Kein Raten angesichts von Planquadraten

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Kein Raten angesichts von Planquadraten
Samstag/Sonntag, 30./31. Januar 2010 Kölner Stadt-Anzeiger
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Bergisches Journal
Akustischer
Jazz aus
Brasilien
Kein Raten angesichts von Planquadraten
Ein Musik-Tipp
von Peter Fessler
VON KARIN GRUNEWALD
Was war Ihre erste Platte, welche
haben Sie zuletzt erworben? Und
wann war das jeweils?
PETER FESSLER: Meine erste Plat-
te war „Attention, Baden Powell“
des brasilianischen Gitarristen
Baden Powell. Die habe ich 1969
geschenkt bekommen. Vor gut
acht Jahren habe ich meine letzte
Platte gekauft, das war „Here's to
Life“ der amerikanischen Sängerin und Jazzpianistin Shirley
Horn.
Was hören Sie im Moment am
liebsten?
GEOGRAFIE Die Heimatforscher Siegfried Raimann und Herbert Ommer erwiesen sich bei dem Spiel
„Deutschland – Finden Sie Minden!“ als wahre Experten für Ortsfragen – Karten lesen, Punkte sammeln
Bergisch Gladbach. Heimatforscher kennen ihre Heimat, aber
auch den Rest von Deutschland?
Siegfried Raimann und Herbert
Ommer sind Profis, was den
Bergbau in der Region angeht.
Ommer (57) wurde „im Schatten
eines Förderturms“ groß und interessierte sich von Kind an für
Gruben und Schächte. Seit seiner
Pensionierung arbeitet der Gladbacher als freier Mitarbeiter für
die Bezirksregierung in Sachen
Bergbau. Raimann (75) absolvierte in den 50er Jahren die
Knappen- und Steigerausbildung
am Lüderich, wurde später Lehrer und ist stellvertretender Bürgermeister von Overath. Der
„Here's to Life“ von
Shirley Horn und, immer wieder
gerne, die Alben der Pat Metheny
..............................................................
Group. Ansonsten höre ich sehr ..
SPIELKAMERADEN
viel klassische Gitarrenmusik ...............................................................................
und bin ein großer Verehrer des
russischen Pianisten Jewgeni
Kissin.
Vorsitzende des Vereins „Spielbaustelle“ Wolfgang Drötboom
Welche drei Platten würden Sie schürfte tief im Fundus, um ein
auf die einsame Insel mitnehmen? Spiel über das Schürfen zu finFESSLER: Wenn ich auf eine den, aber er fand nur eines mit
einsame Insel gehen würde, näh- Diamantenminen, und die gab es
me ich nur meine Konzertgitarre im Bergischen definitiv nicht.
mit und würde dort komponieren. Drötbooms Wahl fiel schließlich
Und nebenbei würde ich dem auf das Geografie-Spiel „Finden
Meeresrauschen zuhören.
Sie Minden!“.
Vollkommen gelassen studieMit welcher Musik verbinden Sie ren die beiden Bergbau-Experten
die intensivsten Erinnerungen?
bei der Aktion des „Kölner StadtFESSLER: Mit den Bossa Nova Anzeiger“ und der „SpielbaustelOeuvres der 1960er und 1970er le“ die Deutschlandkarte auf dem
Jahre, also akustischer Jazzmu- Spielbrett. Landesgrenzen finden
sik aus Brasilien. Diese Musik sich dort, Flüsse, Höhenzüge,
war in meinem elften Lebensjahr aber keine Ortschaften. Diese
eine Initialzündung. Sie hat mei- stehen auf kleinen Kärtchen, die
ne Kompositionssprache ge- die Mitspieler in jeder Runde zuprägt, mich sehr stark dahinge- sammen mit der Aufgabe erhalhend beeinflusst, wie ich Melo- ten, sie so genau wie möglich in
dien verfasse. Die beiden Musi- Deutschland zu platzieren. Dazu
ker, die mich am stärksten ge- ist das Spielfeld in Bereiche einprägt haben, sind Antonio Carlos geteilt: West oder Ost sowie
Jobim und Joao Gilberto.
Nord, Mitte oder Süd. Soweit ist
ungefähr herauszufinden, wo
Gibt es eine Platte, die Ihr Leben Siegen liegen könnte. Darüber
hinaus gibt es jedoch mit Ziffern
verändert hat?
FESSLER: Ja, und zwar Shirley bezeichnete kleinere PlanquaHorns „Here's to Life“. Das ist drate, und zu allem Überfluss
Musik, die allen Befürchtungen wird in einem vierten und letzten
des Lebens, allen Schwierigkei- Detaillierungsgrad jedes Planten, immer noch etwas Positives quadrat nochmals viergeteilt. Die
abgewinnen kann.
FESSLER:
Wir müssen die
Welche Platte würden Sie den Le- Plätze nicht tauschen Ich
sern ans Herz legen?
kann die Karte aus allen
Da schlage ich mal etwas ganz anderes vor: Meine Soloplatte „Das mit Dir . . . “, die
voraussichtlich Ende März erscheinen wird. Ich singe darauf
deutsche Texte über meine Befindlichkeiten, was für mich ein
neues Terrain ist. Die Platte befasst sich, sozusagen, „schmunzelnd“ mit den Gegebenheiten
des unmöglichen Lebens. (lacht)
FESSLER:
Das Gespräch führt e
Christ ian Leinweber
Zur Person
Peter Fessler
ist Vokalakrobat,
Jazz-Gitarrist
und im Januar Gastmusiker bei der
Studio-Band
Heavytones,
Peter Fessler
bekannt aus
BILD: ARLINGHAUS
der FernsehSendung tvtotal. Er lebt in Bergisch Gladbach. (lei)
SRB01JN/1
Richtungen lesen
Siegfried Raimann
Fläche dieser letzten Vierecke
entspricht nur noch etwa 35 mal
50 Kilometern in der wirklichen
Landschaft.
Die Regeln sind schnell verstanden. Jeder Mitspieler erhält
eine Karte mit einem Ort, einer
Sehenswürdigkeit oder einem
Landstrich. Auf einer persönlichen Setz-Karte legen alle
gleichzeitig einen bis vier Tippsteine auf die Felder der vier Detaillierungsstufen. Ist der Ort
richtig lokalisiert, darf man die
eigene Spielfigur vorziehen, und
zwar so viele Felder, wie richtige
Angaben gemacht wurden. Entscheidendes Handicap: Ist auch
nur ein einziges Klötzchen falsch
gesetzt, gibt es überhaupt keine
Punkte.
Raten bedeutet Risiko. Es wäre
also Vorsicht geboten, aber Raimann und Ommer scheinen von
Vorsicht nicht viel zu halten.
„Ost, Nord, Vier, D“, sagt Herbert Ommer und ist damit dem
Greifswalder Bodden einwand-
Siegfried Raimann (l.) und Herbert Ommer (r.) lassen sich von Wolfgang Drötboom die Spielregeln erläutern. Wo genau Bad Säckingen, Altötting
und Friedrichshafen liegen, muss den beiden Heimatkennern dann aber niemand mehr erklären.
BILD: DIETHELM NONNENBROICH
frei auf die Spur gekommen. Für
Siegfried Raimann, der ihm gegenüber sitzt, steht Deutschland
Kopf, denn er schaut von oben
auf die Karte, so dass für ihn Kiel
im Süden und Berchtesgaden im
Norden liegt. Plätze zu tauschen,
lehnt er ab. „Ich kann die aus allen
Richtungen lesen“, sagt er lässig,
denn mit Karte und Kompass hat
der Wanderführer bereits tausende Kilometer zurückgelegt.
Ebenfalls lässig bestimmt er für
Bad Kissingen: „Ost, Mitte,
Acht, C“. Richtig.
Spielleiter Wolfgang Drötboom ist zurückhaltender und
legt nur drei Steine für Frankfurt
an der Oder. Nun geht es Schlag
auf Schlag. Vier Richtige für
Ommer und Jena, vier für Raimann und den Ratzeburger See.
Drötboom
sucht
indessen
Schwäbisch Hall. „Auf diese
Steine können Sie bauen“, mur-
melt er, „aber wo bloß?“ Friedrichshafen, Altötting, Jadebusen
– Kassel, Siebengebirge, Tübingen – Kiel, Göttingen, Lübeck.
Als Wolfgang Drötboom Lübeck
nordwestlich von Bremen platziert, guckt Siegfried Raimann
Schwäbisch Hall – auf
diese Steine können Sie
bauen, aber wo bloß?
Wolfgang Drötboom
skeptisch. Ungefähr so könnte er
in seiner Zeit als Mathematiklehrer an der Berufsschule in Bergisch Gladbach geblickt haben –
wenn sich eine falsche Lösung
abzeichnete.
Drötboom spielt richtig gut,
aber die Heimatforscher spielen
schlichtweg exzellent. „Obwohl“, meint Ommer, „wenn die
Wissen und Konzentration
„Deutschland – Finden Sie Minden!“ ist ein Wissensspiel für
zwei bis fünf Spieler, das Geografie-Kenntnisse abfragt. Die Altersangabe „ab zehn“ ist, was den
Schwierigkeitsgrad der Regeln
angeht, angemessen. Kinder werden jedoch die meisten Orte, die
auf der Deutschlandkarte zu positionieren sind, eher nicht kennen. Durch die Möglichkeit, die
Lage nur grob anzugeben, lässt
sich das Spiel aber vereinfachen
und ist dann eine schöne Kombination von Spaß und Lerneffekt.
Auch für Erwachsene ist „Finden
Sie Minden“ ein anspruchsvolles
Spiel, das Wissen und Konzentration erfordert. Eine Partie dauert
etwa 30 bis 45 Minuten. Das Spiel
ist erschienen im Kosmos-Verlag.
www.kosmos.de
Ein verspielter Verein
Die Spielbaustelle hat es sich zum
Ziel gesetzt, das kommunikative
Spiel als Kulturgut zu fördern. Der
Verein mit Sitz in Odenthal veranstaltet einmal im Monat einen
kostenlosen, offenen Spieletreff
von 19.30 bis 24 Uhr im Fresch
(Freizeiteinrichtung Schildgen).
Eingeladen sind alle Interessierten
ab 14 Jahren sowie Kinder in Begleitung ihrer Eltern. Einmal im
Jahr richtet der Verein eine große
Spielenacht in Altenberg aus, einmal im Jahr zudem die Regionalausscheidung zur Deutschen
Brettspielmeisterschaft. Darüber
hinaus organisiert er Spielereisen
und Fortbildungen und erstellt
Autobahnen eingezeichnet wären, wäre es deutlich einfacher.“
Sind sie aber nicht, und so stoßen
die Spieler manchmal beinahe
mit den Köpfen aneinander bei
ihrer Suche nach dem kleinen
Anhaltspunkt auf der großen
Karte. Als die erste Spielfigur in
die „Gewinnzone“ einrückt, wird
abgerechnet. Nun gibt es nach einem Farb- und Punktesystem
noch Sonderpunkte für unterwegs gesammelte Ortskarten.
Herbert Ommer gewinnt schließlich knapp vor Siegfried Raimann.
Die beiden haben bereits gemeinsam an einem Buch über den
Bergbau geschrieben und ihre
Leidenschaften entsprechen sich
auch beim Spiel: keine Frage,
neue Runde. Viele Ortsnamen lösen bei den Spielern Erinnerungen aus, die beim Gewinnen helfen und zum lockeren Gespräch
beitragen. Ommer erinnert sich
an den Urlaub auf Rügen, während er Hiddensee fehlerfrei direkt daneben positioniert. Raimann erzählt vom Skiwettbewerb der Bürgermeister bei Regensburg und vergisst darüber
das Legen seiner Steine. Die
hochgezogenen Augenbrauen
der Mitspieler holen ihn zum
Spiel zurück und flott sind die
Steinchen gelegt. „So, bitteschön“, sagt er siegesgewiss und
lehnt sich zurück.
Als Ommer Bad Säckingen
zieht, sagt Raimann: „Ich weiß
nur, dass es da einen Trompeter
Wenn die Autobahnen eingezeichnet
wären, wäre es deutlich
einfacher
Herbert Ommer
gibt.“ Auch nicht schlecht, denn
das Werk des Dichters Joseph
Victor von Scheffel „Der Trompeter von Bad Säckingen“ kennen vermutlich auch nicht mehr
Menschen als die genaue Lage
des Örtchens. „Alles oder
nichts“, trompetet Herbert Ommer und legt ungerührt alle vier
Steine auf sein Kärtchen.
Wolfgang Drötboom lacht fassungslos und sagt: „Langsam be„Deutschland – Finden Sie Minden!“ komme ich den Frust.“ Vielleicht
fragt Geografie-Kenntnisse ab.
hätte er doch das Spiel mit den
Diamanten wählen sollen. Trotz
Schwächeln bei Hoyerswerda hat
diesmal Overaths Bürgermeister
nach der Endabrechnung die Nase deutlich vorn. Ommer verleiht
Konzepte für spielpädagogische
ihm feierlich den Titel „WanderProjekte. Der Fundus des Vereins
führer für ganz Deutschland“.
umfasst rund 3000 Spiele. Der
Als sich alle auf den Weg nach
Vorsitzende Wolfgang Drötboom
Hause machen, haben sie zwei
erklärt: „Wir verleihen auch SpieGemeinsamkeiten mehr: einen
le.“ Der nächste Spieletreff im
richtig gelungenen Abend und
Fresch, Am Schild 33, findet am
die Heimatangabe „West, Mitte,
Freitag, 19. Februar, statt. (ela)
Sechs, B.“
www.spielbaustelle.de
www.ksta.de/rbo-spiele