein harmlos dörfliches Vergnügen wie auch die sicher oftmals herbeigesehnte Möglichkeit, durch den Wink des Schicksals reich zu werden – einmal nicht dank mühevoller Arbeit den verdienten Lohn zu erhalten, sondern reiche Gaben gleichsam von einer Schicksalsgöttin zugeworfen zu bekommen. Es ist der alte Traum der einfachen Leute auf dem Land, zu denen Schwingen selbst gehört hatte. Lotterien waren im Vormärz ein großes gesellschaftliches Thema, wie auch das äusserst bissige Poem Ferdinand Freiligraths „Ein Patriot“ deutlich macht. Es gehört in den Gesamtzusammenhang des Gedichtzyklus „Ein Glaubensbekenntnis“, mit dem Freiligrath 1843/44 in heftige Auseinandersetzungen mit der Zensurbehörde kam. Peter Schwingen kam aus kleinsten Verhältnissen. Offensichtlich schämte er sich keineswegs seines Herkommens, sondern er erkannte, dass in diesen Themen viel Neues lag. Die kritische Darstellung einer „Pfändung“, sein Bild war das erste im Rheinland mit diesem Thema, zeigt die Verelendung der kleinen Handwerker und ihrer Familien zu Beginn der Industrialisierung. Es ist Beleg für die These, dass die Düsseldorfer Maler sehr genau die Strömungen ihrer Zeit aufnahmen und in Bildern verarbeiteten. Es wäre sicher falsch, in diesen Malern deshalb „Marxisten“ sehen zu wollen.1 10 Sie eroberten sich neue Bildthemen und damit eine realistische Bildsprache und sie beschäftigten sich im weitesten Sinne auch mit der Frage nach der sozialen Gerechtigkeit. Vielleicht ist gerade dies das Besondere an den „rheinischen“ Malern der Düsseldorfer Malerschule? Eine Maxime des rheinischen Lebens heißt: Leben und leben lassen. Insofern nehmen gerade auch die Genrebilder Schwingens einen ganz besonderen Platz ein. Das Rheinland im Spannungsfeld zwischen Französischer Revolution und dem kurkölnischen Katholizismus hat ein besonderes Bürgertum hervorgebracht. Ein Bürgertum für das auch immer die soziale Frage eine wesentliche Rolle gespielt hat, das kein Großbürgertum mit Dünkel war, sondern ein selbstbewusstes Bürgertum, das bei allen Freizügigkeiten auch immer um die Verantwortung dem anderen gegenüber wusste. Die fortschreitende Politisierung des Lebens in den Jahren zwischen 1830 und 1848 lässt sich auch an den Bildzeugnissen ablesen. Schwingens GenreBilder weisen vordergründig nicht über ihre Zeit hinaus. Sie weisen keine der damaligen Kunstkritik so wichtigen Züge von überzeitlichen Normen und Gültigkeit auf. Schwingen verarbeitet keine „klassischen“ Themen. Ein Qualitätsmerkmal tritt aber umso deutlicher in den Vordergrund: die Glaubwürdigkeit. Seine Figuren sind weder hölzern noch von falschem Pathos beseelt. Zurück zur Frage nach den großen Vorbildern und Zeitgenossen der „Düsseldorfer“. Die Düsseldorfer Maler müssen sich an einem großen Namen messen lassen: Gustave Courbet – ein Zeitgenosse Schwingens. Nur ihm gelang es, eine Realismus-Diskussion zu entfachen, die ihre Auswirkungen bis weit in das 20. Jahrhundert hinein hatte. Courbet hatte es gewagt, den Lebensalltag der kleinen Leute mit einer bis dahin nie da gewesenen Offenheit bis hin zur Brutalität zu zeigen. Auch er kam, wie Schwingen, aus kleinen Verhältnissen, und ist daher der geradezu ideale Gegenpart. Während Schwingen in allem noch die ländliche Idylle liebevoll ausformuliert, fehlt jede Spur von Romantik und Idylle in Courbets Bildern. Seine „Steineklopfer“ konfrontieren das Bürgertum mit vollkommen neuen Bildthemen. Seine Bilder wirken, als seien sie unter freiem Himmel gemalt, als sei der Maler direkt Zeuge der Szene. Ziel ist es, das Bild so nahe wie möglich an die Realität heranzubringen; die Pleinair-Malerei ist die theoretische Vorwegnahme der etwa zeitgleich entwickelten Fotografie. Diese ist ein Medium der Unmittelbarkeit, der unbedingten Wahrheit: So ist eine Situation gewesen, zwar nur für einen Moment, aber doch der Wirklichkeit entnommen. Courbets Anspruch war der gleiche. Die Kunstgeschichte prägte den Begriff vom „sozialistischen Realismus“, der heute meist verengt für die propagandistische Staatskunst der DDR verwendet wird. 11 Die Düsseldorfer Maler waren dagegen noch mehr in der Tradition der akademischen Malerei verhaftet. Vergleicht man die beiden Schulen, die „Schule von Barbizon“, wo sich die ersten „Pleinair“-Maler zusammen gefunden hatten, und die Düsseldorfer Akademie, so erweisen sich die Düsseldorfer als die wesentlich Konservativeren. In Düsseldorf blieb man lieber im Atelier, statt hinaus in die Natur zu ziehen und unter freiem Himmel zu malen. Obwohl die Akademie von einer rheinischen Provinzialität geprägt war, lässt sich aber auch hier die Sehnsucht nach der genauen Schilderung des Lebens erkennen. So wie sich die französischen Maler der Schule von Barbizon dem Tageslicht mit seinen wechselnden Stimmungen aussetzten und dieses zum Stilmittel für ihre Bilder erhoben, setzten sich die Düsseldorfer Maler mit den Geschichten und Ereignissen ihrer näheren Umgebung und in der Eifel auseinander und fomulierten Bilder, die sich vom akademischen Ideal weit entfernten. Arnold Hauser, Autor des Standardwerkes „Sozialgeschichte der Kunst und Literatur“ (1953), formulierte dies so: „Prosa des ländlichen Lebens statt Ideallandschaft heroischer Natur“. Die „Prosa“, wie Hauser sie versteht, findet sich in Schwingens Bildern geradezu ideal fokussiert: Sein „Mädchen am Brunnen“, „Die Kinder pflegen ihren kranken Hund“ und „Kind mit Taube, Huhn und Katze“ stehen beispielhaft für diese Kunst der Düsseldorfer Malerschule, die sich gegen den erklärten Willen ihres damaligen Direktors Wilhelm von Schadow mehr und mehr der Darstellung der sozialen Wirklichkeit widmete und sich von den großen Themen der Historie und der Ideenmalerei abwandte. Die Maler der Akademie emanzipierten sich so vom Diktat ihrer eigenen Schule. Der Vormärz kündigte sich auch in der Malerei an. Offensichtlich kamen zu Beginn der 1830er Jahre mehrere Zeitströmungen den Düsseldorfer Malern zugute: Einerseits ihre Neigung, sich Bildthemen zu widmen, die aus der scheinbar alltäglichen Anschauung stammten, andererseits ein Publikum, das offenbar nach solchen Bildern verlangte: „... die liberalen Unternehmer, die auf Handelsreisen Beziehungen nach Frankreich und Belgien entwickelten und dabei in Berührung mit der dort vollzogenen bürgerlichen Revolution und den in diesem Zusammenhang entstandenen Werken der realistischen Kunst kamen, forderten die Maler geradezu auf, die Wirklichkeit darzustellen.“ 2 Das Bürgertum des Vormärz und der nachrevolutionären Zeit schuf sich auf diese Art und Weise eine Kunst, die den eigenen Vorstellungen von Leben und Arbeit, Kunst und Kultur entsprach. Zum einen entstand eine große Anzahl von Industriellen-Porträts, mit denen sich die Gründerväter des wirtschaftlichen Aufstiegs Deutschlands selbst auf eine bescheidene Art feierten, zum anderen entstand 12 mit den bürgerlichen Kunstvereinen ein Kunsthandelsnetz, das den Künstlern auch die Abnahme realistischer Bilder sicherte. Schwingens malerisches Werk ordnet sich in dieses Spannungsfeld ein. Schwingen ist zunächst ein Außenseiter im Kreis der Düsseldorfer Maler gewesen: Ein Kind vom Land, das zwar des Lesens und Schreibens kundig war, ansonsten aber eines Stipendiums bedurfte, um sich in der ersten Zeit der Akademieausbildung über Wasser halten zu können. Kaum ist er sich seiner Leistungen sicher, scheint ihn der Übermut gepackt zu haben und er verwirkt durch mangelnde Teilnahme am Unterricht diese pekuniäre Sicherheit. Mangelndes Selbstbewusstsein kann keine herausragende Eigenschaft dieses jungen Mannes gewesen sein. Schwingens „Brotkunst“, seine Porträts zeitgenössischer Industrieller und ihrer Familien, haben den größten Anteil am Gesamtwerk. Den Beginn der Karriere als gesuchter Porträtist durch die Förderung der Familie de Weerth beleuchtet H. Heidermann in einem Aufsatz, der soeben in der Zeitschrift „Romerike Berge“ erscheinen ist.3 In den Porträts spiegelt sich allerdings mit großer Deutlichkeit eine unstete Haltung Schwingens, dem nicht jedes Porträt mit gleicher Qualität zu einem guten Bild gelang. Offensichtlich war er starken Schwankungen unterlegen, die sich in den Bildern ausprägen. Die „Dame mit Spitzenhäubchen“ gehört zu Schwingens bedeutenden Werken der Bildnismalerei. Eine ältere Dame mit strengen Zügen, deren Gesicht nicht einem Idealtypus der Zeit entspricht, sondern ganz individuell aufgefasst ist. Hier bemühte sich Schwingen um Nähe, um ein lebendig wirkendes Inkarnat, um die genaue Erfassung der Physiognomie. Die Liebe zum Detail spricht aus der feinen Ausformulierung des zarten Spitzenhäubchens und des feinen Kragens. Kleid und Hintergrund sind dunkel gehalten, der Kopf leuchtet aus dem Bild heraus. Schwingen schuf hier ein Bildnis mit großer Authentizität. Bereits in diesem ersten Beispiel wird deutlich, dass Schwingen sich besonders um eine Qualität der Malerei bemühte: er strebte Wahrhaftigkeit an. Nicht nur eine möglichst genaue Abbildung war das Ziel, sondern auch das Erfassen der ganzen Persönlichkeit. Die Dame mit Spitzenhäubchen, vielleicht war es die Mutter Eduard Bendemanns, glaubt man recht genau zu kennen. Eine selbstbewusste, strenge Frau, deren Blick zugleich Neugier auf die Welt wie einen gewissen Grad an Abgeklärtheit enthält. Die schmalen Lippen mit den hochgezogenen Mundwinkeln verraten eine leichte Skepsis. 13 Schwingen schuf hier ein einfühlsames Werk, das sich durchaus mit den besten Porträts der Biedermeierzeit messen kann (Abb. S. 101). Mit dem Porträt von Schwingens erster Frau, Magdalene Philippine, haben wir ein für das Biedermeier typisches Bildnis einer jungen Frau mit rosigen Wangen und großen dunklen Augen. Tracht und Frisur entsprechen der städtischen Mode der Zeit und unterstreichen auch hier die Wirkung des Gesichts. Auffallend sind der große goldene Ohrschmuck und die goldene Nadel, die auf einen gediegenen Wohlstand des jungen Ehepaares Schwingen hinweisen. Der Maler hat sich offensichtlich zu dieser Zeit bereits in die bürgerliche Schicht Düsseldorfs emporgearbeitet. Zu seinem bescheidenen sozialen Aufstieg verhalfen ihm die Porträtaufträge, die ihn in das frühindustrielle prosperierende Tal der Wupper führten. Die späten 1830er Jahre brachten zahlreiche Aufträge und Peter Schwingen wurde so ein gut beschäftigter Maler. Er füllte wohl eine Lücke aus, die der Tod des Malers Heinrich Christoph Kolbe im Jahr 1836 gerissen hatte. Kolbe war ein beliebter Bildnismaler gewesen, der hauptsächlich für Familien im Bergischen Land gearbeitet hatte. Um 1837 malte Schwingen seinen Schwager, den Kleidermacher Josef Schmitz. Schwingen ist bemüht, seinem Schwager mit diesem kleinen Bildnis einen Dienst zu erweisen. Weste und Gehrock sind fein ausgemalt und zeigen die hohe Handwerkskunst des Schneiders, der mit diesem Bild auch gleichzeitig für sich werben kann. Weitere kleine Bilder des gleichen Typs und wohl auch aus der Familie Schmitz sind erst in jüngster Zeit wieder aufgetaucht. Zu den schönsten Bildnissen, die Schwingen schuf, gehört zweifellos das Porträt der Prinzessin Wilhelmine Luise von Preußen aus dem Jahr 1840. Ob es sich bei diesem Werk um eine Auftragsarbeit oder um ein freies Werk handelt, lässt sich heute nicht mehr nachvollziehen. Die besondere Qualität des Bildes mag auch darin begründet sein, dass es sich um eine Kopie nach Schadow handelt. Es ist sehr fein ausgearbeitet; besonders den Kopfschmuck, ein Samtbarett mit weißen Federn, hat Schwingen mit größter Genauigkeit dargestellt. Der Mantel mit dem weit geschnittenen Pelzkragen bildet gemeinsam mit der Stoffbespannung einen dunklen Hintergrund, aus dem das zarte Gesicht der Prinzessin hervorleuchtet. Auch dieses Bildnis wird beherrscht von den individuellen Zügen der Dargestellten, wobei das Gesicht leicht idealisiert wirkt. Ganz im Gegensatz zu einem etwas später entstandenen Porträt einer Godesberger Bürgerin, der Großmutter Schwingens. Aus diesem Porträt spricht 14 die lebendige Anschauung, die Liebe zur Großmutter Nicolai. Jede Falte des Gesichts ist dargestellt, ein gütiges Lächeln und wache, leuchtende Augen charakterisieren diese alte Frau. Schultertuch und Spitzenhäubchen sind mit großzügigen Strichen ausgeführt, sind wenig wichtige Details, die den Maler nicht interessieren. Hier fasziniert das vom Alter gezeichnete Gesicht. Hier nimmt er sich die Freiheit, das Unwichtige nur flüchtig darzustellen – eine kleine Emanzipation von der biedermeierlichen Feinmalerei. Das nächste Porträt aus Schwingens Familie treffen wir erst im Jahr 1850. Es stellt seine zweite Frau, Sophia geborene Zecher, dar. Schwingen findet hier zu einer Verbindung von Porträt und seinen früheren Genrebildern. Er stellt seine Frau als strickende Hausfrau dar. Ein Motiv das ihn schon häufiger zu Bildern angeregt hatte. Das Bildnis der jungen Frau zeigt eine Arbeit des späten gereiften Künstlers. Die weichen Züge des Gesichts und die rosigen Wangen sprechen von einer tiefen Zuneigung und es scheint wieder etwas Ruhe und Zuversicht in das Leben des alternden Malers einzukehren. Sophia Schwingen, geb. Zecher, zweite Ehefrau von Peter Schwingen, Öl auf Leinwand, 1850, Privatbesitz 15 Peter de Weerth (Des Geschäftsmannes Mußestunde), Öl auf Leinwand, 1838, Privatbesitz 16 Zu den herausragenden Arbeiten Schwingens gehören die Bilder, die Porträt und Interieur verbinden. Diese Werke gehören zum Besten, was diese Epoche der biedermeierlichen Porträtmalerei hervorbrachte. Schwingen stellt seine Auftraggeber in ihrer häuslichen Umgebung dar. Er erfasste mit analytischem Blick die Persönlichkeit auch durch die Dinge, mit denen sich die Zeitgenossen umgaben. Gleich beim ersten Bild gelang dies mit erstaunlicher Präzision und Kunstfertigkeit. Das Bildnis Peter de Weerths aus dem Jahr 1838 zeigt einen weißhaarigen alten Herrn, der am Fenster auf einer Polsterbank sitzt, und offenbar eben beim Lesen innehält, um den Maler anzublicken. In der einen Hand ein Buch in der anderen die Brille haltend, liegen vor ihm auf dem Tisch zahlreiche Bücher und Manuskripte aufgeschlagen. Die „Elberfelder Zeitung“ fehlt ebenfalls nicht. Ein Briefumschlag auf dem Tisch, der an den Porträtierten adressiert ist, gibt Auskunft, um wen es sich handelt. Auch auf der Bank und auf dem Boden liegen zwischen Aktendeckeln offenbar wichtige Schriftstücke. Um eine „Mußestunde des Geschäftsmannes“, wie der Untertitel des Bildes oft genannt wird, handelt es sich aber keineswegs. Das Tintenfass ist geöffnet und die Feder liegt griffbereit daneben auf einem kleinen Gestell. Im Hintergrund an der Wand hängen eine Karte von Spanien sowie ein Kalender. Alles Hinweise auf die stete Geschäftstätigkeit Peter de Weerths. Eine persönliche Note erhält das Bild durch den kleinen Hund, der vertrauensvoll seinen Kopf dem Herrn zugewandt auf die Bank gelegt hat und auf eine streichelnde Hand zu warten scheint. Den Hund interessiert der Maler nicht, demonstrativ hat er dem Eindringling in die kleine Welt des Arbeitszimmers den Rücken zugewandt. Die während des Biedermeier so beliebten Fensterbilder hinterließen auch im Werk Schwingens ihre Spuren. Aus dem zweiflügeligen Fenster blickt man auf ein schräg gegenüber liegendes Haus, das mit Schieferplatten verkleidet ist und dunkelgrüne Fensterläden hat. Der Betrachter weiß sofort: Hier ist man im Bergischen. So schuf Schwingen ein intimes Bild, das den Menschen inmitten seines Lebens- und Arbeitsumfeldes zeigt. Von ähnlicher Qualität ist das Bildnis des Johann Friedrich Wülfing (Abb. S. 90) aus der Zeit um 1840. Dem Vorgängerbild bis ins Detail entsprechend aufgebaut, ist dieses Bild jedoch insgesamt privater. Die Möblierung ist die eines gediegenen Wohnraumes wohlhabender Leute. Auch dieses Bild zeigt, wie oft bei Schwingen, einen kleinen Hund, der seinem Herren zugetan ist und dessen Stammplatz sich offensichtlich unter dem Tisch befindet, denn da steht auch die Futterschüssel. Aus dem Fenster blickend sieht der Betrachter ein verschiefertes Haus mit grünen Läden, so dass er auch hier sicher sein 17 kann, im Bergischen zu sein. Die Figur Wülfings ist gegenüber dem Interieur zurückhaltend, mehr in den Hintergrund getreten. Das schmückende Beiwerk, das „Dekorum“ hat einen hohen Stellenwert. Schwingens Freude am erzählenden Moment, am Erfassen von in sich geschlossenen Szenen wird deutlich. Sein Ziel ist es, den Menschen in seiner Umgebung darzustellen, um ihm gerecht zu werden. Im Jahr 1843 erhält er daraufhin auch den Auftrag, Wülfings Schwester Gertrud de Weerth (Abb. S. 86) posthum zu malen. Die bereits 1829 verstorbene Frau Peter de Weerths darzustellen, war sicherlich keine leichte Aufgabe. Dennoch erledigt Schwingen dies mit Bravour. Die ältere Frau sitzt mit einem schwarzen Kleid und weißen Spitzenhäubchen bekleidet am Fenster und hält in der Hand einen weißen Strickstrumpf. Auf dem Tisch neben sich ein Körbchen mit Wolle und Nähutensilien, im Hintergrund ein Fenster und an der Wand eine edle Nußbaum-Kommode mit Schubladen. Besonderer Blickfang sind die beiden Blumenstöcke rechts und links neben der Uhr. Blühende Kamelien waren in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts besonders beliebt, sie geben dem Bild Wärme und lenken ab von der recht strengen übrigen Darstellung. Schwingen scheint mit dieser Art des Porträts zu reüssieren. So schuf er 1846 das Porträt der Familie von Eynern (Abb. S. 95), wobei die Eltern Eynern wohl auch posthum dargestellt wurden. Bildaufbau und die ganze Auffassung sind hier den vorhergehenden Bildern wiederum sehr ähnlich, nur die Tochter Nanette, die eine Häkelarbeit in den Händen hält, scheint nach dem Leben gemalt. Dieserart Erinnerungsbilder trugen wohl zu Schwingens Ruhm als Bildnismaler bei. Im Jahr 1844 bekam er den Auftrag, die Familie KeuchenWerlé darzustellen (Abb. S. 92). Schwingen bleibt bei dem bisher so erfolgreich angewandten Bildaufbau, fügt wiederum einen kleinen Hund hinzu und charakterisiert die Familie durch drei Bilder an den Wänden des Zimmers als kunstsinnig. Auch hier wieder der Blick auf bergische Häuser. Die Familie scheint wie zur Kaffeestunde versammelt, doch nicht zufällig, sondern mit dem Bewusstsein, dem Künstler Modell für ein bedeutendes Familienbild zu sitzen. Schwingens Gemälde nimmt schon einiges dessen voraus, was die frühe Porträtfotografie in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts uns heute so interessant macht. Maler und Fotografen standen sich kaum nach in der Intention, der Wahrheit möglichst nahe zu kommen und eine authentische Momentaufnahme schaffen zu können. Es ist der analytische Blick, den die Maler des Biedermeiers die späteren Fotografen lehrten. Es ist der Blick, der 18 sich bemüht, hinter die Kulissen zu schauen, ohne dabei allerdings die gesellschaftlichen und persönlichen Tabus zu verletzen. Gekennzeichnet von großer Genauigkeit aber nicht jener Detailbesessenheit, wie sie das späte 19. Jahrhundert hervorgebracht hat, erlebten gerade die Düsseldorfer Maler, wie es am Beispiel Schwingens deutlich wird, die sozialen Gegensätze mit eindringlicher Schärfe. Schwingen ist durch seine Herkunft prädestiniert, den Gegensatz zwischen arm und reich besonders deutlich zu spüren. Einerseits reist er durch das Tal der Wupper und porträtiert die prosperierende frühindustrielle Gesellschaft, andererseits kennt er die ärmlichen Verhältnisse auf dem Dorf und hat selbst materielle Sorgen kennengelernt. Ein besonders schönes Familienbildnis schuf Schwingen im Jahr 1854. Es stellt wohl drei Generationen einer Familie dar, die Großmutter ist offensichtlich erkrankt und ihr Leben scheint sich dem Ende zuzuneigen. Versorgt von Sohn und Schwiegertochter, die sich liebevoll um die Kranke bemühen, scheint sie der Mittelpunkt der Familie zu sein. Hier hat Schwingen wieder ein Erinnerungsbild zu schaffen, das den Tod der alten Dame ahnen lässt. Ein Bild voller Intimität und größter Glaubhaftigkeit. Schwingen zeigt die Sorge der Familie und macht dem Betrachter klar, dass ein Leben zu Ende geht. Ein Bild ohne falsches Pathos, das man mit Recht als ein reifes Spätwerk betrachten kann. Ein Gemälde, das Schwingens Interieur-Porträts möglicherweise anregte, ist das Bild „Frau am Fenster“ von 1837. Als Studie nicht bis ins letzte Detail ausgemalt, ist dieses Bild voller Harmonie und Atmosphäre. Es zeigt eine stickende Frau am Fenster. Die Bilder an den Wänden und die dem Betrachter geradezu provokativ entgegenblickende Büste machen deutlich, dass es sich hier nicht um einen kleinbürgerlichen Haushalt handelt. Dieses kleinformatige Bildchen ist gleichsam das Schlüsselwerk für die später so erfolgreich verkauften Einzelporträts und Familienbildnisse. Schwingen sah die Möglichkeiten, die in diesem Bildaufbau lagen und bediente sich dessen über viele Jahre hin. Noch aufschlussreicher für sein Gesamtwerk sind aber die Genre-Szenen des ländlichen Lebens, die einen Zyklus darstellen, der es bei weitem lohnen würde, ihn einmal in der Gesamtschau auszustellen. Leider sind aber auch hier einige Werke z. Zt. verschollen oder in extrem schlechtem Erhaltungszustand, so dass dieses Unterfangen der Zukunft vorbehalten bleiben muss. 19 Mädchen am Brunnen, Öl auf Leinwand, nicht datiert, Privatbesitz 20 Den Anfang der ebenso aufschlussreichen wie schönen Reihe von Bildern soll eine undatierte Arbeit machen: Das „Mädchen am Brunnen“. Eine junge, hübsche Frau lehnt an einer Brunneneinfassung und schaut den Betrachter ein wenig kokett an. Sie wirkt gleichermaßen neugierig wie skeptisch abwartend – ein Kind vom Land, dessen Tracht mit dunklem, besticktem Mieder und goldbesticktem Häubchen oftmals den Anlass geboten hat, für Muffendorf eine Art Winzerinnentracht zu vermuten. Da Schwingen diese Kleidung häufiger dargestellt hat, liegt dies auch nahe. Ein hoher gelber Tonkrug steht neben den Füßen des Mädchens und ist Hinweis darauf, dass sie den Brunnen besucht, um Wasser zu holen. Der Krug ist allerdings so auffällig platziert, dass er wie zum Vorwand mitgenommen wirkt. Vielleicht verbirgt sich auch ein galantes Geheimnis im Bild, denn sie scheint in ihrer dunklen Schürze etwas verborgen zu halten. Nach hinten öffnet sich das Bild in eine sanft geschwungene Hügellandschaft. Die Bäume geben einen kleinen Blick auf einen Steinbruch frei; eine romantische Landschaft, die für ein heimliches Treffen gut geeignet ist. Ein weiteres Mal malt Schwingen eine junge Frau in Tracht, das Bild ist ebenfalls nicht datiert: „Die Strickerin“. Auch hier hat Schwingen wieder eine kleine Momentaufnahme geschaffen, die man auf seinen Heimatort Muffendorf beziehen möchte. Das junge Mädchen sitzt mit einem Strickstrumpf in den Händen vertieft in seine Arbeit und scheint ganz gefangen von der Tätigkeit. Nähe und intime Wirkung des Bildes lassen auf ein anonymes Porträt schließen, auch das Gesicht entspricht nicht einem Typus, sondern ist individuell geschnitten. Dass es sich hier um eine ländliche Szene handelt, hat Schwingen anhand nur eines kleinen Details deutlich gemacht. In der schadhaften Wand im Hintergrund des Bildes sieht man einen grob geschmiedeten Nagel, der wie zufällig dem Auge noch eine kleine Attraktion bietet und den Hintergrund des Bildes abschließt. Auch diese kleinen Kunstgriffe heben Schwingens Bilder über die Masse der biedermeierlichen Bilderproduzenten hinaus. Schwingens früheste datierte Genreszene ist die „Vesperzeit am Sonntag“ von 1837. Als Vierundzwanzigjähriger malte er diese technisch und thematisch ausgereifte Szene, die ebenfalls in ländlicher Umgebung spielt. Der Haushalt der beiden Alten gehört zu den wohlsituierten, wie die liebevoll geschilderte Ausstattung des Raumes anschaulich macht. Ein bescheidener Wohlstand herrscht im Hause, die Dröppelminna auf dem Tisch wartet auf den Sonntagnachmittäglichen Einsatz, Steinzeugtöpfe stehen herum, der Betrachter weiß, es kann sich nur um eine Szene handeln, die irgendwo im Rheinischen oder 21 Bergischen anzusiedeln ist. Dieses Lokalkolorit bleibt zeitlebens ein Kennzeichen zahlreicher Arbeiten Schwingens. Rechts, ein wenig im Hintergrund, sitzt eine alte Frau und hält eine Kaffeemühle zwischen den Knien. Sie dreht das Mahlwerk, das man in der Stille des Nachmittags zu hören glaubt. Ihr Mann sitzt in einem Ohrensessel am Fenster und liest konzentriert in einem alten Buch, das mit Metallbeschlägen ausgestattet ist. Die Füße stecken in Filzgaloschen – bis heute unverändertes Kennzeichen für den Müßiggang am Feierabend oder am Wochenende. Das Buch hat einen besonderen Wert. Wie die geöffnete Tür des Wandschranks zeigt, birgt dieser offensichtlich die wenigen Schätze des Hauses. Ein alter Bronzemörser teilt sich den Schrank mit einem Dokument und einigen alten Büchern. Zwischen den Alten scheint ein sprachloses Einvernehmen zu bestehen, ein ruhiger Sonntagnachmittag, eine Idylle, wie Schwingen sie vielleicht aus seiner Kindheit im Dorf gekannt haben mag. Das Dorf hat ihn in dieser Zeit noch mehrmals zu Bildern inspiriert, wie die „Frau mit Kindern im Torbogen“ von 1839 zeigt. Schwingen mag sich einen Zyklus von Bildern des ländlichen Lebens vorgestellt haben, als er sich mit diesen Themen beschäftigte. Auch dieses kleine Bild stellt eine Idylle vor, eine Momentaufnahme des kleinen Glücks, die die Sorgen und Nöte der kleinen Leute auf dem Land ausklammert. Eine junge Bäuerin hält ihr Kleinkind, das soeben eingeschlafen ist, in den Armen. Das zweite Kind sitzt ihr zu Füßen und scheint in ein Spiel versunken. Hühner scharren im Hof, vier Tauben sitzen auf dem Dach und neben der Tür plätschert ein dünner Wasserstrahl in einen Holzeimer. Auch hier platziert Schwingen als Blickfang einen Steinzeugkrug auf der Türschwelle. Der Torbogen gibt den Blick frei auf einen Hohlweg, der in eine Auenlandschaft führt. In weiter Ferne sieht man einen breiten Fluss, auf dem ein großes, weißes Segel zu sehen ist. In Verbindung mit dem rheinischen Steinzeug kann es sich nur um den Rhein handeln. Schwingens Liebe zum Detail erfasst sogar die Schwalbennester unter den Kragbalken des alten Fachwerkhauses. Eine Vorstudie zu diesem Bild, die zunächst nur durch ein Foto von Julius Söhn bekannt war, ist kürzlich aus dem Besitz des weiteren Familienkreises von Schwingen wieder aufgetaucht (Abb. S. 40). Im gleichen Jahr befasst sich Schwingen mit einer weiteren ländlichen Szene. Die Darstellung einer Winzerin ist als Vorstudie, wahrscheinlich zu dem nicht überlieferten Bild „Die Winzerin“, erhalten (Abb. S. 40). 22 Schwingen hat sich zu Beginn der 1840er Jahre mit sozialen Themen zu beschäftigen begonnen. Möglicherweise hat ihn eine tatsächliche Begebenheit zum ersten Bild inspiriert – was in der Zeit der großen Lotterien nicht weiter verwunderlich wäre. Der „Lotteriejude“ ist eines der bedeutenden Schwingen-Bilder, das die kleine überschaubare Welt des Malers reflektiert, das von Figuren lebt, die Schwingen auch in Bildern mit anderen Themen vorgestellt hat. In der Wohnstube des Schmieds hat sich die ganze Familie versammelt, um über das Angebot des reisenden Losverkäufers zu beraten. Der Schmied prüft skeptisch das Angebot, während der Loshändler lebhaft die Vorteile seines Angebotes unterstreicht. Im Hintergrund ist die Schmiede-Werkstatt angedeutet, die Schwingen auch in anderen Bildern gerne als Hintergrundgestaltung verwendete (z. B. im „Martinsabend“, auf den noch später eingegangen wird). Die Ausstattung des Wohnraums erinnert entfernt an das Ambiente der „Vesperzeit am Sonntag“; auch hier finden sich Dröppelminna und Steinzeugkrüglein. Zwei Gefäße, die offensichtlich immer dazugehörten. Die Geschichte des Schmieds erfuhr eine Fortsetzung: „Das große Los“. Der Schmied, überrascht vom unverhofften Glück, hat den Hammer fallengelassen und kann es kaum fassen. Für die Familie tut sich ein warmer Geldregen auf; l400 Taler Gewinn ruhen in dem Säckchen, das der Bote des Losverkäufers leger über der Schulter trägt. Hier wird der Losverkäufer zum Glücksboten, wie ihn schon die antike Bildtradition kannte. Das weinumrankte Fachwerkhaus und die Kirche mit dem rheinischen Turmhelm machen dem Betrachter auch wieder eindringlich klar, dass die Geschichte in einem kleinen rheinischen Ort spielt. Um die Sache aber zu einem richtigen Abschluss zu bringen, arbeitet Schwingen ein drittes Bild aus, das vom „Schmaus nach dem Gewinn des großen Loses“ erzählt. Ein deftiges Fest mit Musik und großer Gesellschaft findet in der Stube des Schmieds statt. Vom Spätsommer bis zum Winter hat der Schmied sein Los soweit verbessert, dass er nun auch die armen Verwandten zum Fest einladen kann. Schwingen schuf ein Bild, in dem viele wunderbare kleine Geschichten vereint sind, es gehört zu den Höhepunkten seines Werkes und ist Zeugnis für eine wohl gelaunte Fabulierkunst des Malers. Der Schmied ist im feinen Gehrock kaum noch wieder zu erkennen, Schnallenschuhe und goldene Uhrkette sind Zeichen des neuen Wohlstands, wobei der Schmied offensichtlich auch nicht die weniger begüterte Familie vergisst, die nach langem Fußmarsch durch Schnee und Eis mit offenen Armen empfangen wird. Der Wein fließt reichlich, spielt im Bild immer wieder eine kleine 23 Der Schmaus nach dem Gewinn des großen Loses, Öl auf Leinwand, 1843, StadtMuseum Bonn aber deutliche Rolle: ganz links füllt der Geselle den Wein in Flaschen ab, die zur Kühlung in kaltem Wasser stehen. Schwingen selbst hatte offenbar die Erfahrung, dass der Rheinrotwein gut gekühlt auf den Tisch zu kommen hatte. Ganz rechts am Tisch haben zwei Freunde die Gläser zum Gruß erhoben, wobei das eine sich bedenklich neigt und der Wein sich dem anderen über die Sonntagsjacke ergießt. Offenbar haben beide schon recht tief ins Glas geschaut, wie die rosigen Wangen und roten Nasen verraten. Auch der jüngste Besucher des Fests nutzt die Gelegenheit, als ihm im allgemeinen Begrüßungstrubel niemand Beachtung schenkt, um den guten Wein zu kosten. Ganz heimlich trinkt er die Reste aus dem Glas, wobei er nach dem Vater schielt, sich des verbotenen Tuns bewusst – eine amüsante kleine Szene. Ganz im Hintergrund versucht ein junger Mann die Magd von seinen Qualitäten zu überzeugen. Diese scheint hin und her gerissen zwischen der Pflicht, den knusprigen Gänsebraten auf den Tisch zu bringen, und dem Vergnügen des galanten Gesprächs. Die beiden Musikanten untermalen die ganze Szene mit Posaunen- und Geigenmusik. Der eigentliche Gegenstand des Festes, das Los, prangt wie eine Trophäe an der Tür des Wandschränkchens. Der kleine magere Hund im Vordergrund, dessen deutlich hervortretende Rippen ein Zeugnis 24 geben von der ansonsten mageren Kost im Hause, hat natürlich auch ein Stück vom Braten erhalten. Schwingen hat ein frohes ländliches Fest gemalt, das ihn selbst als Mann von tiefgründigem Humor charakterisiert. Es waren die einfachen Dinge des Lebens, die ihm Bildthemen wert waren, und die er in warmen Tönen ohne jedes Pathos darzustellen verstand. Der Schmied bot Schwingen auch später wieder Anlass, eine humorvolle Variante des Themas zu malen. Eine junge Frau bringt ihre Sichel zum Schmied, um sie ausbessern zu lassen, da sie offensichtlich beim Mähen schartig geworden ist. Der deutlich ältere Schmied nutzt die Situation, um mit der Arglosen, da er sich unbeobachtet fühlt, ein wenig zu schäkern. Er ahnt nicht, dass seine Alte mit geballter Faust hinter dem Butzenscheibenfenster steht und die Heimlichkeit erfasst. Ein amüsantes Genrebild, das zu Schwingens Spätwerken gehört. Ganz offensichtlich hat er hier von einem Gemälde David Teniers d. J. profitiert: „Der alte Mann und das Mädchen“ (um 1631-1641, 55 x 90 cm), das sich heute im Prado in Madrid befindet und dessen Bildidee er in seine Bildwelt übersetzt hat.4 Auch hier erweist sich wieder, dass Schwingen ein Meister darin war, Bildideen zu variieren. Offensichtlich waren für Schwingen gute Jahre angebrochen, denn 1844 malte er wiederum ein sehr fröhliches Bild, das ebenfalls aus dem rheinischen Brauchtum heraus lebte: „Das Preisschießen um ein fettes Schwein“. Auf dieses Bild wird in dem Aufsatz über Schwingen, den Vormärz und Heinrich Heine noch genauer eingegangen werden (S. 129ff.). 1845 oder 1846 ist es mit der Fröhlichkeit vorbei. Ein bewegendes, dramatisches Bild entsteht, das die Not der ländlichen Bevölkerung, die von der Frühindustrialisierung und ihren sozialen Folgen bedroht war, verdeutlichte: „Die Pfändung“ (Abb. S. 110). Ein Bildthema, das im zweiten Drittel des 19. Jahrhunderts mehrfach interpretiert worden ist. Ausgangspunkt war wohl ein Gemälde David Wilkies mit gleichem Thema, das 1828 durch einen Stich in Deutschland bekannt wurde. Gerade bei den beiden Düsseldorfern Peter Schwingen und Karl Hübner traf das Motiv wohl einen Nerv. Schwingens Pfändung ist ein dramatisches Bild. Während sich der Handwerker, Gesellen und Kinder dem Unabänderlichen hingeben, versucht die junge Ehefrau auf den Knien liegend, den Gläubiger um Aufschub oder Nachlass zu bitten. Doch der reiche Bürger scheint in keinem Falle gewillt, von seiner Forderung abzuweichen. In diesem Bild, von dem Schwingen mehrere ähnliche Fassungen schuf, fokussierte Schwingen die soziale Situation der Handwerker. 25 In der zweiten Fassung des Bildes ist das Dramatische der Situation noch ein wenig gesteigert. Indem Schwingen den Alkoven mit dem Vorhang weg lässt, sieht man den Gehilfen, der die wenigen Güter fort trägt, umso deutlicher. Ein weiteres Bild mit ähnlichem Inhalt ist heute verschollen: das nicht versteuerte Brot. Wolfgang Müller von Königswinter, der den Genrebildern Schwingens und der „Tendenzmalerei“ skeptisch gegenüber stand, beschreibt das Bild wie folgt: „ ... Hierher gehört zunächst das nicht verzollte Brod. Dasselbe ist eine derbe Satyre auf die Schlacht- und Mahlsteuer. Wir sehen nämlich in das Thor einer Stadt. Steueraufseher greifen mit brutalem Ausdrucke ein armes Bettelkind auf, das einen Laib Brot für die Familie vorbeiträgt, während Jäger, die sich Rehe nachschleppen lassen und die überdies von Wild strotzenden Taschen umgehängt haben, unbefangen und ungehindert, sogar salutiert von den Dienern des Gesetzes vorbeiziehen.“ 5 Es waren keine Einzelschicksale, die zu solchen Bildern Anlass gaben, sondern häufig wiederkehrende Geschehnisse, die Schwingen veranlassten, die Stimmung des Vormärz und die daraus resultierenden Ereignisse des Jahres 1848 zu formulieren. Schwingen hatte allerdings keinerlei visionäre Vorstellungen von den politischen Entwicklungen. Diese Werke mit engem politischem Bezug stellten gesellschaftliche Realität dar, nicht überzeichnet, nicht befrachtet mit dem Anspruch auf überzeitliche Bedeutung. Es blieben anekdotische Einzelwerke, die sich in die Reihe der Genrebilder nahtlos einfügen, aber eine stärkere Politisierung des Autors signalisierten, die aber mit der Weltanschauung seiner zahlreichen bürgerlichen Auftraggeber zu vereinbaren war. Das zeitlich folgende Genrebild „Die Weinlaube“ wendet sich dann auch wieder den erfreulicheren Dingen des Lebens zu. Dargestellt ist eine Weinprobe vor dem Kelterhaus. Der Weingutsbesitzer, gekennzeichnet durch Gehrock und Zylinder, schaut kritisch, ob der neue Wein auch klar und von guter Farbe ist. Links vorne im Bild sitzt ein kleiner Junge rittlings auf einem kleinen Fass, dahinter steht der Kellermeister, der seinen Wein anpreist. Im Hintergrund sieht man die riesige Spindel der Weinpresse, davor drei kleine Mädchen, die gerade mit dem Knecht zanken, der ihnen eine lange Nase zeigt. Schwingen rahmt die ganze Szene durch einen Torbogen ein, um den sich Weinreben ranken. Die Blätter haben sich schon verfärbt, so dass die nächste Lese vor der Tür steht, und der Vorjahreswein unbedingt abgefüllt werden muss, damit eine ausreichende Anzahl von Fässern für den neuen Wein zur Verfügung steht. Das Bild entstand als Auftrag eines Düsseldorfer Weingutsbesitzes und Hoteliers. 26 Eines der letzten Genregemälde Schwingens nimmt ein Thema auf, dem er sich bereits 1837 gewidmet hatte. Die „Vesperzeit am Sonntag“ wird 1862 zu einem „Beschaulichen Lebensabend“. Das späte Werk ist in der Formulierung von Einzelheiten konsequenter, wenn auch im Bildaufbau und in der Größe nahezu identisch mit dem frühen Gemälde. Schwingen versetzt die Szene in eine kleinbäuerliche Umgebung, die einfacheren Ausstattungsstücke lassen alles bescheidener wirken. Der Ohrensessel, möglicherweise ein Möbelstück, das Schwingen über viele Jahre begleitet hat, wird allerdings unverändert übernommen, wohingegen der Tisch nun kein spätbarockes Prunkstück, sondern ein einfacher Holztisch ist. Zwei Bilder, die zeigen, dass Schwingen sich und seinen Bildthemen über 25 Jahre treu geblieben ist. Das Bild macht aber auch deutlich, dass Schwingen früh seinen Stil gefunden hatte und offensichtlich keinen Anlass sah, ihn zu verändern. Seine Bilder haben ihm ein auskömmliches, wenn auch nicht allzu üppiges Dasein gesichert, was er dem Markt zu bieten hatte, fand seine Käufer. Beschaulicher Lebensabend, Öl auf Leinwand, 1862, Privatbesitz 27 Dies gilt in besonderem Maße für die Darstellungen des Martinsabends. Ein Thema, das Schwingen vielfach variierte und das seine Kinderbilder besonders ins Blickfeld führt. Die Reihe der Kinderbilder führen zwei undatierte Arbeiten an, die heute nicht mehr nachweisbar sind. Fotokopien von alten Abbildungen zeigen jedoch, dass Schwingen das Thema Kind und Hund faszinierte. Das erste Bild zeigt ein kleines Mädchen, mit langer Schürze und Häubchen bekleidet, das auf einer Treppenstufe stehend ins Gespräch mit dem Hofhund vertieft scheint. Eine Szene, wie sie typisch ist für das dörfliche Leben und die Zuneigung zwischen Kind und Hund. Ebenso schildert das nächste Bild eine kleine Anekdote aus dem Leben eines Bauernkindes. Von der Müdigkeit übermannt, hat sich ein kleiner Junge in die Hundehütte zurückgezogen, den Kopf auf den Rücken des angeketteten Wachhundes gebettet, und ist tief eingeschlafen. Die Holzschuhe sind ihm von den Füßen gefallen, der Mund steht im Schlaf weit offen, und nur der Hund bewacht aufmerksam den Schlaf seines kleinen Herren. Der Hund lässt sich nicht einmal durch ein eifrig pickendes Huhn ablenken. Beschirmt wird die ganze Szene von einem ausladenden Holunderstrauch, dessen Blüten auf einen Frühlingstag hinweisen. In einer zweiten Version dieses Themas wird der schlafende Junge vom Bauern des Hofes überrascht. Sie wurde 2001 im Kunsthandel angeboten und ist heute in Privatbesitz. Diese kleinen Dorfidyllen werden ergänzt durch ein 1842 entstandenes Bild, das drei Kinder mit Hund zeigt. „Die Kinder pflegen ihren kranken Hund“ (Abb. S. 81) – eine alltägliche Begebenheit, wie alle Kinder sie schon einmal erlebt haben. Der kleine Hund wird zum Gegenstand ernster Sorge, wenn er einmal einen Tag fastet oder weniger lebhaft als an anderen Tag ist. So lässt der Hund denn, hin- und her gerissen zwischen echter Freude über die Zuwendung und dem Wunsch, sich den Kindern entziehen zu können, alles mit sich geschehen. Er erträgt die liebevolle Zwangsfütterung, solange er sich nur der Aufmerksamkeit der Kinder sicher ist. Auch hier deuten Brunnen und Holunderbusch auf eine dörfliche Umgebung hin. Schwingen mag sich an Begebenheiten aus seinen Kindertagen in Muffendorf erinnert haben und mit leiser Wehmut, gepaart mit feinem Humor, diese Kinderbilder als Beschwörung einer glücklichen Kindheit gemalt haben. Das Gemälde „Mädchen und Katze“ ist ein weiterer Hinweis darauf, wie stark Schwingen offenbar von seiner Kindheit im Dorf geprägt war. Die Diele eines alten Fachwerkhauses ist die Kulisse für die Szene. Das kleine Mädchen hat sich den Stuhl ans Fenster gerückt und strickt einen bunten Schal. Der Eifer, 28 mit dem sie bei der Sache ist, steht ihr ins Gesicht geschrieben, und auch die Katze, die ihr Gesellschaft leistet und mit dem Wollknäuel spielt, lenkt sie nicht ab. Für den Stuhl ist sie eigentlich noch zu klein, aber dass die Füße über dem Boden baumeln, scheint sie nicht zu stören. Mit Ausstattungsdetails ist Schwingen hier sparsam umgegangen, nur die Gläser auf dem Wandschrank und der Bierkrug an der Wand geben einen dezenten Hinweis darauf, dass das Mädchen vielleicht eine Wirtsstube zu betreuen hat, und sich die Wartezeit mit dem Stricken des bunten Schals verkürzt. Eine kleine Szene, die Ruhe und kindliches Glück ausstrahlt. Ganz ähnlich aufgefasst ist auch das Bild „Kind mit Taube, Huhn und Katze“, das noch einmal die Qualität der Kinderbilder Schwingens unterstreicht. Mädchen mit Taube, Huhn und Katze, Öl auf Leinwand, 1852, Privatbesitz 29 Ein erst kürzlich wieder aufgetauchtes Bild, das den Besuch einer reichen Dame im Bauernhaus zeigt, gehört ebenso in diesen Zusammenhang, wie das kleinformatige Gemälde „Wie groß ist das Kind?“ (Abb. S. 8). Aber nicht nur die Genreszenen weisen Schwingen als liebevollen Erzähler einer Kinderwelt aus. An seinen Kinderporträts offenbart sich besonders die Qualität seiner Malerei. Ein Bildnis eines kleinen Mädchens, das bisher nur aus dem Bildarchiv Söhn bekannt ist, ist ein besonders schönes Beispiel. Ein etwa drei bis vierjähriges Mädchen trägt einen kleinen geflochtenen Korb am Arm und es pflückt Blumen, die es liebevoll in diesem Körbchen sammelt. Es hat seine Aufmerksamkeit gerade einem Fuchsienstock zugewandt und hält eine Blüte zwischen den Fingern. Die üppigen Weinreben im Hintergrund und die blühenden Fuchsien bilden einen Kontrast zum zarten, hellen Kleid des Mädchens. Eine Kette aus dunklen Korallenperlen deutet an, dass dieses Kind nicht aus der kleinbäuerlichen Umgebung der Kindheit Schwingens stammt. Möglicherweise handelt es sich auch hier um ein Auftragswerk. Stilistisch in enger Beziehung zu diesem Bild steht auch eine nicht signierte Arbeit, die bereits von Holzhausen Schwingen zugeschrieben wurde.6 Es handelt sich um die drei Kinder von Ernst Eugen de Weerth (Abb. S. 83). Schwingen schuf auch hier ein lebendiges Bild, das den Kindern Ernst, Clara und Arthur einen kleinen Hund als Begleiter zugesellt. Der Junge im karierten Kleid bietet dem Hund ein Stückchen rheinisches Schwarzbrot an, ohne das Tier damit aber sonderlich locken zu können. Hund und Kind – ein Thema, das Schwingen so häufig malte, vereinte er hier zu einem reizvollen Familienbild. Bisher nur aus dem Fotoarchiv Söhn, jetzt aber auch als Original im Familienbesitz, ist ein Kinderporträt bekannt, das einen kleinen Jungen zeigt. Ein fröhliches Kind mit blondem Haar und einem Grübchen am Kinn. Das Format des Bildes ist fast quadratisch, auf Dekorationen hat Schwingen hier völlig verzichtet. Nur der weiße kleine Hemdkragen ist schmückendes Beiwerk. Ein handschriftlicher Zusatz auf dem Söhn-Foto nennt als Dargestellten Hubert Philipp Schwingen, das dritte Kind Schwingens aus erster Ehe (Abb. S. 4). Da dieses Kind 1842 geboren wurde und hier als etwa Sechsjähriger dargestellt ist, muss das Bild um 1848 entstanden sein. Ein besonders schönes Kinderbildnis schuf Schwingen im Jahr 1858. Das „Mädchen in Weiß“ zeigt ein etwa sechs- bis achtjähriges Mädchen, dessen große dunkle Augen einen exotischen Eindruck hervorrufen. Die langen 30 dunklen Haare sind streng aus der Stirn zurückgekämmt und am Hinterkopf in einem Netz zu einem großen Knoten zusammen gefasst. Ein goldener Anhänger am Ohr schmückt das Kind, dessen weißes Kleid in reizvollem Gegensatz steht zu dem dunklen Haar. Es ist nicht überliefert, ob es sich um ein konkretes Porträt und Auftragswerk handelt, oder ob Schwingen das Mädchen allein wegen seiner faszinierenden Ausstrahlung gemalt hat. Aus dem Jahr 1862 ist das Bildnis eines Knaben erhalten, der im Samtanzug sonntäglich herausgeputzt dem Maler Modell gestanden hat (Abb. S. 83). Ein Degen an der Seite und die kleinen roten Korallenknöpfe am Kragen und an den Manschetten lockern die strenge Komposition auf. Im Hintergrund erscheint eine großblättrige Zimmerpflanze, deren Stängel mit einer roten Schleife, die das Rot der Zierknöpfe aufnimmt, zusammengebunden sind. Es ist bisher nicht bekannt, welchen Knaben das Bild darstellt, doch weisen Bezüge über die Besitzergeschichte wieder auf eine bergische Fabrikantenfamilie hin. Das mit Sicherheit erfolgreichste Bildthema Schwingens ist der Martinsabend. Wie schon die Anzahl der heute nachzuweisenden Bilder erkennen lässt, muss es sich hierbei um ein im Rheinischen äußerst beliebtes Thema gehandelt haben. Allein sieben Bilder mit dem Titel „Martinsabend“ in unterschiedlichen Fassungen haben sich erhalten bzw. sind nachweisbar. Es sind durchweg kleinformatige Arbeiten, von denen allerdings ein eigenartiger Zauber ausgeht. Die runden Kindergesichter leuchten mit den Martinslaternen um die Wette. Neben Weihnachten ist im Rheinland das Martinsfest das schönste Kinderfest im ganzen Jahr. Kleine und größere Kinder ziehen gemeinsam durch die Straßen und singen Lieder, die den Hl. Martin ehren und die, die am Wegesrand wohnen, an seine Mildtätigkeit erinnern sollen. So kommt denn manche gute Gabe zusammen bei der Mahnung: „ ... hier wohnt ein reicher Mann, der vieles geben kann ...“. Schwingen schildert hier ein für das Rheinland sehr typisches Fest, das mit seinen Laternen aus Kürbissen und Rüben, mit seinen Feuern und den Bettelzügen der Kinder eng verbunden ist mit der Legende des Hl. Martin von Tours und mit den altgermanischen Bräuchen des Herbstfestes. Gerade das Martinsfest, das einen der ältesten Patrone rheinischer Kirchen ehrt, verbindet heidnisches und christliches Brauchtum besonders offensichtlich miteinander. Im Hintergrund anderer Fassungen des „Martinsabends“ ist eine Schmiede mit rötlich glühendem Widerschein des Feuers auf den Wänden zu sehen. Die Kinder haben Kerzen in ihren ausgehöhlten Rüben angezündet und freuen sich an dem Lichterschein. Im Zentrum des Bildes steht ein junge Frau, ihr 31 Kleinkind auf dem Arm. Liebevoller hat kaum ein Maler rheinisches Brauchtum illustriert. Mit kleinen Änderungen in Details hat Schwingen dieses Thema immer wieder variiert, dabei sind einige Versionen bemerkenswert, weil sie vedutenartig z. B. den Turm der St. Lambertuskirche oder das JanWellem-Denkmal in Düsseldorf erkennen lassen. Gerade die Darstellung des Jan-Wellem-Denkmals lässt Schwingens humorvoll-ironische Ader zur Geltung kommen: Die barocke Statue Herzog Johann Wilhelms II. von JülichBerg, Kurfürst von der Pfalz, wohl das Hauptwerk des Hofbildhauers Gabriel de Grupello, erfährt bei Schwingen eine erstaunliche Wandlung. Aus dem stolzen Vollblüter wird ein plumpes Pony. Nicht nur die gedrungene Figur verrät dies, sondern auch die Haltung der Beine. Das Pferd ist im Passgang dargestellt, und diese Gangart beherrschen nur Kleinpferde. Ein lustiges Bildchen, das Schwingen wahrscheinlich für eines seiner Kinder gemalt hat. Der Martinsabend war so erfolgreich und die Nachfrage offenbar so groß, dass eine Radierung nach einem Schwingen-Motiv aufgelegt wurde. Martinsabend (VI), 1837 oder später, Verbleib unbekannt, Foto: Julius Söhn 32 Die Bilder beweisen, dass Schwingen ein großer Freund der Kinder gewesen ist. Manche Anekdote über sein Leben mit den eigenen Kindern mag daher ein Körnchen Wahrheit enthalten. Eine besonders schöne Geschichte soll hier kurz wiedergegeben werden. Es wird heute noch in seinem Geburtsort Muffendorf, einem kleinen Fachwerkdorf bei Bad Godesberg, erzählt, dass Schwingens Kinder in einem von einem Ziegenbock gezogenen Wägelchen durch die Straßen Düsseldorfs fuhren. Nebenher schritt ein stolzer Papa, der sich wohl unter den Düsseldorfer Malern als ein rheinisches Original erwiesen hatte. Aber auch diese Hinwendung zum Kind ist typisch für das 19. Jahrhundert, das man zu Recht als das Zeitalter der Entdeckung der Kindheit bezeichnen darf. Bis weit in das späte 18. Jahrhundert hinein wurden Kleinkinder eben wie kleine Erwachsene behandelt. Erst die frühen Romane (ab 1780) und die Veröffentlichung des Gesamtwerkes von Johann Heinrich Pestalozzi zwischen 1819 und 1826 änderte etwas an der Erziehungspraxis. Das wache und liebevolle Interesse Schwingens an Kindern wird in zahlreichen seiner Bilder deutlich. Seine Kinderbildnisse gehören sicherlich zum Besten, was dieses Genre hervorgebracht hat. Er malt die Kinder gleichsam als wertvolle Schätze, als fröhliche kleine Persönlichkeiten, in denen sich in besonderem Maße für den Gläubigen die Gottähnlichkeit des Menschen darstellt. Schwingen ist der Maler der rheinischen Seele geworden. Aus der Studienzeit an der Düsseldorfer Akademie in den dreißiger Jahren sind zwei Schülerarbeiten Schwingens erhalten. Eine farbige Zeichnung nach einem Musketier des 17. Jahrhunderts, die eine Bewegungs- und Kostümstudie darstellt, hat Schwingen mit dem Zusatz versehen: „Ist Durindan nicht hier?“ (Abb. S. 77). Wahrscheinlich handelt es sich um eine Szene aus einem der damals in Düsseldorf sehr populären Werke von Ariost. Eine andere frühe Arbeit zeigt einen Kreuzritter vor einer mittelalterlichen Burg. Beide Blätter beweisen aber, dass die Bildthemen der Akademie Schwingen nur wenig zu faszinieren vermochten. Die Zeichnungen wirken hölzern und wenig ambitioniert. Er wandte sich ab von den heroischen Figuren der akademischen Malerei, hin zu den kleinen Szenen des alltäglichen Lebens seiner Zeit. Er malte nach seiner Akademiezeit, was er selbst beobachtet hatte, was ihm aus seiner Kinderzeit im Dorf noch vertraut war. Was ihm als selbstverständlich im Miteinander des täglichen Lebens vorkam. 33 Schwingen gehörte zu den Malern, die sich in ihrem Leben mehrfach selbst porträtierten. So kennen wir Schwingen als jungen Mann, als reifen Herren und als alternden Künstler am Ende seines Lebens. Ein frühes Bildnis, das Schwingen als etwa Zwanzigjährigen zeigt (Abb. S. 74), ist seit dem Ende des Zweiten Weltkrieges verschollen. Aber auch hier hat das Foto-Archiv Söhn wertvolle Hinweise geliefert. Das Porträt war unsachgemäß gelagert worden, Bruchkanten zeigen deutlich, dass es zusammengefaltet lange Zeit deponiert gewesen ist. Zwei Zustandsfotos vor und nach der Restaurierung zeigen einen sensiblen jungen Mann mit ernstem Blick. Ganz typisch für Schwingens Porträts ist der dunkle Rock und der düstere Hintergrund, aus dem das Gesicht hervorleuchtet. Der kleine weiße Kragen schafft den Übergang zwischen Rock und Gesicht und hebt die zarten Züge gut hervor. Ein weiteres Selbstporträt muss einige Zeit später entstanden sein. Es zeigt Schwingen bereits mit dem Ansatz einer hohen Stirn, geschmückt mit einer schönen Schleife. Dieses Bild lässt sich bisher nur durch ein in der Tagespresse veröffentlichtes Foto nachweisen, der Verbleib ist bis heute ungeklärt. Etwa um die gleiche Zeit ist ein drittes Selbstbildnis entstanden, das Schwingen nach rechts gewandt zeigt. Haartracht und Kleidung entsprechen der Kleidung der Bürgerschicht gegen Mitte der 1830er Jahre. Auch der Verbleib dieses Bildes ist nicht geklärt. Aus dem Jahr 1837 hat sich eine Kopie nach einem Selbstporträt Schwingens erhalten: Er hat sich mit einem breitkrempigen hellen Filzhut bekleidet dargestellt. Ein dünner Bart ziert sein Gesicht (Abb. S. 2). Einige Jahre später, vielleicht in den Vierziger Jahren, hat Schwingen sich wiederum selbst gemalt. Diesmal erscheint er als reifer Mann mit Bart und goldener Hemdnadel. Das Bild ist zwar signiert und datiert, doch ist die so aufschlussreiche Jahreszahl nicht leserlich. Dennoch weist das Porträt Schwingen als bescheiden wohlhabenden Mann aus, der offensichtlich in Düsseldorf sein Glück gemacht hat. Dann bricht die Reihe der Selbstporträts zunächst ab. Ein unvollendetes Bild, das nicht datiert ist, kann auch im Zusammenhang mit den 1848er Ereignissen gesehen werden, zumal sich im Bürgerfreund Bremen vom 20.5.1849 eine Rezension findet. Die skizzenhafte Ausführung legt den Schluss nahe, dass Schwingen hier vieles, was ihm im Leben bedeutsam gewesen ist, zusammenfasste, um vor sich selbst und der Nachwelt Rechenschaft abzulegen. Manche Details lassen sich nicht entschlüsseln, so wie das Bild auf 34 Der trauernde Künstler, Öl auf Leinwand, 1849, Privatbesitz der Staffelei, dessen Inhalt nicht zu erkennen ist. Anderes dagegen schien ihm wohl so wichtig, dass es auch in diesem frühen Stadium der Malerei schon sorgfältig ausformuliert war. Schwingen stellte sich und seine Frau im Atelier dar. Sie beugt sich sorgenvoll über ihn und hält seine Hand – die Innigkeit dieser Verbindung wird damit unterstrichen. Schwingen sitzt am Tisch und hält den Kopf in die Linke gestützt. Den barocken Tisch kennt man von anderen Bildern als Atelierausstattung: so von der „Vesperzeit am Sonntage“ 35 aus dem Jahr 1837 und aus der „Pfändung“. Um den Tisch herum sind die Dinge gruppiert, die dem Künstler offensichtlich viel bedeuteten: gegen den Tisch gelehnt steht eine Gitarre, was darauf hin deutet, dass Schwingen auch der Musik sehr zugetan war. Im Hintergrund, mit wenigen Strichen angedeutet, steht ein Globus, der möglicherweise auf Träume von weiten Reisen in ferne Länder hindeutet. Soweit bekannt, ist Schwingen aber niemals über das Rheinland und das Bergische Land hinaus gereist. An der Wand hängen eine Büchse und ein grüner Filzhut, beides deutet auf eine Leidenschaft hin, die Schwingen aus seinem Heimatort mitgebracht haben dürfte: die Beteiligung an der Jagd und das Vogelschießen. Eines seiner Bilder, das „Preisschießen um ein fettes Schwein“, hat diese, wohl recht beliebte Tradition, beschrieben. Vater Schwingen hatte als Feldhüter die Jagdpacht des Freiherrn von Fürstenberg zu bewachen und Wilderer fern zu halten. Ihn selbst und seine Söhne können wir uns gut als Treiber bei den Jagden der Adeligen vorstellen. Schwingen sah offenbar in der Zeit um 1848/49 die Notwendigkeit, ein Schlüsselbild über sich selbst zu verfassen, das der Nachwelt und damit auch seinen Kindern die Möglichkeit bieten sollte, sich ein Bild über den Maler Schwingen, seine Träume und sein Wesen, zu machen. Schwingens Hauptwerke entstand in einer Zeit, die sozial engagierte Kunstwerke von Weltgeltung hervorgebracht hat. Die Beschäftigung mit den kleinen Leuten, mit den vom Schicksal wenig begünstigten Mitgliedern der unteren Schichten wurde im zweiten Drittel des 19. Jahrhunderts geradezu zur Mode. 1837 schuf Albert Lortzing seine Oper „Zar und Zimmermann“ und nahm damit die Frage des sozialen Status auf. Nur ein Jahr später erschien in England Charles Dickens Roman „Oliver Twist“, der zum Synonym für sozial kritische Literatur geworden ist. Dickens selbst hatte nach dem Bankrott des väterlichen Geschäfts einige Jahre lang bittere Not gelitten und als Kind in einer Fabrik für Schuhcreme arbeiten müssen. Soziales Elend war ihm ein Begriff, den er aus direkter Anschauung kannte. In Mitteleuropa verschlimmerte sich die Situation besonders nach 1845. Missernten trieben die Brotpreise in die Höhe; 1848 kam es zur Revolution. Politische sowie soziale Umwälzungen betrafen auch das Rheinland und wurden von den Malern der Düsseldorfer Malerschule aufgenommen. Peter Schwingen gehört zu einer Gruppe von Düsseldorfern Malern, deren Hauptinteresse dem Genre und dem Porträt galt. Das Genrebild als „freie 36 Kunst“, das Porträt als „Brotkunst“. Zu dieser Gruppe der politisch interessierten rheinischen Genremaler sind vor allem der mit Schwingen befreundete Johann Peter Hasenclever, ferner Wilhelm Joseph Heine, Karl Hübner, Adolf Schroedter, Henry Ritter und Ludwig Knaus zu zählen. Man kann daher Schwingen in Teilen seines Werkes zu Recht als „sozialen Tendenzmaler“ erkennen.7 Doch erschöpfen sich seine Bilder nicht in der „Elendsmalerei“. Liebevolle Szenen des ländlichen Lebens bleiben als positive Themen bestehen. Hier drängt sich auch der Vergleich mit einem Zeitgenossen Schwingens auf: Carl Spitzweg (1808 -1885, München). Spitzwegs wohl berühmtestes Werk, wenn nicht sogar das berühmteste Werk des Biedermeiers überhaupt, sein „Armer Poet“, den er in drei Varianten malte, entstand 1839. Mit bissiger Ironie schildert Spitzweg die Lebensumgebung eines Poeten, der sich hochtrabend mit klassischem Versmaß auseinandersetzt, gleichzeitig aber eine schäbige Dachkammer bewohnt, die schlecht beheizt und dazu noch vom Regenwasser bedroht ist. Die Unvereinbarkeit von großem Anspruch und schäbiger Lebensrealität, die sicher auch das Leben zahlreicher Malerkollegen prägte, blieb lange Zeit unverstanden, und dies machte das Bild zur vollkommen missverstandenen Ikone biedermeierlicher Malerei. Zu dieser ironischen, bitterbösen Betrachtungsweise dessen, der seinen eigenen Ansprüchen nicht gerecht wird, hat es Schwingen nie gebracht. Seine Art die Dinge zu betrachten, war eher eine liebevolle, aus rheinischem Humor geborene heitere Sichtweise, die niemanden vorführen wollte. Die stille Zurückhaltung seiner Bilder, die Beschäftigung mit den kleinen Themen seiner Umgebung kennzeichnet Schwingens Werk. Ein schönes Beispiel hierfür ist das Bild „Stilles Gedenken oder Gebet zweier Kinder am Gedächtsnistage ihres vom Blitz erschlagenen Vaters am Eichenstamme“. Schwingen gelingt es hier meisterlich, die kindliche Trauer darzustellen. Die Geschwister haben das Kreuz mit einem frischen Blütenkranz geschmückt, das ältere Mädchen hält die Hände zum Gebet gefaltet, das kleinere Kind widmet sich aufmerksam einer Blüte. Es scheint die Trauer des älteren Kindes zu spüren, ohne sich aber recht des Grundes bewusst zu sein. Der Maler hat mit diesem Bild vielleicht auf ein Sprichwort hinweisen wollen. Nicht ohne Grund bildet eine Eiche den Hintergrund für dieses Totengedenken. Eine alte Regel für das Verhalten bei Gewitter besagt: Eichen sollst Du weichen! Diesen Rat hat der vom Blitz erschlagene Vater sicher nicht beherzigt. Mit wenigen Details entwickelt Schwingen hier wieder eine seiner typischen Geschichten. Seine Bilder haben ganz offenkundig einen Erzählcharakter. 37 Die große Geste, wie sie aus Gustave Courbets „Steineklopfern“ spricht, ist nicht Sache der Düsseldorfer Genremaler, sie beschäftigen sich mit den kleinen Dingen, mit den Alltäglichkeiten, ohne sich dabei aber im Kitsch zu verlieren. Auch ihre Ansprüche richten sich auf die Verbesserung der sozialen Lage, sie prangern Ungerechtigkeit und soziales Elend an, sie überhöhen aber ihre Themen nicht. Es gibt keine zu Pathosformeln erstarrten Gesten, es gibt nur den Versuch, durch Objektivität und Genauigkeit zu überzeugen. Die Düsseldorfer Genremaler hatten eine Nische gefunden, die ihnen erlaubte, Malerei und politische Gesinnung unschädlich miteinander zu verbinden. Das ist in der Folge nicht vielen Malern gelungen. Peter Schwingen hat sich zeitlebens nicht auf ein bestimmtes Genre festgelegt. Sein Werk umfasst, wie der Überblick gezeigt hat, einen weiten Bogen: Porträts, Familienbildnisse, Kinderbilder, ländliche Szenen, soziales Genrebild, die Schilderung des rheinischen Brauchtums und Selbstporträts. Gerade diese Vielfalt machte es in der Vergangenheit schwer, Schwingens Werk einzuordnen. Die meisten seiner Bilder haben einen sehr privaten Charakter, wobei die Kinderbilder und die ländlichen Szenen am meisten über Schwingen verraten. Den Lebensunterhalt für die große Familie sicherten die Bildnisaufträge, sein Herz gehörte aber den Kinderbildern und den Szenen des ländlichen Lebens, die er liebevoll ausformulierte. Ihm ist glaubwürdig eine Synthese aus Romantik und Realismus gelungen, die für die Düsseldorfer Malerschule typisch ist. Festzustellen ist: Schwingen gehört zu den bedeutenden Vertretern seiner Schule. Anmerkungen 1 Hütt 1958/59, S. 389. Der einzige organisierte Kommunist war Gustav Adolf Köttgen. Gagel 1972, S. 121. 3 Heidermann 2013, S. 28-33. 4 Das Bild befand sich seit 1794 im Königlichen Palast in der Sammlung des Marquis de la Ensen2 ada und muss demzufolge über einen Stich Verbreitung gefunden haben oder über eine Kopie bekannt geworden sein. 5 Müller, W. 1854, S. 301. 6 Holzhausen 1964, S. 20. 7 Gagel 1972, S. 12. 38 Herrenbildnis, vermutlich Christian Gottfried Trinkaus, Öl auf Leinwand, 1854, Privatbesitz Damenbildnis, vermutlich Sofia Trinkaus geb. Pfeiffer, Öl auf Leinwand, 1859, Privatbesitz 39 Frau mit ihren Kindern im Torbogen, Vorstudie, 1838, Privatbesitz Winzerin, Öl auf Leinwand, 1839, Privatbesitz 40 Horst Heidermann Peter Schwingen (1813-1863) Leben und Werk Zur Biografie Unvollständig muss sie immer noch bleiben, die Biografie des in Muffendorf (seit 1915 Godesberg-Muffendorf ) geborenen Malers. Es gibt bisher außer seinen Bildern keine eigenen Zeugnisse, keine Korrespondenz, keine Aufzeichnungen, nichts. Sein Leben muss also nach wie vor aus seinen Werken und aus „Fremd“-Dokumenten rekonstruiert werden, aus Urkunden, Erinnerungen. Wichtige Vorarbeiten dazu leisteten der Düsseldorfer Fotograf Julius Söhn und auf der Grundlage des von ihm gesammelten Materials die Bonner Kunsthistoriker Walter Cohen und Walter Holzhausen.1 Bereits im Jahre 1914 hatte Söhn seinen ersten Brief „An das löbl. Standesamt Muffendorf b. Godesberg“ geschrieben und nach dem Geburtsdatum des „Peter Schwingen geboren wahrscheinlich in den Jahren 1815-1818“ geforscht.2 Herkunft Die bäuerliche Sippe der Schwingens lässt sich in Muffendorf seit dem 18. Jahrhundert nachweisen. Vermutlich ist sie wesentlich älter. Johannes Schwingen, der von 1710 bis 1722 als Pächter eines Hofes des Cassiusstiftes, Bonn, erwähnt wird, ist der Ururgroßvater des Künstlers. Seine Söhne, vor allem Heinrich, der Urgroßvater, und Theodor (Dietrich) tauchen in der ersten Hälfte des Jahrhunderts immer wieder in den Muffendorfer Kirchbüchern auf und sorgen in jeweils zwei Ehen für Nachwuchs. Theodor und sein Sohn Johannes bleiben Pächter des Cassiusstiftes mindestens bis 1770, wahrscheinlich aber bis 1782 (üblicher Pachtvertrag über 12 Jahre). Über Johannes und seine Söhne sind mehr oder weniger alle Schwingens des 18., 19. und 20. Jahrhunderts miteinander verwandt – wenn oft auch kaum noch nachvollziehbar. Immer wieder haben einige, oft wenige Sprösslinge die in Muffendorf so gefürchteten Scharlach- und Diphtherie-Epidemien überstanden. Maler sind allerdings vor 1813 nicht überliefert. 41 Das ändert sich mit Peter Schwingen. Die Eltern sind Peter Joseph Schwingen und seine Frau Caroline Franziska Antoinette Nicolai. Elternschaft und auch Geburtsjahr des Malers wurden lange falsch angegeben (1815 statt richtig 1813). Zunächst vermutete man aufgrund eines Briefes des Muffendorfer Pfarrers Kastert an den Düsseldorfer Kunsthistoriker Dr. Walter Cohen, damals Leiter der Gemäldegalerie der Stadt Düsseldorf, dass Schwingen zwar 1813 geboren, aber erst 1815 getauft worden sei. Auch Cohen ordnete dem Maler immer noch die falschen Eltern zu.3 Nun aber ging die Initiative auf Bürgermeister Zander in Godesberg über. Er hatte das Buch von Walter Cohen über „Hundert Jahre rheinischer Malerei“ gelesen und beschlossen, sich dem Maler in seiner Heimatstadt zu widmen. So begann er, in Muffendorf zu forschen und bald stellte sich heraus, dass ältere Muffendorfer und Verwandte wohl Bescheid wussten. So wurde von dem Angestellten auf der Godesberger Post Josef Stings4 und dem Weinhändler Heinrich Raaf sen.5 auf das richtige Elternpaar und damit natürlich auch auf das richtige Geburtsdatum hingewiesen. Das Godesberger Standesamt bestätigte ihre Aussagen. Die Geburtsurkunde der damals noch französischen Godesberger Verwaltung brachte Klarheit. Nach dieser Urkunde sind Peter Josef Geburtsurkunde von Peter Schwingen, Stadtarchiv Bonn 42 Schwingen und seine Frau Caroline die Eltern unseres Malers. Die Geburt war am 14. Oktober 1813. Der Beruf des Vaters wird mit „Garde-champêtre“, Feldhüter, angegeben; eine Art ländlicher Hilfspolizist. Jedenfalls schlecht bezahlt. Die Entlohnung musste von den Eigentümern der Felder als Zuschlag zur Grundsteuer aufgebracht werden. Sie betrug noch 1852 nur 30 Taler jährlich. Wenn der Feldhüter auch die Aufgaben des Nachtwächters übernahm, konnte er weitere 30 Taler kassieren. Erst 1859 wurde das Gehalt des Feldhüters auf 60 Taler erhöht.6 Peter Joseph Schwingen war demobilisierter Soldat Napoleons. Er war, mit Peter Rieck, auch als gerichtlich vereidigter Taxator für Grundstücke tätig, was etwa bei Erbteilungen, Verkäufen und Kreditaufnahmen eine große Bedeutung hatte.7 Ortsvorsteher oder Mitglied des Gemeinderates war er allerdings, soweit wir feststellen konnten, nicht, obwohl das gelegentlich berichtet wird. Im Gemeinderat wirkte hingehen seit dessen Errichtung 1846 bis 1861 Johann Peter Schwingen, ein entfernter, wesentlich wohlhabenderer Verwandter. Dank der Unterlagen der französischen Verwaltung können wir noch einiges mehr über die Eltern erfahren. Der Vater besaß ein eigenes Haus und etwas Land in Muffendorf. Er wohnte auf der heutigen Muffendorfer Hauptstraße in der Höhe des jetzigen Hauses Nr. 36 (damals Auf der Gassen 95) in einem Fachwerkhaus, das bereits 1759 in Ehmanns Flurkarte eingezeichnet ist, allerdings um 1900 abbrannte und größtenteils durch einen Neubau ersetzt wurde.8 Schon 1925 hatte Käthe Stings geschrieben: „Die elterliche Wohnung befand sich auf der jetzigen Hauptstraße Nr. 36, und von dem alten Hause, das allerdings jetzt neu aufgebaut ist, bestehen noch einige Wände, welche jetzt noch mit verblassten Malereien seines ersten Könnens bedeckt sind.“ 9 Wie waren die Lebensverhältnisse der Familie, deren zweites Kind der Maler war? Das Grundstück war klein, umfasste 224 Quadratmeter. Unmittelbar angrenzend gehörten zum Haus zwei Baumgärten (Bungerte) mit 356 und 68 Quadratmetern. Der gesamte Grundbesitz des Peter Josef Schwingen betrug 11756 Quadratmeter, etwas weniger als vier Morgen. Davon waren aber etwa zwei Morgen Buschland. Nur 4000 Quadratmeter waren Ackerland und vom wertvollen Weinland waren nur 1339 Quadratmeter vorhanden. Ob dieser kleine Grundbesitz und die Einkünfte als Feldhüter genug für den Unterhalt der Familie hergaben, wissen wir nicht. Vielleicht hatte man weiteres Land hinzugepachtet. Es ist aber jedenfalls nicht üppig zugegangen im Hause Schwingen. 43 In ländlichen Gesellschaften mit fränkischer Erbteilung, also Aufspaltung des Erbes, gab es eigentlich nur ein probates Mittel, der immer weiteren Zersplitterung des Grundbesitzes entgegenzuwirken. Es war die Praxis, immer wieder untereinander im Dorf zu heiraten und so die unheilvollen Wirkungen der Erbteilung auszugleichen. Vater Schwingen konnte oder wollte anscheinend diesen Weg nicht gehen. Er war wohl für die Töchter wohlhabender Muffendorfer Bauern keine gute Partie. Er heiratete also 1810 eines Wirtes Töchterlein aus Godesberg: die schon erwähnte Caroline Nicolai. Frisches Blut kam nach Muffendorf! Die junge Frau war bereits Witwe. Sie war in erster, nur siebenmonatiger Ehe mit dem Forstaufseher Anton Joseph Maria Wentzel, einem „Garde-forestier“ – quasi die Wald-Version des Feldhüters – verheiratet gewesen, der im Forsthaus Venne wohnte. Die Familie Nicolai stammte aus Eupen. Sie scheint sich gewisser Beziehungen in Godesberg erfreut zu haben. So war Trauzeuge bei der ersten Ehe der jungen Caroline jener Sebastian Blinzler, dem der letzte Kurfürst Max Franz vor dem Einzug der Franzosen 1794 die Gästehäuser Prinz von Coburg und Prinz von Oranien an der heutigen Kurfürstenallee mit Stallungen, Remisen, Gartenland usw. zur Bewirtschaftung schenkte.10 Daraus entstand das weit über Godesberg hinaus bekannte Hotel Blinzler. Die Verbindung zu Blinzler und damit zum kurfürstlichen Hof ist insofern interessant, als sie eine Pressemeldung von 1926 zu bestätigen scheint, wonach der Vater der Caroline, Lambert Nicolai, vor seiner Betätigung als Wirt Diener beim Kurfürsten Max Franz gewesen sei.11 Die Großmutter Gertrud Nicolai geb. Hilgers stammte aus Morenhoven. Sie lebte noch bis 1849 und wurde von Peter Schwingen in einem seiner schönsten Porträts gemalt. Sie wurde auf dem Burgfriedhof in Godesberg begraben.12 Nach Raaf war auch Peter Schwingen bei der Beerdigung anwesend. Danach sei er nie wieder nach Muffendorf gekommen.13 Als der spätere Maler in Muffendorf das Licht der Welt erblickte, stand die sogenannte Völkerschlacht bei Leipzig kurz bevor. Am 31. März 1814 zogen die Verbündeten bereits in Paris ein. Der Schlacht bei Waterloo folgte der Wiener Kongress und dieser schlug die Länder am Rhein Preußen zu, obwohl sich dieses lieber ganz Sachsen einverleibt hätte. Die Rheinländer liebten die meist protestantischen Preußen und ihre Ordnung und Disziplin nicht besonders. Vielerlei Spannungen zwischen den neuen Machthabern und den Menschen der Rheinprovinz waren die Folge. 44 Muffendorfer Hauptstraße, Fotografie, um 1900 Diese Spannungen wurden überlagert von einer anderen Entwicklung, die mit der Enttäuschung über das nicht eingelöste Verfassungs-Versprechen des preußischen Königs und mit der reaktionären Entwicklung in Deutschland zusammenhing und immer deutlicher liberale Forderungen artikulierte. Als Schwingen 1831 nach Düsseldorf kam, waren die ersten Anzeichen des „Vormärz“ erkennbar. 1837 sorgte die Amtsenthebung der „Göttinger Sieben“, der sieben Professoren der Universität, die gegen den Verfassungsbruch durch den König Ernst August von Hannover protestiert hatten, für ein weites Echo. Auf der anderen Seite taten die neuen preußischen Herren einiges zur Integration der neuen Provinzen in das Königreich. In Bonn wurde die Universität gegründet. In Düsseldorf wurde die alte großherzogliche Kunstakademie wieder belebt. Zunächst unter dem Rheinländer Peter Cornelius, dann unter dem „Ostländer“ Wilhelm Schadow gelangte sie bald zu Ruhm und Ansehen und viele Kunstjünger aus Deutschland und zunehmend auch aus dem Ausland strömten an die Kunstschule. 45 In der Bürgermeisterei Godesberg, zu der auch Muffendorf als selbstständige Gemeinde gehörte, wurde der Maire aus der Franzosenzeit, Engelbert Kamp, durch Männer abgelöst, die den neuen Herren genehm waren. Nach kurzen Zwischenspielen wurde 1818 Wilhelm Hugo Franken aus Poppelsdorf Bürgermeister. Als seinen Gehilfen brachte er ebenfalls aus Poppelsdorf Hubert Mathonet mit, der dann auch 1841 sein Nachfolger werden sollte. Für das neue Amt hatte sich Franken als Freiwilliger der „Befreiungskriege“ qualifiziert. Er war Oberleutnant und Kompanieführer der rheinischen Landwehr gewesen und hatte das Eiserne Kreuz erhalten. Sein ältester, 1818 in Oberbachem geborener Sohn Paul wurde als Maler Paul (von) Franken bekannt und war später Trauzeuge bei der zweiten Ehe des Peter Schwingen in Düsseldorf. Ausbildung an der Düsseldorfer Akademie Für den jungen Mann aus Muffendorf waren zunächst andere Dinge wichtiger als der Machtwechsel am Rhein und seine Folgen. Es ging um seinen Lebensweg. Schwingen wollte der Kümmerexistenz des väterlichen Umfeldes entfliehen. Sein erkennbares zeichnerisches Talent bot eine Möglichkeit. Der Schritt in die alte bergische Hauptstadt war ein Weg aus dörflicher Enge und Beschränktheit. Zum Wunsch nach mehr persönlicher Freiheit und mehr Wohlstand trat bald auch das Streben nach einer freieren gesellschaftlichen Entwicklung hinzu. Besonderes, auch heimatgeschichtliches Interesse fand die Frage, wie wohl der Junge aus Muffendorf, Sohn eines armen Kleinbauern und Feldhüters, den Weg an die Akademie in Düsseldorf gefunden habe. Allerlei Legenden ranken sich um diesen ungewöhnlichen Aufstieg. Eine Prinzessin hatte offenbar die Hand im Spiel. Aber welche? Die falschen Prinzessinnen Da schien es einen Hinweis zu geben: Im Jahre 1840 schuf der Düsseldorfer Kunstschüler Peter Schwingen, damals schon in der 1. Malklasse und Schüler Schadows, die Kopie eines Gemäldes seines Lehrers: die „Prinzessin Wilhelmine Luise von Preußen“. Diese war verheiratet mit Prinz Friedrich von Preußen (1797-1888), der als Kommandeur der 14. Preußischen Infanteriedivision nach Düsseldorf gekommen war und damit quasi die neue hohenzollernsche Dynastie vertrat. Diese Prinzessin stammte aus dem Hause Sachsen-Anhalt, 46 war selbst künstlerisch interessiert und studierte als Privatschülerin auch an der Kunstakademie. So lag es nahe, sie als die Patronin des jungen Malers aus Muffendorf anzusehen. Wolfgang Hütt hatte aufgrund von damals in der DDR lagernden Akten berichtet, dass die „Prinzessin Wilhelmine von Preußen“ ihn zu einem Stipendium vorgeschlagen habe. Zwar ließ sich nicht aufklären, wieso die Prinzessin von dem Muffendorfer etwas hatte hören können, aber Lücken im Lebenslauf des Malers gab es gerade in der frühen Zeit ja reichlich.14 Inzwischen hat sich aufgrund einer Prüfung der von Hütt zitierten Quelle herausgestellt, dass diese Annahme auf einem Lesefehler von Hütt beruhte. Hütt hatte die Prinzessin „Wilhelm“, wie es im Originaldokument15 eindeutig heißt, in eine Prinzessin „Wilhelmine“ verwandelt. Der richtige „Prinz Wilhelm“ (1783-1851) und seine Frau hatten ebenfalls Beziehungen zum Rheinland. Der Prinz war der Bruder des Königs Friedrich Wilhelm III., der mit Maria Anna (Marianne) von Hessen-Homburg verheiratet war. Er wurde oft mit seinem Neffen, dem späteren Kaiser Wilhelm I., verwechselt, weshalb sich für ihn die technische Bezeichnung „Prinz Wilhelm von Preußen (Bruder)“ eingebürgert hat. In meinen bisherigen Beiträgen zu Schwingen habe ich die beiden Hohenzollern ebenfalls verwechselt. Es besteht die begründete Hoffnung, dass nach zwei falschen Prinzen bzw. Prinzessinnen nun die richtige gefunden wurde. Der weitere Verlauf ist unumstritten. Als es infolge der französischen Julirevolution 1830 auch in Rhein-Preußen zu Unruhen kam (Eupen, Malmedy, Aachen, Köln, Elberfeld), sah man sich in Berlin zu besonderen Maßnahmen genötigt. Die Forderung des Anschlusses an Frankreich war hier und da wieder einmal aufgetaucht. Zusätzliche Truppen wurden nach Köln und Aachen verlegt. Am 24. September 1830 wurde Prinz Wilhelm (Bruder) zum Generalgouverneur von Rheinland-Westfalen ernannt. Der Prinz sollte nicht nur erkunden und schnelle Entscheidungen – falls sie notwendig wurden – erleichtern, vor allem sollte er Präsenz zeigen und durch positive Maßnahmen die Bevölkerung für Preußen mehr als bisher motivieren. Allerdings konnte er infolge einer Erkrankung seinen neuen Posten erst im Dezember 1830 antreten. Amtssitz des Generalgouverneurs war die Festung Köln.16 Der Prinz war scheu und zurückhaltend. Für seine Aufgabe im Rheinland war er wohl nicht besonders geeignet. Seine Frau hingegen war vielfach interessiert und gebildet. Alexander von Humboldt war ihr Lehrer gewesen. Sie war mit der Königin Louise eng befreundet und übernahm nach 47 dem Tod der Königin die Rolle der „First Lady“ am Berliner Hof. Ihre Berliner Residenz war das Schloss Schönhausen, das sehr viel später zum Amtssitz der Präsidenten der DDR wurde und inzwischen restauriert zur Besichtigung freigegeben ist. 1813 begeisterte Marianne sich für die Freiheitskriege und gründeten den „Frauenverein zum Wohle des Vaterlandes“. Sie war eine gute Zeichnerin und porträtierte Ferdinand von Schill in Königsberg. Um 1815 wurde sie von Philipp Veit gemalt. Im Berliner Schloss bewohnte sie das „grüne Zimmer“, in dem das Original der berühmten Madonna Holbeins hing. Ein Junge aus Muffendorf sollte von der Anwesenheit dieser Großmeisterin des Louisenordens in Bonn profitieren: Prinz Wilhelm besuchte als Gouverneur am 30. Mai 1831 Bonn. Die Prinzessin war dabei.17 Wir erfahren das aus der letzten Strophe eines Huldigungsgedichtes, das beim „Festmahle“ für die hohen Herrschaften im Boeselager Hof vorgetragen wurde. Ein Ball, auf dem der Prinz und seine Frau bis Mitternacht blieben, beendete den Tag. Die hohen Herrschaften wohnten mit Gefolge im Hotel Stern.18 Eine wichtige Rolle spielte neben dem Oberbürgermeister und dem Rektor der Universität bei den Vorbereitungen und auch beim Ablauf des Besuches Freiherr Franz Egon von Fürstenberg − ein enger Verwandter des Besitzers der Muffendorfer Kommende − war er doch als Reichsfreiherr der ranghöchste katholische Adelige in Bonn. Es ist anzunehmen, wenn auch nicht zu beweisen, dass er den „Fall Schwingen“ der Prinzessin vortrug. Vermerkt sei, dass Franz Egon ein kunstsinniger Mann war, der 1836 auch den Weinberg auf dem Apollinarisberg bei Remagen samt Kirche und Probstei von den Brüdern Boisserée kaufte und dort aus seinen privaten Mitteln den Bau der neuen Apollinariskirche, deren Ausmalung und den Klosterbau daneben finanzierte. Die vom Dombaumeister Zwirner erbaute Kapelle wurde von Schülern Schadows ausgemalt und zählt heute noch zu den Schmuckstücken der Neugotik und der spätnazarenischen Malkunst. Zur Erhärtung dieser Hypothese kann noch ein Brief des Muffendorfer Weinhändlers Heinrich Raaf an Bürgermeister Zander vom 9. Mai 1925 herangezogen werden. Zander hatte sich an Pfarrer Dr. Herkenne gewandt, um im Zuge der Vorbereitung des Heimatmuseums mehr über den Maler Peter Schwingen zu erfahren.19 Der Pfarrer hatte geantwortet, dass der Weinhändler Raaf und Joseph Stings Material über Schwingen gesammelt hätten. Raaf wusste von einer Begegnung mit einem „Herrn“ zu berichten, der Schwingen beim Zeichnen beobachtet habe, als dieser etwa 16 Jahre alt in der Landwirt48 schaft seines Vaters arbeitend, im Felde gezeichnet habe. Dieser Herr habe dann für die weitere Ausbildung Schwingens gesorgt. Das wäre so im Jahre 1829 oder wahrscheinlicher im Jahre 1830 gewesen. Das Treffen habe am Meelweg stattgefunden.20 Hier wäre demnach das freilich etwas vage formulierte „missing link“. Da die „Prinzessin Wilhelm“ bis 1831 nur einmal in Bonn gewesen ist, nämlich bei dem erwähnten „Antrittsbesuch“ des Prinzen, bleibt eigentlich nur die Schlussfolgerung, dass dieser Besuch von Fürstenberg genutzt wurde, den Namen Schwingen ins Gespräch zu bringen. Ob er selbst bei einem Besuch in Muffendorf oder über einen Verwandten von der Existenz dieses hoffnungsvollen Adepten der Mal- und Zeichenkunst erfahren hatte, wissen wir natürlich auch nicht. Der Besuch des Prinzen und der Prinzessin in Bonn war im Mai 1831. Seit dem 13. Oktober 1831, einen Tag vor seinem 18. Geburtstag, wohnte der Junge aus Muffendorf in Düsseldorf.21 Was war inzwischen geschehen? Eine Urkunde vom 14. Dezember 1831 im Geheimen Staatsarchiv in Berlin teilt Folgendes mit: „Ihre Königliche Hoheit die Frau Prinzessin Wilhelm von Preußen hatten persönlich dringend einen jungen Zeichner, Peter Schwingen aus Muffendorf, Regierungsbezirk Cöln, dem unterzeichneten Oberpräsidenten zur Aufnahme in die Kunstschule und, da er ganz vermögenslos, zur Unterstützung empfohlen.“ Der unterzeichnete Oberpräsident Philipp von Pestel war seit Juli 1831 im Amt, wodurch sich die Intervention der Prinzessin leicht auf die Zeit nach dem Besuch in Bonn eingrenzen lässt. Das Kuratorium der Kunstakademie ging der Sache sofort nach und stellte fest, dass Schwingen ein Anfänger sei, über dessen Talent erst etwas nach einem fachlichen Zeichenunterricht entschieden werden könne. Die Akademie stellte eine Freistelle in Aussicht, der Regierungspräsident in Köln wurde um Unterstützung gebeten. Dieser hatte aber kein Geld frei. So gewährte die Akademie, um dem jungen Mann zu helfen und dem Wunsche seiner hohen Gönnerin entsprechen zu können, aus eigenen Mitteln ein Stipendium von 50 Talern und zwar in zwei Raten. 25 Taler sollte er beim Eintritt in die Schule erhalten und die restlichen 25 dann, wenn er sich nach Ablauf eines halben Jahres durch ein Attest des Direktors über seinen Fleiß, seinen Beruf und sein Betragen vorteilhaft ausweisen könne. Diese ganze umständliche Darlegung in der Akte diente dem Direktorium der Akademie und dem Oberpräsidenten nur zur Klärung der Frage, wie denn nun im Haushalt der Akademie die im Grunde ohne Geneh- 49 migung ausgegebenen 50 Taler verbucht werden sollten. Unterschrieben haben der Oberpräsident von Pestel, der Vorsitzende des Kuratoriums der Akademie Georg Jacobi und der zuständige Regierungssekretär Dr. Fallenstein. In Berlin entschied das Ministerium der Geistlichen, Unterrichts- und Medizinalangelegenheiten im Januar 1832, dass das Geld im Titel „Insgemein“ (heute etwa „Allgemeine Ausgaben“) für 1831 und 1832 verbucht werden könne, „macht aber dem Kuratorium zur Pflicht, die zweite Hälfte nur dann anzuweisen, wenn der Bericht der Akademie über die Anlagen, gute Fortschritte und das Betragen die Berechtigungswürdigkeit außer allen Zweifel stellt“. Nach offenbar erfolgreicher Zeichenausbildung in Düsseldorf ab Herbst 1831 wurde Schwingen nach einem Jahr, im 3. Quartal 1832, in die Vorbereitungsklasse der Akademie aufgenommen und erhielt glänzende Noten. Schwingen war also ein reiner Autodidakt, als er nach Düsseldorf kam. Die Muffendorfer Dorfschule, einklassig, der Lehrer war gleichzeitig Küster des Dorfes, hatte ihm wohl auch nicht viel vermitteln können. Das Schulhaus ist schon auf den erwähnten französischen Karten ausgewiesen. 1820 wurde ein zweites Schulhaus errichtet. In der alten Schule, heute Martinstraße 5, hatte es nur das Schlafzimmer des Lehrers und einen weiteren Raum für den Unterricht, gleichzeitig Wohnzimmer des Lehrers, gegeben. Der Schulbesuch war schlecht. Im Sommer kamen vielleicht 25 Prozent der Kinder zur Schule.22 Bisher sind von Schwingen keine Genrebilder aus dem Schulmilieu aufgetaucht, etwa in der Art des Schulmeisters Jobs bei Johann Peter Hasenclever, mit dem Schwingen später in Düsseldorf befreundet war. In Düsseldorf wurde Schwingen zunächst mit Vorschusslorbeeren bedacht. Als Teilnehmer der Vorbereitungsklasse wird er von Carl Ferdinand Sohn wie folgt beurteilt: Anlage: „Sehr gut“, Fleiß: „Vortrefflich“.23 Obwohl ihm zunächst aus Mangel an Mitteln im Jahre 1833 kein Stipendium bewilligt werden konnte, ergab sich im Oktober noch eine Lösung. Er erhielt 50 Taler, die unvorhergesehen frei geworden waren.24 Bereits im Studienjahr 1833/34 wechselte er in die 2. Klasse der Maler (Lehrer: Ferdinand Theodor Hildebrandt). Anlage und Fleiß wurden weiter mit „Sehr gut“ bewertet. Jetzt wurde auch das Stipendium vermerkt. Bald aber trübte sich das Bild. 50 Im Studienjahr 1834/35 wurde zwar wieder ein Stipendium angezeigt (nur sechs von 33 Schülern der zweiten Klasse erhielten ein solches), aber unter Fleiß stand „Schlecht“ und außerdem enthielt die nach Berlin gesandte Liste den Vermerk: „Hat sich nach den Herbstferien [1834] ohne Entschuldigung 5 Wochen lang nicht eingefunden“. Stipendium ade! Die Akademieleitung schrieb am 24. Februar 1835 an das zuständige Ministerium nach Berlin: „Da er nach den Bemerkungen in der mittels besonderen Berichts eingereichten Schülerliste (Nr. 15 der Malervorbereitungsklasse) sich als unfleißig gezeigt hat, so wird ihm eine fernere Unterstützung nicht zu bewilligen sein“.25 Man muss der Akademie zugestehen, dass sie zwar Schwingens Fleiß mit „sehr schlecht“, aber gleichzeitig seine Anlage mit „sehr gut“ beurteilte. Neben dem Stipendium verlor Schwingen auch seinen Arbeitsplatz im Akademiegebäude. Dort waren die Raumverhältnisse äußerst beengt und die Akademie hatte deswegen schon 1832 die Neuaufnahmen begrenzt. Außer Schwingen war auch Caspar Scheuren zu spät zurückgekommen. Er verlor ebenfalls seinen Platz im Atelier des Akademiegebäudes an pünktlicher zurückkehrende Schüler. Sie kamen vor allem aus den östlichen Provinzen Preußens. Dieser Vorgang wurde Gegenstand einer ausgedehnten literarischen Fehde, als der bekannte Düsseldorfer Kunstfreund Anton Fahne ihn aufgriff und in einer Publikation als eines der vielen Beispiele für die Benachteiligung der Rheinländer gegenüber den „Ostländern“ hochstilisierte.26 An dieser Fehde beteiligte sich als Gegner Fahnes auch der Regierungsregistrar Johann Joseph Scotti, der später im Leben Schwingens noch eine wichtige Rolle spielen sollte. Im Studienjahr 1835/36 war die strenge Akademie gnädiger: Fleiß: „Geht an“, aber ein Stipendium gab es nicht mehr. 1836 wurde es dann wieder besser. Begabung: „Ausgezeichnet“, Fleiß: „Gut“, Betragen: „Gut“, „Freischüler“. Also wenigstens keine Schulgebühren. 1837 wurde in der Rubrik Stipendium „arm“ vermerkt, was eventuell eine Freistelle nach Vorlage eines „Armutszeugnisses“ bedeuten könnte.27 Danach gab es in dieser Spalte keinerlei Eintragungen mehr, also weder Stipendium noch Freistelle. Schwingen ging es finanziell jetzt besser. Er verkaufte seine Genrebilder, besonders den „Martinsabend“ und die ersten Porträts in Elberfeld. Er hatte auch wieder einen eigenen Arbeitsplatz in der Akademie. Sein Lehrer war nach wie vor Ferdinand Theodor Hildebrandt. 51 Erste Erfolge und erste Heirat Schwingen heiratete nach den ersten Erfolgen als Maler am 2. September 1837. Seine Frau Magdalene Philippine Schmitz war die Tochter eines Damenschneiders, der in seinem Haus in der Mühlenstraße auch Zimmer an die Eleven der nahe gelegenen Kunstakademie vermietete. Schwingen wohnte vermutlich dort wie andere Maler zur Untermiete. Eduard Bendemann und Heinrich Mücke dürfte er bei Schmitzens kennengelernt haben.28 Das junge Paar blieb nach der Heirat noch einige Jahre im Hause der Schwiegereltern. Aus der ersten Ehe gingen vier Kinder hervor. Als die erste Tochter Caroline Philippine – ihre bevorstehende Geburt war der unmittelbare Anlass der Heirat – früh verstarb, wurde sie im Familiengrab Schmitz beigesetzt. Das Grab auf dem Friedhof an der Clever Straße hatte einen Grabstein, was, wie auch der Hausbesitz, auf einen gewissen Wohlstand schließen lässt. Der Sohn Joseph Schmitz und die Töchter standen Schwingen für seine frühen kleinformatigen Studien Modell. Kurz nach der Heirat trat nach der Prinzessin Wilhelm der zweite wichtige Förderer des Malers ins Bild: der Elberfelder Kaufmann und Millionär Peter de Weerth.29 De Weerth wollte sich porträtieren lassen und wandte sich an den bekannten Kenner der Düsseldorfer Kunstszene Johann Joseph Scotti.30 De Weerth schwebte ein Bild des Malers Eduard Steinbrück vor. Scotti konnte ihm das aber ausreden und stellte dem Elberfelder Kunstfreund den jungen Maler Peter Schwingen vor. Quasi als Versuchsballon ließ de Weerth zunächst kleine Porträts seiner Kinder und ihrer Ehegatten anfertigen. Als diese sich als qualitätvoll erwiesen, wurde dann auch der Auftrag für das große Porträt des Pater familias erteilt. Weiter Aufträge in Elberfeld und Barmen folgten. Diese Begegnung mit de Weerth war entscheidend für den kommenden Lebensabschnitt des Malers. Zehn Jahre hat er, natürlich unterbrochen durch andere Aufträge, für Peter de Weerth gearbeitet. Zwölf kleine und zwei große Porträts entstanden. 100 Pistolen, d. h. 500 Taler hatte er verdient. Weitere Aufträge kamen aus dem familiären Umkreis des Peter de Weerth. Die Serie der berühmten Innenraumporträts von Peter Schwingen entstand. Im Studienjahr 1840/41 wird Schwingen, 27 Jahre alt, in die 1. Malklasse versetzt. Seine Anlage wird als „bedeutend“, Fleiß und Betragen werden als „ausgezeichnet“ benotet. Schadow selbst ist jetzt sein Lehrer. Das Porträt der 52 Prinzessin Wilhelmine Luise von Preußen, als Kopie nach Schadow, entsteht. Der junge Maler ist nun in der Spitzengruppe der Studenten, der ausübenden Eleven, freilich noch nicht in der Meisterklasse, in die nur bekannte Maler dann berufen wurden, wenn man sie an Düsseldorf und die Akademie auch nach Beendigung der Ausbildung binden wollte. Schon die von Schwingen gewählten Themen für seine Bilder hätten dies in jedem Falle verhindert. Sie waren sicher nicht im Sinne des Direktors. 1843/44 heißt es in den Akademieunterlagen: „Malt jetzt ein Schützenfest mit Bauern“; 1843/44: „Arbeitet des Erwerbs halber auswärts. Mehrere Genrebilder: Schießen um ein Schwein“. So gerät denn auch die abschließende Beurteilung durch die Akademie etwas säuerlich (1. Klasse 1844/45): „Im 3. Quartal abgegangen. Seine Bilder haben etwas Kommunes, wozu die von ihm gewählten Gegenstände leicht hinreißen“. Mit seinen dörflichen Genrebildern und den Wuppertaler Innenraumporträts hatte Schwingen allerdings schon damals einen der Höhepunkte seiner künstlerischen Laufbahn erreicht. Prinzessin Wilhelmine Luise von Preußen, Öl auf Leinwand, 1840, Stiftung Preußische Schlösser und Gärten Berlin-Brandenburg 53 Allgemeiner Verein der Carnevalsfreunde Schon bevor Schwingen nach Düsseldorf kam, war dort 1829 ein Vorläuferverein des später größten Karnevalsvereins der Stadt gegründet worden.31 1840 wurde dann nach einigen Intermezzi ein neuer Verein gegründet, der sich nun „Allgemeiner Verein der Carnevalsfreunde“ nannte. Wir dürfen annehmen, dass der Maler aus dem heimischen Umfeld dem Karneval zugeneigt war und sicher bald mit anderen Freunden und, sofern es seine Finanzen erlaubten, das Vereinslokal dieser Gesellschaft beim „langen Leim”, die Wirtschaft von A. H. Cürten in der Berger Straße, aufsuchte. Diese Karnevalsgesellschaft, obwohl allen politischen Richtungen offen, entwickelte sich bald zu einem Treffpunkt liberaler Düsseldorfer Bürger und Maler. Wir finden unter ihren Mitgliedern neben dem konservativen Juristen, Historiker und Kunstmäzen Anton Fahne und dem Möbelfabrikanten Friedrich August von Stockum,32 den linksliberalen Advokaten Hugo Wesendonck (1817-1900), später Abgeordneter der Frankfurter Nationalversammlung, 1850 in Abwesenheit in Düsseldorf zum Tode verurteilt,33 ferner den ebenfalls liberalen Advokat-Anwalt Anton Bloem (1814-1884), der in Düsseldorf in Kunst-, Literatur- und Politikkreisen bestens bekannt war34 und von dem deutsch-amerikanischen Maler Emanuel Leutze porträtiert wurde. Hinzu kam der bekannte Arzt Dr. Franz Reinartz, Mitglied des Vorparlaments und Reformkonservativer.35 Seit 1846 gehörte auch Wolfgang Müller von Königswinter36 dem Vorstand des Vereins an. Laurentz Cantador, ein angesehener Kaufmann in Düsseldorf, der spätere Kommandant der Düsseldorfer Bürgergarde, war ebenfalls Mitglied. Von den Düsseldorfer Malern nennen wir als Mitglieder nur Andreas Achenbach, Lorenz Clasen,37 Ernst Fröhlich, Johann Peter Hasenclever,38 Carl Wilhelm Hübner,39 Paul Kiederich, Wilhelm Kleinenbroich, Carl Hilgers,40 Georg Saal,41 Adolf Schrödter, J. B. Sonderland und Franz Wieschebrink. Unterlagen im Nachlass von Anton Fahne belegen, dass auch Peter Schwingen dem Verein angehörte.42 So meldete er sich 1846 zur großen Maskenredoute am 19. Februar 1846 im Cürtenschen Saal an. An dieser Maskenredoute nahm auch Seine Königliche Hoheit Prinz Friedrich von Preußen teil. Es war einfach der Ball in Düsseldorf. 54 1847 gehörte Schwingen einem Ausschuss des Vereins an, der den Karnevalsball dieses Jahres vorbereiten sollte. Andere Ausschussmitglieder waren Anton Fahne (Vorstandsmitglied), der Apotheker von Baerle,43 der Maler Ernst Fröhlich (Vorstandsmitglied), der Wirt Wilhelm Eissenbarth (Vorstandsmitglied), die Maler Johann Peter Hasenclever, Carl Hübner, G. Saal, Johann Baptist Sonderland und Franz Wieschebrink. Schließlich gehörten auch Romuald Jacobi, Enkel des von Schwingen porträtierten Friedrich Heinrich Jacobi, und der bereits genannte Hugo Wesendonck dazu. Im Vormärz geriet diese Karnevalsgesellschaft immer wieder in Konflikt mit der Polizei. So wurde ihr am 1. Februar 1844 die Konzession entzogen, die jährlich neu beantragt werden musste. Ein von Wilhelm Kleinenbroich im Auftrage des Vereins gemaltes Bild wurde von der Polizei beschlagnahmt. 1848 wurde die Konzession wegen der 1847 ernannten „Ehrenmitglieder“, darunter viele liberale und kritische Geister, z. B. der Demokrat Karl d’Ester aus Köln und die französische Schriftstellerin George Sand, erst gar nicht erteilt. Schwingen dürfte im Kreis dieser Karnevalsgesellschaft die politische Orientierung gefunden haben, die in Herkunft und Aufstiegsstreben des armen Dorfjungen bereits angelegt war. Anti-Musik-Verein Mit einigen Mitgliedern des Vereins und auch der späteren Künstlergruppierungen wie „Verein Düsseldorfer Künstler“ und „Künstler-Verein Malkasten“, war Schwingen noch besonders durch einen Stammtisch des „Anti-MusikVereins“ verbunden. Damit war m. E. schon in der Namensgebung deutlich, dass man die Philister und die Maler, die mit ihnen „gemeinsame Sache“ machten, in diesem Kreis nicht zu sehen wünschte. Der „Allgemeine Musikverein“ war in Düsseldorf seit 1818 wichtiger Motor der Niederrheinischen Musikfeste. Das selbstbewusste Liebhaber-Ensemble meist gutbürgerlicher Musiker und Musikfreunde war seit der Zeit Friedrich August Burgmüllers und Felix Mendelssohn Bartholdys wichtiger und ständiger Partner der städtischen Musikdirektoren und für viele Maler nicht nur ein Ort, um ihrer Musikliebe Ausdruck zu verleihen, sondern auch, um die Bekanntschaft wohlhabender Düsseldorfer Bürger oder ihrer Töchter zu machen, die als Käufer, Auftraggeber oder zukünftige Schwiegerväter und Ehefrauen infrage kamen. Bekannte Maler gehörten dem Verwaltungsausschuss des Vereins an. 1847 wurde – nach Julius Rietz – Ferdinand Hiller städtischer Musikdirektor. Als Hiller nach Köln ging, folgte dann 1850 bis 1854 Robert Schumann. 55 Diplom des Anti-Musik-Vereins für Peter Hasenclever, Schwingens Unterschrift links unter den Kreuzen, aus Bestvater-Hasenclever, Abb. 16 56 Anton Fahne gibt allerdings in seiner Darstellung des Karnevals eine andere Deutung des Namens.44 Er schreibt: „Keine Stadt der Welt hat, im Verhältnis, so viele heitere Gesellschaften als Düsseldorf. ... Den Antimusikverein, deshalb so genannt, weil er keine herumziehenden Bänkelsänger, Orgeldreher etc. duldet, und das Geld statt dessen für Arme verwendet. Zu diesem Ende läßt man an manchen Tagen eine geschlossene Büchse herumgehen, in welche jeder nach Belieben sein Scherflein hineinlegt. Die Gesellschaft kommt täglich abends von 8-10 in einem Locale bei einem Glase Bier zusammen. Komische Lieder werden gesungen, scherzhafte Fragen aufgeworfen und allerhand Exercicien ausgeführt, z. B. wird das ganze Exercicium eines Infanteristen durch geschicktes Behandeln der Bierglasdeckel täuschend nachgeahmt; man macht unter dem Titel: Beethoven’sche Symphonien, Musik, wobei allerhand Mundfertigkeiten, die über den Tisch schnarrenden Finger, der Ofenschirm und die Feuerzange sowie andere ähnliche Gegenstände die Instrumente bilden, mit denen man höchst spaßhafte und dabei Bewunderung erregende Sachen aufführt. Mitunter treten Unterhaltungen mit Marionetten ein, Verloosungen von allerhand scherzhaften Gegenständen, wobei die Loos-Einnahmen in die Armenkasse fließen.“ Da Fahne keine andere der Düsseldorfer Gesellschaften so ausführlich schildert, darf man annehmen, dass er zu den Mitgliedern gehörte. Ganz so ernst wurde aber die Enthaltung von jeglicher Musik wohl nicht genommen. Im Januar 1850 lud der Verein zu einem „Großen Kabliau-Essen mit Orchesterbegleitung“ ein.45 Dem Stammtisch mit offiziellem Sitz im „Geburtshaus“ Heines gehörte auch Johann Peter Hasenclever als wichtiges Mitglied an. So wird es denn auch kein Zufall gewesen sein, dass – wie Gottfried Keller berichtet – 1850 anlässlich eines Geburtstages von Hasenclever die fröhliche Festgesellschaft im Hause eines Musik- und Gesangsvereins die Zylinder der Mitglieder an der Garderobe zertrümmerte.46 Zur Geburt des zweiten Kindes von Hasenclever, des Sohnes Peter, schickten die Freunde 1847 aus der Wirtschaft von Daniel Penke47 in der Bolker Straße 467 an diesen ein Dokument, in welchem der Sohn, das „Häselein“, zum Ehrenmitglied des Vereins ernannt wurde.48 Das Dokument ist mit Scherenschnitten von Wilhelm Müller geschmückt, die zeigen, wie die Hasenfamilie den Armen Geld gibt, damit sie Kohlen und Brot kaufen können. Johann Wilhelm Preyer und Frau Meinardus49 als Paten danken dem Pfarrer für seine Bemühungen um den Täufling.50 Die lustige Gesellschaft ging davon aus, dass man im Geburtshaus Heines tagte. Es war 57 keineswegs üblich im Düsseldorf der Zeit, darauf besonderen Wert zu legen. Doch ganz traf diese Behauptung auch nicht zu. Zwar war das Haus Bolker Straße 467 von 1809 bis 1820 das Wohnhaus der Familie Heine gewesen, geboren wurde der Dichter aber im Hause gegenüber, Bolker Straße 602 (580), heute Nr. 53.51 Diese freundschaftlichen Verbindungen könnten als Schlüssel mancher Entwicklungen auch bei Schwingen dienen. Hasenclever ist wie Schwingen Mitglied im „Allgemeinen Verein der Carnevalsfreunde“, wie Schwingen Gründungsmitglied des „Vereins Düsseldorfer Künstler“ und wird dort in den Vorstand gewählt, wie Schwingen ist er Gründungsmitglied des Malkasten und dort wiederum im Vorstand. Zwischen Hasenclever und Friedrich Sigmund Lachenwitz, einem der Trauzeugen von Schwingen bei seiner zweiten Ehe, bestanden freundschaftliche Beziehungen. Lachenwitz Schwester Emilie wurde 1842, vermutlich anlässlich der Verlobung mit Johann Wilhelm Preyer, von Hasenclever porträtiert. Zwischen den Brüdern Preyer und Hasenclever bestand eine enge Freundschaft. 1846 entstand das Porträt Johann Wilhelm Preyer von Hasenclever (heute Nationalgalerie Berlin) und 1853 das Bildnis Sigmund Lachenwitz (heute Stadtmuseum Düsseldorf ). Hasenclever und Lachenwitz gehörten 1850 zu den Initiatoren der Aufnahme von Ferdinand Freiligrath in den Malkasten. Als Erster hat das „Diplom“ des Anti-Musik-Vereins der Maler Carl Wingender unterschrieben, ein Sohn des Oberprokurators am Elberfelder Landgericht, vermutlich der Verfasser des Diploms. Zu den Unterzeichnern gehörte neben Peter Schwingen auch Carl Hilgers, den Hasenclever etwa 1850 porträtierte.52 Weiter ist die Unterschrift von Franz Wieschebrink, ebenfalls im Karnevalsverein, zu erkennen, der sich um diese Zeit dem humoristischen Genre zugewandt hatte und auch zu den Mitarbeitern der Düsseldorfer Monathefte gehörte. Er war später ebenfalls Gründungsmitglied des Malkasten. Auch der Scherenschneider Wilhelm Müller ist dabei. Seiner Unterschrift hat er als Erkennungszeichen eine Schere hinzugefügt. Müller wurde vor allem bekannt als Autor des im September 1848 entstandenen Scherenschnitts „Die Toten an die Lebenden“ aus Anlass der Verhaftung Freiligraths, wegen eben dieses Gedichtes. Auch Hasenclever war bekanntlich Freiligrath eng verbunden. Freiligrath wurde vom Geschworenengericht freigesprochen.53 58 Aber nicht nur Künstler sind vertreten. Neben anderen hat der Kaufmann Moritz Geisenheimer unterschrieben, der am 10. Mai 1848 als Nachfolger des in die Frankfurter Nationalversammlung gewählten Hugo Wesendonck Vorsitzender des „Vereins für demokratische Monarchie“ wurde. Dieser Verein war damals die größte politische Vereinigung Düsseldorfs mit über 2000 Mitgliedern. Er trat für eine konstitutionelle Monarchie bei starker Beschränkung der Rechte des Monarchen ein.54 Der Wirt und Bierbrauer Lorenz Esser, einer der Mitunterschreiber, gehörte wie der „Rentner“ Andreas Biergans, ebenfalls diesem Verein an. Ab 1849 wird er Mitglied des Stadtrats. In den Mai-Wahlen des Jahres 1848 konnte der Verein 17 von 19 Düsseldorfer Wahlkreisen gewinnen. Auf der Urkunde finden wir auch die Unterschrift „Reinartz“. Der Düsseldorfer Arzt und Stadtverordnete Dr. Franz Reinartz gehörte ebenfalls zum „Allgemeinen Verein der Carnevalsfreunde“, seit 1846 zum Vorstand. In Düsseldorf wurde er auch der „Größ-Doctor“ genannt, weil er so bekannt war, dass er auf der Straße fast ununterbrochen nach beiden Seiten grüßen musste. Reinartz versuchte im November 1848 Laurentz Cantador, den Kommandeur der Düsseldorfer Bürgergarde, im Gefängnis zu besuchen. Es musste aber beim Abgeben einer Visitenkarte bleiben.55 Alles in allem war es ein Stammtisch, der manche reformorientierte Geister vereinte und der über den Karnevalsverein, die „St. Sebastianus Schützenbruderschaft“ und den „Verein für demokratische Monarchie“ – mit zahlreichen Querverbindungen unter den Vereinen – dem Düsseldorfer Bürgertum durch ein dichtes Beziehungsnetz verbunden war. Die führenden Mitglieder dieser Vereine waren auch die Hauptleute und Zugführer bzw. deren Stellvertreter der Düsseldorfer Bürgergarde. Die Aufnahmeurkunde für das „Häselein“ stammt aus dem Jahre 1847. Das Jahr 1847 war bekanntlich das Jahr besserer Ernten, sinkender Getreide- und Brotpreise und der sich deutlicher abzeichnenden revolutionären Entwicklung in Deutschland. Auch für die Düsseldorfer Künstler der demokratischen Tendenz schien eine gute Zukunft zu erwarten. Diese Hoffnung trog. Die deutsche Revolution war gescheitert, lange bevor die revolutionären und liberalen Akteure es begriffen hatten. Bereits im Juni 1848 war in Paris ein Arbeiteraufstand durch den General Cavaignac blutig niedergeschlagen worden. 59 Am 2. November wurde die Revolution in Österreich gewaltsam unterdrückt. Der preußische König übertrug den Vorsitz im „Ministerium der rettenden Tat“ dem kommandierenden General, dem Grafen Brandenburg. Am 9. November vertagte der König die verfassunggebende Versammlung und berief sie erst auf den 27. November 1848 nach Brandenburg wieder ein. General Wrangel besetzte Berlin und löste die Bürgerwehr auf. In den rheinischen Städten wurden diese Aktionen als ein Staatsstreich von rechts empfunden. Als Reaktion darauf wollte Laurentz Cantador, der Kommandant der Düsseldorfer Bürgerwehr, auch er Mitglied im „Allgemeinen Verein der Carnevalsfreunde“, dem durch die preußische Nationalversammlung erfolgten Aufruf zur Steuerverweigerung Nachdruck verleihen und hatte die Wehr zu einer Parade antreten lassen. Außerdem versuchte er, den Versand von Steuergeldern nach Berlin zu verhindern. Das Militär griff ein. Laurentz Cantador, ein bekannter und angesehener Düsseldorfer Kaufmann, wurde verhaftet. Wir finden Schwingen als Unterzeichner einer Bittschrift vom 16. Dezember 1848, mit der um eine Beschleunigung der gerichtlichen Untersuchung des Falles gebeten wird. Auch Schwingens Bruder, der Stellmacher Franz Schwingen, der bis 1856 in Düsseldorf lebt, hat unterzeichnet. Weitere Maler, die in der Bürgerwehr leitende Funktionen übernommen hatten, sind vertreten, so E. Leutze und J. P. Hasenclever, der unmittelbar vor Schwingen unterschrieben hat.56 Der Trauzeuge bei der zweiten Ehe Schwingens, der Wirt (Caffetier) Max Ebertz, war stellvertretender Zugführer der Bürgergarde gewesen.57 Der Baumeister Deckers, den Schwingen porträtierte, Hauptmann der 8. Compagnie.58 Insgesamt haben über 1500 Personen die Bittschrift unterzeichnet. Die Bürgerwehr hatte etwa 3500 Mitglieder. So ist anzunehmen, dass die Unterzeichner vorwiegend aus der Bürgerwehr kamen. Dieses Dokument könnte andeuten, dass auch Schwingen Mitglied der Bürgerwehr war. Erst am 18. März 1849 wurde Cantador aus der Haft entlassen.59 Verein Düsseldorfer Künstler Wie bereits erwähnt, war Schwingen 1844 wie viele andere Maler aus dem Karnevalsverein einer der Gründer des „Vereins der Düsseldorfer Künstler zur gegenseitigen Unterstützung und Hilfe“, kurz „Verein Düsseldorfer Künstler“ oder „Künstlerunterstützungsverein“. Zu den Gründungsmitgliedern gehör60 ten auch F. S. Lachenwitz und Johann Wilhelm Preyer. Johann Peter Hasenclever wurde in den Vorstand gewählt. Die bis 1860 vorliegenden Jahresberichte des Vereins weisen Schwingen jeweils als Mitglied aus. Er beteiligte sich auch an den Aktivitäten des Vereins. 1844 stiftete er für eine Verlosung zugunsten der Unterstützungskasse das Bild „Lesender Alter“, 1847 ein „Dörfchen mit dem Schäfer am Heiligenhäuschen“ und 1853 einen „Martinsabend“. Die Vereinsmitglieder übernahmen in den ersten Vereinsjahren die Bewachung der jährlichen Ausstellung des Kunstvereins für die Rheinlande und Westfalen. Das dafür gezahlte Entgelt von 200 Talern floss ebenfalls in die Unterstützungskasse. Schwingen betätigte sich an diesen freiwilligen Bewachungsaufgaben 1847, 1852 (zweimal) und 1853 (dreimal), wie die Jahresberichte verzeichnen.60 Der Künstlerunterstützungsverein war nicht nur zum Zwecke der Unterstützung in Not geratener Künstler und später deren Witwen gegründet worden; er war vor allem eine Vereinigung, die den Versand von Kunstwerken an Ausstellungsorte außerhalb Düsseldorfs organisierte. Wenn wir Schwingen auf Ausstellungen außerhalb Düsseldorfs finden, so ist in der Regel eine Organisation durch den Künstlerunterstützungsverein anzunehmen. Auch bei der Permanenten Kunstausstellung im Elberfelder Casino ist davon auszugehen. Malkasten Am 6. August 1848 wird dann der Malkasten gegründet. Da sind eigentlich alle dabei. Schwingen, Hasenclever, Preyer, Lachenwitz natürlich auch. Hasenclever vertritt die nichtakademischen Künstler im Vorstand. Bereits am 11. November 1849 verleiht der „Allgemeine Verein der Carnevalsfreunde“ dem Malkasten eine Ehrenurkunde. 1850, die Revolution ist endgültig gescheitert, stellen Hasenclever und seine Freunde den kühnen Antrag, Ferdinand Freiligrath und Anton Fahne als außerordentliche Mitglieder in den Malkasten aufzunehmen. Der Antrag kommt durch. Ein Sturm der Entrüstung bricht unter den konservativen Mitgliedern des Vereins aus. Dem Streit wird aufgrund des Rückzugs von Freiligrath die Spitze genommen. Fahne, zunächst Jurist in preußischen Diensten, trat als Mäzen der Düsseldorfer Künstler hervor und besaß eine bedeutende Kunstsammlung, die zunächst in seinem „Schloss” Roland, später auf der sogenannten Fahnenburg untergebracht war. In seinem Haus versammelte sich regelmäßig ein Kreis von Künstlern und Literaten.61 Fahne blieb bis zu seinem Tode Mitglied des Künstlervereins. Der Muffendorfer Schwingen ist um die Jahrhundertmitte ein anerkannter und bekannter Maler. Fast dreißig Porträts hat er für Wuppertaler Fabrikanten 61 gemalt. Seit 1837 weisen ihn die gedruckten Verzeichnisse des „Kunstvereins für die Rheinlande und Westfalen“ als regelmäßigen Teilnehmer an den Düsseldorfer Ausstellungen aus. 1857 – nach Unterbrechung 1853 und 1854 (vermutlich wegen der Beteiligung an der Wuppertaler Ausstellung) – zeigt er, soweit heute feststellbar, letztmalig ein „Bildnis“. Jedenfalls ist er 1860 nicht mehr dabei. Allerdings sind die Kataloge nur unvollständig überliefert.62 Seit 1836 ist er wie andere Düsseldorfer regelmäßig auf den Akademieausstellungen in Berlin vertreten. Auch die Ausstellungen des „Kölnischen Kunstvereins“ werden seit 1839 ziemlich regelmäßig beschickt, meist im Anschluss an die Düsseldorfer Ausstellungen. Neben dem „Martinsabend“ werden zwei weitere – heute verschollene – Bilder als Grafiken verbreitet. Ankäufe erfolgen u. a. durch den „Kunstverein für die Rheinlande und Westfalen“ und den Prinzen Georg von Hessen. Seine Bilder sind auch in Leipzig, München, Lübeck, Hannover und Breslau zu sehen.63 In die Spitzengruppe freilich dringt Schwingen nicht vor. Keines seiner Bilder wird – wie die anderer Düsseldorfer, z. B. Johann Peter Hasenclever – von dem bekannten Sammler Konsul J. H. W. Wagener in Berlin aufgekauft. Der Berliner Hof ist zurückhaltend, was angesichts der Themen verständlich sein mag. In der Sammlung des Düsseldorfer Kunstfreundes Anton Fahne ist er ebenfalls nicht vertreten, obwohl Fahne ihn in seinem ersten Buch über die Düsseldorfer Malerschule erwähnte und mit ihm gemeinsam in einem Festausschuss der Karnevalsgesellschaft saß. Düsseldorfer Monathefte In der Literatur wird immer wieder auf die grafischen Arbeiten Schwingens und seine Mitarbeit bei den „Düsseldorfer Monatheften“ hingewiesen. Bis jetzt allerdings lassen sich keine grafischen Arbeiten nachweisen. Die Düsseldorfer Monathefte führen seinen Namen seit ihrer Gründung 1847 bis zum Jahr 1854 unter den Mitarbeitern auf dem Titelblatt; eine signierte Arbeit Schwingens ist aber in allen Heften dieser Zeit nicht identifizierbar. Es gab allerdings eine Zusammenarbeit zwischen Schwingen und dem führenden Grafiker der Monathefte Johann Baptist Sonderland. Der von Sonderland ausgeführte Stich des Martinsabends trägt keine Signatur Schwingens. So könnte auch in den Monatheften verfahren worden sein. Einzelne Blätter erinnern in Aufbau und Detail an seine Innnenraumporträts, so die Lithografie im Jg. 1/2, 1847/48 nach S. 336 „St! Still Kinder der Vater möchte gern Minister werden“. 62 Bis Mitte der 1850er Jahre war Schwingen in Düsseldorf in liberalen Kreisen der Künstler und des Bürgertums bekannt und anerkannt. So kann denn auch sein Name nur aus Reklamegründen auf dem Titelblatt der „Düsseldorfer Monathefte“ gestanden haben. Auch der von J. P. Hasenclever stand dort, obwohl er nur einmal mit einer Lithografie als Beiträger auftaucht. Lorenz Clasen, der Herausgeber der Monathefte, war – natürlich – Mitglied im Allgemeinen Verein der Carnevalsfreunde. Später wurde er auch noch stellvertretender Kommandant der Düsseldorfer Bürgerwehr. Dunklere Jahre Ende der 1840er Jahre scheint es aber einen Knick in der Lebenskurve Schwingens zu geben. Am 25. Januar 1848 stirbt seine erste Frau. Die Kinder sind 8, 6 und 3 Jahre alt. Man darf durchaus vermuten, dass der Tod der jungen Frau, sie ist 32 Jahre alt, mit einer unglücklich verlaufenen, weiteren Schwangerschaft zusammenhing. In der Familie muss es weiter gehen, Geld muss gerade jetzt verdient werden. Geht das über die Kräfte des ja ebenfalls noch jungen Witwers? Er ist 35 Jahre alt. Zunächst heiratete Schwingen erneut am 21. November 1849, diesmal die Tochter eines „Staabsschmidts“ (in der Sterbeurkunde der Tochter allerdings als Ackerer bezeichnet) aus Iserlohn, die elf Jahre jüngere Sophie Zecher.64 Der Vater der Braut war bereits 1839 verstorben. Die Mutter lebte in Grüne in Westfalen. Die junge Frau dürfte in Düsseldorf einer Arbeit als Dienstmädchen oder Ähnlichem nachgegangen sein. Man könnte auch vermuten, dass sie in einer Gaststätte als Serviererin arbeitete. Einer der Trauzeugen war der Caffetier Max Josef Ebertz. Nach dem Tode Schwingens heiratete die Witwe einen Gastwirt aus Mülheim/Ruhr. Jedenfalls blieb Schwingen im angestammten Milieu, schließlich war ja auch seine Mutter die Tochter eines Dieners und späteren Gastwirtes. Auch aus der zweiten Ehe gingen vier Kinder hervor. Leider ist der nun folgende Lebensabschnitt noch schlechter dokumentiert als die vorangegangenen. Offizielle Akten stehen nicht mehr zur Verfügung. Die Berliner Ausstellungen verlieren nach dem Scheitern der Revolution und dem Beginn der Restauration an Bedeutung. Das Werkverzeichnis Schwingen ist denn auch für die Zeit zwischen 1850 und 1863, dem Todesjahr, vermutlich ziemlich lückenhaft. Gerade in jüngster Zeit tauchen aber immer wieder Bilder, in der Regel Porträts, auch aus diesen Jahren auf. 63 Bei beiden Trauungen Schwingens waren neben Verwandten und Bekannten auch Künstlerfreunde als Trauzeugen vertreten. Bei der ersten Trauung waren es junge Schüler der Akademie, die später nicht weiter in Erscheinung traten. Lediglich Samuel Rahm gewann in Krefeld einen gewissen Ruf.65 Bei der zweiten Eheschließung finden wir als Zeugen den sieben Jahre jüngeren Sigmund Lachenwitz (1820-1868), der zwar als Künstler und Tiermaler nicht zur Prominenz in Düsseldorf zählte, aber ein damals erfolgreicher, viel gekaufter Künstler und ein Schwager des bekannten Stilllebenmalers Johann Wilhelm Preyer war. Lachenwitz ist gemeinsam mit Schwingen auf dem einzigen überlieferten Foto des Künstlers zu sehen.66 Dieses Foto ist von W. Severin gemacht worden, der als Erster in Düsseldorf auf dem Steinweg ein Fotoatelier eröffnete. Lachenwitz einziger Sohn Karl wurde nach einer Ausbildung als Xylograf und kurzem Zwischenspiel an der Akademie Fotograf.67 Damit ist die Frage von Walter Cohen, ob Schwingen wohl die Arbeiten der frühen Daguerreotypisten gekannt habe, positiv zu beantworten. Peter Schwingen (links) und Sigmund Lachenwitz, etwa 1850, Fotografie von Julius Söhn nach einer Daguerreotypie von W. Severin 64 Einen anderen Trauzeugen − Paul (von) Franken − mochte Schwingen aus seiner Jugend in Muffendorf kennen. Franken (1818-1884), in Oberbachem (heute Wachtberg-Oberbachem) geboren, war Sohn des Godesberger Bürgermeisters Wilhelm Hugo (von) Franken. Dieser hatte sich allerdings den Adelstitel (als Standesbeamter) selbst zugelegt. Er wurde ihm und der Familie später wieder abgesprochen. Dennoch signierte sein Sohn Paul Franken vielfach mit einer zumindest zweideutigen Unterschrift. Er war zur damaligen Zeit bereits ein viel gereister und international ausgebildeter Maler. 1841 und 1842 hatte er in Düsseldorf studiert, dann war er nach Dresden und Amsterdam gegangen. 1849 kam er mit seiner Verlobten, der baltischen Malerin Helene Köber wieder nach Düsseldorf. 1851 heirateten sie in Godesberg und reisten über Paris in die baltische Heimat von Frau Franken − nach Mitau. Es folgte ein langer Aufenthalt im Kaukasus. Auch Franken war in seinen Düsseldorfer Jahren Mitglied des „Malkasten“. Beide, Lachenwitz und Franken, waren übrigens, im Gegensatz zu Schwingen, in der bedeutenden Sammlung des Düsseldorfer Kunstfreundes und Mäzens Anton Fahne auf der Fahnenburg vertreten. Auffällig ist, dass Schwingen − neben den Auftragsbildern − viele Angehörige seiner Familie gemalt hat, dass aber Bilder von Künstlerfreunden, damals ein typisches Düsseldorfer Produkt, nicht auftauchen. Ebenso wenig wurde Schwingen selbst von anderen Künstlern gemalt. In der „Ahnengalerie“ des Malkastens ist er nicht vertreten, was mit seiner späteren Streichung als Mitglied infolge fehlender Beitragszahlung zusammenhängen mag. Schwingen hatte wohl auch das Interesse an den inzwischen überwiegend gesellschaftlichen und auch kostspieligen Aktivitäten des Malkastens verloren, während er im Künstlerunterstützungsverein, der für die Organisation von Ausstellungen in Düsseldorf und auswärts wichtig war, regelmäßig mitarbeitete. 1850, 1851 und 1852 organisierte die im Malkasten vereinigte Künstlerschaft Frühlingsfeste auf der Fahnenburg, dem späteren Wohnsitz des Kunstmäzens Anton Fahne am Grafenberg. Diese Künstlerfeste zeichneten sich nicht mehr durch die spontane Fröhlichkeit der jungen Künstler aus, sondern wurden immer mehr zu aufwendigen und prunkvollen Inszenierungen. Die Beteiligung an diesen Festen stellte auch eine ziemlich große finanzielle Belastung dar. So war vorwiegend das Establishment anzutreffen. 1850 war das Thema der „Kampf der guten Gesellen mit den Weinen“. 1851 ging es um die „Befreiung der Prinzessin Waldmeister durch den Prinzen Rebensaft“. Am Fest 65 des Jahres 1851 nahm Schwingen vermutlich mit seiner Frau teil. Jedenfalls meldet die Teilnehmerliste „2 Couverts bezahlt. Abzeichen erhalten“.68 Auch Lachenwitz war dabei.69 Dass auch Wilhelm Busch an diesem Künstlerfest teilnahm, sei hier nur als Kuriosität erwähnt. Der Vetter von Lachenwitz, Friedrich Wilhelm Hackländer, stellte eines der Feste in das Zentrum seines „Künstlerromans“. Elberfeld 1851-1854 1851 startete im Gartensaal des „Casino“ in Elberfeld ein ungewöhnliches Unternehmen. Eine „Permanente Kunstausstellung für Elberfeld-Barmen“ wurde angekündigt. Vom Mai 1851 bis Mai 1854 wurden auf Kommissionsbasis Bilder ausgestellt, verkauft und verlost. Führende Unternehmer und Beamte aus den Wupperstädten hatten ein Organisations-Komitee gebildet. Im Hintergrund wirkte bis Mitte 1853 der Schriftsteller, Journalist und „wahre“ Sozialist Hermann Püttmann, der zahlreiche beachtliche Besprechungen der ausgestellten Bilder in der Elberfelder Zeitung von 1851 und 1852 publizierte. Fast alle bedeutenden Maler Düsseldorfs waren vertreten. Bis Mai 1852 waren etwa 1000 Bilder ausgestellt worden. Peter Schwingen war mit 13 Bildern dabei, darunter „Die geizige Bauersfrau“, „Singendes Mädchen“, „St. Martinsabend“, „Kinder an der Pumpe spielend“, „Der als Krüppel heimkehrende Krieger“, „Das Kind die Taube fütternd“, „Der schlafende Knabe im Hundestall“ (2-mal) und „Der neue Wein“ bzw. „Die Weinlaube“. Auch eine Fassung der „Pfändung“ wurde gezeigt, zwei Porträts von Wuppertaler Bürgern wurden vorgestellt. Leider sind sie nicht näher beschrieben. In diesem Zusammenhang schrieb der „Tägliche Anzeiger für Berg und Mark“: „Auch der Düsseldorfer Maler Peter Schwingen zeigt uns in zwei Porträts (ebenfalls hiesige Persönlichkeiten darstellend) ein feines Gefühl für Individualisierung, nebenbei ist die milde, zarte Behandlung der Farben sehr anerkennenswert, sodass wir uns nicht erinnern, von dem bekannten Meister gelungenere Bildnisse gesehen zu haben.“ 70 Schwingen zeigte also weiterhin Flagge an der Wupper. Das bemerkte auch Hermann Püttmann in der „Elberfelder Zeitung“ vom 11. Juni 1851. Er schrieb: „Von den übrigen Porträts der Ausstellung erfreuen uns die beiden Bildnisse von P. Schwingen durch solide Tüchtigkeit. Der Künstler, der hier durch seine Arbeiten in gutem Andenken steht, wird nicht verfehlen, in freundliche Erinnerung zu kommen“.71 Schwingens „Geizige Bauersfrau“ wurde verkauft. 66 1860 kam es zu dem Versuch einer Wiederbelebung der Permanenten Kunstausstellung in Elberfeld auf privater Basis durch die Galeristen Pfeiffer & Meyers. Ein langes Leben war dem Experiment wohl nicht beschieden. Dort wurde im Januar 1861 von Peter Schwingen das Bild „Der Spazierritt“ ausgestellt, wobei die Galerie versichert, dass es sich bei Reiter und Pferd um echte Porträts handele. Das Bild sei nur für wenige Tage ausgestellt.72 Wir wissen nicht, ob Schwingen selbst hier ein spät gemaltes Werk zum Verkauf anbot oder ob ein anderer Besitzer sein früher erworbenes Prachtstück verkaufen wollte. Unter den Werken Schwingens ist das Bild bisher nicht wieder aufgetaucht. Krank − und vergessen ? Anfang der 1850er Jahre hat es wohl finanzielle Probleme gegeben. Seine Beiträge zum Malkasten hat Schwingen 1854 und 1855 nicht mehr oder jedenfalls nicht rechtzeitig bezahlt.73 1858 wird er im gedruckten Mitgliederverzeichnis des Malkastens nicht mehr aufgeführt.74 Auch Lachenwitz fehlt dort, tritt aber später wieder ein. Es wird stiller um den Maler aus Muffendorf. Sein Landsmann Franken hat Düsseldorf bereits 1850 oder 1851 verlassen und kehrt erst 1861 dorthin zurück. 1853 stirbt Henry Ritter. Auch der befreundete Johann Peter Hasenclever stirbt im gleichen Jahr. 1854 wird Schwingen zum letzten Mal als Mitarbeiter auf dem Titelblatt der Monathefte genannt. Seine malerischen Werke sind in dieser Zeit dennoch beachtlich. Der Trend, der sich in den „politischen“ Bildern in den Jahren vor und in der Revolution abgezeichnet hatte, war freilich in der Zeit der Reaktion nicht mehr durchzuhalten. Soweit die Maler dieser Richtung nicht auswanderten, wie zum Beispiel der Bonner (Poppelsdorfer) Maler Heinrich Vianden, oder, wenn man so will „rechtzeitig“, starben, waren sie gezwungen, zu harmloseren Genrebildern und zu Porträts ihre Zuflucht zu nehmen. 1850 malt Schwingen seine junge Frau. Im Auftrage eines Düsseldorfer Weinhändlers entsteht das großformatige Gemälde „Die Weinlaube“. 1854 sind zwei Porträts und 1855 wiederum ein Porträt aus dem Wuppertal zu erwähnen. Weitere Porträts aus den Jahren 1857 und 1859 sind neuerdings bekannt geworden. Schwingen wiederholt 1856 sein erfolgreiches Bild „Der Lotteriejude“ und 1862 in leichter Abwandlung die „Vesperzeit am Sonntage“ von 1837. Mit den Bildern „Mädchen in Weiß“ (1858), „Bildnis eines Knaben“ 67 (1862) und „Preußischer Kadett“ entstehen Werke, die zwar im Aufbau konventionell, aber in der malerischen Gestaltung von beachtlicher Qualität sind. 1861 wohnt Schwingen mit seiner Familie noch in einem efeuumrankten Häuschen in Bilk. Infolge seiner Erkrankung kann er aber nur noch sehr wenig malen. Am 6. Mai 1863 stirbt der Maler in Düsseldorf in der Verlängerten Pfannenschoppenstraße (heute Klosterstraße). Im Düsseldorfer Bürgerbuch ist die Eintragung „Invalide“ vermerkt, d. h. dass er aus gesundheitlichen Gründen als zum Wehrdienst nicht tauglich angesehen wurde. An einer aufwendigen Todesanzeige (wenn auch mit falschem Todesdatum) im „Düsseldorfer Anzeiger“ ist zu erkennen, dass die Familie Schwingens nicht zu den Ärmsten der Stadt gehörte.75 Als Todesursache wird eine „Abnehmungskrankheit“ angegeben. Düsseldorfer Anzeiger vom 9. Mai 1863 68 Seine Witwe wird vom Künstlerunterstützungsverein die üblichen 30 Taler für die Beerdigung erhalten haben. Sie zog nach dem Tod des Ehemannes mit ihren Kindern (12, 11 und 8 Jahre alt) nach Mülheim/Ruhr, wo sie ein zweites Mal, diesmal einen Gastwirt, heiratete, geschieden wurde, und schließlich im Hause der jüngsten Tochter 1886 starb. Auf der Jubiläumsausstellung des Malkastens 1898 ist Schwingen wieder mit einem Porträt vertreten. Er war also nicht ganz vergessen. Soweit wir sehen, das erste Mal, dass eines seiner Bilder nach seinem Tode wieder ausgestellt wurde.76 Wir können heute nicht mehr genauer feststellen, wie die persönlichen Verhältnisse des Malers in den letzten Jahren seines Lebens gewesen sind. Generell war jedoch in Deutschland/Preußen der Stern der Düsseldorfer Malerschule so schnell gesunken, wie er kometenhaft aufgestiegen war. Erste Anzeichen hatte es schon in den vierziger Jahren gegeben. Joachim Großmann weist auf einige Ursachen hin. Da ist einmal die stark zunehmende Zahl der Künstler zu nennen, die der vorangegangenen Kunsteuphorie zu danken war. Ernteausfälle in den vierziger Jahren trieben die Preise in die Höhe und waren wohl auch mitverantwortlich für den Ausbruch der Revolution. Andere Autoren weisen auf die bedeutende Rolle der Kunstkritik hin, die zunächst himmelhoch jauchzte (mit kräftiger Hilfe der Akademie und des rührigen Schadow), dann aber ebenso schnell zu einem „Kreuzige! Kreuzige!“ bereit war.77 Das politische Gewicht verlagerte sich zudem mehr und mehr in die Hauptstädte Berlin und München.78 Schadow schrieb 1848: „Wie’s hier unter den Künstlern steht, ist nicht zu sagen! Selbst die Besseren haben nichts zu tun.“ 79 Die Jahrhundertausstellung 1906 Wie viele andere blieb Schwingen nach seinem frühen Tode lange unbeachtet. Seine Genrebilder teilten die Verachtung dieser Sparte durch die offiziöse Kunstkritik. Nach der Revolution mochte sich wohl auch niemand mehr der eher politischen Gemälde erinnern. Für die Wiederentdeckung von Schwingen und die Neubewertung seiner Werke war von größter Bedeutung, dass sein Bild „Die Familie KeuchenWerlé“ (Abb. S. 92) 1906 auf der Jahrhundertausstellung in Berlin gezeigt wurde. Dieses Bild galt lange als verschollen. Walter Cohen wies in seinem 69 Vortrag 1932 in Godesberg darauf hin, dass alle Nachforschungen bis dahin vergeblich gewesen waren. Das Bild ist im Jahre 2000 wieder aufgetaucht und aus Godesberger Privatbesitz inzwischen in die Wuppertaler Sammlung Volmer gelangt! Worin liegt sein besonderer Stellenwert? Um die Jahrhundertwende wurde der Ruf nach einer Revision des akademischen Kanon der Kunstwertung immer lauter. Immer noch galt offiziell die Historienmalerei als die bedeutendste Sparte der Malerei. An die Stelle einer am Inhalt der Werke orientierten Kunstkritik sollte nun ein Qualitätsbegriff etabliert werden, „der sich an einer rein malerisch verstandenen Kunstentwicklung orientierte, in deren Mittelpunkt die traditionell als weniger anspruchsvoll eingeschätzten Gattungen Bildnis-, Landschafts- und Genremalerei standen.“ 80 Führende Museumsleute wie Alfred Lichtwark in Hamburg, Woldemar von Seidlitz in Dresden, Kunstschriftsteller wie Julius Meier-Graefe in Paris und Berlin und schließlich auch der neue Direktor der Nationalgalerie in Berlin Hugo von Tschudi wurden die Initiatoren einer sogenannten Revisionsausstellung, wie der Arbeitstitel deutlich lautete. Diese Ausstellung wurde als Jahrhundertausstellung, in Anlehnung an die „Centennale“ in Paris „zum Schlüsselereignis für die kunstgeschichtliche Rezeption der deutschen Malerei des 19. Jahrhunderts.“ 81 In Barmen gehörte der Kunsthistoriker Richart Reiche82 zu denen, die sich energisch für die Ausstellung und ihre Ziele einsetzten. Obwohl noch nicht zum künstlerischen Leiter des „Barmer Kunstvereins“ berufen, veranstaltete er in Zusammenarbeit mit diesem 1906 eine Ausstellung in der Ruhmeshalle, auf der Bilder aus Privatbesitz gezeigt wurden, die für die Jahrhundertausstellung in Berlin bestimmt waren.83 Es war zwar nicht erstaunlich angesichts der Bedeutung der Werke von Peter Schwingen im Wuppertal (meist in Elberfeld), aber auch nicht selbstverständlich, dass zu diesen auch Peter Schwingens „Die Familie Keuchen-Werlé“ gehörte. Hugo von Tschudi, als Direktor der Nationalgalerie für Ausstellung und Katalog verantwortlich, widmet dem Bild eine ganze Seite im Illustrationen-Band. So gingen die Anfänge der Wiederentdeckung Schwingens vom Wuppertal aus, wo er ja auch als Maler seine großen Erfolge errungen hatte. „Die Familie Keuchen-Werlé“ gehörte dann auch zu den Werken Schwingens, die in den folgenden Jahren mehrfach abgebildet und in kunsthistorischen Darstellungen erwähnt wurden. 1909 wurde das Gemälde in einer Veröffent70 lichung von F. W. Bredt und R. Reiche wieder vorgestellt. Richard Hamann erwähnt es in seiner Überblicksdarstellung der deutschen Malerei wegen seines typischen Biedermeier-Interieurs. Sogar die „Berliner Illustrierte“ stellte es ihren Lesern vor. Reiche war freilich weniger an der Wiederentdeckung Düsseldorfer Genremaler als an der zeitgenössischen Malerei interessiert und baute in den folgenden Jahrzehnten die Sammlung des Barmer Kunstvereins zu einer bedeutenden Galerie der Moderne aus. So ging die Initiative der „Revision“ auf den Direktor des Städtischen Kunstmuseums Friedrich Fries in Elberfeld, Bürgermeister Zander in Godesberg und Walter Cohen in Düsseldorf über. Elberfeld 1907 und 1922 1907 fand im Städtischen Museum in Elberfeld (heute Von der Heydt-Museum) eine Ausstellung statt, in der auch fünf Porträts von Schwingen aus Elberfelder Privatbesitz gezeigt wurden. Friedrich Fries hatte diese Ausstellung organisiert.84 1922 folgte eine Ausstellung von Interieurbildern in Elberfeld, in der Schwingen mit den Bildern Peter de Weerth und Gertrud de Weerth (Abb. S. 16 und S. 86) vertreten war. Walter Cohen wies in seiner Besprechung der Ausstellung zunächst auf die „Reinigungsarbeit“ der Jahrhundertausstellung hin und betonte, dass nach dieser Ausstellung die Geschichte der Malerei Düsseldorfs neu geschrieben werden müsse. Dabei verwies er besonders auf einen Künstler. „Den Namen des Künstlers, Peter Schwingen, setze ich mit dem Gefühl der Beschämung hin, dass diesem Manne von Mit- und Nachwelt in Düsseldorf schweres Unrecht widerfahren ist.“ 85 Anschließend besprach er geradezu enthusiastisch die Bilder Peter und Gertrud de Weerth. Er schloss seinen Aufsatz in den „Düsseldorfer Nachrichten“ mit der Frage: „Wird es auch für Düsseldorf gelingen, die Erinnerung an diesen Verkannten und Vergessenen zu beleben und festzuhalten?“ 86 Walter Cohen und die Ausstellung in Düsseldorf 1925 Bei der Ausstellung in Elberfeld war Walter Cohen zum ersten Mal auf Schwingen aufmerksam geworden. Er entwickelte sich in den folgenden zehn Jahren, unterstützt von Julius Söhn, zum eifrigen Propagandisten für seine 71 Kunst, besonders seine Bildnisse.87 Cohen und Reiche waren gute Bekannte und hatten bei der Vorbereitung der Sonderbundausstellung eng zusammengearbeitet. Wie Reiche gehörte Cohen dem Vorstand des Sonderbundes an. In der Ausstellung „Düsseldorfer Bildnismalerei der Vergangenheit“ hatte Cohen nur das kleine Bildchen des Schneidermeisters Schmitz aus dem Privatbesitz von Julius Söhn zeigen können. Die Ausstellung „Die letzten hundert Jahre rheinischer Malerei“ im Kunstpalast in Düsseldorf 1925 präsentierte aufgrund der Bemühungen von Cohen schon neun Bilder Schwingens.88 Hatte die mit der Ausstellung von 1906 angestrebte Revision stattgefunden? Peter Schwingen am Ort seiner Geburt In seinem Buch „Hundert Jahre rheinischer Malerei“ hatte Cohen schon 1924 geschrieben: „Am Rhein sollte man endlich anfangen, diesem Vergessenen die Ehre zu erweisen, die ihm zukommt; denn Peter Schwingen ist in Wahrheit von allen rheinischen Bildnismalern der originellste und der begabteste.“ 89 1926 gab es in Bad Godesberg, wohl als Echo auf die Düsseldorfer Jahrhundertausstellung, eine kleine Ausstellung im Büro der „Deutschen Reichs-Zeitung“ mit acht Schwingen-Bildern aus Privatbesitz.90 Der Godesberger Bürgermeister Zander war ein aufmerksamer Leser der Veröffentlichung von Walter Cohen. Er begann nicht nur nach den Vorfahren des Malers und dem Verbleib von Bildern zu forschen, er regte gleichzeitig an, dass Cohen doch einen Vortrag in Godesberg über den Maler halten möge. Schließlich kam es zu der Idee, zunächst eine Ausstellung der Werke von Peter Schwingen zu veranstalten und diese dann mit einem Vortrag zu verbinden.91 Die Ausstellung kam aus den auch heute noch fast notorischen Gründen – hohe Versicherungskosten, Probleme mit den Leihgebern – nicht zustande. Aber Zander ließ nicht locker. Erst 1931 sollte sich ein Teilerfolg seiner Bemühungen zeigen. Abschluss und Höhepunkt seiner Bemühungen und auch der „SchwingenWiedergeburt“ war der Lichtbildervortrag von Dr. Cohen 1931 in Bad Godesberg, der 1932 auch als Broschüre veröffentlicht wurde.92 Dieser Vortrag sollte einer der letzten des Kustos der Gemäldesammlungen der Stadt Düsseldorf sein. Als „Jude“ nach Hitlers Rassenvorstellungen wurde er zunehmend bedrängt, musste sein Amt aufgeben, kam ins Konzentrationslager Dachau, wo er 1942 starb.93 Als Kuriosum sei erwähnt, dass nach der Entlassung von 72 Bürgermeister Zander NS-Staatskommissar Heinrich Alef die Broschüre Cohens am 31. März 1933 an die Schulabgänger der Gemeinde Friesdorf mit den Zeugnissen überreichen ließ. Widmung: „Den Schulkindern im Jahre der nationalen Erhebung zur Schulentlassung gewidmet von der Gemeinde Godesberg”.94 Nach dem Ende des Zweiten Weltkrieges Schwingen wurde in der kunstgeschichtlichen Literatur nach dem Zweiten Weltkrieg zunächst nicht zur Kenntnis genommen, obwohl die lokale Presse immer wieder über ihn berichtete. 1960 wurden „Der Schmaus nach Gewinn des großen Loses“ und 1962 das „Bildnis Frau Heseler“ von den Städtischen Kunstsammlungen Bonn aufgekauft. Erst als dann der „Verein für Heimatpflege und Heimatgeschichte Bad Godesberg“ und Walter Holzhausen, der pensionierte Direktor der Städtischen Kunstsammlungen Bonn, zusammen mit der Stadt Bad Godesberg durch Ausstellung und Veröffentlichung das Thema aufgriffen, wurde man auch überregional wieder auf den Maler aufmerksam. Anlass boten der 150. Geburtstag und der 100. Todestag von Schwingen 1963. Die Initiative ging vom damaligen Vorsitzenden des Godesberger Heimatvereins, Dr. Haentjes, aus. Am 29. Mai 1963 hielt Dr. Holzhausen einen Lichtbildervortrag über Schwingen auf der Mitgliederversammlung des „Vereins für Heimatpflege und Heimatgeschichte“, die aus diesem Anlass im Gasthaus „Zur Post“ in Muffendorf stattfand.95 Sogar der Malkasten erinnerte sich seines Gründungsmitglieds und lud Holzhausen zu einem Lichtbildervortrag ein (6. November 1963). Auch der „Bergische Geschichtsverein“ sprach eine Vortragseinladung aus und ließ die Ausführungen Holzhausens ganzseitig im „General-Anzeiger“ veröffentlichen. Die Ausstellung, die erste Einzelausstellung des Malers, konnte vom 1. bis 22. März 1964 in der Godesberger Stadthalle durchgeführt werden.96 1994 fand im Godesberger „Haus an der Redoute“ eine repräsentative Schwingen-Ausstellung statt, die die „Peter Schwingen-Gesellschaft“ realisiert hatte. Das neu erwachte Interesse an Schwingen führte auch dazu, dass Werke aus Privatbesitz auftauchten, die bislang entweder völlig unbekannt gewesen waren oder, wie das bekannte Bild „Die Familie Keuchen-Werlé“, seit Langem als verschollen galten. Das Kunsthaus Paul Schweitzer, Bad Godesberg und die Galerien Georg Paffrath und Wilhelm Körs, Düsseldorf spielten dabei eine wichtige Rolle. 73 Selbstbildnis, vermutlich 1832, Verbleib unbekannt, Foto: Julius Söhn 74 Zum Werk Selbstporträts Das erste Bild, das uns von Schwingen durch Fotos überliefert ist, frühere Bilder kennen wir nur aus Berichten, ist ein Selbstporträt, das lange in der Familie aufbewahrt wurde und stark beschädigt war. Nach der Restaurierung durch Spinrath in Düsseldorf blickt uns ein aufgeweckter Junge aus dem Dorfe selbstbewusst an, so wie wir ihn auch heute noch auf den Dorfstraßen seiner Heimat antreffen können. Wahrscheinlich ist das Bild noch vor oder gleich zu Beginn des Akademiebesuches entstanden. Es ist mit anderem Inventar des Godesberger Heimatmuseums in den Wirren der Zeit nach dem Zweiten Weltkrieg verschwunden. Schwingen hat auch weitere Stationen seines Lebens in Selbstporträts festgehalten. Ein etwas später entstandenes Selbstbildnis zeigt Schwingen im Halbprofil und bereits mit dem Ansatz einer hohen Stirn. Das Bild ist ebenfalls verschollen. Die Grundkonzeption wiederholte Schwingen in den 1837 entstandenen kleinen Porträts der Kinder des Peter de Weerth. Eine andere Arbeit zeigt einen jungen Maler mit typisch beschatteter Augenpartie und breitem, weichem Künstlerhut (Abb. S. 2). Dann begegnet uns das Bild eines festlich gewandeten Herrn, der durch seine Busennadel auffällt. Alle diese Bilder sind ohne großen dekorativen Aufwand als Brustbilder konzipiert. Lediglich das letzte Bild dieser Serie (Abb. S. 35), wohl um 1849 entstanden,97 erinnert an die berühmten Innenraumporträts aus dem Wuppertal. Wir sehen den Künstler und seine Frau im Atelier. Im Hintergrund eine Staffelei mit einem angefangenen Bild, eine Gitarre, ein Globus, an der Wand ein Gewehr. Eine Bilanz enttäuschter Hoffnungen. Die Revolution, für die sich Schwingen mit vielen anderen Düsseldorfer Malern eingesetzt hatte, ist gescheitert. Reisen konnte Schwingen nie machen, die Lieder sind verstummt. An die glanzvollen Tage als Schützenkönig oder Mitglied der Düsseldorfer Bürgerwehr erinnert nur noch das Gewehr. 75 Studien des Schülers der Düsseldorfer Akademie Im Besitz der Nachfahren Schwingens sind Studien, die schon wegen ihrer Thematik nicht auf eigene Initiative der Kunststudenten zurückgehen konnten. Eine dieser Arbeiten zeigt einen mittelalterlichen Ritter und trägt die Unterschrift „Ist Durindan nicht hier?“ Der Ritter erwartet einen Gegner, hat aber sein Schwert noch in der Scheide. Das Schwert „Durindan“ spielt in Ariosts’ „Der rasende Roland“ eine große Rolle. Es gelangte aus dem Besitz Hectors in den Besitz Orlandos (Rolands). Der abgebildete Ritter dürfte demnach Rinaldo vorstellen, der seinen Gegner erwartet. Karl Ferdinand Sohn, der Lehrer Schwingens in der „Vorbereitungsklasse“ der Akademie, hatte schon 1828 das Thema Rinaldo und Armida in einem Gemälde angesprochen. Schwingen dürfte Ariost weder damals noch später gelesen haben. Bei der kleinformatigen Studie eines Kreuzfahrers vor einer Burg wird ein Modell der Akademie Pate gestanden haben. Als Entstehungszeit ist 1836 angegeben. Für 1837 nennt Nick in seinem Manuskript für den Thieme/ Becker98 noch einen „Wache stehenden Kriegsknecht“. Auch der könnte gemeint sein. Als Peter de Weerth 1838 Peter Schwingen in Düsseldorf besuchte, zeigte ihm dieser in seinem Atelier einen „Ritter“. Es könnte sich um den „Kreuzfahrer“ aber auch um „Durindan“ gehandelt haben. Nur diese beiden Studien sind von den Studentenarbeiten Schwingens überliefert. Es dürften aber wesentlich mehr gewesen sein. Kinderbilder Eines der ersten Bilder Schwingens hieß „Jesus der Kinderfreund“. Es ist nicht überliefert und wahrscheinlich in der Zeit vor seiner Ausbildung in Düsseldorf entstanden. „Schwingen der Kinderfreund“ wird man später formulieren dürfen. Die Kinderbilder Schwingens finden früh Beachtung. Die kleinformatigen Skizzen mit dem Motiv „Martinsabend“ stellen den ersten größeren malerischen Erfolg des jungen Malers dar. Im Jahr 1837 werden gleich vier Fassungen produziert. Auch in späteren Jahren wird das Motiv leicht abgewandelt immer wieder gemalt. Das Thema ist altem rheinischen Brauchtum entnommen und stellt die Laternenumzüge der Kinder am Martinstage verbunden mit einem Bettelsingen um Früchte und Süßigkeiten dar. Die Umzüge erinnern an den Frankenheiligen Martin von Tours und an seine Mildtätigkeit. 76 Ist Durindan nicht hier? Öl auf Leinwand, 1833/34, Privatbesitz Der Kreuzfahrer, Öl auf Pappe, 1836, Privatbesitz 77 Die alte Dorfkirche des Schwingen-Geburtsortes Muffendorf ist dem Heiligen Martin geweiht. Die Fassungen im Museum Kunstpalast, Düsseldorf und die Fassung im Stadtmuseum Düsseldorf verlegen denn auch das Martinssingen in ein dörfliches Umfeld. Der Blick auf das offene Schmiedefeuer im Hintergrund, ein Versatzstück, das später auch in dem Gemälde „Der Lotteriejude“ wiederkehrt, könnte die dem Geburtshaus von Schwingen gegenüber liegende Dorfschmiede andeuten. Andere Fassungen verlegen den Martinszug in die Düsseldorfer Altstadt mit Lambertuskirche oder Jan-Wellem-Denkmal. Der Martinsabend (V), Öl auf Leinwand, 1837, Stiftung Museum Kunstpalast Düsseldorf Die Lebendigkeit der Schwingen’schen Darstellung lässt das eigene Erleben des Künstlers aus der Muffendorfer Jugendzeit deutlich nachklingen. Die überwiegend in gelb-braun-roten Tönen gehaltenen Bildchen beeindrucken nicht nur durch die Natürlichkeit und Ursprünglichkeit der Darstellung, sondern auch durch Farbgestaltung und Lichtführung. Die Laternen, teils ausgehöhlte Rüben und Kürbisse, leuchten mit den fröhlichen Kindergesichtern und dem der laut singenden Mutter um die Wette. Das Schmiedefeuer wird in anderen Versionen durch ein hell erleuchtetes Fenster oder durch von links einfallendes Mondlicht ersetzt. 78 Die Kinderbilder zeichnen sich – wie auch der Martinsabend – dadurch aus, dass der Eigenwert der Welt der Kinder deutlich wird. Sie wird mit den Augen der Kinder und nicht aus der Perspektive der Erwachsenen gesehen. Die Überlieferung, dass Schwingen seine Kinder in einem selbst gebastelten „Bollerwagen“ (Handwagen), gezogen von einem Ziegenbock, durch Düsseldorf gefahren habe, könnte zutreffen und belegen, dass Schwingen auch als Erwachsener die kindliche Freude und Naivität nicht verloren hatte. (Einen solchen Kinder-Handwagen finden wir auch in einer Karikatur von Henry Ritter in den Düsseldorfer Monatheften. Diesmal allerdings gezogen von einem preußischen Offizier!). Der Martinsabend von Schwingen wurde später auch als Radierung verbreitet (Sonderland, 1849). Schwingen knüpft mit weiteren Kinderbildern an die erfolgreiche Serie der Martinsabende an. Ebenfalls 1837 entsteht das Bild etwas größeren Formats „Stilles Gedenken oder Gebet zweier Kinder am Gedächtnistage ihres vom Blitz erschlagenen Vaters am Eichenstamme“. In naiver Auffassung sind die Kindergestalten entwickelt. Die „Geschichte“ ergibt sich allerdings nicht aus dem Bild, sondern vollständig nur aus dem erläuternden Titel. Das kleine Bildchen „Kind und Hund“, das – nicht datiert – entsprechend der Malweise und dem Format zu den naiven frühen Werken zu zählen ist, gibt eine Szene an der Haustür eines Bauernhauses wieder. Das Mädchen im langen Kinderkleid steht etwas unbeholfen auf der Schwelle und scheint die Vögel zu füttern. Der Hund schaut zu, bleibt aber liegen. Ein tönener Krug auf der Schwelle hat zwar keine Funktion, füllt aber sonst entstehende Leere. Ein blühender Rosenstock und Teile des Bauernhauses bilden den Hintergrund. Das Bild ist nur durch ein schwarz-weißes Foto überliefert, was die Beurteilung erschwert. Naive Malerei ja, aber ohne die höchst professionelle Naivität der heutigen Vertreter dieser Kunstrichtung. Ein verwandtes Bildchen „Wie groß ist das Kind?“(Abb. S. 8) von 1846 stellt eine Familie dar, die sich um ein Kleinkind versammelt und wie üblich, den Sprössling uneingeschränkt bewundert. Es dürfte sich um das gleiche Kind handeln, das um 1839 unter einem Rundbogen in seinem Bett schlummert, während auf der Bettdecke einer kleiner Spielzeughund mit rotem Halsbändchen wacht. 79 1842 kommt mit „Die Kinder pflegen ihren kranken Hund“ ein Meisterwerk auf den Markt. Zwei Jungen und ein Mädchen bemühen sich um den ihrer Meinung nach kranken Hund. Blühender Holunder beschirmt das Quartett. Schwingen hat das Bild in zwei Formaten gefertigt, wohl eine Fassung für den Verkauf und eine für Ausstellungen. Der Hund hat es auf jeden Fall besser als der auf dem ebenfalls 1842 entstandenen Bild von Henry Ritter „Verlobungsszene in der Normandie“. Hier wird der Hund von zwei Jungen mit (grüner?) Farbe angestrichen. Das Bild Schwingens konnte 1966 von der Stadt Bad Godesberg erworben werden. Der „Verein für Heimatpflege und Heimatgeschichte Bad Godesberg“ gab zum Gesamtpreis von 4000 Mark einen Zuschuss von 1000 Mark. Eine dörfliche Szene stellt auch das Bild „Mädchen und Katze“ von 1848 dar. Das Mädchen sitzt in einer ländlichen Stube und strickt mit hoher Konzentration an einem mehrfarbigen Schal. Licht fällt von links durch das Fenster ein. Der Fußboden aus Natursteinen ist mit großer Akribie dargestellt, scheint aber doch etwas kalt zu sein; denn der Katze und dem Stuhl des Mädchens ist ein kleiner Teppich untergeschoben. Nicht datiert ist das Bildnis eines Kindes beim Füttern der Hühner. Im Hintergrund sieht man die Schwelle eines Fachwerkhauses. Auf der Schwelle liegt eine Katze, die dem Treiben zwar interessiert, aber geduldig zuschaut. Vermutlich ist das Hühnerfutter nicht nach ihrem Geschmack. Die Brauntöne des Hauses und des Erdbodens geben einen guten Hintergrund für das blonde Haar des Kindes, seinen roten Rock und seinen grünen Pullover ab. In dem Werk die „Die Strickerin“ sind die Genreelemente auf das absolut Notwendige reduziert. Eine kahle, schadhafte Wand, darin ein eiserner Haken, ein grober hölzerner Tisch. Die strickende junge Frau ist dagegen mit einer festlichen bestickten Bluse und einer übergezogenen Jacke bekleidet. Als Kopfschmuck trägt sie eine Mütze, dazu einen wärmenden Schal. Das Bild ist nur in einer schwarz-weißen Fotografie überliefert. Die Struktur der Darstellung lässt aber deutliche farbige Akzente vermuten. Wahrscheinlich handelt es sich auch hier um ein für uns leider anonymes Porträt. 80 Kinder pflegen ihren kranken Hund, Öl auf Leinwand, 1842, Stadt Bonn 81 Auch in späteren Bildern hat der Maler Kinder in Verbindung mit Tieren abgebildet. Besonders gut ist ihm diese Kombination bei dem in einer Hundehütte schlafenden Jungen gelungen. Der Hund im Vordergrund bewacht seinen Gast aufmerksam. Blühender Holunder auch hier. 1853 zeigte Schwingen dieses Bild auf der Permanenten Kunstausstellung im Gartensaal des Elberfelder Casinos in zwei Fassungen.99 Von diesen bescheidenen dörflichen Darstellungen weicht ein elegantes, „städtisches“ Kinderbild für den Elberfelder Kaufmann Ernst Eugen de Weerth zwar ab, weil der Maler wohl nicht riskieren konnte, den Reichtum und die Besonderheit des Auftraggebers zu ignorieren. Trotzdem bleibt es ein Schwingen-Kinderbild. Es entstand vermutlich Mitte bis Ende der 1850er Jahre. Ernst Eugen de Weerth (1807-1869), der als Rentner in Elberfeld lebte, wollte seine Kinder aus zweiter Ehe, Ernst Artur (1845-1875), Clara (18461931) und Artur Karl (1848-1906) abgebildet wissen. Schwingen zeigt sie mit ihrem Hund spielend. Als Kinderbilder dieses Typs sind noch das „Mädchen mit Blumen“ und das „Mädchen in Weiß“ von 1858 zu nennen. Das Blumenmädchen ist nur durch ein Foto von Julius Söhn überliefert. Das helle Kleid hebt sich von einem dunklen, wahrscheinlich grünen Hintergrund ab. Ein Blumenkorb hängt am rechten Arm, mit dem linken wird die Blüte einer Topfblume eher berührt als gepflückt. Das Mädchen in Weiß ist ein Kind im Alter von sechs bis acht Jahren. Die großen dunklen Augen des Mädchens blicken den Betrachter interessiert und freundlich an. Vom Stil und Eigenart der frühen Kinderbilder ist nicht mehr viel geblieben. Schwingen hat sich deutlich an die Salonmalerei der Zeit angepasst. Dennoch haben diese Werke den eigenartigen Charme der frühen Porträts nicht verloren. Ein ähnlich repräsentatives „Bildnis eines Knaben“ entstand 1862. Der porträtierte Junge trägt einen kleinen Degen an der Seite und die typischen roten Korallenknöpfe am Kragen. In Fotografierpose stützt er seine rechte Hand auf ein Tischchen. Dahinter ist eine Blattpflanze zu erkennen. Der konventionelle Aufbau wird durch die souveräne Malerei überspielt. Auch hier handelt es sich vermutlich um ein spätes Auftragsbild aus dem Wuppertal. 82 Die Kinder des Ernst Eugen de Weerth, Öl auf Leinwand, um 1850, Privatbesitz Bildnis eines Knaben, Öl auf Leinwand, 1862, Privatbesitz 83 Innenraumporträts Die Darstellung von Menschen in typischen Situationen zeichnet die Genremalerei aus. Schwingen hat dieses Prinzip auch auf einen Teil seiner Porträts übertragen. Ob es sich bei dem Bild „Frau am Fenster”, entstanden etwa 1837, bereits um das fertige Porträt oder erst um die Vorstudie zu einem solchen handelt, ist nicht bekannt. Dabei ist das eher großbürgerliche Umfeld zu betonen, das weder in der persönlichen Erinnerung des Malers anzutreffen, noch im Atelier zu rekonstruieren war. Wir können also von einem Auftragsbild ausgehen. Für eine Vorstudie spricht die eher impressionistische Ausführung, die im Gegensatz zur Gewohnheit Schwingens steht, Einzelheiten präzise auszumalen. In der Anlage ist die Nähe zu den Bildern aus Elberfeld und Barmen unverkennbar. Als Schwingens erster großer Auftrag entstand das Gemälde „Des Geschäftsmannes Mußestunde“ (Abb. S. 16), ein Porträt des Familienpatrons Peter de Weerth aus Elberfeld. Dieser Auftrag war eine besondere Herausforderung. Peter de Weerth war bereits in einem hervorragenden Bild von Heinrich Christoph Kolbe gemalt worden. Schwingen stand vor der Frage, dieses Bild zu kopieren oder eine völlig andere Lösung zu versuchen. Er wählte einen Mittelweg: Er verband Porträt und Genrebild, zwei Fachrichtungen der Malerei in denen er zuhause war. Peter de Weerth wurde in Anlehnung an Kolbe in seinem Stuhl sitzend in der persönlichen Umgebung seines Hauses in der Elberfelder Schwanenstraße dargestellt. Ein Fenster erlaubt den Durchblick auf ein anderes bergisches Haus mit Schiefer und grünen Schlagladen. Im Zimmer selbst zahlreiche Andeutungen. An der Wand ein Kalender mit dem Jahr 1838, eine Reitgerte, eine Karte von Spanien (es war die Zeit der Karlistenkriege), auf dem Tisch die Elberfelder Zeitung und Korrespondenz. Auf einem der Briefe ist die Anschrift „Peter de Weerth Elberfeld“ deutlich zu erkennen. Der „müßige“ Kaufmann hat die Bearbeitung der Post unterbrochen und zu einem Buch gegriffen, dessen Titel leider nicht zu entziffern ist; kein Geschäftsbuch jedenfalls. Die Füße des schon älteren Herrn sind gut gewärmt auf einem Teppich unter dem Tisch platziert, wo auch der Futternapf für den Hund zu finden ist, der sich am Studium der Literatur zu beteiligen scheint. Auf dem Tisch weiterhin Schreibutensilien, eine Kerze und zwei Folianten. Andere Bücher wohl geschäftlicher Art stehen auf der Erde, anscheinend an 84 einen Schrank angelehnt. All das deutet an, dass auch der Geschäftsmann geistige Kost nicht verabscheute, dass aber die Sorge um die Geschäfte ihn nie verließ. Dass die Geschäfte des Peter de Weerth im Wesentlichen in der Verwaltung seines umfangreichen Grundbesitzes bestanden, änderte daran wohl nichts. Walter Cohen schrieb schon 1932: „Was Peter Schwingen uns bietet, ist eine bewusst bürgerliche Interieurkunst, die wohl unbewusst, in ganz modernem Gewande auf die beste Überlieferung der holländischen Raumporträts des 17. Jahrhunderts zurückgeht. … Für Düsseldorf bietet das Bild auch dadurch etwas ganz Neues, dass durch das halb verhängte Fenster ein Ausblick gegeben wird, der in wahrhaft kühner Freilichtmalerei die lebhaften Farben eines grauen bergischen Schieferhauses mit dem Grün der Fensterläden wiedergibt. Das eindringende Licht wird von der großen hellen Landkarte an der Wand reflektiert und erhellt den ausdrucksvollen markanten Kopf des alten Herrn im dunklen Tuchanzuge. Mit unendlicher Liebe, aber ohne jede Kläubelei ist alles Beiwerk gemalt. … Bildnis und Genrebild verfließen hier in eins, aber die Grenzen verwischen sich nicht; alles Anekdotische ist vermieden und die außerordentliche Frische und Feinheit des Malerischen heben dieses bedeutende Werk über alles hinaus, was damals in der Blütezeit einer schon recht verwässerten Romantik in Düsseldorf geschaffen wurde.“ 100 Eigentlich handelte es sich bei diesem Bild um eine Schülerarbeit. Schwingen war noch in der 2. Malklasse bei Hildebrandt. Zusammen mit Peter de Weerth zeigte Schwingen seinem Lehrer das fast fertige Gemälde. Hildebrandt gab noch einige Hinweise, die Schwingen bei der Schlussfassung beachten sollte.101 85 Gertrud de Weerth, Öl auf Leinwand, um 1843, Privatbesitz 86 Gertrud de Weerth Das Porträt von Gertrud de Weerth dürfte um 1843 entstanden sein. Auch bei Gertrud de Weerth hat Schwingen die Szene in die Wohnung des Ehepaares verlegt. Das Zimmer ist allerdings nicht das Arbeitszimmer wie bei Peter, sondern ein Wohnzimmer, in dem Gertrud mit einem Strickzeug an einem Ausziehtisch sitzt, beleuchtet aus dem Fenster rechts im Bild. Gertrud sieht nach links und, wenn man so will, ist das die Richtung, in der sie bei richtiger Platzierung der Bilder ihren Mann erblicken kann und vice versa. So jedenfalls hingen später auch die Bilder im Hause der Marion von Stein geborene de Weerth in Köln. Im Hintergrund eine Schrank-Kommode, auf der eine Empire-Pendüle und eine Glocke zum Herbeirufen des Hauspersonals dezent den Wohlstand andeuten und zwei Kamelienstöcke für etwas Verzierung und das bei Schwingen obligatorische Rot sorgen. Auf dem Schrank auch ein Buch, dessen Inhalt aber verschwiegen wird. Der Rücken steht zur Wand. Das Zimmer ist mit einer Blumentapete, einer grünbraun gestrichenen Täfelung und einem glänzenden Fußboden ausgestattet, der ebenfalls grün gestrichen zu sein scheint. Auf dem Boden unter dem Tisch ein Fußbänkchen. Da Gertrud de Weerth zum Zeitpunkt des Entstehens des Bildes bereits lange verstorben war, griff Schwingen auch diesmal auf ein Gemälde Kolbes zurück, dem er die Gesichtszüge der Verstorbenen entnahm. Obwohl das Bild notwendigerweise als „gestellt“ bezeichnet werden muss, ist doch anzunehmen, dass die Ausstattung des Zimmers – wie bei allen anderen Schwingen-Bildern dieser Art – der Originalmöblierung im Hause de Weerth entspricht. So stellen die Bilder auch wichtige Dokumente für die Wohnungen der führenden Kaufleute des Tals im 18. Jahrhundert und Anfang des 19. Jahrhunderts dar. Gediegen und durchaus anspruchsvoll, aber nicht zu aufwendig, so wird man sie charakterisieren können. 87 Johann Friedrich Wülfing Johann Friedrich Wülfing (1780-1842) war mit Johanna Maria Christina Siebel (1786-1859), einer jüngeren Schwester des Kaufmannes, Dichters und Freimaurers Gerhard Siebel (1784-1831), verheiratet. Er war wie sein Schwager Peter de Weerth, der auch sein Vormund gewesen war, Millionär und Großgrundbesitzer, Garn- und Tuchhändler und Inhaber einer TürkischrotFärberei. Wie sein Schwager war er mit seiner Frau bereits von Heinrich Christoph Kolbe gemalt worden. Schwingen wählte für sein Porträt das bewährte Verfahren. Wieder wird durch ein Fenster ein anderes bergisches Haus sichtbar. Natürlich sind die Einrichtung des Zimmers und die Utensilien dem Porträtierten angepasst. Sie waren identisch mit der Originalmöblierung im Hause Wülfing. So befinden sich z. B. die klassizistische Kommode rechts im Bild und die darauf stehende Pendüle noch heute im Familienbesitz. Auch Arbeitstisch und Brille haben sich erhalten. Im Übrigen ist die Einrichtung fast spartanisch. Auf und in einem Wandschränkchen allerlei Kleinfiguren (Bibelots), vielleicht einige aus Meißener Porzellan, und eine Klassikerausgabe in Leder gebunden. Ein Hund nebst Hundefutter auch hier. An der Wand sorgt ein bestickter Glockenzug dafür, dass der reiche Mann nicht ohne Bedienstete bleiben muss. Ein Sofakissen mit Petit-Point-Stickerei und das rote Futter des aufgeschlagenen Hausmantels mit Samt- oder Pelzkragen liefern das rote Element. Das Fenster ist mit einem gepolsterten „Kältefeind“ ausgestattet, was ausweist, dass auch damals die Fenster der bergischen Häuser, da keine Doppelfenster, im Winter einfach nicht dicht zu kriegen waren. Der Vorhang mit einer Bordüre und auf beiden Seiten durch Messingschmucknägel gehalten, weist wieder auf Wohlstand. Oberhalb der Kommode ein Spiegel, der die gegenüberliegende Zimmerwand mit einem Türausschnitt erkennen lässt. Am Türbalken ist eine blaue Mütze aufgehängt, wie sie die Elberfelder Weber trugen. Gegen die Fußkälte soll diesmal keine Fußbank, sondern ein grün-roter Teppich mit einem Weinrankenmuster helfen. Nach dem Tode von Wülfing erhielt Schwingen den Auftrag, so viele Fassungen des Bildes eigenhändig zu wiederholen, dass jedes der lebenden acht Kinder der Familie eine erhalten konnte.102 Für den jungen und immer noch wenig bekannten Maler ein „dicker Fisch“, der seinen guten Beziehungen zu Peter de Weerth zu verdanken war. 88 Die Suche nach dem Verbleib der vielen Fassungen des Bildes wurde zu einer spannenden Aufgabe. Walter Cohen leitete sie ein, es folgten die Galerie Paffrath in Düsseldorf und Walter Holzhausen. Das größte Verdienst aber gebührt Gisela Schniewind, die, aufgrund ihrer genealogischen Forschungen dazu besonders qualifiziert, bei potenziellen Besitzern herumfragte und so sechs erhaltene Fassungen und ihre Wege durch die Familiengeschichte ermitteln konnte. Eine Fassung verbrannte im Zweiten Weltkrieg in Köln, das Schicksal einer einzigen Fassung ließ sich nicht ergründen. Sie muss als verschollen gelten. Die Recherchen von Gisela Schniewind ergaben Folgendes: Eine sich heute in Düsseldorfer Privatbesitz befindende Fassung I war das Bild, das Hulda Meckel geborene Wülfing geerbt hatte. „Sie war das 7. Kind von Johann Friedrich Wülfing. Da ihre Tochter Johanna Maria de Weerth geb. Meckel (1842-1880) schon früh verstarb, vererbte sie es dem Sohn der Johanna Maria, ihrem Enkel Wilhelm de Weerth“.103 Dessen Tochter Marion von Stein übernahm das Bild wie auch die beiden Porträts de Weerths aus dem Besitz ihres Vaters. Eigentümer dieser Bilder war der kürzlich verstorbene Sohn von Marion von Stein aus erster Ehe. Das Schicksal des Bildes II, das die zweite Tochter Johann Friedrich Wülfings, Emma Schniewind, erbte, ist etwas komplizierter. Es ging zunächst an deren älteste Tochter Emma Weyermann und wurde von Nachfahren etwa 1960 an die Galerie Paffrath verkauft. Von dort erwarb es ein Nachfahre der Meckels, sodass es heute wieder in der weiteren Familie der ursprünglichen Besitzer ist. Karoline Wülfing heiratete Julius Bemberg. Ihr Bild III wurde an die Bembergs auf Flamersheim vererbt. Immer noch im Besitz der Familie Wülfing ist das Bild IV, das Friedrich Hermann Wülfing erbte, heute bei seinen Nachfahren in Berlin. Das Exemplar V von Robert Wülfing kam in den Besitz seines Nachkommen Günter von Frowein. Es befindet sich als Leihgabe in Köln. Zwischenzeitlich war es bei Elisabeth von Frowein in Bonn, was gelegentlich zu der Annahme führte, es handele sich um eine weitere Fassung. Das trifft aber nicht zu. Nicht aufzuklären war das Schicksal des Exemplares VI, das sich über Bertha Rosalie Wülfing im Besitz der Familie Von der Heydt hätte befinden müssen. 89 Johanna Maria Wülfing heiratete Rudolf Egbert Steinkauler. Ihr Bild VII war noch im Jahre 1939 im Besitz von Nachkommen in Köln-Mülheim. Wahrscheinlich ist es dort während des Zweiten Weltkrieges verbrannt. Schließlich das Bild VIII, welches Elisabeth Wülfing verheiratete Peill gehörte. Es war zuletzt im Besitz des Nachkommen Dr. Mallinckrodt in Köln. Vermutlich kam es danach in den Besitz der Familie von Stoesser und wurde schließlich von dieser durch Gerda von Wülfing erworben. Heute ist das Bild bei ihrer Familie in Hannover.104 Johann Friedrich Wülfing, Öl auf Leinwand, um 1840/1842, Privatbesitz 90 Die Familie Keuchen-Werlé 1844 folgt ein Bildnis der Familie Keuchen-Werlé, d. h. die Großeltern Keuchen mit ihrem Enkel Werlé. Im Katalog der Jahrhundertausstellung heißt es zu diesem Bild105 „Bildnisgruppe (die Köpfe sind von Sohn). [!]106 Die Fleischfarbe des Herrn braunrötlich, die der Dame rosagrau. Der Herr in hellblauen Hosen. Schwarzes Sofa, bräunlich-graue Wand.“ Richart Reiche selbst schreibt in seinem Aufsatz „Pflege der bildenden Kunst“, 1926: „Johann Peter Keuchen und Frau Sophie Karoline geb. Frowein mit ihrem Enkel Eduard Werlé in einem Eckzimmer des Keuchen-Werlé ’schen Hauses, Neuer Weg - Ecke Poststr. Barmen“. Johann Peter Keuchen aus Barmen (1776-1858) war Inhaber der Firma Gebr. Keuchen am Neuen Weg. Keuchen stammte mütterlicherseits von den Bembergs aus Bonsfeld ab. Johannes Keuchen, sein Vater, war mit Johanna Helene Berg aus Solingen verheiratet. Die Marschallin von Frankreich, Louise Soult geb. Berg, war seine Tante. Er war 1808 Stadtdirektor, ab 3. November 1808 Maire von Barmen. Verheiratet mit Sophie Karoline Frowein (1777-1856). Sophia Karoline war die Tochter von Abraham Frowein und Dorothea Wortmann. Abraham war einer der zahlreichen Träger dieses Namens, jedenfalls nicht der Begründer der Elberfelder Firma. Er stammte zwar ebenfalls aus Elberfeld, war aber Inhaber des Unternehmens Frowein & Wortmann in Unterbarmen, Kaufmann und Garnhändler. Die Tochter der Keuchens, Emilie Luise Mathilde, war mit dem Kaufmann Wilhelm Werlé (1804-1880) verheiratet. Dieser war Beigeordneter und Mitgründer des Barmer Verschönerungsvereins. Er war katholischer Konfession und mit Johann Friedrich von Eynern eng befreundet. Beide arbeiteten im Barmer Stadtrat zusammen. Zeitweise hatte er wie Friedrich von Eynern jr. auch dem preußischen Abgeordnetenhaus angehört. Sein Sohn Eduard ist der auf dem Bild porträtierte Junge. Das Bild wurde vom Verlag Bruckmann in München auch als Einzelblatt (H 24 x B 18 cm) vertrieben. Der Preis pro Blatt „mit Kulisse“ betrug 1,50 Mark. Angela Lorenz vergleicht das Bild mit einer Fotografie des Elternpaares von Philipp Otto Runge: „Eine im biedermeierlichen Familienbild entwickelte klare Sachlichkeit, die Dinge und Personen gleichermaßen in entmythisierender, nicht transzendierender Absicht dargestellt sehen will, findet im neuen Medium [der Fotografie] gleichsam verschärfte Durchsetzungsmöglichkeiten.“ 107 Auf die Nähe Schwingen’scher Porträts zur Fotografie hatte bereits Cohen hingewiesen. 91 Die Familie Keuchen-Werlé, Öl auf Leinwand, 1844, Stiftung Sammlung Volmer Wuppertal Lorenz charakterisiert im Übrigen das Bild wie folgt: „Im nahtlosen, dicht aneinander anschließenden Kreislauf der Generationen im Familienbild offenbart sich der bürgerliche Kosmos einer der Natur anvertrauten Abfolge des Lebens im Rahmen der selbst erstellten Dingwelt. Greis und Kind als die Pole der Personifikation von Vergangenheit und Zukunft gibt sinnfällig Peter Schwingen im Bild der Eheleute Keuchen-Werlé mit ihrem Enkel an. Im Winkel des Zimmers, in das die Welt in uns schon bekannter Weise durch die Fenster Zutritt hat, sitzt das alte Paar nebeneinander auf dem Sofa. Eingefangen ist das leicht Statische ihres jetzigen Lebens wie auch die Zusammengehörigkeit der beiden, die aufeinander bezogen sind wie die über ihnen an der Wand hängenden Pendants der beiden Landschaftsbilder. Ergänzt und zugleich aufgebrochen wird diese Situation durch 92 den zwischen ihnen stehenden Enkel, der, vergnügt aus dem Bild herausschauend, den Hund mit einem Bissen neckt.“ 108 Das neben den Landschaften hängende kleine Porträt stellt wahrscheinlich Wilhelm Werlé dar. Jedenfalls ist die Ähnlichkeit mit seinem Sohn Eduard nicht zu übersehen. Cohen meinte 1932 das Bild sei unwiederbringlich verschollen.109 Es hat sich erfreulicherweise kürzlich wiedergefunden und gehört nun zu der Wuppertaler Sammlung Volmer. Die Familie von Eynern Aus dem Kreis der Verwandten des Peter de Weerth und damit auch der Wülfings folgte 1846 nach Vollendung der Kopien des Wülfing-Bildes und des Familienbildes Keuchen-Werlé der nächste Auftrag: „Dargestellt sind nach Cohen laut Familientradition Johann Wilhelm von Eynern (1773-1845), ... seine Frau Johanna Katharina, geborene Rittershaus (1779-1842) und ihre unverheiratete Tochter Nanette (1806-1875), in deren Auftrag, wie Cohen vermutet, das Bild entstand. An der Echtheit der Signatur ‚P. Schwingen 1843‘ [! Muss heißen 1846] ist nicht zu zweifeln. Vermutlich griff Schwingen für die Darstellung des Ehepaares, das 1846 bereits verstorben war, wie bei seinem Bildnis der Gertrud de Weerth, 1843, auf ältere Bildnisse zurück und schuf nur das in Farbe und Auffassung ein wenig anders angelegte Porträt der Nanette nach dem Leben. Die Familie ist in ihrer häuslichen Umgebung, in einem Raum des von Johann Wilhelm von Eynern errichteten großen Hauses in Barmen gezeigt, Nanette mit einer in der Zeit beliebten Straminarbeit.“ 110 Schon der Vater des Wilhelm, Johann Peter von Eynern (1737-1809), hatte als jüngster von sieben Brüdern den Hof Eynern verlassen und war nach Wichlinghausen gezogen, wo er ein „Fabrikgeschäft“ betrieb und durch Heirat mit Maria Magdalena Egeldyk zu Wohlstand kam. Als Lutheraner setzte er zusammen mit anderen die Errichtung einer lutherischen Gemeinde „auf dem Wupperfelde“ durch.111 Sein Enkel Johann Wilhelm von Eynern, der älteste Sohn der Familie von Eynern/Rittershaus war mit Bernardine Juliane de Weerth verheiratet. Nanette von Eynern, die neue Auftraggeberin, war seine unverheiratete Schwester. Johann Wilhelm betrieb zusammen mit seinem jüngeren Bruder Johann Friedrich von Eynern sen. die Firma „J. P. von Eynern & Söhne“. Friedrich 93 sen. war von 1825 bis 1837 als Handelsrichter in Elberfeld tätig und Mitglied der gemeinsamen Handelskammer von Elberfeld und Barmen. Er war im Verwaltungsrat der späteren Köln-Mindener Eisenbahn und hatte sich sehr für diese Verbindung des Wuppertals nach Osten eingesetzt. Wilhelm wirkte stets mehr in kirchlichen Ehrenämtern und überließ die kommerziellen Vertretungen seinem jüngeren Bruder Friedrich von Eynern sen. Hildegard Westhoff-Krummacher fasst wie folgt zusammen: „Dem rheinischen Genremaler gelingt es nicht nur, mit unauffälligen Mitteln nuanciert die patriarchalische Struktur der Familie sichtbar zu machen, sondern auch die Besonderheit des pietistisch geprägten Wuppertaler Unternehmer-Milieus zu charakterisieren. Hier ist man in allem gediegen, aber im beginnenden Maschinenzeitalter werktäglich nüchtern, schmucklos und sparsam. Man gibt das Kapital nicht aus, sondern reinvestiert es. Man hält an alten Formen und Normen fest, wie der Hauptgegenstand der Einrichtung, der solide Tisch aus der guten alten Zeit des ‚Louis Seize’ dartut. Nur so, immer tätig, Seelenheil und das Geschäft im Blick, mit Gebetbuch, Zeitung und Gottes Hilfe kann man es zu etwas bringen.“ 112 Man könnte von Routine sprechen, wenn das Bild nicht so gut wäre. Natürlich ist da wieder das lichtdurchflutete Fenster mit seitlich gerafften Vorhängen. Allerdings wird dessen Lichtwirkung geschickt durch einen grünen Paravent gesteuert, der Frau von Eynern im Licht vor Halbschatten deutlicher hervortreten lässt. Die Gesichter sind sorgfältig ausgemalt und kennzeichnen den strengen und erfolgreichen Vater (mit Brille!), die etwas müde aber gütige Mutter und die eher vergrämte Tochter ungeschminkt. Vater liest die liberale „Barmer Zeitung“, Mutter hat gerade aufgehört zu stricken, die Tochter stickt – wie üblich – aber: Vor ihr liegt das bergische Gesangbuch, was ihren Charakter als mustergültige Protestantin unterstreichen mag. Allerdings sehen wir bei ihr nicht nur die das nötige Rot bringende Stickerei, sondern auch den dem gleichen Zweck dienenden Korallenschmuck, typisch für spätere Porträts des Malers. Er lockert aber hier die Strenge des Bildes nicht auf. Spitzenkragen bei Tochter und Mutter werden bei der Mutter durch eine Spitzenhaube ergänzt. Mit gefalteten Händen blickt sie wie die beiden anderen Familienmitglieder den Bildbetrachter offen und klar an. Es gibt kaum eine treffendere Studie des frommen und selbstgerechten Barmer Kaufmannsmilieus als dieses Bildnis des Muffendorfer Malers. 94 Die Familie von Eynern, Öl auf Leinwand, 1846, Stiftung Museum Kunstpalast Düsseldorf 95 Brustbilder und andere Bildnisse Neben den Innenraumporträts, die vor allem Schwingens Nachruhm begründeten, hat er bedeutende Bildnisse in traditioneller Konzeption gemalt. Immer wieder ist der Familienkreis im Bilde festgehalten. Neben dem Vater die Großmutter, die in kräftigen Pinselstrichen und durchaus moderner Auffassung an ähnliche Porträts Waldmüllers erinnert. Zu dieser Großmutter hatte der Maler bekanntlich ein sehr persönliches Verhältnis. Anlässlich ihrer Beerdigung 1849 war er zum letzten Mal in Godesberg. Das Bild des Vaters (1786-1856) ist schon 1837 entstanden. Überliefert ist es lediglich durch einen Bericht in der „Deutschen Reichs-Zeitung“ von 1926. Entsprechend wenig aussagekräftig ist die Abbildung. Auffällig sind lange Koteletten und eine ziemlich lange Nase. Seine erste junge Frau und deren Geschwister sind ebenso unter den Bildnissen vertreten, wie die zweite Frau Sophia Zecher (Abb. S. 15). Von den Kindern wurde der Sohn Hubert Philipp (Abb. S. 4) in einem kleinen Bildchen porträtiert. Es ist anzunehmen, dass Schwingen auch bei den Kinderbildern und den Genrebildern immer wieder auf die Modelle seiner eigenen Familie zurückgegriffen hat. So bleiben grundsätzlich die Übergänge fließend. In Schadows 1. Malklasse entsteht 1840 eine Kopie nach Schadow, das Bildnis der Prinzessin Wilhelmine Luise von Preußen (Abb. S. 53). Schadow hatte die Prinzessin um 1830 in Berlin gemalt. Walter Cohen kannte das Bild, aber nicht den Zusammenhang. Er vermutete einen Auftrag, weil er sich anders die Abweichung vom üblichen Stil Schwingens nicht erkären konnte.113 Es ist möglicherweise der Düsseldorfer Bankier Christian Gottfried Trinkaus, den Schwingen 1854 porträtierte (Abb. S. 39). Ein konventionelles Porträt, gekonnt gemalt und dadurch auffallend, dass der Abgebildete in der rechten Hand lässig eine Zigarre trägt. Ein Pendant zu diesem Bild stellt vermutlich Frau Trinkaus dar (Abb. S. 39). Zu den Düsseldorfer Porträts dürften auch zwei im Kunsthandel aufgetauchte Werke gehören, die als „Hofapotheker mit seiner Frau“ bezeichnet sind. Eine Legende rankt sich um die Bilder der Schwägerin von Peter Schwingen, Petronella Schmitz. Diese gebar am 30. Oktober 1852 einen unehelichen Sohn Emil Hubertus Pius Schmitz, später Friseur in Düsseldorf. Das in der 96 Familie verbreitete Gerücht verkündete eine Vaterschaft von Schwingens Freund Lachenwitz. Jedenfalls kannte dieser ebenso wie sein Freund Peter die junge Frau. Der Düsseldorfer Heimatforscher Dr. Schmitz-Porten, ein Enkel des Emil Schmitz,114 kommt allerdings zu der überraschenden These, auch Schwingen könne der Vater gewesen sein. Dafür sprechen die Porträts und dass ein Sohn Schwingens aus erster Ehe später als Trauzeuge bei der Heirat des Emil Schmitz aufgetreten ist. Allerdings war dieser ja auch als Vetter (und nicht nur als eventueller Halbbruder) ein geeigneter Kandidat für das Amt. Heute können wir dieses Geheimnis nicht mehr lüften. Die Daguerreotypie von W. Severin, die sich im Besitz des Friseurs Schmitz befand, hilft auch nicht weiter, da beide „Kandidaten“ abgebildet sind. Der Bruder der Petronella wurde ebenfalls porträtiert. Das Bild – heute im Kunstmuseum im Ehrenhof Düsseldorf – zeigt auch für diese frühe Zeit und in seiner fast naiven Auffassung die hohe Bildniskunst des jungen Malers. Sie wird durch die erst kürzlich wieder bekannt gewordenen Porträts aus dem Besitz der Familie Hieronymus Arbeiter (Bildnis einer Frau mit Haarschmuck, Bildnis eines älteren Mannes mit Fliege, Bildnis eines jüngeren Mannes, großes Frauenbildnis) eindrucksvoll bestätigt. Die Gemälde für Peter de Weerth und seine Familie nehmen einen bedeutenden Platz im Porträtschaffen des Malers ein. Über ihr Zustandekommen haben wir bereits berichtet.115 Die Bilder hatten sehr verschiedene Schicksale. Die Bildnisse von Friedrich August de Weerth (1804-1879) und seiner Frau Eleonore Mathilde Fauth (1800-1864) wurden 1989 bei Lempertz versteigert und sind heute in unbekanntem Privatbesitz in den USA. Ernst Eugen de Weerth (1807-1869) war der Zweitälteste der Söhne des Peter. Er war in erster Ehe mit Marie Konstanze Peill (1810-1840) verheiratet. Von dieser früh verstorbenen ersten Frau des Ernst Eugen ist das Foto eines Gemäldes überliefert, das nach der Art der Darstellung ebenfalls von Peter Schwingen gemalt wurde. Das Original war leider bisher nicht zu finden, ebenso wenig das Porträt des Ernst Eugen. Aus dieser Familie hat sich das Schwingen-Bild erhalten, das die Kinder von Ernst Eugen de Weerth aus zweiter Ehe darstellt (Abb. S. 83). Werner de Weerth (1809-1859) war ein Jahr vor seiner Schwester Emilie Elisabeth geboren worden. Er heiratete erst 1847 die wesentlich jüngere Anna Goldfuß (1826-1900) aus Bonn, Tochter eines Geologen der Universität. So wurde zunächst nur ein Porträt des Junggesellen angefertigt. Das Werk ist leider verschollen. Zwei weitere „Kinder“-Bilder 97 Frau Heseler, Öl auf Leinwand, 1855, StadtMuseum Bonn 98 sind noch heute im Privatbesitz. Sie zeigen Benjamin Friedrich Wichelhaus, den Schwiegersohn, und Emilie Elisabeth de Weerth (1810-1847).116 Benjamin Friedrich Wichelhaus war Bankier in Elberfeld und Sohn des Gründers der Bank Johann Peter Wichelhaus. Als 1847 Emilie Wichelhaus starb, beauftragte de Weerth Peter Schwingen, von dem Bild aus dem Jahre 1837 eine Kopie mit einer freundlicheren Miene anzufertigen. Er erinnerte sich an die Zeit vor zehn Jahren, als die ersten Bilder seiner neun Kinder entstanden. Am 8. Dezember 1848 war dieses Bild mit veränderter Kleidung und veränderten Haaren fertig. Auch dieses Bild ist verschollen. Es bleibt noch, das Ehepaar Bernhardine Juliane de Weerth (1813-1860) und Wilhelm von Eynern (1806-1880) zu erwähnen. Leider sind auch diese Porträts nicht überliefert, wurden aber zweifellos von Schwingen gemalt. In die Reihe dieser Elberfelder Porträts prominenter Ehepaare gehören auch die Bildnisse von Julius Bemberg und seiner Frau Karoline geborene Wülfing. Die Bilder ähneln in der Anlage den de Weerth-Porträts, sind aber wesentlich größeren Formats. Sie dürften in zeitlicher Nähe zu den de Weerth-Bildern entstanden sein. Karoline Wülfing war eine Tochter von Johann Friedrich Wülfing, dessen berühmtes Innenraumporträt wahrscheinlich aber erst nach diesen Porträts gemalt wurde. Genaue Datierungen sind nicht möglich. Das Porträt der Karoline ist im Original, das des Julius nur in einer Kopie117 erhalten. Julius und Karoline Bemberg wurden später auch von Alfred Rethel gemalt. Bei dem Bildnis des August ist das Vorbild Schwingen unverkennbar. Wahrscheinlich wurden beide Bilder erst nach dem Tode von August im Auftrage von Karoline gemalt. Schließlich ist aus Unterbarmen noch der Auftrag eines Bildes aus dem Jahre 1855 bekannt. Das Bild trägt die wesentlichen Merkmale der SchwingenPorträts der „Spätzeit“ wie routinierte Malweise, eine sachliche Darstellung ohne Beiwerk, bei den Damen fast immer Korallenschmuck als Halskette, Armband und/oder Ring. Spitzenbesatz am Kleid eher sparsam verteilt, das Gesicht ohne Schmeichelei, wenn wohl auch nicht gerade Hässlichkeit hervorkehrend. Die Darstellung ist zwar repräsentativ, aber keine Schaustellung wie bei manchen Bildnissen von Sohn. Ein Bild ohne besondere Inspiration, aber noch immer im oberen Qualitätsbereich der Düsseldorfer Porträtkunst. Dargestellt ist die Frau von Friedrich Wilhelm Heseler sen. Ihr Mann war 99 Besitzer einer Türkischrot-Färberei zunächst in Elberfeld an der Kluse, später in Barmen an der Haspeler Straße.118 Wenn hier auch wahrscheinlich keine Familienbeziehungen eine Rolle spielten, so ist doch festzuhalten, dass die Bembergs, die Wülfings und die Heselers aus der gleichen Branche kamen. Zu den späteren Bildern gehört auch das im Schwelmer Museum Haus Martberg ausgestellte Bildnis des Schwelmer Kaufmanns und Schlossfabrikanten Johann Daniel Bever (1790-1860), das erst 1857 entstand. Das Brustbild erinnert an Kolbe und demonstriert eine routinierte Malerei auf hohem Niveau. Die Firma war bereits 1809 in Elberfeld gegründet worden. 1820 nahm mit Daniel Bever als Teilhaber die Eisenhandlung Schaeffer & Bever in Schwelm ihre Tätigkeit auf, die sich 1843 mit der Elberfelder Gründung vereinigte und seitdem den Namen Bever & Klophaus trägt. Erst jetzt ging man von Handel zur eigenen Schlossfabrikation über. Bever war von 1836 bis 1860 auch Meister vom Stuhl der Schwelmer Freimaurer-Loge. Er war Mitglied des Frankfurter Vorparlaments (als Vertreter der Stadt Schwelm), das bereits in der Paulskirche tagte. 1861 entstand das ganzfigurige Bild eines preußischen Kadetten in Uniform. Es war mit Sicherheit eine Auftragsarbeit. Seit 1840 waren zwei Kompanien preußischer Kadetten im Bensberger Schloss untergebracht. Die Entfernung nach Düsseldorf war also überschaubar. Der jugendliche Kadett strahlt in seiner Uniform, die die Hauptattraktion des Porträts ausmacht. Hervorzuheben ist unter den konventionelleren Bildnissen noch „Die Dame mit Spitzenhäubchen” als Werk, in dem Schwingens Porträtkunst auch bei weniger origineller Auffassung einen besonderen Höhepunkt erreicht. Ob es sich bei diesem Bild um ein Porträt der Mutter von Eduard Bendemann handelt, bleibt als Frage. Als Walter Cohen am 2. Dezember 1931 im Weißen Saal der Bad Godesberger Redoute seinen Lichtbildervortrag hielt, stellt er als sechstes Bild das „Bildnis der Frau Bendemann“ vor. Die Bemerkungen in der stichwortartigen Mitschrift des Vortrages lauten: „Das schönste Werk Schwingens, hervorragende Darstellung des Kleides, Schmuck etc.“ Die „Dame mit dem Spitzenhäubchen“ gehörte zu den durch Söhn fotografierten Werken Schwingens und war also Cohen bekannt. Leider ist im gedruckten Text seines Vortrages das Bendemann-Bild nicht erwähnt. 100 Bildnis einer Dame mit Spitzenhäubchen (Fanny Eleonore Bendemann), nicht datiert, Verbleib unbekannt, Foto: Julius Söhn 101 Dorfbilder ohne und mit Sozialkritik Genrebilder im engeren Sinne bilden einen wesentlichen Teil des Schwingen’schen Oeuvre. Wir finden neben meist kleinformatigen eher romantischen und stillen Szenen wie „Versperzeit am Sonntage“ (1837), „Frau mit ihren Kindern im Torbogen“ (1838), „Die Winzerin“ und, „Besuch einer wohlhabenden Dame“ oder konventionellen und typisch Düsseldorfer Themen wie „Die Leserin“, „Der ertappte Liebesbrief“ (Skizze 1835, Gemälde 1836), „Die Wahrsagerin des 19. Jahrhunderts“ (1836, auch als Lithografie), „Das Dachstübchen“, „Die überraschte Leserin“ (1836) prachtvolle Inszenierungen dörflichen Lebens. Die „Vesperzeit am Sonntage“ Schwingens entsteht schon 1837. In der „guten Stube“ sitzen zwei Alte in sonntagnachmittäglicher Ruhe. Der Bohnenkaffee, den es wahrscheinlich nur sonntags gab, wird vorbereitet. Eine Dröppelminna wird ihn aufnehmen. Der Alte liest in einem großen Buch. Es könnte eine Bibel sein, was der Feier des Tages entsprechen würde. Ein typisches Sujet der Düsseldorfer. Das Werk wurde auch als Lithografie verbreitet. 1851 hat der Godesberger Maler Paul von Franken, der um diese Zeit in Düsseldorf lebte und 1849 Trauzeuge bei der zweiten Heirat Schwingens gewesen war, anscheinend eine Version des Bildes oder die danach gefertigte Lithografie gesehen. Er versucht sich an dem gleichen Thema. Seine „Häusliche Szene“ ist jedoch eine Karikatur. Die sonntägliche Ruhe der Alten, eindeutig in Anlehnung an Schwingen dargestellt, zu denen sich eine jüngere Familie mit zwei Kindern gesellt hat, wird durch hereinstürmende Hunde gestört. Die Hunde gehören einem Jäger, der in der Haustür mit einem Mädchen schäkert und das angerichtete Unheil nicht zur Kenntnis nimmt. Die Hauskatze flüchtet fauchend auf die Schulter der Alten. Die Kaffeemühle fällt zu Boden. Die kostbaren Kaffeebohnen werden im Zimmer zerstreut. Ein grün glasierter tönerner Krug geht zu Bruch. Mit einem hölzernen Löffel versucht die Frau, sich eines Hundes zu erwehren. Der Alte bedeckt erschreckt seinen Folianten mit den Händen, um ihn zu schützen. Die Kinder blicken entsetzt auf das Geschehen. Mit dem Bild wollte sich Franken wohl von der Düsseldorfer Genremalerei verabschieden.119 Oder war es ein originelles „Freundschaftsbild“? 102 Besuch einer wohlhabenden Dame, Öl auf Leinwand, um 1846, Dr. Axe-Stiftung 103 1839 ist Schwingen mit einem Bildchen des ländlich-bäuerlichen Typs auf der ersten Ausstellung des Kölnischen Kunstvereins vertreten. Ernst Weyden schreibt in der Kölnischen Zeitung: „Ein gut durchgeführtes und vielen Fleiß verrathendes Bildchen ist die Spinnerin120 von Schwingen in Düsseldorf, wie denn überhaupt was die Erfindung betrifft, die meisten deutschen Genrebilder an Gediegenheit des Gedankens vor vielen belgischen den Vorzug verdienen und wir ihnen unbedingt den Preis zuerkennen würden, wenn sie nur alle mit jener Meisterschaft und Frische gemalt wären, durch welche die flämische Schule vorzüglich fesselt.“ 121 Gleichzeitig malte Schwingen eine „Ländliche Szene“, die einen Jäger und ein Mädchen am Brunnen darstellt. Der Brunnen ist ein anscheinend nur von außen zugänglicher Hausbrunnen. Das dazu gehörende Haus mit Außentreppe macht nicht gerade einen gepflegten Eindruck. Ein Schild über der Tür lässt auf ein Geschäft oder ein Wirtshaus schließen. Will der Jäger nur mit dem Mädchen schäkern, will er Jagdbeute verkaufen oder nach der Jagd im Wirtshaus seinen Durst löschen? Die Fortsetzung muss unsere Fantasie hinzufügen. Ähnliches ist von einem anderen Mädchen zu sagen. Das nicht datierte, mittelgroße Bild zeigt wieder ein „Mädchen am Brunnen“ (Abb. S. 20). Der Brunnen ist diesmal als ein dauernd laufender Quellbrunnen dargestellt. Ein Tuch am Brunnenrand lässt auch hier auf häusliche Nähe schließen. Das Mädchen macht aber keinerlei Anstalten seinen Krug, der auf der Erde steht, mit Wasser zu füllen. Mit schönen Augen und dem Zeigefinger an den Lippen blickt es auf einen für uns unsichtbaren herbeikommenden jungen Mann, dem ihr Interesse gilt und mit dem sie sich wahrscheinlich am Brunnen verabredet hat. Dorfbrunnen waren immer beliebte Treffpunkte der jungen Leute, zumal das Wasserholen immer eine harmlose Ausrede der Mädchen darstellte, das Haus mehrmals täglich ziemlich unkontrolliert zu verlassen. Vom Wein Muffendorf war ein Winzerdorf, ja ist es mit einigen privaten Weingärten noch heute. Wein will getrunken sein. Schon 1839, Schwingen war 26 Jahre alt, hat er in großem Format eine „Winzerin“ auf der Düsseldorfer Kunstausstellung präsentiert. Diese Fassung ist verschollen. Erhalten ist aber eine Vorstudie (Abb. S. 40), die sich noch heute in Familienbesitz der Nachfahren Peter Schwingens befindet. Die Winzerin, in der wir getrost eine der Töchter 104 Schmitz aus Düsseldorf vermuten dürfen, zeigt die roten Trauben vor, die sie einer Kütze entnommen hat. Der Wein ist offenbar gut geraten und ein schmackhafter Tropfen ist zu erwarten. Weinlaub umrankt Fachwerkgebälk. Für die Winzer war der Verkauf des Weins entscheidend, war er doch oft die einzige Möglichkeit, etwas Bargeld ins Haus zu bringen. So wundert es nicht, dass 1841 die erste „Weinprobe“ entstand. Der Titel legt eine fröhliche Männerrunde in der bekannten Art Hasenclevers nahe. Bei Schwingen ist das aber anders. Er stellt Verkaufsverhandlungen eines Muffendorfer Winzers dar. Füssli beschrieb 1843 das Bild wie folgt: „Der Fuhrmann versucht das Getränk, man spricht über Qualität. Auf der Treppe des in malerischer Holzkonstruktion gebauten Hauses beobachten weibliche Hausgenossen und Kinder des Bauern, was unten vorgeht. Die Tochter mit dem Milchbecken an der Hand, eine graziöse Figur, die Kinder muntere Wesen. Im Ganzen viel Bewegung, nirgends Leerheit, nirgends Überladung, alle Teile mit Sorgfalt ausgeführt.“ 122 Die Vermarktung war schon seit dem Anfang der 1830er Jahre das Hauptproblem der kleineren und mittleren Winzer an Mosel, Ahr und Rhein. Der Zollverein Preußens mit Hessen und der Pfalz erleichterte die Konkurrenz der südwestdeutschen Weine. Die Not der Winzer war es denn auch, durch die Kinkel, Marx und andere erstmals näher mit den sozialen Problemen ihrer Zeit und ihrer Heimat konfrontiert wurden. 1843 schrieb Georg Weerth das Gedicht „Der Wein ist nicht geraten“. Das Thema blieb aktuell. Schon 1842 war die erste Fassung des Bildes verkauft worden. Schwingen hat dann wohl weitere Fassungen gemalt, jedenfalls wird eine Weinprobe 1847 bei Tonger in Köln ausgestellt. Das vermutlich 1852/53 entstandene Bild „Die Weinlaube” ist ebenfalls Genrebild und Innenraumporträt des Düsseldorfer Hoteliers Stelzmann zugleich. Der Innenraum ist freilich in eine Weinlaube verwandelt. Stelzmann verkostet aus einem Glas auf seinem Weingut in Oberwesel den neuen roten Wein, den ihm der Kellermeister gereicht hat. Seinen Sohn Joseph hat er mitgenommen. Stolz posiert dieser mit Strohhut auf einem Weinfässchen. Links im Bild eine offene Tür und ein tanzendes Paar. Den Hotelier und seine Frau hat Schwingen auch in Brustbildern porträtiert. Der Kellermeister taucht auch 1853 in einem ähnlichen Genrebild, genannt „Die Weinprobe“, auf. Er ist nun in die Rolle des Winzers geschlüpft, der einem Weinhändler, oder ist es wieder der Hotelier, seinen Wein zur 105 Weinprobe (Der neue Wein), Öl auf Leinwand, 1853, Privatbesitz Probe anbietet. Eine Frau mit einem Kleinkind auf dem Arm schaut aus dem Hintergrund interessiert zu. Was würde wohl herauskommen? Der Sohn des Händlers sitzt nicht mehr auf einem kleinen Fass, sondern schaut ohne Hut interessiert zu und fragt sich, wie der Wein aus einem Steinzeugbecher genossen wohl schmecken mag. Die Kelter und die Mädchen, die dort den Wein ausgießen, sind aus der Stelzmann-Fassung bekannt, haben aber zum Teil die Kleider gewechselt. Ein junger Mann, der ein Mädchen von hinten umgreift, ist in der Weinprobe deutlicher zu erkennen. Links wird die Szene belebt durch ein weiteres tanzendes Paar und einen Mann, der durch die Tür hereintritt. Auf der Schulter trägt er einen Korb wohl mit Trauben. Die Verwandtschaft beider Bilder ist so stark, dass wir die „Weinprobe“ vielleicht auch als Innenraumporträt bezeichnen würden, wenn wir den dort sitzende Händler identifizieren könnten. Welches der beiden Bilder zuerst entstanden ist, lässt sich nicht ermitteln. 106 Im Dorf ist was los! 1842 bis 1844 – Schwingen ist Schüler der 1. Klasse der Akademie – entstehen in dichter Folge, „Der Lotteriejude“, „Das große Los“, „Der Schmaus nach Gewinn des großen Loses“ (Abb. S. 24) und das „Preisschießen um ein fettes Schwein“. Das Ganze ist eine figurenreiche Dorfgeschichte. Mit den Preußen kam auch die Preußische Klassenlotterie ins Rheinland. Der jüdische Viehhändler (in Muffendorf gab es mehrere) ist auch gleichzeitig Losverschleißer. Er überredet den Schmied und seine skeptische Frau, ein Los zu kaufen.123 Das Wunder geschieht, das Los gewinnt. Vor Überraschung hat der Schmied den Hammer auf die Erde fallen lassen. Der Losverkäufer erscheint persönlich, um den Gewinn zu überbringen: Ein Junge trägt einen prall gefüllten Geldsack. Die Sache spricht sich herum, ein Fest ist fällig. Das halbe Dorf ist anwesend.124 Gottfried Kinkel, der den Muffendorfer Maler wahrscheinlich auch persönlich kannte, schrieb in der Augsburger „Allgemeinen Zeitung“: „Höchst lustig ist auch Schwingens (aus Godesberg), Schmaus nach dem Gewinn des großen Looses‘, gleichsam die Fortsetzung der beiden sehr artigen Lotteriebilder, welche wir im vorigen Jahr in Köln sahen. Man sieht, die Leute waren arm, aus allen möglichen Formen von Gläsern trinken sie, wie sich alter Hausrath im Lauf der Jahre bei ihnen angesammelt, aber der glückliche Bauer hat sich einen braunen Frack mit langen Schößen eigens auf den Leib machen lassen, um die Honoratioren des Örtchens ehrbar zu Gast bitten zu können. Eben tritt sein Bruder im blauen Kittel mit seiner Familie ein, der das Glück noch nicht begreifen kann und weit durch den Schnee hergelaufen ist, um sich zu überzeugen. Der Reiche empfängt die armen Verwandten so herzlich – gewiss, er ist ein herzensguter Mann und wird‘s bleiben und sein Geld gut anwenden.” 125 Das „Kunstblatt“ berichtete über die Münchner Ausstellung 1845: „Schwingen in Düsseldorf hat ein gelungenes heiteres Bild ‚Der Schmaus nach dem Gewinn des großen Loses‘ geliefert.“ 126 Diese Serie der Dorfbilder gruppiert sich um eine Schmiede, wie sie in der heutigen Muffendorfer Hauptstraße nicht weit vom Haus der Schwingens zu finden war. Immer wieder hat der Maler auf den Schmied und die Schmiede mit dem flackernden Feuer zurückgegriffen, nachdem sie schon im „Martinsabend“ erfolgreich aufgetreten war. 1849 versucht er noch einmal, an die Erfolge dieser Serie anzuknüpfen. Das Bild „Der Zahnarzt“, zunächst in Düsseldorf ausgestellt, findet in der Kritik keine begeisterte Aufnahme. Der Rezensent der „Kölnischen Zeitung“ schreibt: „Die Scene spielt in einer Schmiede. 107 Der Unglückliche, welcher operiert wird, hängt an einem Faden, welcher um den Zahn gewickelt ist, an einer Kette, die wiederum am Amboss ihre Befestigung findet. Ein Knecht zieht die Bälge und der Schmied holt ein glühendes Eisen aus der Esse und fährt damit nach dem Munde des Patienten, welcher dann wohl so kräftig zurückzieht, dass der Zahn weichen muss. Eine seltsame Art der Operation, welche in den Handbüchern nicht vorkommt und auf den Universitäten nicht gelehrt wird! Aesthetisch ist die Darstellung gerade nicht, aber man muss doch dabei lachen und es gibt eine Art von Kunstfreunden, die diesen Genuss suchen.“ 127 Allerlei Praktiken des Zähneziehens waren in den rheinischen Dörfern bis ins 20. Jahrhundert hinein geläufig. So wird Schwingen die Szene nicht frei erfunden, sondern aus seinem Muffendorfer Erfahrungsschatz entwickelt haben. In der Schmiede, Öl auf Leinwand, 1862, Privatbesitz Noch 1862 greift Schwingen wieder auf die Schmiede zurück. Diesmal sehen wir den Schmied am Amboss und ein junges Mädchen, das gekommen ist, um seine Sichel schärfen zu lassen. Der Schmied interessiert sich aber weniger für die Arbeit als für die weiblichen Reize der jungen Kundin. Er übersieht dabei, dass seine Frau ihn durch das Fenster von außen beobachtet. Da wird er wenig zu lachen haben, wenn er nach Hause kommt. 108 Im Dorf ist Schützenfest angesagt. Wir treffen einige Dorfbewohner wieder beim „Preisschießen um ein fettes Schwein“ (Abb. S. 128 und S. 147). Schwingen hat auch diese heitere Dorfszene gleich doppelt gemalt, eine größere Fassung für die Ausstellungen und eine kleine für den hoffentlich bald eintreffenden Käufer. Wieder sind Nachbarn und Freunde aufgeboten. Diesmal steht im Mittelpunkt in der schon bekannten Gewinnerpose der Schützenkönig, dem als Preis ein fettes Schwein winkt, das schon von einem Jungen herangeführt wird. Der Durchblick gibt eine rheinische Landschaft mit Kirche und Rhein als Hintergrund frei. Wir kennen sie aus anderen Bildern, z. B. der Frau mit ihren Kindern im Torbogen. Wolfgang Müller von Königswinter schrieb in der „Kölnischen Zeitung“ zu dem in Düsseldorf 1844 ausgestellten Bild „Preisschießen um ein fettes Schwein“: „Das Preisschießen um ein fettes Schwein entbehrt des Humors, welchen dieser Künstler gewöhnlich seinen Bildern zu geben weiß, aber es ist auch freier von der wenig edlen Auffassung der Gegenstände, welche ihnen in gleicher Weise eigen zu sein pflegt“.128 Wir erkennen deutlich den Unterschied in Ton und Urteil gegenüber Kinkel. Die mosernden Stellungnahmen Wolfgang Müllers haben dann lange Jahre das Urteil über Schwingens Werke geprägt. Alle diese und andere Szenen, einige sind leider verschollen wie „Der Besuch des reichen Oheims” und „Die geizige Bauersfrau“, beruhen auf der genauen Beobachtung der dörflichen Welt, sie sind Berichterstattung, Realismus nicht als Stil, sondern als Inhalt. Die Themen sind der Erfahrung des jugendlichen Künstlers im heimischen Muffendorf entnommen und gewinnen dadurch eine in der Genremalerei der Düsseldorfer Akademie seltene Authentizität. Der Titel „Besuch des reichen Oheims“, wirft bereits ein Schlaglicht auf die sozialen Verhältnisse − wie ja auch „Das große Los“, „Die geizige Bauersfrau“ und der „Schmaus nach Gewinn des großen Loses“ das Thema Arm und Reich ansprechen. Für Schwingen mussten die sozialen Themen nicht modern werden, es war seine Welt, die er malte. Freilich, mit dem Herannahen der Jahrhundertmitte werden die Darstellungen kritischer. „Die Pfändung“ und „Das nicht versteuerte Brot“ erregen Aufsehen. Für diese Bilder unseres Malers gilt, dass sie eine sozialkritische und politische Interpretation zulassen, aber nicht aufzwingen. Schwingen ist kein Tendenzmaler in dem Sinne, dass ohne die politische Aussage das Werk seinen Wert einbüßt. Im Vergleich mit dem Gesamtwerk ist die Zahl dieser Bilder gering. Sie haben aber zu Recht die Stellung des Malers in der Kunstgeschichte nachhaltig geprägt. 109 Die Pfändung, Öl auf Leinwand, 1845, Stiftung Museum Kunstpalast Düsseldorf Mit der Pfändung gelang Schwingen ein Klassiker. Kinkel sah das Bild 1845 in der Ausstellung des Kölnischen Kunstvereins und schrieb: „Nach der Seite des ideenvollen Genres sehen wir nun mehrere Bilder unserer Ausstellung auf einem neuen Wege, den im vorigen Jahre Karl Hübner mit seinen schlesischen Webern zuerst betrat. Diesmal gehören dahin desselben Malers Jagdrecht und Forstrecht und Schwingens Pfändung und in gewissem Maße auch Richters Flucht vor der Wassernot. Es ist in diesen Werken die Saite angeschlagen, die eben jetzt in allen Herzen bang oder fröhlich, aber immer laut wiedertönt; es ist die Not des Proletariats gegenüber der Härte der Besitzenden und des Gesetzes oder gegenüber den zwingenden Notwendigkeiten der Natur. Aus der milden Idylle springt somit das Genre in das lebhafteste geschichtliche Interesse um; ein Neues unserer Zeit Entsprechendes ist hier gefunden, wie es früher nur entfernt von den Malern des niederländisch-spanischen und des Dreißigjährigen Krieges in grässlichen Plünderungs-Scenen versucht worden ist, und diese Neuheit hat denn auch jenen Bildern alsbald die heißeste Teilnahme zugewendet. Düsseldorf behauptet das Verdienst 110 dieses großen Fundes, obwohl selbst Hübner anfänglich durch fremden Rath auf jenen schlesischen Stoff gestoßen worden ist; auch erinnere ich mich, schon 1837 im Museum in Lyon ein derartiges socialistisches Bild von einem jungen französischen Künstler gesehen zu haben, das der Schwingen’schen Pfändung im Stoffe nahe verwandt war. Mit Liebe und Bewusstsein scheinen jetzt nur Düsseldorfer diese Richtung zu pflegen, welche leicht eine große Zukunft gewinnen möchte. Auch in technischer Hinsicht, wie denn stets ein tüchtiger Gehalt zugleich Auffassung und Malweise hebt, zählen wir übrigens diese Stücke getrost zu den erfreulichsten der ganzen Ausstellung.“ 129 In der Einzelbesprechung der Bilder fährt Kinkel fort: „Die Pfändung von Peter Schwingen. Das derbe Talent des noch jungen Malers, der in rastloser Anstrengung und Aufopferung das Recht erkaufte, den Pflug mit dem Malstock zu vertauschen, tritt hier schon viel tüchtiger und geschlossener hervor als in seinen früheren lustigen Lottrieloosbildern. Schwingen stammt selbst aus dem Volke, das kommt ihm in seinem Fache zu Gut; er hat weniger Poesie als Hübner, aber an deren Stelle ein scharfes Auge für die barocke Prosa des Volksthums. Hier sehen wir einen feisten, und wie ein rheinischer Küfer sagen würde, weingrünen Herrn, der von einem gehorsamen Huissier bei einem armen Schuster das Pfändungsprotokoll anfertigen lässt. Der Ofen ist schon abgebrochen, das beste Hausgeräth in einem Korbe zusammengeschleppt. Der Mann gibt die Hoffnung auf, den Gläubiger zu rühren, der mit richtigem Griff nicht als ein leibhaftiger Satan, sondern als ein platter Bonvivant gefasst ist. Aber die Frauen lassen noch nicht ab. Das jugendliche Weib des Gepfändeten liegt händeringend zu Füßen des Peinigers, die alte Mutter aber deutet noch viel wirksamer auf das kleinste Enkelkind, das sie im Arme hält. Alle diese Figuren sind saftig gemalt, lebhaft und mit scharfer Naturtreue gefasst, dabei aber würdig und so edel, als das Volksstück eben gestattet; nur der große Junge vorn, mit dem schreiend weit geöffneten Maul, der mit sehr empfindlicher Derbheit den Kopf gegen die Brüste der Mutter quetscht, ist bäurisch und unter der Schönheitslinie; hinten links in der Werkstatt sieht man dann neben einem weinenden Mädchen den Gesellen wütend die Ahle erheben; rechts aber erscheinen zwei Gestalten, über die Streit ist. Sind’s bloße Helfer beim Pfänden, warum flüstern sie dann? Gehören sie nicht vielmehr der Familie an und suchen nur den Ofen als das beste Mobiliarstück flink auf die Seite zu schaffen? Hier müsste der Maler deutlicher sein. Errate ich seine Intention, so hat er das Letztere gewollt, und es ist dann in dieser Selbsthülfe der Armut wider das Gesetz eine halbwegs versöhnende Episode einflochten. Auf keinen Fall möchte ich im Fell des feisten Herrn stecken – wenn ihm einmal diese Beiden da links und rechts zu Nacht begegnen, 111 wird der Gesell sicher mit derselben Exstase, wie jetzt den Pfriemen, seinen Prügel schwingen und der Bursch in der Militärhose ihm eben so kaltblütig secundieren, wie er jetzt den Ofen wegschleppt. Denn das ganze Bild hat sein Ende nicht in sich, es spinnt sich gewiss noch novellistisch weiter – und dies Novellistische hat seine Bedeutung auch noch für ganz andere Leute als diesen dicken Herrn.“ 130 Kinkels Auffassung war, dass die Genremalerei zwar Not, Jammer und Leid schildern müsse, andererseits dabei den Ausdruck des Hässlichen, der Zerrissenheit, d. h. des im Sinne Kinkels Unästhetischen, zu vermeiden habe.131 Die Darstellung des sozialen Elends sei so anzulegen, dass neben Trauer, Verbitterung und Verzweiflung die baldige Aussicht auf eine Umkehr deutlich erkennbar werde. Das Genrebild müsse insofern den Charakter einer reinen Momentaufnahme überwinden und den Betrachter zum Weiterspinnen der Geschichte ermuntern, dessen „novellistisches Interesse“ wecken. Genau dieses hat Kinkel in der Besprechung der Pfändung versucht. Aus dem Bild heraus lässt sich aber kaum erkennen, dass der reiche Gläubiger und möglicherweise auch andere demnächst in dunkler Nacht die Prügel der Gesellen des Gepfändeten zu spüren haben werden. Man könnte diese „Novelle“ als eine Aufforderung zur Revolution interpretieren. Zu einer weiteren Ausstellungsbesprechung von Kinkel in der „Kölnischen Zeitung“ kam es vielleicht auch deshalb nicht. Die Erste war wohl auch allzu lang geraten. Außerdem soll es mancherlei Beschwerden gegeben haben, von Künstlern, die sich abqualifiziert oder gar nicht behandelt fühlten. Kinkel führt diese Kritiken und die Kölner Intrige als Grund dafür an, dass er im folgenden Jahr nicht wieder beauftragt wurde, sondern „ein geborener Belgier“ den Auftrag erhielt.132 Entweder wusste Kinkel tatsächlich nicht, dass die nächstjährige Rezension der Kölner Ausstellung von seinem Quasi-Landsmann Wolfgang Müller von Königswinter geschrieben wurde, oder er wollte diesem wegen der gewählten Anonymität mit der Bezeichnung „geborener Belgier“ eins auswischen. Schwingen packte mit der Pfändung ein europäisches Thema an. Der junge Maler stellte sich in eine Reihe bedeutender Darsteller des gleichen Sachverhalts. David Wilkie, wichtiger Anreger der deutschen Genremalerei, hatte den Stoff zuerst aufgegriffen. Seine Arbeit wurde 1828 durch einen Stich von A. Raimbach in Deutschland bekannt. Müller von Königswinter wies 112 Hasenclever auf das Thema hin. Nicht dieser, wohl aber sein Freund Schwingen sprach darauf an. Carl Wilhelm Hübner griff es, nach Schwingens Erfolg, erst 1848 auf und gab ihm dann noch einen ziemlich versöhnlichen Akzent. Danhauser, Fendi und Waldmüller malten eine Pfändung. Schwingen war sich offenbar des mit dem Thema erhobenen Anspruchs bewusst. Er wählte ein großes Format. Zuerst stellte er das Opus wie üblich in Düsseldorf aus. Dann ging es nach Köln und dort kam es 1845 zum Verkauf an privat für 400 Taler.133 Das war zwar kein Spitzenpreis, aber immerhin weit über dem Durchschnitt der Düsseldorfer Genremaler. Sofort musste eine zweite Fassung gemalt werden. Als Schwingen diese etwas kleinere Fassung im Sommer 1847 in Lübeck ausstellt, fordert er einen Preis von 90 Friedrich d‘Or (450 Taler). Der Kunstverein für die Rheinlande und Westfalen stellt 1845 die erste Fassung und 1848 die zweite Fassung in Düsseldorf aus. Obwohl dieses Bild die typischen Merkmale Düsseldorfer Genrebilder aufweist wie schmale Vorderbühne, expressive Gestik, theaterhafte Szenerie und Lichtführung der „lebenden Bilder“, ist das Opus ein Meisterwerk, das nicht nur im Werke Schwingens, sondern auch in der kritischen Genremalerei der Zeit eines Spitzenplatzes würdig ist. Das Pathos der Darstellung ist nicht aufgesetzt, sondern der Bedeutung des drohenden Existenzverlustes für drei Generationen der Handwerkerfamilie angemessen. Es mag Zufall sein, dass allein die Mutter und die Frau des Schusters durch Kniefall und inständiges Bitten das Unabänderliche abzuwenden suchen. Wir finden allerdings immer wieder auf den Genrebildern Schwingens die Mutter mit ihren Kindern in wichtiger oder dominierender Stellung (Martinsabend, Frau mit Kind im Torbogen, Der Lotteriejude, Das große Los), freilich nicht auf den Barrikaden wie beim zeitgenössischen Delacroix. Der reiche Bürger, der selbst erschienen ist, um die Pfändung zu überwachen, lässt sich freilich durch das Flehen der Frau nicht beeinflussen. Die eindruckvolle Gesamtkomposition wird durch die liebevolle Ausstattung des Bildes mit den Details der dörflichen Wohnstube (einige kennen wir von anderen Bildern, auch von Henry Ritter, aus der ständigen Requisitenkammer der Düsseldorfer Ateliers) nicht erdrückt oder abgeschwächt. Das Bild zeichnet sich durch freudige Farbigkeit aus, die gerade weil sie im Gegensatz zum dargestellten Ereignis steht, Aufmerksamkeit erregt. Obwohl Schwingen auf das Werkstatt-Butzenscheibenfenster nicht verzichtet – wie beim Mar- 113 tinsabend als Durchblick links – kommt diesmal das Hauptlicht von vorn und erhellt scheinwerferartig die Szene, deren Dramatik damit steigernd. Wie Hasenclever gelingt Schwingen eine virtuose Darstellung der verschiedenen Seelenstimmungen der Beteiligten. Schwingen stellt sich mit diesem Bild eindrucksvoll in die Spitzengruppe der sozialkritischen Künstler der Düsseldorfer Schule. Henry Ritter malt im gleichen Jahr (1845) ein Bild, das in vieler Hinsicht als eine Art Parodie der Pfändung Schwingens gesehen werden kann. Er knüpft gleichzeitig an die Atelierszene mehrerer Düsseldorfer Künstler (Hasenclever u. a. 1836) an. Der Hausherr erscheint im Atelier und fordert den Mietzins ein. Haltung und rote Wangen erinnern stark an den Gläubiger bei Schwingen. Freilich, bei den Künstlern ist nun rein gar nichts zu holen! Leere Weinflaschen zeugen vom Verbleib der Moneten. Jetzt trinkt man Kaffee, raucht und singt ein Lied zu (Schwingens?) Gitarre. Kostüme von Künstlerfesten liegen umher. Zwei Helfer – wie in Schwingens Bild – oder weitere Gläubiger sehen das Sinnlose des Tuns ein und wenden sich zum Gehen. Auf der Treppe eine Frau mit Häubchen, die wir aus der Atelierszene kennen. Auch manche Requisiten erinnern an Bilder Schwingens. Eine schlüssige Erklärung dafür gibt es nicht. Die drei Künstler sind blond und rothaarig, wie es scheint keine Porträts, wohl aber Karikaturen bekannter Maler. Da sie alle noch kostümiert von einem Umzug oder Kostümfest kommen, könnten sie auch Perücken tragen. Schwingens aktive Mitgliedschaft im „Allgemeinen Verein der Carnevalsfreunde“ mag hier erwähnt werden. Auch Ritter arbeitete 1845 mit den Carnevalsfreunden zusammen und entwarf für sie ein Ehrendiplom unter dem Motto „Durch!“134 Im Text hieß es: „Auch wir gehören zu den Hoffenden und Vertrauenden; auch wir flüchten unter den Schutz der bunten Kappe; und bergen in der Narrheit die Hoffnung auf das Licht.“ Wir wissen aber letzten Endes nicht, welche Beziehungen es zwischen Schwingen und Ritter gab. Immerhin, das Bild zeigt, dass sie sehr wahrscheinlich bestanden haben.135 Ein weiteres sozialkritisches Bild aus dieser Zeit hat die Mahl- und Schlachtsteuer zum Gegenstand. „Das nicht versteuerte Brot“ von 1846 ist leider wie so manches andere aus dem Oeuvre Schwingens verschollen. Müller von Königswinter hat das Bild auf der Kölner Ausstellung von 1846 gesehen. Er beschreibt es in seinem Buch wie folgt: „Seine letzten Bilder sind dagegen sozialer Natur. Hierher gehört zunächst das nicht verzollte Brod [!]. Dasselbe ist eine derbe Satyre auf die Schlacht- und Mahlsteuer. Wir sehen nämlich in das Thor einer 114 Stadt. Steueraufseher greifen mit brutalem Ausdrucke ein armes Bettelkind auf, das einen Laib Brot für die Familie vorbei trägt, während Jäger, die sich Rehe nachschleppen lassen und die überdies von Wild strotzenden Taschen umgehängt haben, unbefangen und ungehindert, sogar salutiert von den Dienern des Gesetzes vorbeiziehen. Ob sich dieser Gegenstand nicht besser für die Caricatur eignet, will ich nicht untersuchen.“ 136 Das Bild wurde 1846 in Düsseldorf und in Köln auf den Ausstellungen der jeweiligen Kunstvereine gezeigt. In Köln hat es wahrscheinlich den Maler Wilhelm Kleinenbroich angeregt, sich an dem gleichen Thema zu versuchen.137 Auch bei ihm sehen wir die verfolgte Armut und die reiche Jagdgesellschaft. In diesen Jahren arbeitet Schwingen anscheinend − allerdings im Einzelnen nicht nachweisbar − als Illustrator an den Düsseldorfer Monatheften mit. Hier finden wir die karikierende Wunschvorstellung der Künstler (von W. Camphausen) zu diesem Thema mit einem schlafenden Zöllner und dick bepackten Hausfrauen und Schmugglern, die die offene Schranke durchschreiten. Kaum ein Thema interessierte die einfachen Menschen und den Mittelstand mehr als diese als ungerecht empfundene Steuer. An ihrem Aufkommen waren die Kommunen zu 40, später zu 50 % beteiligt, was ihre einfache Abschaffung besonders erschwerte. Schwingen kannte die negativen Folgen der Steuer aus der Sicht des Bauern, der seine Erzeugnisse in der Stadt verkaufen will. In Bonn z. B. wurde die Steuer am Koblenzer Tor erhoben. Wilhelm Kleinenbroich hat, wie bereits erwähnt, das Bild Schwingens, das 1846 in Düsseldorf und Köln ausgestellt wurde, gekannt. Er griff das Thema auf. Sein „viel diskutiertes Bild“ wurde ein großer publizistischer Erfolg. Wir kennen zwar die Reaktion auf die Arbeit Schwingens nicht, man kann aber unterstellen, dass auch er mit diesem Thema ebenso wie mit der Pfändung überregionales Aufsehen erregt hat. Das Bild wurde z. B. 1847 gleichzeitig mit der „Pfändung“ in Breslau gezeigt.138 Damaliger Eigentümer dieser Pfändung war der mit Ferdinand Lassalle seit der gemeinsamen Schulzeit befreundete Baron Hubert von Stücker. Das folgende Jahr 1847 ist das Jahr besserer Ernten, sinkender Getreide- und Brotpreise und der sich deutlicher abzeichnenden revolutionären Entwicklung in Deutschland. Noch im April hatte allerdings auch der Gemeinderat 115 in Muffendorf als eine Notstandsmaßnahme verbilligten Roggen von der Bezirksregierung übernommen, um ihn an die Bürger weiter zu verkaufen.139 1841 hatte Hoffmann von Fallersleben in den „Unpolitischen Liedern“ geschrieben: Verspottet nur den Vetter Michel! Er pflügt und sät: Einst sprießt die Saat, die keine Sichel der löblichen Zensur ihm mäht.140 In einem im Vormärz (1847) entstandenen Bild scheint Schwingen das Ökonomische und das Politische dieser Verse miteinander verbunden zu haben. Das bisher unbekannte Bild tauchte Anfang 1997 in der Düsseldorfer Galerie Wilhelm Körs aus Privatbesitz auf. Sein Titel: „Die Heimkehr vom Felde“ oder, wie es wahrscheinlich ursprünglich hieß, „Die Not ist vorüber“. Beim Versuch einer Annäherung an das Werk ist man zunächst etwas befremdet, weiß aber nicht warum. Im Bild einige bekannte Figuren aus den früheren Arbeiten Schwingens: die Großmutter aus der „Pfändung“, die junge Frau mit zwei Kindern aus „Frau mit ihren Kindern im Torbogen“. Herein in die enge Stube aber tritt ein Unbekannter. Ein junger Gott, möchte man sagen. In pathetischer Geste hält er einige abgeschnittene Ähren hoch wie die Fackel einer Freiheitsstatue. In der linken Hand eine Sichel. Die anderen Personen himmeln ihn an. Nur das Baby schläft. So kommt man nicht vom Felde heim! Die bäuerliche Familie ist ja über den Stand der Feldfrucht normalerweise gut unterrichtet, zu triumphaler Gebärde also wenig Anlass. Das wusste auch der Muffendorfer. Im Herbst 1847 soll die Ernte auf den Feldern allerdings auch dort besser als vorher ausgefallen sein. Falsches, typisches Pathos der Düsseldorfer Malerschule? Ähnliche Posen kennen wir aus Schwingens Bildern „Schmaus nach Gewinn des großen Loses“ und „Preisschießen um ein fettes Schwein“, aus Hasenclevers „Arbeiter vor dem Stadtrat“, aus Hübners „Die schlesischen Weber“. Hat der Maler hier einfach einen beliebten Stereotyp in eine nicht adäquate Situation übertragen? Auf den bisher bekannten Bildern Schwingens ist das Pathos nicht aufgesetzt, passt ins Bild. Hier auch? Ja dann, wenn man sich zu einer extensiveren Interpretation entschließt. Sie beruht u. a. auf der Annahme, dass Schwingen ein guter Maler war, der ein falsches Pathos im Bild nicht zugelassen hätte. Was also könnte das Bild sagen wollen? 116 Heimkehr vom Felde (Die Not ist vorüber), Öl auf Leinwand, 1862, Privatbesitz Der bis dato in Schwingens Bildern unbekannte Jüngling trägt die Zipfelmütze der Bauern und die Kniebundhose des Deutschen Michel. Eine typische Bekleidung der Muffendorfer, zumal wenn sie vom Felde kommen, ist das nicht. Nun, der junge Bauer kommt zwar vom Felde, aber Schwingen könnte eher das politische Feld als den heimischen Acker gemeint haben. Haben der Maler und seine Freunde Texte von Hoffmann von Fallersleben gesungen? Hoffmann gehörte mit zu den Autoren des Liederbuches des Allgemeinen Vereins „Schellenklänge“. Es gab noch viele andere Lieder ähnlicher Tendenz, in denen der beliebte Reim Michel/Sichel dominierte. 117 Von Schwingen gibt es keine Memoiren oder Briefe. Sein Medium sind die Bilder. 1847 erntet er, so scheint es. Er ist auf der Höhe seines Schaffens und auch finanziell wahrscheinlich nicht schlecht gestellt. Er selbst ist ein Bauernsohn, der mit und durch die Kunst den sozialen Aufstieg, die Freiheit, und sei es nur die des Künstlers, erstrebt. Schwingen könnte sich selbst als den erwachten deutschen Michel gesehen haben. An Selbstbewusstsein mangelte es ihm bekanntlich nicht. Selten klingen in der „Michel“-Literatur und Karikatur damals schon soziale Töne an. Der Maler lässt zumindest diesen Aspekt mit aufleuchten. Für ihn ist der deutsche Michel auch der Bauer, dem es besser geht. Tendenzmaler ? Sozialist ? Natürlich kann man das auch alles anders sehen. Schwingen hat beispielsweise auch hier auf die schmutzigen Schuhe des Dörflers nicht verzichtet, Kniebundhosen kommen auch in anderen Bildern vor. Ein bäuerliches Genrebild also doch? Wir wissen, dass der Muffendorfer dazu neigt, seinen Bildern eine „Bedeutung“ über das bloß Genrehafte hinaus zu verleihen. Das Genre wird zwar allegorisch überhöht, bleibt aber gleichzeitig Genremalerei, die auch unpolitisch gesehen werden kann. Darin liegt ja nicht zuletzt der Unterschied zwischen etwa Schwingen und der eindeutigen Tendenzmalerei z. B. Carl Hübners oder des Kölners Wilhelm Kleinenbroich.141 So dürfte denn auch Müllers kritische Stellungnahme zur „Tendenzmalerei“ Schwingen am allerwenigsten treffen. Müller schreibt: „Über den Werth und Unwerth der socialen Richtung in der bildenden Kunst sind in der neueren Zeit verschiedene Urtheile laut geworden. Ich kann mich durchaus nicht mit denen einverstanden erklären, welche dieselbe in Bausch und Bogen verurteilen. Auch die alten Niederländer und die Spanier haben ähnliche Stoffe behandelt. Noch mehr ist dies bei dem genialen Engländer Wilkie der Fall. Wohl aber ist es rathsam, möglichst vorsichtig in der Wahl der Gegenstände zu sein, zumal da wir unter den obigen Bildern Stoffe antreffen, welche sich Dank der fortschreitenden Humanität schon heute überlebt haben. Scenen, wie das Jagdrecht von Hübner, werden wohl nicht mehr in dieser eclatanten Schreckhaftigkeit vorkommen, und es wird hoffentlich nicht lange mehr dauern, daß die Schlacht- und Mahlsteuer besteht. Alsdann wird ein Bild wie das von Schwingen durchaus unverständlich sein. Die Gegensätze von Reichthum und Armuth hingegen werden so leicht nicht verschwinden und es lassen sich an dieses Thema ohne Zweifel noch sehr erfolgreiche 118 Variationen knüpfen. Nur handelt es sich darum, die Aestethik nicht außer Acht zu setzen, denn Maaß und Schönheit sind die ersten Bedingungen für den Werth von Kunstwerken. Auch möchte den betreffenden Künstlern zu rathen sein, daß sie zugleich andere dramatische Conflicte behandeln, denn in der Kunst ist das Suchen nach Tendenz gefährlich: Man merkt die Absicht und man ist verstimmt.“ 142 Wolfgang Hütts These, Schwingen sei „Sozialist“ gewesen, lässt sich nicht belegen.143 Er ist Mitglied im „Allgemeinen Verein der Carnevalsfreunde“, hat dort möglicherweise wie manche andere Düsseldorfer Maler seine politische Grundüberzeugung gewonnen. Er gehört zu den Gründern des „Vereins Düsseldorfer Künstler“, in dem wir die meisten Maler aus der Karnevalsgesellschaft wiederfinden und der wichtige soziale und wirtschaftliche Aufgaben im Interesse der nichtakademischen Maler wahrnimmt. 1848 begegnet uns Schwingen als aktives Gründungsmitglied des Malkastens, wiederum zusammen mit seinen Freunden und Bekannten aus früherer Zeit. Über seine weitere Tätigkeit dort lässt sich freilich wenig ausmachen. Unter den genannten Vereinigungen ist der Malkasten auch der unpolitischste Verein und seine Gründung markiert eher das Ende denn den Beginn des revolutionären Aufschwungs. Schwingens Rolle in den revolutionären Ereignissen selbst ist unklar. War er – wie viele seiner Malerkollegen – Mitglied der Düsseldorfer Bürgerwehr oder gar Barrikadenkämpfer? Wir wollen der Versuchung widerstehen, den Maler vorschnell einer der damaligen oder gar heutigen politischen Richtungen zuzuordnen, und so „den sozialistischen Realismus vorzudatieren“ (G. Grass). Realismus der Genremalerei ? Die Stärke Schwingens liegt in Genre wie Porträt im Realismus. Er malte, was er sah, was er kannte, was er gesehen hatte und woran er sich zumindest in den ersten Jahrzehnten seines Schaffens noch erinnerte. Dass dabei auch soziale Not und Anklage ins Bild gerieten, war nicht Ergebnis ideologischen Nachdenkens, sondern der eigenen Herkunft und des täglichen Erlebens als „armer Bauernjunge“. Detailgetreu malt er Umfeld und Umwelt, liebevoll die Menschen, die ihm nahe stehen, Kinder, Familie. In den Auftragsbildern kommen diese Fähigkeiten teils mehr, teils weniger deutlich zum Ausdruck. Auch in ihnen freilich zeigt sich in jedem Falle ein bedeutendes Talent aus dem Volke, dem manches an literarischer und formaler Bildung abgehen 119 mochte, das aber gerade deshalb den Versuchungen des bloß Gedachten, des Konstruierten, des Süßen und überzogen Kritischen nicht erlag – wahrscheinlich, weil er diese Versuchungen gar nicht kannte. „Schwingen ist Wegbereiter eines neuen, sachlichen Realismus, wie es die Frühmeister der Fotografie waren. Von hier aus betrachtet gewinnt sein Gesamtwerk ein ganz neues und neuartiges Interesse. Es ist kein ,großes Reich‘ das Schwingen bestellt hat, aber er gehört zu jenen gar nicht so häufigen Künstlern, die ‚im kleinsten Punkt die höchste Kraft sammeln‘“, schrieb Walter Cohen.144 Natürlich ist Schwingen nicht frei von den Eigenarten der Genremalerei des 19. Jahrhunderts. Ute Ricke-Immel schreibt zu Recht im Katalog „Angesichts des Alltäglichen“: „Das Genre gibt kein Abbild der Wirklichkeit, sondern einen Detailrealismus, dessen stückweise Naturaufnahme durch ,poetisches‘ Verschönern des Gewohnten und Alltäglichen überhöht und idealisiert wird“.145 Martina Sitt fährt fort: „Auch Peter Schwingen schilderte Milieus, stets aber liebevoll und neutralisiert … Nicht die Unabwendbarkeit des Armeleute-Schicksals Mitte des 19. Jahrhunderts ist sein vorrangiges Thema, sondern das spektakuläre, ja bühnenreife Ereignis.“ 146 Das ist richtig und falsch zugleich. Es verdeckt die Sonderstellung des Muffendorfer Bauernjungen, der in einigen Bildern aus den 40er Jahren – trotz des Vokabulars seiner Schule – eine in der übrigen Düsseldorfer Genremalerei unbekannte Authentizität erreicht. Seine strenge und penible, wenig elegante Malweise unterstreicht das. Schließlich: Im Vormärz glaubte man nicht an die „Unabwendbarkeit des Armeleute-Schicksals“. Der Muffendorfer gehört zu den herausragenden Düsseldorfer Malern des 19. Jahrhunderts. In seinem Fach, dem Genre, können nur wenige Maler sein Niveau für sich in Anspruch nehmen: Henry Ritter, J. P. Hasenclever in ihren besten Werken, wer noch? Die Kunst im Hinblick auf die Bedingungen ihres Entstehens betrachten, so schreibt Helmut Börsch-Supan,147 führe zum umfassenden Verstehen. Das gilt ganz besonders für Schwingen, dessen geringe soziale Herkunft auch im 19. Jahrhundert für Künstler durchaus ungewöhnlich war. Zwar galt die künstlerische Betätigung in dieser Zeit als ein Mittel der Befreiung, eine Möglichkeit, aus der durch Stand und Vermögen vorgeschriebenen Ordnung auszubrechen. Peter Schwingen ist diesen Weg gegangen. Seine in der SchwingenLegende hauptsächlich von Julius Söhn und wahrscheinlich wahrheitsgemäß 120 übermittelten Eskapaden und Extravaganzen können als Versuch gedeutet werden, subjektiv diese Freiheit des Künstlers zu beweisen. Die Grenzen werden am Beispiel Schwingen ebenso klar. Er wurde kein „Malerfürst“, sondern blieb dem Kleine-Leute-Milieu verhaftet. In der sich um die Jahrhundertwende anbahnenden Neubewertung der Düsseldorfer Malerschule konnte Schwingen nur gewinnen. Anständig und ordentlich malen, das konnte er in Düsseldorf erwiesenermaßen lernen, alles andere kam aus der Persönlichkeit des Muffendorfer Bauernjungen. Anmerkungen 1 Der Erste, der sich systematisch mit Leben und Werk Peter Schwingens befasste, war Julius Söhn, Hof-Fotograf in Düsseldorf und mit einer Enkelin des Malers verheiratet. Söhn legte ein Archiv über Peter Schwingen an. Heute noch die wichtigste Quelle. 1925 griff der Godesberger Bürgermeister Josef Zander die Anregungen in den Veröffentlichungen Walter Cohens auf und trug wesentlich zur Klärung der Familienbeziehungen Peter Schwingens in Muffendorf bei. Vom Verein für Heimatpflege und Heimatgeschichte, Bad Godesberg und dessen damaligem Vorsitzenden Dr. Haentjes ging nach dem 2. Weltkriege die Initiative zur Wiederbelebung der Erinnerung an den Maler aus. Er gewann Dr. Walter Holzhausen für diese Aufgabe. 2 Brief vom 23.1.1914 im Archiv Söhn, Privatbesitz. 3 Cohen 1931 (handschriftliches Manuskript Dr. Walter Cohen für eine Veröffentlichung in den Düsseldorfer Nachrichten vom 18.12.1931. Nachlass Cohen, Stiftung Museum Kunstpalast, Düsseldorf ). 4 Die jüngste Schwester von Peter Schwingen, Catharina, war mit dem Schuster Johannes Stings aus Muffendorf verheiratet. Josef Stings ist vermutlich deren Enkel. 5 StA Bonn, Go 317, Schreiben von Heinrich Raaf sen. an Bürgermeister Zander vom 9.5.1925. 6 StA Bonn, Go 10098, Protokolle des Gemeinderates Muffendorf von 1846-1891, Sitzungen vom 15.5.1852 und vom 19.12.1859. 7 Pfarrarchiv Villip, Nr. 248/1831 mit Originalgutachten der Taxatoren Schwingen und Rieck. StA Bonn, Go 317, Käthe Stings schreibt, Vater Schwingen sei Ortsvorsteher gewesen. 8 Diese Lokalisierung des Geburtshauses ist möglich aufgrund der Sterbeurkunde Nr. 209 1814 der Großmutter Schwingens Anna Maria Völsgen im Bad Godesberger Standesamt und der Karten, die die französische Verwaltung zur Erhebung der Grundsteuer 1811 mit großer Präzision angefertigt hatte. Diese Karten wurden von Herbert Strack weitgehend aufbereitet und geben dem, der sie sorgfältig analysiert, manche Auskunft. 1811 gab es in Muffendorf nur einen Peter Joseph Schwingen, den Vater des Malers, und dieser wohnte Auf der Gassen 95, Katasternummer 912. Strack 1987. 9 StA Bonn, Go 317, Bericht „Peter Schwingen“ von Käthe Stings, Muffendorf, etwa 1925. 10 Kleinpass 1964. Hans Kleinpass danke ich für zahlreiche Hinweise zu Schwingen und zur Schwingen-Rezeption in Bonn und Bad Godesberg. 11 Deutsche Reichs-Zeitung, Bad Godesberg, 21.5.1926. 12 Das Grab ist heute nicht mehr auffindbar. Auch das Grab von Sebastian Blinzler ist nicht mehr vorhanden. Im Familiengrab Blinzler auf dem Burgfriedhof befindet sich lediglich eine Erinnerungstafel. Ammermüller 2010, S. 6. 13 StA Bonn, Go 317, Schreiben von Heinrich Raaf sen. an Bürgermeister Zander vom 9.5.1925. 14 Hütt 1995, S. 102. 121 15 GStA PK, Rep. 76 Ministerium der geistlichen, Unterrichts- und Medicinal Angelegenheiten, Ve Sect. 18, Abt. V, Bl. 163-165. 16 Hansen 1919, S. 3 König Friedrich Wilhelm III. an den Oberpräsidenten v. Ingersleben in Koblenz. Anzeige von der Ernennung des Prinzen Wilhelm zum Generalgouverneur der Provinzen Niederrhein und Westfalen. Berlin 1830 September 24. Herres 2012, S. 125/126. 17 StA Bonn Pr 1391. 18 Zum Ablauf des Besuches auch „Zwei Bonner Chroniken (Fortsetzung)“ in: Bonner Archiv. Monatsschrift für die Geschichte der Stadt Bonn hg. von Dr. Felix Hauptmann, 5. Jg., Nr. 2, S. 30/31. 19 StA Bonn, Go 317, Prof. Dr. Heinrich Herkenne (1871-1948) war von 1920 bis 1927 Pfarrer in Muffendorf; Godesberger Heimatblätter 33/1995, S. 129-131. 20 Der Mehlweg war die Verbindungsstraße von Muffendorf in Richtung Plittersdorf, heute Theodor-Heuss-Straße. Freundlicher Hinweis von Herbert Strack. Käthe Stings weiß noch zu berichten, dass Schwingen die Bilder „Jesus der Kinderfreund“ und „St. Martinus“ gemalt habe. Sie seien aber ebenso wie ein Selbstbildnis des etwa zwanzigjährigen Schwingen von der Familie vernichtet worden. Dieses erste Selbstbildnis ist später in einem stark beschädigten Zustand von einem Herrn Stings aus Lüftelberg für das Heimatmuseum gestiftet worden. Der Bericht der Käthe Stings aus Muffendorf entsprach demnach weitgehend den Tatsachen. 21 StA Düsseldorf, Bürgerbuch S. 228. 22 Zur Schulsituation in Muffendorf: Küpper 1963, S. 43-47. Dort auch Einzelheiten über die sehr spärliche Ausstattung, die geringe Vorbildung der Lehrer und ihre entsprechende Besoldung. 23 HStA Düsseldorf, Regierungspräsidium Düsseldorf, Präsidialkanzlei, Bd. 1558-1559 (Microfiche) Schülerlisten der Kunstakademie Düsseldorf. 24 GStA PK, Rep. 76 Ministerium der geistlichen, Unterrichts- und Medicinal-Angelegenheiten, Ve Sect. 18 Abt. V, Vol. III, Bl. 33. 25 GStA PK, Rep. 76 Ministerium der geistlichen, Unterrichts- und Medicinal-Angelegenheiten, Ve Sect, 18 Abt. V, Vol. III, Bl. 33. 26 Fahne 1837 I. Darauf erwidert Johann Joseph Scotti polemisch. Scotti 1837. Dann wieder Replik von Fahne 1837 II. Schließlich Scotti 1838. 27 Die Studiengebühr betrug in der zweiten Klasse einen Taler im Quartal. 28 Markowitz 1980, S. 55, Nr. 241. Felix Mendelssohn Bartholdy hatte beide „beim Schneidermeister Schmitz“ besucht. 29 Dieser Zusammenhang wurde erst kürzlich nach der Digitalisierung der Tagebücher Peter de Weerths durch die Wuppertaler Gartenarchitektin Dr. Antonia Dinnebier bekannt. Sie entdeckte bei der Transkription zahlreiche Anmerkungen über Peter Schwingen und stellte sie mir zur Verfügung. Zu Einzelheiten vergl. Heidermann, Horst, Das große Los, in: Romerike Berge. Zeitschrift für das Bergische Land 63. Jg. 2013, Heft 1, S. 28-33. 30 Johann Joseph Scotti wurde am 16.4.1787 in Bonn geboren. Die Eltern waren der aus Italien stammende Galanteriewarenhändler Ludwig (Louis, Luigi) Scotti und seine Frau Maria Anna Juliana Thelen. Sie hatten am 1.2.1785 geheiratet. Scotti betrieb sein Geschäft am Markt in Bonn und bot Pariser Hüte, Stiefelschäfte, Pariser Toback und Senf an. J. J. Scotti starb am 3.4.1866 in Düsseldorf; nach Kirchenbücher St. Remigius Bonn, Taufen 1782-1797; J. Dietz, Topografie der Stadt Bonn vom Mittelalter bis zum Ende der kurfürstlichen Zeit, in: Bonner Geschichtsblätter Bd. 16/17, 1962/63, S. 459. 31 Zu Einzelheiten Frohn 2000. 32 1848 stellvertretender Zugführer der Bürgerwehr. Später Repräsentant des Grafen von Hatzfeldt. 33 Hugo Wesendonck war Sohn eines Kaufmanns aus Elberfeld. Von 1842 bis 1849 AdvokatAnwalt in Düsseldorf. Vorsitzender des „Vereins für demokratische Monarchie“. Mitglied der Frankfurter Nationalversammlung. Hauptmann der Düsseldorfer Bürgerwehr. Im Dezember 122 1849 Emigration in die USA. Dort erfolgreiche geschäftliche Tätigkeit. Vorstandsmitglied des „Vereins für demokratische Monarchie“. 1848 Zugführer der Düsseldorfer Bürgerwehr. In die preußische Nationalversammlung gewählt. Langjähriger Verteidiger Lassalles und der Gräfin Hatzfeldt. Die Schwester Bloems, Käthe, heiratete später Heinrich Koester, der mit Ferdinand Freiligrath, Hoffmann von Fallersleben und Hermann Püttmann eng befreundet war. Koester, ursprünglich in Barmen tätig, hatte schon dort dem Kreis um Freiligrath angehört und war an der Barmer Stadtschule auch Lehrer von Friedrich Engels gewesen. 35 Franz Anton Reinartz, geboren 1813 als Sohn eines Gutsbesitzers in Derikum (heute Stadtteil von Neuss), gestorben 1887 in Düsseldorf, Gymnasium in Köln, Studium in Bonn und Berlin. Promotion in Berlin. Wahrscheinlich in Bonn und Berlin Studienfreund von Karl Marx. Frdl. Hinweise von Erhard Kiehnbaum, Greifswald. Führender Reformkonservativer, Stadtverordneter, nahm an den Abgeordnetenfesten 1843 und 1845 in Düsseldorf teil und gehörte 1848 dem Vorparlament an, 1847 Vorstandsmitglied des „Allgemeinen Vereins der Carnevalsfreunde“, 1848 Vorstandsmitglied der „St. Sebastianus Schützenbruderschaft“, 1849 Vorsitzender. 36 1848 Hauptmann der 2. Compagnie der Bürgerwehr. 37 1848 stellvertretender Chef der Bürgerwehr, Hauptmann der 7. Compagnie, Vorstandsmitglied der „St. Sebastianus Schützenbruderschaft“. 38 1848 stellvertretender Zugführer der Bürgerwehr. 39 1848 stellvertretender Zugführer der Bürgerwehr. 40 1848 stellvertretender Hauptmann der Bürgerwehr. 41 1848 stellvertretender Zugführer der Bürgerwehr. 42 HAStK, Nachlass Anton Fahne, Nr. 225. 43 Mitglied des Stadtrates. 44 Fahne 1854, S. 269/70. Die Darstellung folgt Heidermann 2002 II. Den Hinweis auf den AntiMusik-Verein verdanke ich Sabine Schroyen. 45 Düsseldorfer Zeitung vom 18.1.1850. 46 Soiné 1990, S. 125. 47 In der Unterschriftenliste einer Petition zwecks Beschleunigung der gerichtlichen Untersuchung des Falles Cantador vom 16.12.1848 finden wir in unmittelbarer Nähe der Unterschriften von Hasenclever und Schwingen auch D. Penke. Es dürfte sich um den Wirt handeln, der wahrscheinlich dem „Verein für demokratische Monarchie“ nahe stand oder angehörte. Kat. Düsseldorf 1998, S. 347. 48 Bestvater-Hasenclever 1979, Abb. 16. 49 Wahrscheinlich die Frau des Bildhauers Dietrich Meinardus (1804-1891). D. Meinardus war Gründungsmitglied des „Künstler-Vereins Malkasten“. 50 Bestvater-Hasenclever 1979, Abb. 16. 51 Söhn 1966; Kruse 1998, S. 193; Heidermann 2002 II. 52 In Düsseldorf gab es einen weiteren Carl Hilgers, den Möbelfabrikanten, der viele Jahre dem Düsseldorfer Stadtrat angehörte. Aufgrund der freundschaftlichen Verbindung zu Hasenclever kann man aber m. E. von der Unterschrift des Malers ausgehen. 53 Kortländer 1998, S. 47 und S. 55, dort Abbildung des Scherenschnitts von Wilhelm Müller. Das Original befindet sich in der Lippischen Landesbibliothek in Detmold. 54 Der Gewürzhändler Moritz Geisenheimer war auch Vorstandsmitglied des ersten Düsseldorfer Turnvereins, ebenfalls 1848 gegründet. 55 Kat. Düsseldorf 1998, S. 347. 56 Kat. Düsseldorf 1998, S. 347. 57 Herchenbach 1882, S. 47. Max Ebertz war der Inhaber des Gasthauses „Prinz von Oranien“ am Burgplatz 12. Ebertz war Mitglied des „Vereins für demokratische Monarchie“ und kandidierte für diesen in den Maiwahlen 1848 als Wahlmann. Niemann 1993, S. 101. 34 123 58 Herchenbach 1882, S. 47 und 48. Reinicke 1998, S. 129-131. 60 Jahresberichte des „Vereins der Düsseldorfer Künstler zur gegenseitigen Unterstützung und Hilfe“ über Lage und Wirksamkeit des Vereins ab 1844 unvollständig im Nachlass des Malers und langjährigen Vorsitzenden des Vereins Hermann Becker (bis 1860), Stadtarchiv Düsseldorf. 61 Dazu Fahne 1853. Der Nachlass Fahnes befand sich im HAStK. 62 Verzeichnis der Kunstwerke in den Ausstellungen des „Kunstvereins für die Rheinlande und Westfalen“. Düsseldorf 1837 ff. Unvollständig vorhanden in der Universitäts- und Landesbibliothek Düsseldorf. 63 Kat. Berlin 1971. Für die anderen Ausstellungen Boetticher 1891/1901. 64 Heiratsurkunde im Archiv Söhn. Die Braut war in Menden, Regierungsbezirk Arnsberg am 19.1.1824 geboren. 65 Sein Bild „Katholischer Gottesdienst“ von 1839 wurde von dem Berliner Bankier Konsul Wagener für seine Sammlung erworben. Die Sammlung des Bankiers Wagener, Kat. Berlin 2011, S. 100/101, Abb. 184. 66 Kopie von Julius Söhn nach einer Daguerreotypie. Archiv Söhn, Privatbesitz. 67 Zur Fotografie in Düsseldorf Schülke 1994 mit Beiträgen über F. S. Lachenwitz und Julius Söhn. 68 Teilnehmerliste im Archiv des Malkastens. Siehe Nr. 195 von Schroyen 1992, S. 145. 69 Fahne 1873. 70 Täglicher Anzeiger für Berg und Mark, Elberfeld vom 21.3.1852. 71 Elberfelder Zeitung vom 11.6.1851 (Kunstausstellung III von P.) 72 Elberfelder Zeitung vom 21.1.1861. 73 Mitgliederlisten im Archiv des Malkastens, Düsseldorf. 74 Künstlerverein Malkasten 1858. 75 „Düsseldorfer Anzeiger“ vom 9.5.1863. 76 Kat. Düsseldorf 1898. 77 Großmann 1994, S. 125-130, 161-174. 78 Hütt 1956, S.11/12. 79 Brief an Julius Hübner zitiert nach Tucholski 1984, S. 281. 80 Beneke 1999, S. 7. 81 Beneke 1999, S. 7. 82 Richart Reiche wurde am 2.12.1876 in Barmen geboren. Er studierte Rechtswissenschaften und Kunstgeschichte und promovierte 1903 bei Dehio in Straßburg. Anschließend war er als Assistent von Paul Clemen in Bonn tätig. 1907 wurde er zum künstlerischen Leiter des Barmer Kunstvereins berufen. An den Ausstellungen des Sonderbundes in Düsseldorf wirkte er als Vorstandsmitglied mit. Nachdem in Elberfeld 1929 als Nachfolger von Friedrich Fries nicht Reiche, sondern Victor Dirksen gewählt worden war, legte Reiche im Januar 1932 sein Amt nieder. Reiche zog nach Düsseldorf-Oberkassel, arbeitete aber noch weiterhin nebenamtlich mit der Städtischen Galerie in Bochum zusammen. Reiche kam am 11.7.1943 bei einem Luftangriff auf Düsseldorf ums Leben. 83 Becks-Malorny 1992, S. 261. 84 Frau J. A. Bemberg, J. A. Bemberg, Peter de Werth, Gertrud de Werth, J. F. Wülfung. 85 Düsseldorfer Nachrichten vom 2.2.1922 86 Düsseldorfer Nachrichten vom 2.2.1922. 87 Zu Cohen siehe besonders Sitt 1994. 88 Kat. Düsseldorf 1925. Darunter Friedrich August de Weerth, Eleonore Mathilde de Weerth geb. Fauth, Josef Schmitz, Peter de Weerth, Johann Friedrich Wülfing, Gertrud de Weerth, Der Martinsabend. 89 Cohen 1924. 59 124 90 91 Deutsche Reichs-Zeitung, darunter die Bildnisse: Jugendliches Selbstbildnis, Peter Josef Schwingen, Gertrud Nicolai geb. Hilgers. StA Bonn, Go 317, Gründung eines Heimatmuseums, Korrespondenz Zander/Cohen. 92 93 94 95 96 98 97 99 Dazu General-Anzeiger, Bonn vom 3.12.1931; Godesberger Volkszeitung vom 3.12.1931 und Godesberger Tageszeitung, 8. Jg., 1931, Nr. 163. Zur Familiengeschichte Cohen: Fremerey-Dohna 1985. Diesen Hinweis verdanke ich Hans Kleinpass. Siehe auch Godesberger Heimatblätter 1984, S. 116. Dazu zahlreiche Zeitungsartikel u. a. General-Anzeiger, Bonn v. 19.3.1962, 25.9.1962, 9.5.1963, 31.5.1963; Bonner Rundschau v. 1.6.1963. Godesberger Wochenblatt v. 16.-24.2.1964, S. 15. Zur Datierung s. Der Bürgerfreund, Bremen vom 20.5.1849. StA Bonn, Go 1503, Maler Peter Schwingen (1813-1863) aus Muffendorf, Werke, Forschungen, Biographisches. Täglicher Anzeiger für Berg und Mark vom 9.1.1853 und vom 6.3.1853. Cohen 1932 II, S. 8. 100 101 Heidermann 2013, S. 31. De Weerth 1935, S. 76. 103 De Weerth/Schniewind 1972, S. 294. 104 Verkürzte Wiedergabe der Aufsätze von Gisela Schniewind 1972, von Ergänzungen 1997 und aus Briefwechsel des Verfassers mit Frau Schniewind 2001. 105 Kat. Berlin 1906, Bd. II, Nr. 1629. 106 Dieser Hinweis bedeutet wohl nicht, dass es sich hier um eine Gemeinschaftsarbeit SohnSchwingen handelt. Wahrscheinlich hatte Schwingen auch hier auf ältere Porträts von Sohn, der sein Lehrer in der Vorbereitungsklasse gewesen war, zurückgegriffen. 107 Lorenz 1985, S. 250. 108 Lorenz 1985, S. 166/167. 109 Cohen 1932, S. 9. 110 Kat. Düsseldorf 1969, S. 327. Das Haus lag in der Berliner Straße Nr. 20. Sein Bruder Friedrich wohnte Berliner Straße 47. 111 Eynern 1901, S. 1. 112 Kat. Münster 1995, S. 264. 113 StA Bonn, Go 1503, Brief von Walter Cohen an Bürgermeister Zander vom 9.10.1932. 114 Ich danke Frau Schmitz-Porten für die Erlaubnis, die Aufzeichnungen ihres verstorbenen Mannes über Lachenwitz und Schwingen einsehen zu können. 115 Die Bildnisse von Friedrich August de Weerth und seiner Frau tragen auf der Rückseite die Bezeichnung „gemalt im Herbst 1837 von Peter Schwingen zu Düsseldorf“. Walter Holzhausen, Bilder von Peter Schwingen. Nachlese, in: Godesberger Heimatblätter 3 1965, S. 45/46. 116 In dem zweiten, anscheinend älteren Vermerk zum Bildnis der Emilie Elisabeth heißt es genauer, dass es im November 1837 gemalt worden sei. 117 Wahrscheinlich von dem Maler Fritz Schnitzler aus Tönisheide, heute Velbert-Tönisheide. 118 In den 1850er Jahren wurde der Betrieb der Firma Wülfing & Heseler nach Unterbarmen Haspeler Straße 43 verlegt. 1875 erscheint Wwe. Heseler als alleinige Inhaberin des Unternehmens, 1879 ist der Sohn Friedrich jun. (Fritz) als Teilhaber hinzugetreten. Besitzerin des Bildes war die 1848 geborene, mit Friedrich Heseler jun. verheiratete Schwiegertochter Marie Arnberg. 1887 zeichnet neben Fritz noch Ernst Heseler als Inhaber der Firma. Siehe Küpper 1964. 119 Das Bild befindet sich in Godesberger Privatbesitz. Es wurde 1925 auf der Jubiläumsausstellung in Düsseldorf erworben. 120 Gemeint ist das 1838 entstandene Bild „Die Spinnerin mit ihren Kindern vor des Hauses Tür“. 102 125 121 Kölnische Zeitung vom 3.7.1839. Füssli 1843, S. 633. 123 In die Fußstapfen Schwingens trat später Philip Schmitz (1822-1887) mit seinem Bild „Besuch eines Losverkäufers“. Während die Szene in eine bürgerliche Stube verlegt worden ist, lässt der Losverkäufer das Vorbild Schwingen deutlich erkennen. Das Bild erreicht jedoch nicht die gestalterische und malerische Qualität Schwingens. Schmitz hat als Zeitgenosse Schwingens und Gründungsmitglied des Malkasten Schwingens Bilder mit Sicherheit gekannt. 124 In den Schülerlisten der Akademie heißt es für das Sommersemester 1843: „Hat ein Gastmahl mit Kleinstädtern und malt jetzt ein Schützenfest mit Bauern“. 125 Kinkel 1843. 126 Kunstblatt, 26. Jg., 1845, Nr. 88, S. 367. 127 Kölnische Zeitung vom 23.8.1849. 128 Kölnische Zeitung vom 22.8.1844. 129 Kinkel 1845. 130 Kinkel 1845. Auch das Bonner Wochenblatt berichtete am 18.8.1845 unter Nennung des Namens Schwingen kurz über die Ausstellung. 131 Rösch-Sondermann 1982, S. 162. 132 Kinkel 1931, S. 171. 133 Dieser Verkauf sollte endlich die immer wieder in der kunsthistorischen Literatur vertretene Meinung, dass Carl Hübner als erster Düsseldorfer eine Pfändung gemalt habe, widerlegen. Hübners Pfändung entstand erst 1848. 134 Frohn 1999, S. 290. 135 Das Bild war in der Galerie Paffrath in Düsseldorf ausgestellt und ist im Kunstkalender der Galerie 1995 für den Monat Februar abgebildet. Siehe auch Lexikon Bd. 3, 1998, S. 149. 136 Müller, W. 1854, S. 301. 137 Die Erhebung der Schlacht- und Mahlsteuer an einem Kölner Stadttor. 138 Tittel 1998, S. 43, S. 46. Die Ausstellung gehörte zu dem Ausstellungs-Zyklus der Kunstvereine „östlich der Elbe“. Zu diesem Ausstellungs-Zyklus hatten sich die Kunstvereine in Königsberg, Stettin, Breslau, Posen und Danzig zusammengeschlossen. 139 StA Bonn, Go 10098, Sitzung vom 21.4.1847. 140 Hoffmann von Fallersleben 1841, S. 9. 141 Dazu auch Heidermann 1999. 142 Müller, W. 1854, S. 302. 143 Hütt 1964. 144 Cohen 1932 II, S. 11. 145 Kat. Düsseldorf 1996, S. 10. 146 Kat. Düsseldorf 1996, S. 19. 147 Börsch-Supan 1988, S. 14. 122 126 August Stelzmann, Öl auf Leinwand, nicht datiert, Privatbesitz Christine Stelzmann, geb. Weidenhaupt, Öl auf Leinwand, nicht datiert, Privatbesitz 127 Schießen um ein fettes Schwein, Öl auf Leinwand, um 1844, Privatbesitz 128 Pia Heckes Peter Schwingen, Düsseldorf, der Vormärz und Heinrich Heine „Ich bin kein Gelehrter, ich gehöre nicht zu den 700 Weisen Deutschlands. Ich stehe mit dem großen Haufen vor den Pforten ihrer Weisheit, und ist da irgend eine Wahrheit durchgeschlüpft, und ist diese Wahrheit bis zu mir gelangt, dann ist sie weit genug: - ich schreibe sie mit hübschen Buchstaben auf Papier und gebe sie dem Setzer; der setzt sie in Bley und giebt sie dem Drucker; dieser druckt sie und sie gehört dann der ganzen Welt.“ Heinrich Heine1 Dieses so wunderbare Zitat könnte auch zur Profession Schwingens passen, einen Ausschnitt aus der Wahrheit der Welt zu zeigen. Und sei es nur ein unbedeutend kleiner. Und sei es nur die subjektive Wahrheit, die Schwingens individuelles Bild von der Welt prägte. Peter Schwingen (1813-1863) war lange Zeit der Forschung als Porträtist und Genremaler der Düsseldorfer Malerschule bekannt, zumal auch nur recht wenige Gemälde von Schwingen in öffentlichem Besitz sind und viele seiner Arbeiten sich in weit verstreutem, teilweise nicht nachweisbarem, Privatbesitz befinden. Erfreulicherweise sind in den letzten zwanzig Jahren aber zahlreiche Werke Schwingens aus privatem Besitz in den Handel gelangt und uns zur Kenntnis gebracht worden, so dass wir uns ein genaueres Bild über den Maler und sein Werk machen können. Insbesondere eine Facette seiner Interessen rückt dabei verstärkt in den Fokus: Die Kritik an den sozialen und politischen Missständen seiner Zeit, die bereits von Müller von Königswinter und Kinkel erkannt wurde, jedoch bei Cohen und Söhn vollkommen fehlt. Erst Wolfgang Hütt beschäftigte sich eingehender mit diesem Thema. Was aber in jedem Falle eine zu korrigierende Annahme ist, dass Schwingen verarmt und vergessen verstorben wäre. Diese Ansicht war in der Vergangenheit daher entstanden, da man davon ausging, dass das Gesamtwerk des Malers nur relativ wenige Werke umfassen würde. Dies ergab sich aber wohl 129 schlicht aus einer mangelhaften Kenntnis der Tatsachen. Im Laufe unserer Forschungen in den letzten 20 Jahren konnte das Werkverzeichnis von ungefähr 65 Bildern auf über 140 erweitert werden. Wenn man einen gewissen Verlust ansetzt, der möglicherweise durch Beschädigung oder die Folgen des Zweiten Weltkrieges eingetreten ist, so dürfte das Werk Schwingens noch umfangreicher sein als bisher angenommen und nachgewiesen. Wenn man von vielleicht 200 Ölbildern ausgeht, die Schwingen insgesamt geschaffen haben könnte in der Zeit zwischen 1837 und 1863, also in insgesamt 25 Jahren, so wären etwa durchschnittlich im Jahr acht Bilder entstanden. Die produktivste Zeit Schwingens, so wie es sich nach dem heutigen Wissen darstellt, waren die Jahre zwischen 1838 und 1859, also ein Zeitraum von etwa 22 Jahren, in dem er ein gut beschäftigter Porträtist gewesen ist. Die Porträts sind das „Brot- und Butter-Geschäft“ des Malers gewesen, der eine wachsende Familie mit acht Kindern, von denen sieben das Erwachsenenalter erreichten, zu versorgen hatte. Herausragende Stellung nehmen im Werk Schwingens die Kinderbilder ein. Stimmungsvolle, kleine Szenen aus dem ländlichen Kinderleben, die von großer Kinderliebe und tiefem Humor zeugen, gehören mit zum Überzeugendsten, das Schwingen geschaffen hat. Den Auftakt zum Erfolg seiner Porträts bildete der Auftrag des Peter de Weerth, wie weiter unten noch geschildert wird. Wenden wir uns aber einem bestimmten Werkkomplex zu: Genrebilder, die in den 1840er Jahren entstanden sind, im Vorfeld der 1848er Revolution. Das sind u.a. das „Preisschießen um ein fettes Schwein“ (1844), „Der Besuch des reichen Oheims“ (1845), „Die Pfändung“ (1845), „Das nicht versteuerte Brot“ (1846), und „Heimkehr vom Felde“ (1847).2 Von diesen Gemälden kennen wir das „Preisschießen“, die „Pfändung“ und die „Heimkehr vom Felde“, die anderen Bilder sind nur durch den Titel belegt. Soweit wir die Bilder kennen, kann man feststellen, dass dies alles Hauptwerke Schwingens sind. „Die Pfändung“ 3 gehört mit zum Überzeugendsten, was die Düsseldorfer Maler Malerschule in diesem Genre hervorgebracht hat. Für das Jahr 1848, das Jahr der Revolution, sind im Werkverzeichnis nur drei datierte Bilder nachgewiesen. Bilder, die keinen politischen Inhalt haben: 130 „Mädchen mit Katze“, „Bildnis Hubert Philipp Schwingen“ und „Der Sonntagsjäger“.4 1848 war für Schwingen kein sehr glückliches Jahr, seine erste Frau, Magdalene Philippine Schmitz, die Tochter des Schneiders Schmitz, verstarb und ließ Schwingen mit drei kleinen Kindern zurück. Das älteste Kind von den vier Kindern aus dieser Ehe, Caroline Philippine (geb. 1837), war bereits 1843 im Alter von sechs Jahren verstorben. Ende 1849, nach Ablauf des traditionellen Trauerjahrs, heiratete Schwingen Sophia Zecher. Für Schwingen also, was das persönliche Umfeld angeht, eine sehr turbulente und belastende Zeit, die ihm sicherlich wenig Freiraum ließ für intellektuelle Auseinandersetzungen mit den Geschehnissen seiner Zeit. Anders wohl in den Jahren kurz zuvor. Was aber verbindet die Bilder der Jahre 1844 bis 1847 und wie ist dieser doch vehement politische Werkkomplex zu verstehen? Um den Versuch einer Deutung zu wagen, muss man etwas weiter ausholen. Peter Schwingen kam aus einfachen Verhältnissen, geboren in die Familie eines Feldhüters hinein in der ärmlichen Zeit der Napoleonischen Besetzung des Rheinlands, wuchs er in einem kleinen Bauerndorf auf, das seine mittelalterlichen Strukturen bis weit in das 19. Jahrhundert hinein bewahrt hatte. Der „Rheinische Antiquarius“, Christian Stramberg, gibt für 1815 die Zahl von 110 Häusern und 543 Einwohnern für Muffendorf an. Also eine recht überschaubare Kommune. Die großen Themen der Weltgeschichte werden an dem Kind und später am jungen Mann vorübergegangen sein. Die unzureichende Bildung der Landbevölkerung im Rheinland war geradezu sprichwörtlich aufgrund der mangelnden Bildung und oft auch Eignung des Lehrpersonals. Mit den gesellschaftlich relevanten Themen der Zeit wird Schwingen sich also überhaupt erst in seiner Düsseldorfer Zeit beschäftigt haben. Als Mitglied der wesentlichen Künstlervereine dort hat er entsprechende Kontakte gepflegt und wird mit den wichtigen Themen der Zeit konfrontiert gewesen sein. Aus wenigen Hinweisen wird deutlich, dass Schwingen sich noch bis 1853 ganz selbstverständlich in den Düsseldorfer Künstlerkreisen bewegte. 1851 findet er sich in der Einschreibliste zum Frühlingsfest des „Malkastens“ in der zweiten Spalte.5 131 Das Eintauchen in die Welt der Akademie, der Kontakt mit anderen Malern, die einen klassischen Bildungsgang hinter sich hatten, mit Künstlern, die über einen wesentlich weiteren Horizont verfügten, wird für Schwingen mehr als anregend gewesen sein. Der Katalog zur Ausstellung „Die Düsseldorfer Malerschule und ihre internationale Ausstrahlung 1819-1918“ zeichnet ein lebendiges Bild von den unterschiedlichen Beziehungsgeflechten der Düsseldorfer untereinander. Die Akademie war zu Beginn der 1830er Jahre ein Anziehungspunkt geworden, der junge Menschen geradezu einsog. Der Schriftsteller Karl Immermann schildert: „Wie muß es nun erstaunen, daß diese Schule [...] innerhalb eines Zeitraums von sechs Jahren die größte Reputation in ganz Deutschland errungen hat; daß eine große Zahl junger Leute, die unter anderen Meistern studierten, diese der Düsseldorfer Schule wegen verließen, und daß die Säle nicht mehr genügten, um die täglich wachsende Menge von Schülern zu fassen?“ 6 Schon dies zeigt, dass es einen höchst lebendigen Austausch von Ideen und Lebenserfahrungen, die hier zusammenkamen, gegeben haben wird. In diese vibrierende künstlerische Atmosphäre hinein wuchs Peter Schwingen als Student an der Akademie. Schwingen lebte während der Zeit seines Studiums ab dem 13. Oktober 1831 in Düsseldorf bei Schneidermeister Schmitz, in der Mühlenstraße. Dort scheint er, bis zu seiner Eheschließung 1837, gewohnt zu haben. Dieser Schneidermeister Schmitz, der auch Schwingens Schwiegervater wurde, pflegte gute Kontakte zu den Studenten und scheint sein Haus attraktiv gehalten zu haben für die Studenten der Akademie. So wohnte zeitgleich mit Schwingen z.B. Eduard Bendemann (1811-1889) dort. Dieser war bereits seit 1827 an der Akademie in Düsseldorf und bereiste von 1829 bis 1831 gemeinsam mit Wilhelm Schadow Italien und lernte um 1830 in Rom Felix Mendelssohn Bartholdy kennen. Danach hielt er sich vorzugsweise wieder in Düsseldorf auf, wo er als freier Maler im Hause des Schneidermeisters Schmitz lebte. Bendemann kam aus sehr wohlhabendem Hause; sein Vater war der jüdische Bankier Anton Heinrich Bendemann. Eduard Bendemann schuf im Jahre 1833 die sehr bekannte Porträtzeichnung von Felix Mendelssohn Bartholdy, der ihn sogar persönlich in der Mühlenstraße aufgesucht hatte. Bendemann galt um diese Zeit als ein strahlend aufgehender Stern am Himmel der Düsseldorfer Akademie, wohin Mendelssohn Bartholdy gereist war, um die neuesten Strömungen der Kunst seiner Zeit kennenzulernen.7 In geselliger Runde scheint Mendelssohn Bartholdy während eines Frühstücks bei Bendemann und Heinrich Mücke sogar ein Lied komponiert zu haben.8 132 Über Mendelssohns Termine in Düsseldorf sind wir für das Jahr 1834 recht gut informiert: „5. Mai 1834 abends zu Gast bei Bendemann 6.4. 1834: Ball bei Familie von Woringen 10.4. 1834: Kränzchen, das abwechselnd bei Sohns, Hübners, Woringens und Steinbrücks tagt. Anfang Mai 1834: Kirche St. Maximilian, Kirchenmusik für gemischten Chor, op. 23, mit Ferdinand von Woringen als Solist (Tenor) 17.5. 1835: Mit Ferdinand von Woringen (Tenor aus Düsseldorf ) nach Aachen per Schnellpost 16. 12.1834: Hausmusik bei von Woringens Düsseldorf und Mendelssohn“ 9 In diese vielfältigen gesellschaftlichen Verflechtungen, die einen Anknüpfungspunkt im Hause Schmitz hatten, wird Schwingen am Rande miteinbezogen gewesen sein. Es wäre nicht weiter verwunderlich, wenn er in dieser Umgebung mit den geistigen Strömungen und künstlerischen Ideen seiner direkten Wohnungs-Nachbarn in Kontakt gekommen wäre, wofür auch sein von Cohen erwähntes Bildnis „Frau Bendemann“ spricht (Abb. S. 101). Für Schwingen wird sich eine ganz neue Welt aufgetan haben, der er sich wahrscheinlich Schritt für Schritt genähert haben wird, bis er im gesellschaftlichen Künstlerleben in Düsseldorf angekommen ist. Es muss eine verwirrend-aufregende Zeit im Düsseldorf des Vormärz gewesen sein. Die Stadt avancierte zum zeitweilig wichtigsten Kunstzentrum Deutschlands, sie verdoppelte ihre Einwohnerzahl zwischen 1816 und 1850 auf etwa 45.000: „Ganz anders verlief die Entwicklung der ehemaligen Residenz Düsseldorf, die sich 1820 mit 15.000 Einwohnern vor allem als Garten- und Kunststadt auszeichnete. Im Vormärz war sie das bedeutendste rheinische Kulturzentrum. Die 1819 wieder gegründete Kunstakademie, das Theater, die Musikfeste und nicht zuletzt die Anwesenheit des preußischen Prinzen Friedrich auf Schloß Jägerhof trugen einen wesentlichen Teil dazu bei. Seit 1824 war Düsseldorf zudem Sitz des Provinziallandtags“.10 Der Familienverband „Schadow-Bendemann-Hübner [bildete] den inneren Kern der Domestika, denn Julius Hübner d.Ä. heiratete Pauline Bendemann, Eduard Bendemann Lida Schadow, die Stiefschwester seines Lehrers. Eng angeschlossen waren verschiedene Familienclans wie die der Maler Sohn und Rethel“.11 Einige Zeit später scheint auch Schwingen in eine Art Düsseldorfer Familienverband eingetreten zu sein, indem er die Tochter seines Vermieters, des Schneidermeisters Schmitz, heiratete. Es scheint eine erzwungene Ehe gewe- 133 sen zu sein, denn die Eheschließung erfolgte erst ganz kurz vor der Geburt des ersten Kindes im Jahr 1837. Es mag sein, dass Vater Schmitz nicht all zu viele Hoffnungen gehegt hatte, dass der Maler Schwingen aus der rheinischen Provinz seiner Tochter eine gute Zukunft würde bieten können, und deshalb erst im letzten Augenblick seine Zustimmung gegeben hat. Dies wäre kaum wunderlich. Doch Schwingen scheint der Aufmerksamkeit des damals wohl besten Kenners der rheinischen Malerei, Johann Joseph Scotti (1787-1866), nicht entgangen zu sein. So stellte Scotti nachweislich der Tagebücher des Peter de Weerths den Kontakt zwischen de Weerth und Schwingen her. Ab November 1837 arbeitete Schwingen an den Porträts der Familie de Weerth.12 Schwingen erhielt 5 Pistolen pro Bild. Keine kleine Summe, bestand der Friedrich d’or (Pistole) doch aus 21-karätigem Gold und hatte das Gewicht von 6,032 Gramm. Insgesamt, so stellt Heidermann fest, hat Schwingen 14 Gemälde für de Weerth gearbeitet, „12 kleinere und 2 größere Bilder waren entstanden, über 100 Pistolen hatte er“ an diesen Aufträgen „verdient“.13 Schwingen reussierte dank dieses Auftrages mit seinen Porträts. Das Genre allerdings, im Gegensatz zur Porträtmalerei, galt in der Hierarchie der Akademie nicht viel. So lässt sich „an den scherzhaften Namen der Ateliers ‚Neubethlehem’ bzw. ‚Jerusalem’ für die Historienmaler, ‚Alhambra’ für die Landschaftsmalerei und ‚Sibirien’ für die Genremaler ... die symbolische Ordnung der Akademie ablesen“.14 „Sibirien“ macht deutlich, dass das Genre das ungeliebte Kind der Akademieführung gewesen ist. So schreibt Schadow z.B. geradezu gehässig im Tonfall: „...die Legion junger Genre-Genies mit ihrer Begeisterung für Lumpensammlungen und Bierschenken, unbekümmert um das Gefühl für Schicklichkeit und Anstand. Diese sind das Ungeziefer in der Malerwelt und treffen meist ihren Gegenstand richtig, schon wegen der inneren Sympathie...“.15 Ein hartes Urteil über die, welche den historisch und humanistisch geprägten hohen Ansprüchen der elitären Führung der Akademie, aus welchen Gründen auch immer, nicht folgen mochten. Geradezu programmatischen Charakter hatte das Gemälde „Atelierszene“ von Johann Peter Hasenclever von 1836, der seine Auffassung von moderner Genremalerei in diesem Bilde zusammenfasste.16 Es spricht von einem neuen Selbstbewusstsein der nach „Sibirien“ Verorteten. Bis heute ist „Sibirien“ im Rheinland ein Begriff für die tiefste Provinz. Die rechte Rhein134 seite gilt noch heute manch eingefleischtem Rheinländer bereits als die westliche Grenze Sibiriens. Schon in den späten 1830er Jahren finden aber Bilder mit sozialkritischem Inhalt ihre Käufer: Wilhelm Heines Gemälde „Gottesdienst in der Zuchthauskirche“ von 1838 erwarb der Berliner Kaufmann Joachim Heinrich Wilhelm Wagener, dessen Sammlung erheblichen Einfluss auf die Gründung der Berliner Nationalgalerie hatte.17 Dies war gleichbedeutend mit der Nobilitierung des oft abschätzig als „soziale Tendenzmalerei“ bezeichneten Genres. Einer der bedeutendsten rheinischen Genremaler in Düsseldorf, Johann Peter Hasenclever, brachte der demokratischen Bewegung besonderes Interesse entgegen. Sein Porträt Ferdinand Freiligraths stellt in diesem Zusammenhang ein besonderes Zeugnis der politischen Überzeugung dar. Die vielfältigen gesellschaftlichen Kontakte der Düsseldorfer Maler beleuchtet Horst Heidermann sehr eingehend, wobei besonders dem „Allgemeinen Verein der Carnevalsfreunde“ viel Aufmerksamkeit gewidmet wird.18 Schwingen dürfte im Kreis dieser Karnevalsgesellschaft die politische Orientierung gefunden haben, die in Herkunft und Aufstiegsstreben des aus kleinbürgerlichen Verhältnissen stammenden Dorfjungen bereits angelegt war. Auch wird er dort die für ihn wichtigen gesellschaftlichen Kontakte geknüpft haben. 1863 hat Schwingen in der Pfannenschoppenstraße (spätere Klosterstraße) gewohnt, ebenso wie Adolph Schroedter (Haus Nr. 35) und die Malerin Marie Wiegmann (Haus Nr. 32). Also wieder in engstem Kontakt mit Malerkollegen. Was auch dafür spricht, dass er kollegial gut eingebunden war. In diesem Zusammenhang ist nun besonders interessant, dass der „AntiMusik-Verein“ nach der Beschreibung Anton Fahnes eher sozialen Zwecken dienlich war, im Gegensatz zu seinem Gegenstück, dem „Allgemeinen Musikverein“, der insbesondere sich der Pflege des Musiklebens und der Niederrheinischen Musikfeste widmete, eine Verbindung schuf zu Heinrich Heine, der 1797 in Düsseldorf geboren worden war. Die Lokalität, in welcher der Verein tagte, war ein damals als das Geburtshaus Heinrich Heines angesehenes Gasthaus in der Bolkerstraße 467. Von 1809 bis 1820 war es tatsächlich das Wohnhaus der Familie Heine, geboren wurde der Dichter aber im Hause gegenüber, Bolkerstraße 602 (580), heute Nr. 53.19 135 Der Karneval wurde mit der Zeit in Düsseldorf zu einem politischen Spektakel des Vormärz, wie schon die Aufmerksamkeit, die die preußische Obrigkeit dem karnevalistischen Treiben entgegenbrachte, deutlich macht. In den 1830er und 40er Jahren entsandte der Landrat Spitzel in die Karnevalsvereine und die Veranstaltungen, die detaillierte Berichte lieferten über die „Umtriebe“.20 Dies ist wenig verwunderlich, wenn man Goethes Einschätzung über den rheinischen Karneval in die Waagschale wirft, „der als Erster im Kölner Karneval ‚den Keim zu einem nationaldeutschen Volksfeste’ erkannte“.21 Dies musste den Argwohn des preußischen Herrscherhauses und der nachgeordneten Behörden geradezu herausfordern. So trugen die Ehrendiplome des Düsseldorfer Karnevalsvereins AVdK dazu bei, dass die Polizei, der die Listen der Empfänger in die Hände gefallen waren, in den Empfängern politisch Liberale und Demokraten erkannte und einen politischen Hintergrund in den karnevalistischen Umtrieben vermutete. Folge war, dass man dem Verein die Konzession für 1848 entzog.22 Die Kryptopolitisierung des Karnevals in Düsseldorf wurde von den Aktiven in den Vereinen getragen, darunter eben auch zahlreiche Künstler, deren Austausch untereinander über Ideen und Bilder man sich sehr lebendig vorzustellen hat. Zu den vom Düsseldorfer AVdK Geehrten gehörten u. a. auch die für das Düsseldorfer Musikleben so wichtigen Robert Schumann und Felix Mendelssohn Bartholdy. Aber auch George Sand und Karl Grün (beide Paris), sowie Ferdinand Freiligrath wurden ausgezeichnet.23 Der politisierte Düsseldorfer Karneval findet seine sehr aufschlussreiche Darstellung in der Arbeit Christina Frohns über den rheinischen Karneval im 19. Jahrhundert. Spätestens bis 1847 wich dann die Kryptopolitisierung einer tatsächlichen Politisierung der bürgerlichen Vereine. Mitten im Karneval kam es dann im Festtrubel am 3. März 1848 zum Aufruhr, der als Beginn der Revolution am Rhein angesehen werden kann. Und ein Maler der Düsseldorfer Akademie, Johann Peter Hasenclever (1810-1853), befand sich mitten darin. Er engagierte sich als stellvertretender Zugführer der Bürgergarde. In der Malerei folgte er dem Erlebten. Sein Gemälde „Arbeiter und Stadtrat“ von 1848 thematisierte die zentrale politische Frage des Jahres 1848, er malt den Aufruhr, der im August 1848 einen Höhepunkt in Düsseldorf erlebte, „als der preußische König Friedrich Wilhelm IV. auf der Kastanienallee, der heutigen Königsallee, mit Pferdeäpfeln beworfen wurde.“ 24 Ein vergleichsweise harmloser Akt des Widerstandes und der Missachtung, aber durchaus folgenreich für die Geschichte Deutschlands. 136 Gerade die Düsseldorfer legten Wert auf einen Karneval mit Esprit, der ebenso geistvoll wie spitz, so breit getragen wie auch wohltätig war. Ein Beispiel dafür ist der sogenannte „Klumpenverein“ gewesen, der sich zum Ziel gesetzt hatte, von einem minderen Teil der Einnahmen Holzschuhe (Klumpen) und Feuerholz für die Versorgung armer Haushalte zu bestreiten.25 Die von der öffentlichen Hand erhobenen Lustbarkeitssteuern, die der Armenpflege galten, waren eine wesentliche Steuereinnahme für die Armenverwaltung, die man z.B. über die Einführung einer „Maskenkarte“ im Karneval zu erhöhen suchte.26 Die „Klumpen“ sind auffälliges Detail in zahlreichen ländlichen Szenen, die Schwingen malte. Vielleicht auch eine Anspielung, die die Zeitgenossen in und um Düsseldorf herum durchaus verstanden? In der Zeit, in welcher Schwingen nach Düsseldorf gelangte, begann der literarische Aufstieg des Dichters Heinrich Heine und sein Ruhm erreichte auch dessen Heimatstadt Düsseldorf. Schwingen wird im Laufe der Jahre direkt oder indirekt Kontakt gehabt haben mit Werken Heines, zumal bekanntermaßen das Verbotene besonders reizvoll scheint: Heines Schriften waren seit 1835 in Deutschland aufgrund eines Bundestagsbeschlusses gegen das „Junge Deutschland“ verboten. Heines besonderes Interesse an Deutschland galt seiner Heimat, dem Rheinland. So schreibt er am 13.2.1838 an Karl August Varnhagen von Ense (Diplomat und Schriftsteller): „Die Interessen der altpreußischen Provinzen sind mir eben so unbekannt wie gleichgültig und es kostet mir keine Ueberwindung hierüber entweder ganz zu schweigen oder nur die Meinungen Anderer zu referieren. Anders ist es mit den Rheinprovinzen. Hier ist der Vogel zuhause, dieser Boden ist mir nicht ganz gleichgültig, und es ist mir eben so sehr Bedürfniß wie Pflicht, mich über die heimathlichen Vorgänge frei auszusprechen. Hier muß mir das uneingeschränkte Wort gestattet seyn. Aber die pr. Regierung kann sicher seyn, daß bey der jetzigen Lage der Dinge, in Betreff der Rheinlande, alle meine Sympathien auf Seiten Preußens sind, daß ich nie die Verdienste Preußens um dieses Bastardland verkenne, das erst durch Preußen für Deutschland wiedergewonnen und zu deutscher Art und Weise erhoben wird – denn Ihnen, dem Landsmann, darf ich es wohl ohne Scheu sagen, dass unsre Landsleute nie Charakter besessen, nie ein Volk waren, sondern nur ein zusammengelaufener Haufen, den jeder Rabulist regieren kann, dessen Frechheit durch Nachgiebigkeit nur gesteigert wird aber kleinlaut zu Kreuze kriecht, wenn 137 man strenge Maßregeln entgegensetzt – sie sind weder Deutsche noch Franzosen, sie haben nur die Fehler der erstern, Brutalität namentlich, ohne die Tugenden der letzteren zu besitzen, am allerwenigsten die französische Menschlichkeit – mit einem Worte, sie sind Belgier. Wie diese den Holländern gegenüber, so stehen die Preußen gegenüber meine Landsleute; ich liebe die Holländer nicht, aber ich habe Achtung für sie, sie haben Charakter, sie besitzen Volkswürde, sie führen die Revoluzion aus, welche die Belgier nur beginnen konnten, und wie einst ihre Republik, so wissen sie auch jetzt ihren König zu vertheidigen....“ 27 Schon in diesem Schreiben erwähnt er, dass im Rheinland der „Vogel zuhause“ sei. Was ihm ganz offensichtlich als sympathischer Wesenszug des rheinischen Brauchtums erscheint. Sympathisch deshalb, weil doch das Schützenwesen ursprünglich weniger vom Schießen, denn vom Beschützen ausging. Wenige Jahre später, im „Wintermärchen“, ist ein Wandel eingetreten. Ein bedeutendes Gedicht Heines, das zum Anlass für ein obrigkeitliches Verbot wird, entstanden auf Heines vorletzter Deutschlandreise im Winter 1843/44, war es bereits im Spätsommer 1844 bei Hoffmann und Campe in Hamburg in einer Gedichtsammlung veröffentlicht worden. Nicht ohne dass Heine es überarbeiten und für die Veröffentlichung entschärfen musste. Der Verleger hat Heine gewarnt, dass er mit dem Gedicht in Zukunft viel Ärger haben werde. Heine hat dies in Kauf genommen, und es kam schlimmer, als Campe dies überhaupt je erwartet hätte. Selbst die überarbeitete Fassung enthielt immerhin noch so viel Sprengstoff, dass das Buch bereits am 4. Oktober 1844 verboten und beschlagnahmt wurde. Am 12. Dezember 1844 erfolgte ein königlicher Haftbefehl gegen Heine in Preußen. Heine muss aber das Risiko, das die Veröffentlichung des Wintermärchens mit sich brachte, sehr bewusst gewesen sein. Sein Brief an Campe vom 3. Mai 1844 stellt in Rechnung, dass die Zensur das Gedicht in jedem Falle nicht zur Veröffentlichung zugelassen hätte. Die erwartete Wirkung des Gedichts beschreibt Heine folgendermaßen: „Ich hatte Ihnen in dieser Beziehung den Atta Troll vorgeschlagen, aber bey näherem Erwägen Ihrer Interessen habe ich ausgefunden, daß es viel besser wäre, wenn ich das neue Gedicht an die Stelle des Atta Troll in den 2ten Gedichtband aufnehme. Ich sichere dadurch diesem 2ten Band die ungeheuerste Vogue, ich gebe ihm den einen Schwung über den Sie erstaunen werden...“ 28 138 Heine ringt mit Julius Campe um das Werk, in seinem Brief vom 5.6.1844 an Campe versucht er ihn folgendermaßen zu überzeugen: „Da ich Ihrer Aengstlichkeit wegen, aller jener prosaischen Beygabe, die wirklich sehr radikal geworden wäre, enthalte, so ist mein Gedicht nicht bedenklicher als so manches Andre was in Deutschland gedruckt wird. Wird das Buch nicht zu streng verboten, so giebt ihm dennoch das neue Gedicht einen Zug, wodurch es mit dem Buch der Lieder gewiß rivalisieren kann und tausende werden es kaufen, die gewiß für den zahmeren lyrischen Inhalt des Buchs kein Interesse gefühlt hätten. Tritt aber der schlimmste Fall ein und das Buch würde strenger verpönt als zu erwarten steht, so verlieren Sie nicht viel, denn da Ihnen die Gedichte gehören, so können Sie sie ja als ein neues Buch nach Belieben wieder drucken und ohne das große politische Gedicht werden Sie gewiß überall die Censur passiren. Lassen Sie nur bey Leibe niemanden mein Mspt [Manuskript] sehen und sprechen Sie niemanden davon, damit das Buch gedruckt und ausgegeben werden kann ehe man nur im mindesten Lunte riecht; bey dem unverfänglichen Titel (ich nenne das Buch ‚Neue Gedichte von H. Heine’ merken Sie sich das) gehen wir noch sicherer und man ist weit davon entfernt von mir etwas zu revolutionäres zu erwarten...“.29 Die bittere, ja beißende Ironie des Gedichts macht Heines Kritik an den Zuständen in Deutschland überdeutlich. Vieles ist über das „Wintermärchen“ geschrieben worden. Hat das Gedicht damals konkrete aktuelle Themen aus künstlerischen Kreisen aufgenommen? Zumindest für einen kleinen Teil des Gedichts, Caput III, kann man dies annehmen: „Zu Aachen, auf dem Posthausschild, Sah ich den Vogel wieder, Der mir so tief verhaßt! Voll Gift Schaute er auf mich nieder. Du häßlicher Vogel, wirst du einst Mir in die Hände fallen, So rupfe ich dir die Federn aus Und hacke dir ab die Krallen. Du sollst mir dann, in luft‘ger Höh‘, Auf einer Stange sitzen, 139 Und ich rufe zum lustigen Schießen herbei Die rheinischen Vogelschützen. Wer mir den Vogel herunterschießt, Mit Zepter und Krone belehn ich Den wackern Mann! Wir blasen Tusch Und rufen: »Es lebe der König!«“ Dieser kleine Abschnitt des Gedichts korrespondiert auffällig mit Schwingens Gemälde „Das Schießen um ein fettes Schwein“, das er in mindestens zwei Ausführungen auf den Markt brachte. Eine für Schwingen geradezu monumental zu nennende Fassung im Format 81 x 102 cm von 1844 (Abb. S. 147), die auf der Akademieausstellung gezeigt wurde, und eine kleinere Fassung im Format 35,5 x 25 cm (Abb. S. 128), die nicht datiert ist und deutliche Pointierungen im Vergleich zur größeren Fassung zeigt. Bereits 1843 ist in den Akademieunterlagen erwähnt, dass Schwingen ein Schützenfest mit Bauern malt. Beide Bilder zeigen den Moment, in dem der Vogel gefallen ist und der Schützenkönig feststeht. Man reicht ihm den Weinpokal und das fette Schwein, der Hauptpreis des Schießens, wird ihm zugeführt. Es sind wunderbar stimmungsvolle Genrebilder, die zunächst eher unverdächtig daher kommen. Bilder, die vordergründig die Tradition des rheinischen Schützenwesens feiern. In Verbindung mit den Versen Heinrich Heines allerdings verliert insbesondere die kleinere Fassung der beiden Bilder ihre Unschuld und wird dem Kenner zur Metapher für den Argwohn, den die Rheinländer den Preußen entgegenbrachten. Unglücklich mit der Entscheidung, die während des Wiener Kongresses getroffen wurde, das Rheinland Preußen einzugliedern, wäre man lieber unter der doch eher als sanft empfundenen Hand der Bayerischen Regierung, die man durch die Kurfürsten lange gewöhnt war, geblieben. So nun seit 1815 Preußen eingegliedert, wofür die preußische Vergangenheit Kleves30 sicher ein wesentliche Rolle spielte, sprach aus den Zeilen Heines die ganze Verachtung, die der Rheinländer dem Preußentum entgegenbrachte. Der doppeldeutige Ruf „Es lebe der König“ galt selbstverständlich dem Schützenkönig, nicht dem in Berlin residierenden Staatsoberhaupt. Und genau diesen Moment malt Schwingen, der Schützenkönig als neuer Bürgerkönig, den treuen Jagdhund vom Typus des Kleinen Münsterländers zu 140 Füßen. Im Hintergrund ein altes Kirchlein mit einem Fachwerkhaus davor, ein rheinisches Dorf, wie Schwingen es aus seiner Kindheit kannte. Die Fahnen sind eben nicht in den preußischen Farben, sondern weiß-blau und rot-weiß, die alten kurfürstlichen Farben des Rheinlands. Das Jagdrecht war seit alters her das Privileg des Adels, daher kann der Jagdhund in diesem Zusammenhang durchaus als eine Anspielung auf die Emanzipation der Bauern und Bürger gesehen werden. Ein erstes Jagdgesetz entstand in Preußen erst 1848 nach der Revolution. Schwingen zeigt sich hier als ein Meister der sehr versteckten Botschaft, die nur der Eingeweihte zu lesen versteht. Deutlich wird aber, dass er sich etwa gleichzeitig mit Heine mit dem Thema des Vogelschießens beschäftigt. Es macht ihm offensichtlich Freude, diese humorvoll-naive Szene des bäuerlichen Lebens mit einer versteckten Botschaft zu versehen. Es kann wohl kaum Zufall sein, dass er dieses Bild im Jahr 1844, dem Erscheinungsjahr des „Wintermärchens“, malt. Der Anti-Musikverein wird mit seinen intellektuellen Köpfen, tagend im damals angenommenen Geburtshaus Heines, dessen Frontalangriff auf die deutsche Politik in diesem Jahr wahrgenommen und diskutiert haben. Dass Heine mit dem „Wintermärchen“, das er im Winter 1843/44 verfasst hatte, ein Meisterwerk gelungen war, ist dem Autor selbst bereits klar, als er das Werk seinem Verleger Julius Campe in Hamburg in einem Brief vom 20.2.1844 anbietet: „Liebster Campe! Ihren Brief habe ich bereits vor 8 Tagen erhalten und auch heute bin ich noch nicht im Stande Ihnen ordentlich zu schreiben. Denn seit 10 Tagen ist mein schreckliches Augenübel, schrecklicher als je, wieder eingetreten und ich schreibe Ihnen diese Zeilen mit der größten Mühe diese Zeilen; ich kann kaum die Buchstaben sehen. War just mitten in einer großen Arbeit, als das Malheur wieder kam. Hab seitdem ich zurück viel gearbeitet z. B. ein höchst humoristisches ReiseEpos, meine Fahrt nach Deutschland, ein Cyklus von 20 Gedichten gereimt, alles gottlob fertig; werde eine Porzion Prosa hinzuschreiben u Ihnen also [Textverlust] bald das nothwendige Bändchen geben. Sie werden sehr mir zufrieden seyn u das Publikum wird mich in meiner wahren Gestalt sehen. Meine Gedichte, die neuen, sind ein ganz neues Genre, versifizirte Reisebilder, und werden eine höhere Politik athmen als die bekannten politischen Stänkerreime. Aber sorgen Sie frühe für Mittel etwas was vielleicht unter 21 Bogen ohne Censur zu drucken.“ 31 141 Am 10. Juli 1844 beantwortet Campe Heines Schreiben und warnt ihn eindringlich davor, dieses Gedicht zu veröffentlichen: „Wäre mir die Sache recht gewesen, hätte ich mich freuen können, ich würde Ihnen sogleich geschrieben haben; – aber das konnte ich nicht. Sie werden sehr viel für dieses Gedicht zu leiden haben! – Es ist durchaus unpopulair und nur für Männer zugänglich. Nicht zu gedenken, daß Sie den Patrioten neue Waffen gegen Sich in die Hände geben und so die Franzosenhasser wieder in die Schranken rufen: auch die Moralisten werden über Sie herfallen–. Von allen Seiten werden Sie gestoßen und gehechelt werden. Im Geiste sehe ich alle diese Fatalitäten aufbrausen, die mich ebenso unangenehm, wie Sie Selbst berühren, da es mir nicht gleichgültig ist, wie Sie in Deutschland accreditiert stehen.“ 32 Im September 1844 schreibt Heine an Karl Marx: „Liebster Marx! Ich leide wieder an meinem fatalen Augenübel, und nur mit Mühe kritzle ich Ihnen diese Zeilen. Indessen, was ich Ihnen wichtiges zu sagen, kann ich Ihnen Anfangs nächsten Monaths mündlich sagen, denn ich bereite mich zur Abreise, beängstigt durch einen Wink von Oben – ich habe nicht Lust auf mich fahnden zu lassen, meine Beine haben kein Talent eiserne Ringe zu tragen, wie Weitling sie trug. Er zeigte mir die Spuren. Man vermuthet bei mir größere Theilname am Vorwärts als ich mich deren rühmen kann, und ehrlich gestanden das Blatt beurkundet die größte Meisterschaft im Aufreitzen und Comprimittiren. Was soll das geben, sogar Mäurer ist debordirt! – Mündlich mehr hierüber. Wenn nur keine Perfidien in Paris ausgesponnen werden. Mein Buch ist gedruckt wird aber erst in 10 bis 14 Tagen hier ausgegeben, damit nicht gleich Lärm geschlagen wird. Die Aushängebogen des politischen Theils, namentlich wo mein großes Gedicht, schicke ich Ihnen heute unter Kreuzkouvert, in dreyfacher Absicht. Nemlich, erstens damit Sie sich damit amüsiren, zweitens damit schon gleich Anstalten treffen können für das Buch der der deutschen Presse zu wirken, und drittens damit Sie, wenn Sie es rathsam erachten im Vorwärts das Beste aus dem neuen Gedichte abdrucken lassen können. ...“ 33 Der „Vorwärts!“, den Heine hier erwähnt, war das deutschsprachige Wochenblatt, das in einer Auflage von 1000 Stück zwei mal wöchentlich in Paris erschien. Es war das Sprachrohr der deutschen Exilanten in Frankreich und wurde von Giacomo Meyerbeer finanziert. Ab Juli 1844 hatte Karl Marx wesentlichen Einfluss auf die Redaktion des Blattes, das 1845 sein Erscheinen 142 einstellen musste, da die Redakteure ausgewiesen wurden. Wilhelm Christian Weitling, den Heine hier erwähnt, war der erste Theoretiker des Sozialismus – er geriet später in einen heftigen Gegensatz zu Karl Marx und – in Vergessenheit. Aber Heine war das Schicksal des „genialen Schneiders“ Weitling (so Rosa Luxemburg), der in den Jahren 1843/44 in Zürich eingekerkert war und ergreifende Gedichte über diese Zeit verfasst hat, durchaus bekannt.34 Karl Marx Verteidigung Heinrich Heines im Pariser Vorwärts ist eine scharfe Stellungnahme, die den politischen Stellenwert, der dem Gedicht damals beigemessen wurde, verdeutlicht: „Paris 1844, ersten Dezember Vor einigen Tagen sah man eine Anzahl sogenannter ‚deutscher Patrioten’ von einem französischen Redactionsbureau zum anderen, vom National zum Charivari, von der Revue de Paris zur Démocratie practique usw. usw. hausieren gehen mit etlichen anonymen Artikeln der Ausgsb. Zeitung. Diese Artikel waren dazu bestimmt als Überführungsdokumente gegen einen großen Verbrecher, gegen Heinrich Heine, zu dienen. Die französischen Zeitungen sollten ich öffentlich für einen Abtrünnigen erklären und die Aufrichtigkeit seiner Teilnahme an der neuesten revolutionären Bewegung Deutschlands verdächtigen helfen. So wahrhaft komisch, wenn einige gänzlich unbedeutende Subjecte, welche sich der kritiklosesten Ignoranz über die neuste Entwicklung erfreuen, das Verhältnis deutscher Schriftsteller zu eben dieser Entwicklung zu bestimmen sich unterfangen. Wir würden derselben Komik verfallen, wollten wir Heinrich Heine, eine der deutschen Incarnationen des humanistischen Princips, rechtfertigen gegen jene großen Unbekannten, deren gesammelte officielle wie private Thätigkeit sich darauf beschränkt, Ludwig Börne gekannt und sich für das Hambacher Fest enthusiasmirt zu haben. Übrigens stellen jene ‚Patrioten’ sich selber ihr gebührendes Armuthszeugniß aus, indem sie von vornherein auf jede Kritik der umfassenden literarischen Wirksamkeit Heine’s verzichten, und zu kleinlichen, auf anonyme Zeitungsartikel gefußten Denunziatiönchen ihre Zuflucht nehmen. Sie finden hierin die ihren Fähigkeiten entsprechendste Operationsweise. Wir aber sind überzeugt, daß die französischen Redactionen ihrerseits nur aus Unbekanntschaft mit deutschen Verhältnissen ihre Blätter einen Augenblick zu Organen dieser gehässigen, lediglich persönlichen Umtriebe hergegeben haben“.35 143 Ebenfalls im Dezember 1844 veröffentlichte die Revue de Paris in den Nummern 94 und 95 das Wintermärchen in einer französischen Übersetzung. Man kann also davon ausgehen, dass im Dezember 1844 die gebildete Welt im Detail über diesen Geniestreich Heines informiert war. Bereits im Oktober 1844 berichtete der Verleger Julius Campe vom wirtschaftlichen Erfolg des Buches, das sich trotz (oder wegen) heftiger Kritik am Markt doch gut bewährt: „Wie ich Ihnen gleich sagte, der Deutsche verträgt dergleichen Huren- und Nachtstuhl-Geschichten nicht. Sein Schiller wird immer vorgeritten, der solche Sünden nicht beging ...“ (Brief vom 25.10.1844). Mitte Oktober bittet Heine bereits wieder um zwölf neue Exemplare der zweiten Auflage, da er alle seine Exemplare bereits verausgabt hat. Dass das Thema „Vogelschießen“ in den Jahren um 1844 eine gewisse Rolle in den Düsseldorfer Künstlerkreisen spielte, macht auch das Gemälde von Friedrich Boser „Vogelschießen der Düsseldorfer Künstler im Grafenberger Wald“ aus diesem Jahr deutlich.36 Hier handelt es sich allerdings um eine ideal-dokumentarische Darstellung der damals wichtigsten Vertreter der Düsseldorfer Malerschule, die Boser kunstvoll im Gemälde versammelt hatte. Es zählt zur „Freundschaftsgalerie“, wie der Düsseldorfer Katalog von 2011 dies so treffend benennt. Das „Vogelschießen“ Bosers scheint auch eine sehr versteckte Botschaft enthalten zu haben: „Wir können auch anders ...“ Erinnerte das Vogelschießen doch an die seit dem Mittelalter gepflegten Traditionen eines selbstbewussten Bürgertums, das in der Waffenführung geübt war, um die eigenen Belange zu schützen. Bereits 1842 entstanden Vorskizzen für das Gemälde, das wegen seines dokumentarischen Charakters für die Mitglieder der Akademie sicher Gesprächsstoff geboten hat. Der Austausch über Themen und Gegenstände wird den Malern zur Anregung geworden sein. Möglich wäre, dass Schwingen dieses Thema aus den Vorskizzen Bosers aufgenommen und recht eigenwillig interpretiert hat. Vielleicht ist er mit dem kleinformatigen Bild ein wenig früher als Boser an die Akademie-Öffentlichkeit gegangen und hat dann eine weniger politische Version des Bildes, die großformatigere Arbeit, auf der AkademieAusstellung gezeigt. Die große Version vom „Schießen um ein fettes Schwein“ (heute in der Sammlung Volmer) hat fast das gleiche Format (81 x 102 cm) wie Bosers Gemälde vom Schießen im Grafenberger Wald (81 x 104,8 cm). 144 Wenn dieser Vorgang so gewesen wäre, würde Boser sicherlich darüber verärgert gewesen sein, seine Bildidee in einem gänzlich anderen Zusammenhang wiederzufinden. Schwingen hat Bosers Bildthema den erhabenen Ernst genommen, er hat es in das ländliche, folkloristische Genre versetzt. In diesem Zusammenhang muss man auch feststellen, dass Schwingen auf Bosers „Freundschafts-Bild“ vom Vogelschießen der Künstler nicht dargestellt wurde. In den Zeiten des Vormärz muss ein solches Thema immer kryptopolitisch verstanden worden sein. Eine der Führungspersonen der revolutionären Umtriebe 1848 war der bereits oben erwähnte Kaufmann Laurentz Cantador. Er war im Vormärz nicht nur aktiv im Karneval und bei den wohltätigen Vereinen der Stadt, er war Vorsitzender der St. Sebastianusschützen in Düsseldorf, somit eng vertraut mit dem Thema „Vogelschießen“. Konsequenterweise gehörte er dann auch zu den Gründern der Bürgerwehr, der im Laufe des Jahres 1848 etwa 2.500 Männer zuströmten. (Zum Vergleich: Düsseldorf hatte damals etwa 24.000 Einwohner.) Cantador wurde Kommandeur der Bürgerwehr, der auch Maler der Akademie angehörten. So ist eine enge Verknüpfung zwischen Malern der Akademie und den Schützen Düsseldorfs gegeben. Das Vogelschießen war also ein allseits bekanntes Brauchtum, das auch von den Malern gepflegt wurde. Überhaupt waren die Künstler der Akademie sehr stark eingebunden in das städtische Leben, was auch daran zu erkennen ist, dass die Künstler zum antipreußischen „Einheitsfest“ im August 1848 eine monumentale Figur der Germania aufbauten. Die Themen, welche die Stadt bewegten, bewegten auch die Künstler und umgekehrt. Aber auf welchen Wegen hätte das Thema „Vogelschießen“ in den akademischen Kreisen Düsseldorfs im Jahr 1844 vermittelt werden können? Warum wenden sich verschiedene Künstler diesem doch eher abgelegenen Thema zu? Wie kamen Heine, Boser und Schwingen dazu, das Vogelschießen zu thematisieren und ihm, weniger bei Boser als bei Heine und Schwingen, eine zentrale antipreussische und zugleich prorheinische Aussage zu konnotieren? Abgesehen von den Allgemeinplätzen, dass ein Thema erscheint, wenn die Zeit reif dafür ist. Eine Möglichkeit, die in Betracht zu ziehen wäre, ist diese: Der Maler Christian Köhler (1809-1861) war zunächst Pferdeknecht beim Schriftsteller Carl 145 Gottlieb Samuel Heun (1771-1854) gewesen. Die Begabung Köhlers zur Malerei erkannte Wilhelm von Schadow, der ihn 1826 nach Düsseldorf an die Akademie holte. Dort wurde Köhler Schadows Meisterschüler.37 Heun veröffentlichte unter dem Pseudonym Heinrich Clauren zahlreiche Erzählungen und romantische Romane, ebenso Komödien. Darunter die 1822 in Dresden erschienene Komödie „Das Vogelschießen“, die mit viel Erfolg auf den Bühnen in Berlin aufgeführt worden war. Heunes Schriften zogen zahlreiche Kritik auf sich, kulminierend in der satirischen Dichtung Hauffs „Der Mann im Mond“, der Heunes Stil nachahmte und zugleich in Lächerliche zog. Doch dem Publikum gefiel Heunes Dichtung. Er gehörte zu den beliebtesten Schriftstellern des frühen 19. Jahrhunderts. Heinrich Heine kannte Claurens Komödien. Möglicherweise auch das „Vogelschießen“, welche er mit der enthusiastisch gefeierten Schauspielerin Amalie Neumann 1822 in Berlin gesehen haben könnte. Heines „Briefe aus Berlin“ berichten ausführlich über die Anekdoten rund um „die Neumann“, die damals ganz Berlin bezaubert haben soll.38 Es handelt sich bei Claurens „Vogelschießen“ um eine höchst humorvolle, feinsinnige Komödie, in der die Liebe, Intrigen, Politik und die Ereignisse rund um das Vogelschießen im Örtchen Flachsensingen, in der Sächsischen Schweiz gelegen und als eine Art Schilda beschrieben, große Verwirrungen mit sich bringen. Kurz, es wird eine nette Verwechslungskomödie organisiert, im Mittelpunkt steht natürlich, wie sollte es anders sein, die Liebe. Standesdünkel, Versagen der Verwaltung, Vergehen der Hofschranzen, der Journaille und der Möchtegerne-Bürger werden vorgeführt. Am Schluss löst sich alles auf durch den Mut einer jungen Frau und ihres Geliebten. Der gute Fürst waltet klug, bestraft die Schuldigen und belohnt die Anständigen. Ein Lob auf den aufgeklärten Absolutismus, das damals durchaus politisch verstanden wurde. Das Stück wurde häufig und mit viel Erfolg aufgeführt. Zahlreiche Bühnen bedienten sich der beliebten Vorlage, teilweise allerdings ohne die entsprechenden Gebühren an den Verlag bzw. den Autor zu entrichten, wie dieser in einem beigehefteten Anhang beklagt.39 Carl Heun hatte eine im Wesenskern staatstragende Liebeskomödie auf die Bühne gebracht. Dies ist im Zusammenhang mit seiner etwa zeitgleichen Verantwortung als Redakteur (in den Jahren von 1820 bis 1823) der Allgemeinen Preußischen Staatszeitung, die als Regierungsorgan etabliert wurde, zu sehen. 146 Heine schien zwar die Neumann auf der Bühne goutiert zu haben, eher weniger aber die Werke aus der Feder Claurens, die ihn zu einer äußerst spitzen Bemerkung provozierte: Im „Buch Le Grand“ ist über Clauren zu lesen: „Clauren ist jetzt in Deutschland so berühmt daß man in keinem Bordell eingelassen wird wenn man ihn nicht gelesen hat.“ Dies ist eine durchaus als böswillig zu bezeichnende Unterstellung, die aber deutlich macht, dass Heine dem Autor Käuflichkeit unterstellt. Was durch seine enge Verbindung zum preußischen Staatsapparat sowie seinen populistischen Markterfolg aus Heines Sicht nahe lag. Deutlich wird aber, dass das Vogelschießen ein Thema von breiterem Interesse war und seinen Niederschlag sowohl in der Literatur wie in der Malerei fand. Heinrich Heine und Peter Schwingen widmeten sich jedenfalls etwa zur gleichen Zeit diesem Thema. Der eine voller Sarkasmus, der andere mit feiner gemalter Ironie. Eine erstaunliche Parallele. Schießen um ein fettes Schwein, Öl auf Leinwand, um 1844, Stiftung Sammlung Volmer Wuppertal 147 Es gibt aber weitere Verbindungen zum Thema. So schrieb der in den Düsseldorfer Künstlerkreisen berühmte Ferdinand Freiligrath in dem Gedicht „Zwei Flaggen“ im Zyklus „Ein Glaubensbekenntnis“ (1844) folgende Strophen: „Und runzeln wir ihm auch die Braun, Wir sagen doch: Ein wackrer Kämpfer! – Denselben Tag im Abendgraun Fuhr noch stromab ein Kölner Dämpfer. Dem flog, vom Winde flott geschwellt, Breit übern Bord der Aar von Preußen; Daneben, schwarz im gelben Feld, Der Doppeladler aller Reußen! Derselbe schwarze, der zerfleischt Den weißen jüngst als gute Beute; Derselbe, der das Dach umkreischt Wildfreier Bergbewohner heute; Derselbe, der von seinem Pol Rundspäht mit immer kühnerm Dräuen, Und, als der Despotie Symbol, Feind und verhaßt ist allen Freien!“ Der preußische sowie der österreichische Adler waren allgemein zum Symbol der politischen Unterdrückung geworden. Man kann davon ausgehen, dass dies auch und gerade in den Düsseldorfer Künstlerkreisen so gesehen wurde. Anmerkungen Alle Internetadressen wurden im Mai/Juni 2012 eingesehen. 1 http://www.hhp.uni-trier.de/Projekte/HHP/start - Heinrich Heine Portal. Vgl. www.muffendorf.net/PeterSchwingen/index.html 3 Kat. Düsseldorf 2011, Bd. 2, S. 307. 4 Dieses Bild kennen wir bisher leider nicht, allerdings soll hier der Hinweis gegeben sein auf ein Gemälde Carl Spitzwegs mit gleichem Titel aus dem Jahr 1845. 5 Kat. Düsseldorf 2011, Bd. 1, S. 278. 6 Zitiert nach Baumgärtel 2011, S. 25. 7 Markowitz 1980, S. 55. 8 Markowitz 1980, S. 55. 9 www.mendelssohn-in-duesseldorf.de/ 10 Frohn 1999, S. 7. 2 148 11 Baumgärtel 2011, S. 27. 12 Heidermann 2013, S. 28-33. Heidermann 2013, S. 28-33. 14 Baumgärtel 2011, S. 34. 15 Baumgärtel 2011, S. 28. 16 Abb. Kat. Düsseldorf 2011, Bd. 2, Kat.-Nr. 31, S. 55. 17 Verwiebe 2011, Bd. 1, S. 321 ff. 18 Siehe Heidermann, Leben und Werk, S. 54ff. 19 Heidermann Dokumentation Peter Schwingen auf: www.muffendorf.net, Peter-SchwingenGesellschaft Bonn-Bad Godesberg e.V. 20 Frohn 1999, S. 22, 23. 21 Frohn 1999, S. 105. 22 Frohn 1999, S. 105, S. 294. 23 Frohn 1999, S. 296. 24 http://ww.duesseldorf.de/stadtarchiv/stadtgeschichte/gestern_heute/b_09_stadtgeschichte.shtml 25 Vgl. Frohn 1999, S. 86. 26 Vgl. Frohn S. 234. 27 http://www.hhp.uni-trier.de/Projekte/HHP/Projekte/HHP/searchengine/briefe?briefnr=HSA21 ,687&letterid=W21B0687&lineref=A253_36&mode=2&textpattern=Vogel&firsttid=0&width given=30 28 http://www.hhp.uni-trier.de/Projekte/HHP/briefe/04baende/band22/index_html?widthgiven= 30&letterid=W22B1002&lineref=0&mode=1 29 http://www.hhp.uni-trier.de/Projekte/HHP/briefe/04baende/band22/index_html?widthgiven= 30&letterid=W22B1002&lineref=0&mode=1 30 1614 kamen Kleve, Mark und Ravensberg unter Brandenburgische Verwaltung 31 hhp.unitrier.de/Projekte/HHP/Projekte/HHP/briefe/01briefevon/adressat/A/index_html?width given=30&letterid=W22B0992&lineref=0&mode=1 32 http://www.hhp.uni-trier.de/Projekte/HHP/Projekte/HHP/briefe/02briefean/absender/A/index_html?widthgiven=30&letterid=W26B0712&lineref=0&mode=1 33 www.hhp.uni-trier.de/Projekte/HHP/briefe/04baende/band22/index_html?widthgiven=30&let terid=W22B1027&lineref=0&mode=1 34 Zu Weitling siehe: Hans-Arthur Marsiske: SoZ Magazin, Jg. 12, Nr. 26, Weihnachten 1997, S. 22-24. 35 Nach dem Faksimile des „Vorwärts“. Der anonym erschienene Text wird durch Jacques Grandjonc als Text von Marx identifiziert, erschien am 1. Januar 1845 im Prospektus des Vorwärts!, der am 1.1.1845 als Monatsschrift herauskam. Dazu J. Grandjonc, Du Vorwärts! à Lutezia: á propos des rapports entre Heine, Marx et Bernays en 1844 et 1848, in: Heinrich Heine 1797-1856, Schriften aus dem Karl-Marx-Haus, Trier Bd. 26, 1981“. Dank an Horst Heidermann für diesen Hinweis. 36 Kat. Düsseldorf 2011, Bd. 2, Kat. Nr. 21, S. 43. 37 Kat. Düsseldorf 2011, Bd. 2, S. 41 38 Vgl. http://hhp.uni-trier.de/Projekte/HHP/Projekte/HHP/searchengine/werke/baende/D06/ent erdha?pageid=D06S0457&bookid=D06&lineref=Z28&mode=2&textpattern=Vogelschiessen& firsttid=0&widthgiven=30http://hhp.uni-trier.de/Projekte/HHP/Projekte/HHP/searchengine/ werke/baende/D06/enterdha?pageid=D06S0457&bookid=D06&lineref=Z28&mode=2&textp attern=Vogelschiessen&firsttid=0&widthgiven=30 39 So im Expl. der Universitätsbibliothek München vorzufinden. 13 149 Archivalien Geheimes Staatsarchiv Preußischer Kulturbesitz, Berlin I. H.A. Rep. 76 Ministerium für die geistlichen, Unterrichts- und MedicinalAngelegenheiten V e Sekt. 18 Abt. V, Nr. 1 Vol. II, Blatt 163-164 (Coblenz und Düsseldorf d.14. Dezember 1831 Unterstützung des Kunstschülers Peter Schwingen aus Muffendorf betr.) wie oben, Vol. III, Bl. 33 (Schreiben des Kuratoriums der Königlichen Kunstakademie Düsseldorf vom 24.2.1835 an das Ministerium der geistlichen, Unterrichts- und Medicinal-Angelegenheiten) Stadtarchiv Bonn Go 317 Gründung eines Heimatmuseums; Go 1375 Geschichte Godesbergs, Erwerb eines Gemäldes von Peter Schwingen; Go 1503 Maler Peter Schwingen, darin Vortrag Dr. Cohen in Bad Godesberg 1931, Manuskript Nick für Thieme/Becker; Go 1508 Inventarverzeichnis des Heimatmuseums; Go 10098 Protokolle des Gemeinderates Muffendorf 1846 bis 1891; Go 16716 Ausstellung 1964 Bad Godesberg; Personenstandakten; Zeitungsausschnittsammlung Landesarchiv NRW, Düsseldorf Regierungspräsidium Düsseldorf, Präsidialbüro, Bd. 1558-1559, darin Schülerlisten der Kunstakademie Düsseldorf 1832-1845 (Microfiche); Gerichte Rep. 11, Nr. 1447, Bl. 310-329, Bittschrift vom 16.12.1848 anlässlich der Verhaftung von Laurentz Cantador Stadtarchiv Düsseldorf (Teil-)Nachlass Hermann Becker mit Jahresberichten des „Vereins Düsseldorfer Künstler zur gegenseitigen Unterstützung und Hilfe“ (unvollständig); Bürgerbuch, S. 288; Personenstandsakten; Handschriftensammlung; Adressbücher Düsseldorf 150 Archiv des Künstler-Vereins Malkasten, Düsseldorf Mitgliederlisten; Teilnehmerliste des Frühlingsfestes auf der Fahnenburg 1851 Archiv Söhn, Düsseldorf (Privatbesitz) U. a. Korrespondenz von Julius Söhn und Walter Cohen; Personenstandsunterlagen; Fotografien von Julius Söhn Archiv Stiftung Museum Kunstpalast, Düsseldorf Teil-Nachlass Walter Cohen Historisches Archiv der Stadt Köln Nachlass Anton Fahne (über den „Allgemeinen Verein der Carnevalsfreunde“) Kath. Pfarramt Muffendorf Tauf-, Heirats-, und Sterberegister Privatbesitz, Wuppertal Nachlass Peter de Weerth, darin Tagebücher von 1808 bis 1855 (digitalisiert und zum Teil transkribiert von Dr. Antonia Dinnebier) 151 Gedruckte Quellen und Literatur Ammermüller 2010: Ammermüller, Martin, Spaziergang über den Burgfriedhof, hg. vom Verein für Heimatpflege und Heimatgeschichte Bad Godesberg e.V., Bad Godesberg 2010 Baumgärtel 2011: Baumgärtel, Bettina, Die Düsseldorfer Malerschule und ihre internationale Ausstrahlung, in: Kat. Düsseldorf 2011, Bd. 1, S. 25-49 Becks-Malorny 1992: Becks-Malorny, Ulrike, Der Kunstverein in Barmen 1866-1946. 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Besprechung der Veröffentlichung in: Zeitschrift für Kunstgeschichte, Jg. 1932, S. 246). de Weerth 1915: de Weerth, Dr. Wilhelm, Geschichte der Familie de Weerth, 2 Bde., Düsseldorf 1915 de Weerth 1932, 1935,1938: de Weerth, Dr. Wilhelm, Müttergeschlechter in der Ahnentafel, 3 Folgen, Düsseldorf 1932, Düsseldorf 1935, Düsseldorf 1938 de Weerth/Schniewind, 47, 1972: de Weerth, Gerda Dorothea und Gisela Schniewind, Nachkommen des Julius Bemberg und seiner Frau Karoline Wülfing, in: Deutsches Familienarchiv, Bd. 47, 1972, S. 1-22; Nachkommen des Robert Wülfing und seiner Frau Emma Wever, S. 23-42; Nachkommen des Rudolf Steinkauler und seine Frau Maria Wülfing, S. 43-62 Eynern 1901: Eynern, Ernst von, Friedrich von Eynern. Ein bergisches Lebensbild, in: Zeitschrift des Bergischen Geschichtsvereins 35. 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