Der Zerfall Jugoslawiens - Bundesverband Sicherheitspolitik an
Transcrição
Der Zerfall Jugoslawiens - Bundesverband Sicherheitspolitik an
W I S S E NS C H AF T & S I C HE R HE I T o nli ne Texte der Arbeitskreise Sicherheitspolitik an Hochschulen Nr. 5/2006-10. Mai 2006 Der Zerfall Jugoslawiens Robert A.P. Glawe Diese Veröffentlichung beschäftigt sich mit dem Zerfall der einstigen Bundesrepublik Jugoslawien aus völkerrechtlicher Perspektive. Eine umfassende rechtshistorische Darstellung des Sezessionsprozesses seit dem Tode von Josip Broz „Tito“ ist unumgänglich. Die Komplexität der Entstehung von insgesamt fünf Staatengebilden, die dem einstigen Bundesstaat Jugoslawien nachfolgen, verlangt eine Konzentration auf einige ausgewählte Aspekte. Daher werde ich insbesondere auf den Fall Bosnien- Herzegowinas, der vor allem in Westeuropa aufgrund der tragischen Der Bundesverband Sicherheitspolitik an Hochschulen (BSH) ist der Dachverband sicherheitspolitischer Hochschulgruppen an deutschen Universitäten. Der BSH setzt sich aus sicherheitspolitisch interessierten Studierenden, Doktoranden und Lehrkräften aller Fachrichtungen zusammen. Die Mitgliedschaft im BSH steht allen sicherheitspolitisch interessierten Personen mit akademischem oder praktischem Hintergrund offen, welche die Grundsätze und Ziele des BSR teilen. jahrelangen kriegerischen Auseinandersetzung intensiv in der öffentlichen Berichterstattung verfolgt wurde, sowie auf die nach Unabhängigkeit strebende Provinz Kosovo eingehen. Im Falle Bosnien- Grundsätze des BSH Der BSH steht ein für die Verteidigung der Werteordnung des Grundgesetzes. In unserer sicherheitspolitischen Arbeit bildet die Auseinandersetzung mit Bedrohungen dieser Werteordnung einen Schwerpunkt. Zudem ist uns die Aufrechterhaltung der akademischen Freiheit ein besonderes Anliegen. Die Schaffung von Erkenntnis im Wettbewerb der Ideen setzt voraus, daß alle Stimmen gehört werden. Die Arbeit des BSH Die Arbeit des BSH richtet sich an alle Studierenden und erfolgt überparteilich und überkonfessionell. Die Aktivitäten des BSH umfassen: • Sicherheitspolitische Bildungsarbeit an Hochschulen • Akademische Nachwuchsförderung im sicherheitspolitischen Bereich • Wissenschaftliche Auseinandersetzung mit sicherheitspolitischen Fragestellungen • Weiterbildung- und Qualifikation der Mitglieder im Bereich politische Bildung und Sicherheitspolitik Herzegowinas sollen auch insbesondere das zögerliche Handeln Staatengemeinschaft der und internationalen die entgegen- stehenden Interessen der großen Weltmächte kritisch betrachtet werden, während im Falle des Kosovo die Frage erörtert werden soll, weshalb Impressum Wissenschaft & Sicherheit wird herausgegeben durch die AG Wissenschaft & Sicherheit des BSH und erscheint in unregelmäßigen Abständen. Kontakt und kostenloses elektronisches Abonnement unter [email protected]. Kontakt sich auch nach den Erfahrungen mit der bosnischen Lösung solche Gewaltexzesse wiederholen konnten. Die unschlüssige gerichtliche Bewertung der Staatennachfolge auf dem Balkan soll kurz am Beispiel der ambivalenten Rechtsprechung des Bundesverband Sicherheitspolitik an Hochschulen - Geschäftsstelle Provinzialstr. 91 53127 Bonn Tel.: 0228/2590 914 Fax: 0228/2590 950 Im Internet: www.sicherheitspolitik.de ISSN: 1613-5245 (elektronische Ausgabe) IGH zu Jugoslawien beleuchtet werden. Wissenschaft & Sicherheit Nr. 5/2006-10. Mai 2006 1 Der Zerfall Jugoslawiens Abschließend werde ich einen vorsichtig optimistischen Ausblick auf die politische und völkerrechtliche Entwicklung auf dem Balkan der kommenden Dekade wagen. Gliederung: A. Zur Geschichte Jugoslawiens bis 1980 I. II. Bildung des Vielvölkerstaats 1918 Idee und Scheitern von Titos Jugoslawien B. I. II. III. IV. V. VI. VII. VIII. IX. X. XI. XII. XIII. XIV. Der Zerfall Jugoslawiens 1980 bis heute Die fehlende territoriale Integrität als Erklärung Das Schicksal Bosnien-Herzegowinas Waffenembargo gegen Jugoslawien Das Eingreifen der UNPROFOR Der Feind wird deutlich, die Unparteilichkeit bleibt gewahrt Versuche einer friedlichen Lösung Der Kriegsgerichtshof in Den Haag und weitere Schritte der UN Der Vance-Owen-Plan und seine Folgen Der Rückzug der UN aus der Vermittlerrolle Der lange Weg von der Kooperation bis zum Dayton-Abkommen Das General Framework Agreement for Peace Völkerrechtliche Würdigung des GFAP Die Regelungen des GFAP Die Schwächen der UN bei der Konfliktlösung C. I. II. III. Die Folgen von Dayton am Beispiel des Kosovo Aufstand der Albaner Das Scheitern der Konferenz von Rambouillet Perspektiven des serbisch-albanischen Konflikts im Kosovo D. I. II. III. IV. V. Das juristische Nachspiel Die Rolle des Internationalen Gerichtshofs Jugoslawien als Beklagter vor dem IGH Jugoslawien als Kläger vor dem IGH Bewertung der beiden IGH-Entscheidungen Exkurs: Organisation und Arbeit des Internationale Strafgerichtshofs für das ehemalige Jugoslawien E. Abschließende Betrachtung Wissenschaft & Sicherheit Nr. 5/2006-10. Mai 2006 2 Der Zerfall Jugoslawiens A. Zur Geschichte Jugoslawiens bis 1980 Die Geschichte des Vielvölkerstaates Jugoslawien ist es sehr komplex und es ist nicht leicht, Einblicke in die Zusammenhänge zu erlangen. Geprägt ist die Geschichte des Landes durch Konflikte, Zerrissenheit und Kriege. Die Ursprünge und Hintergründe dieser Konflikte sind im Nachhinein nur sehr schwer zu erfassen. I. Bildung des Vielvölkerstaats 1918 Das ehemalige Jugoslawien mit der Hauptstadt Belgrad entstand 1918 aus verschiedenen südosteuropäischen Regionen. Dazu gehörten österreichische Kronländer, ein Teil des Königreiches Ungarn, das Königreich Kroatien-Slawonien, Bosnien-Herzegowina, das Königreich Serbien, 1913 an Serbien angeschlossene Gebiete sowie das Königreich Montenegro. Die sechs jugoslawischen Staatsnationen unterschieden sich unter anderem nach Sprache und Konfession. So haben Kroaten und Slowenen die gleiche Religion, sprechen aber unterschiedliche Sprachen. Kroaten, Serben und bosnische Muslime haben dagegen keinerlei Kommunikationsschwierigkeiten, unterscheiden sich aber in ihrem Glauben. Entstanden sind diese sechs Staatsnationen aus mehr als zwanzig verschiedenen Völkerschaften, die jahrhundertelang durch verschiedene Kulturräume geprägt wurden. Durch das Vordringen der Osmanen auf dem Balkan seit dem 14. Jahrhundert gerieten Serben, Montenegriner, Bosnier, Makedonier und Albaner in das islamische Osmanenreich und wurden geprägt durch islamische Traditionen. Die Slowenen wurden hingegen bereits im 9. Jahrhundert christianisiert und im folgenden durch die westkirchliche Zivilisation geprägt, als ihr Siedlungsgebiet im 14. Jahrhundert in den Besitzstand der Habsburger fiel. Das herausragende, mythenbehaftete historische Ereignis für die Balkanvölker war die Schlacht auf dem Amselfeld zwischen den Serben und ihren Verbündeten einerseits und den nach Westen vorrückenden Osmanen am 23. Juni 1389. Die Heerführer auf beiden Seiten, der serbische Fürst Lazar und der osmanische Sultan Murad I., überlebten die Schlacht nicht. Für das Verständnis der späteren Jahrhunderte wichtig ist die serbische Legende, dass im Laufe der Schlacht die Koalitionspartner – vor allem die Kroaten, wahrscheinlich auch Albaner – abgefallen seien und dadurch ein Schlachtsieg verhindert worden sei. Seither gelten andere Balkanvölker aus serbischer Sicht als illoyal, wenn nicht gar als Verräter und Feinde.1 Die Herausbildung eines südslawischen Staates nahm erst 1918 Gestalt an. Das Vereinigungsbestreben der südslawischen Völker begann allerdings bereits im 19. Jahrhundert. Zwischen 1830 und 1848 formierte sich in Kroatien der Illyrismus, aus dem später der Jugoslawismus hervorgehen sollte. Geprägt waren diese Bewegungen durch den Wunsch nach Vereinigung der südslawischen Länder. Die jahrhundertelange Fremdherrschaft sollte abgeschüttelt werden, Streitigkeiten über die Zugehörigkeit ethnischer Mischregionen verhindert werden und ein ausreichend großer und lebensfähiger Wirtschaftsraum sollte entstehen. Doch erst nach Abschluss des Ersten Weltkrieges wurde mit Unterstützung der Siegermächte der erste südslawische Staat gegründet. 1 Petritsch/Kaser/Pichler, S. 49ff. Wissenschaft & Sicherheit Nr. 5/2006-10. Mai 2006 3 Der Zerfall Jugoslawiens Der neue Vielvölkerstaat2 umfasst außer den Serben, Kroaten und Slowenen auch die südslawischen Völker der Bosniaken, Montenegriner und Makedonen; damals etwa zehn Millionen Menschen. Außerdem leben dort weitere zwei Millionen Menschen anderer Nationalitäten als Staatsbürger ohne besondere Minderheitenrechte; insbesondere Deutsche, Ungarn, Rumänen, Türken, Walachen, Italiener u.v.a. Interessant für die aktuelle Betrachtung der Staatennachfolge auf dem Balkan sind die vier damals erörterten Staatsmodelle. Die energische Debatte in der Folgezeit gipfelte in dem Bürgerkrieg der 90er Jahre. Das integrative Modell hat als Vision zum Ziel, die Einzelnationalismen der Serben, Kroaten und Slowenen zu überwinden. Im föderativen Modell sollen alle südslawischen Nationen gleichberechtigt sein. Das großserbische Modell zielt auf eine Ausweitung des serbischen Staatsverständnisses von vor 1918 auf den neuen Staat. Das separatistische Modell bevorzugt die völlige staatliche Trennung der einzelnen Nationen. Der Streit um die Verfassung von 1921 ist beispielgebend für das Schicksal des Balkans. Die Verfassung wird am serbischen Nationalfeiertag, dem 28. Juni, mit nur einfacher Mehrheit im Parlament verabschiedet. Die meisten Abgeordneten aus Kroatien und Slowenien votieren mit Nein oder bleiben aus Protest der Abstimmung fern. Die stark zentralistisch orientierte Verfassung verhindert jetzt bereits eine Integration der verschiedenen Völker.3 Verschärft werden die Gegensätze noch durch ein starkes Wirtschaftsgefälle von Norden nach Süden. Der einflussreiche Führer der kroatischen Bauernpartei, Radic, betrachtet 1921 das kroatische Volk als „unterdrückt wie nie zuvor“. Er will das Königreich in eine Konföderation umwandeln, wird aber 1928 im Parlament ermordet. In diesem Königreich festigen die Serben zum ersten Mal ihre Vorherrschaft über die anderen Völker.4 1929 wird der Staat in Jugoslawien umbenannt. Die Regierungsgeschäfte übernimmt der König, der sich im Wesentlichen auf die Armee stützt. Der serbische König Alexander wird 1934 von makedonischen und kroatischen Nationalisten ermordet. Auf Drängen Hitlers tritt Jugoslawien 1941 dem Dreimächtepakt bei. Nach einem Militärputsch wird Belgrad jedoch ohne Kriegserklärung von der deutschen Luftwaffe angegriffen. Kurz darauf wird Jugoslawien erobert und von Deutschen, Italienern, Bulgaren und Ungarn besetzt. Die Beziehungen der einzelnen Nationen und Volksgruppen zu unterschiedlichen Besatzungsmächten führen zu starken Verfeindungen innerhalb der Nationen5 und zur Polarisierung zwischen den Nationen.6 Obwohl rund ein Drittel der Bevölkerung Kroatiens Serben sind, strebt die neue kroatische Regierung ein serbenfreies Kroatien an. Die unbewältigte Vergangenheit war ein idealer Nährboden für nationalistische Parolen. Die Bewegung der Partisanen im Zweiten Weltkrieg sollte für das zweite Jugoslawien eine entscheidende Rolle spielen. Sie stand unter der Führung des Kroaten Josip Broz, der sich später den Decknamen Tito gab und die größte und stärkste europäische Widerstandsbewegung gegen 2 genannt „Königreich der Serben, Kroaten und Slowenen“. Sundhaussen, Geschichte Jugoslawiens, Kap. II. Jertz, S. 9. 5 so z.B. zwischen den kroatischen Ustaschen, die eng mit dem Deutschen Reich zusammenarbeiteten, und den kroatischen Partisanen. 6 so z.B. zwischen Serben und Kroaten. 3 4 Wissenschaft & Sicherheit Nr. 5/2006-10. Mai 2006 4 Der Zerfall Jugoslawiens Besatzung und Terrorherrschaft einleitete. Sein Ziel war eine kommunistische und föderative Umgestaltung des Landes, um die volle Gleichberechtigung der einzelnen Teilstaaten zu gewährleisten. Am 7. März 1945 bekam der unbestrittene Führer der kommunistischen Partei die Billigung der Alliierten, eine provisorische Regierung des neuen jugoslawischen Staates zu bilden. Am 29. November 1945 wurde dann die Sozialistische Föderative Republik Jugoslawien ausgerufen. II. Idee und Scheitern von Titos Jugoslawien Titos Jugoslawien begann mit hoffnungsvollen Perspektiven, denn neben den beiden großen Nationalitäten der Serben und Kroaten wurden auch anderen Völkerschaften eigene Teilrepubliken gewährt. Außerdem nahm Tito beim Umbau des politischen Systems geschickt Rücksicht auf die historisch begründeten Empfindlichkeiten der verschiedenen Völker. Die Parole lautete nun „Brüderlichkeit und Einheit“ zur Vermeidung des großserbischen Zentralismus. Das föderative Jugoslawien bestand nun aus sechs Republiken (Serbien, Montenegro, Kroatien, Slowenien, Makedonien und Bosnien-Herzegowina) und zwei autonomen Regionen, die aus Serbien gelöst waren (Kosovo und Woiwodina). Serbien wurde durch die Herauslösung der Woiwodina und des Kosovo territorial verkleinert, was dem Ziel diente, eine Hegemonie eines einzelnen Volkes zu verhindern. Nur ein schwaches Serbien ermöglichte ein starkes Jugoslawien. Es folgten zahlreiche Reformen und Verfassungsänderungen, die bereits darauf hinwiesen, dass das föderative System offenbar seine Schwächen hatte. In der Föderativen Volksrepublik Jugoslawien lebten die nationalen Gegensätze und Feindschaften trotz der kommunistischen Parole „Brüderlichkeit und Einheit“ weiter fort. So erhielt Bosnien-Herzegowina zwar den Status einer Republik, als Staatsvolk wurden die Bosniaken aber erst 1968 anerkannt. Serbiens Überlegenheit den anderen Staaten gegenüber konnte nicht vermieden werden und sie behielten weiterhin ihr traditionelles Übergewicht in Partei, Armee und Verwaltung. Obwohl die Nationalitätenfrage in der offiziellen Propaganda eine immer kleinere Rolle spielen sollte, blieb der großserbische Nationalismus besonders in der Armee ungebrochen. Titos Idee, die Interessen der einzelnen Nationalitäten zugunsten eines einigen Jugoslawiens zurückzudrängen, scheiterte also daran, dass sich Serbien bis zuletzt an jugoslawische Machtpositionen klammerte. Außerdem konnten Unterschiede in Religion und Kultur nicht völlig ausgelöscht werden, obwohl die Religion durch die atheistische Staatsführung an Bedeutung verlieren sollte. Rasch also lebte der historische Streit zwischen Völkern und Religionen wieder auf und die tief greifenden Integrationsprobleme führten zu ständigen Rivalitäten und letztlich sogar zu gewaltsamen Auseinandersetzungen. B. Der Zerfall Jugoslawiens 1980 bis heute Nach mehr als sieben Jahrzehnten sollte Jugoslawien erneut zerbrechen. Der Tod Titos 1980 leitete den Sezessionsprozess ein. Bereits ein Jahr nach seinem Tod forderten die Albaner im Kosovo eine eigenständige Republik. Als Milosević seit 1986 der großserbischen Idee neuen Auftrieb gab und die Autonomierechte der Provinzen Kosovo und Woiwodina aufhob, provozierte er dadurch Spannungen und heizte die nationalistischen Stimmungen weiter an. Slowenen, Kroaten, Bosnier und Makedonier Wissenschaft & Sicherheit Nr. 5/2006-10. Mai 2006 5 Der Zerfall Jugoslawiens strebten verstärkt nach Selbstständigkeit und Unabhängigkeit und verloren mehr und mehr das Vertrauen in den Gesamtstaat. Nun sollten die eigene Sprache, die eigene Kultur und die eigene Geschichte wieder mehr Bedeutung gewinnen. 1990 sah nur noch ein kleiner Teil die nationale Vielfalt des Vielvölkerstaates als eine Bereicherung an. Die schwierige und komplizierte Geschichte des Landes mit ihren vielen blutigen Auseinandersetzungen und nicht zu überwindenden Interessenkonflikten trat Jahrzehnte später wieder ins Bewusstsein der Bevölkerung und trug zur Selbstzerstörung des Landes bei. I. Die fehlende territoriale Integrität als Erklärung Aufgrund der in Jahrhunderten entstandenen ethnisch-nationalen Konflikte war es nicht möglich, die einzelnen Völker in territorial abgegrenzte Nationalstaaten oder geschlossene territoriale Autonomien einzuteilen. Bei einem Zerfall Jugoslawiens und der Neubildung von sechs unabhängigen Staaten war also in hohem Maße voraussehbar, dass zumindest in Kroatien, Serbien und auch Makedonien national-ethnische und religiöse Konflikte unausweichlich scharfe Formen annehmen mussten. Mit der Parole „Brüderlichkeit und Einheit“ hatten die Kommunisten zwar versucht, die nationalen Gegensätze und Feindschaften zu verdrängen, aber die nationalen Vorurteile und Feindbilder in der Bevölkerung ließen sich nicht unterdrücken und lebten fort. Das starke Nationalbewusstsein führte dazu, dass man in Kroatien, Makedonien und Montenegro mehr Recht forderte und bald der Ruf nach einem kroatischen Nationalstaat lauter wurde. Tito gelang es, diese Forderungen zu unterdrücken, aber auslöschen konnte er sie aber nicht, sodass die nationalistischen Bewegungen nach seinem Tod neuen Auftrieb erhielten, weil der Widerstand fehlte. Der Wille der jugoslawischen Bevölkerung, ein geeintes Jugoslawien aufrecht zu erhalten, war so gering, dass der Halt von innen nicht ausreichte, um die Stabilität des Staates auf Dauer aufrecht zu erhalten. Weitere Instabilitäten waren auch durch Verfassungsmängel bedingt. Seit der Gründung 1946 war Jugoslawien bundesstaatlich und föderalistisch organisiert. Dennoch blieb eine maßgebliche Mitbestimmung der einzelnen Republiken aus. Entscheidungen traf die kommunistische Regierung, das höchste Exekutiv- und Verwaltungsorgan. Regionale und nationale Selbstständigkeitsbewegungen und der Wunsch nach mehr Mitbestimmung wuchsen. Erst unter diesem Druck wurden den einzelnen Republiken mehr Rechte zugewiesen und der Staat wurde schrittweise föderalisiert. Die Kompetenzen, die die Verfassung von 1974 den Republiken und autonomen Provinzen einräumte, waren so weitreichend, dass man von einer „Überföderalisierung“ des jugoslawischen Systems sprach. Nur wenige Aufgaben blieben in der Kompetenz des Bundes und zu allen Beschlüssen des Bundes mussten die Republiken und Provinzen ihre Zustimmung geben, wodurch sie die Entscheidungen der Bundesregierung blockieren konnten. In den achtziger Jahren machten die einzelnen Regionen verstärkt von diesem Gesetz Gebrauch, um ihre Selbstständigkeitsbestrebungen zu unterstützen. Dies führte vermehrt zu einer Handlungsunfähigkeit der jugoslawischen Bundesregierung. Ende der achtziger Jahre war der Kommunismus weitgehend durch die Demokratisierung unterdrückt, was auch zur Folge hatte, dass durch die Presse- und Meinungsfreiheit nationalistische Parolen an die Wissenschaft & Sicherheit Nr. 5/2006-10. Mai 2006 6 Der Zerfall Jugoslawiens Öffentlichkeit geraten konnten und dass durch demokratische Wahlen nationalistische Parteien an die Macht gerieten. Dies unterstützte weiterhin die Selbstständigkeitsbestrebungen der Republiken, allen voran Slowenien und Kroatien, bei denen dieser Prozess als erstes begann. Mit dem Ende des Ost-West-Konfliktes zerbrachen mit dem Sozialismus die letzten Säulen des titoistischen Jugoslawiens. Mit dem Verlorengehen der Balkan-Großmachtrolle der Sowjetunion ging auch die herausragende, strategische Bedeutung Jugoslawiens an der Schnittstelle zwischen den gegnerischen Blöcken verloren. Damit starb auch das Interesse der westlichen Welt an den jugoslawischen Problemen, was mitunter dazu führte, dass sie nicht rechzeitig auf den drohenden Zerfall aufmerksam wurde. Mit dem Ausscheiden Kroatiens und Sloweniens aus dem Bund der Kommunisten Jugoslawiens zerbrach die Einheitspartei, die den Vielvölkerstaat formal zusammengehalten hatte. Dies geschah 1990, als man sich über die Frage der Reformierung des jugoslawischen Systems nicht einig werden konnte. Die größten Spannungen traten zwischen Slowenien, das eine parlamentarische Demokratie forderte, und Serbien, das an dem Einparteiensystem festhalten wollte, auf. Eine funktionierende Bundespolitik war nicht länger möglich und nach und nach fiel auch der Wirtschaftsraum auseinander; ein regelrechter Wirtschaftskrieg begann, der alle noch vorhandenen zentralistischen Institutionen zerbrechen ließ. Dadurch gingen jegliche konfliktregulierenden Gremien verloren. Von innen heraus war nicht mehr zu verhindern, dass die Konflikte gewaltsam ausgetragen werden würden. II. Das Schicksal Bosnien-Herzegowinas Die Teilrepublik Bosnien-Herzegowina erklärte am 03. März 1992 ihre Unabhängigkeit. Sie wurde mit ihrer ethnisch-religiösen Zusammensetzung der Bevölkerung (44% moslemische Bosnier, 31% Serben, 17% Kroaten) oft als „Jugoslawien im Kleinen“ bezeichnet. Die nichtserbische Bevölkerung hatte mit 99,4% für die Unabhängigkeit gestimmt, woraufhin die Serben im April eine eigene Republik ausriefen. Der Krieg, der bis 1995 andauerte und in den sich auch die kroatischen Bosnier einmischten, verlief unvorstellbar brutal und forderte besonders auf bosnischer Seite eine große Anzahl an Opfern. Charakteristisch waren die Vertreibungen der jeweils anderen Gruppen aus eroberten Gebieten. Bis 1994 gelang es Serbien, welches durch die BR Jugoslawien gestützt und dadurch militärisch stärker war, fast 70% des Territoriums von Bosnien-Herzegowina unter seine Kontrolle zu bringen. Ein Ende der blutigen Auseinandersetzungen war erst in Sicht, als die NATO unter Führung der USA mit ihren Militärschlägen begann und die Einigung von Kroaten und Bosniern zu einer gemeinsame Föderation auf dem Staatsgebiet von Bosnien-Herzegowina forderte. III. Waffenembargo gegen Jugoslawien Das Eingreifen der UN-Friedenstruppen in den Krieg auf dem Balkan lässt sich generell in zwei Teile unterteilen. Der zehntägige Kampf gegen die Jugoslawische Volksarmee, der Slowenien am Ende eigenständige Republik werden ließ, erforderte noch kein Eingreifen der internationalen Gemeinschaft durch UNPROFOR.7 Das ,,Peace Keeping" beschränkte sich auf die beiden anderen Krisenherde. 7 United Nations Protection Force 1992-1995. Wissenschaft & Sicherheit Nr. 5/2006-10. Mai 2006 7 Der Zerfall Jugoslawiens Zum einen versuchten die VN, beim Krieg zwischen Kroaten und Serben um kroatische Grenzgebiete zu vermitteln, zum anderen galt es, der Bevölkerung in Bosnien Herzegowina humanitäre Hilfe zu gewährleisten. Am 25. September 1991 verhängten die VN gegen alle Nachfolgestaaten der ehemaligen jugoslawischen Föderation ein zuvor schon von der EG beschlossenes Waffenembargo. Diese Entscheidung wird teilweise als sehr folgenschwer und unüberlegt betrachtet: ,,[...] aber es trug der Tatsache nicht Rechnung, dass es sich einseitig gegen jene Konfliktparteien richtete, welche noch keine Waffen besaßen, und dass das Embargo diejenigen begünstigte, welche über insbesondere schwere Waffen bereits verfügten."8 Den Serben war es gelungen, die Waffen der Jugoslawischen Volksarmee (JNA) zu beschlagnahmen, Kroatien und Bosnien-Herzegowina waren insofern Verlierer dieses Waffenembargos. Die Situation wäre aber auch nach einer weiteren Ansicht nach Aufhebung des Waffenembargos für Bosnien im späteren Verlauf des Krieges nicht einfacher gewesen: ,,All das Gerede im Verlauf der bosnischen Kämpfe, dass der Westen nur das einseitige Waffenembargo gegen die bosnische Regierung aufheben und ein paar ,,chirurgische Luftangriffe" ausführen müsse, sollte man als das sehen, was es war: Als hoffnungsloses Lavieren."9 Hier wird deutlich, dass der einst begangene Fehler später nicht mehr korrigierbar war. Die eigentliche Absicht der VN war undurchdacht: ,,The Council, under Chapter VII of the UN Charta, decided that all States should, for the purpose of establishing peace and stability in Jugoslawia, immediately implement a general and complete embargo on all deliveries."10 Hier zeigt sich, dass einige Führungspersonen der VN zwar generell Lösungen für eine Wiederherstellung der friedlichen Verhältnisse auf dem Balkan suchten, ihre Überlegungen aber oft nicht die Konsequenzen der nicht strategisch durchdachten Lösungsversuche einschlossen. IV. Das Eingreifen der UNPROFOR Das erste aktive Eingreifen der VN war die Entsendung von mehr als 14.000 Soldaten, Polizisten und zivilen Verwaltungsfachleuten in die von Serben beherrschten Teile Kroatiens. Am 21. Februar 1992 richteten die VN die UNPROFOR ein. Dieser Aktion waren schon Waffenstillstände vorausgegangen, die am 23.11.1991 in Genf und am 02.01.1992 in Sarajevo unterzeichnet worden waren, jedoch in der Folgezeit weder von den Serben noch von den Kroaten konsequent eingehalten wurden. UNPROFOR bestand aus Beobachtern und Inspekteuren, den ,,Observer Missions", sowie aus militärischen Einheiten, den eigentlichen ,,Peace Keeping Forces". Sie sollten durch Präsenz zwischen den Fronten einem Wiederaufleben der Kämpfe vorbeugen.11 Kritik am UNPROFOR-Plan der UN kam von den Kroaten und den Serben gleichermaßen. Die politische Lösung, so kritisierte unter anderem der Serbenführer in Ostslawonien Milan Babic, werde schon vorweggenommen. Ein Teil erkennt eindeutig einen Nutzen für die Serben aus der Stationierung der UN-Truppen: ,,Für Serbien dagegen bedeutete die Stationierung von UN-Truppen eine Verfestigung des in den Kämpfen des Jahres 1991 erreichten Status quo".12 Dem steht die Meinung des amerikanischen Journalisten Rieff gegenüber. Er sagte zur Positionierung der UNPROFOR: ,,Das heißt, der Sicherheitsrat hat das DPKO (Department of Peace Keeping 8 Rieff, S. 235. Rieff, S. 15. 10 Parties to conflict in Yugoslawia urged to settle their disputes peacefully. In: UN Chronicle, Dezember 1991, Seite 35 11 Arnold, S. 35. 12 Kind, S. 148. 9 Wissenschaft & Sicherheit Nr. 5/2006-10. Mai 2006 8 Der Zerfall Jugoslawiens Operations) ermächtigt, Truppen zwischen zwei Parteien zu stationieren, die bereits den Wunsch hatten, die Kämpfe zu beenden, aber noch neutrale Truppen brauchten..."13 Fest steht, dass zu dieser Zeit zwischen den Parteien Serbien und Kroatien nicht annähernd derartige Einigkeit bestand, dass die UNPROFOR ihre Aufgaben als neutrale Beobachtertruppe hätte wahrnehmen können. Zu dieser Zeit war für die UN an eine Konfliktverlagerung und ein Eingreifen in den Krieg um BosnienHerzegowina noch gar nicht zu denken. Bereits am 29. Februar 1992 kam es auf dem Gebiet von Bosnien-Herzegowina zu Ausschreitungen bei einer Volksabstimmung zur Unabhängigkeit der Republik. Die bosnischen Serben boykottierten die Abstimmung, während sich 63% der Bevölkerung für die Unabhängigkeit aussprachen. Die Vereinten Nationen reagierten darauf mit einer Verlegung eines Teiles der Truppen von Kroatien nach Bosnien-Herzegowina. In Bosnien-Herzegowina lebten Bosnier, Serben und Kroaten zusammen, doch die Vereinten Nationen erkannten das Konfliktpotential dieser Region erst spät. Die Aufgabe für die Einheiten der UN bestand darin, die humanitäre Versorgung der Zivilisten und die Routen der Hilfstransporte zu sichern. Verschiedene Aufteilungspläne für Bosnien-Herzegowina wurden präsentiert, doch sie scheiterten stets an der Unzufriedenheit einer oder mehrerer der drei Parteien. Immerhin wurden am 22. Mai 1992 die Staaten Kroatien, Slowenien und Bosnien-Herzegowina in das Staatenbündnis der Vereinten Nationen aufgenommen. Die UN folgte damit dem Beispiel der USA, die jene drei Staaten schon am 07. April 1992 anerkannt hatten. Die europäischen Staaten und die USA weckten damit in der dortigen Bevölkerung wiederholt die Hoffnung auf eine Verbesserung der Lage. Für die bosnische Bevölkerung war unverständlich, dass auf der einen Seite der Staat BosnienHerzegowina anerkannt war, andererseits die Akzeptanten den Völkermord auf dem Balkan indirekt tolerierten. V. Der Feind wird deutlich, die Unparteilichkeit bleibt gewahrt Kroatien erkannte am 16. Juni 1992 das unabhängige Bosnien-Herzegowina an. Beide Regierungen beschlossen eine militärische Intervention gegen Serbien. Der Feind der Vereinten Nationen wurde zu dieser Zeit immer deutlicher ausgemacht. Der Truppenrückzug der JNA aus Kroatien, den Tudjman für die Seite der Kroaten und Cosic für die serbische Partei am 30. September 1992 beschlossen, war auch ein Erfolg für die UN. Kleinere Fortschritte wurden sofort durch erneute Rückschläge wieder aufgehoben, so schreibt der UN Chronical im März 1993 weiter: ,,...the wide ranking embargo against federal Republic of Yugoslawia was tightened"14 In ihrer Jugoslawienpolitik sahen sich die Vereinten Nationen immer wieder gezwungen, die Länder mit Sanktionen zu bestrafen. Die Parteien schreckten vor diesen immer wiederkehrenden Sanktionen jedoch schon lange nicht mehr zurück. Der UN Chronical veröffentlichte in dieser Zeit eine Fülle von Resolutionen gegen Serbien. Verschiedene Repräsentanten, im besonderen Generalsekretär Boutros Ghali, verurteilten den Völkermord in Bosnien und Kroatien auf das Schärfste. Auf viele Zivilisten wirkten die verbalen Mahnungen jedoch schon wie ein Resignieren. Jeder Veröffentlichung einer neuen Gräueltat folgte eine Verurteilung seitens der Menschenrechtskommission, jedoch in ihrem Resultat wirkungslos. 13 Rieff, S. 235. Embargo against Federal republic of Yugoslawia tightened. War crimes investigative body created. in: UN Chronical, März 1993, S. 5. 14 Wissenschaft & Sicherheit Nr. 5/2006-10. Mai 2006 9 Der Zerfall Jugoslawiens Die UN versuchte sich jedoch im Jugoslawienkonflikt unparteiisch zu verhalten und berief sich darauf, dass es nicht ihre Aufgabe sei, den Feind zu erkennen und deutlich zu machen, sondern Frieden zu schaffen und humanitäre Hilfe zu gewährleisten. Vielleicht hätte die UN jedoch besser daran getan, schon frühzeitig die Urheber der Auseinandersetzungen zu bekämpfen, als sich auf ihre Unparteilichkeit zu versteifen. Christian Kind meint, die USA und Europa hätten ein begründbares Interesse, dass es um einen dreiseitigen Bürgerkrieg gehe, der durch Verhandlung und Vermittlung rasch beendet werden solle. ,,Von dieser Warte aus waren alle Streitparteien gleich zu behandeln, auf deren allseitige Zustimmung und Duldung auch die UN- Truppen in all ihren Aktivitäten angewiesen waren."15 VI. Versuche einer friedlichen Lösung Ein weiterer Schritt der Vereinten Nationen zur Sicherung des Friedens zwischen den jugoslawischen Völkern erfolgte am 26. und 27. August 1992. Der ,,permanenten Konferenz" in Genf, die aus der Internationalen Konferenz in London resultierte, saß neben Lord Owen als Vertreter der EG auch Cyrus Vance als Vertreter der UN bei. Die Agitation der UNPROFOR weitete sich jetzt auch auf Makedonien aus. Hier kooperierte die UNPROFOR auch mit dem KSZE. Am 18. Dezember 1992 befreite die UN Bosnien-Herzegowina vom Embargo und korrigierte somit indirekt einen vorher begangenen Fehler. Daraufhin verkündete der UN-Generalsekretär am 20. Januar 1993, dass die verfassungsmäßigen Bedingungen für Bosnien-Herzegowina von allen Seiten bedingungslos akzeptiert würden. Optimistisch teilte er weiterhin mit, nach geographischen Einteilungen würde noch gesucht.16 Auf Drängen der UN nahmen jetzt auch die USA eine aktivere Rolle in der Balkanpolitik ein. Der “UN Chronicle” begrüßte dieses Eingreifen: ,,On 11. February the Co-Chairman welcomed the United States decision to take an active role in the former jugoslawia."17 Die Gespräche mit den drei Mächten auf dem Balkan vom 26. und 27. Dezember 1992 in Genf beschrieb Boutros-Ghali trotz verschiedener Standpunkte als konstruktiv. Das Ziel der UN hieß jetzt, die Unabhängigkeit BosnienHerzegowinas erreichen. Am 02. Januar 1993 wurde in Genf der Vance-Owen-Plan vorgestellt. Dieser Plan sah die Aufteilung Bosnien Herzegowinas in zehn Provinzen vor; drei Provinzen davon sollten die Serben, drei die Kroaten und drei die Muslime erhalten, für Sarajewo war ein Sonderstatus vorgesehen. Der VanceOwen-Plan hatte sich mit einer Aufteilung nach ethnischen Kriterien also schon abgefunden. Er wurde von den Kroaten angenommen, von den anderen Parteien jedoch nicht akzeptiert. Die bosnische Seite hegte immer noch Hoffnung auf ein Intervenieren der USA und wollte außerdem den Plan deshalb nicht anerkennen, weil dieser die ethnischen Säuberungen legitimiere.18 Weitere Friedensgespräche fanden vom 23. bis zum 30. Januar in Genf und vom 03. bis zum 08. Februar 1993 in New York statt. Cyrus Vance19, der Sonderbeauftragte der Vereinten Nationen, teilte mit, nach seiner und der Ansicht von Lord Owen bestehe die Gefahr einer Ausweitung des Konflikts auf den ganzen Balkan. Insofern hatten die beiden nach einer schnellen friedlichen Lösung für das Krisengebiet gesucht. 15 Kind, S. 154. Situation worsens as Peace process continues. In: UN Chronicle, Juni 1993, S. 7. 17 a.a.O., S. 8. 18 Rieff, S. 212. 19 Cyrus Robert Vance (1917-2002) war US-Außenminister der Regierung Carter von 1977-1980. 16 Wissenschaft & Sicherheit Nr. 5/2006-10. Mai 2006 10 Der Zerfall Jugoslawiens Inzwischen hatte sich der Konflikt schon auf dem Gebiet von Bosnien-Herzegowina ausgeweitet. Die Serben nahmen weite Teile des Gebietes ein. Am 17. Februar 1993 beschloss die UN die Unterbrechung der Hilfslieferungen in die bosnischen Enklaven Srebrenica, Gorazde und Creska, nachdem die bosnische Regierung die Versorgung von Sarajewo blockierte. Die Unterbrechung war auch ein Resultat der bosnischen Politik. Es ist symptomatisch für die problematische Lage auf dem Balkan, dass die bosnische Regierung aus Enttäuschung über die UN-Politik den Hilfstransport nach Sarajewo blockierte. Oberflächlich betrachtet hatte es den Anschein, als sei es die bosnische Politik gewesen, die sich gegen den Friedensschluss aussprach. Dabei waren die Politiker einzig nicht mit der Aufteilung ihres Landes auf Serben und Kroaten einverstanden. Trotzdem gab es, obwohl die UNPROFOR den am bosnischen Volk begangenen Genozid nie leugnete, keine Fürsprache für die blockierende Politik Bosniens. VII. Der Kriegsgerichtshof in Den Haag und weitere Schritte der UN Die UN beschloss am 22. Februar 1993 in ihrer Resolution 808 die Schaffung eines Internationalen Kriegsverbrecherhofes. Dieser Resolution folgte am 25. Mai 1993 in der Resolution 827 die Einsetzung des Internationalen Strafgerichtes in Den Haag. Im Statut des Internationalen Gerichts ist als Grund für die Erschaffung des Kriegsgerichtes ,,die seit 1991 im Hoheitsgebiet des ehemaligen Jugoslawien begangenen schweren Verstöße gegen das humanitäre Völkerrecht"20 festgehalten. Diese zu bestrafenden Personen, so heißt es weiter, sei das Gericht befugt, strafrechtlich zu verfolgen. Ohne den Wert eines solchen Tribunals in Frage stellen zu wollen, ist dies eine Maßnahme, die erst zu späterer Zeit in Kraft treten konnte. Am 19. Februar 1993 beschloss der UN-Sicherheitsrat, dass die Blauhelmsoldaten zum Eigenschutz auch Waffen benutzen dürfen, später wurde in Resolution 816 beschlossen, dass auch die von der UN eingeführten Schutzzonen mit Waffengewalt gesichert werden dürfen. Allmählich setzte sich die Erkenntnis auch bei den militärischen Befehlshabern durch, dass „Peace Keeping“ zumindest Waffenbesitz erforderte. Am 17. März 1993 wurde von Seiten der UN über die Verletzung der Flugverbotszone über Bosnien-Herzegowina berichtet. Die bosnischen Serben hatten die beiden bosnischen Städte Gladovici und Osatica bombardiert. VIII. Der Vance-Owen-Plan und seine Folgen Die Serben erweckten den Anschein, auf formeller Ebene dem Plan zuzustimmen, nahmen jedoch bei militärischen Operationen auf die Zugeständnisse keine Rücksicht. Während am 25. März 1993 auch die bosnische Seite in Person des Präsidenten Izetbegovic bereit war, den Vance-Owen-Plan zu unterschreiben, lehnten die Serben diesen weiter ab. Der UN Chronicle berief sich auf die Kooperationsbereitschaft der Serben, während in Bosnien-Herzegowina die ethnischen Säuberungen ungehindert weitergeführt werden konnten. Die UN wies immer wieder darauf hin, dass ihre Aufgabe nicht der Schutz der bosnischen Bevölkerung sei, sondern der Schutz der humanitären Hilfe. So wurde das Friedensangebot für Bosnien-Herzegowina, welches in Verhandlungen vom September 1992 bis zum März 1993 ausgearbeitet wurde, nach Darstellung des UN Chronicle zu großen Teilen 20 Das Statut des Internationalen Strafgerichtshofes für das ehemalige Jugoslawien. In: Europa- Archiv, Folge 3 / 1994, Seite D89. Wissenschaft & Sicherheit Nr. 5/2006-10. Mai 2006 11 Der Zerfall Jugoslawiens von den Kriegsparteien schon akzeptiert. Diskussionspunkte waren ein dauerhaftes Einstellen der Feindseligkeiten, die Entmilitarisierung von Sarajevo, ein Rückzug aus den Militärgebieten und die Garantie für die Bürger, freien Zugang zu allen Gebieten zu haben. Rieff kritisiert die Aufteilung Bosniens nach dem Vance-Owen-Plan als eine Schwächung Bosnien-Herzegowinas: ,,Dieser Plan opferte zugunsten einer Autonomie ethnischer Kantone das Recht Bosniens."22 Die bosnischen Serben beanspruchten weiterhin große Teile der Gebiete für sich, die UN lehnte die Forderung mit Fingerzeig auf die ethnischen Säuberungen in diesem Gebiet aber strikt ab. In einer Volksabstimmung sprachen sich 96% der bosnischen Serben gegen den Vance-Owen-Plan aus. Als Konsequenz aus den dauerhaften militärischen Aktionen aller Kriegsparteien vereinbarten die Vertreter der USA, der EG und Russlands in Washington ein gemeinsames ,,Aktionsprogramm": Dies bedeutete das endgültige Ende des Vance-Owen-Plans. Am 1. Mai 1993 löste der Norweger Thorvard Stoltenberg den US-Amerikaner Cyrus Vance in seiner vermittelnden Rolle ab. IX. Der Rückzug der UN aus der Vermittlerrolle Die Vereinten Nationen zogen sich daraufhin mehr und mehr aus der Vermittlerrolle zurück. An ihre Stelle traten andere Organisationen, wie die ,,Außenminister der Zwölf", die auf Einberufung von Frankreich und Deutschland eine Friedensinitiative für Bosnien gründeten. Am 15. und 16. Juni 1993 vereinbarten Milosevic und Tudjman in Genf eine Einteilung Bosnien-Herzegowinas in drei ethnische Einheiten im Rahmen einer Konföderation. Sowohl Izetbegovic als auch die der Führer der bosnischen Serben Karadzic und der Kroatenführer Boban lehnten den Vorschlag ab. Im Juni 1993 verabschiedete der UN-Sicherheitsrat eine Resolution zur Bildung von sechs ,,Schutzzonen" für die bosnischen Muslime; nämlich Bihaç, Tuzla, Srebrenica, Zepa, Gorazde und Sarajevo. Der Rückzug in die Schutzzonen bedeutete immer auch die Aufgabe des Landes. Insofern war es auch Kapitulation vor Praktiken wie der ethnischen Säuberung. Dem Flüchtlingswerk der Vereinten Nationen (UNHCR) bot sich jedoch oft keine andere Möglichkeit, als die Leute aufzufordern, die Gebiete zu verlassen und in die Schutzzonen zu fliehen. Die humanitären Hilfsmaßnahmen der UN brachen folglich unterdessen nicht ab. Sie wurden jedoch bei der westlichen Bevölkerung in Frage gestellt, als am 5. Februar 1994 auf einem Marktplatz in der Schutzzone Sarajevo ein Granateinschlag in eine Menschenmenge 70 Todesopfer forderte. Boutros Ghali drängte daraufhin die NATO, Luftunterstützung für UNPROFOR zu stellen. Die US-Luftwaffe bombardierte Ende Februar 1994 vier Flugzeuge, die in der Kraijna gestartet waren und über Bosnien die Flugverbotszone verletzten. Die Hoffnungen der bosnischen Bevölkerung auf ein militärisches Intervenieren wurden durch solche Maßnahmen immer wieder geweckt. So hatte der amerikanische Präsident vor seiner Wahl immer wieder eine aktivere Rolle Amerikas in der Jugoslawienpolitik versprochen und Präsident Bush für sein passives Verhalten gerügt. Nach seiner Wahl konzentrierte Clinton seine Politik entgegen aller Versprechen und Hoffnungen aus BosnienHerzegowina auf den innenpolitischen Bereich. Zu durchgreifenden Maßnahmen, die das Ende des Konfliktes auf dem Balkan hätten herbeiführen können, konnte sich keine westliche Großmacht entschließen. Die UNPROFOR nahm in Tuzlar den dortigen Flughafen unter ihre Kontrolle. Ende März griffen die bosnischen Serben die UN-Schutzzone Gorazde an. Sogar Schutzzonen mussten von der UN verloren gegeben werden. Unterdessen gingen aber die Friedensverhandlungen weiter. Je nach Wissenschaft & Sicherheit Nr. 5/2006-10. Mai 2006 12 Der Zerfall Jugoslawiens Kriegslage und Truppenstärke arrangierten sich die Bürgerkriegsparteien immer wieder neu; eigentliche Kriegsgegner wurden so zu Verbündeten. Die UN hatte in dieser unsicheren Balkanordnung sicherlich keinen leichten Stand. X. Der lange Weg von der Kooperation bis zum Dayton-Abkommen Der Krieg auf dem Balken nahm in der Folgezeit immer absurdere Ausmaße an. Während die Führer der Kriegsparteien miteinander verhandelten, wurden in Bosnien-Herzegowina schuldlose Zivilisten ermordet. Parteien, die sich kurz zuvor noch beschossen hatten, kooperierten in bestimmten Gebieten miteinander, bei der nächsten Gelegenheit schon war die Kooperation vergessen und man verbündete sich mit dem anderen Partner. Galt es zu Beginn des Krieges in Bosnien-Herzegowina noch als gemeinsames Ziel von Kroaten und Serben, das Land zu besetzen, so verbündeten sich die Kroaten am 1. März 1994 in einer Föderation mit den Muslimen Bosniens. Das ehemalige Mitglied von Titos Politbüro, Milovan Djilas, warf dem kroatischen Präsidenten einmal in einem Interview vor, janusköpfig gehandelt zu haben."25 Im Januar 1995 beendeten die Kroaten den Vertrag zur Stationierung von Blauhelmtruppen auf ihrem Territorium. Grund dafür war, dass die Kroaten bei der Entwaffnung der Serben und bei der Rückkehr der Flüchtlinge keine Fortschritte erkannten. Kurz nachher, erst auf Druck der EU, ließen sie ihre Forderung nach Rückzug wieder fallen, die Truppenzahl der Blauhelme sollte jedoch auf 5000 reduziert werden. Die UN wurde hier deutlich immer mehr zum Spielball der kroatischen und serbischen Kriegsparteien. Resolutionen und Drohungen konnten die beiden Nationen schon lange nicht mehr verunsichern. Ende Mai 1995 flog die Nato als Reaktion auf einen serbischen Raketenangriff auf Tuzla Angriffe gegen serbische Munitionsdepots. Die Serben reagierten darauf mit der Gefangennahme von mehreren hundert UNPROFOR Soldaten und drohten im Falle der Fortführung der Luftangriffe mit deren Ermordung. Alle Vereinbarungen, die mit der UN gemacht worden waren, wurden von den Serben für ungültig erklärt. Auch hier zeigte sich wieder die Schwäche der UN. Sie hielt für eine Aktion her, an der sie direkt nicht beteiligt war. Sie war für die Serben und Kroaten der Repräsentant des eingreifenden Westens. Mitte Juni wurden die Blauhelmsoldaten von den Serben wieder freigelassen. Am 10. Juli 1995 eroberten die bosnischen Serben die Schutzzone von Srebrenica und griffen weiterhin die UN-Schutzzone Zepa an. UN-Soldaten wurden bei dieser Aktion unter dem Kommando des serbischen Generals Ratko Mladic wieder als Geiseln genommen, über 7.000 Muslime wurden von den Serben ermordet.21 Am 19. Juli 1995 griffen Serben aus der Krajina die moslemische Enklave Bihac in Nordwest-Bosnien an. Kroatien griff daraufhin ein und eroberte die Stadt. Nach der Eroberung Westslawoniens durch die Kroaten im Mai 1995 waren die Serben somit auch in der Krajina geschlagen. Die Lage der bosnischen Serben hatte sich gravierend verschlechtert. Die bosnische Armee eroberte indes große Teile Westbosniens zurück. Im Juli schlossen Kroatien und Bosnien-Herzegowina ein Militärbündnis und kontrollierten damit fast 50% des Territoriums von Bosnien-Herzegowina. Nach einem Mörserangriff auf den Markt von Sarajevo entschloss sich die NATO am 30. August 1995 zum Angriff 21 Der Fall Srebrenica ist eingehend dokumentiert in: Annette Simon/Brecht Vandenberghe, ZaöRV 2001, S. 681ff. Wissenschaft & Sicherheit Nr. 5/2006-10. Mai 2006 13 Der Zerfall Jugoslawiens serbischer Stellungen. Es war die bis dahin größte Militäraktion der NATO.22 Damit gaben die USA ihre ursprüngliche Absicht, die politische Konfliktlösung den UN und den westeuropäischen Staaten zu überlassen, auf.23 Die Einschätzung der Europäer, sie könnten eigenständig Herr der Lage werden, war mithin gescheitert. Die USA verstärkten nun ihre diplomatischen Aktivitäten um Ex-Jugoslawien und entsandten ein Verhandlungsteam unter der Leitung von Richard Holbrooke.24 Am 08. September 1995 wurden in Genf sog. „Grundprinzipien“ mit folgendem Inhalt vereinbart:25 Bosnien und Herzegowina sollte als Gesamtstaat in seinen Grenzen aus seiner Zeit als jugoslawische Republik weiterexistieren; es sollte aus zwei Entitäten, nämlich der Föderation von Bosnien und Herzegowina sowie der Republik Srpska bestehen; das Territorium zwischen diesen beiden Gebieten sollte 51:49 aufgeteilt werden; beide Entitäten sollten das Recht haben, eigenständige Beziehungen zu den Nachbarländern – also Kroatien und Serbien/Montenegro – zu haben; Die Bewegungsfreiheit aller Bürger wurde garantiert und den Vertriebenen sollte eine Rückkehr in ihre Heimat oder eine Entschädigung ermöglicht werden. XI. Das General Framework Agreement for Peace Am 21. November 1995 wurde auf der Wright Patterson Air Force Base in Dayton im US-Bundesstaat Ohio ein Friedensabkommen vorbereitet, welches am 14. Dezember schließlich auf Vermittlung von US-Präsident Clinton von den Präsidenten der drei Konfliktparteien unterzeichnet wurde. Der seit Oktober geltende Waffenstillstand wurde dadurch vertraglich abgesichert. Dieses Abkommen erklärte den Konflikt in Bosnien-Herzegowina offiziell für beendet und erkannte den Staat auch formell an. Im neuen Bosnien-Herzegowina wurden 51% der Gebiete der muslimisch kroatischen Föderation zugesprochen, 49 % der Gebiete erhielt der serbische Teil von Bosnien. Für die serbische Republik Srpska unterzeichnete Slobodan Milosevic, da Karadzic in Den Haag als Kriegsverbrecher angeklagt worden war. Von Seiten der UN wurde das Dokument nicht unterzeichnet; die UN wurden lediglich in friedensschaffende Aktivitäten eingebunden. Nach dramatischen Verhandlungen während ihrer dreiwöchigen Klausur paraphierten die beteiligten Parteien das 170 Seiten starke General Framework Agreement for Peace in Bosnia and Herzegovina (GFAP). Die einzelnen Konfliktparteien hatten zunächst unvereinbare Vorstellungen bezüglich der territorialen und politischen Verfassung des Vielvölkerstaats.26 Die Bosniaken waren am Erhalt BosnienHerzegowinas als multiethischem Zentralstaat interessiert. Bosnische Kroaten wie Serben strebten eine möglichst große Unabhängigkeit der von ihnen kontrollierten Gebiete durch Sezession samt Beitritt zum jeweiligen Nationalstaat oder Kantonisierung an. Diese beiden Alternativen bedeuteten eine faktische Auflösung Bosnien-Herzegowinas. In Dayton wurden mehrere Ansätze zur Neuordnung des Landes unterbreitet, wie 22 Ripley, Operation Deliberate Force. The UN and NATO Campaign in Bosnia 1995. Dadler, S. 162. Weitere Mitglieder waren Wesley Clark, James Pardew, Donald Kerrick, Christopher Hill und Robert Owen. Drei Mitglieder des ersten Teams starben am 19.08.1995 bei einem Minenunfall am Berg Igman bei Sarajevo. 25 Petritsch, S. 52. 26 Probst, S. 3. 23 24 Wissenschaft & Sicherheit Nr. 5/2006-10. Mai 2006 14 Der Zerfall Jugoslawiens ein Kantonsmodell, ein Regionalisierungsmodell (im Wesentlichen der Vance-Owen-Plan), ein Konföderationsmodell (wie der Owen-Stoltenberg-Plan). Alle Vorschläge scheiterten jedoch am Widerstand zumindest einer Volksgruppe. In BosnienHerzegowina herrschte sprichwörtlich der Konsens, keinen Konsens zu haben. Die VR Jugoslawien wollte die gegen sie verhängten internationalen Sanktionen schnellstmöglich aufgehoben wissen, während die USA verschiedentlich mit deren Aufrechterhaltung drohten.27 Für die europäischen Staaten war es vorrangiges Ziel, eine starke Stellung des Hohen Repräsentanten der Internationalen Gemeinschaft herbeizuführen. Dessen Aufgaben sollte stets ein Europäer wahrnehmen.28 Dafür war Europa bereit, einen hohen Anteil der Kosten der zivilen Implementierung zu übernehmen. Vorrangiges Interesse Deutschland war wiederum, eine schnelle und geordnete Rückkehr der Flüchtlinge und Vertriebenen zu ermöglichen. Die US-amerikanischen Militärs lehnten die Übernahme von zivilen Aufgaben strikt ab. Die Implementation Force (IFOR) sollte nur für den militärischen Bereich zuständig sein. Entsprechend wurde sie vom Aufgabenbereich des Hohen Repräsentanten strikt getrennt. Dem Hohen Repräsentanten obliegt laut Annex 10 zum GFAP die Überwachung der Durchführung des Vertrages, die Beibehaltung engen Kontaktes zu allen Parteien sowie deren Unterstützung bei der Erfüllung der Vertragspflichten und bei der Zusammenarbeit mit anderen Organisationen.29 Amerikaner und Europäer folgten der Grundidee, den Konflikt zwischen den Ethnien durch Schaffung eines dezentralen Staatenverbandes zu entschärfen. Hinsichtlich der USA kann diese Absicht durchaus in dem weltpolitischen Kontext gesehen werden, einer erneuten Erstarkung Europas dadurch vorzubeugen, indem nur noch kleinere Staaten die Staatennachfolge antreten. Allerdings sollte eine noch weitergehende Aufspaltung in Einzelstaaten („Balkanisierung“) verhindert werden.30 XII. Völkerrechtliche Würdigung des GFAP Das GFAP vereinigt Einzelverträge von unterschiedlichen Rechtssubjekten und stellt daher einen völkerrechtlichen Rahmenvertrag dar. Ein Blick in die Originaltexte zeigt, dass die in der öffentlichen Berichterstattung verwendete Kurzformel „Dayton-Abkommen“ in Wirklichkeit für ein ganzes Bündel von Vereinbarungen höchst unterschiedlichen Inhalts sowie zwischen wechselnden Vertragspartnern steht.31 Grundsätzlich handelt es sich um ein Rechtsdokument. Auffällig ist jedoch, dass innerhalb des Vertragswerkes an verschiedenen Stellen politische Begriffe und politische Absichtserklärungen auftauchen. So lautet z.B. Artikel X Annex 1a (Cooperation): „The parties shall cooperate fully with all entities involved in implementation of this peace settlement, as described in the General Framework Agreement, or which are otherwise authorized by the United Nation Security Coucil, including the International Tribunal for the Former Yugoslavia.” 27 Petritsch, S. 56. In der Folgezeit wurde das Amt des HR wahrgenommen durch: Carl Bildt (Schweden, 1995-1997), Carlos Westendorp (Spanien, 1997-1999), Wolfgang Petritsch (Österreich, 1999-2002), Paddy Ashdown (Großbritannien, 2002-2006). Ende Januar 2006 hat der Deutsche Christian Schwarz-Schilling das Amt übernommen. 29 Nebelung, S. 107ff. 30 Stahn, S. 663. 31 Die vollständige Textfassung veröffentlichte das U.S. State Department im Internet unter www.state.gov/www/current/bosnia/bosagree.html. 28 Wissenschaft & Sicherheit Nr. 5/2006-10. Mai 2006 15 Der Zerfall Jugoslawiens Außergewöhnlich ist für ein Rechtsdokument ferner, dass die Kooperation der Parteien mit den an der Herstellung des Friedens beteiligten Internationalen Organisationen (IO) betont wird. Grundsätzlich ist die Zusammenarbeit zwischen den im Vertrag genannten Gruppen Vertragsgrundlage. Im GFAP wird erstmals der Begriff International Community (IC) verwendet. So postuliert Artikel 1 Nr. 1a Annex 1a GFAP: The parties undertake to recreate as quickly as possible normal conditions of life in Bosnia and Herzegovina. They understand that this requires a major contribution on their part in which they will make strenuous efforts to cooperate which each other and with the international organizations and agencies, which are assisting them on the ground. They welcome the willingness of the international community to send to the region, for a period of approximately one year, a force to assist in implementation of the territorial and other military related provisions of the agreement as described herein. Damit verwendet das Rechtswerk GFAP einen Begriff, der sich nicht klar einem Völkerrechtssubjekt zuordnen lässt. Somit wird ein neuer, nur schwer definierbarer politischer Begriff Bestandteil eines völkerrechtlichen Vertrages. Der Bezug auf eine IC als Gesamtheit ohne eine dahinter stehende Organisation ist der klassischen Rechtssubjektlehre fremd. Die in den Vereinten Nationen repräsentierten Staaten sind mit der im GFAP genannten IC keinesfalls identisch.32 XIII. Die Regelungen des GFAP Die Vereinbarung besteht aus einem Rahmenvertrag, der allgemeine Verpflichtungen enthält. Vertragsbestandteil sind zudem elf Anhänge zum Vertrag. Betont wurde die ausdrückliche Anerkennung der Grundsätze der UN-Charta, der Schlussakte von Helsinki sowie weiterer OSZEDokumente. Außerdem begrüßen und bekräftigen die Parteien einen Teil der in den Anhängen kodifizierten Regelungen. Sie erklären hier ihre Bereitschaft, mit allen mit der Umsetzung des Vertrages befassten Organisationen und Organen zusammenzuarbeiten und bei der Verfolgung und Aufklärung von Menschenrechtsverbrechen mitzuwirken. Dies ist sinnig, da die Unterzeichner der einzelnen Anhänge oftmals nicht mit den Unterzeichnern des Rahmenabkommens identisch sind. Die Bekenntnisse stellen neben der Übernahme politischer Verantwortung auch die Übernahme einer völkerrechtlichen Treuepflicht dar.33 Die militärischen Vereinbarungen des GFAP gliedern sich in die Waffenstillstandsvereinbarungen der Kriegsparteien sowie in die Bestimmungen über die Stationierung und die Kompetenzen der Implementierungstruppe IFOR. Die einzelnen Rechte und Pflichten sind detailliert vorgeschrieben. IFOR hat demnach das Recht, nach eigenem ermessen über den Einsatz von Waffen zu entscheiden, solange dies zum eigenen Schutz oder zur Erfüllung der in Annex 1a zum GFAP übertragenen Aufgaben erforderlich ist. Bereits Ende 1996 lief das IFOR-Mandat aus. Unter weitgehender Beibehaltung der Truppenstärke schloss sich die SFOR-Folgemission34 unter Beibehaltung aller Regelungen an. Damit sollte zum Ausdruck gebracht werden, dass der militärische Annex zum GFAP bereits in die Tat umgesetzt worden sei. 32 Insofern findet sich im GFAP die oft unilaterale Ansicht der USA wieder, dass viele UN-Mitgliedsstaaten aufgrund ihrer inneren Verfassung und Praktiken nicht das Auftreten der USA rechtlich bewerten können. 33 Dörr, S. 141. 34 SFOR: abgekürzt für Stabilisation Force. Wissenschaft & Sicherheit Nr. 5/2006-10. Mai 2006 16 Der Zerfall Jugoslawiens Als weitaus schwieriger erwies sich die Umsetzung des politischen Teils. Hierzu gehört der Aufbau politischer Institutionen der Republik Bosnien-Herzegowina und die Klärung des Verhältnisses der beiden Teilgebiete „Föderation Bosnien-Herzegowina“ (dem Zusammenschluss des kroatischen und des bosniakischen Territoriums) und der „Serbischen Republik“ zum Gesamtstaat. Außerdem umfasst dieser Teil des GFAP die Rückführung der Flüchtlinge, die Durchführung freier Wahlen sowie den Verwaltungsaufbau für die in einen kroatischen und einen bosniakischen (muslimischen) Teil getrennte Stadt Mostar sowie das Problem des Brcko-Korridors. Hier zeigt sich das Problem, dass der gewissermaßen erzwungene Frieden von Dayton das zusammenführen will, was ja gerade nach Ansicht sowohl der Serben als auch der Kroaten nicht zusammengehört. Sowohl Serben als auch Kroaten betrachten die Republik Bosnien-Herzegowina denn eher als Übergangslösung und setzen langfristig darauf, die bosnischen Teilgebiete mit dem jeweiligen „Mutterland“ zu vereinen. Die Frage des nur wenige Kilometer breiten Brcko-Korridors, der die Gebiete der „Serbischen Republik“ verbindet und im Norden von Kroatien, im Süden bosniakisch begrenzt wird, erwies sich gar als so kompliziert, dass sie aus dem GFAP ausgeklammert und einer Schiedskommission übergeben wurde. In Brcko leben zurzeit Serben; die Stadt wird aber von den Bosniaken beansprucht. Sie bleibt unter internationaler Kontrolle. Der von der EU geleitete und finanzierte Versuch, eine gemeinsame Verwaltung für die Stadt Mostar aufzubauen, muss als gescheitert betrachtet werden. Multiethische Konzepte werden in der Republik nur von den Bosniaken akzeptiert, während die Serben und die Kroaten nach wie vor auf Trennung setzen. So ist auch die Lebensfähigkeit der beiden Korridorlösungen von Brcko und dem bosniakischen Gorazde fragwürdig. Bemerkenswert ist die Tatsache, dass durch das GFAP eine Verfassung geschaffen worden ist, durch die die ehemalige sozialistische Republik Bosnien und Herzegowina in einen demokratischen Staat überführt wurde.35 Dieser ist Rechtsnachfolger der Republik Bosnien-Herzegowina und besteht seinerseits aus den beiden Entitäten „Föderation Bosnien und Herzegowina“ und „Republik Srpska“, die jeweils über eigene Staatsangehörigkeiten, Verfassungen, Parlamente und Regierungen verfügen. Das alte jugoslawische Recht gilt dabei insoweit als fortbestehend, als dass es nicht gegen die Verfassungen oder gegen höherrangiges Recht (Menschenrechte, insb. EMRK) verstößt oder durch neu geschaffenes Recht verdrängt wird. Am 14. Dezember 1995 wurde das GFAP in Rambouillet bei Paris in einer feierlichen diplomatischen Zeremonie von den Parteien unterzeichnet. Im Anschluss daran verabschiedete der UN-Sicherheitsrat seine Resolution 1031, mit der die NATO beauftragt wurde, die Einhaltung des GFAP zu überwachen und notfalls auch militärisch durchzusetzen.36 Aber auch zehn Jahre nach Vertragsschluss in Dayton ist Bosnien und Herzegowina kein unabhängiger, im Frieden befindlicher und sich selbst tragender Staat. Viele der Faktoren, die einen souveränen Staat ausmachen, und die Voraussetzung eines friedlichen Miteinanders der Bürger sind, werden nach wie vor durch die Unterstützung der 35 36 Schwarz, Justizreform in Bosnien, S. 79. UNSCR 1031 (1995) vom 15.12.1995. Wissenschaft & Sicherheit Nr. 5/2006-10. Mai 2006 17 Der Zerfall Jugoslawiens Internationalen Staatengemeinschaft sichergestellt.37 Beklagt wird vor allem, dass Teile aller ethnischen Gruppen in nationalistischen Positionen verharren und mafiöse Strukturen fortbestehen.38 Schneider bemerkt zum GFAP, dass es ohne westliche Mächte niemals zu einer Realisierung eines permanenten Friedens auf dem Balkan käme. Er beschreibt einige Lösungskonstruktionen als waghalsig, so zum Beispiel die Annahme: ,,[...], dass die verfeindeten Völker außerstande sind, ohne die Mitwirkung Außenstehender friedlich miteinander auszukommen."39 Frankreich unternahm als erstes Land in Westeuropa den Schritt der Anerkennung; die anderen europäischen Staaten vollzogen diesen Schritt nur kurze Zeit später. Dem folgte am 1. Oktober des Jahres 1996 die Aufhebung aller Sanktionen seitens des UN-Sicherheitsrates gegen die Föderative Republik Jugoslawien. XIV. Die Schwächen der UN bei der Konfliktlösung Boutros Ghali, der Generalsekretär der UN, wies im Kommentar zum GFAP alle Vorwürfe von sich, wie der UN Chronicle im Frühjahr 1996 schrieb: ,,[...] Secretary Boutros Ghali on 13 December stated that it`s original and primary mission - to protect humanitarian activities - had been successfully carried out."27 Er stellt die UN im Bezug auf humanitäre Hilfe als fehlerfrei dar und negiert damit indirekt, dass eine für den Weltfrieden so wichtige Organisation einen Fehler begehen könne. Fast schon makaber wirkt es, als er sagt, die UN habe ihre Lektion aus Bosnien gelernt. Im Folgenden bezeichnet er den Einsatz der UN als ,,most difficult test for the transition from a divided Europe to a new Europe."28 Angesichts der Vielzahl von Kriegsopfern und Gräueltaten von einem Test für ein neues Europa zu sprechen, erscheint hier fragwürdig. Ein Vorwurf an die UN richtet sich aber vielmehr an die sie tragenden großen Mächte. Die Frage, ob die Internationale Staatengemeinschaft hätte intervenieren sollen, steht dabei im Mittelpunkt. Die UN hatte es sich im Balkankonflikt zum Ziel gesetzt, unparteiisch zu handeln, um den Verhandlungsprozess auf dem Weg hin zum Frieden nicht zu gefährden. Insofern hätte sich bei militärischem Intervenieren durch UN-Truppen stets die Frage des eigentlichen Feindes gestellt und die vermeintlichen Urheber, die die westliche Öffentlichkeit allzu oft im Aggressor Serbien sahen, wären dem Friedensprozess sicherlich noch ablehnender entgegengetreten. C. Die Folgen von Dayton am Beispiel des Kosovo Der Ratifizierung des GFAP am 14. Dezember 1995 in Paris folgte, bei aller Genugtuung über das Ende der Kämpfe, bald die Warnung, dass nur Teilaspekte der die Stabilität Südosteuropas gefährdenden Risiken vorläufig gelöst worden seien. Kritik entzündete sich in erster Linie daran, dass die Kosovoproblematik nicht auf die Tagesordnung von Dayton gesetzt worden war. Die politische Agenda war durch den Krieg in Bosnien-Herzegowina bestimmt, wodurch der Konflikt um die autonome Provinz Kosovo aus dem Bewusstsein der Weltöffentlichkeit verschwand. Dass die Kosovokrise nicht Bestandteil der Friedensverhandlungen geworden war, verdeutlichte ihre Vernachlässigung und erwies sich im Rückblick als verhängnisvoller Fehler. Aus damaliger Sicht war dies aber alternativlos. 37 38 39 Melcic, S. 451. Vitzhum/Winkelmann, S. 110. Schneider, S. 37ff. Wissenschaft & Sicherheit Nr. 5/2006-10. Mai 2006 18 Der Zerfall Jugoslawiens I. Aufstand der Albaner Gerade den Albanern im Kosovo blieb nicht verborgen, dass der Westen sichtlich bemüht war, seine Beziehungen zur Regierung Milosevic allmählich zu normalisieren, nicht zuletzt vor dem Hintergrund der Implementierung des GFAP und einer Demokratisierung der Region.40 Es ist deshalb nicht erstaunlich, dass sich abseits von Präsident Rugova der Glaube durchzusetzen begann, dass allein eine kriegerische Eskalation des Konflikts die internationale Aufmerksamkeit auf die Provinz lenken würde. Im nachhinein muss es sogar überraschen, dass der für die albanische Mehrheit unerträgliche Status Quo überhaupt so lange halten konnte. Das GFAP erwähnte das Kosovo nur im Zusammenhang mit Bedingungen, die Serbien und Montenegro zur endgültigen Aufhebung aller Sanktionen erfüllen mussten. Die Wirtschaftssanktionen der UN hatte der Sicherheitsrat im November 1995 bereits aufgehoben.41 Auf Initiative der USA blieb gegen die Bundesrepublik Jugoslawien jedoch eine „äußere Sanktionsmauer“ bestehen, die Belgrad weiterhin von internationalen Foren und den internationalen Finanzmärkten abschnitt.42 Die vollständige internationale Anerkennung und Rückkehr in die Vereinten Nationen, in die OSZE wie auch in die Weltbank und den Internationalen Währungsfond wollte der Westen u.a. von einem konstruktiven Dialog zwischen Serben und Kosovoalbanern und einer merklichen Verbesserung der Menschenrechtslage im Kosovo abhängig machen.43 So verfolgte die Mehrheit der europäischen Regierungen das Ziel, Jugoslawien wieder in die internationalen Kooperationsstrukturen einzugliedern. Der Krieg und die internationale Sanktionspolitik hatten das politische, wirtschaftliche und gesellschaftliche System Serbiens deformiert und weite Teile der Bevölkerung in soziale Not gestürzt. Zur dauerhaften Stabilisierung des Balkans präsentierte die Europäische Union im Oktober 1995 das Konzept des „Regionalen Ansatzes“, das vor allem den Nachfolgestaaten des ehemaligen Jugoslawien Hilfe bei der Durchführung demokratischer und wirtschaftlicher Reformen gewähren sollte.44 Diese beiden widersprüchlichen Zielvorgaben, die sowohl konfrontativ als auch kooperativ ausgerichtet waren, beschreiben das Dilemma, in dem sich die EU-Partner seit Dayton befanden. Die inkonsequente Politik Westeuropas gegenüber Milosevic seit Herbst 1995 ist nicht zuletzt auch auf diesen Widerspruch zurückzuführen. Es ist bemerkenswert, dass bereits Anfang 1996 die kooperative Haltung einiger europäischer Regierungen gegenüber der BR Jugoslawien, die vor allem Frankreich forcierte, die einst selbst gesteckten, an Fortschritte zur Lösung des Kosovokonflikts gebundenen Bedingungen unterlief. Im Unterschied zu den USA, aber auch zu EU-Partnern wie Deutschland, propagierte die französische Regierung eine weniger harte Linie gegenüber Serbien und erklärte verschiedentlich ihre Ablehnung einer Verknüpfung zwischen der internationalen Rehabilitation Belgrads und einer Lösung des Kosovokonflikts.45 Die US-Regierung zeigte sich verärgert über das einseitige Ausscheren der Europäer aus der gemeinsamen Linie. US-Außenminister Warren Christopher betonte ausdrücklich, dass die USA notfalls auch ohne die Unterstützung ihrer europäischen Verbündeten die noch 40 Ischinger, S. 58. VNSR-Resolution 1022 vom 22. November 1995. Schmidt, S. 18. 43 ”Schlussfolgerungen des Rates zum ehemaligen Jugoslawien” vom 30. Oktober 1995, in: Bulletin EU 10-1995. 44 Lippert; Mittel- und Osteuropa, in: Weidenfeld / Wessels, S. 238f. 45 Clewing, S. 184f. 41 42 Wissenschaft & Sicherheit Nr. 5/2006-10. Mai 2006 19 Der Zerfall Jugoslawiens bestehenden Sanktionen aufrechterhalten und Belgrad die volle diplomatische Anerkennung so lange verweigern würden, bis substantielle Fortschritte hinsichtlich einer Lösung des Kosovokonflikts erreicht seien.46 Weder der Anerkennungsbeschluss noch die ihm vorangegangenen und nachfolgenden Wochen waren ein Glanzstück gemeinsamer europäischer Außenpolitik. Nachdem sich Frankreich auf die Anerkennung im Februar festgelegt hatte, waren die EU-Partner genötigt nachzuziehen. Die gemeinsame Anerkennung musste Milosevic geradezu zu einem unnachgiebigen Vorgehen im Kosovo ermuntern und diskreditierte in den Augen vieler Kosovoalbaner die Europäer als Vermittler nachhaltig. Im Dezember 1998 kommt es wieder verstärkt zu Auseinandersetzungen unter Verwendung schwerer Waffen, die jedoch zum Jahresende abflauen. Als einziger Hoffnungsschimmer bleibt ein weiterer Flüchtlingsrückgang auf etwa 175.000 und das Forcieren der Verhandlungen zur friedlichen Beilegung des Konfliktes. Doch ab Januar 1999 nimmt die Anzahl der Auseinandersetzungen wieder dramatisch zu und die Flüchtlingszahlen steigen wieder. Daraufhin werden die diplomatischen Bemühungen erneut verstärkt. Die NATO entsendet ranghöchste Militärs nach Belgrad, um Milosevic den Ernst der Lage zu verdeutlichen.47 Die Kontaktgruppe in London beschließt schließlich die Einbestellung der Konfliktparteien zu direkten Verhandlungen, die am 06. Februar 1999 auf Schloss Rambouillet bei Paris beginnen sollen. II. Das Scheitern der Konferenz von Rambouillet Durch die restriktive Verhandlungstaktik der Serben kommt es zu keiner Annäherung. Belgrad ist nicht zu ernsthaften Gesprächen über bestehende Entwürfe bereit, legt ausschließlich eigene Gegenentwürfe vor und erklärt schließlich das Treffen für gescheitert. Gegen Ende der Verhandlungen nimmt die Anzahl der Zwischenfälle im Kosovo wieder zu; die Flüchtlingszahlen steigen auf 230.000. Das Scheitern dieser Konferenz führte schließlich zu den Luftangriffen der NATO-Staaten auf die BR Jugoslawien, die am 24. März 2003 begannen. Nach 78 Tagen Bombardement stimmte die BR Jugoslawien einer Verwaltung des Kosovo durch die UN zu, was entsprechend der Resolution 1244 dann auch in die Tat umgesetzt wurde.48 Die UN-Verwaltung ist demnach nur für eine Übergangsphase angelegt. Eine endgültige Klärung des Status’ des Kosovo ist derzeit wohl kaum absehbar, ebenso wenig ein Ende der UN- oder KFOR-Präsenz. Bemerkenswert ist, dass Kapitel 8 des Entwurfs von Rambouillet eine Entscheidung über den endgültigen Status bereits nach drei Jahren vorsah.49 Der einstige Kriegsgegner existiert derweil nicht mehr: Das Parlament in Belgrad hat Anfang Februar 2003 formell die Auflösung der BR Jugoslawien beschlossen. Aus dem bisherigen Bundesstaat wurde ein lockeres Bündnis namens "Serbien und Montenegro“. III. Perspektiven des serbisch-albanischen Konflikts im Kosovo 46 OMRI Daily Report vom 10. Mai 1996. Die Gespräche des Vorsitzenden des NATO-Miliärausschusses, General Klaus Naumann, und des NATO-Oberbefehlshaber Europa, General Wesley Clark, mit Milosevic am 19.01.99 verlaufen jedoch ergebnislos, da sich Milosevic weiterhin hartnäckig weigert, Zugeständnisse zu machen. 48 United Nations Mission in Kosovo – UNMIK. 49 Petritsch/Kaser/Pichler, Anhang S. XLIII. 47 Wissenschaft & Sicherheit Nr. 5/2006-10. Mai 2006 20 Der Zerfall Jugoslawiens Offenkundig haben weder die UN-Verwaltung noch die Ablösung des Milosevic-Regimes im Oktober 2000 den Konflikt zwischen Serben und Albanern entschärfen können.50 Jede Seite kann nicht ohne Grund darauf verweisen, dass sie aus ethischen oder religiösen Gründen in der jüngeren Vergangenheit Gewaltakten der anderen Seite ausgesetzt worden ist. Unter Kosovo-Albanern führt die Freude über das Ende direkter serbischer Herrschaft zu großem Optimismus über die politische Zukunft. Eine Wiedereingliederung in einen serbisch dominierten Staat stellt für viele Kosovaren keine realistische Perspektive dar.51 Die im Kosovo wohnhaften Serben befinden sich hingegen in einer sehr schwierigen Lage. Bereits vor 1999 hatte das Milosevic-Regime subtil Druck auf Einzelne ausgeübt. So konnte z.B. die Mitgliedschaft in der „richtigen“ Partei darüber entscheiden, ob man zu den wenigen Personen mit Arbeitsplatz gehören durfte. Infolge des Krieges 1999 wurde die Bevölkerung im Kosovo ethnisch getrennt. Die serbische Minderheit hat sich an mehreren Punkten konzentriert, da viele Serben nicht alleine in albanischer Umgebung leben möchten. So bildet der Fluss Ibar eine ethnische Grenze mitten durch die Stadt Mitrovica. Trotz der formalen Zuständigkeit der UN-Verwaltung ist hier der Einfluss Belgrads sehr stark zu spüren, was auch anhand der üblichen Währungen auffällt.52 Nördlich und östlich von Mitrovica befindet sich eine kaum zu kontrollierende Grenze zu Serbien. An solchen Stellen zeigt sich, dass die Gliedstaatengrenzen im ehemaligen Jugoslawien gerade keine Volksgruppengrenzen sind, zumal das Kosovo nicht als Gliedstaat betrachtet werden kann. Im Zusammenhang mit den ungelösten Volksgruppenkonflikten müssen sich auch die westlichen Regierungen ihrem zögerlichen Handeln und damit ihrer Verantwortung für die Sezession des Kosovo bewusst werden. Es stellt die westlichen Länder, EU und UN gleichermaßen vor ein scheinbar unlösbares Problem, die verbliebenen serbischen Minderheiten im praktisch „serbenfreien“ Kosovo zu schützen. Da dies in den Augen vieler einen zu großen Aufwand bedeutet, erwägen manche Länder, alle verbliebenen Serben zum Verlassen des Kosovo anzuhalten. Der Schutz durch internationale Organisationen ist für die kosovarischen Serben derweil ungleich höher als für die Minderheiten in den anderen ex-jugoslawischen Gliedstaaten, so z.B. für die Serben in der kroatischen Kraijna. D. Das juristische Nachspiel I. Die Rolle des Internationalen Gerichtshofs53 Der IGH ist das Rechtsprechungsorgan der Vereinten Nationen und hat seinen Sitz in Den Haag / Niederlande. Seine Funktionsweise und Zuständigkeit sind in der UN-Charta und maßgeblich im IGHStatut geregelt. Die 15 Richter des IGH werden gemeinsam von der UN-Generalversammlung und dem UN-Sicherheitsrat gewählt. Bei der Wahl achten die Staaten auf eine vorher in Form von „understandings“ festgelegte geografische Repräsentation der fünf Weltregionen. Das bedeutet, dass nach einem bestimmten Verteilerschlüssel freie Richterstellen durch Richter aus einer Region besetzt werden. Alle drei Jahre wird ein Drittel der Richter neu gewählt. Bei ihrer Rechtsprechung vertreten die 50 Dies zeigen nicht zuletzt die blutigen Unruhen im März 2004. So genießen z.B. die USA im Kosovo recht hohes Ansehen, da sie als treibende Kraft zur Intervention gegen das von Milosevic dominierte Jugoslawien wahrgenommen wurde. 52 Während die UN dn Euro als Währung im Kosovo bestimmt hat, wird in Nord-Mitrovica mit dem Dinar bezahlt. 53 im Folgenden abgekürzt: IGH. 51 Wissenschaft & Sicherheit Nr. 5/2006-10. Mai 2006 21 Der Zerfall Jugoslawiens Richter nicht ihr Land, sondern müssen völlig unabhängig urteilen. Hierzu ist kritisch zu bemerken, dass diese Anforderung in der Praxis meist nur bei solchen Richtern der Fall ist, die aus demokratischen Staaten stammen. Ebenso muss man sich der Tatsache bewusst sein, dass die Existenz des IGH von der Finanzierung insbesondere der einflussreichen Staaten der Welt abhängig ist. Als Partei können vor den IGH nur Staaten treten. Diese müssen aber sowohl die UN-Charta als auch das Statut des IGH anerkennen. Zurzeit sind alle Mitgliedsstaaten der UN berechtigt als Partei vor den IGH zu treten. Der IGH hat nur Rechtsprechungskompetenz über einen Fall, wenn alle Parteien diese für den jeweiligen Fall oder in abstrakter Form anerkannt haben. Die Entscheidungen des IGH sind für die jeweiligen Parteien bindend. II. Jugoslawien als Beklagter vor dem IGH Dieser Fall behandelt die Klage Bosnien-Herzegowinas gegen die Bundesrepublik Jugoslawien,54 in der der IGH eine Verletzung der Genozid-Konvention seitens der BRJ feststellen soll.55 In der Entscheidung des IGH galt es vor allem, zwei problematische Fragen zu klären: Zum einen galt es, die Parteifähigkeit der BRJ und damit zusammenhängend deren Mitgliedschaft in der UN zu klären, zum anderen stellte sich die Frage nach der Rechtsnachfolge in Verträgen, insbesondere hinsichtlich der von Bosnien-Herzegowina abgegebenen Rückwirkungsklausel. Der IGH bejahte lediglich seine Zuständigkeit hinsichtlich der Genozid-Konvention, lehnte jedoch eine weitere Zuständigkeit ab.56 III. Jugoslawien als Kläger vor dem IGH Nachdem die NATO-Staaten beginnend mit dem 24. März 1999 Gebiete in „Rest-Jugoslawien“ und dem Kosovo bombardiert hatten, um die drohende humanitäre Katastrophe durch die Einsätze der serbischen Armee und Sonderpolizei gegen die albanische Zivilbevölkerung im Kosovo zu unterbinden, reichte Serbien am 29. April 1999 vor dem IGH Klage gegen die zehn NATOMitgliedsstaaten wegen Verletzung von Art. 2 IV UN-Charta57 und wegen Verstößen gegen Art. 2 Genozid-Konvention ein.58 Gegenstand der Klage waren u.a. folgende Punkte: Ungerechtfertigter Einsatz von Gewalt gegen einen anderen Staat; Ausbildung und Finanzierung einer terroristischen Gruppierung (nämlich der UCK); Angriffe auf die Zivilbevölkerung und zivile Objekte; Einsatz von Waffen, die nachhaltige gesundheitliche Schäden und Umweltzerstörung hervorrufen;59 Verletzung der Genozid-Konvention. Daraus ergeben sich die Forderungen Jugoslawiens nach der sofortigen Beendigung der Kampfhandlungen sowie der Leistung von Entschädigungszahlungen zur Wiedergutmachung. IV. Bewertung der beiden IGH-Entscheidungen 54 im Folgenden abgekürzt: BRJ. “Application of the Convention on the Prevention and Punishment of the Crime of Genocide“ vom 20.03.1992. Meyer-Ohlendorf, S. 189. 57 Art. 2 IV UN-Charta verbietet die Gewaltanwendung von Staaten gegen die Integrität, Souverenität oder Unabhängigkeit eines anderen Staates. 58 ICJ General List No. 105-114. 59 insb. gerichtet auf die US-amerikanische Verwendung von DU-Munition aus abgereichertem Uran. 55 56 Wissenschaft & Sicherheit Nr. 5/2006-10. Mai 2006 22 Der Zerfall Jugoslawiens Im Fall Bosnien-Herzegowinas bleibt nach wie vor fraglich, ob eine Zuständigkeit, wie vom IGH angenommen, tatsächlich gegeben ist. In dieser Entscheidung wurde die Frage der UN-Mitgliedschaft, die auch im zweiten Fall eine zentrale Rolle spielt, unverständlicherweise vom IGH völlig vernachlässigt. Genau entgegengesetzt hat der IGH im Fall Jugoslawien gegen die NATO-Staaten entschieden. Wiederum ist der IGH in der Frage nach der UN-Mitgliedschaft der BRJ eine Antwort schuldig geblieben. Ebenso ist die für diese Seminararbeit zentrale Frage nach der Bewertung des Zerfalls der Sozialistischen Föderativen Republik Jugoslawien (SFRJ) vom IGH nicht beantwortet worden. Die Gründe für das Verhalten des IGH sind mitunter in den politischen Zielen der internationalen Staatengemeinschaft begründet. Der Wille, dass die BRJ die UN-Mitgliedschaft der SFRJ nicht einfach fortsetzen kann, sondern sich vielmehr um Neuaufnahme bemühen muss, ist nachvollziehbar. Auf der anderen Seite soll aber eine Verurteilung Jugoslawiens wegen Verletzung der GenozidKonvention erreicht werden. Nach alledem dürfte das eine das andere Ziel ausschließen. V. Exkurs: Organisation und Arbeit des Internationale Strafgerichtshofs für das ehemalige Jugoslawien Der Internationale Strafgerichtshof für das ehemalige Jugoslawien60 mit Sitz in Den Haag ist ein durch Resolution 827 des UN-Sicherheitsrats vom 25. Mai 1993 geschaffener Ad-hoc-Strafgerichtshof. Er ist zuständig für die Verfolgung von schweren Verbrechen, die seit 1991 auf dem Territorium des ehemaligen Jugoslawien begangen wurden – während des jugoslawischen Bürgerkriegs bzw. des Kosovo-Kriegs. Verkürzend ist in den Medien häufig vom UN-Kriegsverbrechertribunal die Rede. Die Zuständigkeit des Strafgerichtshofs erstreckt sich auf die strafrechtliche Verfolgung von schweren Verletzungen der Genfer Abkommen Verstößen gegen die Gesetze oder Gebräuche des Krieges Völkermord Verbrechen gegen die Menschlichkeit. Der ICTY kann lediglich Einzelpersonen, nicht aber Organisationen oder Regierungen anklagen und aburteilen. Prozesse können nur gegen persönlich Anwesende geführt werden. Den Angeklagten droht als Höchststrafe lebenslange Freiheitsstrafe. Der Strafvollzug erfolgt in einem der Staaten, die sich in Verträgen mit den Vereinten Nationen bereit erklärt haben, Verurteilte entgegenzunehmen. Der ICTY besteht aus der Gerichtsverwaltung, zuständig auch für das Haager Gefängnis in Scheveningen, in dem die Verdächtigten in Untersuchungshaft sitzen, einer Anklagebehörde sowie den Spruchkammern. Der Anklagebehörde steht ein unabhängig arbeitender Chefankläger vor. Ernannt wird dieser auf Vorschlag des UN-Generalsekretärs vom UN-Sicherheitsrat. Derzeitige Chefanklägerin ist die Schweizerin Carla del Ponte, die 1999 der Kanadierin Louise Arbour gefolgt war. Anklageschriften müssen von einem der Richter geprüft und bestätigt sein, bevor sie wirksam werden. Dem Gerichtshof gehören 16 von der UN-Generalversammlung gewählte Richter an, die sich auf insgesamt vier Spruchkammern verteilen. Sie wählen aus ihren Reihen den Präsidenten des 60 engl.: International Criminal Tribunal for the former Yugoslavia; im weiteren abgekürzt: ICTY. Wissenschaft & Sicherheit Nr. 5/2006-10. Mai 2006 23 Der Zerfall Jugoslawiens Strafgerichtshofes.61 Neben den festen Richtern stehen jederzeit weitere neun Richter (aus insgesamt 27 Richtern) zur temporären Verstärkung für einzelne Prozesse bereit. Drei der Kammern verhandeln in erster Instanz. Die vierte ist eine Berufungskammer. Seitdem der Strafgerichtshof im Dezember 1994 seine Tätigkeit voll aufnehmen konnte, wurde gegen 161 Verdächtigte Anklage erhoben, 126 davon fanden sich (zwangsweise oder freiwillig) beim Tribunal ein und neun sind flüchtig. In den weiteren Fällen wurde die Anklage zurückgezogen. Besonderes Interesse erregt der im Februar 2002 begonnene Prozess gegen den ehemaligen Präsidenten Jugoslawiens Slobodan Milošević. In den rechtsgültigen Urteilen des Strafgerichtshofes kam es bisher zu 40 Schuld- und fünf Freisprüchen.62 E. Abschließende Betrachtung Offenkundig steht Jugoslawien nicht nur für das Leid von Millionen Menschen, sondern auch für die Ohnmacht der Weltgemeinschaft und die Handlungsunfähigkeit Europas. Hätten die Integrationsprobleme des Vielvölkerstaates frühzeitig mehr Aufmerksamkeit gefunden, wäre vielleicht die Weltöffentlichkeit dem gewaltsamen Sezessionsprozess Jugoslawiens nicht derart sprach- und tatenlos begegnet. Der Aufbau eines unabhängigen und effektiven Justizsystems wurde seit Dayton viel zu sehr vernachlässigt. Die Philosophie der Internationalen Gemeinschaft war, so schnell und so viele Wahlen wie möglich abzuhalten, dann würden sich Demokratie und Rechtsstaatlichkeit wohl schon von alleine einstellen. Dies stellte sich als fundamentaler Irrtum heraus, denn die frühen Wahlen im September 1996 zementierten auf Jahre hinaus die Machtpositionen der nationalistischen Parteien.63 Für eine „Abkühlung“ nach dem Krieg gab es keine Zeit. Die Angst der Menschen vor der Dominanz der jeweils anderen Ethnie spielt bis heute eine große Rolle in der bosnischen Politik. Das anfangs schwache Mandat des Hohen Repräsentanten war ebenfalls ein Grund für die Verzögerungen bei der Friedensimplementierung. Dem wurde durch eine Stärkung seiner Befugnisse im Jahre 1997 abgeholfen. Infolgedessen wurden z.B. über 20 Bürgermeister und Lokalpolitiker wegen Behinderung der Flüchtlingsrückkehr entlassen. Der Zukunft der Nachfolgestaaten ist dennoch mit einem vorsichtigem Optimismus entgegen zu sehen. Trotz kleiner Erfolge steht Europa vor großen Herausforderungen, was den wirtschaftlichen Wiederaufbau, die Rückführung der Flüchtlinge in ihre Heimat, die Normalisierung der Beziehungen zwischen den einzelnen Nachfolgestaaten und die Entschärfung der regionalen Konflikte angeht. Die Erfüllung dieser Ziele hängt wohl in erster Linie von den Parteien vor Ort ab, aber auch die Aufgabe der internationalen Gemeinschaften ist nicht zu unterschätzen, denn diese können helfen beim Aufbau von Stabilität und Demokratie, sowie bei der Verwirklichung einer sicheren Zukunft für die Balkanstaaten. Unter der Anleitung der Internationalen Gemeinschaft wachsen in Bosnien-Herzegowina junge, von der unmittelbaren Kriegsführung unbelastete Generationen heran. Wo Kinder unfreiwillig Zeugen von Massakern und Vergewaltigungen wurden, ziehen solche Opfer unweigerlich Rachegefühle nach sich. Es wird ausgesprochen schwierig werden, diese Konflikte zu beenden. Bosnien-Herzegowina und die 61 62 63 derzeitiger Amtsinhaber ist der US-Amerikaner Theodor Meron. alle Angaben: Stand Dezember 2005. Wnendt, S. 39. Wissenschaft & Sicherheit Nr. 5/2006-10. Mai 2006 24 Der Zerfall Jugoslawiens Internationale Gemeinschaft stehen vor den Aufgaben, weitere Auseinandersetzungen zu verhindern, eine objektive Aufarbeitung des Geschehenen zu ermöglichen und ein stabiles demokratisches Gemeinwesen zu schaffen. Hinsichtlich der nach wie vor ungelösten Kosovo-Problematik darf der Faktor des geographischen Umfelds nicht verkannt werden. Die heutigen Grenzen der Provinz Kosovo wurden 1913 weitgehend unter machtpolitischen Aspekten bestimmt und berücksichtigten nicht die Zusammensetzung der Bevölkerung in der Region. Wissenschaft & Sicherheit Nr. 5/2006-10. Mai 2006 25 Der Zerfall Jugoslawiens Quellenverzeichnis I. Bücher Baer, Stephanie Der Zerfall Jugoslawiens im Lichte des Vo lkerrechts Diss., Würzburg/Frankfurt a.M. 1995 Bartl, Peter Grundzüge der jugoslawischen Geschichte 1. Auflage, Darmstadt 1985 Calic, Marie-Janine Der Krieg in Bosnien-Herzegowina. internationale Lösungsmöglichkeiten Neue Folge Band 953, Frankfurt a.M. 1995 dies. Krieg und Frieden in Bosnien-Herzegowina. 2. Auflage, Frankfurt a.M. 1996 Chandler, David Bosnia. Faking Democracy after Dayton 1. Auflage, London 1999 Dadler, Ivo Getting to Dayton 1. Auflage, Washington D.C. 2000 Ursachen, Konfliktstrukturen, Deschner, Karlheinz Weltkrieg der Religionen. Der ewige Krieg auf dem Balkan Petrovic, Milan 1. Auflage, Stuttgart/Wien 1995 Dicke, Klaus Die Krise im Kosovo Hubel, Helmut 1. Auflage, Erfurt 1999 Djilas, Milovan Der Krieg der Partisanen. Jugoslawien 1941-1945. Memoiren. 1. Auflage, Wien/München/Zürich/Innsbruck 1978 Djuric, Rajko Bengsch, Bertolt Der Zerfall Jugoslawiens 1. Auflage, Berlin 1992 Doehring, Karl Völkerrecht Heidelberg 1999 Eisermann, Daniel Der lange Weg nach Dayton. Die westliche Politik und der Krieg im ehemaligen Jugoslawien 1991 bis 1995. 1. Auflage, Baden-Baden 2000 Fritzler, Marc Stichwort Bosnien 1. Auflage, München 1994 Geiss, Immanuel Der Jugoslawienkrieg 1. Auflage, Frankfurt a.M. 1993 Giersch, Carsten Konfliktregulierung in Jugoslawien 1991-1995 1. Auflage, Baden-Baden 1998 Herdegen, Matthias Völkerrecht München 2000 Ignatieff, Michael Blood and Belonging - journeys into the new nationalism London 1993 Ipsen, Knut Völkerrecht 4. Auflage, München 1999 Wissenschaft & Sicherheit Nr. 5/2006-10. Mai 2006 26 Der Zerfall Jugoslawiens Ischinger, Wolfgang Deutsche Außenpolitik 1995. Auf dem Weg zu einer Friedensregelung für Bosnien und Herzegowina. 53 Telegrame aus Dayton. Eine Dokumentation. 1. Auflage, Bonn 1998 Jertz, Walter Im Dienste des Friedens 2. Auflage, München 2000 Keßelring, Agilolf Wegweiser zur Geschichte: Bosnien-Herzegowina Paderborn/München/Wien/Zürich 2005 Kind, Christian Krieg auf dem Balkan. Geschichten Hintergründe Motive. 1. Auflage, Zürich 1994 Korczynski, Jarek Deutschland und die Auflösung Jugoslawiens: Von der territorialen Integrität zur Anerkennung Kroatiens und Sloweniens Studien zur internationalen Politik, Hamburg 2005 Libal, Wolfgang Das Ende Jugoslawiens. Selbstzerstörung, Krieg und Ohnmacht der Welt. 2. Auflage 1993, Wien/Zürich 1993 Malcolm, Noel Geschichte Bosniens 1. Auflage, Frankfurt a.M. 1996 ders. Kosovo - a short history 1. Auflage, London 1998 Meier, Viktor Wie Jugoslawien verspielt wurde 1. Auflage, München 1995 Melcic, Dunja Der Jugoslawien-Krieg 1. Auflage, Wiesbaden 1999 Meyer, BertholdDie Kosovo-Kriege 1998/99 Schlotter, Peter 1. Auflage, Frankfurt a.M. 2000 Meyer, Christian W. Vogt, Marcus Jurij Neuanfänge ex-jugoslawischer Republiken und Provinzen Speyerer Arbeitsheft Nr. 165, Speyer 2004 Meyer-Ohlendorf, N. Gerichtliche Kontrolle des VN-Sicherheitsrates durch den IGH Diss., Berlin 2000 Oeter, Stefan Völkerrechtliche Rahmenbedingungen und die Staatengemeinschaft in: Dunja Melcic; Der Jugoslawien-Krieg. Opladen/Wiesbaden 1999 Oschlies, Wolf Der Vierfrontenkrieg des Slobodan Milosevic. Bundesrepublik Jugoslawien vor dem Zerfall. 1. Auflage, Köln 1999 Petritsch, Wolfgang Bosnien und Herzegowina fünf Jahre nach Dayton 1. Auflage, Klagenfurt 2001 Petritsch, Wolfgang Kaser, Karl Pichler, Robert Kosovo/Kosova 1. Auflage, Klagenfurt 1999 Probst, Rainer Der Konflikt auf dem Balkan 1. Auflage, Strausberg 1996 Ripley, Tim Operation Deliberate Force. The UN and NATO Campaign in Bosnia 1995 1. Auflage, Lancaster 1999 Wissenschaft & Sicherheit Nr. 5/2006-10. Mai 2006 27 Der Zerfall Jugoslawiens Rieff, David Schlachthaus. Bosnien und das Versagen des Westens. 1. Auflage, München 1995 Riegler, Henriette Einmal Dayton und zurück: Perspektiven einer Nachkriegsordnung im ehemaligen Jugoslawien 1. Auflage, Wien 1999 Rohde, Gotthold Die südosteuropäischen Staaten von der Neuordnung nach dem Ersten Weltkrieg bis zur Ära der Volksdemokratien. In: Handbuch der europäischen Geschichte, Stuttgart 1979 Rose, Michael Fighting for peace - lessons from Bosnia 1. Auflage, London 1998 Seroka, Jim Pavlovic, Vukasin The tragedy of Yugoslavia: the failure of democratic transformation 1. Auflage, London 1992 Silagi, Michael Staatsuntergang und Staatennachfolge Frankfurt a.M. 1996 Schneider, Heinrich Frieden für Bosnien Herzegowina. Ein Vertragswerk als Herausforderung für Europa. 1. Auflage, Bonn 1996 Silver, Laura Little, Alan Bruderkrieg – Der Kampf um Titos Erbe 1. Auflage, Graz 1995 Sundhaussen, Holm Experiment Jugoslawien. Von der Staatsgründung bis zum Staatszerfall. Mannheim/Leipzig/Zürich/Wien 1993 ders. Geschichte Jugoslawiens 1918-1980 Stuttgart 1982 Vickers, Miranda Between Serb and Albanian: a history of Kosovo 1. Auflage, London 1998 Weidenfeld, Werner Werner Wessels Jahrbuch der Europäischen Integration 1996/97 Bonn 1997 Weithmann, Michael Balkan-Chronik. 2000 Jahre zwischen Orient und Okzident. 2. Auflage, Regensburg/Graz/Wien 1997 II. Aufsätze und Zeitschriftenartikel Almond, Mark Dayton und die Neugestaltung Bosnien-Herzegowinas. in: Dunja Melcic; Der Jugoslawien-Krieg. Opladen/Wiesbaden 1999 Arnold, Hans Der Balkan-Krieg und die Vereinten Nationen. in: Europa- Archiv, Folge 2 / 1993, Seite 35ff. Bianchini, Stefano Pulverfass Balkan – Wege zur Stabilisierung durch den Westen in: Denken + Glauben, Nr. 126/127, Oktober/November 2003 Bugajski, Janusz Die strategischen und militärischen Nachwirkungen des Friedensabkommens von Dayton. in: Dunja Melcic; Der Jugoslawien-Krieg. Opladen/Wiesbaden 1999 Calic, Marie-Janine Das Ende Jugoslawiens in: Informationen für Politische Bildung, Bonn 1996 Clewing, Konrad Amerikanische und französische Kosovopolitik vor Dayton Wissenschaft & Sicherheit Nr. 5/2006-10. Mai 2006 28 Der Zerfall Jugoslawiens in: Südosteuropa 45 (1996) 1/2, S. 179-186 Dörr, Oliver Die Vereinbarungen von Dayton/Ohio. Eine völkerrechtliche Einführung. in: Archiv des Völkerrechts 35 / 1997 Falk, Richard A. Kosovo, World Order and the Future of International Law in: American Journal of International Law, Band 93, Heft 4, 1999 Hillgruber, Christian Die Jurisdiktion des IGH nach Art. IX Genozid-Konvention und ihre Grenzen. in: Österreichische Zeitung für öffentliches Recht, Band 38, 1998, S. 363-382 Hummer, Waldemar Problem der Staatennachfolge am Beispiel Jugoslawien in: Schweizer Zeitschrift für internationales und europäisches Recht, Band 3, Heft 4, 1993, S. 425-459 Küppers, Bernhard Staat wider Willen in: Süddeutsche Zeitung Nr. 261 vom 12./13.11.2005, S. 11 Nebelung, Thilo Office of the High Representetive (OHR) in: CIMIC-Faktoren II, Speyer 2003, S. 107-116 Reuter, Jens Die Entstehung des Kosovo-Problems in: Aus Politik und Zeitgeschichte, Nr. 34/1999 Rüb, Friedbert Vom multiethischen Staat zum Genozid in: Kritische Justiz 1999, S. 163-181 Schwarz, Axel Die Verfassung des Gesamtstaates Bosnien-Herzegowinas in: Europa-Blätter 2003, S. 128-133 ders. Justizmanagement und –reform in Bosnien und Herzegowina in: CIMIC-Faktoren VI - Neuanfänge ex-jugoslawischer Republiken und Provinzen, Speyer 2004, S. 77-88 Stahn, Carsten Die verfassungsrechtliche Pflicht in: Zeitschrift für ausländisches und öffentliches Recht und Völkerrecht (ZfaöRuVR), Ausgabe 60 (2000) Stroessel, Marcel Fünf Jahre nach dem Dayton-Abkommen: Eine ernüchternde Bilanz in: Neue Zürcher Zeitung vom 24.02.2001 Thürer, Daniel Der Kosovo-Konflikt im Lichte des Völkerrechts in: Archiv des Völkerrechts, Band 38, Heft 1, 2000, S. 1-22 Vitzhum, Wolfgang Winkelmann, Ingo Bosnien-Herzegowina im Horizont Europas Demokratische und föderale Elemente der Staatswerdung in Südosteuropa, Berlin 2003 Wedgwood, Ruth NATO’s Campaign in Yugoslavia in: American Journal of International Law, Band 93, Heft 4, 1999 S. 828-834 Wnendt, Werner Friedenserhaltendes Engagement der Internationalen Gemeinschaft in: CIMIC-Faktoren VI - Neuanfänge ex-jugoslawischer Republiken und Provinzen, Speyer 2004, S. 37-43 o.N. Dayton. Perspektiven europäischer Sicherheit. Hg.: Stiftung Wissenschaft und Politik, Ebenhausen 1996 o.N. Parties to conflict in Yugoslawia urged to settle their disputes peacefully. In: UN Chronicle, Dezember 1991 Wissenschaft & Sicherheit Nr. 5/2006-10. Mai 2006 29 Der Zerfall Jugoslawiens o.N. Embargo against Federal republic of Yugoslawia tightened. War crimes investigative body created. In: UN Chronical, März 1993 o.N. Situation worsens as Peace process continues. in: UN Chronicle, Juni 1993 o.N. Das Statut des Internationalen Strafgerichtshofes für das ehemalige Jugoslawien. In: Europa- Archiv, Folge 3 / 1994 III. Internetquellen Holzrichter, Michael Die Geschichte des Kosovo und aktuelle Krisenbewältigung http://www.uni-weimar.de/architektur/e+gel1/projekte/kosovo/ Seminare/Holzrichter/Holzrichter.htm US State Department General Framework Agreement of Peace in Bosnia and Hercegovina www.state.gov/www/current/bosnia/bosagree.html. o.N. Krajina – Völkermord an Serben http://kraina.net/rsk/main.html o.N. Republik Srpska http://www.uni-protokolle.de/Lexikon/Republika_Srpska.html Die Angaben zu den Internetquellen beziehen sich auf den Zeitraum Januar - April 2006. Wissenschaft & Sicherheit Nr. 5/2006-10. Mai 2006 30