edienproduktion - Liebe Surferin, lieber Surfer, der von Ihnen
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No. III / 2013 ONLINE-ZEITSCHRIFT FÜR WISSENSCHAFT UND PRAXIS edienproduktion Didaktische Medienproduktion Inhalt Editorial von Oliver Klosa 3 Didaktische Medien und ihre Produktion von Paul Klimsa 4 Neue Wege der Medienproduktion in der Lehre von Heidi Krömker und Marcel Norbey 7 Didaktische Medienproduktion: Instruktionsdesign von Helmut M. Niegemann 11 Spielend Geschichte lernen Didaktisches Design digitaler Lernspiele von Anja Hawlitschek und Helmut M. Niegemann 15 Gestaltungsaufgaben in eventmedialen Erlebnisräumen von Ursula Drees, Irina Etschberger und Annabel Schiebol 18 Game Based Learning in der didaktischen Medienproduktion Ein Interview mit Klaus Peter Jantke von Franziska Baier 21 Didaktische Medienproduktion an der Universität Erfahrungen aus dem deutsch-polnischen Online-Seminar „Medienbrücke“ von Paul Klimsa 23 Didaktische Konzepte zum Aufbau von Social Intranets & Collaboration-Plattformen Auszüge aus den Einführungskonzepten für interne Social Media in Unternehmen am Beispiel eines berufsorientierten Hochschulseminars von Marcel Kirchner 27 Didaktische Produktion und professionelle Medienarbeit Vom Workflow zum „Flow at Work“ von Hans-Ulrich Werner 37 Medienpädagogik im Diskurs Unter dem Motto „Back to the roots – into the learning future!“ fand das 10. EduCamp an der TU Ilmenau statt von Anne-Kathrin Pabst 43 Manfred Spitzer (2012): „Digitale Demenz“ Eine Buchbesprechung von Paul Klimsa von Paul Klimsa 45 Impressum 47 2 Editorial von Oliver Klosa Dipl.-Medienwiss. Oliver Klosa Liebe Leserinnen und Leser, Seit geraumer Zeit beschäftigen sich sowohl Forscher als auch Praktiker mit dem Einsatz von elektronischen bzw. digitalen Lehr- und Lernmedien. Es sind Lernplattformen und andere didaktische Medienprodukte entstanden, die Lehren und Lernen unterstützen sollen. Damit einhergehend wurden im Laufe der Jahre verschiedene Konzepte entworfen und evaluiert. Mit dem Aufkommen der sozialen Medien ist weiteres Potential auf diesem Feld entstanden. Das Ende der Entwicklung ist zwar nicht abzusehen, doch die Erkenntnisse der Medienproduktion von didaktischen Medien wurden bisher durch Wissenschaft nur randständig behandelt. Für uns ist das ein Grund, den Schwerpunkt dieser Ausgabe der didaktischen Medienproduktion zu widmen. Eingangs erörtert Paul Klimsa den Begriff der didaktischen Medienproduktion und setzt sich dabei mit verschiedenen Lerntheorien kritisch auseinander. Einen spezifischen Zugang gewähren Heidi Krömker und Marcel Norbey, die auf die Interdisziplinarität der Medienproduktion eingehen. Helmut M. Niegemann und Anja Hawlitschek legen in ihren Beiträgen das Instructional Design zugrunde und beschreiben die Intention dahinter. In diesem Kontext erläutert Helmut M. Niegemann das eigene Rahmenmodell „DO ID“, während Anja Hawlitschek und Helmut M. Niegemann im anschließenden Beitrag die Konzeption von digitalen Lernspielen anhand des Beispiels „1961“ darlegen. Wie didaktische Medienproduktionen als Installation im Eventbereich umgesetzt werden können, verdeutlichen Ursula Drees, Irina Etschberger und Annabel Schiebol mit ihrem Projekt „LaLaLand“. Einen Einblick in praxisorientierte Projekte zeigen Paul Klimsa und Marcel Kirchner auf. Paul Klimsa fokussiert die grenzüberschreitende Ausbildung von Studierenden auf Basis eines Onlineseminars zwischen den Universitäten Krakau und Ilmenau. Marcel Kirchner hingegen setzt in seinem Seminar den Schwerpunkt auf die Optimierung von Kommunikationsprozessen in Unternehmen mittels Social Media Werkzeugen und zeigt deren didaktische Einsatzmöglichkeiten auf. Zum Schluss fasst Hans-Ulrich Werner in einem Überblick die didaktischen und vielfältigen Möglichkeiten in der Medienproduktion zusammen, die zu einer erfolgreichen Medienpraxis führen. Darüber hinaus interviewten wir Klaus Peter Jantke zum Thema Einsatz von Game Based Learning und dessen Zukunftsaussichten. Die Ausgabe wird mit einem Bericht über das zehnte in Ilmenau stattfindende EduCamp sowie mit einer Rezension zum neuen Buch von Manfred Spitzer „Digitale Demenz“ abgerundet. Die Redaktion und ich wünschen Ihnen viele neue Einsichten in das Thema unserer aktuellen Ausgabe. Ihr Oliver Klosa 3 Didaktische Medien und ihre Produktion von Paul Klimsa Prof. Dr. Paul Klimsa Didaktische Medien sind Medien, die in Lehr- und Lernzusammenhängen eingesetzt werden. Seitdem Paul Heimann am Anfang der sechziger Jahre sein Modell der Didaktik vorgestellt hat [1], hat sich an der theoretischen Auffassung von den vier den Unterricht konstituierenden Elementen nichts geändert. Nach wie vor stehen Ziele – Heimann sprach von Intentionen – am Anfang des didaktischen Bemühens, dann werden Inhalte gewählt und mit Hilfe von Unterrichtsmethoden in Lehr- und LernHandlungen aufgelöst. Durch Nutzung von Medien werden die Inhalte dann dem gesamten Konzept des Unterrichts angemessen transportiert (Abb. 1). Waren als Medien in den 60er Jahren eine Tafel, ein Overhead-Display/Polylux bzw. ein Dia-Projektor im Einsatz, so sind es heute ein digitales Whiteboard bzw. ein Laptop mit einem Lichtstarken Datenprojektor, ein Tablet-PC oder beispielswiese „Social Software“, die die Lernenden im Internet zu einem Lernteam verbindet. Auf den ersten Blick scheint also die Änderung klein und nur in dem Fortschritt der Medientechnik zu liegen. Anthropologisch-psychologische Bedingungen n ne M n et ie d ho ed M en In te lte nt ha io In Anthropologisch-psychologische Auswirkungen situativ-sozial-kulturelle Auswirkungen normbindende Faktoren bedingungssetzende Faktoren formschaffende Faktoren situativ-sozial-kulturelle Bedingungen Abb. 1: Das Didaktik-Modell nach Heimann [1] Medien sollten früher der didaktischen Planung dienlich sein, d.h. die Wahl der Ziele, Inhalte und Methode waren entscheidend. Medien rückten jedoch im Laufe der Zeit immer mehr in das Zentrum des didaktischen Bemühens, was zuweilen in der Praxis zur unerwünschten Umkehrung der Vorgehensweise führte (zudem der/die lehrende Person wenig Erfahrung hatte). Medien standen dann im Mittelpunkt. Diese Umkehrung der didaktischen Sicht ist auch heute noch falsch: Nicht zuerst Medien sollten das didaktische Geschehen bestimmen, sondern stets eine Folge der Zielfestlegung sein. Was jedoch, wenn Medien als Lernziel in den Mittelpunkt rücken? Hierzu einige Beispiele, die zeigen, wie sich die Position der Medien im Modell von Heimann verändert hat. 1. Beispiel 1 Der Unterricht ist ausgerichtet auf die Nutzung einer speziellen Software in Unternehmen unterschiedlicher Branchen, die u.a. Teamarbeit und Lernverbunde unterstützt sowie Wissensaustausch ermöglicht. Im Unterricht müssen zentrale Funktionen des Systems und seine Leistung vorgestellt werden. Als Zielsetzung wäre also zu definieren, dass die Mitarbeiter mit dem System in allen seinen Funktionen aktiv umgehen können und eine Grundkompetenz zur Realisierung gemeinsamer Projekte erlangen. Inhaltlich muss man alle Funktionen der Software identifizieren, die den aktiven Umgang mit ihr ermöglichen. Dazu muss man sich auf bestimmte Ankerpunkte der Software festlegen und eine Stoffreduktion vornehmen. Die gewählten Inhalte müssen nun in Lehr- und Lern-Handlungen übersetzt werden. Als Methode kann man beispielsweise eine mehrstufige Unterweisung wählen. In allen Schritten muss man also Entscheidungen treffen, aber die Wahl des Mediums ist bereits von Anfang an klar. Ohne das Softwaresystem selbst wird es nicht gehen. Man kann zusätzlich Arbeitsblätter anfertigen, eine PC-Präsentation vorbereiten, bzw. weitere Medien, wie z.B. onlinebasierte Lernsoftware erstellen und einsetzen. Die Mediennutzung steht aber schon zu Beginn der Planung an einer zentralen Stelle der Überlegungen, wie z.B. eine Seminarbeschreibung im Internet: http://www.tu-ilmenau.de/?id=21822. 4 2. Beispiel 2 Zwei Gruppen von Medien-Studenten sollen gemeinsame journalistische Beiträge vorbereiten. Problem ist dabei, dass beide Gruppen ca. 800 km voneinander entfernt sind. Die eine Gruppe studiert in Deutschland, die andere in Polen. Schon zu Beginn der didaktischen Planung müssen also Medien einbezogen werden und in Bezug auf ihre geplante Nutzung sind Ziele zu definieren. Dabei ist nicht nur der Umgang mit speziellen Werkzeugen für die Kooperation über das Internet notwendig, sondern solche Fähigkeiten wie beispielsweise die Reflexion der begrenzten Kommunikationsmöglichkeiten und ein angemessener Informationsaustausch. Selbstverständlich gehört zu den Zielen auch das Schreiben von Texten bzw. das Drehen eines Video-Films, doch die Medienentscheidungen müssen schon bei der Zielbestimmung einfließen (vgl. Klimsa in dieser Ausgabe). Aus den beiden Beispielen können wir ableiten, dass in einer medial dominierten Arbeits-, Lehr- und Lernwelt Medien im Unterricht heute mehr als in der Vergangenheit einen zentralen Faktor darstellen (Abb. 2). M Anthropologisch-psychologische Bedingungen n ne io d ho et n ie ed M en In te lte nt ha In Anthropologisch-psychologische Auswirkungen situativ-sozial-kulturelle Auswirkungen normbindende Faktoren bedingungssetzende Faktoren formschaffende Faktoren situativ-sozial-kulturelle Bedingungen Abb. 2: Das modifizierte Didaktik-Modell nach Paul Heimann [1] Die Produktion von didaktischen Medien steht aus diesem Grund heute an einer exponierten Stelle, wenn man Lernprozesse planen muss. Oft – wie auch schon früher – kann das zur teilweisen Ausblendung bzw. Unterschätzung der Bedeutung anderer Elemente des Unterrichts führen. Medien ersetzen keine Inhalte, Medieneinsatz ist zudem an sich allein noch keine Methode. Denkt man jedoch an alle Faktoren zusammen, können didaktische Medien ihre gewünschte und vor allem erwünschte Stellung im Lernprozess einnehmen und wesentlich zur Qualität der Bildung beitragen. Die wissenschaftlichen Ansätze zu diesem Thema und die Lerntheorien haben sich inzwischen beachtlich entwickelt, so dass der Umfang der Produktion von didaktischen Medien im Bildungsbereich enorm verbreitet ist [2]. Eine Lerntheorie bestimmt den allgemeinen Rahmen für didaktische Überlegungen von Lernprozessen mit Medien, die wiederum für eine erfolgreiche – oder eine misslungene – Entwicklung von Lernanwendungen – wie beispielsweise im eLearning – ausschlaggebend sind. Wenn eine theoretische Konstruktion nur rezeptive Vorgänge beim Lernen zulässt und die Wirksamkeit des Lernprozesses in Kategorien beobachtbaren Verhaltens festlegt, so entspricht die daraus abgeleitete Lehr- und Lernpraxis den konstruierten Festlegungen. Gelernt werden kann eben nur das, was zuvor festgelegt/operationalisiert wurde. Setzt man in der Theorie voraus, dass es eine objektive Wirklichkeit gibt, so gilt es im eLearning-System, die Informationen über diese Wirklichkeit zu vermitteln. Gibt es keine objektive Wirklichkeit, so gilt es, die Realität durch Erwerb von notwendigen Strategien zu bewältigen. Die Rolle der Medien resultiert in solchen Zusammenhängen immer aus den theoretischen Überlegungen: Das was die Theorie nicht erfasst, wird sich auch in der medialen Umsetzung nicht wieder finden. Es ist keineswegs einfach, die Theorien im Hinblick auf die Verwendung von eLearning zu systematisieren. Oft stellt man in der Praxis fest, dass ein Lernprogramm keine scharfe Trennung zwischen der Umsetzung unterschiedlicher Lerntheorien bedeutet, sondern eine pragmatische Integration verschiedener Ansätze in einem medialen Lernprodukt zeigt. Die Produktion didaktischer Medien kann dabei im Modell der Medienproduktion [3] gezeigt werden, das davon ausgeht, dass erst das Zusammenspiel der drei konstituierenden Elemente der Medienproduktion zur Entsteheung eines spezifischen Medienroduktes – z.B. eines didaktischen Mediums – führen kann. Es sind die Elemente: Content als (gegenwärtig meist) digitale Inhalte, die auf einer Vermittlungsplattform den Nutzern zur verfügung stehen; Technik als digitale Technik, die die Produktion ermöglicht, aber auch dem Content einen spezifischen Vermittlungskanal zuweist; Organisation als übergreifende Institution/Struktur oder als übergreifend strukturierender Ablaufprozess, in dem Ressourcen zusammengeführt werden, um geplante Medienprodukte hervorzubringen [4]. 5 Um didaktische Medienprodukte zu entwickeln, müssen diese Produkte vier Phasen durchlaufen: Preproduktion (Ziele definieren, korrespondierende Inhalte und Methoden wählen sowie Medien festlegen), Produktion (Entwicklung eines Prototyps, Usability-Test, Korrektur/Anpassung des didaktischen Konzeptes, Produktion der Medien, begleitende – formative – Evaluation), Postproduktion (abschließende – summative – Evaluation, Korrektur/Anpassung des didaktischen Konzeptes, Fertigstellung des Produktes) und Distribution (Vertrieb/Einführung des Medienproduktes). Die Distribution ist oft selbst mit Bildungsaufgaben verbunden, da es nicht nur darum geht, Lernanwendungen online oder offline zu verteilen, sondern auch die Kompetenz für ihre Nutzung erst zu ermöglichen. Wenn wir die Erkenntnisse nun auf unsere zwei eingangs gezeigten Beispiele übertragen, bedeutet das, dass im ersten Beispiel die Mitarbeiter als Nutzer eines softwarebasiertes Kooperationssystems mit einer besonderen Kompetenz für den Umgang mit dem System als Medienprodukt vorbereitet werden müssen. Im zweiten Beispiel erwerben die Studenten beider Universitäten zunächst Nutzungskompetenz von Kommunikationsund Kollaborationswerkzeugen, um im zweiten Schritt gemeinsame Medienprodukte zu erstellen. In beiden Fällen sind Prozesse der Medienproduktion von didaktischen Medien im Sinne eines optimalen Ergebnisses zu steuern. Dies muss in einem zuvor festgelegten didaktischen Rahmen erfolgen und erfordert auch die Beteiligung von Trainern/ Dozenten/Ausbildern. Damit sind didaktische Medien in zwei ineinander greifende didaktische Prozesse eingebunden: Zum einem wird die Medienproduktion durch didaktische Notwendigkeit der Unterrichtsvorbereitung definiert, zum anderen müssen die Bedingungen der Nutzung didaktischer Medienprodukte den anvisierten didaktischen Zielen entsprechen und mit angemessenen Maßnahmen flankiert werden. 3. Literatur [1] Heimann, P. (1976). Didaktik als Unterrichtswissenschaft. Stuttgart: Ernst-Klett-Verlag. [2] Klimsa, P., & Issing, L. J. (Hrsg., 2011). Online-Lernen. Handbuch für Wissenschaft und Praxis. 2. verbesserte und ergänzte Auflage. München: Oldenbourg Wissenschaftsverlag. [3] Krömker, H., & Klimsa, P. (2011). Medienproduktion: Eine neue wissenschaftliche Perspektive. Medienproduktion – Online Zeitschrift für Wissenschaft und Praxis, Jahrgang 1, Heft 1, 4-7. Abgerufen 20.12.2012 von http://www2.tu-ilmenau.de/zsmp/ sites/default/files/uploads/ZSMP-Ausgabe1-komplettoptimiert.pdf [4] Krömker, H., & Klimsa, P. (Hrsg., 2005). Handbuch Medien produktion. Produktion von Film, Fernsehen, Hörfunk, Print, Internet, Mobilfunk und Musik. Wiesbaden: VS Verlag für Sozialwissenschaften. Didaktisch genutzte Medien sind nicht mehr aus Lern- und Lehrprozessen wegzudenken und ihre Bedeutung wird auch künftig weiterhin wachsen. Um optimale Lehr- und Lernsituationen zu schaffen, ist es daher unerlässlich, die Prozesse der Produktion der digitalen Medien zu reflektieren, um sie besser steuern zu können. In dem vorliegenden Heft der Online-Zeitschrift für Medienproduktion finden die Leser einige Anregungen für eigene Medienproduktions- und Mediennutzungspraxis im Lehr- und Lernkontext. 6 Neue Wege der Medienproduktion in der Lehre von Heidi Krömker und Marcel Norbey Prof. Dr. Heidi Krömker Die verschiedenen Branchen der Medienproduktion sind durch eine sehr hohe Dynamik gekennzeichnet. Diese Dynamik erfordert eine schnelle Weiterentwicklung der Lehrinhalte, um den Studierenden immer hochaktuelles Wissen zum komplexen Zusammenwirken von Content, Technik und Organisation vermitteln zu können. Dieses Wissen wird über die thematisch breitgefächerten wissenschaftlichen Analysen des Fachgebiets und über interdisziplinäre Forschungsarbeiten von Studierenden erschlossen, die zielgerichtet für die Lehre in der Medienproduktion aufbereitet werden. Ziel der Lehre in der Medienproduktion ist die Schaffung eines grundlegenden Verständnisses der inhaltlichen, technischen und organisatorischen Zusammenhänge insbesondere der Branchen Film, Fernsehen und Hörfunk. Die Studierenden sollen Fähigkeiten zur Analyse und Bewertung komplexer Medienproduktionsprozesse entwickeln. Es wird dabei vor allem auf Fragen der Produktion von Inhalten, der zugrunde liegenden Technologien und der Organisation, speziell im Hinblick auf die Arbeitsabläufe und die Kosten, fokussiert. Die Zusammenhänge der Elemente der Medienproduktion Content, Technik und Organisation erschließen sich durch die Analyse der vier Produktionsschritte Preproduktion, Produktion, Postproduktion und Distribution. Sie bilden den Ankerpunkt der Lehre in der Medienproduktion und werden auf die verschiedenen Medienbranchen angewendet (siehe Abbildung 1). Da die Konvergenzund Internationalisierungstendenzen in den einzelnen Branchen diese Zusammenhänge ständig neu gestalten, sind sie Gegenstand kontinuierlicher Betrachtung [1]. Dr. Marcel Norbey Konvergenz Internationalisierung Print Internet Mobil Film Musik Fernsehen Medienbranchen Radio Organisation Medienproduktion Technik Content Abb. 1: Ebenen und Elemente der Medienproduktion, in Anlehung an [2] Die Spezifik von Produktionsprozessen im Medienbereich erfordert eine interdisziplinäre Herangehensweise an ihre Analyse. Dazu kann eine Vielzahl wissenschaftlicher Disziplinen aus dem Bereich der Geistes- und Sozialwissenschaften, der Technik- und Ingenieurwissenschaften und der Wirtschaftswissenschaften genutzt werden [2] (siehe Abbildung 2): • Im Bereich der geistes- und sozialwissenschaftlichen Disziplinen sind von Seiten der Geisteswissenschaft vor allem Theorien der Gestaltung und der Kunst, journalistische Ansätze und medienwissenschaftliche Theorien bedeutsam. Von Seiten der Sozialwissenschaft kann vor allem die Kommunikationswissenschaft zum Erkenntnisfortschritt in der Lehre Medienproduktion beitragen. 7 Theorien der Gestaltung und der Kunst sowie journalistische Ansätze ermöglichen die Analyse und Systematisierung des Contents, also des Inhalts der Medien. Während Theorien der Gestaltung und der Kunst nützlich bei der Betrachtung insbesondere von filmischen Inhalten sind, dienen journalistische Ansätze vorrangig der Analyse des Produktionsprozesses von Content im Nachrichtenbereich. Medienwissenschaftliche Theorien ermöglichen die Analyse der Bedeutung von Medienprodukten für Gesellschaft, Politik oder Justiz im Rahmen der Lehre Medienproduktion. Die Kommunikationswissenschaft ermöglicht hingegen Aussagen zu den individuellen und gemeinschaftlichen Rezeptionsprozessen des medialen Contents. • Im Bereich der technik- und ingenieurwissenschaftlichen Disziplinen spielen die Elektrotechnik, die Informationstechnik, die Medientechnik sowie die Informatik eine wichtige Rolle. Diese Disziplinen schaffen die hard- und softwaretechnischen Grundlagen für die Konzeption und Realisierung der Medienproduktionssysteme. In der Lehre unterstützen ihre Erkenntnisse und Theorien primär das Verständnis des Elements Technik der Medienproduktion und seiner Verknüpfung mit Content und Organisation. • Im Bereich der wirtschaftswissenschaftlichen Disziplinen ist insbesondere die Betriebswirtschaftslehre relevant für ein umfassendes Verständnis des Elementes Organisation in der Medienproduktion, auch in der Lehre. Die Abläufe und Strukturen in der Medienproduktion können mithilfe der Erkenntnisse betriebswirtschaftlicher Teildisziplinen wie Marketing, Logistik, Produktionswirtschaft, Finanzierung und Controlling, Unternehmensführung sowie betriebswirtschaftlicher Organisation umfassend beschrieben werden, auch hinsichtlich ihrer Auswirkungen auf die Elemente Content und Technik. Kunst und Gestaltung Betriebswirtschaftslehre Kommunikationswissenschaft Journalismus Medienproduktion Medienwissenschaft Informationstechnik Medientechnik Informatik Abb. 2: Disziplinen der Medienproduktion, übernommen aus [2] Das Modell der Medienproduktion führt neben den konstituierenden Elementen Content, Technik und Organisation auch die Konvergenz und die Internationalisierung ein. Die Konvergenz beschreibt die Annäherung der Elemente Content und Technik in der Medienproduktion; die Internationalisierung fokussiert hingegen auf das Zusammenspiel von Content und Organisation, um mediale Inhalte auch über den eigenen Kulturraum hinaus zu verbreiten. Sowohl Konvergenz als auch Internationalisierung können vor allem mit interdisziplinären Ansätzen analysiert und systematisiert werden, die geistesund sozialwissenschaftliche, technik- und ingenieurwissenschaftliche sowie wirtschaftswissenschaftliche Theorien und Erkenntnisse verbinden. Das heißt, dass eine umfassende Beschreibung, Analyse und Systematisierung von Medienproduktionsprozessen nur möglich ist, wenn in der Lehre bei den Studierenden für ein breites Spektrum wissenschaftlicher Disziplinen Verständnis entwickelt werden kann. Hinzu kommt, dass die vielfältigen Innovationen im Medienbereich und der sich intensivierende Wettbewerb zwischen den Medienbranchen eine Ausdifferenzierung der Medienproduktionslandschaft mit sich bringt. Daher müssen die Lehrinhalte ständig weiterentwickelt werden, indem die Innovationen an bestehende theoretische Grundlagen angebunden werden. Über die thematisch breitgefächerten wissenschaftlichen Analysen des Fachgebietes zu den neuen Wegen der Medienproduktion hinaus [3], [4], [5], [6], [7], [8] und [9], werden die neuen Wege auch durch Forschungsarbeiten von Studierenden erschlossen. In den Arbeiten wird das spezifische Zusammenspiel der Elemente Content, Technik und Organisation in den Innovationen der Medienproduktion aufgearbeitet mit dem Ziel, neue Forschungshypothesen zu generieren. Allein im Fachgebiet Medienproduktion sind in den letzten beiden Jahren über dreißig solcher Arbeiten entstanden, sowohl Bachelor-, Master- und Diplomarbeiten als auch Promotionen. Diese Innovationen müssen zunächst mit den Methoden der empirischen Sozialforschung erfasst werden. Oftmals ist es nur möglich, mit Experteninterviews sich den Sachverhalten zu nähern. Dies ist vielfach die einzig praktikable Methode der Informationsgewinnung über aktuelle Entwicklungen bei Medienproduktionsprozessen, die in ihrer Entstehung kaum Gegenstand reflektierender Betrachtungen sind. Breit angelegte systematische Erhebungsverfahren existieren nur in Form der Media Analysen für die Medienrezeption, aber nicht für die Medienproduktion. 8 Die oben genannten Disziplinen aus den Geistesund Sozialwissenschaften, den Technik- und Ingenieurwissenschaften sowie den Wirtschaftswissenschaften bilden die Grundlage für die Analyse und Systematisierung der untersuchten Branchen. In der Lehre im Bereich Medienproduktion werden vor allem die Film-, die Fernseh- und die Radiobranche in Vorlesung und Seminar sehr intensiv analysiert. Die Mobilfunk-, die Print-, die Musik- und die Internetbranche stehen hier nicht im primären Fokus, werden aber auch betrachtet, wenn sich geeignete Anschlussstellen im Kontext der anderen Branchen finden. Dies ist z.B. oftmals über die Konvergenz zwischen einzelnen Medienbranchen gegeben. Für den Bereich der Film- und der Fernsehproduktion wurden die meisten studentischen Abschlussarbeiten verfasst. Arbeiten im Bereich der Filmproduktion wurden und werden unter anderem zu folgenden Themenstellungen verfasst: • Analyse des Produktionsprozesses von Spielfilmproduktionen, Werbefilmen oder von visuellen Effekten im Film • Analyse des Distributionsprozesses von 3D-Kinofilmen • Analyse des Produktionsprozesses von NoBudget- und Low-Budget-Filmen • Analyse der deutschen Kinofilmproduktionsbranche mittels integrierter Geschäftsmodellanalyse • Analyse der Struktur des Lizenzhandels im Auslandsgeschäft deutscher Filme In allen Arbeiten wird das spezifische Zusammenwirken von Content, Technik und Organisation im Filmproduktionsprozess dargelegt. Allerdings ist die Fokussierung unterschiedlich: So gibt es Arbeiten, in denen Content, Technik und Organisation in etwa gleicher Wertigkeit betrachtet werden, und es gibt Arbeiten, in denen ein Element oder auch eine Phase der Medienproduktion intensiver betrachtet wird. Dies ist in den angeführten Beispielen meist das Organisationselement, was darin begründet liegt, dass viele der Arbeiten von Studierenden der Medienwirtschaft verfasst werden. Darüber hinaus werden auch Arbeiten verfasst, die sich mit der Konvergenz in der Filmbranche auseinandersetzen. Eine Arbeit beschäftigt sich beispielsweise mit der Analyse multimedialer Vermarktungsstrategien in der Filmbranche. Im Bereich des Fernsehen wurden und werden Arbeiten unter anderem zu den folgenden Themenstellungen verfasst: • Analyse des Produktionsprozesses bei Musikspartensendern oder von Reportage-Sendungen im privaten Fernsehen • Analyse von Geschäftsmodellen regionaler Fernsehsender am Beispiel Regio TV Euro 3, privater Spartensender am Beispiel sixx oder von Pay-TV-Anbietern in Deutschland • Analyse des Workflows im Tagesgeschäft einer Video-on-Demand-Plattform • Analyse einer HD-basierten Fernsehproduktion • Analyse des bandlosen Fernsehproduktionsprozess und Entwicklung eines Sichtungswerkzeugs Zeigen diese Arbeiten den aktuellen Stand von Geschäftsmodellen und Produktionsprozessen im Fernsehbereich auf, so gibt es auch hier Arbeiten, die sich der Konvergenz des Fernsehens mit anderen Medienbranchen widmen: So ist eine Arbeit im Entstehen, die sich mit der Analyse von Geschäftsmodellen öffentlich-rechtlicher Fernsehanstalten im Onlinebereich beschäftigt. Zudem wurden in einer Arbeit die Geschäftsmodelle von Film und Fernsehen vergleichend analysiert. Eine weitere Arbeit setzte sich mit der Analyse von Prozessen zur Diversifikation von Fernsehinhalten auseinander. Auch für den Bereich des Radios liegen derzeit einige Arbeiten vor: In einer Arbeit wurde eine Analyse der Geschäftsmodelle Thüringer Radiostationen vorgenommen, in einer weiteren Arbeit wird gerade im Hinblick auf Konvergenztendenzen analysiert, wie private Radiostationen Social Media Angebote wie Facebook einsetzen. Einige Abschlussarbeiten finden sich auch im Bereich Print. Hier sind z. B. zu nennen: • Analyse von Geschäftsmodellen von Tageszeitungsverlagen am Beispiel Freie Presse Chemnitz • Analyse von Geschäftsmodellen in der Buchverlagsbranche und ihre Veränderung durch die Digitalisierung Die Konvergenz wurde in einer Arbeit zur Analyse von Geschäftsmodellen von Tageszeitungsverlagen im Online-Bereich näher untersucht. 9 Für die Musikbranche geht eine Arbeit der Frage nach, wie die Digitalisierung den Produktionsprozess von Musik verändert. Darüber hinaus wurden Arbeiten verfasst, die Fragestellungen thematisieren, die sich aus dem Umfeld von Medienproduktionsprozessen ergeben, wie die nach der Analyse kontemporärer Jugendschutzsysteme im Internet. Zudem wurde in einer Arbeit der erfolgreiche Versuch unternommen, das Modell der Medienproduktion auf Messen anzuwenden. Zudem wurden auf einer konzeptuellen Ebene die Systemgestaltung [10] und das Havariemanagement im Broadcast Engineering [11] analysiert. Beide Bücher sind in der Buchreihe „Schriften zur Medienproduktion“ erschienen, die von Heidi Krömker und Paul Klimsa herausgegeben wird. Die Vermittlung der neuen Wege der Medienproduktion wird unterstützt durch moderne Lehr- und Lernformen. Dazu gehören unter anderem Hypervideos, die ebenfalls in Abschlussarbeiten konzipiert und realisiert werden. So entstanden beispielsweise hypervideobasierte Lernobjekte zur Vermittlung von Produktionsprozessen in Hörfunk und Film, die erfolgreich in der Präsenzlehre und im E-Learning eingesetzt werden. Aus den Ergebnissen all dieser Arbeiten lassen sich Ansätze extrahieren, die die neuen Wege der Medienproduktion für die Lehre beschreibund analysierbar machen. Zum einen schafft die Nutzung der theoretischen Ansätze und Modelle aus den Geistes- und Sozialwissenschaften, den Technik- und Ingenieurwissenschaften sowie den Wirtschaftswissenschaften in den Arbeiten geeignete Anknüpfungspunkte für die Integration in die Lehre. Zum anderen bilden die Erkenntnisse aus den Experteninterviews in den Arbeiten, ergänzt um Literaturrecherchen und die Analyse von statistischen Materialen, eine gute Grundlage für die Weiterentwicklung des Lehrangebots in der Medienproduktion. So ist es möglich, trotz der oftmals sehr hohen Dynamik in verschiedenen Branchen der Medienproduktion, den Studierenden hochaktuelles Wissen zum spezifischen Zusammenwirken von Content, Technik und Organisation zu vermitteln. Literatur [1] Krömker, H., & Klimsa, P. (2011). Medienproduktion: Eine neue wissenschaftliche Perspektive. Medienproduktion – Online Zeitschrift für Wissenschaft und Praxis, Jahrgang 1, Heft 1, 4-7. Abgerufen 20.12.2012 von http://www2.tu-ilmenau.de/zsmp/ sites/default/files/uploads/ZSMP-Ausgabe1-komplettoptimiert.pdf [2] Krömker, H., & Klimsa, P. (2005). Einführung. In H. Krömker, & P. Klimsa (Hrsg), Handbuch Medienproduktion. Produktion von Film, Fernsehen, Hörfunk, Print, Internet, Mobilfunk und Musik (S. 15-17). Wiesbaden: VS Verlag für Sozialwissenschaften. [3] Erdmann, M., & Krömker, H. (2003). Systemplanung für Rundfunksysteme. Informations- und Elektrotechnik – Werkstoffe, Bauelemente, Systeme und Technologien für die Zukunft. 48. Internationales Wissenschaftliches Kolloquium, 22.-25.09.2003, Ilmenau, 69-70. [4] Erdmann, M., & Krömker, H. (2004). Analyse und Modellierung von IT-basierten Fernsehproduktionssystemen – ein Konzept zur Projektierung. FKT, Jahrgang 58, Heft 11, 561-565. [5] Kloth, C., & Krömker, H. (2008). Referenzmodell für die Projektierung integrierter Fernsehproduktionen. FKT, Jahrgang 62, Heft 12, 695-700. [6] Krömker, H., & Kloth, C. (2008). Prozesse in der Fernsehproduktion – Modelle und Trends. Workshop Live-Studioproduktion 3.0, 07.10.2008, Ilmenau, 11-19. [7] Brecht, R., Kraus, A., & Krömker, H. (2007). Entwicklung von Produktionsrichtlinien von Sport-Live-Berichterstattung für Mobile TV Übertragungen. Computer science meets automation. 52. Internationales Wissenschaftliches Kolloquium, 10.-13.09.2007, Ilmenau, 409-420. [8] Deutsche TV-Plattform e. V. (Hrsg., 2011). White Book Hybrid TV. Abgerufen 06.06.2012 von http://www.tv-plattform.de/ images/stories/pdf/hybrid-tv_white-book_2011.pdf [9] Krömker, H., Brecht, R., Karsten, S., & Herlemann, J. (2011). Style Guide – Usability von Red Button HbbTV-Angeboten (Auszug). In Deutsche TV-Plattform e. V. (Hrsg.). Abgerufen 06.06.2012 von http://www.tv-plattform.de/images/stories/ pdf/styleguide_usability-hbbtv-redbutton_2011_auszug.pdf [10] Kloth, C. (2010). Systemgestaltung im Broadcast Engineering – prozessorientierte Konzeption integrierter Fernsehproduktionssysteme. Wiesbaden: Vieweg und Teubner. [11] Kloth, C. (2010). Havariemanagement im Broadcast Engineering – Konzeption havariesicherer Fernsehproduktionssysteme. Wiesbaden: Vieweg und Teubner. 10 Didaktische Medienproduktion: Instruktionsdesign von Helmut M. Niegemann Prof. Dr. Helmut M. Niegemann 1. Didaktische Medien 2. Instructional Design Didaktische Medien sind Medien, die explizit konzipiert und entwickelt wurden, mit dem Ziel, die Persönlichkeitsentwicklung einer Menge von Personen direkt oder indirekt zu beeinflussen. Sie werden auch als Bildungsmedien oder Lernmedien bezeichnet. Auch Medien, die nicht zu diesem Zweck entwickelt wurden, können zu didaktischen Zwecken eingesetzt werden; es ist jedoch nicht sinnvoll, diese dann als didaktische Medien zu bezeichnen. Das klassische didaktische Medium ist sicherlich das mehr oder weniger bebilderte Schulbuch, es ist jedoch keineswegs das einzige „alte“ didaktische Medium: Der Tafelanschrieb, Arbeitsblätter, Bildtafeln, Geräte zur Visualisierung dynamischer Phänomene (z.B. Sonnensystem) waren bereits vor Beginn des 20. Jahrhunderts vielfältig im Einsatz. Mit der didaktischen Nutzung der Fotografie und des Films eröffneten sich neue Möglichkeiten und insbesondere der Unterrichtsfilm wurde intensiv erforscht [1]. Die Idee der Nutzung des Computers als interaktives didaktisches Medium wurde bereits sehr früh nach Erfindung der elektronischen Rechner geboren und auch bald umgesetzt. Die Erfindung des Internet gab der Entwicklung eine neue Dynamik. Allerdings spielt der computerunterstützte Unterricht anders als in der beruflichen Weiterbildung im Bereich der Schule bis heute kaum eine Rolle. Aktuell, mit der Verfügbarkeit der Tablets, könnte sich dies ändern und es gibt Hinweise, dass sich diese Geräte in Schulen tatsächlich durchsetzen werden. Instructional Design (ID) ist die Disziplin, die erforscht und lehrt, wie Lernangebote bzw. Lernumgebungen auf der Grundlage empirisch fundierter Theorien und Befunde systematisch konzipiert werden sollten, wenn bestimmte Bildungsziele zu erreichen sind. Es handelt sich um einen technologischen Wissenschaftszweig, der sich als Teilgebiet der Bildungstechnologie betrachtet [2]. Als Begründer des Instruktionsdesigns gilt Robert M. Gagné. Idealtypisch lassen sich didaktische Medien danach unterscheiden, ob sie eher für die Unterstützung von Unterricht oder für den autodidaktischen Gebrauch als Selbstlernmedien konzipiert sind. Auch wenn es faktisch eine breite Überschneidung gibt, muss die entsprechende Zielsetzung bei der Produktion klar sein. So wie die Produktion von Unterhaltungsmedien die Grundanforderungen von Unterhaltung berücksichtigen muss, müssen bei der Produktion spezifisch didaktischer Medien die Anforderungen an effiziente Lehr-Lernprozesse berücksichtigt werden. Gagné’s Ansatz des Instructional Design beruht im Wesentlichen auf der Überlegung, dass effiziente Lernprozesse nur erwartet werden können, wenn die internen Lernvoraussetzungen (Eigenschaften der jeweiligen Lernenden) berücksichtigt werden und die externen Lernvoraussetzungen (Eigenschaften des Lehrstoffs und der Umgebung, in der gelernt wird) allgemeinen und speziellen psychologischen Gesetzmäßigkeiten entsprechen [3] [4]. Ein besonders wichtiger Aspekt der internen Lernvoraussetzungen ist bei ihm die Gewährleistung der sachlogischen Lernvoraussetzungen: Vor Vermittlung der Multiplikation und der Division muss die Beherrschung der Addition sicher gestellt sein usw. Diese Idee führte zur Entwicklung von Lernhierarchien, einer Vorläuferidee des aktuellen Ansatzes der Entwicklung von Kompetenzmodellen. Die Berücksichtigung der internen und der externen Lernvoraussetzungen führt logischerweise zu Differenzierungen: Für unterschiedliche Lehrstoffkategorien (Faktenlernen, Begriffslernen, Regellernen, ...) einerseits und für unterschiedliche Merkmale der Lernenden (u.a. Vorwissen; Motivation) werden jeweils unterschiedliche Vorgehensweisen beim Lehren gefordert. Auch wenn die speziellen Lehrstoffkategorien Gagnés heute anders konzipiert werden, ist die Idee bis heute gültig – in der pädagogischen Praxis jedoch keineswegs selbstverständlich. 11 Praktisch relevante theoretische Ansätze lieferten (a) Osers „Choreografie des Lernens“ mit der Fokussierung auf Lehrzielkategorien, jeweils verknüpft mit einem Satz von Lehr-Lern-Prinzipien, ohne deren Berücksichtigung Lernprozesse wenig effektiv sind [10]; (b) van Merriënboers 4-Komponenten-Modell für die Konzeption von Kursen und Lerneinheiten mit dem Ziel komplexer kognitiver Fähigkeiten [11] [12]. Das Problem für Praktiker besteht nun darin, diese sich ergänzenden Modelle nicht nur zu kennen, sondern auch zu entscheiden, unter welchen Bedingungen welche Aspekte welchen Modells am zweckmäßigsten wie anzuwenden sind. Im Hinblick darauf, dass es um (didaktische) Entscheidungen geht, die zu treffen sind, haben wir ein Rahmenmodell konzipiert, das zunächst verdeutlichen soll, welche Art Entscheidungen bei der Konzeption didaktischer Medien jeweils zu treffen sind und wie diese Entscheidungen sich wechselseitig beeinflussen. Abbildung 1 zeigt dieses „DO ID“-Modell (Decision Oriented Instructional Design Model). Über die allgemeine Orientierung hinaus ist die Idee jedoch auch, zu jedem, der im Modell repräsentierten Entscheidungsfelder, einschlägige theoretische und vor allem empirische Befunde zu sammeln und in Form von Entwurfsmustern („pedagogical design patterns“; [13]) bereit zu stellen. Im Folgenden wird das Modell kurz erläutert. Ziele Analysen Qualitätssicherung: Projektmanagement Im Zuge der Entwicklung von InstruktionsdesignModellen gab und gibt es eine Reihe von Ansätzen und Modellen, die sich zunächst vorwiegend auf spezielle Lehrstoffkategorien oder spezielle Vorgehensweisen bezogen. Bis heute relevante Modelle beziehen sich u.a. auf das Begriffslernen, auf das Motivieren und Formen der Sequenzierung des Lehrstoffs [5] [6]. Modelle für problembasiertes Lernen wurden Ende der 80er, Anfang der 90er Jahre entwickelt, u.a. das „Cognitive Apprenticeship“Modell, das sich an einem idealisierten Modell der spätmittelalterlichen Lehrlingsausbildung orientiert [7], das „Anchored Instruction“-Modell, das den Lernenden eine komplexe Problemsituation als Videosequenz präsentiert und dann in Gruppenarbeit Lösungen erarbeiten lässt [8], den Ansatz der „Goal Based Scenarios“, bei denen bestimmte Lernaufgaben medial simuliert durchgespielt werden [9]. Problemanalyse/Kontextanalyse, Lernmerkmale, Wissens- u. Aufgabenanalyse, Lernziele Formatentscheidung Contentstrukturierung Motivationsdesign Interaktionsdesign GrafikDesign/Layout Multimediadesign Usability Implementation Evaluation Abb. 1: DO-ID-Modell (nach [13] erweitert um den Aspekt „Implementation“) 3. Analysen und die Entscheidungsfelder 3.1 Analysen Rationale Entscheidungen bedürfen einer fundierten Informationsbasis. Daher sind sorgfältige Analysen Voraussetzung für jede effiziente Konzeption didaktischer Medien. Zu analysieren sind die Ziele der Medienkonzeption, die Lernvoraussetzungen der Adressaten, die verfügbaren Ressourcen (Zeit, Budget, Personal) und der Kontext, insbesondere aber lernpsychologisch relevante Aspekte des Lehrstoffs und der Lernaufgaben (Wissens- und Aufgabenanalyse). Letztere wird häufig vernachlässigt, auch weil die speziellen Verfahren im deutschsprachigen Bereich wenig bekannt sind [13]. 3.2 Formate Eine Entscheidung mit erheblichen Folgen für das weitere Vorgehen ist die Entscheidung für ein Format. Je nach Ergebnis der Analysen kann ein E-Kompendium, eine Serie von E-Lectures zweckmäßig sein, ebenso aber ein aufwändiges Lernspiel oder eine Simulation. Die Entscheidung für ein bestimmtes Format wird auch beeinflusst von den für einen Lernerfolg eventuell notwendigen Interaktionen. 12 3.3 Content Structuring 3.7 Layout, Ergonomie, Usability Die Strukturierung des Lehrstoffs umfasst eine ganze Reihe von Aspekten; angemessene Designentscheidungen sind hier von den Wissens- und Aufgabenanalyse abhängig: Die Wahl des Abstraktionsniveaus (eher Überblick oder Vertiefung), eine eher deduktive oder eine induktive Präsentation, die Einteilung in Einheiten (Segmentierung) und die didaktisch sinnvolle Reihenfolge (Sequenzierung) beeinflussen den Lernerfolg ebenso wie die Adaptierbarkeit bzw. Adaptivität der Präsentation an Lernermerkmale (z.B. Vorwissen). Bei allen spielähnlichen Formaten muss auch über die Art der narrativen Einbettung entschieden werden. Neben ästhetischen Aspekten des Layouts spielt die Usability eine wesentliche Rolle für alle Designentscheidungen, da eine ungünstige Usability die kognitive Belastung erhöht und damit Lernprozesse behindert [20]. Wie bei jeder Medienproduktion ist daher ein Usabilitytest unabdingbarer Bestandteil der Entwicklung eines didaktischen Mediums. 3.4 Multimedia Design Wenig ist in den letzten 20 Jahren im Bereich des Instruktionsdesigns so intensiv erforscht worden wie die Bedingungen multimedialen Lernens: Zu den Fragen, welche spezielle Kombination von Text (gesprochen oder geschrieben) und Bild (statisch oder bewegt, abstrahiert oder fotografisch genau) und welche Merkmale des Textes und der Bilder für welche Adressaten am ehesten gute Lernergebnisse erwarten lassen, liegen vielfältige experimentelle Befunde vor [14] [15] [16]. 3.5 Interaction Design Folgenreich für die Lerneffizienz wie für das Budget sind die Entscheidungen hinsichtlich der Interaktionen zwischen Lerner und didaktischem Medium: Es kommt darauf an, dass solche Interaktionen ermöglicht werden, die erwünschte Lernprozesse initiieren, ohne die Informationsverarbeitung durch Überflüssiges zu behindern. Gleichzeitig haben Interaktionen, auch mit einem Medium, oft motiva-tionale und emotionale Effekte. Ein Modell zur Orientierung für entsprechende Designentscheidungen haben Domagk, Schwarz & Plass [17] vorgelegt. 3.8 Implementierung Erst in den letzten Jahren ist deutlich geworden, dass die Implementierung des didaktischen Mediums in eine Organisation oder Schule bereits bei der Medienproduktion bedacht werden muss: Die Umsetzung in der Praxis, die Berücksichtigung des jeweiligen Einsatzkontexts und die Akzeptanz der Betroffenen lassen sich bereits bei der Produktion beeinflussen. 4. Qualitätskontrolle Maßgeblich für die Qualität eines didaktischen Mediums ist ein effizientes Projektmanagement, dessen Verantwortliche auch spezifische Kompetenzen im Bereich der psychologisch-didaktischer Qualitätskriterien benötigen. Eine nützliche Orientierung bietet u.a. Klauers Lehralgorithmus [21]. 5. Fazit Bei der Professionalisierung in der Entwicklung didaktischer Medien hinkt die Berücksichtigung psychologisch-didaktischer Kompetenzen der Softwaretechnik noch hinterher. Ein Grund liegt sicherlich in der schwierigen Zugänglichkeit der entsprechenden Informationen. Modelle wie DO ID können eine Orientierung liefern. 3.6 Motivationsdesign Die Motivation, sich mit einem Lehrstoff zu beschäftigen und diese Beschäftigung aufrecht zu erhalten, lässt sich nachweislich beeinflussen. Bereits früh hat Keller Bedingungen und Möglichkeiten der Motivierung zusammengestellt und später um Aspekte der Volition erweitert (ARCS-Modell, [18]). Generell sind stets dabei auch die „basic needs“ menschlichen Lernens zu berücksichtigen [19]. 13 6. Literatur [1] Saettler, P. (1990). The evolution of American educational technology. Englewood, Colorado: Libraries unlimited, INC. [14] Mayer, R. E. (Ed.). (2005). The Cambridge Handbook of Multimedia Learning. Cambridge, New York: Cambridge University Press. [2] Reiser, R. A., & Dempsey, J. V. (Eds., 2007). Trends and issues in instructional design and technology, 2nd edition (2nd ed.). Upper Saddle River, NJ/Columbus, OH: Pearson/Merrill Prentice Hall. [15] Mayer, R. E. (2009). Multimedia learning (2nd ed.). Cambridge: Cambridge University Press. [3] Gagné, R. (1965). The conditions of learning. New York: Rinehart & Winston. [16] Plass, J., Moreno, R., & Brünken, R. (Eds.). (2010). Cognitive Load Theory: Cambridge University Press. [4] Gagné, R. M., Wager, W. W., Golas, K. C., & Keller, J. M. (2005). Principles of instructional design (5th ed.). Belmont, CA: Wadsworth/Thomson. [17] Domagk, S., Schwartz, R., & Plass, J. (2010). Interactivity in multimedia learning: An integrated model. Computers in Human Behavior, 26, 1024-1033. [5] Reigeluth, C. M. (Ed., 1983). Instructional-design theories and models: An overview of their current status. Hillsdale, NJ: L. Erlbaum. [18] Keller, J. M. (2007). Motivation and performance. In R. A. Reiser & J. V. Dempsey (Eds.), Trends and issues in instructional design and technology, 2nd edition (pp. 82-92). Upper Saddle River, NJ/Columbus, OH: Pearson/Merrill Prentice Hall. [6] Reigeluth, C. M. (Ed., 1999). Instructional-design theories and models. A new paradigm of instructional theory. Mahwah, NJ: L. Erlbaum Associates, Publishers. [19] Deci, E.L., & Ryan, R.M. (2000). The „what“ and „why“ of goal pursuits: Human needs and the self-determination of behavior. Psychological Inquiry 11, 227–268. [7] Collins, A., Brown, J. S., & Newman, S. S. (1989). Cognitive apprenticeship: Teaching the crafts of reading, writing and mathematics. In L. B. Resnick (Ed.), Knowing, learning and instruction (pp. 453-494). Hillsdale, NJ. [8] Cognition-and-Technology-Group-at-Vanderbilt. (1997). The Jasper project. Lessons in curriculum, instruction, assessment, and professional development. Mahwah, NJ: Erlbaum. [20] Reeves, T. C., & Carter, B. J. 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Englewood Cliffs, NJ: Educational Technology Publications. [12] van Merriënboer, J. J. G., & Kirschner, P. A. (2007). Ten steps to complex learning. A systemtic approach to four-component instructional design. Mahwah, NJ: L. Erlbaum Publishers. [13] Niegemann, H. M., Domagk, S., Hessel, S., Hein,A., Zobel,A., & Hupfer, M. (2008). Kompendium multimediales Lernen. Heidelberg: Springer. 14 Spielend Geschichte lernen Didaktisches Design digitaler Lernspiele von Anja Hawlitschek und Helmut M. Niegemann Prof. Dr. Helmut M. Niegemann M.A. Anja Hawlitschek Spielend Lernen – welcher Schüler hat sich das nicht schon einmal gewünscht? Mit der steigenden Zahl digitaler Lernspiele scheint die Erfüllung dieses Wunsches in greifbare Nähe zu rücken. Gerade ein Unterrichtsfach wie der Geschichtsunterricht, in dem auch heute noch ein großer Teil des Wissens über Schulbücher vermittelt wird [1], könnte vom Einsatz solcher Spiele profitieren. Geschichtslernspiele machen das eigene Erfahren virtueller historischer Situationen bzw. Eingriffe in virtuelle historische Abläufe möglich. Im Lernadventure „1961“ beispielsweise erleben die Spieler Auswirkungen des Baus der Berliner Mauer auf das Alltagsleben. Das Lernspiel eröffnet eine virtuelle Welt, in der die Schüler erkunden, beobachten, selbst ausprobieren können – Tätigkeiten, die bei der Beschäftigung mit der Vergangenheit sonst nur begrenzt möglich sind [2]. Nicht jedes Lernspiel kann jedoch die Erwartungen von Lehrenden und Lernenden erfüllen. Die Effektivität digitaler Lernspiele im Unterricht ist von einer ganzen Reihe von Faktoren insbesondere aber von einem sorgfältigen didaktischen Design abhängig (vgl. z.B. die Ergebnisse der Meta-Studie von [3]). Der folgende Beitrag stellt ein Rahmenmodell zur systematischen didaktischen Konzeption von digitalen Lernspielen vor und verdeutlicht am Beispiel des Motivationsdesigns von „1961“ die Relevanz der Verknüpfung von Spiel- und Lerninhalt. Um eine Bewertung des Erfolgs des didaktischen Designs zu ermöglichen, werden abschließend Ergebnisse der Evaluation des entstandenen Spiels vorgestellt. 2. Didaktische Konzeption digitaler Lernspiele Eine Grundvoraussetzung dafür, dass ein Lernspiel intendierte Lerninhalte tatsächlich vermitteln kann, ist die systematische didaktische Konzeption. Hierfür wurde bei der Konzeption von „1961“ das entscheidungsorientierte Instruktionsdesignmodell (Decision Oriented Instructional Design Model – DO-ID) genutzt, da in diesem Modell alle wesentlichen Analyseschritte und Designentscheidungen zur Entwicklung multimedialer Lehr- und Lernumgebungen berücksichtigt sind [4]. Ziele Analysen Qualitätssicherung: Projektmanagement 1. Einleitung Problemanalyse/Kontextanalyse, Lernmerkmale, Wissens- u. Aufgabenanalyse, Lernziele Formatentscheidung Contentstrukturierung Motivationsdesign Interaktionsdesign GrafikDesign/Layout Multimediadesign Usability Implementation Evaluation Abb. 1: DO-ID-Modell Designentscheidungen (vgl. Abb. 1) betreffen somit: • die Art des Lernspiels (Format), • die Strukturierung und wechselseitige Integration von Lern- und Spielinhalten (Content), • die Ansprache unterschiedlicher Sinneskanäle bzw. die Nutzung von Symbolsystemen (Multimediadesign), • die Interaktionsmöglichkeiten zwischen Nutzer und IT-System, • die grafische Gestaltung der Benutzeroberfläche (Grafikdesign) und • das Motivationsdesign. 15 Letzteres – also die Frage danach, wie die Motivation des Spielenden angeregt und aufrechterhalten werden soll – wird im Folgenden im Fokus stehen. Eine hohe Motivation wirkt sich nicht nur auf die Dauer und Häufigkeit einer Handlung positiv aus, sondern ebenso auf die Qualität der kognitiven Verarbeitung [5]. Dementsprechend zeigen sich auch im Bereich des Lernens mit digitalen Lernspielen positive Zusammenhänge zwischen Motivation und Lernerfolg (z.B. [6], [7]). Das Motivationsdesign berührt zugleich eine wesentliche Fragestellung des Lernspieldesigns: Wie kann einerseits die Motivation zum Spielen angeregt, aber auch die Beschäftigung mit Lerninhalten sichergestellt werden? Nur dann, wenn die Spielmotivation unmittelbar oder mittelbar zur Beschäftigung mit Lerninhalten führt, können die intendierten Lernziele erreicht werden. Eine Möglichkeit, dieses zu gewährleisten, ist es, das Motivationsdesign darauf auszurichten, Spielertätigkeiten und kognitive Aktivitäten anzuregen, welche sowohl für das Erreichen der Spielziele als auch der Lernziele relevant sind. Das Lernadventure „1961“ hat die Zielstellung, Schülern die Auswirkungen des Mauerbaus auf das Alltagsleben erfahrbar zu machen. Dementsprechend muss das Motivationsdesign auf die Anregung von Neugier und Explorationsverhalten [8] ausgerichtet sein. Berlyne [9] unterscheidet vier unterschiedliche Formen von Neugier. Die spezifische epistemische Neugier ist für das Motivationsdesign eines Lernspiels von besonderer Bedeutung. Verbunden mit situationalen Bedingungen wie Neuartigkeit, Überraschung, Ungewissheit und Komplexität ist ein häufiger Auslöser für diesen psychologischen Zustand die Erfahrung kognitiver Dissonanz – verursacht beispielsweise durch die Inkongruenz des eigenen Wissens und externer Stimuli. Epistemische Neugier rekurriert folglich auf die Beantwortung konkreter Fragestellungen und motiviert die Suche nach spezifischen Informationen. Im Motivationsdesign von „1961“ ist dies wie folgt umgesetzt: Das Spiel entführt die Spieler auf eine Zeitreise in die Vergangenheit. Es ist völlig ungewiss, ob sie das Spielziel erreichen und jemals wieder in die Zukunft zurückkehren können. Diese Ungewissheit über den Ausgang und die unbekannte Spielumgebung induzieren Neugier (vgl. bezogen auf Computerspiele [10]). Um die Zeitmaschine wieder starten zu können, müssen die Spieler Batterien besorgen. Entgegen der Alltagserfahrungen der Schüler ist im Spiel der Laden auf der anderen Seite der Straße jedoch unerreichbar – Stacheldraht wurde ausgerollt, bewaffnete Grenzpolizisten sichern die Absperrung (vgl. Abb. 2). Abb. 2: Screenshot „1961“ Um das Spiel dennoch erfolgreich beenden zu können, muss der Spieler diese und eine Reihe anderer Herausforderungen, die mit dem Bau der Berliner Mauer in Zusammenhang stehen, überwinden. Damit die Explorationstätigkeit der Spieler die Beschäftigung mit Lerninhalten einschließt, haben lernrelevante Objekte im Spiel immer auch eine Bedeutung für den Spielverlauf (vgl. Tabelle 1). Objekt DDR-Geld weinender kleiner Junge Funktion im Spiel Lerninhalt Exploration erbringt kann als Basis für Informationen über Batteriekauf genutzt Gründe für den werden Mauerbau Dialog beinhaltet erst wenn der Informationen über Spieler ihn zum Auswirkungen des Lachen gebracht hat, kann er mit dem Mauerbaus auf das Alltagsleben Vater reden Tabelle 1: Integration von Spiel- und Lerninhalt Die Neugier des Spielers kann dabei ganz unterschiedliche Inhalte haben. Auf der Ebene des Spielkontextes könnte der Spieler beispielsweise folgende Fragen stellen: Wo finde ich eine Batterie? Warum weint das Kind? Und wie kann ich es trösten? Konkret lernrelevant sind weiterführende Fragen, die indirekt die historische Situation betreffen: Warum wird hier eine Mauer gebaut? Wieso kann ich mit DDR-Mark in Westberlin nicht bezahlen? Die Erkundung des Spiels ist somit eng mit der Aneignung von Wissen verbunden. Indem die Spieler Objekte im Spiel untersuchen, mit Nicht-Spieler-Charakteren kommunizieren und das Spielgeschehen beobachten, erwerben sie nicht nur Wissen über Möglichkeiten, das Spielziel zu erreichen, sondern zugleich Wissen über Gründe und Auswirkungen des Mauerbaus. Ob sich diese Designentscheidungen bewähren, wird im folgenden Abschnitt hinsichtlich der Lerneffektivität untersucht. 16 3. Evaluation 5. Literatur Die Lerneffektivität – hier als signifikanter Wissenszuwachs beim Verstehenstest im Vergleich mit dem Vorwissenstest operationalisiert – ist von entscheidender Bedeutung für die Bewertung des pädagogischen Nutzens eines Lernspiels. An der im Rahmen des Geschichtsunterrichts durchgeführten quasi-experimentellen Evaluation nahmen 49 Schüler aus neunten und zehnten Klassen von drei Gymnasien teil (Alter m: 14,92; SD: 0,73). Zwei Wochen vor Durchführung der Hauptuntersuchung wurde deren Vorwissen erhoben. In der Experimentalgruppe (N männlich: 17, N weiblich: 12) wurde zunächst von jedem Schüler das Spiel gespielt, anschließend der Lernerfolgstest ausgefüllt. Die Kontrollgruppe (N männlich: 10, N weiblich: 10) erhielt lediglich den Lernerfolgstest, spielte aber nicht das Lernspiel. Während sich in der Kontrollgruppe keine signifikanten Unterschiede zwischen Vor- und Nachtest ergaben (t(1, 19) = -0,20, p = ,84, d = -0,02) erreichten die Schüler der Experimentalgruppe nach dem Spielen des Lernspiels signifikant mehr Punkte im Vergleich mit dem Vorwissenstest (t(1, 28) = 2,93, p < ,01, d = 0,56). Die Evaluation der Lernwirksamkeit des Spiels zeigt, dass Schüler vom Spiel profitieren können: Das Spielen steigerte ihr Wissen über die Gründe und Auswirkungen des Baus der Berliner Mauer. [1] Herzig, B., & Grafe, S. (2007). Digitale Medien in der Schule: Standortbestimmung und Handlungsempfehlungen für die Zukunft. Studie zur Nutzung digitaler Medien in allgemein bildenden Schulen in Deutschland. Bonn: Deutsche Telekom-AG. 4. Fazit Digitale Lernspiele sind nicht per se effektiv. Eine systematische didaktische Konzeption ist eine Grundvoraussetzung für die Lernwirksamkeit. Hierbei können Modelle, wie das DO-ID-Modell Unterstützung bieten. Am Beispiel des Motivationsdesigns wurde in diesem Beitrag gezeigt, warum eine Orientierung des Spieldesigns an den Lernzielen notwendig ist und wie diese gelingen kann. Um sowohl die kognitiven Aktivitäten als auch das Spielhandeln anzuregen, welche die Erreichung der Lernziele unterstützen, liegt in „1961“ der Schwerpunkt des Motivationsdesigns auf der Anregung von spezifischer epistemischer Neugier. Diese Form der Neugier führt zu einer Explorationstätigkeit, die primär darauf ausgerichtet ist, Informationen zu erlangen. Eine ideale Voraussetzung zur tiefgehenden kognitiven Verarbeitung der – in das Spiel integrierten – Lerninhalte. [2] Hawlitschek, A. (2010). Ein digitales Lernspiel für den Geschichtsunterricht. Konzeption und Evaluation, Proceedings of the 3rd International eLBa Science Conference, Stuttgart, 278-288. [3] Ke, F. (2009). A qualitative meta-analysis of computer games as learning tools. In R. E. Ferdig (Ed.): Handbook of research on effective electronic gaming in education. New York: IGI Global, 1–32. [4] Niegemann, H.M., Domagk, S., Hessel, S., Hein,A., Hupfer, M., & Zobel, A (2008). Kompendium multimediales Lernen. Berlin, Heidelberg: Springer. [5] Schiefele, U., & Rheinberg, F. (1997). Motivation and knowledge acquisition. Searching for mediating processes. In M. L. Maehr, & P. R. Pintrich (Eds.): Advances in motivation and achievement. London: Jai Press, 251–301. [6] Habgood, M. P. (2007). The effective integration of digital games and learning content. Dissertation, Nottingham: University of Nottingham. Abgerufen am 30.11.2012 von http://etheses.nottingham.ac.uk/385/1/Habgood_2007_ Final.pdf [7] Virvou, M., Katsionis, G., & Manos, K. (2005). Combining software games with education: Evaluation of its educational effectiveness. Educational Technology & Society, 8 (2), 54–65. [8] Berlyne, D. E. (1960). Conflict, arousal, and curiosity. New York: McGraw-Hill. [9] Berlyne, D. E. (1978). Curiosity and learning. Motivation and Emotion, 2 (2), 97–175. [10] Klimmt, C. (2006). Computerspielen als Handlung. Dimensionen und Determinanten des Erlebens interaktiver Unterhaltungsangebote. Köln: Halem. 17 Gestaltungsaufgaben in eventmedialen Erlebnisräumen von Ursula Drees, Irina Etschberger und Annabel Schiebol Prof. Ursula Drees Dieser Beitrag beschäftigt sich mit den Mitteln des computergestützten Unterrichts an der Hochschule der Medien in Stuttgart. Durch die Entwicklung in der Mensch-Computer-Interaktion und neuer Technologien, wie zum Beispiel Gesten erkennende Kameras im dreidimensionalen Raum, wird die Grenze zwischen virtueller Realität und Wirklichkeit verschoben und neu definiert. Die unmittelbare Umwelt rückt als „Referenz- und Reflektionsbasis” [1] ins Zentrum der Aufmerksamkeit. Welche Veränderungen erfahren Benutzerschnittstellen, die heute noch meist auf Bildschirm und Tastatur begrenzt werden und die Mensch-Computer-Interaktion zwischen Nutzer und Rechner reglementieren? Welchen Herausforderungen stellen sich die Gestalter des medialen Designs? Vorgestellt wird die Arbeit „LaLaLand“. Es geht um einen eventmedialen Erlebnisraum, eine mediale Inszenierung auf 140 qm mit fünf thematisch aufeinander aufgebauten Räumen. Die Inszenierung handelt von politischem, sozialen und körperlichen Kindesmissbrauch. Kindesmissbrauch bezieht sich nicht nur auf die sexuelle Ausbeute von Kindern, sondern auch auf Kinderarbeit und Kinder, die zu Soldaten werden müssen. Ein schwieriges Thema, da trotz des faktischen Wissens um bestehende Missstände kaum ein Ort für eine inhaltliche Auseinandersetzung in der deutschen Alltagswelt geboten wird. In Zusammenarbeit mit UNICEF, als inhaltlicher Kooperationspartner, wurde der Frage nachgegangen, wie man ohne erhobenen Zeigefinger, ohne von einem hohen Ross herabzublicken und moralisierend Missstände anprangernd, damit umgehen kann? So wurde ein Ablauf entwickelt, der sich dem Thema medial spielerisch nähert. 1. Spielmetapher: Steuerung mit einem umgebauten Weidenkorb Irina Etschberger Annabel Schiebol das jeder Gegenstand zu jeder Zeit und an jedem Ort angesteuert werden kann und den Raum der interaktiven Handlungsmöglichkeiten, der Space of Possibility [2], erweitert. Indem virtuelle Objekte an physikalischen Orten platziert oder physikalische Orte mit digitalen Informationen angereichert werden, steigen Interaktionsmöglichkeiten und erhöhen die Faktoren des Wo, Wann und mit Was gespielt wird [3]. Innerhalb der Installation wurde dieser Spielraum „Apfel-Ball-Kriegspiel-Raum“ genannt. Hier wird der Besucher zum Spieler – in einem anfangs unterhaltsamen, bewegungsbetonten und zeitlich reglementierten, also aufregenden, interaktiven Spiel. Die Leinwand ist durch eine gestrichelte Linie auf dem Boden in zwei Bereiche aufgeteilt. Fußabdrücke zeigen dem Besucher seinen Spielstandort. In beiden Interaktionsbereichen steht jeweils ein 40 cm großer Weidenkorb, mit dem der Besucher interagiert. Dieser Weidenkorb verfügt über einen eingebauten doppelten Boden, der die Interaktionstechnologie versteckt. Der Besucher betritt den Spielraum, schaut nach vorne und sieht die geteilte Spielleinwand, stellt sich auf den angezeigten Platz davor, nimmt den Weidenkorb in beide Hände und beginnt das Spiel. Die Spielsystematik ist denkbar einfach. Äpfel fallen von einem Baum und werden in einem Zeitraum von 45 Sekunden von Spieler 1 und 2 aufgefangen. Die Spieler bewegen den Weidenkorb nach links oder rechts und sammeln die fallenden Äpfel ein. Auf der Spielleinwand wird die Silhouette des Korbes vereinfacht abgebildet und mit der Bewegung des echten Weidenkorbs synchronisiert. Die Silhouette kann nur in der horizontalen Ebene verschoben werden. Fällt ein Apfel in die Korbsilhouette, erhält der Spieler einen Punkt. Ein Highscore am oberen Bildschirmrand zeigt seine Leistung an. Das dargestellte Beispiel beschäftigt sich mit der Erweiterung des interaktiven Aktionsraums der Benutzer. Es wurde eine Anwendung, respektive ein Spiel entwickelt, das theoretisch auf jedem möglichen digitalen Gerät funktioniert, 18 Abb. 1: Spielraum-Aufstellung Abb. 2: Kriegssequenz im Spielraum Nach Ablauf der Zeit wechselt das Szenarium. Dann wird PONG gespielt. PONG, das 1972 von Atari Inc. entwickelt wurde, ist ein in Spielhallen gespieltes Sportvideospiel der ersten Generation und hat eine große Popularität erreicht. Das Symbol des Korbs auf der Spielleinwand verwandelt sich in einem vertikalen Balken. Der obere Balken bei Spieler 1 verhält sich wie der untere von Spieler 2 und umgekehrt. Das heißt, Spieler 1 und 2 spielen gegeneinander, wissen dies jedoch nicht. Die Besucher erfassen nach Betreten des Raums anhand der beschrifteten Objekte und der entsprechenden Visualisierungen auf den Projektionsleinwänden die Spielregeln, die Handhabung und das Ziel sehr leicht selbst. Die Punktevergabe ist wie beim klassischen PONG-Spiel. Verfehlt ein Spieler den Ball, erhält der andere Spieler einen Punkt. Der Ball bewegt sich immer schneller und schneller. Und nach einer festgelegten Zeit wandelt sich dieser schließlich ohne vorherige Warnung für die Spielenden in eine stilisierte Handgranate. Diese prallt von dem jeweiligen Spielerbalken, wie schon der Ball, ab, aber sie fliegt weniger schnell, mit einem behäbigeren physikalischen Gewicht und Geschwindigkeit, aus dem Bildschirmbereich von Spieler 1 in den Leinwandbereich von Spieler 2. Die Spielbretter werden jetzt als ein Ganzes behandelt. An der Handgranate wird ein Countdown angezeigt, der mit zunehmender Geschwindigkeit abläuft. Gleichzeitig wird der Highscore beider Spieler kontinuierlich erhöht. Steht der Countdown der Granate auf null, kommt es zur Explosion und beide Leinwandteile werden schwarz. Lediglich der Highscore beider Spieler bleibt zurück und verschiebt sich in die Bildmitte der Spielpanels und die Auflösung findet statt, das heißt, die Summe der offiziell erfassten im Einsatz verstorbenen Kindersoldaten in den letzten Jahren wird offenbart. Das Spiel wurde von jeweils zwei konkurrierenden Benutzern in einem Raum gespielt. Eine 4,40 Meter breite Interaktionsleinwand diente als Spielbrettmethapher. Durch die Anlehnung der Spielsystematik an das in den 70iger Jahren erfolgreiche Konsolenspiel PONG wird keine Spielanleitung benötigt. 2. Technische Komponenten Eine Nintendo Wii wurde für das Tracking einmal ausprobiert. Die Auswertung der Trackingdaten und das Tracking selbst waren jedoch um einiges umständlicher und ungenauer als mit der Play Station 3 Cam, weil man u.a. die Open Source Software Community Core Vision, kurz CCV, nicht verwenden konnte. Community Core Vision (CCV) ist eine Cross-Platform Software, die mit einer Kamera verbunden Bewegungen erkennt, speichert und dessen ausgelesene Daten sich im Anschluss mit anderen Programmiersprachen wie z.B. Java, C++, PureData, Max/MSP, SuperCollider oder Processing verbinden lässt. Mit dieser Software lassen sich zum Beispiel Multitouch-Tische mit wenig Aufwand herstellen oder auch Infrarot im Raum befindliche und gleichzeitig bewegte Impulse – also Daten – erkennen und auswerten. Das wurde in dem Beispiel des Weidenkorb Spiels ausprobiert. CCV speichert einmalig ein Referenzbild aus der Kameraaufnahme, liest den aktuellen Frame aus und gleicht die Pixelwerte mit dem des Referenzbildes ab. Die Farbe jedes Pixels wird über dessen RGBWert definiert, der sich aus drei Zahlen zwischen 0 und 255 zusammensetzt. Bewegt ein User den Interaktionskorb, werden an dieser Stelle Infrarotstrahlen der durchgeführten Spielerbewegung erkannt. CCV sendet die passenden Koordinaten mit Hilfe des User Datagram Protocols (UDP – ein verbindungsloses Netzwerkprotokoll der Internetprotokollfamilie) aus. Über das TUIO-Protokoll – ein open source Table-Top Tangible User Interface, das Implementierungen mit Java, C++, PureData, Max/MSP, SuperCollider und Flash zulässt – lassen sich diese Daten dann in die entsprechenden Programme und Programmiersprachen einbinden. 19 3. Fazit Abb. 3: CCV- und TUIO-Tracking-Test Deshalb kam hier eine umgebaute PS3-Kamera zum Einsatz. Sie wurde zu einer Infrarotkamera umgebaut. Hierfür wird zunächst der innenliegende Infrarotfilter entfernt. Die Kamera nimmt dadurch verstärkt Infrarotstrahlen wahr. Mit einem Filteraufsatz aus „Primary Red”- und „Congo Blue”-Folie erreichen ausschließlich Infrarotstrahlen die Kameralinse. Mögliche Störungen durch andere Lichtquellen werden vermindert und ein präzises Tracking ermöglicht. Die PS3-Cams waren zwischen den beiden großen Leinwänden angebracht. So wurden die Infrarot-LEDs in den Körben getrackt, die in CCV als Trackingpunkte erscheinen. Die Lichtschranke für den Spielstart wird mit einer Verknüpfung von Processing und Arduino erreicht. (Die Arduino-Plattform ist eine aus Soft- und Hardware bestehende Physical Computing-Plattform. Beide Komponenten sind im Sinne von Open Source quelloffen. Die Hardware besteht aus einem einfachen I/O-Board mit einem Mikrocontroller und analogen und digitalen Ein- und Ausgängen. Die Entwicklungsumgebung beruht auf Processing und Wiring, (Java-Dialekten), die insbesondere Künstlern, Designern, Hobbyisten und anderen Interessierten den Zugang zur Programmierung und zu Mikrocontrollern erleichtern soll.) Am Beispiel des eventmedialen Raums LaLaLand, der im Oktober 2012 auf dem 1. Internationalen Wettbewerb „DER RAUM” 2011/2012 des CommAwards Bronze-Preisträger in der Kategorie „Nachwuchs“ wurde, wird eine technische Gestaltungsmaßnahme aus dem Bereich des Tangible Computings dargelegt. Mediale Gestaltung bedeutet heute die Vereinigung einer Vielzahl von Fertigkeiten. Neben ästhetischen Kenntnissen wird handwerklich, technisch elektronisches Wissen gefordert und nicht zuletzt ein gutes Verständnis für Informatik gegeben. Gestaltung bedeutet heute auch, die Bereitstellung eines bilderzeugenden, computergenerierten Umfelds, das sich durch dialogische Interaktion mit Benutzern und Datenbanken entwickelt. Wie schon seit jeher können in einem Umfeld mit rigiden Beschränkungen in Material, Kosten und Zeit produktionskreative Ergebnisse erzielt werden, die wiederum als Basis für erweiterte Experimente dienen. Mit geringem finanziellen Aufwand können im Bereich des Tangible Computing Objekte gestaltet werden, die räumliche und zeitliche Koordination erfassen. Es werden interaktive Erfahrungen sowohl durch menschliches Handeln als auch von digitalen Algorithmen generiert, deren Primärplattform die Welt ist. Die Rolle des Betrachters ändert sich: Von passiv reflektierend zu dialogisch aktiv. Interaktion wird nicht nur im Sinne der interpretativen oder emotionalen Beteiligung des Rezipienten verstanden, sondern User konzentrieren sich stärker auf Bewegung und Beschreibung von Veränderungen als auf festgelegte Aussagen. Die Vermittlung der Inhalte wird spielerisch, leicht und unsichtbar. 4. Literatur [1] Lipp, Lauritz L. (2004). Interaktion zwischen Mensch und Computer im Ubiquitous Computing: Alternative Ein- und Ausgabemöglichkeiten für allgegenwärtige Informationstechnologien. Münster: LIT-Verlag. [2] Jegers, Kalle (2007). Pervasive Game Flow. Understanding Player enjoyment Schweden: in Pervasive Umeå Gaming. University. UIPSI Abgerufen Frauenhofer. 03.09.2011 U. von http://www.ipsi.fraunhofer.de/ambiente/pergames2006/final/PG_ Jegers_GameFlow.pdf [3] Walther, Bo Kampmann (2006). Pervasive Gaming: Formats, Rules and Space, The Fibreculture Journal, 8, Abgerufen 11.08.2011 von http://journal.fibreculture.org/issue8/issue8_walther.html Abb. 4: Körbe-Technik 20 Game Based Learning in der didaktischen Medienproduktion Ein Interview mit Klaus Peter Jantke Prof. Dr. Klaus Peter Jantke Herr Prof. Jantke, Sie sind aktuell im Bereich der Kindermedienforschung tätig. Wie sind Sie von Ihrer einstigen Fachrichtung der Mathematik zu diesem Gebiet gekommen? Donald Knuth hat 1974 – das ist schon ganz schön lange her – den Turing Award bekommen; das ist sozusagen der Nobel-Preis für Informatik. Aus diesem Anlass hat er eine Rede gehalten, in der er das Verhältnis von Kunst und Wissenschaft diskutiert und deutlich macht, wie viel die Kunst gewinnen kann, wenn man versucht, wissenschaftliche Methoden zur Anwendung zu bringen. Das wird natürlich nicht immer gelingen. Manchmal scheitert man, aber man lernt dann eine Menge dazu. Knuth formuliert in seiner Rede so ungefähr, man solle immer versuchen, die Kunst zur Wissenschaft zu machen. Auch wenn es nicht durchgängig funktioniert, werden beide Seiten davon profitieren. So etwa ist das mit formalen Methoden, die aus der Mathematik stammen, in der Forschung und Entwicklung von Kindermedien wie zum Beispiel digitalen Spielen. Formale Methoden sind etwa Patterns im Spielerleben. Um Patterns ordentlich zu entwickeln und zu untersuchen, braucht man Ideen aus Gebieten wie Formale Sprachen, Algorithmentheorie und Logik. Viele verstehen das nur mit großer Mühe, aber es ist die Anstrengung wert, denn wir gewinnen dauernd neue Erkenntnisse. Ich verstehe mich als Botschafter der formalen Methoden. Sie beschäftigen sich u.a. mit Game Based Learning. Wer nutzt Game Based Learning und wo wird es am häufigsten eingesetzt? Über Game Based Learning wird viel mehr geschrieben, als es der gegenwärtigen Praxis in den Schulen, Hochschulen, Unternehmen oder in der Freizeit entspricht. Wenn wir uns nicht den unzähligen Schönfärbern anschließen wollen, müssen wir zugeben, noch ganz am Anfang zu stehen. Simulationen gibt es natürlich unzählige, doch Simulationen gab es auch schon in der Zeit vor den Computern. Aber eine Simulation allein macht noch kein Spiel aus. Wir müssen daher nach digitalen Systemen fragen, die richtige Spiele sind – gute Unterhaltungsmedien eben. Einige große deutsche Schulbuchverlage haben grottenschlechte Spiele für das Lehren und Lernen auf den Markt gebracht. Trotzdem gibt es natürlich Silberstreifen am Horizont, zum Beispiel ein Spiel für das Training der Polizei. In Bundes- und Landesbehörden klemmt es beim Game Based Learning aber noch erheblich, einfach weil engstirnige Chefbürokraten Vorbehalte haben und Spielen für so ‘was wie Sünde halten. In den Schulen ist es auch nicht einfach, denn es geht nicht nur um die Produktion guter Spiele, sondern um die Einbettung in den Unterricht und die Befähigung der Lehrer. Der Durchbruch des Game Based Learning zeichnet sich gegenwärtig in großen Unternehmen ab. Erste Erfolge gibt es, welche in den kommenden Monaten und Jahren Tausende Nachahmungen finden werden. Was muss bei der Konzeption dieser Lernanwendungen beachtet werden, um Erfolg beim Lehren und Lernen zu erzielen? Mediendesign und -produktion ist nicht nur Wissenschaft, sondern auch Kunst. Daher gibt es leider keine Patentrezepte, weder für Blockbuster im Film noch für das Millionending auf dem Gebiet des Game Based Learning. Aber einen Schlüsselhinweis muss man geben, weil er oft übersehen wird: Wenn man ein Lernspiel entwickelt, genügt es nicht, ein Lernspiel zu entwickeln. Man muss den Kontext, in dem das Spielen erlebt werden soll, mitdenken. Ich habe das ‘mal in einer Publikation „Die Kunst des Kontexts“ genannt. Worüber sollten Spieler kommunizieren? Wann, wie und wo wird Gelegenheit zur Kommunikation gegeben? Oder wird Kommunikation durch das Spiel gar provoziert? Wie wichtig ist es für die angestrebten Effekte, eventuell mehrmals zu spielen? Wodurch und wie wird wiederholtes Spielen angeregt? Wie unterstützt das Spiel den Vergleich von Spielerlebnissen? Das Design des Kontexts gehört zum Design des Spiels untrennbar dazu. Eine ganz spezielle Frage des Kontexts ist die, wie ein digitales Spiel zum Beispiel in eine Unterrichtsstunde passen soll und kann. Mit dem Spiel zusammen muss man die Antwort darauf den Lehrern an die Hand geben, natürlich auch den Eltern und den Schülern selbst. Schüler müssen schon wissen, was da eigentlich abgeht. 21 Wie werden Game Based Learning-Anwendungen produziert? Welche Schritte sind notwendig? Welche Entwicklungen sind hinsichtlich Game Based Learning-Anwendungen in Zukunft zu erwarten? Anwendungen des Game Based Learning sind zuallererst einmal Spiele. Wenn solche Anwendungen keine guten Spiele sind, dann kann man auch gleich das Lernen vergessen. Es gilt zunächst also erst einmal alles, was man über die Entwicklung von digitalen Spielen weiß. Und da steht am Anfang eine richtig gute Spielidee. Das wiederum verlangt, dass man weiß, was eigentlich Spiele sind und was Spielen bedeutet. Wir haben schon zu viele Produkte bekommen, die in bester Absicht (vermute ich) von Leuten entwickelt worden sind, die von Spielen und vom Spielen leider gar keine Ahnung haben. Die gute pädagogische Absicht allein genügt nicht und wird niemals gute Lernspiele hervorbringen. Wer eine Anwendung für das Game Based Learning realisieren will, sollte nach der Ausarbeitung der Kernidee in jedem Fall einen Pitch entwickeln, wie man das auch bei jedem digitalen Spiel macht. Neunzig Prozent der heutigen sogenannten Serious Games wären schon beim Pitchen durchgefallen. Hat man ein richtig gutes Konzept, dann ist es entscheidend zu planen, was Spieler erleben sollen, denn aus dem Spielerlebnis entsteht die Wirkung des Spiels. Die Schlüsselmethode zur Antizipation von Spielerlebnissen heißt Storyboarding. Im Unterschied zu konventionellen Storyboards müssen wir bei digitalen Spielen nicht-lineare Prozesse beschreiben, die unterschiedliche Erlebnisse erfassen. Da das Design und die Entwicklung von digitalen Spielen ein kreativer Prozess mit sehr viel Kunst ist, wird es im Allgemeinen mehrere Iterationen geben. Storyboards müssen das nicht nur zulassen, sondern unterstützen. Das erfordert eine geeignete digitale Repräsentation inkl. Versionsverwaltung. Das beschreibt zumindest die ersten Schritte. Niels Bohr wird die Formulierung zugeschrieben „It is difficult to predict, especially the future.”, was auf die Zukunft der Medien im Allgemeinen genau so zutrifft wie auf digitale Spiele im Besonderen. Wenn man halbwegs verlässliche Vorhersagen machen will, muss zumindest zweierlei vorliegen: erstens ein wirklicher Bedarf und zweitens verfügbare Technologie. Es ist ja dummerweise so, dass wir manchmal keine Lösung für ein akutes Problem haben oder, umgekehrt, dass die Wissenschaft, gerade die universitäre, neuartige Lösungen anbietet, nur nach dem Bedarf dafür wird noch gesucht. Aus dem Bereich des Game Based Learning möchte ich einen Bereich schildern, wo dringlicher Bedarf und heute verfügbare Technologien zusammen treffen. Gerade im sogenannten e-Learning werden uns dauernd neue technologische Lösungen angeboten, Werkzeuge über Werkzeuge. Wer solche Werkzeuge anwenden will, muss zunächst einmal ihre Bedienung erlernen, ohne davon unmittelbar irgendeinen Mehrwert zu haben. Kein Wunder, dass zum Beispiel Lehrer zurückhaltend sind und nicht mit immer neuen Werkzeugen überflutet werden wollen; sie haben auch so schon genug zu tun. Was wir brauchen, ist eine paradigmatische Verschiebung von Werkzeugen zu Assistenten, genauer gesagt, zu digitalen Assistenzsystemen. Ein entscheidendes Merkmal solcher Systeme ist, dass sie sich selbst an unterschiedliche Benutzer und ihre Bedürfnisse anpassen können, dass sie also adaptiv sind. Im Game Based Learning bedeutet das, Spiele zu haben, die unterschiedliches Verhalten von Spielern erkennen und als Reaktion darauf selbständig das Spielerlebnis differenziert gestalten – immer die Freude am Spiel und den Lernerfolg im Fokus. Die Technologien für Adaptivität sind da. 22 Didaktische Medienproduktion an der Universität Erfahrungen aus dem deutsch-polnischen Online-Seminar „Medienbrücke“ von Paul Klimsa Prof. Dr. Paul Klimsa 1. Idee und Ursprung Theorie und Praxis sind zwei Standbeine der Ausbildung an jeder Hochschule. Sie sinnvoll zu verknüpfen und in die Lehre zu integrieren, ist eine Aufgabe, die nur mit geeigneten didaktischen Methoden gelingen kann. Das Fachgebiet Kommunikationswissenschaft der Technischen Universität Ilmenau und das Institut für Journalistik und Soziale Kommunikation der Jagielloner Universität in Kraków bilden Studierende aus, die nach ihrem Abschluss auch im journalisitischen Bereich tätig sind. Aufgrund von Kooperationsgesprächen haben beide Partner Ziele, Inhalte, Medien, Methoden einer grenzüberschreitenden Ausbildung festgelegt und erprobt. Abb. 1: Präsenztreffen der Ilmenauer und Krakauer Seminargruppen in Polen Die zu erarbeitenden medialen Konzeptionen sollten die nationalen Unterschiede als kulturellen Reichtum eines vereinten Europas verstehen und einbeziehen. Durch die länderübergreifende Darstellung des nationalen Kontexts kann einer Marginalisierung bzw. Übertreibung von nationalen Unterschieden, Stereotypen und Vorurteilen entgegengewirkt werden. Aus diesem Grund waren Konzeptionen von Medieninhalten, die vor allem dem Abbau von Vorurteilen dienten, Hauptanliegen des Online-Seminars. Neben dem genannten gesellschaftlich-normativen Anliegen war die internetbasierte Kommunikation und Kooperation (Online-Arbeit) zwischen den Seminarteilnehmern von besonderer Bedeutung. Durch das Online-Seminar entstand ein didaktisches Konzept für ein transnationales Hochschulseminar mit Unterstützung durch Internetdienste. Jeweils zum Wintersemester wurde dieses Seminar „Medienbrücke“ durchgeführt. Die Organisation der Online-Arbeit war in jedem Jahr unterschiedlich und lässt sich in vier Entwicklungsstadien einordnen, die jeweils ein Semester dauerten: 1. Verwandte Themen, national unterschiedliche mediale Produkte, E-Mail-Kommunikation, Chat-Kommunikation, gemeinsame Endpräsentation per Internet-Videokonferenz; 2. Gemeinsame Themen, national unterschiedliche mediale Produkte, E-Mail-Kommunikation und unregelmäßige Internet-Videokonferenzen, Nutzung von Newsgroups, getrennte Endpräsentationen in Kraków und Ilmenau; 3. Gemeinsame Themen und gemeinsame mediale Produkte, zeitversetzte E-Mail-Kommunikation und zeitsynchrone Internet-Telefonie (VoIP mit Skype), gemeinsame Endpräsentation in Kraków; 4. Gemeinsame Themen und gemeinsame mediale Produkte, Workflow-Organisation mit Hilfe von Wiki- und Blog-Systemen sowie zeitsynchroner Internet-Telefonie (VoIP mit Skype), gemeinsame Endpräsentation in Berlin; Die einzelnen Stufen stellen inhaltliche und didaktische Entwicklungsphasen dar. 23 2. Stadium I Nach der ersten Vereinbarung zwischen dem Fachgebiet Kommunikationswissenschaft der Technischen Universität Ilmenau und dem Institut für Journalistik und Soziale Kommunikation der Jagielloner Universität wurde eine gemeinsame Lehrveranstaltung eingerichtet, in der ausgewählte Themen – damals aus dem Alltag beider Länder – von den Studierenden bearbeitet werden sollten. Es wurde den Studierenden überlassen, ob sie zu dem Thema ein gemeinsames mediales Projekt realisieren oder ob sie die Themen unterschiedlich umsetzen. Die Studierenden lernten sich in einem Chat-Forum mit Hilfe zeitsynchroner Text-Kommunikation kennen und von den Dozenten wurden thematische Gruppen angeregt. Im Laufe des Semesters erfolgte die Kommunikation zwischen den polnischen und deutschen Gruppen vor allem per E-Mail. Die Koordination der Projekte konnte nur durch einen Besuch und durch direkte Beratung einer deutschen Lehrkraft in Kraków unterstützt werden. Es fehlten leider jegliche finanzielle Mittel für die Durchführung der gemeinsamen Lehrveranstaltung. Dementsprechend unterschiedlich waren die medialen Produkte der deutschen und polnischen Gruppen, deren Endpräsentation über das Internet mit einem Videokonferenz-System erfolgte. Obwohl die zu übertragende Sprache und das Bild zeitverzögert nach dem Senden in Ilmenau bzw. Kraków eintrafen, war der visuelle Eindruck entscheidend für die weitere Nutzung eines internetbasierten Videokonferenz-Systems als ein grundlegendes Werkzeug der zeitsynchronen Kommunikation in der zweiten Stufe. 3. Stadium II Um mehr persönlichen Kontakt zu ermöglichen, wurden vier Studierende der Jagielloner Universität im Rahmen eines Stipendiums nach Ilmenau eingeladen, die den deutschen Gruppen bei der Kommunikation mit polnischen Kommilitonen helfen sollten. Zur gleichen Zeit sind zwei Studierende der Technischen Universität Ilmenau nach Kraków im Rahmen einer Sokrates-Vereinbarung beider Hochschulen gefahren. Damit konnten die Organisatoren des Seminars zwar teilweise persönlichen Kontakt zwischen den Studierenden sicherstellen, doch die Einrichtung der „Botschafter“ an der anderen Bildungseinrichtung war auch zugleich nachteilig. Das Hauptgewicht der Kommunikation zwischen den Gruppen wurde zu stark auf die „Botschafter“ konzentriert, die auch die Funktion als Gatekeeper im Kommunikationsprozess via Internet eingenommen hatten. Die laufende Koordination der Arbeitsaufgaben zwischen den polnischen und deutschen Teilnehmern erfolgte über E-Mail. Die Nutzung der Newsgroups wurde zwar zwischen den Gruppen vereinbart, um die Arbeit zu dokumentieren, doch in der Praxis wurde dieses Werkzeug kaum genutzt. Vor allem auf der polnischen Seite lautete die Begründung für die Ablehnung, dass der Zugang zum Internet erschwert sei. Unregelmäßig nutzten die Seminarteilnehmer das internetbasierte Videokonferenz-System für die Arbeitsabsprachen. Grund hierfür war der o.g. Zeitversatz im Senden und Empfangen von Bild und Ton, der im Laufe der Zeit mehr Kommunikationsprobleme schaffte als löste. Außerdem war die technische Umsetzung der Videoübertragung (bspw. Beleuchtung, Kameraführung, Mikrofonierung, Konfiguration und Kontrolle von Softwarekomponenten) sehr aufwendig. Die Seminarergebnisse wurden in Ilmenau und Kraków getrennt präsentiert. 4. Stadium III Bei der Vorbereitung des dritten Durchlaufs des Online-Seminars reiste ein Mitarbeiter der TU Ilmenau nach Kraków. Nach Gesprächen mit den Partnern vor Ort wurde sich auf den Einsatz der kostenlosen und plattformübergreifenden Kommunikationssoftware Skype (Internet-Telefonie, Instant Messaging, P2P-Dateitransfer, Videokonferenz) geeinigt. Die Erfahrungen der vorangegangenen Jahre zeigte, dass neben dem Einsatz der „richtigen“ Kommunikationstechnik vor allem die fehlende Faceto-Face-Kommunikation der Seminarteilnehmer aus beiden Ländern ein Hauptproblem des OnlineSeminars darstellte. Aus diesem Grund begann das Seminar mit einem Präsenztreffen an der deutsch-polnischen Grenze in Görlitz/Zgorzelec. Das Treffen, begleitet von Journalisten der Redaktion Via-Europa des Mitteldeutschen Rundfunks (MDR), bot zum ersten Mal den Studierenden aus Polen und Deutschland die Gelegenheit, Themen ihrer zukünftigen Online-Zusammenarbeit in einer gemeinsamen Diskussion zu formulieren und sich auf gemeinsame mediale Produkte zu einigen. Es entstanden zwischen den Studierenden auch dauerhafte Kontakte. So verbrachte eine Gruppe aus Ilmenau die Zeit zwischen Weihnachten und Neujahr in Kraków. Die Endpräsentation der Seminarergebnisse fand am Semesterende in Kraków unter Beteiligung lokaler Pressevertreter statt. Die Kommunikation per Skype erwies sich als sehr zuverlässig und einfach. Allein die großen Abstände (ein bis zwei Wochen) zwischen den SkypeSitzungen empfanden die Teilnehmer als störend. Die Kommunikation per E-Mail war nach wie vor für die Arbeit in Ilmenau und Kraków grundlegend. 24 Da es jedoch auf der polnischen Seite aufgrund der damals zu geringen technischen Ausstattung der Universität und einer relativ geringen Anzahl von privaten Internetanschlüssen der Studierenden (digital divide) immer wieder zu Verzögerungen im E-Mail-Kommunikationsfluss und sogar partiellen Informationsverlusten (informational gap) kam, beschlossen die Organisatoren auf beiden Seiten webbasierte Werkzeuge der zweiten Generation (social networks) für den Workflow einzusetzen. Nach einer Testphase sollten Wikis und Weblogs die E-Mail-Kommunikation ersetzen. 5. Stadium IV In der letzten Phase fand das Präsenztreffen in Wroclaw statt. In einem zweitägigen Workshop erarbeiteten die Seminarteilnehmer aus Polen und Deutschland gemeinsame Themen, die mit gemeinsamen medialen Produkten umgesetzt werden sollten. Es fand ebenfalls eine praktische Einführung in die Arbeit mit dem Wiki- und WeblogSystem (Bliki) statt. Das Wiki-System stellte sich im Laufe des Erstellungsprozesses immer mehr als ein nützliches Tool dar, da hier stets die aktuellste Version der jeweiligen redaktionellen als auch organisatorischen Inhalte zu finden waren. Dadurch wurde vermieden, dass man mit mehreren verschiedenen parallelen Versionen eines „elektronischen Dokumentes“ durcheinander kam. Weiterhin richteten die Teilnehmer einen Arbeitsbereich im Wiki-System ein, in dem die alle zwei Wochen stattfindenden Skype-Telefonate zwischen Ilmenau und Kraków schriftlich protokolliert wurden. Ein Problem mit dem Wiki-System bestand im Auffinden von Informationen durch die zunehmende Menge von Inhalten (information retrieval). Die Nutzer mussten selbst die Wiki-Inhalte strukturieren, organisieren und Inhaltsverzeichnisse anlegen. Dies vereinfachte das Auffinden der gewünschten Informationen. Die Nutzung von Weblogs als Alternative zur EMail-Kommunikation konnte sich im Rahmen des Online-Seminars nur teilweise auf deutscher und polnischer Seite durchsetzen. Als Gründe nannten die Seminarteilnehmer bspw. den hohen Grad an Öffentlichkeit in der Weblog-Kommunikation gegenüber der Privatheit in der E-Mail-Kommunikation. Auch ist zu beachten, dass die Nutzung von Weblogs in Deutschland und Polen noch nicht so stark „kultiviert“ ist wie bspw. in den USA. Ist etwas unbekannt, dann nutzt man es nicht, wenn bekannte Alternativen zur Verfügung stehen und ein Mehrwert nicht zu erkennen ist (Rationalismus). 6. Sprache Ein wichtiger Aspekt der Online-Kommunikation war seit Beginn der Online-Veranstaltung die Frage der Sprache. Dadurch, dass einige (sehr wenige) deutsche Studierende Polnisch und relativ viele polnische Studierende Deutsch sprachen, war oft Deutsch die Verständigungssprache. In der Regel wurde jedoch auf Englisch kommuniziert, was mitunter Probleme verursachte. Ein deutscher Teilnehmer schreibt: „Da Englisch für alle Beteiligten eine Fremdsprache war, kam es schnell zu Missverständnissen. Beispielsweise hatten wir als deutsche Gruppe das Problem unser nochmals überarbeitetes Konzept, welches nur noch in groben Zügen dem alten entsprach, richtig vorzustellen und zu erklären. Wir stellten uns immer wieder die Frage: Haben Sie es nun richtig verstanden? Nach langem hin und her eskalierte die Situation. Bis ein klärendes Gespräch unter Einmischung der Dozenten die Lage entspannte.“ Abb. 2: Skypekommunikation Aus der Sicht der Teilnehmer war vor allem die erlebte Online-Kommunikation ein Gewinn, da es unzählige Möglichkeiten gab, die Kommunikation theoretisch und praktisch zu reflektieren. Ein Teilnehmer sagte dazu: „Eine neue und wichtige Erfahrung war für uns, die Kommunikation an sich als Problem zu erleben. Das was sonst so einfach gesagt wird, kann in fremder Sprache leicht zu Missverständnissen führen. Wir wissen nun, dass man sich bei einem interkulturellen Projekt auf schwierige Situationen durch Kommunikationsprobleme einstellen und vorbereiten sollte. Dazu gehört auch, Kompromisse einzugehen und sich miteinander zu arrangieren.“ 25 7. Fazit Das Online-Seminar schaffte einen didaktisch sinnvollen Rahmen für eine transnationale universitäre Lehrveranstaltung. Die Nutzung der InternetDienste erwies sich als eine wichtige Voraussetzung für das Gelingen der internationalen Kooperation, doch nicht alle Dienste haben für den Workflow die gleiche Bedeutung. E-Mail-Kommunikation kann als gern genutzt aber als weniger verbindlich angesehen werden. Bei Einforderung von Arbeitsergebnissen kam zuweilen die Erklärung, dass E-Mails nicht angekommen seien. Ähnlich sind Messenger-Dienste (Gadu-Gadu etc.) einzuschätzen, die von den Teilnehmerinnen und Teilnehmern gelegentlich nebenbei genutzt wurden. Der Vorteil der Messenger-Dienste liegt aber in der relativ reibungslosen zeitsynchronen Kommunikation. Breitere Nutzung wäre allerdings nur dann möglich, wenn die technischen Rahmenbedingungen in Polen und in Deutschland vergleichbar wären (Anzahl privater Internetanschlüsse). Die Nutzung der Videokonferenzen war wegen einer Zeitverzögerung zwischen Bild und Ton nicht sinnvoll, dagegen erwies sich die Skype-Telefonie als grundlegend für den Erfolg der Lehrveranstaltung. Auch die Nutzung von Wiki-Systemen erlaubt den Studierenden den Arbeitsfortschritt zu kontrollieren und abzustimmen. Es ist allerdings stets mit anfänglichen Problemen zu rechnen, da sich der Wert des Werkzeugs erst während der Arbeit erschließt. Es ist natürlich möglich, die Schulung der Nutzung von Wiki-Systemen am Anfang der Lehrveranstaltung zu intensivieren. Das Online-Seminar war allerdings stets aus einem anderen Grund ein Erfolg. Ein gemeinsames wissenschaftlich fundiertes mediales Projekt zu realisieren und dabei mit Studierenden einer anderen Nation zu kooperieren, das wird von Studierenden als wichtiger Beitrag zur Ausbildung ihrer interkulturellen Kompetenzen angesehen. Zudem erfährt die wissenschaftliche Reflexion über Kommunikation in einem Medienstudiengang (Journalistik in Polen und Medienwissenschaft in Deutschland) eine praktische Verankerung. Man kann selbst interkulturelle Kommunikationsprobleme erleben und muss selbst die Lösungen suchen. Für die Organisatoren besteht zwar ein erhöhter Vorbereitungsaufwand und es werden einige finanzielle Mittel für das Präsenztreffen benötigt, doch der Aufwand steht in keinem Verhältnis zum Ertrag. Die qualitativ hochwertigen medialen Produkte der Studierenden waren auch für professionelle Medien in der Region Kleinpolen und in Thüringen interessant. Ein Fazit liefert die Aussage eines deutschen Studenten: „Ich denke, dass die Medienbrücke eine gute Möglichkeit ist, zu erfahren, wie Leute aus anderen Ländern über das Mediensystem und bestimmte soziale Themen denken. Meiner Meinung nach ist eine grenzüberschreitende Zusammenarbeit sehr wichtig. Lasst uns die Europäische Union durch persönliche Beziehungen lebendig machen!“ 8. Kooperationspartner Organisation des Projektes und die Entwicklung des didaktischen Konzeptes wurde durch folgende Kooperationspartner verantwortet: • Prof. Dr. Paul Klimsa, TU Ilmenau • Prof. Dr habil. Teresa Sasinska Klas, UJ Kraków • Dr Agnieszka Hess. UJ Kraków • Dr Agnieszka Szymanska, UJ Kraków • Dipl.-Medienwissenschaftler Sebastian Vogt, TU Ilmenau • Dipl.-Medienwissenschaftler Marcel Kirchner, TU Ilmenau An der Projektdurchführung waren weitere Mitarbeiter an der Jagiellonen Universität (Uniwersytet Jagiellonski w Krakowie) und an der Technischen Universität (Uniwersytet Techniczny w Ilmenau) beteiligt. Das Projekt wurde durch Prof. Kurt Morneweg (Direktor des MDR-Funkhauses in Erfurt, A.D.) unterstützt, der die erste Idee einer Medienbrücke zwischen Deutschland und Polen formulierte und zeitgleich zum Online-Seminar das webbasierte Projekt „Via Europa“ — Kooperation zwischen dem MDR und der Telewizja Polska (TVP) — leitete. 26 Didaktische Konzepte und Lernmaterialien zum Aufbau von Social Intranets & Collaboration-Plattformen Auszüge aus den Einführungskonzeptionen für interne Social Media in Unternehmen am Beispiel eines berufsorientierenden Hochschulseminars von Marcel Kirchner und Studierenden-Teams der Lehrveranstaltung Dipl.-Medienwiss. Marcel Kirchner Social Media hält seit geraumer Zeit vermehrt Einzug, wenn es um die Optimierung interner Prozesse und Abläufe von Unternehmen geht. Dies beeinflusst maßgeblich sowohl aktuelle als auch zukünftige Arbeitsweisen der Mitarbeiter/-innen und die internen Strukturen, besonders beim Management von Wissen und Informationen. Firmen haben dabei insbesondere die Potenziale erkannt, dass sich Mitarbeiter beispielsweise noch flexibler austauschen, ihr Wissen dokumentieren und zur Diskussion stellen können sowie transparenter Probleme und Lösungsansätze untereinander kommunizieren können. Der Praxis-Experte Harald Schirmer, Change Manager bei Continental AG, beschreibt die damit einhergehenden notwendigen Veränderungen im Unternehmen zu einer „Organisation 2.0“ als dem sozialen Sinn nach zu begleitende Tätigkeiten, die eine traditionelle Überund Unterordnung aufbrechen und ein beförderndes Miteinander erzeugen. In einem passenden bildhaften Vergleich wird somit aus dem klassischen, hierarchiebetonten Unternehmen, das marionettenartig an allen klar miteinander verbundenen Prozess-Fäden zieht, ein lebendiger Organismus, der zwar weiterhin seinen Halt durch Wirbelsäule, Knochen und Gehirn behält und mit bewährten Methoden-/Prozess-Gelenken agiert, aber durch das neu integrierte Social Media-Nervensystem lernfähiger wird und auf immer wieder neu entstehende Herausforderungen jederzeit noch flexibler reagieren kann, indem es durch Impulse das Mitarbeiterwissen gezielter einbindet und transparenter macht [1]. Insbesondere ist es derzeit auch eine der größten Herausforderungen, die kreativen Herangehensweisen und Ideen der Nachwuchskräfte der Zukunft in die Arbeitsabläufe von Unternehmen zu integrieren. Der Anwendungsbereich „Innovatives Wissensmanagement“ (kurz AbIWM) im Studiengang Angewandte Medienwissenschaft der TU Ilmenau beschäftigt sich mit diesen Phänomenen und sucht nach Antworten im Bereich des so genannten „Enterprise 2.0“, dass immer mehr auch mit „Social Business“ gleichgesetzt wird. In Kooperation mit IBM Deutschland werden hier anhand konkreter realer Anwendungsfälle Implementierungsstrategien für den Einsatz von Social Media entwickelt, die im Idealfall auch zu einer ersten Umsetzung mit wissenschaftlicher Begleitung führen. Dabei übernehmen die Bachelor-Studierenden die überwiegend konzeptuell-produktiven Tätigkeiten währendem die Master-Studenten diese tutoriell begleiten und deren Arbeit durch theoretische und methodische Studien fundieren. Den groben Ablauf des Seminars beschreibt der ehemalige Seminar-Teilnehmer Dustin Lemme in seinem Erfahrungsbericht treffend: „Nach einer kurzen Einführungsphase und erfolgreicher Teambildung übernimmt jede Gruppe die Verantwortung für ein Unternehmen, das gegenwärtig mit der firmeninternen Implementierung von Social Software beschäftigt ist. Die Seminarteilnehmer analysieren den Projektfortschritt, identifizieren Probleme und erarbeiten Lösungsvorschläge, um die Einführung weiter voranzutreiben. Selbige werden bis zum Ende des ersten Semesters in Form einer fünfzehnminütigen Präsentation vorgestellt. Im zweiten Semester entstehen auf Basis der erarbeiteten Lösungsvorschläge und nach Rücksprache mit dem Auftraggeber konkrete Umsetzungspläne. Die Seminarteilnehmer fertigen hierfür ein Grob- und Feinkonzept an. Letzteres wird am Ende des zweiten Semesters zudem in Form einer dreißigminütigen Präsentation vorgestellt. Möglich, dass es im Ansatz zu einer praktischen Umsetzung des Feinkonzeptes kommt. Während der gesamten Seminarzeit sind weitere Teilleistungen abzulegen, die in die Bewertung einfließen. Die Teamarbeit wird während der zwei Semester durch eine Vorlesungsreihe begleitet, die sich aus verschiedenen Blickwinkeln dem Thema ‚Social Software‘ nähert.“ [2] 27 Insbesondere im zweiten Teil des Anwendungsbereiches kommt also der didaktische Schwerpunkt zur Geltung, indem die Studierenden zunächst in einem kurzen erklärenden Video ihren Anwendungsfall mit Problemen und ersten Lösungsansätzen beschreiben. Anschließend werden anhand konkret zu entwickelnder Lernziele und -inhalte didaktische Feinkonzeptionen erstellt, die mit der Produktion konkreter Schulungsunterlagen und Lernmaterialien, wie beispielsweise das zuvor erwähnte Video-Tutorial oder auch PDF-Anleitungen, Hilfe-Communities oder Screencasts, einhergehen. Dazu werden sie von den Mastertutoren durch die Empfehlung von sinnvollen (E-Learning-)Lehr- und Lernmethoden unterstützt. sein, da kein Mitarbeiter neben seinen normalen Arbeitstätigkeiten den kompletten Administratoraufwand übernehmen kann. Demzufolge sollte die Verantwortung aufgeteilt werden und mehrere Mitarbeiter in Zusammenarbeit an der Plattform arbeiten. Eine größtmögliche Bedienbarkeit sollte erzielt werden, um jeden Mitarbeiter erreichen zu können. Weiterhin sollte die Unternehmensstruktur integriert werden, da es sich bei der Gebäude Glücklich GmbH um eine verzweigte Unternehmensgruppe handelt. Nachfolgend sollen nun drei Auszüge aus den Konzeptionen und Schulungsunterlagen von Studierenden-Teams dargestellt werden, die sich mit der begleitenden Einführung von Social Media in einem mittelständischen Serviceunternehmen, einer überregionalen Software User Group und einem internationalen IT-Dienstleistungsunternehmen beschäftigen (teilweise wurden die Fallstudien anonymisiert, damit keine Rückschlüsse auf die realen Unternehmen gezogen werden können): •Anwendungsfall 1: Gebäude Glücklich GmbH •Anwendungsfall 2: DNUG e.V. •Anwendungsfall 3: IT Fleißig GmbH -------------------------------------------------------------------Anwendungsfall 1 (2010) – Auf dem Weg zum Enterprise 2.0 mit der Gebäude Glücklich GmbH [3] Team-Mitglieder: Dominique Heerwagen, Romy Kalka, Philipp Reinhart, Anika Schwella und Heike Töppe Abb. 1: Community-Aufbau 1. Who is who Ein Mitarbeiterverzeichnis in Gebäude Glücklich Connections hat die grundlegende Funktion der Darstellung, Auffindbarkeit und Vernetzung der Mitarbeiter im Unternehmen; insbesondere die Verknüpfung der weit voneinander entfernten Standorte ist hierbei eines der Hauptziele. Dabei sollten sich das Erscheinungsbild (Abb. 2) und die Seriosität an der Grundstruktur eines „Xing“-Profils orientieren. Die vorherrschende Ausgangslage bei der Gebäude Glücklich GmbH zeigt sich folgendermaßen: Es liegen bestimmte Herausforderungen vor, denen sich die Gebäude Glücklich GmbH stellen muss. Ein großes Problem stellen dabei die geringen personellen Ressourcen dar. Auch eine hohe Personalfluktuation kennzeichnet das Unternehmen, welche in Bezug auf die verzweigte Unternehmensgruppe weitere Herausforderungen an eine Plattform darstellen. Von Bedeutung ist ebenfalls das Finden einer Alternative, die sowohl den Wünschen und Bedürfnissen internetaffiner Nutzer genügt, aber auch das Interesse wenig affiner User erreicht und für diese kein Hindernis, sondern eine Bereicherung des Arbeitsalltages ermöglicht. Um dies zu erreichen, werden bestimmte Anforderungen an die Plattform gestellt. Lediglich ein geringer Administrationsaufwand sollte erforderlich Abb. 2: Erscheinungsbild Who is who 28 Die Wünsche der Mitarbeiter in Bezug auf ihr Profil in Gebäude Glücklich Connections werden dabei im Folgenden ebenfalls berücksichtigt. Sie legen viel Wert auf die Angaben zur Person wie Foto, Name, Arbeitsbereich bei der Gebäude Glücklich GmbH Fähigkeiten, Kontaktmöglichkeiten und einem Lebenslauf mit allen Stationen des bisherigen Berufslebens auch außerhalb der Gebäude Glücklich GmbH. Überwiegend herrschen unter den Mitarbeitern der Gebäude Glücklich GmbH eindeutige Ansichten zum Mitarbeiterverzeichnis, wobei die persönlichen Angaben zu Familie und Hobbies eher kritisch betrachtet werden. Einig waren sich jedoch alle, diese Angaben freiwillig einstellbar anzubieten. Ebenfalls von den Mitarbeitern erwünscht und von uns in das Mitarbeiter-Profil unter dem Punkt „Weitere Profile von mir im Web“ eingebunden, sind Links zu privaten oder öffentlichen Netzwerken oder zu privaten Blogs. 2. Newsweek Unter dem Toolnamen Gebäude Glücklich GmbH Newsweek soll zukünftig der Newsletter 2.0 der Gebäude Glücklich GmbH Group starten. Dieser soll sich optisch, inhaltlich sowie funktional vom Vorherigen unterscheiden. Bisher wurden Neuigkeiten von einer Redaktion zusammengefasst und mit wenigen Bildern veranschaulicht. Verbreitet wurde dieser monatlich per Email. Abb. 3: Erscheinungsbild Newsweek 3. Denkfabrik Eine zentrale Anlaufstelle Fragen (und Antworten) unterschiedlicher Themenbereiche und Komplexität kann hier Abhilfe leisten. Diese soll in Form der Integration eines Fragenportals in Gebäude Glücklich Connections geschehen. Mit Einführung der Plattform Connections ermöglichen sich nun neue Dimensionen der Darstellung aber auch der Aufbereitung der Gebäude Glücklich GmbH-internen News. Startseite Nach Überlegungen der Platzierung der News kam nur die Startseite der Plattform in Frage, da diese Seite durch eine permanente Präsenz den Mitarbeiter ständig zugängig sein sollte. Durch Aktualisierung der Beiträge seitens der Gebäude Glücklich GmbH kann die Motivation der Leser, die Einträge sorgfältig zu lesen, aufrechterhalten werden [4], [5]. Die Newsweek als Startseite ist so zu verstehen, dass 2/3 der Seite als Infobereich angezeigt wird, in welchen hauptsächlich die Beiträge erscheinen und 1/3 die Metabar und Gebäude Glücklich Connections-Base mit den anderen Tools darstellen. Das übergeordnete Ziel der Newsweek ist es, Wissen innerhalb des Unternehmens zu transformieren und zentral allen Mitarbeitern zugänglich zu machen und somit einen unternehmensübergreifenden Informationskanal zu schaffen [5]. Abb. 4: Erscheinungsbild Denkfabrik 4. Einstein Die Gebäude Glücklich GmbH wünscht eine Datenbank, die die gesamte Bandbreite an fachlichen Fragen abdecken kann. Aus der bereits bestehenden Intranet-Seite sollen Arbeitshilfen und Vorlagen übernommen, eingepflegt und durch neue Dateien ergänzt werden. Vorgeschlagenes Umsetzungstool auf Gebäude Glücklich Connections ist ein Wiki mit mehreren Themenbereichen, um Dateien zu verwalten und zu hinterlegen, aber um vor alledem das gemeinschaftliche Arbeiten zu fördern. Wikis sind Sammlungen 29 von Seiten zu bestimmten unterschiedlichen Themen, die von Wiki-Mitgliedern bearbeitet oder kommentiert werden können. Im Connections-Wiki besteht die Möglichkeit, Sammlungen anzulegen, welche als Ordner fungieren. Hier müsste weiterhin die Erstellung von Unterordnern ermöglicht werden, damit eine Ordnerstruktur entsteht, die nach logischen Kriterien aufgebaut ist. Ein Benutzer erstellt ein Wiki. Er gibt dem Wiki einen Titel, fügt eine Beschreibung sowie Mitglieder hinzu. Den Mitgliedern wird mitgeteilt, dass dieses Wiki nun verfügbar ist. Nach den unterschiedlichen Zugriffsberechtigungen können die einzelnen Mitglieder das Wiki lesen, Seiten bearbeiten, kommentieren und eigene Seiten hinzufügen. Zu einem übergeordneten Thema können dabei jeweils zwei weitere untergeordnete Seiten sowie dem gleichgestellte Seiten erstellt werden. 5. Features 5.1 Suchfunktion Bisher kann man in der Connections Plattform die verschiedenen vorhandenen Bereiche einzeln durchsuchen. Allerdings wäre eine globale Suche über die gesamte Plattform wünschenswert. Sie ist auch grundsätzlich vorhanden, muss jedoch aktiviert werden. Die Ergebnisse dieser Suche sollten strukturiert ausgegeben werden, wie beispielsweise bei Ebay. Nach der Suche wird angezeigt, in welchen Kategorien das Ergebnis wie oft gefunden wurde. Dies ist die Grundlage für eine funktionierende Plattform, denn eine gute Suche bildet die Grundlage, damit sich „normale“ Benutzer zurechtfinden [6]. Vor allem wenn die Gebäude Glücklich GmbH Denkfabrik und Gebäude Glücklich GmbH Einstein miteinander verknüpft werden sollen, ist eine gute Suche unbedingt von Nöten [4]. Erstrebenswert wäre auch eine unterschiedliche Gewichtung von Überschriften, Tags und Volltext, um die Strukturierung der Ergebnisse zu verbessern. Neben der globalen Suche wäre eine Extra-Suche für Kollegen angenehm. Diese würde sich durch weitere Eingabefunktionen wie Standort, Position, Abteilung usw. auszeichnen. Zum Aufbau von Netzwerken unter den Gebäude Glücklich GmbH Mitarbeitern wäre dies sehr von Vorteil. 5.2 Administration Eine so große Plattform wie Gebäude Glücklich Connections benötigt natürlich Administrationen. Diese ist im Moment zentral angelegt. Um aber wirklich effizient arbeiten zu können, sollten mehr Mitarbeiter Schreibrechte bekommen, als nur die Administratoren. Die Arbeitskraft von vielen ist größer, als die von einzelnen Mitarbeitern. Außerdem führt die Arbeit vieler zur Entlastung einzelner. Auch die Probleme, welche beim Ausscheiden oder beim Urlaub der Administratoren auftreten würden, ließen sich so verhindern, da mehrere Mitarbeiter die aufgetretene Lücke füllen können. Weiterhin können sich so die Moderatoren um ihre eigentliche Aufgabe auf der Plattform kümmern und für Struktur und Strukturerhaltung sorgen. Die Einführung der Plattform in das Unternehmen fällt außerdem leichter, wenn jeder helfen kann. 5.3 Favoriten Es wäre wünschenswert, wenn sich jeder auf der Plattform eigene Favoriten setzen könnte. Beispielsweise bei den Wikiseiten, bei einzelnen Blogeinträgen oder bei bestimmten Fragen in der Denkfabrik. Diese Favoritenliste könnte auch auf der persönlichen Seite der Mitarbeiter einsehbar sein, um die soziale Komponente der Plattform zu unterstützen. So könnte man einem Kollegen, der sich mit einem ähnlichen Problem beschäftigt, wie man selbst, leicht eine Liste zur Verfügung stellen, mit Seiten, auf denen er Informationen findet. Auch die Favoriten zu abonnieren, könnte zu einer einfacheren Zugänglichkeit zur Plattform führen. Weiterhin werden mit öffentlichen Favoriten Wissenspools geschaffen. 5.4 Tagging Grundsätzlich entschließt sich Gebäude Glücklich Connections gegen die Einführung von Tags. In der Connections Plattform kann im Moment jeder seine Tags frei wählen. Dies führt allerdings bei unterschiedlichen Schreibweisen, verschiedenen Sprachen, Singular oder Plural oder Synonymen der Stichworte zu vielfachen Problemen [7]. Diese könnten durch moderierte Tags oder durch automatische Tag-Vorschläge verhindert werden. Dies ist aber beides nicht möglich. Automatische TagVorschläge gibt es in Connections nicht, moderierte Tags wären unverhältnismäßig viel Arbeit. Selbstordnendes Chaos funktioniert nur, wenn die kritische Masse für so etwas erreicht wird. Die Tags auf Connections sind aktuell nicht plattformübergreifend, nur so würden sie aber als Suche wirklich Sinn machen. 30 6. Didaktisches Planungsraster zur Einführung Nachfolgende Tabelle soll die Fragestellung abdecken, wann und in welcher Reihenfolge, welche Social Media-Anwendung, für welche Anforderungen und mit welchen Methoden zum Einsatz kommen soll. Sie zeigt, welche konkreten Inhalte dabei vermittelt bzw. bereitgestellt werden. Abb. 5: Beispiel Planungsraster Anwendungsfall 2 (2011) – Organisation einer Konferenz und Motivation von Teilnehmern über eine Collaboration-Plattform für den DNUG e.V. – The Enterprise Collaboration Professionals [8] Team-Mitglieder: Jan Gröne, Joana Köhler, Jennifer Leimeister, Lisa Luthardt, Anne-Kathrin Pabst und Astrid Schneider 1. Projektbeschreibung Die DNUG ist ein Verein zum Austausch von Erfahrungen zwischen Nutzern von IBM Social Business & Collaboration Software. Die Mitglieder des Vereins sind (neben Mitgliedern von IBM selbst) Anwenderfirmen und Businesspartner. Vor etwa 5 Jahren hat die DNUG die Online-Plattform “EULUC – Meet the Experts” erstellt, um auf dieser die Kommunikation zwischen den Anwendern zu ermöglichen. Sie basiert auf IBM Connections, einer Social Software für Unternehmen und bietet zusätzlich die Nutzung von IBM Sametime und IBM Quickr. Es wurden zwei zentrale Zielgruppen der Plattform ausgemacht: Einerseits die Mitglieder, die an dem Informations- und Erfahrungsaustausch interessiert sind, und andererseits potentielle Kunden, die die EULUC zu Testzwecken verwenden. Das zentrale Problem der Plattform liegt in einer nur sehr geringen Aktivität der Mitglieder. Beiträge werden immer gelesen, wobei nur sehr wenige Personen, meist Mitglieder der IBM, Beiträge verfassen. Dies führt zu einer einseitigen Kommunikation und einem Mangel an Content. Ziel dieses bearbeiteten Anwendungsfalls soll es sein, herauszufinden, woran es liegt, dass beispielsweise bestimmte Tools nur wenig genutzt werden, entsprechende Barrieren und Hemmschwellen zu beseitigen und somit letztendlich die aktive Nutzung der EULUC-Plattform zu fördern. Lernmaterial Erklärungs-Video: http://vimeo.com/27860247 2. Lehrkonzept Das Lehrkonzept umfasst drei große Phasen: Die erste Phase umfasst die Entwicklung der Lerninhalte. Sie orientieren sich an diesem Konzept und werden bis zum 08.07.2011 abgeschlossen sein. Anschließend folgen vom 11.07. bis zum 12.08.2011 fünf Themenwochen. Nachdem in der ersten Woche das Prinzip der verwendeten Learning Nuggets erklärt wurde, soll jede Woche jeweils unter das Motto eines Lernziels gestellt werden. Montags, Mittwochs und Freitags werden zu diesem Thema dann Inhalte mit Hilfe von Learning Nuggets auf der Plattform gepostet. Die Inhalte sollen dabei multimedial aufgebaut werden. 31 In der dritten Phase sollen sich die Mitglieder auf die DNUG Konferenz, welche vom 07. bis zum 09. November stattfindet, vorbereiten, indem sie das Barcamp-Konzept selbstständig umsetzen. Dabei kann die EULUC-Plattform eine zentralere Rolle bei der Abwicklung einnehmen. Vor allem das letzte Lernziel ist so angelegt, die User zur Eigeninitiative anzuregen. Im Folgenden wird nun als erstes die Methode der Learning Nuggets, mit Hilfe derer die Lerninhalte transportiert werden sollen, erklärt. 3. Learning Nuggets Learning Nuggets gelten als neue und vielversprechende Form des Microlearnings. Dabei wird Wissen in kurzen Lerneinheiten von wenigen Sekunden bis hin zu 15 Minuten vermittelt. Besonders Podcasts oder Microgames eignen sich für diese Form des Lernens, aber auch klassische Blog- bzw. Wikieinträge. Durch den Einsatz von Learning Nuggets wird vor allem das selbst organisierte, informelle Lernen der Nutzer gefördert. Learning Nuggets bieten die Möglichkeit, die Aufmerksamkeit auf bestimmte Themen zu lenken. Dabei wird das Interesse beim Nutzer geweckt. Im Anschluss gelangt dieser, möglichst über beigefügte Links, zu weiteren detaillierteren Informationen zu diesem Thema [9]. Der besondere Vorteil der Learning Nuggets für den Anwendungsfall EULUC wird an den Ergebnissen der durchgeführten Umfrage deutlich: Da viele Nutzer „zu wenig Zeit“ als Grund für die geringe Nutzung der Plattform angaben, stellen Learning Nuggets aufgrund ihrer Kürze eine optimale Möglichkeit der Informationsübermittlung und des Lernens dar. Des Weiteren werden viele Nutzer durch zu lange Texte abgeschreckt, was mit Hilfe der Learning Nuggets verhindert werden kann. Die erste Themenwoche wird sich damit beschäftigen, den Mitgliedern der EULUC das Prinzip der Learning Nuggets näher zu erläutern, den Mehrwert aufzuzeigen und Best-Practice Beispiele zu geben. Die nachfolgenden Themenwochen bauen auf dem erhaltenen Wissen der Mitglieder auf und werden dementsprechend in Form von Learning Nuggets übermittelt. So soll sichergestellt werden, dass das Interesse der Mitglieder durch kurze und interessante Informationen über ein Thema geweckt wird und diese sich eventuell über andere Kanäle weiter informieren. 4. Themenwoche Guidelines Guidelines als Motivationshilfen Um die Mitglieder der EULUC zu motivieren, Beiträge zu verfassen, wurde folgendes Lernziel definiert: Die Mitglieder der EULUC werden anhand von Guidelines lernen, Motivationshilfen für den Umgang mit Social Media zu verinnerlichen und diese praxisbezogen anzuwenden. Diese Woche steht unter dem Motto: „Schluss mit Verboten – Guidelines als Motivationsfaktor“. Im Falle der EULUC handelt es sich allerdings, wie bereits erwähnt, nicht um ein normales Unternehmen, das seinen Mitgliedern Vorschriften bezüglich Äußerungen und Verhalten im virtuellen Raum macht. Trotzdem ist es notwendig, den Mitgliedern der EULUC eine Reihe von Regeln als Hilfen auf den Weg zu geben, die im Umgang mit Social Media-Anwendungen nützlich sein sollen und zu unterstreichen, was man darf, nicht was man nicht darf. Der Begriff Social Media Guidelines soll hierfür neu diskutiert werden, da diese nicht zwingend Vorschriften darstellen sollen, sondern zum Schaffen von Motivation und zum Abbau von Hemmungen beitragen können – mit dem Ziel die Aktivität auf der Plattform zu fördern. Die Mitglieder sollen sich sicherer fühlen, indem sie beispielsweise wissen, worüber sie schreiben dürfen. Aus diesem Grund wurde der Slogan „Guidelines als Motivationsfaktor“ entwickelt, um nicht von Beginn an Verständnisprobleme zu erzeugen. Einzelne Beispiele dafür sind „Learn from your mistakes: Don’t be afraid to say you were wrong and be quick to make changes when you are“ [10]. Die einzelnen Anregungen sollen zusammengefasst als Wiki auf der Plattform abrufbar sein. Die Wahl des Tools begründet sich auf die Eigenheiten eines Wikis. Es sind Bearbeitungen und Anpassungen an die aktuelle Plattform und deren Veränderungen möglich, was sehr wichtig ist, denn die EULUC ist als Plattform kein starres Konstrukt, sondern wird durch die Dynamik der User bestimmt [4]. Des Weiteren sollen den Mitgliedern gut geführte Blogs mit passender Thematik als Best-Case-Beispiel und weiterführende Materialien an die Hand gegeben werden. Dies soll dazu führen, die einzelnen Regeln im Kontext zu verstehen und die Motivation zu steigern. Durch das Schaffen von Anregungen sollen die Mitglieder nun selbst in der Lage sein, die Motivationshilfen in eigenen Beiträgen oder einem eigenen Blog anzuwenden. Im besten Fall sind Motivation und Anregung so hoch, dass der Aufforderung nachgegangen wird, nun einen eigenen Eintrag zu verfassen. 32 Anwendungsfall 3 (2012) – Strukturierte Communities mit Mister X bei der IT Fleißig GmbH [11] Team-Mitglieder: Ricarda Bohn, Tanja Klindworth, Ina Majchrzak und Alexandra Wiebe Die Aufgabenstellung betraf die Optimierung interner Kommunikationsprozesse auf der IT Fleißig GmbH Plattform. Ziel des dritten Semesters war die Erstellung eines Grobkonzeptes, welches eine Guideline und einen Styleguide beinhaltet. In der Guideline werden Vorschläge für eine strukturierte und effiziente Nutzung der Connections Plattform geliefert. Zusätzlich wird im Styleguide der mögliche Aufbau einer Community präsentiert, um das Corporate Design und eine intuitive Nutzung sicherzustellen. Aufbauend auf diesem Grobkonzept, sollte im vierten Semester ein Feinkonzept erarbeitet werden. Im Mittelpunkt dieses Konzeptes steht das didaktische Planungsraster, welches Informationen zu einer Schulung bei IBM liefert. Diese Schulung wird erstmals an einer Pilotgruppe getestet. Außerdem war es Teil der Aufgabe erste Lehr-/ bzw. Lernmaterialien für eine spätere Umsetzung der Schulung zu erarbeiten. Abb. 6: Rückblick Wesentlicher Bestandteil der Zwischenpräsentation im dritten Semester waren die Suche nach Informationen und die Dokumentation von Informationen. Resultierend aus diesen Arbeitsprozessen wurde eine Such- und Ablagereihenfolge entwickelt, welche den Mitarbeitern das Vorgehen auf der Plattform erläutert, um schnellstmöglich an die gesuchten Kundeninformationen zu gelangen. Weiterhin wurde ein erstes Videotutorial erstellt, welches einen Einblick in die Kundenaktivitäten-Community liefern soll. Die Kernelemente des Grobkonzeptes, die Guideline und der Styleguide, wurden innerhalb des Planungsrasters weiter ausgearbeitet. Die Inhalte werden in tabellarischer Form dargestellt und kurz erläutert. Der genaue Ablauf der Schulungsphase wurde ausgearbeitet, das bedeutet, die Anzahl der Sitzungen, die Kalenderwoche, das Datum und die Dauer der einzelnen Elemente werden festgehalten. Des Weiteren war es besonders wichtig die Lehr- und Lernmaterialien, inklusive Methode, zu beschreiben und genaue Lernziele zu definieren. Abb. 7: Aufbau der Schulung Die Schulung ist in fünf Module unterteilt und soll im Zeitraum vom 09.01.2013 bis zum 03.04.2013 umgesetzt werden. Die Mischung aus Online- und Präsenzangeboten geht aus einer Literaturanalyse zum Thema e-Learning Didaktik hervor. Die Notwendigkeit einer Schulung zur Connections Plattform wird mit Hilfe der Umfrage verdeutlicht. Es geht zwar hervor, dass zwei Drittel der Mitarbeiter die Plattform regelmäßig nutzen. Allerdings geschieht dies nach eigenem Ermessen und führt auf Dauer zu Unübersichtlichkeit auf der Plattform. Außerdem wird deutlich, dass eine Guideline zum Umgang gewünscht wird. Hierbei ist es den Mitarbeitern laut Umfrage wichtig, dass diese keine strikten Regeln, sondern lediglich Empfehlungen und Tipps für einen effizienten Umgang enthalten soll. Im Rahmen der Schulung arbeiten die Seminarteilnehmer in der Seminar-Community, welche bereits beispielhaft auf Connections angelegt wurde. 1. Vorstellung des didaktischen Planungsrasters Das didaktische Planungsraster soll einen Überblick, über die Schulung bei der IT Fleißig GmbH geben. Abb. 8: Aufbau der Seminar-Community 33 In dieser Community findet die Kommunikation bezüglich des Seminars statt. Termine werden bekannt gegeben, Hinweise auf die zu bearbeitenden e-Learning Aufgaben bereitgestellt und Fragen im Forum beantwortet. Außerdem enthält die Seminar-Community weitere Fall-Communities. In diesen Fall-Communities findet die Bearbeitung der Szenarien und e-Learning Module statt. Die Seminarteilnehmer werden hierzu in drei gleich große Gruppen eingeteilt und den Fall-Communities zugewiesen. Die Aufgaben orientieren sich an dem realen Arbeitsalltag bei der IT Fleißig GmbH und sollen in Form von kleinen Anwendungsfällen aufgebaut sein. Im folgenden Auszug des didaktischen Planungsrasters wird ein Termin mit der dazugehörigen Sitzung, den Inhalten sowie Lernzielen beispielhaft vorgestellt. Abb. 9: Aufbau der Fall-Community Abb. 10: Beispiel Planungsraster 34 2. Vorstellung der Lernmaterialien 2.3 Storyboard zur „Suchreihenfolge“ 2.1 Mr. X In diesem Tutorialvideo soll erläutert werden, wie die IT Fleißig GmbH-Mitarbeiter vorgehen sollen, wenn sie nach Informationen in der Kundenaktivitäten-Community suchen. Um schnell an ihr Ziel zu kommen, können sie nach den Empfehlungen aus der Guideline, der sogenannten Suchreihenfolge, vorgehen. In der gesamten Schulung, vor allem in den Tutorialvideos, fungiert Mr. X als Leitfigur und begleitet die Teilnehmer durch die einzelnen Module. Abb. 11: Leitfigur Mr. X Grundgedanke bei der Leitfigur Mr. X war, dass dieser ebenfalls bei IT Fleißig GmbH in der TechSales Abteilung tätig ist, aber mit der Connections Plattform nicht immer zurechtkommt. Als Superheld optimiert er die Prozesse auf der Plattform und stellt die Ideen zu einer effizienten KundenaktivitätenCommunity vor. Abb. 13: Storyboard „Suchreihenfolge“ 2.2 Präsentationen zu den Tools: Wiki, Dateien und Foren Die Präsentationen beziehen sich auf das e-Learning Modul 1. Sie dienen dazu, dass sich die Seminar-Teilnehmer den Einsatz der Tools in der Kundenaktivitäten-Community selbstständig aneignen. Auf der Connections Plattform kann man die erweiterte Suche nutzen und abhängig von der Intention der Suche, verschiedene Filter einsetzen. Für Suchprozesse in der Kundenaktivitäten-Community wird empfohlen, entweder dokumentbezogen oder personenbezogen zu suchen. Der Aufbau und das Layout der Präsentationen sind stets einheitlich. Sie enthalten alle Informationen zur optimalen Nutzung, Vor- und Nachteile, ein Beispielvideo sowie die Aufgabenstellung. Abb. 12: Auszüge aus den Präsentationen zum e-Learning Modul 1 Abb. 14: Flow Chart zur Suchreihenfolge 35 Wenn Mr. X beispielsweise nach einem Protokoll von einem vergangenen Kundentermin bei der Firma XY sucht und sich an den Empfehlungen aus der Guideline orientiert, dann weiß er, dass Protokolle im Dokumentationsratser eingepflegt beziehungsweise verlinkt werden. Des Weiteren ist ihm bekannt, dass sich das Dokumentationsraster im Wiki befindet. Mr. X geht also in das Wiki der Firma XY und sucht dort nach den Schlagworten „Protokoll“, „Firma XY“ und eventuell nach dem Thema des Kundentermins etc. Wichtig ist auch, dass alle Tags bei der Suche berücksichtigt werden und so das Auffinden von Informationen erheblich erleichtert wird. Falls Mr. X sich erst einmal generell über den Kunden Z informieren möchte, kann er personenbezogen suchen. In der Kundenaktivitäten-Community öffnet er das Wiki, in welchem die Ansprechpartner zu den jeweiligen Kunden alphabetisch geordnet sind. Dort findet er Frau Meyer als Ansprechpartnerin für den Kunden Z. Anschließend sucht Mr. X nach Frau Meyers Profil und öffnet, wenn er dies gefunden hat, die Liste der Veröffent-lichungen von Frau Meyer. Nun hat er sein Suchfeld schon erheblich eingegrenzt und kann nun hier genauere Informationen zum Kunden Z suchen. Bei der personenbezogenen Suche werden ebenfalls die gesetzten Tags berücksichtigt. [7] Raabe, A. (2007). Social Software im Unternehmen: Wikis und Weblogs für Wissensmanagement und Kommunikation. Saarbrücken: VDM Verlag Dr. Müller. [8] Gröne, J., Köhler, J., Leimeister, J., Luthardt, L., Pabst, A., & Schneider, A. (2011). Übernahmen aus dem unveröffentlichten Feinkonzept für den DNUG e.V. (Auftraggeber anonymisiert), Wiki-Dokument. Fachgebiet Kommunikationswissenschaft, TU Ilmenau. [9] Robes, J. (2011). Aktuelle Trends im Microlearning: Learning Nuggets – Wunsch und Wirklichkeit. Personal führung 2/2011 – Microlearning und Edutainment. Düsseldorf: Deutsche Gesellschaft für Personalführung e.V. (DGFP e.V.), 50-53. Abgerufen 19.01.2013 von http://www.weiterbildungs blog.de/wp-content/uploads/2011/01/learning-nuggets.pdf [10] Kodak – Eastman Kodak Company (2009). Social Media Tips. Sharing lessons learned to help your business grow. Abgerufen 21.01.2013 von http://www.kodak.com/US/images/ en/corp/aboutKodak/onlineToday/Social_Media_9_8.pdf [11] Bohn, R., Klindworth, T., Majchrzak, I., & Wiebe, A. (2012). Übernahmen aus dem unveröffentlichten Feinkonzept für die IT Fleißig GmbH (Auftraggeber anonymisiert), S. 3-7,9,27-31. Fachgebiet Kommunikationswissenschaft, TU Ilmenau. Literatur [1] Schirmer, H. (2012). Warum große Firmen Social Media brauchen. Abgerufen 17.01.2013 von http://www.haraldschirmer. de/2012/11/21/warum-grose-firmen-social-media-brauchen/ [2] Lemme, D. (2012). Auszug aus einem persönlichen Erfahrungsbericht. [3] Heerwagen, D., Kalka, R., Reinhart, P., Schwella, A., & Töppe, H. (2010). Übernahmen aus dem unveröffentlichten Feinkonzept für die Gebäude Glücklich GmbH (Auftraggeber anonymisiert), S. 1-3,8-9,13,15,21-22,31-33. Fachgebiet Kommunikationswissenschaft, TU Ilmenau. [4] Janisch, H.-J. (2009). Einsatz von Social Software in einem Unternehmen am Beispiel der Motiondata Software GmbH. Norderstedt: GRIN Verlag. [5] Back, A., Gronau, N., & Tochtermann, K. (2008). Web 2.0 in der Unternehmenspraxis – Grundlagen, Fallstudien und Trends zum Einsatz von Social Software. München: Oldenbourg Wissenschaftsverlag GmbH. [6] Koch, M., & Richter, A. (2009). Enterprise 2.0 – Planung, Einführung und erfolgreicher Einsatz von Social Software in Unternehmen. München: Oldenbourg Wissenschaftsverlag. 36 Didaktische Produktion und professionelle Medienarbeit Vom Workflow zum „Flow at Work“ von Hans-Ulrich Werner Prof. Dr. Hans-Ulrich Werner 1. Einführung 2. Didaktische Medienproduktion: Beispiele Didaktische Produktion und professionelles Handeln für Medien sind eng verwoben. Übungsarbeiten markieren wichtige Lernphasen in der Ausbildung und Erfahrungsschritte für die Praxis. „Learning from the Masters“ (so der Titel eines amerikanischen Buches über Filmproduktion) hat den Charakter von Werkstattausbildung, als Weitergabe des eigenen, manchmal nur impliziten Wissens aus konkreten Problemen und Produktionen. Akademische Projekt- und Abschlussthemen entfalten mehr Raum für die eigenen Konzeptionen und kreativen Themenwelten. Es entstehen phantasievolle Formate, die Grenzen überschreiten und trotzdem in ihrer selbst gewählten Komplexität auf professionelle Praxis vorbereiten. Dort dominieren festgelegte Produktionsmodelle, die routiniert und immer auch als Unikat entstehen. Erfolgreiche Medienpraxis ist Ziel und Vorbild für Lernende, deren weiter gefasster Horizont aber auch experimentelles Arbeiten und damit unerforschte Lösungen beinhaltet. Im konkreten Handlungsfeld Medien und Informationswesen (M+I) an der Hochschule Offenburg steht die Medienproduktion – von der Konzeption bis zur Gestaltung – im Zentrum. In Labors und AV-Studios, Projekten und Experimenten, Abschlussarbeiten und Forschungen werden praxisorientierte Lösungen erarbeitet und auch neue Formate wie im Windkanal entworfen. Fachwissenschaften umgeben solche Workflows als Bezugssystem; Interdisziplinarität vernetzt sie als Medien in der Bildung mit der PH Freiburg, ja als „Bildung im Neuen Medium“, eine Perspektive, die wachsen soll [4]. In der Lehre erweitern sich solche Pole zur Triade, wie in der dicht entwickelten Mediendidaktik von Kerres [1], der einem umfangreichen Leitfaden folgt. Auch zum professionellen Handeln gehören also die Reflexion über die Lernkonzepte selbst, über Medienkonfigurationen, Expertenwissen und E-Learning-Systeme. Dafür nimmt sich berufliche Praxis oft zu wenig Zeit. In einer Masterstudie für die Weiterbildungs-Universität Krems konnten wir erkennen, dass in Studien der Mediengestaltung, das Knowhow der (Vor)Produktion von Inhalten und die Online-Qualität von E-Learning auseinander driften. Das ist ein Hinweis darauf, auch Lernmedien mehr in ihrer Ästhetik zu stärken und sie mit dem vitalen Enthusiasmus professioneller Medienproduktion zu überformen [2]. In solcher Perspektive fallen Lehr-und Lernprozesse und praktische Herstellung bewusster zusammen, bis zur „Interdisziplinarität als Grundlage des Online-Lernens“: „Durch neue pragmatische Sichtweisen trägt die Medienproduktion zur wissenschaftlichen Reflexion von Produktionsaspekten des Online Lernens bei und untersucht E-Learning-Produkte in der Medienproduktforschung“ [3]. Herstellungspraxis an einer Hochschule wie für die Kreativindustrie ist aber selten von Theoremen geleitet, eher von Modellen verdichteter Erfahrung. Medienproduktion ist konzentriert auf Ideen und Themen, ihre Akteure und Werkzeuge, Produkte, Abläufe und Strukturen. Technologie, Organisation Ästhetik und Reflexion wirken zusammen, auch intermedial für die zunehmende Cross-Media-Praxis. Diese umfasst ein Spektrum von Schrift, Bild und Photographie hin zu zeitbasierten Formen in Film, TV und Animation, sowie in audiovisueller Komposition und Medienkunst. Dabei ist der „Acoustic Turn“ in der Medien- und Kulturwissenschaft noch eher verhalten [4]. In den Synopsen der Workflows im „Handbuch Medienproduktion“ [5] lassen sich Sound und Design aber mit Gewinn in einer mittleren, vermittelnden Position sowohl eigene Klangsprache verstehen, wie auch synergetisch als Dienstleister zu allen anderen Medien, auch zu jenen, die wir noch nicht kennen. Dafür ist auch der theoretische Ausdruck Intermedialität behilflich, als anregender Schirmbegriff der Kulturwissenschaft zwischen Gattungen und Genres [6]: Im Längsschnitt, aus dem Medien historisch entstehen und vergehen; im aktuellen Querschnitt als reiche Fülle möglicher Formate von der Photographie zu Virtualität und Simulation. 37 Intermediales Gestalten wird dann zum doppelten Prozess: In den Medien als Transfer der Gestaltungskraft von einer Schicht zur anderen und als Zentrum von Produktions-, Lern- und systematischer Wissenskultur, die angewandt wie auch anwendbar ist. Medienbausteine und Einsatz stehendes Kunstbild Grafik Schirft/Text Typografie reales Standbild Ton, Klang, Sprache Fotografie Audio j j (auditive/audiovisuelle Medien) (+ interaktive Medien, Web, Multimedia) Print und PDF mobile Dienste digitale Produktion Computer/Netzwerke „Jederzeit - Überallmedien“ Mobilkommunikation bewegtes Realbild Film, Video zeitbasierte Medien statische Medien (Print, z.T. Web) Internet/Web, Intranet bewegtes Kundtbild Animation Film, TV auditive Medien Podcast, Video-Podcast Abb. 2: Interdependenzen und das Sensorama als interaktive Installation [9] Handy-TV Abb. 1: Medienelemente und ihre Übergänge (nach Ralf Lankau, Grafikwerkstatt Hochschule Offenburg 2012) In einem Medienkunstbeispiel der Offenburger Hochschule präsentierte 2007 das „ProjektionsAreal e.V.“ seine „Interdependenzen“. Zum Leitthema „Mensch und Raum“ wurden Exponate von klassischer Malerei bis zur interaktiv-medial erfahrbaren Umwelt ausgestellt. Bekannt wurde das audio-visuelle Künstlerkollektiv um Markus Joos und Daniel Klotz mit Beiträgen zur Ausstellung „CoolHunters“ (2005) am ZKM Karlsruhe. Das Konzept von „Interdependenzen“ entwickelte daraus ein breit gefächertes Netz medialer Möglichkeiten aus Graffiti, Fotografie und Illugrafie bis zu experimentell-interaktiven Räumen. Die zentrale Komponente bildet das „Sensorama“, eine Rauminstallation auf auditiv-visueller Basis. Das Verhalten der Besucher zueinander steuert die Atmosphäre und die Projektionen mit acht Beamern und acht Tonkanälen. Die Wechselwirkungen werden durch die Nutzer erfahrbar und können spielerisch variiert werden. Störungen beim Eintritt in den Sinnes- und Medienraum sind Chancen für ungekannte Permutationen und Möglichkeiten von Bildprojektoren, vielfältigen Klangspuren und Hörweisen, von Zufällen in Bewegung und Begegnung. Medienkunst als Hochschulprojekt macht dabei doppelt Sinn, um den Workflow für Medien mit dem Bewusstsein für das Werden der Mediensysteme insgesamt zu verbinden. Die Idee ist, dass wir in jeder Produktion die Entwicklung von Mediensphären als Ganzes abbilden und auch erleben, als Zusammenspiel von Geräten, Verfahren und theoretischen Diskursen. Im Motto des Mediologen und Kulturforschers Frank Hartmann findet das so einen Ausdruck: „Mit den Veränderungen der Praxis ändert sich auch die Theorie, deren Aufgabe es ist, eine Problemsicht zu entwerfen – nicht Antworten zu liefern, sondern die richtigen Fragen zu finden [8]. 3. Medienwissenschaft für die Praxis und umgekehrt Medienforschung widmet sich konkreten Produktionsräumen nur wenig, obwohl sich in Studios und an den Workstations die Medialität und Mentalität der Akteure besonders intensiv verkörpert. Montage ist der zentrale Entstehungsprozess der Medienwelt und wie Hörspielregisseur Detlev Ihnken in seiner Dissertation schreibt, immer zugleich auch ein „Labor der Emotion“ [10]. Erst an wenigen Universitäten und Hochschulen gibt es dafür Angewandte Medienwissenschaften, wie in Ilmenau oder an der ,ifs‘, der ,internationalen filmschule‘ in Köln. In ästhetisch-künstlerischer Dimension wirkt dort Gundolf Freyermuth auf die Ausbildung der Regisseure, Drehbuchautoren und Produzenten, mit intensiver Reflexivität des zukünftigen Medienfeldes [11]. Ganz anders entfaltet sich Medientheorie in der Grundlagenforschung aus Kultur- und Geisteswissenschaften. Dabei widmen sich die Studien kaum den konkreten Produktionsmethoden, sondern komplex montierten Diskursanalysen und Wissenskonstruktionen. Empirische Publizistik wiederum untersucht als Kommunikations- und Sozialwissenschaft besonders strukturelle Bedingungen in Mediensystem und Aussagenproduktion. Als Kommunikatorforschung hat sie hier seit Maletzkes ,Psychologie der Massenkommunikation‘ [12] ihren Stellenwert gefunden. Seltener sind dabei gestaltungsorientierte Arbeiten, wie über die TV-Cutterinnen von Renate Holy [13] oder zu den Musikjournalisten wie bei Günter Kleinen [14]. Bruno Latour, mit seiner für die Medienwissenschaften einflussreichen Akteurs-NetzwerkTheorie [15] und seinem prägnanten Slogan „Follow the actors“, bezieht sich daher oft und positiv auf den amerikanischen Kunstsoziologen Howard S. Becker, der selbst Musiker, Schriftsteller und Photograph ist. Er hat in seinen „Art Worlds“ [16] mediale und künstlerische Gestaltung als kooperativen und handwerklichen Prozess thematisiert. 38 In seinem klassischen Text gelingt es ihm, den Mythos von Kunstdeutung auf die Ebenen von Werkzeugen und praktischem Handeln zurückzuführen, weit vor das Genie und die Wertschätzung durch öffentliche Kritik: „Integrated professionals have the technical abilities, social skills and conceptual apparatus necessary to make it easy to make art“ [16]. Abb. 3: Howard S Becker am Jazzpiano, Praxis und Reflexion seit mehr als 70 Jahren [16] Auch im Bild der Mediologie [18] gerät die materielle, technische Basis der Medienarbeit besonders in den Blick. Sie wird ebenso wie das wachsende praxisbasierte Forschen in Design und Kunst in ihrem Wert für eine Medienwissenschaft unterschätzt, in der Forscher, Vermittler, Lernende und Macher direkt am Ort der Herstellung kooperieren. Dort verbinden sich das Handeln, die Produkte sowie der (autoethnographische) Umgang mit eigener Kompetenz und Erfahrung. Oft finden sich solche Zugänge an Kunst- und Musik-Universitäten. Lernen und Lehren bilden dort eine experimentierende Ebene, um Werke und Formate unabhängig vom Markt zu entfalten und sich doch darauf vorzubereiten [19]. Oder mit den Worten von Henk Borgdorff, dem steten Beobachter der künstlerischen Forschung: „Künstlerische Praxis – sowohl das Kunstobjekt als auch der kreative Prozess – verkörpert eingebettetes, implizites Wissen, das mit Hilfe von Experimenten und Interpretationen offenbart und artikuliert werden kann“ [20]. 4. Fundierung der Medienproduktion Die auf Produktion von Medien gerichteten Studiengänge in Deutschland und im Ausland suchen nach Dialogen zwischen Theorie und Praxis einer neuen Disziplin der Medienproduktion. Die Publikation „Medienproduktion“ von Heidi Krömker und Paul Klimsa [5] verringert Distanzen dazwischen als Marker einer interdisziplinären Produktionswissenschaft auf dem Wege. Herausgeber und Fachautoren formulieren forschend-reflektiert und handlungserfahren zugleich. Herstellungsalltag oft auf Pragmatik konzentriert, wird vielfältiger und transparenter durch Kunstund Gestaltungslehre, Wirtschaftskunde und Jura, Kommunikations- und Medienwissenschaft, Informations- und Medientechnik: „Da wir als Herausgeber des Handbuchs selbst interdisziplinär arbeiten, wissen wir, wie bedeutsam die Kooperation zwischen jeweiligen wissenschaftlichen Disziplinen im Feld der Medienforschung ist. Erst das Zusammenspiel von Technik, Organisation und Inhalt schafft ein fruchtbares Feld für Innovationen“ [5]. Das Ilmenauer Modell wirkt aber auch wie eine Widmung an die unermüdlichen Akteure in allen Medien und an deren noch unterschätztes kreatives Potential im Transfer zwischen den Bereichen. Hier vermittelt die synoptische Terminologie der Produktionsphasen ein Muster, das für Text, Ton, Bild, Druck oder Web vergleichbar ist. Herstellung entfaltet sich in jedem Bereich ähnlich und auch ganz eigen, fast wie ein Naturgesetz, von Idee und Thema über Pre-Produktion, Produktion und Postproduktion zu Distribution und ermöglichter Rezeption. Zentrale Rolle spielen dabei die Elemente Content, Technik und Organisation. Die Studierenden in Ilmenau haben daher das Model als CTO-Modell benannt und wenden es auf selbst entdeckte Fragestellungen an [21]. Komplementär fokussierte die Forschungsgruppe um Nicola Döring die dem vorangehende Planung und Entwurfsarbeit. Sie legt Grundlagen für eine noch wenig thematisierte Wissenschaft von der Konzeption [22]. Diese basiert auch auf frühen Modellen, wie der „Wissenschaft des Künstlichen“, durch den Kybernetiker Herbert Simon am MIT formuliert, von Oskar Wiener übersetzt und kommentiert [23]. Beeindruckend ist das Modellieren unterschiedlicher Felder, vom Architekten zum Ingenieur, von der Sozialwissenschaft zur Psychologie, und heute in Design und Bildung. Es wirken die Kunst und Wissenschaft des Entwerfens im individuellen Akteur wie im Workflow als eine übergreifende Logik angelegt, die ganze Kulturen und Gesellschaften prägen. Die oft implizite Tiefe des praktischen Knowhow braucht aber auch Brücken hin zu den Lernenden. Von Donald Schön stammt der berühmte, nie breit genug eingelöste Slogan vom „reflective practicioner“, der sein Erfahrungswissen mit expliziten Denkweisen in Labor, Studio, Betrieb und Lehre verbindet [24]. Damit wächst aber vielversprechend eine Praxis, die Reflexion und Erkenntnis auf sich selbst anwendet, während sie medial handelt, und umgekehrt in die konkreten Arbeitsfelder die Wissenschaftler nicht nur einlädt zum Beobachten, sondern zur Mitwirkung und zum Gestalten [25]. 39 In ihrer vorbildlichen Dissertation führt das die Schweizer Forschungsprofessorin und Designerin Claudia Mareis als Analyse kreativer Praxis in Begegnung mit akademischer Wissenskultur fort [26]. Entwerfen und Entwickeln ist bei ihr nicht auf Produkte oder Prozesse festgelegt, sie macht sie als universelle Strategien erkennbar. Sie vergleicht jetzt als Habilitationsarbeit noch tiefer Methoden und Formen von Kreativität, als gestalterische wie wissenschaftliche Erkenntnis. Mit ihren Kolleginnen Gesche Joost und Kora Kimpel hat Claudia Mareis auch den Sammelband einer neuen Designforschung herausgegeben. Im Titel vom „Entwerfen – Wissen – Produzieren“ [27] ergibt sich leicht der Anschluss an künstlerisch-wissenschaftliches Forschen, bis zur Promotion. Damit ermutigt die Deutsche Gesellschaft für Designforschung und Designtheorie kommende Generationen zum doppelten Blick. So wächst vielversprechend eine Praxis, die Reflexion und Erkenntnis auf sich selbst anwendet, während sie medial handelt, und in die konkreten Arbeitsfelder auch forschend hineinwirkt. Oder mit Graeme Sullivan, dem einflussreichen Protagonisten der auch bei uns erst entstehenden Artistic Research, die sich auf Medienproduzenten anwenden lässt: „The image of the artist as creator, critic, theorist, teacher, activist, and archivist partly capture the range of art practice today“ [19]. 5. Kreativität als Katalysator von Medienarbeit Zusammengehalten werden solche Aktivitäten und Akteure von der Kreativität als zentrale psychische Energie [28]. Nicht das Produkt allein oder die wissenschaftliche Innovation sind dabei das Ziel, sondern die Wege selbst als tiefe Erfahrung des eigenen Potentials – mit autotelischer Qualität, wie es der Pionier der Flowforschung, Mihaly Csikszentmihalyi, nennt. In vielen Kulturen hat der Forscher schöpferische Prozesse untersucht und sie nicht nur bei Künstlern und Wissenschaftlern, sondern ebenso bei Bauern, Chirurgen, Bergsteigern oder Arbeitern gefunden. Auch für ihn ist das Glück des Lebens und der Arbeit kein festes Ziel, sondern eine Reise, so der fröhliche Gelehrte aus Kalifornien. Ein Leben lang schon erforscht der aus Ungarn stammende Psychologe sein Thema mit Variationen. Entspannung und Hingabe machen für ihn FLOW aus [29], [30]. ‚Flow‘ bedeutet die Balance aus eigenen Stärken und intrinisischer Motivation. Unterfordern führt in Langeweile, Überlastung in ungesunden Stress, so Csikszentmihalyi, und er betont, wie wichtig das Design schöpferischer Umgebungen dafür sind. Statt Potential zu vergeuden, wird durch Flow (nach Bourdieu) „psychisches Kapital aufgebaut, wenn die investierte Aufmerksamkeit sich in einem komplexeren Bewußtsein niederschlägt – in verfeinerten Fähigkeiten, in einem tieferen Verständnis für ein bestimmtes Thema, in einer intensiveren Beziehung“ [28]. Inzwischen ist ‚Flow‘ sogar Kern einer neuen Disziplin amerikanischer und internationaler Forschung geworden: Als die auch in Europa gut aufgenommene „Positive Psychologie“ untersucht sie nicht Störungen und negative Faktoren des Bewusstseins, sondern fördernde Momente entlang der ganzen Lebensspanne [31]. Gerade für Lernprozesse und kreative Produktion in und für Medien sind solche eigenaktiven Momente sehr wichtig, Arbeitskulturen aber oft zu strukturell geprägt, bürokratisch und abstrakt. Sie verschenken intrinsische Motivation und die Chance für offenere, auch erfolgreichere Organisationen. Damit ergeben sich für die Arbeitswelt neue Erwartungen danach, dass Organisationen FLOW-Dimensionen bewusst gestalten, integrieren und Wirkungsfelder entfalten, die dem individuellen Tun mehr Raum geben. 6. Mediale und didaktische Produktion im Dialog Im abschließenden Beispiel wird dies am Medieneinsatz in der Bildung reflektiert. Seit 2011 hat unser gleichnamiger Partnerstudiengang mit der PH Freiburg begonnen, um didaktische Potentiale aller Medien zu erproben, aber nicht nur im E-Learning, genauso im Dokumentarfilm oder in der Radioarbeit. In Offenburg ist das Radiomachen intensiver Teil des Curriculums, freiwillige Aktivität von Studierenden sowie Element von Öffentlichkeitsarbeit und schulischer Medienpädagogik. Noch wenig ausgeprägt ist diese Medialität in und für die Wissenschaften selbst. In einem Pilotprojekt geht es um radiophone, audiovisuelle und trimediale Nutzung für alle Disziplinen und Felder der Hochschule. Ein fachliches Thema erhält also didaktische, institutionelle, journalistische und inhaltliche Umsetzungen, die von einer gestalterischen bis hin zu einer künstlerischen Kompetenz vertieft werden können. Mediale Kreativität bewirkt dabei beides: Sie ist Dienstleister und Impulsgeber, aber auch beteiligt an der „Fabrikation von Erkenntnis“, wie es die Soziologie für wissenschaftliche Labore beschreibt und auf Medien übertragbar macht [32]. 40 Didaktische Umsetzung Institutionelle Umsetzung Journalistische Umsetzung Produktion von Produktion von Produktion von Beiträgen wissenschaftlichen Imagefilm, Werbespot, für den Einsatz in der Beiträgen über die oder weitere PR-Beiträge Lehre in den Themen der Hochschule für die Website Fakultäten/als Beispiel für das Fachpublikum, der Fakultäten, für Medien in der z.B. für eine der Hochschule, für Bildung/oder für die wissenschaftliche Werbekampagnen usw. Schulen. Beispiel: Nachrichtensendung Audiovisuelle Tutorials, oder für die Website Lernmaterial usw. einer wissenschaftlichen Publikation. Einsatz: Lehre in den Fachbereichen/ „Medien in der Bildung“/Schulen Einsatz: Marketing/ Öffentlichkeit Einsatz: Massenmedien/ Fachpublikum/OHR Wissenschaftliche Umsetzung Beobachtung und Dokumentation des Projekts anhand qualitativer Methoden für die Publikation eines gemeinsamen Artikels über den Prozess. Studenten publizieren gemeinsam mit allen Akteuren des Prozesses. „Forschendes Lernen“ Einsatz: Akademie Abb. 4: Mehrdimensionales Modell für das Campusradio Offenburg [7] Für kommende Semester wird ein Wahlfach „WissensMedien – Vom Radio zur Trimedialität“ angeboten, das vom Hochschulradio organisiert und unterstützt wird. Produktionen der Studierenden werden für die Lehre nutzbar. Sie sind auch gedacht für Öffentlichkeitsarbeit, die Didaktik einzelner Fächer und für laufende Sendungen, gemeinsam mit dem PH-Radio in Freiburg und dem regionalen Radio OHR im Programm. Sowohl für die TeilnehmerInnen im Projekt wie für alle Studierenden und Lehrenden an der Hochschule wird parallel zu den redaktionellen Prozessen und Erfahrungen eine ,Wissenslandschaft über die Wissensmedien‘ aufgebaut, gemeinsam mit dem Informations- und E-Learningzentrum. Die Entwicklung des Themas im Hochschulalltag ist ein fließender Übergang von der oft nur persönlichen Themenauswahl der Studierenden zu neuen redaktionellen Schwerpunkten: Es geht künftig darum, Wissensthemen aufzubereiten und sich an neue, anfangs schwerverständliche Gebiete zu wagen. Gleichzeitig erweitert sich potentiell der Kreis der Medienmacher: Berichterstatter und Erzähler aus allen Wissensgebieten können sich das praktische Knowhow in offenen Kursen erarbeiten und im Team mit Medienstudierenden gestalten. Unterschätzt wird in bisherigen Beiträgen oft die Möglichkeit, die eigenen Gestaltungsmittel zu erweitern, statt sie an gängigen Formaten privater oder kommerziell orientierter Sender auszurichten. Gerade von Studierenden aus dem mediendidaktisch fachlichen Master ,Medien in der Bildung‘, wie in den benachbarten Masterprogrammen mit Überschneidungen zur didaktischen Medienproduktion ist ein doppelter Blick und Zugang denkbar, durch vorbildliche Produktionsmuster und deren gleichzeitiger Reflexion: Eine „transdisziplinäre Offenheit“ nicht nur für die Bezugswissenschaften, die um die zentrale Medienproduktion gruppiert sind, sondern auch mit Leerstellen für Neues in der Forschung, in der Produktion und immer wieder auch dazwischen: „Am Ende entsteht kein Produkt nur nach den ursprünglichen inhaltlichen Intentionen des Autors, sondern ein Produkt, das entsprechend dem Produktionsprozess modifiziert ist. Diese organisatorische Modifikation auf verschiedenen Stufen des Produktionsprozesses kann (muss aber nicht) den Contentproduzenten bewusst sein. In der Produktionspraxis wird sie genauso oft in allen ihren Implikationen unterschätzt, wie später auch in der wissenschaftlichen Reflexion“ [3]. 41 7. Literatur [1] Kerres, M. (2012). Mediendidaktik. Konzeption und Entwicklung mediengestützter Lernangebote. München: Oldenbourg Wissenschaftsverlag. [17] Becker, H. S. (o.J.). HOWIEs home page. Abgerufen 20.12.2012 von http://home.earthlink.net/~hsbecker/ photos_504.html [2] Ploch, K. (2010). E-Learning in künstlerischen Studiengängen. Krems: Donau-Universität. [18] Hartmann, F. (2003). Mediologie. Ansätze einer Medientheorie der Kulturwissenschaften. Wien: Facultas. [3] Issing L., & Klimsa P. (Hrsg., 2010). Online-Lernen: Planung, Realisation,Anwendung und Evaluation von Lehr- und Lernprozessen online. München: Oldenbourg Wissenschaftsverlag. [19] Sullivan G. (2010). 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Dieses stellt eine spezielle Form des BarCamps dar, einer sich größtenteils selbst organisierenden „Mitmach-Konferenz“, bei der der Schwerpunkt auf medienpädagogischen Fragestellungen und neue Methoden und Möglichkeiten des Lehrens und Lernens liegt. Dabei wird vor allem der Einsatz von Medien im Bildungskontext an Schulen, Hochschulen und in Unternehmen betrachtet. Im Oktober 2012 fand das EduCamp bereits zum zehnten Mal statt. Das Jubiläums-Camp wurde gemeinsam mit dem VC-Campus und dem Young Entrepreneurship Research Colloquium (YERC) vom 18. bis 21. Oktober als gemeinsame Veranstaltung gründen.lernen.wissen. an der Technischen Universität Ilmenau veranstaltet. Dabei erhielten Teilnehmer aus den Bereichen der Wirtschaft, Bildung und Wissenschaft die einmalige Chance, zu netzwerken, zu lernen und über den Tellerrand zu blicken. Binnen vier Tagen konnte jeder Teilnehmer Eindrücke zu den Perspektiven und Erkenntnisse anderer Bereiche zum Thema Unternehmensgründung und zu den Trends im Bildungsbereich gewinnen. Das EduCamp läuft dabei allerdings nicht wie eine klassische Konferenz ab: Die Themen werden nicht von den Organisatoren im Vorfeld vorgegeben, sondern vor Ort von den Teilnehmern selbst vorgestellt und ausgestaltet. „Jeder der Teilnehmer ist dazu aufgefordert, ein eigenes Thema einzubringen, über das er gern referieren bzw. diskutieren möchte. Dies kann dann während des EduCamps durch Vorträge, Workshops, Diskussionsrunden und auch jede andere Methode des (wissenschaftlichen) Austausches realisiert werden“, so Jennifer Leimeister, Mitorganisatorin der Veranstaltung. Anschließend werden die so festgelegten Sessions auf dem Tagesplan und die zur Verfügung stehenden Räumlichkeiten verteilt. Abb. 1: Befüllen des Sessionplans So wurde beim zehnten EduCamp beispielsweise über die Nutzung von Etherpads an Hochschulen oder den Einsatz von Sketchnotes diskutiert. Auch fanden Themen wie Selbstgesteuertes Lernen, Unterrichtsgespräch 2.0, E-Portfolios, Podcasts, Bildungsutopia oder Reformschulen großen Anklang. In der Session „Visuelle Medien im Unterricht – Conceptboards, Tablets, Smartboards“ wurde das browserbasierte Tool „Conceptboard“ vorgestellt, welches für das kollaborative Arbeiten in Gruppen geeignet ist. „Warum aber soll eine neue Software genutzt werden, wenn viele Schulen bereits im Besitz von Smartboards sind?“, so einige Stimmen aus der Sessionrunde. Der wesentliche Vorteil des Conceptboards liegt in der Möglichkeit, auch von zu Hause an Projekten weiterarbeiten zu können. Der Praxistest einer anwesenden Lehrerin, die dieses Tool bereits genutzt hat, bekräftigt die Vorteile des Conceptboards. Derzeit ist allerdings nur eine Online-Nutzung möglich – Schulen sind meist nicht in der Lage, eigene Concept-Server bereitzustellen. 43 Organisiert wurde die Veranstaltung neben den Verantwortlichen der drei Teilveranstaltungen auch von Studenten der TU Ilmenau im Rahmen verschiedener Lehrveranstaltungen und weiteren Freiwilligen. Die Vorbereitungen starteten bereits Anfangs 2012 mit dem Fundraising. Jennifer Leimeister beschreibt das Event als „eine große Herausforderung an die Zusammenarbeit im Team, da bei der Planung des Events auf alle Auftraggeber und deren Wünsche und Vorstellungen eingegangen werden musste, was nicht immer einfach war.“ Abb. 2: Diskussionen im Audimax Gespannt wurde abgewartet, wie die aktive Podiumsdiskussion zum Thema „Versandet die Bildungsbranche in Ideenlosigkeit“ angenommen wurde. Bei der Diskussion wurde das FishbowlFormat angewandt, bei dem jeder aus dem Publikum die Chance hatte, einen der Sitze auf dem Podium zu besetzen und seine Meinung zu äußern. Auffällig ist, dass diejenigen, die schon öfter dabei waren, anfangs etwas offener sind. Neulinge beobachten größtenteils zunächst das Geschehen. „Das legt sich aber schnell, denn zu den meisten Themen hat jeder eine eigene Meinung“, stellt Jennifer Leimeister fest. Am EduCamp kann jeder, der Interesse hat, teilnehmen. Auch dieses Jahr zeigte sich wieder, dass vom Erstbesucher bis zum Urgestein jeder vertreten war, was sehr wichtig für die Veranstaltung ist, denn wie Jennifer Leimeister betont: „Durch die Teilnahme der EduCampler lebt das Camp“. Ergebnisse und Informationen zum EduCamp sind zu finden unter: http://educamp.mixxt.de/ Das nächste EduCamp findet vom 12. bis 14. April in Hamburg statt. Abb. 3: Bildungsutopia-Session 44 Manfred Spitzer (2012): „Digitale Demenz“ „Wie wir uns und unsere Kinder um den Verstand bringen“ Eine Buchbesprechung von Paul Klimsa Prof. Dr. Paul Klimsa „Wird das Gehirn gebraucht, wächst es, wird es nicht benutzt, verkümmert es“, so die Eingangsthese von Manfred Spitzer, des Ulmer PsychiatrieProfessors, der in seinem Buch unter dem Titel „Digitale Demenz“ den Nachweis führen will, wie wir uns selbst und unsere Kinder mit der Nutzung digitaler Medien um den Verstand bringen. Der Autor will „ein sehr unbequemes Buch“ schreiben. Es ist also in dieser kurzen Besprechung zu klären, wie und für wen das Buch unbequem sein könnte? In der Neuro-Wissenschaft besteht seit langem ein Konsens: Das Gehirn ist ein anpassungsfähiges Organ, dessen Entwicklung von den Interaktionen mit der Umwelt abhängt. Ein Beispiel der Londoner Taxifahrer, deren Hypocampus nachweislich – offenbar unter dem Einfluss ihrer beruflichen Aufgabe – wächst, soll diese These in Kapitel eins gut belegen. Im folgenden Kapitel wird uns dann erklärt, wie das Gehirn funktioniert. Aber die hier leichtverständlich zusammengefassten Forschungsergebnisse, einige Anekdoten und manche Skurrilitäten helfen wenig, die Komplexität des einzigartigen Organs zu begreifen. Vielmehr ist der Autor bemüht, den Lesern das Prinzip des geistigen Abstiegs, der Demenz, zu erklären. Obwohl das Kapitel mit dem Krankheitsbild der Demenz beginnt, erläutern die Ausführungen nicht die Krankheit, sondern sollen belegen, dass ohne aktive Auseinandersetzung mit der Umwelt keine geistige Leistungsfähigkeit möglich ist. Die Demenz ist lediglich eine Metapher, wobei allerdings die Frage unbeantwortet bleibt, wie sich ein Mensch mit der Umwelt, in der er lebt, – dazu gehört natürlich ebenfalls die digitalisierte Medienumwelt – nicht auseinandersetzen kann? Um die Metapher der Demenz doch noch aufrechtzuerhalten, sucht der Autor einige einseitige Beispiele, die allesamt nachweisen sollen, wie unsinnig man digitale Medien in der Bildung und überall sonst einsetzt. Erneut wird eine zentrale Frage ausgeklammert: Konnten die Medien früher und können die digitalen Medien heute ohne Verankerung der Medienkompetenz im System Bildung irgendwas verbessern? Es stimmt natürlich, dass digitale Medien allein das Lernen nicht erleichtern. Die Pädagogik weiß das seit über 30 Jahren. Mit der Notwendigkeit einer Reform des Bildungssystems setzt sich der Autor trotzdem nicht auseinander. Es reicht ihm im Wesentlichen zu zeigen, dass Informationstechnik keine überragende Lernerfolge herbeigeführt hat. Will man über das zweckmäßige pädagogische Handeln mehr wissen, muss man auf ernsthafte Forschungsergebnisse zugreifen, wie beispielsweise auf die Studie von John Hattie, die zeigt, welche Faktoren das Lernen fördern und welche es hemmen (vgl. „Visible Learning“ 2008) oder auf Erkenntnisse weiterer Wissenschaftlern (vom G. Hütter, E. Stern bis G. Roth), die seit Jahren differenzierte Analysen vorlegen. Kritik verlautet vom Autor auch u.a. gegen soziale Netzwerke oder gegen Auslagerung des Wissens in „eine Wolke“, womit eine virtuelle Informationsumgebung gemeint ist. Kritikwürdig sind nach der Ansicht des Autors zudem solche Entwicklungen wie BabyTV, DVDs für Kleinkinder, Laptops im Kindergarten oder digitale Spiele. Durch Multitasking, d.h. durch die gleichzeitige Nutzung von verschieden Medien, wird die Aufmerksamkeit der Nutzer zudem stark gestört. Auch in diesem Fall ist es sinnvoll, die Thesen des Autors zu hinterfragen und durch weiterführende Forschung der Neurowissenschaft und der Pädagogik zu vertiefen (vgl. u.a. Herrmann, U. (Hrsg., 2006). Neurodidaktik. Grundlagen und Vorschläge für gehirngerechtes Lehren und Lernen. Weinheim/ Basel: Beltz.). Dem Autor reichen wenige negative oder verkürzt interpretierte Beispiele, um die Folgen der Nutzung digitaler Medien als verehrend einzustufen. Schlaflosigkeit, Depression und Krankheiten sind fast zwangsläufig, führt er aus. Die Krankheiten peinigen dabei nicht erwachsene Menschen, sondern treffen Kinder, bei denen sich im Laufe der kommenden Jahre alle gesundheitlichen Schäden kumuliert haben werden. Manfred Spitzer übersieht jedoch, dass seine Kritik an den digitalen Medien randständig bleibt. Kommunikation und digitale Kommunikationsmedien sind aus unserer Gesellschaft nicht einfach wegzudenken oder abzuschaffen. 45 Genauso wenig wie Automobile, Energiewirtschaft oder Krankenhäuser. Die Probleme liegen nicht so sehr in den Werkzeugen der Kommunikation selbst, sondern in ihrer durch gesellschaftliche Umstände bedingten Nutzung. Wenn Kinder in sozial schwachen Familien aufwachsen, sind deren Aufstiegschancen begrenzt. Sie verwahrlosen manchmal sogar. Stundenlanger Medienkonsum ist nur einer der Indikatoren dieser Verwahrlosung und nicht ihre Voraussetzung. Arme Menschen ernähren sich falsch und sind häufig häuslicher und schulischer Gewalt ausgesetzt. Im Bildungssystem erfahren die Sozialschwachen immer noch Ausgrenzung. Indem aber digitale Medien vom Autor des Buches als schuldig erklärt werden, wird die Aufmerksamkeit der Öffentlichkeit von den tatsächlichen Problemen geschickt abgelenkt. Für den Amoklauf eines Schülers sind dann in Augen der Politik und der nicht weiter informierten Öffentlichkeit die digitalen Spiele verantwortlich und nicht etwa die spezielle Situation des Schülers oder das immer noch – trotz zahlreichen wissenschaftlichen Erkenntnisse – reformbedürftige Bildungssystem. Dieses vom Autor gelieferte Erklärungsmuster wird von Teilen der Politik dankbar aufgegriffen, um nicht handeln zu müssen. Wenn man sein Wissen über die Potentiale und Probleme der digitalen Kommunikation nur aus dem vorliegenden Buch beziehen wollte, so wäre das medieninkompetent und unverantwortlich. Wer in der vorliegenden Publikation erkenntnisreiche Hinweise erwartet, die dabei helfen, mit digitalen Medien verantwortungsvoll umzugehen, wird enttäuscht. Wer ohnehin der Meinung war, dass Kommunikation mit Hilfe digitaler Medien stumpf und angsteinflößend ist, wird ebenfalls leer ausgehen. Das Buch ist damit eher überflüssig als unbequem. 46 Impressum Herausgeber: Prof. Dr. Paul Klimsa Prof. Dr. Heidi Krömker (paul.klimsa(at)tu-ilmenau.de) (heidi.kroemker(at)tu-ilmenau.de) Chefredaktion: Dipl.-Ing. Janine Liebal Dipl.-Medienwiss. Oliver Klosa (janine.liebal(at)tu-ilmenau.de) (oliver.klosa(at)tu-ilmenau.de) Verantwortliche Redakteure: Franziska Baier(franziska.baier(at)tu-ilmenau.de) Katja Nörthen(katja.noerthen(at)tu-ilmenau.de) Anne-Kathrin Pabst(anne-kathrin.pabst(at)tu-ilmenau.de) http://www2.tu-ilmenau.de/zsmp/ Anschrift / Besucheradresse: Technische Universität Ilmenau Technische Universität Ilmenau FG Kommunikationswissenschaft Institut für Medientechnik Ehrenbergstr. 29FG Medienproduktion 98693 IlmenauGustav-Kirchhoff-Str. 1 98693 Ilmenau PF 10 05 65 98684 Ilmenau Layout: Franziska Baier Linette Heimrich B.A. Dipl.-Ing. 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