Ferdinand Gehr - Kulturfenster
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Ferdinand Gehr - Kulturfenster
30 Jahre Kunsthaus Rückblick „Niklaus von Flüe 1981“ Ferdinand Gehr Biografie und Werkbeschrieb Ferdinand Gehr wird 1896 in Niederglatt SG geboren und stirbt 1996 in Altstätten. Nach Anfängen als Zeichner in der Textilindustrie wird er durch die Begegnung mit Bildern Emil Noldes, durch Studien der Freskotechnik in Florenz und den Unterricht bei André Lothe in Paris zum Maler. Ab 1930 führt er viele Aufträge für Wandbilder und Glasmalerei in Sakralräumen im deutschsprachigen Raum aus. Daneben entstehen Aquarelle und Holzschnitte von Landschaften und Blumen. 1956 findet die erste Übersichtsausstellung im Kunstmuseum St. Gallen statt. Gehr wird 1970 Ehrendoktor der Universität Fribourg. Die Sprengkraft der Reduktion Ferdinand Gehr wurde mir schon als Kind ein Begriff. Die wandfüllenden Bilder in der Bruderklausenkirche Oberwil ZG von 1957 sorgten für einen vielkommentierten Kunststreit und führten zu einem Grossaufmarsch von Besuchern, bevor sie wegen ihrer gestalterischen Radikalität und zeichenhaften Verdichtung für Jahre verhüllt wurden. Ein Dorf schied sich in Befürworter und Gegner der Fresken, Familien entzweiten sich dauerhaft. Mir muss schon damals die Sprengkraft von Kunst Eindruck gemacht haben. Und schon damals war es kein geplanter und schon gar kein gezielter Skandal, der sich abspielte. Ich glaube vielmehr, dass sich heftige Reaktionen auf Kunstwerke nur dann ergeben, wenn sie nicht beabsichtigt sind, sondern wenn die auslösenden Werke zutiefst wahr sind und dadurch Emotionen hervorrufen, ja zur Provokation werden können. Etwas von Gehrs Radikalität lässt sich im Bruder-Klausen-Kopf von 1958 heute noch spüren: Die eigentlichen Gesichtszüge schweben gleichsam vor einer Mandorla; eine in ihrer Direktheit abschreckende Physiognomie wird durch die Fassung in eine grössere Ordnung erträglich – nicht der Heilige wird vermenschlicht, sondern der Mensch Bruder Klaus ist gehalten im Göttlichen. Urs Sibler