Die Entdeckung der Alpen
Transcrição
Die Entdeckung der Alpen
Kultur Nummer 244 • Mittwoch, 22. Oktober 2014 13 Saxofonist Raphael Ravenscroft ist mit 60 gestorben Der britische Musiker Raphael Raven scroft hat im Song „Baker Street“ eines der berühmtesten SaxofonSoli gespielt. Im Alter von 60 Jahren ist der Saxofonist am Sonntag gestorben, wie seine Familie am Dienstag mitteilte. Mit seinem Solo in dem Song „Baker Street“ (1978) des Schotten Gerry Raf ferty hatte Raven scroft die Musikwelt auf sich aufmerksam gemacht. Er arbeitete mit Pink Floyd, Abba Ravenscroft ik und Marvin Gaye, später spielte er für Daft Punk und Duffy. Ravenscroft lebte in Exeter in der engli schen Grafschaft Devon. Nach Medienbe richten bekam der Saxofonist nur 27 Pfund für die „Baker Street“Session, während Rafferty 80 000 Pfund an Lizenz gebühren pro Jahr für den Song kassiert habe. 2011 sagte Ravenscroft in einem Ra dioInterview, ihn nerve es, das Lied zu hö ren. „Es ist flach“, sagte der Musiker. (dpa) Kurz berichtet Neuer Modiano-Roman erscheint früher Caspar Wolf, Unterer Grindelwaldgletscher, Lütschine und Mettenberg, um 1775 Foto: Museum Oskar Reinhart, Winterthur Die Entdeckung der Alpen Caspar Wolf zu Ehren – Das Kunstmuseum Basel würdigt den Pionier der Gebirgsmalerei mit einer umfangreichen Ausstellung Von Oliver Class aus Basel Ereignis Alpen Wenn nun bald wieder in den Alpen zwi schen Courchevel und Kitzbühel die Winter sportsaison beginnt, werden skibegeisterte Touristen die Bergregion im Herzen Europas als einen riesigen Freizeitpark wahrnehmen. Vor 250 Jahren war der Blick der Menschen auf die Alpen jedoch ein gänzlich anderer. Die Gebirgslandschaft war jahrhunderte lang ein riesiges Verkehrshindernis, das den Kontinent zerschnitt und den Austausch zwischen Nord und Süd erschwerte. Nie mand begab sich ohne Not in diese felsige Wüstenei, die als gefährlicher Unort empfunden wurde. Dass wir die Alpen heute so ganz anders sehen, hat auch mit den Pionieren der physi schen und ästhetischen Eroberung der Alpen zu tun, zu welchen der Schweizer Ma ler und Grafiker Caspar Wolf Wesentliches beigetragen hat, dessen Leben und Werk nun in einer umfassenden Ausstellung im Kunst museum Basel präsentiert wird. Caspar Wolf Info Caspar Wolf und die Schau in Basel ¡ 1735 in Muri (Schweiz) geboren, kehrt Caspar Wolf nach einer Lehre als Kirchen- und Landschaftsmaler und Reisen durch Bayern 1760 nach Muri zurück. ¡ 1783 stirbt Caspar Wolf verarmt im Hospital in Heidelberg. Foto: Kunstmuseum Basel Die Alpen sind seit rund 120 Jahren ein Sehnsuchtsort der Großstädter und Flachlandbewohner. Bis vor 250 Jahren aber waren die Alpen vor allem ein riesiges Verkehrshindernis. Wesentlichen Anteil an unserem Bild der Alpen hat der Schweizer Maler Caspar Wolf., der 1783 in Heidelberg gestorben ist. ¡ 1770 für ein Jahr in Paris ansässig, beginnt Wolf 1773 mit dem Verleger Abraham Wagner bei Alpenwanderungen mit Studien und Bildern der Schweizer Alpen (bis 1777). prägte und seine eigene künstlerische Fort entwicklung wesentlich beeinflussen sollte. Verlegermut Von entscheidender Bedeutung für Wolf wurde nach seiner Rückkehr in die Schweiz seine Begegnung mit dem Berner Verleger Abraham Wagner (1734–1782). Dieser hatte das ehrgeizige Projekt, die Alpenlandschaft der Schweiz umfassend zu dokumentieren, naturwissenschaftlich zu analysieren und durch zahlreiche Abbildungen zu illustrie ren. Neu an dem Vorhaben war auch, dass Wagner die Alpen selbst aus unmittelbarer Nähe erforschen wollte, sich selbst in die Bergwelt begab und regelrechte wissen schaftlichkünstlerische Expeditionen in die Schweizer Hochalpen organisierte. Während die Naturforscher Albrecht von ¡ Die Ausstellung: „Caspar Wolf und die ästhetische Eroberung der Natur“ ist bis zum 1. Februar 2015 im Kunstmuseum Basel zu sehen (Di bis So 10 bis 18 Uhr). ¡ Der Katalog: Das Begleitbuch zu „Caspar Wolf und die ästhetische Eroberung der Natur“ (224 Seiten, 180 Abbildungen) kostet in der Ausstellung 37 Euro. ¡ www.kunstmuseumbasel.ch Haller und Jakob Samuel Wyttenbach geo logische, mineralogische und botanische Forschungen anstellten, sollte Caspar Wolf die visuelle Erfassung der dramatischen Berglandschaft vornehmen. Auf ausgedehn ten Bergtouren in den Sommermonaten der Jahre von 1773 bis 1777 hat Wolf eine um fangreiche Bilderfolge von Alpenansichten geschaffen: Zwischen 170 und 200 Land schaftsgemälde sind so entstanden. Breite Vervielfältigung Wagner plante eine mehrstufige Verwertung der Bilderfolge: In seinem Haus in Bern konnten die Gemälde in einem „Alpenkabi nett“ gegen Eintritt besichtigt werden, Rep liken der Bilder von der Hand Caspar Wolfs konnten erworben werden, schließlich wur den die Darstellungen mittels teilweise sorg Wolf wurde 1735 in bescheidenen Verhältnis sen im aargauischen Muri geboren, auch sei ne Ausbildung zum Maler in Konstanz, Augs burg, München und Passau entsprach durch aus dem konventionellen Werdegang mittel mäßiger Künstler aus der süddeutschen und Schweizer Provinz. Nach seiner Lehrzeit war Wolf fast zehn Jahre in Muri als ein in erster Linie handwerklich ausgerichteter Maler tä tig, der für die bedeutende Benediktinerabtei seiner Heimatstadt so profane Dinge wie Ta peten und Öfen künstlerisch gestaltete. Erst als Wolf 1769, getrieben von der Selbst erkenntnis, „er wäre noch nicht geschickt ge nug“, für drei Jahre nach Paris ging, um sich künstlerisch weiterzuentwickeln, verließ er den vorgezeichneten Weg eines bescheidenen Gebrauchskünstlers. Erleben klirrender Kälte Wolfs Darstellungen behandeln die Land schaft der Schweizer Hochalpen in vielerlei motivlichen, kompositorischen und koloris tischen Variationen und dokumentieren die topografische Wirklichkeit, ohne sich die Freiheit des effektvollen künstlerischen Ar rangements zu nehmen. So entstehen Gegensatzpaare vom selben Standpunkt aus, wenn Wolf etwa den Ausgang aus der Dalaschlucht bei Leukerbad einmal nach Süden und einmal nach Norden (beide aus dem Musée d’art du Valais, Sion) malt oder den Unteren Grindelwaldgletscher (Mu seum Caspar Wolf, Muri) sowohl bergauf wie auch talwärts hinab in seiner damals noch imposanten Größe dokumentiert. Hier wird der Künstler des 18. Jahrhunderts für uns zu einem Zeugen einer Alpenwelt, die während der noch anhaltenden Kleinen Eiszeit, wäh rend der Wolf lebte, sich so viel eisiger prä sentierte, als sie dies in der Gegenwart tut. Wolf erweist sich als ein begnadeter Schil derer der klirrenden Kälte vergletscherter Bergriesen wie des Fiescherhornmassivs bei Grindelwald (Museum Oskar Reinhart, Winterthur) und der flüchtigen Atmosphäre der gigantischen Wasserfälle, wenn etwa der Geltenschuss im Lauenental (Kunstmuseum Basel) aus schwindelerregender Höhe ins Tal fällt und sein Wasser als wirbelnde Gischt auf den Fels trifft. Die Romantik kündigt sich an Landschaft als Drama In der Metropole arbeitete er im Atelier des erfolgreichen Landschaftsmalers Philippe Jacques de Loutherbourg. Dessen Land schaften entsprachen weniger der galanten, tändelnden Harmlosigkeit der Rokokoidyl len im Stile Bouchers und Fragonards, son dern interpretierten die Natur als einen künstlerischen Bühnenraum für dramati sche Ereignisse wie Feuersbrünste, Schlach ten oder Schiffsuntergänge. Wolf lernte in Paris mit dieser hochemotionalen Auffas sung von Natur und der Stellung des Men schen in ihr, wie sie neben Loutherbourg der Ruinenmaler Hubert Robert oder der Schil derer tragischer Seeunglücke ClaudeJo seph Vernet vertraten, eine Malerei kennen, welche die Frühromantik entscheidend vor fältig handkolorierter Radierungen als Ein zelblätter oder als Gesamteditionen vertrie ben. So war Wagners großangelegtes Vorha ben zweierlei: das wohlüberlegte Geschäfts modell einer verlegerischen Initiative, aber auch ein enzyklopädisches Unternehmen, das im Sinne der Aufklärung eine bisher unbekannte Landschaft entdecken und beschreiben wollte. Caspar Wolf, der 1783 nur 48jährig in Heidelberg starb, wäre ohne dieses Alpen projekt heute längst vergessen, seine Schil derungen der Schweizer Berge haben ihm je doch einen festen Platz in der europäischen Kunstgeschichte gesichert. Wolf schuf auf den Alpenexkursionen unzählige kleinfor matige Ölskizzen, die er später in seinem Atelier zu Gemälden ausgearbeitet hat. In der Basler Ausstellung sind rund 125 dieser Skizzen und Gemälde versammelt. Gegensätze: Staubbachfall im Winter . . . Foto: Kunstmuseum Bern, Verein der Freunde . . . und der Staubbachfall im Sommer Foto: Museum Oskar Reinhart, Winterthur Panoramahafte Erhabenheit wie im Blick von Andermatt nach Hospental (Privatbe sitz) wechselt mit Darstellungen der klaust rophoben Abgeschlossenheit enger Bergtä ler wie des Urnerlochs (Barrett Collection, Dallas), in dem der Blick in eine dunkle Sackgasse gerät, oder gar in den von Wolf so geschätzten Höhlendarstellungen – dank dieser erhielt er von den Zeitgenossen den Spitznamen „Höhlenwolf“. Wohl sich selbst stellt er in der Bärenhöhle bei Welschenrohr (Kunstmuseum Solothurn) als winziges, zeichnendes Menschlein in der riesigen, schauerlichschönen Höhle dar. So sind Caspar Wolfs Landschaftsdarstel lungen, die aus dem Streben nach der ratio nalistischen Erkundung der Wirklichkeit heraus entstanden sind, auch Zeugnisse eines zutiefst subjektiven Naturerlebens, der Künstler transformiert mit seinen Bil dern den Positivismus des 18. Jahrhunderts hinüber in die sich ankündigende Romantik des 19. Jahrhunderts. Das neue Buch von LiteraturNobel preisträger Patrick Modiano (69) kommt schon am 10. November auf den deut schen Markt. Der Münchner HanserVer lag hat das für 2015 geplante Erscheinen von „Gräser der Nacht“ vorgezogen. Der Roman handelt von Jean, der sich an eine geheimnisvolle Frau erinnert, die er in den 1960er Jahren in Paris kennenlernte und die von einem Tag auf den anderen spurlos verschwindet. (dpa ) Kasino-Betreiber will weiter versteigern Der indirekt dem Land NRW gehörende KasinoBetreiber Westspiel will trotz scharfer Kritik aus Politik und Kunst zwei millionenschwere Bilder von Andy Warhol verkaufen. Westspiel halte an der Auktion fest, sagte Sprecher Christof Schramm am Dienstag der Nachrichten agentur dpa. Durch die am 12. November bei Christie’s in New York geplante Ver steigerung der beiden Werke „Triple Elvis“ und „Four Marlons“ erhofft sich Westspiel, eine Tochter der landeseige nen NRWBank, einen Erlös von rund 100 Millionen Euro. Damit soll das Unternehmen saniert werden. (dpa) Guevara-Fotograf René Burri ist tot Der Schweizer René Burri, einer der großen Fotografen des 20. Jahrhunderts, ist tot. Der Mann, dessen Porträts des rauchenden Revolutionärs Che Guevara weltweiten Ruhm erlangten, starb am Montag im Alter von 81 Jahren zu Hause in Zürich. Burri war Mitglied der Agen tur Magnum und reiste für seine Repor tagen um die Welt. Bekannt wurden auch seine Porträts von Künstlern wie Pablo Picasso oder Alberto Giacometti. (dpa) Ursula Lingen ist tot Die Schauspielerin Ursula Lingen ist im Alter von 86 Jahren in Wien gestorben. Das teilte das Burgtheater am Dienstag mit. Lingen war die einzige Tochter des Cha rakterkomikers Theo Lingen und spielte nach ihrer Ausbildung in Wien auf vielen Bühnen in Deutsch land und Österreich. Auch im Film und im Fernsehen hatte sie zahlreiche Rollen wie in der Krimiserie „Derrick“. Am Wiener Burgtheater stand sie zuletzt in den Direk tionen Claus Peymann Lingen Foto: pro und Klaus Bachler als Partnerin von Michael Heltau im Zwei PersonenStück „Love Letters“ auf der Bühne. Lingen starb nach langer Krank heit am Montag. Die Tochter von Theo Lingen und der jüdischen Sängerin Marianne Zoff wuchs in Berlin auf und zog mit ihrer Familie vor Ende des Zweiten Weltkriegs nach Wien. Dass Adolf Hitler den damaligen „Spaß macher der Nation“ mochte, rettete seine jüdische Frau und ihre Familie vor der Ver folgung durch die Nationalsozialisten. 1947 stand Ursula Lingen erstmals im Volkstheater Wien auf der Bühne, später zog es sie mit großem Rollenrepertoire nach Berlin, Bayreuth, an die Münchner Kammerspiele und das Hamburger Tha lia Theater. 1990 übernahm sie kurzzeitig die Leitung der Hamburger Kammerspie le. 1994 starb ihr Mann, der Regisseur und Schauspieler Kurt Meisel. Zuletzt lebte sie zurückgezogen in Wien. (dpa)