Harter Nationalkitsch

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Harter Nationalkitsch
KULTUR
KRIEGSNOSTALGIE
»Harter Nationalkitsch«
Wiesenthal Center fordert Verbot der »Landser«-Hefte. Die
Bundesprüfstelle urteilte milder
08.08.2013 - von Wolf Scheller
Die sich seit den 50er-Jahren auf dem Kriegsnostalgie-Markt mit wechselndem Erfolg
behauptende Zeitschrift »Der Landser« ist nach jahrzehntelangem Dämmerschlaf mal wieder ins
Gerede gekommen. Dankbar dürfen ihre Macher dafür dem Simon Wiesenthal Center in den
USA sein, das den historisch versierten Journalisten Stefan Klemp beauftragte, sich den Inhalt der
obskuren Publikation einmal genauer anzusehen.
Der um diese Aufgabe nicht zu beneidende Autor überprüfte 29 Ausgaben und fand dabei heraus,
dass in 24 Heften Menschen zu »Helden« verklärt wurden, deren Einheiten während des Zweiten
Weltkriegs Verbrechen begangen haben. Gemeint waren Waffen-SS und Totenkopf-Verbände.
Was für eine Überraschung! Auf einmal ging dem Vorstand des Simon Wiesenthal Center ein
Licht auf, mit wem man es hier zu tun hat. Und jetzt soll die deutsche Justiz klären, ob es »in
den bislang veröffentlichten Publikationen eine absichtliche Verzerrung der Geschichte gibt, wie
wir es glauben, oder nicht« – so der Vorstand und Gründer des Wiesenthal Center, Rabbiner
Marvin Hier.
TRIVIAL Eigentlich kann man sich bei dieser Fragestellung nur verdutzt die Augen reiben. Wer
sich jemals mit den schmuddeligen und pseudodokumentarischen Abenteuergeschichten dieser
seit 1970 unter dem Dach der Bauer Media Group wöchentlich erscheinenden Zeitschrift
beschäftigt hat, weiß, dass hier auf trivialste Manier unter dem Vorwand von Authentizität vor
der Kulisse des Zweiten Weltkriegs das Loblied der deutschen Wehrmacht gesungen wird, die
ihren Schild sauber gehalten und sich im Großen und Ganzen nichts hat zuschulden kommen
lassen.
»Der Landser«, 1957 vom Erich-Pabel-Verlag gegründet, traf auf ein günstiges Klima in der alten
Bundesrepublik. Unter dem Protektorat der Alliierten hatten die Weltkriegsverlierer wieder mit
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der Aufrüstung begonnen. Es gab noch viele, die als Soldaten »dabei« gewesen waren und jetzt
mit ihrer Erfahrung wieder gebraucht wurden. Irgendwie sehnten sich viele nach leicht
konsumierbarer »Literatur« über die »Heldentaten« deutscher Soldaten. Das waren keine
schlechten Voraussetzungen für die damaligen Groschenhefte, in denen es von Ritterkreuzträgern
und fröhlichen Landsern nur so wimmelte.
Erich Pabel, der Verleger, beschäftigte als Autoren vorwiegend »Fachleute«, die mit ihren
Sudeleien schon vor dem Krieg die Wehrhaftigkeit der heranwachsenden Jugend anzuspornen
versuchten. Solche Talente wurden dann auch während des Krieges vom sogenannten
Reichsjugendführer Baldur von Schirach gehegt und gepflegt. Und Pabel frohlockte: »Die
Schaffung der Bundeswehr hat diese Serie erst geschaffen.«
SCHÖNFÄRBEREI Bis 1959 lief die produzierte Kriegsromantik wie geschmiert. Dann aber
änderte sich das Klima in der Bundesrepublik, auch unter dem Eindruck der jetzt zunehmend
publik werdenden Ergebnisse der zeitgeschichtlichen Forschung. Die weitgehend schönfärberische
»Erinnerungsliteratur« geriet mehr und mehr in den Hintergrund. Vor allem fand jetzt auch der
Holocaust im öffentlichen Bewusstsein breite Aufmerksamkeit.
Das Geschäft mit den Kriegsromanen wurde nun auch von der Bundesprüfstelle für
jugendgefährdende Schriften unter die Lupe genommen, und dabei geriet insbesondere die
»Landser«-Serie des Pabel-Verlags in die Schusslinie der Kritik. Seine Produkte wurden im
Rundfunk als »harter Nationalkitsch« bezeichnet. Das Resümee einer NDR-Sendung war
geradezu vernichtend: »Stil, Form, Aussage und Inhalt der bundesdeutschen
Kriegs-Groschenliteratur decken sich auf unheimliche Weise mit dem Stil, der Form, der Aussage
und dem Inhalt der Berichte der sogenannten Propagandakompanien des Großdeutschen Reiches
während des Zweiten Weltkriegs – in 50 von 100 Fällen haben sich nicht einmal die Autoren
geändert.«
INDEX Indiziert wurden im Laufe dieser Debatte Kriegsbücher und Kriegsromanhefte, darunter
auch mehrere »Landser«-Hefte, aber in manchen Fällen urteilte die Bundesprüfstelle eher milde
über den »Landser«: »Hier handelt es sich zwar um billigsten, verlogenen Kitsch in
Schmierenmanier und mit sentimental-albernen Zwischenszenen, aber eben nur um Unsinn,
ohne dass besondere jugendgefährdende Umstände hervortreten.« Wie auch immer: »Der
Landser« gab nicht auf, und dass in dieser Zeitschrift der Krieg verherrlicht wurde und wird, hat
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seine Macher nie gekümmert.
In einer ersten wissenschaftlichen Untersuchung von Klaus F. Geiger aus dem Jahr 1974 wurde
der Redaktion bescheinigt, dass im »Landser« die Wirklichkeit des Zweiten Weltkriegs »verfälscht
wiedergegeben wird«. Die Inhalte, so die Studie, »stellen auch einen Betrug am Leser, namentlich
am jugendlichen Leser dar«. Auch daran hat nichts geändert. Seit der Wiedervereinigung liegt die
Auflage nach Angaben des »Spiegel« bei etwa 60.000 Exemplaren pro Heft.
Dass es den »Landser« immer noch gibt, obwohl die aktive Kriegsgeneration nahezu ausgestorben
ist, dürfte auch damit zusammenhängen, dass viele junge Menschen heute kaum noch berufliche
Perspektiven haben und daher leicht für militaristisch-nationalistisches Gedankengut empfänglich
sind. Das hat erst jüngst eine interne Studie der Bundeswehr belegt. Doch jetzt will das
Wiesenthal Center ausgemacht haben, dass »Der Landser« die Grenze des Tolerierbaren
überschritten habe, weil im Heft insinuiert werde, dass die Angehörigen der Waffen-SS und der
Totenkopf-Verbände »nur einfache Soldaten im Krieg gewesen« seien – was sie in der Tat nicht
waren.
MÖRDERBANDE Die SS-Totenkopfverbände waren bekanntlich vor allem für die
Konzentrationslager »zuständig«. Sie setzten sich weitgehend aus allen Arten von sozial
Deklassierten zusammen, auch aus Österreich und den Balkanländern – »Knüppel- und
Revolveraktivisten, die jeden sozialen Halt unter den Füßen verloren hatten«, wie es Eugen
Kogon formuliert hat. Eine Mörderbande, gewiss, der keine Heldenverehrung zukommt. Auch die
Angehörigen der Waffen-SS verdienen keine nachgereichte Sakralisierung.
Aber haben wir das nicht alles schon sehr lange gewusst, und hätte man das auch im fernen
Amerika nicht schon lange wissen können? Nein, es gibt beim »Landser« wirklich nichts zu
beschönigen!
Sie heißen »An der Reichsgrenze«, »Treu bis zum Ende« oder »Durch den Feind hindurch«: Die
Hefte des Magazins »Der Landser« bieten laut Selbstdarstellung »Schilderungen der ungeheuren
Strapazen und Opfer, die der Krieg 1939–1945 tagtäglich von den Soldaten und Offizieren
forderte«. Das Wiesenthal Center hat Bundesjustizministerium und Bundesinnenministerium
aufgefordert, die Hefte wegen Glorifizierung der Waffen-SS zu verbieten. Die Bauer Media
Group dagegen erklärte, alle ihre Publikationen stünden »im Einklang mit den in Deutschland
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geltenden Gesetzen«.
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