Katalog der Masterarbeiten 2015
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Katalog der Masterarbeiten 2015
Masterarbeiten im Studiengang ART IN CONTEXT 201 4 / 201 5 Institut für Kunst im Kontext Fakultät Bildende Kunst Universität der Künste Berlin Impressum Masterarbeiten am Institut für Kunst im Kontext 201 4/201 5 Universität der Künste Berlin, 1 7.–1 9. Juli 201 5 Herausgeber: Institut für Kunst im Kontext, Universität der Künste Berlin Redaktionelle Bearbeitung und Ausstellung: Heike-Karin Föll, Claudia Hummel, Wolfgang Knapp, Kristina Leko, Klaus Mantze, Christiane Post Layout: Ioannis Delagrammatikas, Juan Díaz, Anaïs Senli Gestaltet mit: Scribus 1 .4.5 Open Source, Desktop Publishing (Ghostscript-Version: 8.71 ) Gesamtherstellung: Conrad, Berlin Verlag: Universität der Künste Berlin, Verlagsort: Berlin © Universität der Künste Berlin und die AutorInnen ISBN 978-3-89462-268-8 Bibliographische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliographie; detaillierte bibliographische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar. Dieser Katalog ist zu beziehen über: Universität der Künste Berlin Einsteinufer 43–53 D–1 0587 Berlin, Germany p. 030 31 85 2960 f. 030 31 85 2961 [email protected] www.kunstimkontext.udk-berlin.de Institut für Kunst im Kontext Masterarbeiten im postgradualen Studiengang „Art in Context“ Mit diesem Katalog stellen wir die im Studienjahr 201 4/201 5 im weiterbildenden Masterstudiengang „Art in Context“ an der Universität der Künste Berlin entstandenen Masterarbeiten vor. Der Katalog gibt, wie die Ausstellung im Rahmen des Rundgangs 201 5, einen guten Eindruck über die vielfältigen künstlerischen Ansätze und die höchst unterschiedlichen Themen, mit denen sich die Studierenden – und damit auch die am Institut Lehrenden – beschäftigen. Unter „Art in Context“ verstehen wir eine erweiterte Kunstpraxis, die gleichermaßen an künstlerischen wie wissenschaftlichen Fragestellungen orientiert ist, sich bewusst und gezielt mit gesellschaftlichen Phänomenen beschäftigt und sie unter wissenschaftlichen, sozialen, politischen und ästhetischen Gesichtspunkten reflektiert. Der Weiterbildungsstudiengang „Art in Context“ mit dem Abschluss Master of Arts wendet sich an Künstlerinnen und Künstler, die ihre künstlerische Arbeit in einem gesellschaftlichen Zusammenhang positionieren und darauf bezugnehmend künstlerische Konzepte, Strategien und Arbeitsweisen entwickeln und realisieren wollen. Mit intrinsischem Interesse sollten sie außerkünstlerische Fragestellungen und Problemlagen erschließen, sie auf einem professionellen Niveau reflektieren und die Anschlussfähigkeit der eigenen Arbeit begründen können. 3 Als künstlerisch-wissenschaftlicher Studiengang bietet „Art in Context“ eine Qualifizierung in folgenden Berufsfeldern bzw. deren Kombinationen an: – Künstlerische Arbeit mit gesellschaftlichen Gruppen – Künstlerische Arbeit in/mit kulturellen Institutionen – Künstlerische Arbeit im öffentlichen Raum – Künstlerische Arbeit im Kontext der medialen und wissenschaftlichen Bildproduktion Das Studium, in dessen Mittelpunkt die Entwicklung künstlerischer Projekte steht, zielt auf eine Erweiterung der Professionalisierung der Studierenden ab. Aus den entsprechenden Lehrangeboten entwickeln die Studierenden gemäß ihrer Interessen und in Absprache mit den Lehrenden ihre jeweils individuellen Studienpläne. Die Entwicklung sozialer und kommunikativer Kompetenzen, die Zusammenarbeit im Team, die theoriegestützte Erarbeitung künstlerischer Strategien sowie die Strukturierung von Studienvorhaben und ihrer Dokumentation bilden wichtige Inhalte des Studiums. Der nicht konsekutive Studiengang kann als Vollzeitstudium in vier Semestern oder als berufsbegleitendes Teilzeitstudium in sechs Semestern absolviert werden. Er ist gebührenfrei und ohne Altersbegrenzung. Die Unterrichtssprache ist Deutsch. 4 Das Institut für Kunst im Kontext verfügt über 30 Studienplätze pro Jahr, die in einem zweistufigen Auswahlverfahren vergeben werden. Ein spezifisches Merkmal des Studiengangs ist der hohe Anteil (zwei Drittel) an internationalen Studierenden. In der Regel hat der größere Teil der Studierenden zuvor ein künstlerisches Studium abgeschlossen, während die anderen Studierenden über einen Abschluss in einem gestaltenden Fach (Design, Architektur) oder Kunstpädagogik verfügen. Da etwa die Hälfte der Studierenden ein Teilzeitstudium wählt, hat das Institut jährlich insgesamt ca. 80 Studierende, die im postgradualen Masterstudiengang „Art in Context“ immatrikuliert sind. Masterarbeiten im Studienjahr 201 4/201 5 am Institut für Kunst im Kontext Ana Alenso Zurab Bero Berozashvili Ievgeniia Bielorusets Roberta Busechian Seo Young Chang An-Chi Cheng Sandra Dinnendahl López Dominik Dittberner Vera Galešev Sophia Helena Gallbach María Amparo Gomar Vidal Christian Heck Alexis Hyman Wolff Aleksandar Jestrovic Teddy François Moarbes Annesofie Norn Elena Pascalau Carolina Pinzón Rivera Adrian Schindler Igor Sovilj Artem Ushan Valentina Utz 6 8 10 12 14 16 18 20 22 24 26 28 30 32 34 36 38 40 42 44 46 48 5 Until the last drop Eine künstlerische Annäherung an das Paradox des Erdöls in Venezuela Until the last drop ist eine Rauminstallation, die das Erdöl als parado- xes Element darstellt und nach seinem zugleich produktiven und zerstörerischen Charakter befragt. Der aktuelle Ölpreissturz wird als Ausgangspunkt genommen, um die Instabilität des globalen wirtschaftlichen Systems metaphorisch und ästhetisch zu reflektieren. Die derzeitige Krise des südamerikanischen OPEC-Lands Venezuela findet dabei besondere Beachtung. Venezuela ist seit 1 91 4 Erdölerzeugerland und dient als Beispiel für das Paradox, das dem Erdöl innewohnt. Am Beispiel der Darstellung von drei weiteren künstlerischen Positionen werden historische Momente und Implikationen der venezolanischen Kultur mit dem Rohstoff Erdöl analysiert. 6 Die Installation besteht aus einem Ölfass, zwei Autoscheinwerfern, einer Struktur aus Holz und aus einer collagierten Field-RecordingAufnahme einer Börsensituation. Dabei sind die Elemente der Installation in der ständigen Gefahr plötzlich zu fallen. Dieser prekäre und zerbrechliche Zustand will auf ein Ungleichgewicht und auf Spannungsfelder verweisen, die nicht nur in und zwischen den Elementen der Installation, sondern auch in den Volkswirtschaften vieler ölabhängiger Länder auftreten. Sie stellt damit den Versuch dar, die Verhältnisse der aktuellen venezolanischen und globalen Erdölpolitik im Zusammenhang mit den Konzepten von Spekulation, Unsicherheit und Instabilität in Form einer Rauminstallation erfahrbar zu machen. Ana Alenso *1 982 in Caracas, Venezuela. 2004 Diplom Bildende Kunst an der Kunsthochschule Armando Reveron (VE), 2008 Fortbildungskurs für Hochschullehrende an der Universität José María Vargas, 201 3 MA Medienkunst an der Bauhaus-Universität Weimar. [email protected] www.anaalenso.com Titel der Masterarbeit: Until the last drop Eine künstlerische Annäherung an das Paradox des Erdöls in Venezuela Betreut von Claudia Hummel Zweitbetreuer: Dr. Manuel Silva-Ferrer 7 Film-Zensur in Georgien: Auswirkungen aufdie künstlerische Praxis Schwerpunkt meiner Masterarbeit ist eine Recherche über die Zensur im Bereich der Filmproduktion in Georgien von 1 920 bis 1 990 und deren Auswirkung auf das Leben und die Werke der Filmemacher. An ausgewählten Filmbeispielen georgischer Regisseure wie Mikheil Kalatozov (Kalatozishvili), Sergei Parajanov, Otar Iosseliani und Tengis Abuladze beschreibe und analysiere ich Formen, Charakter und Praktiken der Zensur. Gleichzeitig wird erörtert, wie Filmemacher trotz der ausgeübten Zensur versuchten, ihre künstlerische Arbeit fortzusetzen. Damit vertrete ich die These, dass die Filmemacher mit ihren Filmen bei Zensoren und in der Gesellschaft den Wunsch geweckt haben, die Bilder zu analysieren; quasi als erzwungene genaue Auseinandersetzung mit den Film, bevor er zensiert wurde. Somit führte der Film auf absurde Weise zu Weiterbildung und unfreiwillig freierem Denken. 8 Die Metaphern, die die Regisseure in den Filmen versteckten, erscheinen als Produkt der künstlerisch freien Arbeit, die von den Behörden häufig als Agitation für Volksaufstände gegen das System gesehen oder absichtlich aus ideologischen Gründen missverstanden wurden. Zum Abschluss meiner Masterarbeit thematisiere ich die gegenwärtige Filmproduktion in Georgien, um zu analysieren, ob der erzwungenen Zensur die freiwillige Zensur gefolgt ist. Fernsehtestbild nach meiner Bearbeitung und Einschränkung der Farben, Zensur in der Sowjetzeit symbolisierend Zurab Bero Berozashvili *1 982 in Georgien. 1 999–2002 Akademie der Künste Tbilissi, Georgien, Bildende Kunst, Bildhauerei. 2006–2009 Universität der Künste Berlin, Bildende Kunst, Freie Kunst, Multimedia. 2009–201 0 Universität der Künste Berlin, Bildende Kunst, Meisterschüler. 201 0 Diffring Award – Prize for Sculpture by Jacqueline Diffring Foundation. [email protected] www.zurab-bero.com Titel der Masterarbeit: Film-Zensur in Georgien: Auswirkungen aufdie künstlerische Praxis Betreut von Wolfgang Knapp 9 Arbeit als Gegenwehr Eine Bild-Text-Dokumentation zur Situation im Donbass/Ukraine im Jahr 201 4 Im Herbst und Winter 201 4 habe ich selbstbeauftragt eine Reihe von Reisen in die Ost-Ukraine/Donbass unternommen, dabei fotografiert und dort lebende und arbeitende Menschen interviewt. Während meiner Reisen entstand eine Freundschaft mit den TeilnehmerInnen einer Initiative von BergwerkarbeiterInnen, die zur Grundlage meiner künstlerischen und auch sozial-aktivistischen Arbeit wurde. 10 Im Rahmen meiner Masterarbeit habe ich das während der Reisen entstandene Fotoarchiv bearbeitet und reflektiert und daraus eine Bild-Text-Dokumentation entwickelt. Eine Untersuchung zu den Hintergründen und zur Genese der gegenwärtigen Situation in der Ukraine sowie ein Vergleich meiner künstlerischen Arbeit mit anderen Formen der Dokumentation werden im schriftlichen Teil der Arbeit ausgeführt. Dazuhin untersuche ich, wie sich meine künstlerische Vorgehensweise von der journalistischen unterscheidet und wie sie mit dem Kontext der Propaganda umgeht. In weiteren Abschnitten wird einerseits meine Beobachtung, dass in diesem Konflikt Arbeit als Gegenwehr verstanden werden kann, herausgearbeitet und andererseits meine künstlerische Arbeit repräsentationskritisch reflektiert. Als eine weitere Kontextualisierung stelle ich meine eigene fotografische Arbeit in den Zusammenhang des Schaffens zeitgenössischer KünstlerInnen, deren Werke sich mit Machtverhältnissen in der Gesellschaft beschäftigen, wie die Gruppe Chto delat und deren Video-Arbeiten oder auch die fotografischen Untersuchungen zum Donbass von Boris Mikhailov. Aus der Serie: Arbeit als Gegenwehr, 201 4–201 5 Ievgeniia Bielorusets *1 980 in Kiew, ist eine ukrainische Fotografin, Künstlerin und Autorin. Sie arbeitet mit Video, Fotografie, Installationen an der Schnittstelle von Kunst, Literatur und sozialem Aktivismus. Sie hat an zahlreichen ukrainischen und internationalen Ausstellungen teilgenommen. [email protected] www.belorusets.com Titel der Masterarbeit: Arbeit als Gegenwehr Eine Bild-Text-Dokumentation zur Situation im Donbass/Ukraine im Jahr 201 4 Betreut von Claudia Hummel 11 Bunker in den Dolomiten: Ihre Reaktivierung als Partitur 12 Das Projekt hat in den östlichen Dolomiten in Italien stattgefunden. Als ich 1 5 war, habe ich dort mit meinen Eltern mehrere Exkursionen auf einen Berg – den Kreuzbergpass – gemacht und auf1 .900 Meter das erstes Mal eine Bunkeranlage (Opera numero 1 0) gesehen. Die Frage, die sich mir stellte, war: Welche Funktion diese Bunkeranlagen in der Landschaft haben? Jetzt stelle ich mir die Frage so: Welche Beziehung bildet sich zwischen dem dolomitischen Berg und der Bunker-Struktur für die BetrachterInnen? Im Oktober 201 4 habe ich über die Tätigkeit des Konfliktarchäologen Rupert Gietl gelesen, der in den Dolomiten die Forschung über die Spuren der Anlagen des Ersten Weltkrieges durchgeführt hat (mit Drohnen, 3D-Bearbeitungen und GPS-Systemen). Die Methode, die Topografie nach den Spuren des Konflikts zu rekonstruieren, eröffnet mir die Möglichkeit, die Bunker als Systeme dieser Landschaft zu betrachten und zu reaktivieren, nicht durch technologische Messungen, sondern durch die Erfahrung des Bergs bei der Wanderung. Die Bunkeranlage Opera numero 1 0 gilt in meiner Arbeit als Bunker-BergStruktur, wo sich eine Analogie zur Black-Box-Struktur (als Begriff der Informatik) bildet. Diese Analogie ist nur durch eine nicht notenbasierte Partitur sichtbar: die Black Box stellt die Bunker-Berg-Struktur dar. Man muss die traditionelle Idee der Partitur in meinem Projekt vergessen, weil diese mit der Musik nur die Rolle der Angabe für die Ausführung im Zusammenhang hat. Mein Begriff der Partitur bestimmt die Partitur als grafisches Denken: Sie besteht aus meiner Erfahrung, der Berg- und Bunker-Struktur, die ich – als Künstlerin und Wanderin – durch einen philosophischen und historischen Text rahme und mittels Zeichnungen, grafischen Feststellungen, Fotografien und das geschriebene Wort entstehen lasse. Die Partitur als Spiegelung der Erfahrung einer Bunker-Berg-Beziehung ist eine Partitur für die WanderInnen, eine Angabe den Berg hoch bis zur Bunkeranlage Opera 1 0. Die LeserInnen der Partitur werden das System teilweise als akustisches erfahren. Nach der Philosophie von Cage: Auch ohne notierte Partitur kann der Klang präsent sein, und was ist die Musik? Ist Musik Rhythmus? Ist Musik Pause? Ist Musik Riechen, Sehen, Hören? Genauso stelle ich die Frage, was das Akustische ist? Könnte es der Denkprozess selbst sein? Roberta Busechian *1 990 in Triest, Italien. Studierte Bildende und Darstellende Kunst in Venedig; arbeitet im Bereich der sound studies. Künstlerische Residenzen (u.a.): Fondazione Antonio Ratti, Como, Italien, 201 2; Stipendiatin der Salzburg Summer Academy, 201 2; seit 201 1 Ausstellungen in Italien (u.a. Venedig, Triest, Vicenza); Soundperformances (Berlin, Graz); Konferenzen (IUAV Universität Venedig). http://robertabusechian.altervista.org http://vimeo.com/user9928272 https://soundcloud.com/robinija [email protected] Titel der Masterarbeit: Bunker in den Dolomiten: Ihre Reaktivierung als Partitur Betreut von Wolfgang Knapp 13 Ein abwesendes Kunstwerk – Mediale Vermittlung als Präsenz 14 Das neue Dogma dieser Zeit heißt: Das Leben muss medial gezeigt und mitgeteilt werden, damit die damit verbundene Existenz überhaupt anerkannt werden kann. Diese soziale Anerkennung als Existenzbedingung gilt nicht nur in der gegenwärtigen Medienszene, sondern auch in der Kunstszene, in dem Sinn, dass ein Kunstwerk gezeigt werden muss, um überhaupt Kunstwerk zu sein. Die Medialisierung der Kunstwerke kann Ausstellungsmöglichkeiten erweitern und einen effizienten Zugang zu den Kunstwerken anbieten. Die vorliegende Arbeit ist ein Versuch, zu erklären, wie durch mediale Vermittlung die Präsenz des Originals ersetzt werden kann. Für meine künstlerische Praxis initiiere ich eine paradoxe Situation, in der die (An-)Erkennung eines Gegenstands seiner Existenz vorangeht: Ein Kunstwerk wird ohne materielle Präsenz medial vermittelt. Die Behauptung, dass das Werk tatsächlich existiert, wird von Dokumentationen unterstützt, die anstelle des Kunstwerks ausgestellt werden. Diese Situation wiederholt sich inhaltlich in dem physisch abwesenden Kunstwerk, das eigentlich als Videoinstallation vorgestellt werden soll. In der (abwesenden) Videoarbeit ergibt die Anstrengung nach Anerkennung der Existenz paradoxerweise die Dekonstruktion der Existenz. Thematisiert wird dabei, dass durch ständige wechselseitige Beeinflussung zwischen Medienwirklichkeit und außermedialer Wirklichkeit das „Original“ der Lebensform verloren geht. In endloser, wechselseitiger Beeinflussung verwandelt sich die Wirklichkeit leicht zu einem Format ohne Inhalt, einer Nachahmung ohne Original, einer Schauspielerei ohne Substanz. Meine künstlerische Praxis ist eine Präsentation eines Gegenstands, der nur aus Format besteht. Die konkreten, detaillierten Eigenschaften des Gegenstands gehen verloren und nur das Format bleibt übrig. Dabei soll das Konzept der Oberflächlichkeit und Inhaltslosigkeit thematisiert werden. Seo Young Chang *1 983 in Seoul, Südkorea. 201 0 M.F.A. und 2007 B.F.A. in Bildhauerei an der Ewha Universität Seoul. [email protected] www.changseoyoung.com Titel der Masterarbeit: Ein abwesendes Kunstwerk – Mediale Vermittlung als Präsenz Betreut von Wolfgang Knapp 15 Kontext-Report: Ein Rückblick auf die Geschichte des Instituts für Kunst im Kontext Aus der Perspektive eines heutigen Studierenden untersuche ich, inwieweit die Zielsetzungen der ersten Entwicklungsphase des Instituts für Kunst im Kontext (des Modellversuchs Künstlerweiterbildung 1 976–1 981 ) für die heutige Zeit relevant sind. Was bedeutet es, wenn die Künste im Kontext positioniert werden? Und welcher„Kontext“ ist hier überhaupt relevant? Dies ist die zentrale Fragestellung, die mich seit drei Jahren bzw. seit Anfang meines Studiums am Institut für Kunst im Kontext beschäftigt und auf die ich in meiner Abschlussarbeit eingegangen bin. Der Künstler-Report und der Künstlerkongress (1 971 ) gehören zu den Meilensteinen kulturpolitischer Geschehnisse Deutschlands in den 1 970er Jahren. Infolgedessen entstand auch der Modellversuch Künstlerweiterbildung (1 976–1 981 ), der Vorläufer des heutigen Studiengangs Art in Context. Diese Arbeit möchte einen Rückblick auf die Organisation des Curriculums zur Weiterbildung von KünstlerInnen werfen. Anhand des Werdegangs der Einrichtung und des Curriculums des Modellversuchs Künstlerweiterbildung habe ich eine Vergleichsanalyse mit dem Institut für Kunst im Kontext bzw. mit dem Studiengang, wie ich es bzw. ihn im Zeitraum von 201 2 bis 201 5 kennengelernt habe, durchgeführt. Dafür habe ich Lehrinhalte und Methoden verglichen sowie Interviews mit ehemaligen und aktuellen Studierenden, KünstlerInnen und DozentInnen geführt. Dabei habe ich mich auf das Berufsfeld fokussiert, das im Zentrum meiner künstlerischen Praxis steht, und das kurz mit dem Idiom Kunst im öffentlichen Interesse anzudeuten ist. 16 Mein Wunsch ist es, erstens einen Text zu verfassen, den man als einen Ausgangspunkt oder sogar als eine Gebrauchsanweisung verstehen kann, um diesbezüglich relevante Begriffe weiter erörtern zu können, als auch um meine KünstlerInnen-KollegInnen in Taiwan zu motivieren, ein ähnliches Weiterbildungsprojekt dort gemeinsam umzusetzen. Des Weiteren soll diese Arbeit Interesse bei denjenigen wecken, die sich in Taiwan an sozialen Projekten beteiligen, d.h. die Mitwirkenden der NGO-Szene in Taiwan, um eine alternative Arbeitsweise kennenzulernen . An-Chi Cheng *1 985 in Tainan, Taiwan. Seit 2007 Beginn des künstlerischen Engagements mit thematischen Schwerpunkten – Stadtentwicklung, landwirtschaftliche Entwicklung und Mitbestimmung von BürgerInnen; kollaborative Projektentwicklung und -arbeit mit NGOs. Seine Projekte basieren auf interventionistischen und aktivistischen Strategien und finden meistens im öffentlichen Raum statt. In Berlin realisierte Projekte: Gegen Germania – eine nicht stattgefundene Demonstration im Rahmen der Ausstellung Unbequemes Denkmal – Schwerbelastungskörper, 201 3; Das politische Tier: Pandabär im Rahmen der Ausstellung Unsere Tiere, 201 4. [email protected] www.chenganchi.net Titel der Masterarbeit: Kontext-Report: Ein Rückblick auf die Geschichte des Instituts für Kunst im Kontext Betreut von Kristina Leko 17 Renunciación: Eine Installation-Performance zum Thema Nation Renunciación ist eine Performance-Installation, die aus der Notwendig- keit entstanden ist, den paraguayischen nationalistischen Diskurs in Bezug auf meine Positionierung als Künstlerin zu untersuchen. Meine Arbeit basiert auf der Ablehnung nationalistischer Ideologie, die zurzeit den Mainstream im Land darstellt. Diese Performance schlägt vor, Abschied von den populistischen Ideen von Nation zu nehmen. Der Nationalismus zelebriert handverlesene Beispiele in der historischen Vergangenheit, während Unrühmliches beschönigt wird. Er gibt eine landesweite Einheit vor, während eine Politik ausgeübt wird, die Minderheiten, die dem offiziellen und nationalistischen Diskurs gegenüber unterschiedlicher Auffassung sind, zum Schweigen bringt. Nationalismus stachelt zu Gewalt an, führt zu Teilung, Fanatismus und Selbstverherrlichung. Er lenkt von den tieferen sozialen, ökonomischen und politischen Problemen ab, die das Land verwüsten. Letztendlich ist Nationalismus in einer post- und transnationalen globalisierten Welt von virtuellen und diasporischen Gemeinschaften und Corporate-Governments obsolet. 18 Im Lichte dieser post-nationalistischen Kritik frage ich mich, ob es möglich ist, sich radikal vom Nationalismus zu lösen. Nationale Identität ist äußerst fein mit allen anderen Aspekten meiner Identität verwoben, sei es in Bezug auf mein Gender, mein Alter, meine Ethnizität, Religion, Klasse, politischen und kulturellen Präferenzen. Mein Bewusstsein ist mit nationalistischer Ideologie gesättigt, also bin ich vielleicht einer aussichtslosen Sache verschrieben. Renunciación ist eine Performance, die in Asunción stattfand und die mein persönliches Dilemma ausdrückt. Die materiellen Aspekte meiner Performance-Installation beziehen sich auf vertraute Bilder und Materialien, die (meine) paraguayische nationale Identität ansprechen: rote Erde, ao poi-Textil, ysypo-Weinreben sowie meine langen Haare. Der Soundtrack widmete sich den Geräuschen der Natur (Vögel, Insekten und Tiere), um den Begriff des Landeigentums zu thematisieren. Sandra Dinnendahl López *1 988 in Asunción, Paraguay. 201 0 Bachelor in Bildender Kunst und Creative Writing am Oberlin College (USA). Arbeitet als freie Künstlerin (Installation, Performance, Zeichnung, Fotografie und Video) in Berlin und Asunción. [email protected] www.esedele.com Titel der Masterarbeit: Renunciación: Eine Installation-Performance zum Thema Nation Betreut von Kristina Leko 19 Künstlerische Formen der Unproduktivität und des Nichtagierens Ein Film in Episoden In modernen westlichen Gesellschaften können Prozesse einer stetigen Beschleunigung und Fragmentarisierung von realen wie virtuellen Ereignissen beobachtet werden. Unterbrechungen intentionaler Aktivität, wie sie im Zustand des Wartens oder der Langeweile erfahrbar werden, stehen in einem direkten Zusammenhang mit diesen gesellschaftlichen Entwicklungen. Als mögliche Folge einer Desynchronisation von ökonomisierter Zeit entstehen dabei Intervalle abseits von Effizienz und Produktivität. Formen der Unproduktivität und des Nichtagierens können aber auch in einer künstlerischen Praxis wirksam werden. Anhand eines Films in vier Episoden habe ich performative Formen des Unterlassens und des Geschehenlassens inszeniert, die im Warten, im Vorgang des Fallens oder auch in der Wiederholung von sich ähnelnden Bewegungen meines Körpers sichtbar werden. Ein Unterlassen bezeichnet dabei Negationen von Bewegung oder Artikulation, im Geschehenlassen entstehen Momente zwischen Selbstinszenierung und Kontrollverlust. Diese performativen Varianten verbinde ich im Film mit meiner Präsenz an Transiträumen wie Autobahnen und leeren Parkplätzen sowie urbanen Brachen. Als Zwischenräume einer funktionalen urbanen Infrastruktur besitzen diese „Unorte“ transitorische Eigenschaften. Die Tonspur meines Films besteht aus Aufnahmen des akustischen Rauschens, das in Städten hauptsächlich durch monotone und kontinuierliche Schallemissionen von Verkehrsgeräuschen entsteht. 20 Indem ich inszenierte Unterbrechungen intentionaler Aktivität mit transitorischen Räumen der Stadt zusammenführe, entstehen Überlagerungen von Ereignissen und Dynamiken, die sich untereinander verfehlen. Die performativen, räumlichen und akustischen Ebenen in meinem Film sind für mich Mittel, die Ambivalenz einer scheinbaren Gleichzeitigkeit von Stagnation und Beschleunigung im gesellschaftlichen Alltag zu reflektieren und zu hinterfragen. Dominik Dittberner *1 982 in München. 2004–2009 Studium Fotodesign an der Hochschule München. Lebt und arbeitet als Filmemacher und Fotograf in Berlin. [email protected] www.dominikdittberner.com Titel der Masterarbeit: Künstlerische Formen der Unproduktivität und des Nichtagierens Ein Film in Episoden Betreut von Wolfgang Knapp 21 Dickköpfige Schöne – Verzerrung im Fleisch Plastische Gesichtsmorphologie und künstlerische Praxis Dickköpfige Schöne – Verzerrung im Fleisch hat die Form einer künstlerischen Installation. Das Ziel der Arbeit ist es, einen echten Schweinekopf so zu transformieren, dass ein menschenähnliches Gesicht entsteht und eine verschönernde Verzerrung herbeigeführt wird. Die Idee dahinter ist, eine derartige Transformation herbeizuführen, bei der ein toter Tierkopf zu einem menschlichen Gesicht umgestaltet wird und den Punkt zu erreichen, an dem man einen Gesichtsausdruck erkennen kann. Die Vermutung dabei war, dass man sich mit etwas Menschlichem direkter verbinden kann als mit einem Tier und somit eine Art von Mitgefühl entsteht. Die Verzerrung und Modifizierung eines Wesens/einer Identität ebenso wie die Frage nach dem Aufhalten der Temporalität des Aussehens ist, was mich in Bezug auf diese künstlerische Arbeit interessierte. In meiner Masterarbeit befasse ich mich mit der historischen Entwicklung der Wahrnehmung von menschlichen Missbildungen, der Entwicklung von Theorien über das Reduzieren von Naturschönheit auf Zahlen und Formeln und mit dem Versuch, menschliche Emotionen zu klassifizieren und künstliche lebendige Formen zu schaffen. 22 Die Mixed-Media-Installation ist aus einem echten transformierten Schweinekopf, chirurgischen Instrumenten, die für die Transformation gebraucht wurden, und einer Videodokumentation des Arbeitsprozesses als Handlungsort zusammengestellt. Vera Galešev *1 984 in Novi Sad, Serbien. 2007–201 0 MA Visuelle Kunst an der Akademie der Bildenden Künste Brera in Mailand, Italien. 2002–2006 BA Skulptur an der Akademie der Bildenden Künste in Novi Sad, Serbien. Lebt und arbeitet als Multimedia-Künstlerin in Berlin. [email protected] www.veragalesev.com Titel der Masterarbeit: Dickköpfige Schöne – Verzerrung im Fleisch Plastische Gesichtsmorphologie und künstlerische Praxis Betreut von Wolfgang Knapp 23 Rua Augusta 350 Ein Park für die Paulistanos Das Grundstück an der Rua Augusta 350, im Zentrum São Paulos, Brasilien, besteht aus einer Brache und einem Naturschutzgebiet des verbliebenen brasilianischen Urwalds, der sogenannten Mata Atlântica. Der Ort hat aufgrund der ursprünglichen Architektur und den seltenen Baum-Gattungen eine große historische Bedeutung für die Metropole. Das Zentrum São Paulos wird Schritt für Schritt als Ziel eines steigenden Aufwertungsprozesses deklariert. Das Areal ist als Protagonist eines ständig sich verändernden urbanen Raums zu verstehen, der unter dem Druck der unablässigen Zusammenstöße der widersprüchlichen sozialen Kräfte – Investoren, Stadtverwaltung, Bürgerinitiativen – gestaltet und umgestaltet wurde. Seit vierzig Jahren kämpfen verschiedene Personen und Gruppen für die Umgestaltung des Areals „Rua Augusta 350“ in einen öffentlichen Park. Es wird gegenwärtig, auf dem Höhepunkt seines Immobilienwerts, als eines der Hauptobjekte der öffentlichen Diskussion behandelt. In meinem Projekt wurde ein digitales Buch entwickelt, das – unter Berücksichtigung der von der Bevölkerung für das Areal geäußerten Wünsche – mein urbanistisch-architektonisches Konzept für das Baugrundstück und dessen Urwald darstellt und sich für die lokalen Akteure öffnet. 24 Der angefertigte Entwurf wurde den engagierten lokalen Organisationen angeboten und dient als Rahmen für eine zukünftige multilaterale Entwicklung des Areals von Seiten der Anwohner und der Initiativen. Sophia Helena Gallbach *1 985 in São Paulo, Brasilien. Studium der Architektur und des Städtebaus an der Universidade Mackenzie, Studium der Szenografie im Espaço Cenográfico, São Paulo. 201 2–201 5 Masterstudium im Institut für Kunst im Kontext der Universität der Künste Berlin. Seit 2008 Projekte in Auseinandersetzung mit dem städtischen öffentlichen Raum. [email protected] www.sophiagallbach.com Titel der Masterarbeit: Rua Augusta 350. Ein Park für die Paulistanos Betreut von Kristina Leko 25 Unter deinem Schutz und Schirm Im schriftlichen Teil meiner Masterarbeit beschäftige ich mich mit der Parallelität zwischen der Funktion der Schutzmantelmadonna für Gläubige (als Teil von Religion) und der Funktion gegenwärtiger Markenkleider für KonsumentInnen (als Teil des Kapitalismus). Um das Mariengewand entstand im ehemaligen Konstantinopel (heute Istanbul) ein Kult. Ab dem 1 3. Jahrhundert bildete sich dieser Kult in einem Bildtypus ab, auf welchem die Jungfrau Maria mit ihrem Mantel unterschiedliche Menschengruppen bedeckt und schützt: die Schutzmantelmadonna. Meine These lautet: Heutzutage können Markenkleider als eine Art zeitgenössischer Schutzmantel in einer zunehmend säkularisierten Gesellschaft angesehen werden. Durch die Marken, welche die Textilindustrie anbietet, können sich Menschen eine Identität schaffen, sich selbst definieren und sich einer sozialen Schicht zugehörig fühlen. Markenkleider können somit auch als eine Art Uniformierung gelten. Letzte Studien aus der experimentellen Psychologie, „Enclothed Cognition“ genannt, haben gezeigt, dass Kleider auch Wirkung auf Gedanken, Gefühle und Verhalten der jeweiligen TrägerInnen haben können, die von den Assoziationen, die diese mit den Kleidern verbinden, abhängig sind. Ein großer Teil dieser Assoziationen wird durch Werbung vermittelt. In diesem Sinne können Markenkleider als käufliche und tragbare Schutzmäntel verstanden werden. 26 Die künstlerische Arbeit besteht aus drei gemalten Triptychen mit Abbildungen zeitgenössischer Markentextilien. María Amparo Gomar Vidal *1 983 in Valencia, Spanien. 2009 Freie Kunst (Diplom) an der Facultad de Bellas Artes de San Carlos (UPV), Valencia, Schwerpunkt Malerei. 201 1 Continuing Education Program an der School of Visual Arts, New York. Seit 201 2 Masterstudium „Art in Context“ an der Universität der Künste Berlin. [email protected] Titel der Masterarbeit: Unter deinem Schutz und Schirm Betreut von Claudia Hummel 27 operational glitches. How To Make Human Machine Readable operational glitches, zu Deutsch: Betriebsfehler. Aufgegriffen habe ich diesen Begriff während meiner Recherchearbeit. Ein Onlineartikel berichtete über den Einsatz von fehlerbehafteten Kamerasystemen in US-amerikanischen Kampfdrohnen. Ich fragte mich, wie es soweit kommen konnte, dass Menschen als fehlerbehaftete Repräsentationen ihrer Selbst gesehen und durch diese daraufhin in einzelnen Fällen auch getötet werden? Mein Blick fokussierte auf diese zentrale Fragestellung, und somit begann ich, die Ursprünge technischer Bildgebung zu erforschen: den Prozess der Transformation von Menschen zu technischen Bildern. Denn bevor eine Maschine das technische Bild eines Menschen für mich, den Menschen, vorinterpretieren kann, muss mein jeweiliges Gegenüber zuerst für sie lesbar gemacht werden. machine readable. Die Ursprünge dieser Abstraktion setzte ich an den Beginn des Zerschneidens von Bewegung. Die cartesianische Trennung und die mechanische Uhr – Zeit. Mein Fokus auf Zeit ergab sich, da ich während meiner Recherche immer häufiger aufBerichte von Präventivtötungen im Zuge des Drohnenprogramms stieß: Nachdem der Mensch erst einmal für die Maschine lesbar gemacht wurde, wird sein zukünftiges Verhalten errechnet und daraufhin für sein Gegenüber als potentielles Opfer vorinterpretiert. Sprich, die Interpretation des maschinenlesbar gemachten Menschen steuert des zukünftigen Täters Handlung. predictive killing. So suchte ich nach Möglichkeiten ästhetischerErfahrung und machte Fehler. glitches 28 Durch Fehler schaffe ich eine Bewusstwerdung von Fehlern. Fehler in der jeweiligen Bildgenerierung. Fehler in der automatisierten Geschichtsschreibung von Welt und den Geschichten von Menschen durch Indexierung ihrer Metadaten. Fehler, die mich letzten Endes zu der Entscheidung führten, zwei unterschiedliche Kunstgenres, die ähnlicher nicht sein können, glitch art und code poetry, zu vereinen. Nämlich zur Erfahrung des Codichtes. Dem eigentlichen Fehler. Christian Heck *1 978 in Würzburg. Studium der freien Kunst, „mixed media“ (Hogeschool voor de Kunsten AKI, Enschede, NL). Studium der freien Kunst „Bildhauerei / Medienkunst“ (Akademie der Bildenden Künste München, D). Lebt und arbeitet als Medienkünstler und Medienaktivist in Berlin. [email protected] http://noparts.org Titel der Masterarbeit: operational glitches. How To Make Human Machine Readable Betreut von Wolfgang Knapp 29 Jenseits der Gegenstände – Kollektives „museum-making“ als „community-building“ und soziale Praxis 30 Museale Tätigkeiten finden nicht nur in großen Museen statt. Das Projekt Jenseits der Gegenstände untersuchte die Rolle, die Individuen in der Konservierung von Kultur und Geschichte spielen, indem sie Gegenstände aufbewahren, die mit persönlicher Erinnerung behaftet sind. Hierzu wurden die EinwohnerInnen der Stadt Bernau bei Berlin eingeladen ein temporäres Museum, basierend auf ihren eigenen Objekten und Geschichten, zu kreieren. Ausgehend von dem Phänomen, dass sich bei der Betrachtung eines persönlichen Gegenstandes die eigene Vergangenheit darin widerspiegelt und ein dynamischer Austausch zwischen Innen- und Außenwelten in Gang gesetzt wird, werden durch den Prozess des„museummaking“ diese wahrgenommenen Bereiche zwischen dem Selbst und dem materiellen Objekt vom Privaten ins Öffentliche übertragen. Jenseits der Gegenstände dient in der Masterarbeit als Praxisbeispiel, um die Beziehungen zwischen Menschen, Dingen und Geschichten als Basis musealer Arbeit zu untersuchen. Dabei richtet sich der Fokus auf die Schwerpunktverlagerung in den Museumsdiskursen von der Konservierung materiellen Kulturerbes zu der Fragestellung, wie die immateriellen Bedeutungen und lebendigen Beziehungen zu Artefakten bewahrt werden können. Wie kann darüber hinaus in der Darstellung der Geschichte, die auf persönlichen Erinnerungen aufbaut, die durchlässige Qualität des Gedächtnisses in einen Raum für Kontemplation, Reflexion und eigene Erfahrungen übertragen werden? „Museum-making“ im Rahmen von Kunst als sozialer Praxis erlaubt einen Freiraum, der auch zu einem Raum der Kritik werden kann, in dem das Museum und seine Rolle in der Gesellschaft neu konzipiert und strukturiert werden können. Im Kontext einer Kulturindustrie, die Museen unter einen immer wachsenderen Druck der Objektifizierung und Kommerzialisierung setzt, stellt sich die Forderung nach Möglichkeiten für einen bedeutungsvollen Dialog zwischen dem Museum und der Gesellschaft und nach einer komplexen und beziehungsreichen Darstellung der lebenden Kulturgeschichte. Alexis Hyman Wolff *1 982, Los Angeles, USA, integriert künstlerische und literarische Praxen in Museen in die Entwicklung kulturhistorischer und sozialengagierter Ausstellungen. BA in Kunstgeschichte und Französischer Literatur (Occidental College). Mitarbeit u.a. im Museum of Jurassic Technology; Los Angeles County Museum of Art; Museum der Dinge, Berlin. [email protected] Titel der Masterarbeit: Jenseits der Gegenstände – Kollektives „museum-making“ als „community-building“ und soziale Praxis Betreut von Christiane Post 31 „SNAFU – Situation Normal All Fucked Up“ als künstlerische Position 32 Im Jahr 201 4 haben einige weltbekannte Menschen (Papst Franziskus, Emir Kusturica …) die Meinung geäußert, dass wir uns im Dritten Weltkrieg befinden. Im selben Jahr wurde ich eingeladen, an dem größten Ausstellungsprojekt meiner Karriere teilzunehmen: „Put za Evropu. Weg nach Europa“ mit Stationen in Serbien, Kroatien, Bosnien, Deutschland, Frankreich. Das Thema war der 1 00. Jahrestag des Beginns des Ersten Weltkrieges. Während des Zweiten Weltkrieges eröffnete der französische Maler Jean Dubuffet in Paris einen Weinladen, mit dem er gut verdiente. Heute befinde ich mich während des Dritten Weltkrieges in Deutschland und schreibe eine Masterarbeit in Berlin. Mein Bruder und ich spielten letztes Jahr verschiedene Computerspiele zum Ersten Weltkrieg. Ich las Romane zum selben Thema („Reise ans Ende der Nacht“ von L. F. Céline ist meine Empfehlung) und folgte den Neuigkeiten zu den gegenwärtigen Kriegen im Internet und in der Zeitung. Meine serbischen Landsleute finden es zum Beispiel in Ordnung, dass Russland die Krim annektiert, weil sie alle noch vor Augen haben, wie die NATO den Kosovo annektiert hat. Die meisten dieser Dinge verstehe ich nicht, daher nenne ich mein Masterprojekt „SNAFU“ – „Situation Normal All Fucked Up“ ist ein Code aus dem Zweiten Weltkrieg, den die Amerikaner in Vietnam verwendeten. Um die Dinge für mich selbst klarer werden zu lassen, malte, schrieb und filmte ich. Unter anderem malte ich ein Bild „Strategija“, auf dem man Kopien serbischer, österreichischer und deutscher Schlachtenmaler aus dem Ersten Weltkrieg auf einer Leinwand vereint sehen kann. Diese Situation findet man in keiner anderen Ausstellung, die gerade zum Thema des Ersten Weltkrieges gezeigt wird. Falls es eine historischdokumentarische Ausstellung ist, kann man zwar Material von allen Seiten finden, falls es aber eine Kunstausstellung ist, wird es diese Zusammenstellung nicht geben. Das Konzept für die Präsentation, in der ich meine historisch inspirierten Arbeiten in Verbindung mit dem Gefühl meiner aktuellen Situation zeige, ist das Thema meiner Masterarbeit. „Strategija“, 201 4, Öl/Lw., 80 x 300 cm, Sammlung Kulturni Centar Mionica, Serbien Aleksandar Jestrovic *1 972 in Zagreb, Jugoslawien. 2000 Diplom für Malerei an der Akademie der Bildenden Künste, Belgrad. Seit 2009 in Berlin. Nach dem erfolgreichen Abschluss des Integrationskurses studiert er seit 201 1 am Institut für Kunst im Kontext der Universität der Künste Berlin. [email protected] http://jamesdin.wordpress.com Titel der Masterarbeit: „SNAFU – Situation Normal All Fucked Up“ als künstlerische Position Betreut von Wolfgang Knapp 33 Konstruktion eines fotografischen Panoramas von Beirut Die Stadt Beirut ist in den Jahren während des Bürgerkriegs von 1 975 bis 1 990 stark zerstört worden. Ein Großteil der kulturell bedeutenden Gebäude und Stadtmerkmale in der Altstadt wurde jedoch nicht durch Kriegshandlungen vernichtet, sondern bei sogenannten Aufräumaktionen in kurzen Friedensphasen demoliert. Als Teil der modernen libanesischen Geschichte hat die Stadt bis heute eine große Bedeutung für alle Libanesen nicht verloren. So lässt sich das neue Stadtbild der Innenstadt Beiruts als Spiegel der libanesischen Gesellschaft und der noch vorherrschenden inneren Konflikte ansehen. Dieses fotografische Werk ist der Versuch mithilfe eines Massenmediums, welches seit Jahrhunderten zur Faszination bei der Betrachtung von Stadtraum geführt hat, das neue Beirut zu identifizieren und so einen gesellschaftlichen Diskurs herbeizuführen. Dabei fungiert es als Spurensuche nach Orientierungspunkten von Heute und Damals. 34 Meine Arbeit setzt sich mit den Gründen der Zerstörung und den Auswirkungen auseinander, die der Verlust der gewohnten Wohnumgebung und wichtiger Orientierungspunkte für die BewohnerInnen der Stadt mit sich bringt. Durch eine beigefügte Legende sind die Orte sowie ihre ursprüngliche Bedeutung und Funktion spezifiziert, um eine Spannung zwischen Bild- und Textebene, also Sichtbarem und Dagewesenem, zu erzeugen. Teddy François Moarbes *1 979 Beirut, Libanon. BA in Fotografie USEK Universität Libanon, MA in Visueller und Szenischer Kunst USEK Universität Libanon. 201 4 PROMOS-Stipendium des DAAD. [email protected] www.teddymoarbes.com Titel der Masterarbeit: Konstruktion eines fotografischen Panoramas von Beirut Betreut von Wolfgang Knapp 35 Another windless day in space looking down at drifting landscapes – Eine Erforschung wissenschaftlicher Landschaftsdarstellungen einer sich wandelnden Umwelt 36 In meiner Masterarbeit untersuche ich die Frage des Verhältnisses zwischen dem Menschen und der ihn umgebenden Landschaft. Wie gibt die Art der Betrachtung von Landschaft und der Einsatz von Apparaten zur Unterstützung dieser Betrachtungen Auskunft über die Selbstpositionierung des Menschen in Bezug zu seiner Umwelt und in Bezug zum Planeten Erde? Mit der Entstehung des Blicks für die Landschaft und die Darstellung dieser ist der Mensch als Individuum in das Zentrum seines eigenen Kosmos getreten. Daraus ergab sich, dass die Landschaft zu einer vielschichtigen Arena geworden ist, in welcher der Mensch physisch wie auch bildlich seinen Stellenwert erkämpfen konnte. Durch den Fokus auf die horizontale Linie und die Zentralperspektive wurde der menschliche Körper selbst ein Maßstab zur Beherrschung der Umwelt. Mit einer zunehmenden Vertikalität in der Landschaftsdarstellung hat der westliche Mensch seine metaphorische Erhabenheit verstärkt. In der extremen Vertikalität der Gegenwart ist diese vollendet. Aus der Sicht der Satelliten erscheint der Planet Erde als ein Objekt der möglichen Aneignung. Durch diese Bewegung aber ist unser Körper als Maßstab und wahrnehmendes Instrument wieder Untergeordnetes geworden. Der Frage der Körperlichkeit bzw. Entkörperung in visuellen Paradigmen, die die gegenwärtige Landschaft ausmacht, bin ich durch eigene bildgebende Versuchsanordnungen nachgegangen. Die Bedeutung der vertikalen Sichtachse für die Selbstpositionierung des Menschen in der umgebenden Landschaft habe ich mit Hilfe einer an mir befestigten Spiegelanordnung in mehreren Spaziergängen untersucht. Die Bedeutung der durch Satelliten ermöglichten vertikalen Sicht auf die Landschaft selbst, habe ich in einer Forschungsstation in Alaska durch Interviews und Videoexperimente mit Klimaforschern beobachtet. Daraus ergab sich, dass Landschaft den Menschen nicht mehr in seiner metaphorischen Idee von Ordnung stützen kann und auch nicht seine Erhabenheit über diese in Form einer Subjekt-Objekt-Relation. Die Landschaft selber ist durch den Klimawandel und die vertikale Sicht zu einem beweglichen Körper geworden. Die Versuche sie darzustellen und die daraus entstehenden Bilder müssen daher eher als temporäre Momente des Dialogs zwischen zwei Subjekten gesehen werden. Spaziergang mit Spiegelanordnung. Foto: Annesofie Norn Annesofie Norn *1 982 in Dänemark. Studium der Bildenden Kunst an der Capellagården Akademie (SE, 2001 –2003), Bachelor of Arts an der „Norske Scenekunstskole“ (NO, 2003–2006), C.R.A.S.H: The Laboratory of Insurrectionary Imagination (UK/London, 2009), Gendering climate and sustainability at „KUA“ (DK, 2009), Residenz bei der Northern Initiative (USA/Alaska, 201 3–201 5). [email protected]/ www.annesofienorn.org Titel der Masterarbeit: Another windless day in space looking down at drifting landscapes – Eine Erforschung wissenschaftlicher Landschaftsdarstellungen einer sich wandelnden Umwelt Betreut von Claudia Hummel 37 Vera Carne. Der Versuch einer Rekonstruktion des Verhältnisses zwischen Maler und Modell anhand von Werkbeispielen Meine Masterarbeit besteht aus einer Serie von großformatigen Zeichnungen und einer schriftlichen Untersuchung, die sich auf einen theoretischen Aspekt meiner zeichnerischen Praxis bezieht: das Zeichnen bzw. Malen nach dem lebenden Modell. Diese Praxis hatte eine wichtige Rolle im maltheoretischen Diskurs bis Anfang des 20. Jahrhunderts inne. Weiter stellt sich die Frage, welche Funktion diese Konstellation in der gegenwärtigen Kunst haben könnte. Der Versuch, das Verhältnis zwischen Maler und Modell in der frühen Neuzeit zu rekonstruieren, ist eine nicht geringe Herausforderung, da dieses Thema bislang ungenügend in der Forschung behandelt worden ist. Daher wurde für die vorliegende Arbeit der Rückgriff auf Primärquellen besonders wichtig. Die neuere kunsthistorische Forschung zu verschiedenen Aspekten eines solchen komplexen Themas ist als unerlässliches Instrument berücksichtigt worden. In meiner Masterarbeit versuche ich eine Rekonstruktion des lebendigen Verhältnisses zwischen Maler und Modell mit spezifischen kontextuellen Aspekten, die etwa praktische Details, Bezahlung, soziale Herkunft, Identität, Veränderungen im Status der Modelle betreffen sowie Stereotypen, Konventionen und Stigmen dieses metiers. Meine Untersuchung bewegt sich in einem kunsthistorischen Rahmen von der Renaissance bis in das 1 9. Jahrhundert. 38 Ich habe meine schriftliche Abhandlung, um die Breite eines solchen Vorhabens zu reduzieren, anhand von drei exemplarischen Diskussionen auf das Begriffspaar „Naturalismus“ und „Realismus“ aufbauend strukturiert. Eine umfangreiche Bildrecherche ist ebenfalls Teil meiner Masterarbeit, die sich im Kontext der wissenschaftlichen und medialen Bildproduktion situiert. „The Blissful Burden of the Bra“, 201 5, Tusche und Gouache auf Papier, 200 x 1 50 cm Elena Pascalau *1 985 in Caransebes, Rumänien. 2007 Bachelor in Kunstgeschichte an der Universität der Künste Bukarest; 201 0 Bachelor in Bildender Kunst an der Universität der Künste Bukarest; 201 0–201 2 Lehrauftrag für Zeichnung und Druckgrafik an der Universität der Künste Bukarest; 201 2–201 4 DAAD-Stipendium für Ausländische Künstler, Berlin. Lebt und arbeitet als freischaffende Künstlerin in Berlin. www.ileanapascalau.com [email protected] Titel der Masterarbeit: Vera Carne. Der Versuch einer Rekonstruktion des Verhältnisses zwischen Maler und Modell anhand von Werkbeispielen Betreut von Heike-Karin Föll 39 Gemeinde – ist Kunst, Bibliothek und Kultur Ein partizipatorisches Kunstprojekt in Kolumbien Zurzeit stellt die kolumbianische Regierung tausende kostenlose Häuser für Gewaltopfer und Menschen, die in extremer Armut leben, bereit. Um diese Initiative zu unterstützen, hat das Kulturministerium in Partnerschaft mit den zwei Institutionen, UARIV – Behörde für die Achtung der Opfer und Wiedergutmachung und ANSPE – Nationale Behörde für die Überwindung der extremen Armut, das soziokulturelle Großprojekt Gemeinde – ist Kunst, Bibliothek und Kultur initiiert. Zwischen Juli und November 201 4 beteiligte ich mich am Projekt Gemeinde – ist als Koordinatorin und Kunstvermittlerin im Wohnviertel Altos de Betania. In diesem im Norden der Stadt von Bucaramanga gelegenen Bezirk entwickelte ich gemeinsam mit vier weiteren Künstlern, einer Sozialarbeiterin und unter der aktiven Beteiligung der Gemeinschaft verschiedene kulturelle Strategien. Die Hauptziele des Projekts waren, das Zugehörigkeitsgefühl der BewohnerInnen zu ihrem Wohnviertel zu stärken und das Zusammenleben zwischen den neuen BewohnerInnen zu verbessern. Aus dieser Erfahrung konnte ich interessante neue Fragestellungen ableiten: Kann Kunst zur Friedenskonsolidierung beitragen? Welche Rolle spielen Kunst und Kultur bei der Wiedergutmachung für die Gewaltopfer? Ist es durch Kunst möglich, das Empowerment der Gemeinschaft zu fördern? 40 Meine Masterarbeit besteht aus einer schriftlichen Arbeit, in der ich zum einen meine Beteiligung am und meine Erfahrungen mit dem Projekt Gemeinde – ist dokumentiere und reflektiere. Zum anderen analysiere ich kritisch dessen künstlerische Potenziale und setze mich mit den Grenzen solcher soziokulturellen Projekte auseinander. Carolina Pinzón Rivera *1 983 in Manizales, Kolumbien. Studium der Bildenden Kunst an der Universidad Nacional de Colombia, postgraduales Studium Bühnenbild für Theater am Instituto Europeo de Diseño in Madrid, Spanien. 201 2–201 5 Masterstudium „Art in Context“ an der Universität der Künste Berlin. Seit 2007 Mitarbeit im Künstlerkollektiv Producciones Invisibles, das anhand von Workshops, Aktionen und Ausstellungen den öffentlichen Raum in Bezug auf Demokratie und Gemeinschaft hinterfragt. [email protected] www.novisibles.org Titel der Masterarbeit: Gemeinde – ist Kunst, Bibliothek und Kultur Ein partizipatorisches Kunstprojekt in Kolumbien Betreut von Kristina Leko 41 Wandernde Grenze: das deutsche Kriegerdenkmal der französischen Stadt Sedan. Wege und Umwege eines migrierenden Monuments 42 Inmitten des auf den Höhen von Sedan gelegenen Friedhofs SaintCharles befindet sich eine Säulenhalle aus der Zeit des Ersten Weltkriegs. Das Monument wurde 1 91 5 als Zentrum eines abgegrenzten deutschen Soldatenfriedhofs errichtet. Obwohl diese Anlage bereits in den zwanziger Jahren aufgelöst wurde, steht die Säulenhalle bis heute dort, nicht zuletzt aufgrund ihrer massiven Stahlbetonbauweise. Seit Jahrzehnten sorgt ihr vernachlässigter Zustand für eine Kontroverse, bei der es um diplomatische Verantwortung, notwendige Sicherheitsmaßnahmen und historische Ansprüche geht. 201 1 entschied die Stadtverwaltung den Abriss der Konstruktion. Seither bemüht sich eine Gruppe von Historikern um die Anerkennung des Kriegerdenkmals als UNESCO-Weltkulturerbe, wohingegen ein Teil der Bevölkerung dem Objekt noch immer Ressentiments entgegenbringt. Ich habe mich zunächst mit den architektonischen Referenzen des Denkmals und der Gestaltung seines damaligen Kontextes auseinandergesetzt. Meine Recherche führte über exemplarische antike Architektur, Baurichtlinien für militärische Anlagen und die Geschichte der Gartenkunst zur Spezifik dieses Monuments und seiner Umgebung. Anhand einer Analyse von Robert Fillious Projekt Commemor (1 970) – einem Vorschlag, Kriegerdenkmäler auszutauschen – habe ich dargestellt, dass die architektonische Diskrepanz zwischen dem historischen Bauwerk und seinem gegenwärtigen Standort seine ideologische Funktion erkennen lässt. Die aktuelle Rezeption des Baus als „Fremdkörper“ zeigt indes, dass diese nach wie vor von u.a. nationalistischen Diskursen geprägt ist. Um künstlerisch dekonstruktiv mit diesen Fragen umzugehen, habe ich mich an Randgebieten, die ich in Zusammenhang mit dem Kriegerdenkmal stelle, bewegt. Auf diese Weise ist ein dokumentarisches Essay in Buchform entstanden, das verschlungene Wege zu dem untersuchten Monument anbietet und zugleich die Aufmerksamkeit auf dessen Umfeld richtet. Foto: Adrian Schindler, 201 4 Adrian Schindler *1 989 in Périgueux, Frankreich. 2007–201 2 BFA + MFA École Nationale Supérieure des Beaux-Arts, Paris; 201 1 Austauschsemester Columbia College / School of the Art Institute, Chicago; 201 2 Stipendium der Fondation Kenza / Institut de France für ein postgraduales Studium im Ausland. Lebt und arbeitet in Barcelona. www.adrianschindler.com [email protected] Titel der Masterarbeit: Wandernde Grenze: das deutsche Kriegerdenkmal der französischen Stadt Sedan. Wege und Umwege eines migrierenden Monuments Betreut von Heike-Karin Föll 43 Künstlerische Proteste in Bosnien und Herzegowina – Ein Archiv in progress Seit 201 0 intensiviert sich in Bosnien und Herzegowina das Bewusstsein seiner BürgerInnen über die realen Ursachen des politischen und wirtschaftlichen Status quo, in dem sich das Land seit dem Kriegsende 1 995 kontinuierlich befindet. In dieser Zeitspanne leistete eine Gruppe von KünstlerInnen und AktivistInnen einen wichtigen Beitrag zu den erstarkenden bürgerlichen Protestbewegungen. Sie beteiligten sich aktiv an der Organisation von Protesten mit ihren kreativen Potentialen oder nutzten ihre eigenen Körper, um die Aufmerksamkeit der Öffentlichkeit für bestimmte Themen hervorzurufen. All diese künstlerischen Protestformen wurden bisher innerhalb ihrer jeweiligen künstlerischen und kunsttheoretischen Szenen in keiner Weise vorgestellt, beschrieben oder bewertet. Das Ziel meines Projektes ist, diese Protestformen zu sammeln, zu bearbeiten und einem breiteren Publikum zu vermitteln. Dafür habe ich das technische und theoretische Format eines künstlerischen Archivs verwandt, in dem ich alle Artefakte über diese künstlerischen Proteste gesammelt und kategorisiert habe. Durch eine erste theoretische Bearbeitung habe ich eine diskursive Anfangsbasis für die Weiterbearbeitung dieser Projekte entwickelt. Das entspricht meinem Bestreben dieses Archiv als in progress ins Leben zu rufen, d.h. als ein Archiv, dessen Bestand sich ständig ausdehnen wird. Eine positive Auswirkung dieser Arbeit ist für den bosnischen kulturellen Kontext gedacht. Das Archiv soll dort die KünstlerInnen vor Ort anregen sich mit ihrer Arbeit stärker gesellschaftlich zu positionieren. Bei den AktivistInnen soll es das Interesse an der Verwendung zeitgenössischer künstlerischer Formate in ihren Aktionen und Kampagnen wecken. Eine generell positive Auswirkung soll es im Endeffekt auf das Verständnis der Rolle der KünstlerInnen in der heutigen Gesellschaft haben. 44 Um das Archiv auf einfachstem und schnellstem Weg in so vielen Städten wie möglich in Bosnien und Herzegowina präsentieren zu können, habe ich dessen Bestand an einen Koffer angepasst. Dieses nomadische Ausstellungsformat hat seinen historischen Vorläufer in der Boîte-en-valise von Marcel Duchamp. Igor Sovilj *1 981 in Sanski Most, Bosnien und Herzegowina. 2006 Studium der Malerei und Kunstgeschichte an der Akademie der Bildenden Künste in Banja Luka. 2009–201 0 Stipendiat im Programm für Kulturmanager aus Mittel- und Osteuropa der Robert Bosch Stiftung; tätig in Dresden. [email protected] Titel der Masterarbeit: Künstlerische Proteste in Bosnien und Herzegowina – Ein Archiv in progress Betreut von Kristina Leko 45 Filme ausstellen – Aspekte einer filmkuratorischen Praxis Anhand von meinem zweiten Projekt, das ich während des Interdisziplinären Projekt-Forums am Institut für Kunst im Kontext durchgeführt habe, beschäftige ich mich in meiner Masterarbeit mit den Aspekten einer filmkuratorischen Praxis und untersuche folgende Themen: – die Geschichte der Ausstellungen von Filmen; – Dispositiv als entscheidender Begriff in der filmkuratorischen Praxis; – verschiedene Aspekte der Wahrnehmung im Kontext der Präsentationsräume, einschließlich der sozialen, kulturellen und politischen Eigenschaften des wahrnehmenden Subjektes. Eines der Ziele meiner Masterarbeit ist es, die filmkuratorische Praxis als eine selbstständige kuratorische Praxis in der zeitgenössischen Kunst zu skizzieren und zu definieren. Zu diesem Zweck beschreibe ich auch die praktischen Seiten der Tätigkeit einer Filmkuratorin/eines Filmkurators bzw. erkläre den Arbeitsraum und die Professionalisierung der Aktivitäten, versuche besondere Fähigkeiten, Fertigkeiten und Kenntnisse auszusondern. Als Beispiel solcher speziellen Kenntnisse nehme ich das System der Filmdistribution, das in der filmkuratorischen Praxis sehr wichtig ist. 46 Der dritte Teil meiner Masterarbeit befasst sich mit der Film-Ausstellung „Das Leben während des Todes: die Kurzfilme von Jewgeny Jufit“, die ich im Rahmen des Interdisziplinären Projekt-Forums entwickelt und realisiert habe. Auf ihrem Beispiel aufbauend, beschreibe ich meine künstlerischen Ansätze und meine künstlerische Arbeitsweise sowie die verschiedenen Aspekte der Organisation einer FilmAusstellung, wie z.B. das Recht auf die Vorstellung, Versicherung, Logistik und Pressearbeit. Artem Ushan *1 978 in Sudak, UdSSR. 1 999–2004 Sozial- und Kulturarbeit im Bereich Film- und Fernsehmanagement an der Moskauer Staatlichen Universität für Kultur und Kunst [email protected] Titel der Masterarbeit: Filme ausstellen – Aspekte einer filmkuratorischen Praxis Betreut von Wolfgang Knapp 47 Frau und Tiere: Ohnmacht an Orten der Inszenierung Zwischen dem Zoologischen Garten und dem Bikini Center Berlin. Eine Performance In große Einkaufszentren zu gehen oder einen Spaziergang im Zoo zu machen, sind attraktive Freizeitaktivitäten, die uns die Großstadt bietet. In Berlin gibt es die Gelegenheit, beide Einrichtungen in nur wenigen Minuten zu besuchen. Der Zoologische Garten Berlin und das Einkaufszentrum „Bikini Berlin“ grenzen physisch direkt aneinander an; sie sind durch ein großes Panoramafenster und eine Dachterrasse mit direktem Blick auf den Affenfelsen miteinander verbunden. Darüber hinaus nutzen beide Orte Inszenierung, Illusion und Täuschung in Form von Schildern, Schaufenstern, Werbung und Dekorationselementen mit ähnlichen Themen – Exotik, Outdoor, Käfige, Dschungel, Abenteuer, Erlebnisse – um Kundschaft anzuziehen. Die ideologisch aufgeladene Präsentation von Frauendarstellungen in Einkaufsschaufenstern und Tieren in Zookäfigen zeigt auf, wie die Konsumgesellschaft mit den beiden Gruppen, Frauen und Tieren, umgeht. So repräsentiert zum Beispiel bis heute der Besitz von „ZooTieren“ anderer Kontinente in Europa Reichtum und Status. Andererseits schreibt die Ecofeministin Carol J. Adams: „We’ve been completely controlled, raped, not given any credibility, not taken seriously. It’s the same thing with animals. [...] Their cycles, their entire beings are conformed to human’s need.“ 48 Diese Gegebenheiten haben mich zu verschiedenen Zeichnungen zum Thema sowie zu einer Performance vor Ort gebracht. Dabei interessiert mich die Art, wie tierische und menschliche Körper klassifiziert und präsentiert werden, wie sich diese Ideologie der Unterdrückung durch Konsum als komfortable blicken lässt, als auch das Potential einer ortsbezogenen gesellschaftskritischen Performance im öffentlichen Raum. Valentina Utz *1 986 in Concepción, Chile. Studium der Bildenden Kunst an der Universidad Católica de Chile in Santiago, Kunstpädagogik an der Universidad Andrés Bello Concepción. 201 2–201 5 Masterstudium „Art in Context“ an der Universität der Künste Berlin. Seit 2007 diverse Ausstellungen, ortsbezogene und kollaborative Kunstprojekte. [email protected] Titel der Masterarbeit: Frau und Tiere: Ohnmacht an Orten der Inszenierung Zwischen dem Zoologischen Garten und dem Bikini Center Berlin. Eine Performance Betreut von Kristina Leko 49