Kachina - Masken der Hopi-Indianer - Phil.
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Kachina - Masken der Hopi-Indianer - Phil.
Frank Kressing "Themenführung" im Museum Villa Roth, Burgrieden-Roth Oktober 2 000 Kachina - Masken der Hopi-Indianer Die soziale und kulturelle Bedeutung des Maskenwesens bei den Hopi, einem Indianervolk in Arizona Die Hopi sind eine indigene Ethnie, ein "Indianervolk",1 im Südwesten der heutigen Vereinigten Staaten, und umfassen derzeit ca. 15 000 Menschen. Sie gehören zu den sogenannten Pueblo-Völkern, welche bei der Ankunft der Spanier in diesem Teil Nordamerikas in festen Siedlungen lebten (deshalb der Ausdruck pueblo - Spanisch "Dorf") und sich traditionell vom Anbau von Mais, Bohne und Kürbis ernährten. Hinzu kam früher als Ergänzung die Jagd (Wapiti, Gabelbock, Dickhornschaf und vor allem Hasen und Kaninchen) und seit der europäischen Kolonisierung die Viehzucht sowie der Anbau verschiedener Gemüsearten. Das Siedlungsgebiet der Hopi liegt im Norden des Bundesstaates Arizona. Das den Hopi von der US-Regierung im letzten Jahrhundert zugeteilte Reservat umfaßt eine Fläche von ca. 10 000 km2, wovon 3/4 von der benachbarten First Nation der Navajo oder Diné beansprucht werden. Die ursprünglichen Siedlungszentren der Hopi liegen auf drei nebeneinanderliegenden Tafelbergen, den sogenannten mesas (von span. "Tisch"). Das Gebiet gehört zum Colorado-Plateau und besteht aus einer durchschnittlich 2000 Meter hoch gelegenen Halbwüste. Dennoch wird der Bodenbau in Form des sogenannten Regenfeldbaus, also ohne künstliche Bewässerung betrieben.2 Es herrschen große Temperaturschwankungen zwischen Sommer und Winter, ein Großteil des jährlichen Niederschlags3 fällt in Form von Schnee. 1 Im Zuge der political correctness hat sich inzwischen der Begriff First Nations für die Ureinwohner Nordamerikas eingebürgert. 2 Sturzwasserfeld bau - Flood Water Farming entlang nur periodisch wassserführender Gießbäche (arroyos) oder in Sanddünen über wasserundurchlässigen Lehmschichten. 3 Niederschlag jährlich 300 mm - vgl. BRD mit 670 mm bei weitaus höheren Durchschnittstemperatu- ren. Katsinam/ Kachinas und Maskenwesen bei den Hopi Wie sich noch zeigen wird, hängen diese Lebensbedingungen direkt mit dem Maskenwesen bei den Hopi zusammen. Der zentrale Begriff für das Maskenwesen der Hopi ist das Wort Katsina, welches in seiner anglisierten Form Kachina Eingang in die Literatur gefunden hat. Der Begriff Katsina hat drei Bedeutungen: (1) handelt es sich bei den Katsina um Geistwesen, welche nach Überzeugung der Hopi vom Herbst bis zur Sommersonnenwende in die Dörfer und auf die Felder kommen, dort für Fruchtbarkeit und gute Ernten sorgen und den lebensspendenden Regen bringen. (2) Werden diese Geistwesen in der genannten Zeit von maskierten Tänzern dargestellt. (3) Bezeichnet der Begriff Katsina kleine, holzgeschnitzte Puppen (Katsin-tihu), welche ursprünglich dazu dienten, Kinder und Heranwachsende mit dem Erscheinungsbild dieser Geistwesen bekannt zu machen - also eigentlich um ein didaktisches Hilfsmittel zur Einführung in rituelle Bezüge. Inzwischen sind diese Kachina-Puppen und zu einem beliebten kunsthand- werklichen Artikel zum Verkauf an Touristen geworden, und das Schnitzen von Kachina-Puppen entwickelte sich zu einem eigenen Erwerbszweig und einer Kunstrichtung mit eigenen, auch individuellen Stilen, welcher sich schon lange nicht mehr an den traditionellen Vorlagen orientiert. - Traditionell wurden Kachina-Puppen (Katsintihu) aus dem Wurzelholz von Pappeln geschnitzt, das benötigte Holz wird heute von kommerziellen Kachina-Schnitzern z.T. aus Mittelamerika eingeführt. - Unter den traditionellen Kachinas sind mittlerweile rund 350 verschiedene Personifikationen identifiziert worden. Sie stellen sowohl Ahnengeistern und Kulturheroen als auch Emanationen von Naturkräften dar. "Bei den Kachina-Tänzen wird der Kopf der übernatürlichen Wesen durch eine Maske verkörpert. Meist sind es Stülpmasken aus einem mit Fell, Baumwollstoff oder Leder überzogenen Holzgestell, die charakteristisch bemalt sind und Kopfaufsätze (auch unter dem spanischen Begriff tablitas bekannt), Federn, Vogelschwingen, Ohren, Hörner, Wolkengebilde und Bärte tragen können. Die Masken werden unmittelbar vor den Tänzen dekorativ aufgefrischt oder sogar umgearbeitet. Lediglich die Masken der 2 mong- oder Haupt-Kachinas, die von den ältesten Frauen der Klane (so'o) aufbewahrt werden, dürfen nie verändert werden." (BENDER 2 000:390) Bei den Hopi werden auch Angehörige benachbarter Ethnien als Kachinas dargestellt - z.B. gibt es Zuñi oder Comanche-Kachinas - und zum Teil handelt es sich auch um Darstellungen historischer Persönlichkeiten, z.B. schwarze Kachinas, welche die Erinnerung an von Spaniern mitgeschleppte afrikanische Sklaven wach halten, oder aber um Verkörperungen des Sonnengottes Tawa oder des Unterweltgottes Masaw'u, dem Herrn über Leben und Tod. Unabhängig von ihrer menschengestaltigen Form in den Maskentänzen heißt es, dass alle Katsinam auch in Form von Wolken erscheinen können - ihre Verbindung zum lebensspendenden Regen und Schnee wird damit offensichtlich. Einen eindeutigen Bezug zur Fruchtbarkeit weist häufig mit einem übergroßen Phallus dargestellte Kokopelli-Katsina auf . Im Zuge intensiver Kulturbeziehungen zwischen den verschiedenen indianischen Völkern des Südwestens wurden mancherlei Kachina-Figuren entlehnt, z.B. der SipIkne, ein Krieger-Kachina von den Zuñi, oder die Koyemsi oder SchlammkopfKachinas, welche in ihrer grotesken Ausgestaltung bereits an die zahlreichen Clownund Spaßmacher-Kachinas (Koshare) erinnern: "Die Clowns (tsutskut) treten als Gegenspieler der im harmonischen Gleichklang tantenden Kachinas auf. Ihre mythischen Urahnen, 'Clownjunge' und 'Clownmädchen', mußten dereinst einen inzestuösen Fehltritt durch eine öffentliche Beichte büßen, weshalb auch ihre heutigen Verkörperungen in erster Linie die Aufgabe haben, den Menschen ihre Fehler vor Augen zu führen" - dies häufig auch mit aktuellem Bezug, z.B. "... wenn die Clowns ihre von einer Puppe verkörperten 'Schwester' [warnen], ... sich nicht mit einem Säufer oder Kiffer einzulassen'." (BENDER ebd.) Die Kachina-Masken werden von den Hopi als heilige Gegenstände und die Tänze als heilige Handlungen angesehen, deren Wiedergabe auf Fotos oder Zeichnungen nicht erwünscht ist. Zwar wird die Gegenwart auswärtiger, auch weißer Besucher bei den öffentlichen Kachina-Tänzen auf den Dorfplätzen (der plaza eines jeden pueblo) gestattet und ist sogar ausdrücklich erwünscht - je mehr Menschen mit "reinem Herzen" bei diesen Zeremonien dabei sind, desto größere Wirksamkeit er- 3 hofft man sich davon4 - Fotografien und Zeichnungen sind jedoch keinesfalls erwünscht, und es kann durchaus vorkommen, dass Kameras oder Notizblöcke kurzerhand konfisziert werden. Überhaupt sei hier angemerkt, dass bei den KachinaTänzen und anderen Zeremonien der Hopi keinesfalls immer heiliger Ernst herrscht, sondern dass es mitunter sehr lustig und deftig zugeht, und dass Zoten und sexuelle Anspielungen durchaus Bestandteil dieser Rituale sind. Zu Beginn des 20. Jahrhunderts wurden Fotos von esoterischen Zeremonien der Hopi durch protestantische Missionare veröffentlicht (Beispiele finden sich etwa in Frank WATER's Buch der Hopi), u.a. auch von den berühmten Schlangentänzen, was bei den betroffenen Hopi große Entrüstung auslöste (vgl. BENDER 2000:390, 395). Das Zeremonialwesen der Hopi Im folgenden möchte ich mich weniger dem Aussehen der Kachinas und der sie repräsentierenden Masken als vielmehr der sozialen und rituellen Bedeutung der Maskentänze widmen, sind doch so gut wie alle kulturellen Äußerungen der Hopi in einen rituellen Kontext eingebunden, so dass Teilbereiche der Kultur wie die Wirtschaft, Sozialorganisation oder politische Entscheidungsstruktur ohne Berücksichtigung der zeremoniellen Bezüge nicht hinreichend erklärbar und darstellbar sind. Die Kachina-Tänze sind der wohl populärste Bestandteil des ungeheuer komplexen Ritualkalenders der Hopi und werden von Ritualgesellschaften der Männer (Geheimbünden) in der Zeit von April bis Juli auf den öffentlichen Dorfplätzen, den plazas (span.), durchgeführt, "zwischen Dezember und April treten die Kachinas nachts in den Kivas auf" (BENDER 2 000:390). Es gibt bei den Hopi (zumindest in historischer Zeit) neun Männer- und drei Frauen-Bünde, wobei die Frauenbünde ausschließlich im Rahmen herbstlicher Ernetabschlussbräuche5 (grob unserem Erntedankfest vergleichbar), also nach den Kachina-Tänzen, auftreten. 4 Eine Ausnahme stellt das Hopi-Hauptdorf Old Oraibi dar, dessen Besuch zeitweilig verboten war. Bekannt wurde eine Hinweistafel am Dorfeingang, auf der zu lesen ist: Warning - no outside white visitors allowed. Because of your failure to obey the laws of our trive as well as the lawas of your own , this village is hereby closed. 5 Die drei herbstlichen Erntezeremonien heißen Maraw, Lakon und Owaqölt. 4 Die Zeremonien der Hopi haben das Ziel, die Fruchtbarkeit der Felder wie das Gedeihen von Mensch und Tier zu fördern. Die Zeit ihrer Durchführung wird anhand von Sonnenbeobachtungen und Sternkonstellationen festgelegt, entsprechend dem jahreszeitlichen Rhythmus von Aussaat, Keimung, Reife und Ernte. In der für Außenstehende verwirrenden Vielschichtigkeit ihrer rituellen Bezüge tragen sie der Verwobenheit aller Lebensäußerungen und der gegenseitigen Abhängigkeit aller Lebensäußerungen Rechnung, indem sie die Schöpfung und die stufenweise Menschwerdung im Aufstieg aus mehreren vorangegangenen Daseinsformen nachvollziehen. Zusammenfassend läst sich sagen, dass es sich beim Zeremonienzyklus der Hopi um die "Mysterienspiele" (Frank WATERS) einer zutiefst bäuerlichen Bevölkerung handelt. - Der Kreis der Zeremonien beginnt mit der Stammesweinweihung (Wuwuchim) und der Entzündung des neuen Feuers im November, gefolgt von der Wintersonnenwendfeier (Soyal), deren Leitung gewöhnlich dem Kikmongwi (Dorfhäuptling) untersteht. Im Vorfrühling (Februar) folgt das Powamu, eine Reinigungszeremonie und Feier des keimenden Lebens. Von Januar bis Juni werden auf den plazas Kachina-Tänze aufgeführt, welche ihren Abschluß im Niman (Heimgang) der Katsinam zur Sommersonnenwendwende finden. Bei diesem Ritual werden die Geistwesen zeremoniell aus der Obhut der Menschen entlassen und zu den San Francisco Peaks heim geschickt, einem Bergmassiv, welches während der zweiten Jahreshälfte ihre Heimstatt darstellt. Im Juli und August finden alternierend entweder die Wettläufe der Gabelbock (Antilopen)-Zeremonie oder die Schlangentänze statt, welche wegen der Verwendung lebender Klapperschlangen schon früh die Aufmerksamkeit der weißen Öffentlichkeit auf sich zogen.6 Alle diese Rituale werden jeweils von Geheimgesellschaften vorbereitet und durchgeführt. Zur Aufnahme in diese Bünde ist eine umfangreiche Einweihung (Initiation) in die jeweiligen Riten nötig, die sich aus Gebeten und Meditationen, Darbringungen von Opfergaben, Fasten, der Rezitation heiliger Lieder und den Vorbereitungen zu den Tänzen zusammensetzen. Bis auf die öffentlichen Maskentänze finden alle diese Rituale in unterirdischen Zeremonialkammern, den sogenannten Kivas, statt, und sind der Öffentlichkeit nicht zugänglich - die Geheimhaltung gegenüber 6 Dieser zeremonielle Ablauf macht deutlich, warum der Navajo-Tanz im August, nach dem "Hein- gang" der Katsinam, keinen sakralen Charakter mehr hat 5 Außenstehenden erstreckt sich auch auf Hopi-Indianer, welche nicht in den entsprechenden Bund eingeweiht sind - dies erklärt auch die Entrüstung gegenüber Fotoaufnahmen in den Kivas und deren vehemente Ablehnung durch fast alle Hopi. Die Geheimbünde stehen jeweils unter der Kontrolle eines bestimmten Clans, zur vollständigen Ausführung der Zeremonien sind die Bünde jedoch auf die Unterstützung von Angehörigen anderer Clane angewiesen.7 Deshalb werden jeweils Angehörige verschiedener Clane in denselben Bund eingeweiht. Überdies können rituelle Funktionen auch von einem Clan auf eine andere Verwandtschaftsgruppe übertragen werden, wenn ein Clan ausstirbt. Alle Hopi beiderlei Geschlechts durchlaufen traditionellerweise eine zweistufige Initiation, bevor sie als erwachsen gelten: Im Alter von 6-10 Jahren werden sie auf Vorschlag eines rituellen Paten entweder in den Kachina oder den Powamu-Bund eingeführt. Dabei wird ihnen das Geheimnis der Kachinas offenbart: Sie erfahren, dass sich unter den oft furchterregenden Masken Nachbarn und Verwandte aus dem eigenen Heimatdorf verbergen - Parallelen zu unserem Weihnachtmann und Knecht Ruprecht drängen sich auf, und während dieser Initiationszeremonie werden die Kinder auch tatsächlich mit Ruten geschlagen, bevor die Kachina-Tänzer ihre Masken abnehmen. Der Pate oder die Patin (bei weiblichen Kindern) muß dabei aus einem anderen Clan als dem des Kindes stammen - diese "rituellen Eltern" können somit in Übereinstimmung mit der matrilinearen Deszendenz durchaus auch aus dem väterlichen Clan stammen. Alle Bezeichnungen aus der Verwandtschaftsterminologie werden vollständig auf diesen Patenclan übertragen, ebenso die damit zusammenhängenden Vergünstigungen und Verpflichtungen. Damit werden heranwachsende Hopi im Zuge ihrer Initiation in ein Beziehungsgeflecht eingebunden, das im Ausgleich zu den Tendenzen des Zerfalls und der Spaltung von Dorfgemeinschaften ein stabilisierendes Element darstellt. 7 So sind z.B. an der Stammeseinweihung (Wuwuchim) in Oraibi die vier wichtigsten Männerbünde Wuchim, Tao (Sänger), Al (Zweihorn) und Kwan (Einhorn oder Agave) beteiligt, die in dieser Reihenfolge vom Sperber-, Papageien-, Bogen- und Masaw'u-Clan kontrolliert werden. 6 Als Heranwachsende treten Mädchen dann einem der drei Frauenbünde,8 Jungen dem Wuchim, Tao (Sänger), Al (Zweihorn) und Kwan (Einhorn oder Agave)Bund bei. Für Männer besteht darüberhinaus die Möglichkeit und die Erwartung, daß sie sich in weitere Zeemonialgesellschaften initiieren lassen, z.B. in den SchlangenGabelbock, Grau- oder Blauflöten-Bund. Alle diese Geheimbünde eingeverfügen jeweils über bundspezifische Rituale und Geheimwissen, welches nicht an Außenstehende (auch nicht an andere Hopi) weitergegeben wird. Geschlechterrollen und Matrilinearität Wie es auf den ersten Blick scheint, ist das religiöse Leben der Hopi vor allem durch diese Männerbünde geprägt, Frauen scheinen in den Zeremonien um Kachinas, die Fruchtbarkeit der Felder und das Wohlergehen der Dorfgemeinschaft kaum einen Platz zu haben. Bei genauerem Hinsehen erweist sich jedoch, dass das soziale Leben der Hopi und das Verhältnis der Geschlechter, von Mann und Frau zueinander, sehr viel komplexer und komplizierter, aber auch viel ausgewogener ist, als es sich dem ersten Anschein nach darbietet. Bei den Hopi handelt es sich um eine sogenannte matrilineare Gesellschaft. Das heißt, die Verwandtschaft, die Vererbung des Grundbesitzes (von Häusern und Feldern) und die Familienzugehörigkeit der Kinder werden ausschließlich in der mütterlichen Linie gerechnet. Das bedeutet: Der Vater gilt als nicht verwandt mit seinen eigenen leiblichen Kindern, er heiratet in den Haushalt ihrer Mutter ein und hat dort eher eine Gastrolle inne. Aufgrund der vielfältigen rituellen Verpflichtungen für HopiMänner verbringt er ohnehin einen großen Teil seiner Zeit in den rechteckigen unterirdischen Zeremonialkammern, den Kivas. Innerhalb der traditionellen Arbeitsteilung hat er sich um Feldbau und Viehzucht zu kümmern, aber die Kleidung für die Familie zu weben. Andere häusliche Arbeiten einschließlich der Errichtung der Wohnhäuser, der Versorgung der Gemüsegärten und Töpferei wurden von Frauen verrichtet. Sobald die Ernte ins Haus der Frau gebracht wurde, gehörte sie ihr; Versorgung und Erziehung der Kinder oblag in erster Linie dem Mutterbruder (also Onkel mütterlicherseits), nicht dem leiblichen Vater (der sich dafür allerdings um die Kinder seiner 8 Maraw, Lakon und Owaqölt gemäß den herbstlichen Erntezeremonien. 7 Schwestern zu kümmern hatte). Aufgrund dieser Familienkonstruktion waren Scheidungen relativ unproblematisch und fanden auch häufig statt. Insgesamt existieren in den einzelnen Hopi-Dörfern ungefähr dreißig dieser Abstammungsgruppen in der mütterlichen Linie, sogenannte "Matri-Clane", deren Angehörigen ihre Verwandtschaft untereinander oft nicht mehr zweifelsfrei nach vollziehen können. Dennoch gelten sie als Blutsverwandte, dürfen ihre Ehepartner nicht aus dem gleichen Clan wählen (sogenannte Exogamie), und sind durch eine Vielzahl von institutionalisierten Tauschbeziehungen und durch die Verpflichtung zur gegenseitigen Hilfe in Notlagen miteinander verbunden. Den einzelnen Clanen steht eine ältere Frau, die sogenannte Clanmutter (so'o) vor. Sie verwahrt wichtige Zeremonialobjekte (tiponi) und ist entscheidend an der Zuweisung der einzelnen Anbauflächen in der Landwirtschaft beteiligt. In wirtschaftlicher Hinsicht waren die Clane traditionellerweise völlig autonom, verfügten über eigene Felder, Quellen, heilige Schreine und sogar bestimmte Schneevorkommen für die Wasserversorgung im Winter. Die Hopi lebten traditionell in einer staatenlose Gesellschaft, und auch das Konzept eines dorfübergreifenden Stammes war ihnen bis zur Einrichtung eines Stammesrates im Jahre 1936 fremd: Bis dahin stellte jedes Pueblo (Dorf) eine wirtschaftlich, sozial und politisch völlig unabhängige Einheit dar. Die prekären Umweltbedingungen, unter denen die Hopi ohne künstliche Bewässerung Maisanbau betrieben, erlauben keine größeren Bevölkerungskonzentrationen. Deshalb bestand auch innerhalb der Dorfgemeinschaften die deutliche Neigung, sich in Fällen von Ressourcenknappheit und zu hohem Bevölkerungswachstum aufzuspalten, und zwar entlang der Grenzen der matrilinearen Verwandtschaftsverbände, der Clane, welche innerhalb der Dorfstruktur eine sehr starke Stellung besitzen, wie ich zuvor gezeigt habe. Wenn ein Dorf zu groß geworden, wie etwa das Hopi-Hauptdorf Oraibi im Jahre 1900, verließen weniger angesehene und bevorrechtigte Clane die Siedlung und gründeten neue Dörfer. Dieser Grundzug der Hopi-Gesellschaft - wie auch vieler anderer indianischer Gesellschaften in Nordamerika und im südamerikanischen Tiefland - findet seinen Ausdruck in dem den Hopi zugeschriebenen Spruch: "Nach unserer Auffassung kann kein Mensch in einer Gemeinschaft leben, die mehr als dreitausend Menschen umfaßt."9 9 Tatsächlich liegt die Obergrenze der Dorfbevölkerung bei den Hopi bei lediglich tausend Menschen. 8 Angesichts dieser starken Neigung zur Aufspaltung in immer kleinere Einheiten stellt sich die Frage, welche Kräfte überhaupt den Zusammenhalt der Hopi als einer Gemeinschaft mit gemeinsamer Kultur gewährleisteten. Hier sind in erster Linie die Geheimbünde /Zeremonialgesellschaften zu nennen, welche über die Aufführung der Kachina-Tänze gemeinsame Überzeugungen aller Hopi wachhalten und ihnen einen sinnfälligen Ausdruck verleihen, an dem alle Angehörigen dieser Ethnie direkt oder indirekt teilhaben. Wir wir schon gesehen haben, ist die Mitgliedschaft in den Geheim- oder Zeremonialbünden Clanübergreifend.10 Damit werden Solidarbeziehungen über die Verwandtschaftsgruppen hinaus geschaffen, zudem treten die Kachina-Tänzer häufig auch in anderen als in ihren Heimatdörfern auf. Somit trug das Maskenwesen bei den Hopi entscheidend dazu bei, daß die gesamte Ethnie als eine Kult- und Kulturgemeinschaft mit geteilten spirituellen, moralischen und ethischen Grundüberzeugungen aufrecht erhalten wurde, während ein "Stammes"-übergreifender politischer Verband traditionell niemals existierte. Wichtig für die Identität und die Eigendefinition der Hopi ist der Gegensatz von hopi und ka-hopi (="nicht-Hopi") - "nicht-Hopi"-Eigenschaften werden u.a. von den Clowns verkörpert. Die Eigenbezeichnung des Volkes wird gern mit "Die Friedlichen" übersetzt. Tatsächlich umfasst das Ethnonym Hopi jedoch noch viel mehr: die USamerikanische Völkerkundlerin Laura THOMPSON listete folgende Bedeutungen des Begriffes auf: moralische und physische Stärke, ausgeglichen, ruhig, mit guten Gedanken, gesetzestreu, verantwortungsbewusst, aktiv mit anderen zusammenarbeitend, ausgeglichen und nicht-aggressiv, fruchtbarkeits- und in jeder Hinsicht lebensfördernd, auf die eigene Gesundheit bedacht sein. Die Kachinas als Vertreter übernatürlicher Mächte und ihre Darsteller während der Tänze haben durch ihre disziplinarische Funktion entscheidenden Anteil daran, diese Charakteristika der Hopi aufrecht zu erhalten. Das Selbst- und Fremdbild der Hopi als der "Friedlichen" hat z.T. zu einer einseitigen Erhöhung und Idealisierung dieses Indianervolkes geführt. Deshalb soll an dieser Stelle nicht verschwiegen werden , daß es zahlreiche Belege für gewalttätige 10 Allein schon aus dem zahlenmäßigen Verhältnis von 30 Clanen zu 12 Zeremononialgesellschaften ergibt sich, dass nicht jeder Clan über einen eigenen, ihm zugeordneten Geheimbund verfügen kann. 9 Auseinandersetzungen sowohl der Hopi untereinander als auch mit anderen Völkern gibt. Um 1700 wurde ein katholisches Dorf der Hopi, Awatowi auf der AntilopenMesas, von "Stammes"-Genossen komplett zerstört, und die Bewohner massakriert. Und im Zuge der herbstlichen Erntezeremonien war es früher durchaus üblich, SkalpJadgen in das Territorium der benachbarten Navajos zu unternehmen. Die hier beschriebenen Verhältnisse entsprechen im wesentlichen dem sogenannten ethnografischen Präsens, das heißt den Zuständen in der traditionellen Hopi-Kultur. Auch wenn die Hopi in einem sehr entlegenen und unfruchtbaren Gebiet Nordamerikas leben, ist natürlich auch ihre Kultur von vielfältigen Wandlungen betroffen worden. Das fing schon mit der Ankunft der Spanier im 16. Jahrhundert an, welche den Hopi - wie auch allen anderen Ureinwohnern der Neuen Welt - das Christentum bringen wollten und zu diesem Zwecke die Hopi wie auch die benachbarten Pueblo-Völker der Zuñi, der Tano und Keres im heutigen New Mexico versklavten. In einem kollektiven Aufstand erhoben sich die Pueblos 1680 gegen diese Fremdherrschaft und verjagten die Spanier, um später Opfer erbitterter Strafexpeditionen der Kolonialherren zu werden - einzig und allein die Hopi konnten sich gegen das erneute Vordringen der Spanier behaupten und zerstörten sogar eines ihrer eigenen Dörfer, dessen Bewohner dem katholischen Christentum treu geblieben waren. Seitdem gibt es unter den Hopi keine Katholiken mehr, allerdings bekannten sich schon im späten 19. Jh. einzelne Hopi zum Glauben der Mormonen, welches sich im benachbarten Utah niedergelassen hatten, und seitdem ist der Anteil von Protestanten unter den Hopi beständig gestiegen. Dies hat natürlich Einfluss auf das traditionelle Zeremonialwesen und trägt zum Zerfall des Glaubens an die Kachinas und der traditionellen Tänze bei. Auch die offiziell anerkannte politische Außenvertretung aller Hopi-Dörfer, der seit 1936 amtierende Stammesrat, wird zunehmend von Protestanten (insbesondere Mormonen) bestimmt, welche u.a. Pachtverträgen zum Kohlebergbau auf der nördlich der Hopi-Dörfer gelegenen Black Mesa zustimmten. Weiterhin wird das Leben der Hopi durch mangelnde Erwerbsmöglichkeiten auf dem Reservat (abseits der traditionellen, sehr mühsamen Landwirtschaft), Wertekonflikten mit der US- amerikanischen Konsumgesellschaft und ihrer modernen Technologie, Alkohol- und Drogenabhängigkeit, dem Landstreit mit dem Stammesrat der benachbarten Navajo- 10 Nation und der Umweltverschmutzung auf der dortigen Reservation (u.a. Uranabbau!) tiefgreifend beeinträchtigt. Mit der zum Teil erzwungenen Übernahme materiellen Kulturbesitzes sowie der Anschauungen und Verhaltensnormen der angloamerikanischen Kultur verfiel das Zeremonialsystem der Hopi seit der Wende vom 19. zum 20. Jahrhundert zunehmend. Im Zuge einer nach dem Zweiten Weltkrieg einsetzenden Revitalisierungsbewegung aufgekommenen Revitalisierungsbewegung werden jedoch - je nach Dorf verschieden - umfangreiche Teile der Zeremonialorganisation versucht aufrecht zu erhalten. Es bleibt abzuwarten, in wieweit sich ein weltweit ziemlich einzigartiges Muster rituellen und sozialen Lebens unter diesen Umständen wird erhalten lassen. Abschließende Bemerkungen zum Masken- und Medizinmannwesen in Nordamerika Insgesamt gibt es im indigenen Nordamerika lediglich drei Regionen (sogenannte Kulturareale), in denen Masken in kultischen Zusammenhängen Verwendung finden: - An der Nordwestküste - im nordöstlichen Waldland (z.B. die "Falschgesichter" der Irokesen/ Sechs Nationen) - im Südwesten bei den Pueblo-Indianern sowie den benachbarten Apachen und Navajo (Diné, Indé, Tindé) Im Gegensatz zu anderen First Nations werden Masken bei den Hopi nicht von Medizinmännern getragen und auch nicht primär zur Krankenheilung eingesetzt, sondern lediglich im Rahmen von Kollektivzeremonien. Es gibt auch bei den Hopi keine besonderen, spezialisierten Medizinmänner, sehr wohl jedoch Bünde, die sich bevorzugt der Krankenheilung widmen, und auch Individuen, die entsprechende Berufungserlebnisse haben und darüber zum Medizinmann (oder zur Medizinfrau?) prädestiniert sind, z.B. Zwillingsgeburt oder epileptische Anfälle. Spezialisierte Medizinmänner und Schamanen, welche gezielt zu Heil- oder Wahrsagezwecken in Trance gehen, gibt es in dieser Kultur jedoch nicht, und Kollektivzeremonien, die dem Wohl der gesamten Gemeinschaft dienen, haben Vorrang vor individuellen Heilungszeremonien. 11 Literatur BENDER, Cora (2 000), Südwesten. In: FEEST, Christian (Hrsg.), Kulturen der nordamerikanischen Indianer. Köln: Könemann-Verlagsgesellschaft, S. 366-421 KRESSING, Frank (1986), Untersuchungen zur Fraktionsbildung bei den Hopi-Indianern in Arizona. Unveröffentliche Magisterarbeit, Institut für Ethnologie, Universität Tübingen. KRESSING, Frank (1988), Clane, Bünde und Pueblos. In: KUNZE, Albert (ed.), Hopi und Kachina - Eine indianische Kultur im Wandel. München: Trickster-Verlag, S. 80-86. KUNZE, Albert (ed., 1988), Hopi und Kachina - Eine indianische Kultur im Wandel. München: Trickster-Verlag. LINDIG, Wolfgang; (1976), Die Indianer des Südwestens: Auf dem Wege zur Hochkultur. In: DERS.; Mark MÜNZEL (1976), Die Indianer. Kulturen und Geschichte der Indianer Nord-, Mittel- und Südamerikas. München: Wilhelm Finck, S. 186-232. SCHAEDLER, Karl-Ferdinand (2 000), Masken der Welt. Sammlerstücke aus fünf Jahrtausenden. München: Wilhelm-Heyne-Verlag. TALAYESVA, Don C. (1964), Sonnenhäuptling Sitzende Rispe. Ein Indianer erzählt sein Leben. Kassel: Erich-Röth-Verlag WATERS, Frank (1963), Book of the Hopis. New York: Viking Press. 12