Seite 64: Bernd Schneider
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Seite 64: Schach-Fragen Bernd Schneider ... ist in Schachkreisen NRWs eine Legende. 1986 – da der Titel noch etwas hermachte – IM geworden, dominierte er in Folge mit der SG Solingen dreimal die Bundesliga und wurde 1990 Europapokalsieger. Nach seinem Wechsel zum Ortsrivalen Aljechin war er wesentlich an der Fusion der beiden großen Solinger Vereine beteiligt. Früh schon entwickelte er eine in der Schachszene damals kaum bekannte Geschäftstüchtigkeit und wurde »Dienstleister« rund um die 64 Felder. Folgerichtig fast seine weitere berufliche Entwicklung zum Immobilienvermittler und – heute – größten antiquarischen Schachbuchhändler Europas. Schneider, 50, der kein Heimspiel von Borussia Mönchengladbach auslässt, ist verheiratet und hat eine 22-jährige Tochter. 1. Wo möchten Sie im Moment gerne sein? Obwohl meine Heimatstadt Solingen eine »wunderschöne« ist, verbringe ich im Moment gerne viel Zeit in Berlin. In den 1990er Jahren bin ich mit meiner Frau zu den beiden Pokalendspielen mit Gladbacher Beteiligung gefahren, später kamen die Spiele gegen Hertha hinzu. Da uns die im steten Wandel befindliche Metropole faszinierte, waren uns die Fußballtermine bald nicht mehr genug, inzwischen reisen wir auch ohne besonderen Anlass häufig an die Spree. Ende Oktober steht wieder Hertha-Gladbach an und auch für die legendäre Halloween-Party am 31.10. im KaDeWe sind die Eintrittskarten schon gebucht. Überhaupt ist die tolle Feinschmecker-Etage im KaDeWe stets unsere erste Anlaufstelle. 2. Was würden Sie tun, wenn es ab morgen absolut kein Schach mehr in Ihrem Leben geben würde? Dann würden zu meinem Glück die unsäglichen EinMinuten-Partien bei schach.de entfallen! Ich beobachte seit Jahren mit Schrecken, in welche Abhängigkeit mich die sinnlose Zockerei zwingt. Darüber hinaus würde mir ein Verzicht wenig zusetzen, da ich ohnehin kaum mehr aktiv bin. Aber, oje!, dann gäbe es auch keinen Schachbuchhandel mehr – eine fast existenzbedrohende Fiktion. Erzwungenermaßen würde ich mich dann wieder intensiver der Immobilienvermittlung widmen. Derzeit »führt« Schach noch mit ca. 70 zu 30 Prozent. Ohne Schach würde ich meine »passiven Sportaktivitäten« ausweiten und vermehrt Leichtathletikfeste besuchen, etwa die EM 2016 in Amsterdam. Neben den »Pflichtterminen« bei Gladbach wäre ich häufiger in Bonn beim Basketball: wie Blitzschach ein Hochgeschwindigkeitssport – die Wurfuhr tickt unerbittlich! Im krassen Gegensatz dazu könnten mich Kanu-Touren über die Wupper reizen: deutlich gemächlicher und ideal, um ’runterzukommen. 3. Was halten Sie a) für die schädlichste und b) für die beste Entwicklung im modernen Schach? 64 a) Betrug mit Computerhilfe ist ein Thema, bei dem ich kaum zu bremsen bin, da ich vor zwei Jahren selber Opfer eines Betrügers wurde. 2013 wies ein junger Meisterspieler eine übermenschlich hohe Übereinstimmung mit Houdini-Zugvorschlägen auf. Ilja Schneider deckte den Skandal in SCHACH 5/2013 auf. Ich glaubte damals noch, dass für einen derartigen Computerbetrug eine Liveübertragung der Partien erforderlich sei, und ging in der Schlussrunde der NRW-Schnellschachmeisterschaft 2013 gegen eben diesen IM mit jeder Menge Unbehagen, jedoch ohne Argwohn ans Brett. Ich wurde auf brutale Art und Weise demontiert! Mein Gegenüber beließ seine linke Hand während der Partie permanent in der Hosentasche. Erst nach dem anschließenden Dortmunder Open wurde mir bewusst, dass er die Züge per Morsezeichen mittels Handy übertrug und Zugvorschläge von außen zugespielt bekam. Zwar wurde er in Dortmund disqualifiziert, sein Handy konnte jedoch nicht als Beweismittel konfisziert werden. Bis heute darf dieser Spieler an Deutschen Mannschaftsmeisterschaften teilnehmen, da Vergehen in Privatturnieren nicht vom DSB sanktioniert werden können. Ebenso sieht sich NRW rechtlich außerstande, ihm den offensichtlich durch Manipulation errungenen Schnellschachtitel 2013 abzuerkennen. Bei dieser Gelegenheit: Der in der Schachpresse vielzitierte »Fall Bindrich« beruht vergleichsweise auf einer »Jugendsünde«. Wie geht man künftig mit solchen Betrügern um? Der Deutsche Schachbund hat eine »Spielervereinbarung« ausgearbeitet, in der er sich eine Sanktionsbefugnis erteilen lässt. Es wird klargestellt, dass es dem Schiedsrichter zusteht, Kleidung, Gepäck etc. sowie ggf. auch den Spieler selbst zu durchsuchen (vgl. SCHACH 9/2015, S. 69, d. Red.). Für mich eine Selbstverständlichkeit – werde ich doch auch vor jedem Flug vom Sicherheitspersonal überprüft, was letztlich unser aller Sicherheit dient. Schach 10/15 Seite 64: Schach-Fragen Es gibt jedoch auch Gegner der Spielervereinbarung, die ihre Persönlichkeitsrechte verletzt sehen. Sicher ist ihnen das Gefühl der Hilflosigkeit fremd, von einem »computergesteuerten« Gegner vorgeführt zu werden. Unrühmlicher Höhepunkt war der Rückzug des Godesberger SK aus der 2. Bundesliga – nach Meldeschluss! Godesberg steht somit als erster Absteiger der Staffel West fest. Infolgedessen sind keine Titelnormen möglich, statt der dafür benötigten neun Partien werden nur deren acht gespielt. b) Andererseits bietet das Internet dem Schach hervorragende Möglichkeiten. Während ich diese Zeilen schreibe, verfolge ich parallel die Partien des Russischen Superfinales. Habe ich mitten in der Nacht Lust auf eine Partie, so finde ich auf einem der Server in Sekundenschnelle einen Gegner. 4. Wer ist Ihrer Meinung nach die am meisten unterund die am meisten überbewertete Persönlichkeit der Schachgeschichte? Für mich wird Robert Hübner unterschätzt, was die Würdigung seiner schachlichen Leistungen angeht. Von 1971 bis 1988 war er stets unter den Top20 der Weltrangliste zu finden, von 1981 bis 1984 rangierte er unter den Top10 und im Juli 1981 lag er hinter Karpow und Kortschnoj sogar auf Platz 3! Auch wenn »der beste deutsche Schachmeister seit Emanuel Lasker« nie einen populären Spielstil pflegte, sind sein Schachverständnis und seine analytischen Fähigkeiten grandios bzw. nahezu einmalig. Der breiten Öffentlichkeit ist Hübner jedoch eher aufgrund des abgebrochenen Kandidatenfinales 1981 gegen Kortschnoj in Meran bekannt. Helmut Pfleger versuchte es damals so zu deuten: »Ich glaube, Hübner erlaubt sich unbewusst in einer Selbstbestrafungstendenz selber nicht den Sieg«.* Robert Hübner ist ein hochintelligenter Mensch und ein phantastisch begabter Schachspieler, doch halte ich ihn für überschätzt, sobald man seine schwierige Persönlichkeit einbezieht. Die zwei abgebrochenen Kandidatenmatches (neben 1981 der Wettkampf gegen Petrosjan 1971 in Sevilla) waren für das Ansehen des Schachs in Deutschland eine Katastrophe. Er stand an der Spitze der wenigen Verweigerer der Spielervereinbarung. Als er sich einst der potenziellen »Drohung« einer Dopingprobe verwehrte, bedeutete dies das Ende seiner Nationalmannschaftskarriere. Auf SCHACH-Leser muss es irrational gewirkt haben, dass Hübner seinem Buch 66 saftige Schnitzer die Autorisierung absprechen und dem Verleger Jörg Hickl den weiteren Verkauf untersa* zitiert nach Wolfram Runkel: Die heimliche Flucht des Robert Hübner, DIE ZEIT, 16.1.1981 Schach 10/15 gen wollte (vgl. SCHACH 6/2015, S. 56). Der Beispiele ließen sich mehr anführen, wobei ich meine eigenen Negativerfahrungen, u. a. auch als Mannschaftskollege, hier nicht thematisieren möchte. 5. Mit welchen Klischees über Schachspieler sehen Sie sich konfrontiert und wie kommentieren Sie diese? Die Antworten auf diese Frage ähneln sicher einander, daher versuche ich es mit einem neuen Ansatz: »Sie sind Schachmeister und haben eine Tochter? Sie eifert dem Vater doch nach?« Meine Antwort überraschte die meisten: »Nein, meine Tochter kennt nicht einmal die Grundregeln des Schachspiels«. Bei Insidern schob ich zuweilen beruhigend nach: »Dafür konnte sie schon im Alter von drei Jahren im Turniersaal flüstern« (was einige aktive Spieler dringend noch lernen sollten). 6. Mit welchen Vorurteilen über Ihr Schach oder Ihre Person würden Sie gerne aufräumen? Ich bin einiger Vorurteile über mich gewahr geworden, die ich allesamt nicht ausräumen kann. Jawohl, ich habe das weltweit eingeschränkteste Eröffnungsrepertoire eines Titelträgers. Und ja, Ende der 1980er Jahre galt ich in der Tat als sehr geschäftstüchtiger Profi. Heute bin ich nur noch tüchtig ... 7. Welche Themen möchten Sie in der Schachöffentlichkeit/Schachpresse stärker behandelt wissen? Mich interessiert der Mensch, der sich hinter den Partien verbirgt. Ich fände es interessant, zu erfahren, wie der Alltag eines Weltklassespielers aussieht. Auch bei einigen derer, die sich (weitgehend) vom Schach zurückgezogen haben, sähe ich spannende Ansatzpunkte. GM Jeroen Piket: Wie lebt es sich als Privatsekretär von Joop van Oosterom in Monaco? GM Eric Lobron: Wie ist das Leben an der Seite eines Supermodels und bedeuten die zwei Partien im Mainzer Zweitligateam die Rückkehr auf die Schachbühne? GM Ralf Lau: Was macht ein deutscher Großmeister im Vorruhestand in Linz? GM Waleri Salow: Wieso beendet ein Weltklassemann im Alter von 35 Jahren seine Schachkarriere? 8. Was möchten Sie in Ihrem Leben unbedingt noch erlernen bzw. bedauern, es nie erlernt zu haben? Meine nur rudimentären Englischkenntnisse sind meinem Geschäftsbetrieb abträglich. Als Ausrede diente mir stets meine relativ geringe Schulbildung. Meinen Vater kannte ich nicht, aufgewachsen bin ich bei meiner Mutter. Von Krankheiten gezeichnet, hat sie mich frühzeitig auf ein selbständiges Leben vorbereitet. Nach der Grundschule durfte ich kein Gymnasium besuchen; nach neun Schuljahren habe ich eine Lehre bei der Post begonnen. 65 Seite 64: Schach-Fragen 9. Was ist Ihnen peinlich? Niederlagen gegen deutlich schwächer eingestufte Spieler waren mir eigentlich nie peinlich. Solange über eine solche Schlappe ausgiebig gelästert wurde, war alles in Ordnung. Peinlich wäre es erst, wenn sich kein Mensch mehr über eine solche Niederlage wundern würde. Insofern kann ich es verstehen, wenn hochdekorierte Meisterspieler als Senioren keinen Antrieb verspüren, sich von schwächeren, aber mental deutlich fitteren Gegnern vorführen zu lassen. 10. Was gefällt Ihnen an sich und was missfällt Ihnen an sich? Ich mag meinen Humor, auch wenn er für Fremde zuweilen gewöhnungsbedürftig ist. Ich halte mich für verlässlich und ehrlich. Ehrlichkeit kommt jedoch nicht immer gut an. Selbst wenn es mir eher schadet, werde ich jedoch auch bei nächster Gelegenheit meine ungeschminkte Einschätzung kundtun. Lästig ist auch, dass mich als Gerechtigkeitsfanatiker schon kleinere Unstimmigkeiten kurzzeitig aus dem seelischen Gleichgewicht bringen können. 11. Welchen Missstand würden Sie in Ihrem Land beseitigen, wenn es in Ihrer Macht stünde? Als schreckliches Übel empfinde ich den ausufernden Lobbyismus, egal ob es sich dabei um den Ärztebund, den Apothekerverband, den Haus- und Grundeigentümerverein oder den ADAC handelt. Zum Lobbyismus zähle ich ausdrücklich auch Arbeitnehmervertretungen. Für mich als SPD-Wähler waren Gewerkschaften stets ein wichtiger Grundpfeiler unserer Gesellschaft. Aber müssen gut betuchte Piloten regelmäßig den Flugbetrieb lahm legen? Darf der Vorsitzende der Lokführergewerkschaft Millionen von Bahnkunden in Geiselhaft nehmen – um seinen Machtbereich auszudehnen? 12. Wer sind Ihre Helden in der Gegenwart? Auch wenn ich konfessionslos bin und besonders der katholischen Kirche kritisch gegenüber stehe, ist Papst Franziskus ein Held für mich. Wie er sein Amt interpretiert und dabei die verkrusteten Strukturen im Vatikan aufzubrechen versucht, beeindruckt mich. Unangefochtene Heldin meines Herzens ist jedoch meine 22-jährige Tochter Annika. Sie studiert Germanistik in Düsseldorf – alles gut. Anfang 2015 geriet die schöne Welt jedoch aus den Fugen, als bei ihr die seltene Autoimmunkrankheit Lupus erythematodes diagnostiziert wurde. Bei dieser unheilbaren Erkrankung richtet sich das körpereigene Immunsystem nicht nur gegen unerwünschte Bakterien, Viren usw., sondern auch gegen gesunde körpereigene Zellen. Eine Herausforderung für jeden Betroffe- 66 nen. Manche rufen höhere Mächte an (Wieso ich?) oder verfallen in Depressionen. Anders Annika, die die Krankheit als gegeben annimmt. In dieser Situation weiterhin positiv eingestellt zu bleiben, ist eine Gabe, die ich an meiner Tochter enorm bewundere. 13. Welche Frage würden Sie gerne gestellt bekommen und wie lautet die Antwort darauf? Hätten Sie es mit ihrem vorhandenen Schachtalent nicht zum Großmeister bringen können? Natürlich! Aber was hätte ich davon gehabt? Diese Antwort ist allen Schachfreunden gewidmet, die vergeblich einem bestimmten Ziel (Meistertitel, Elozahl, Tigersprung auf 1800, Brett 1 in der dritten Mannschaft usw.) hinterherhecheln. 14. Welche drei Bücher können Sie empfehlen? Zum Lesen fehlt mir die innere Ruhe. Ich halte es wie der niederländische Sammler Jurgen Stigter, der auf die Frage des Schachmagazins KARL: »Lesen Sie alle Bücher, die Sie besitzen?« sinngemäß »Dann hätte ich keine Zeit zum Sammeln!« antwortete. Auf mich übertragen: Wenn ich alle Bücher lesen würde, hätte ich keine Zeit mehr, sie zu verkaufen! Update: Vor zwei Tagen erhielt ich Rochaden, die Autobiographie von Hajo Hecht. Ein tolles Buch, welches ich tatsächlich zu lesen begonnen habe! 15. Welches ist die interessanteste Schachpartie, die Sie je gespielt haben? Meine spannendste Partie habe ich im Alter von zwölf Jahren für meinen ersten Verein Rochade Solingen gespielt. Als mein erster Einsatz in der »Ersten« bevorstand, rief wenige Tage vor dem Auswärtskampf in Neuss ein Unbekannter bei uns an und drohte »Es passiert etwas, wenn Bernd am Sonntag in der ersten Mannschaft spielt«. Meine Mutter kontaktierte daraufhin in ihrer Not den Vereinsvorsitzenden. Dieser nahm die Sache als Polizist ernst, berief den Vorstand ein und ließ angeblich sogar eine Fangschaltung legen. Meine Mutter kam in die Vereinskneipe, um sich die Stimmen der Mitglieder anzuhören. Sie konnte den »Erpresser« nicht identifizieren und er rief auch kein zweites Mal bei uns an. Ich verlor die Partie in Neuss sang- und klanglos. 16. Welche Spieler würden Sie zu einem Turnier einladen und nach welchem Modus würde dieses ausgerichtet werden, wenn ein Sponsor Sie mit der Ausrichtung eines Turniers beauftragen würde? In den 1980/90er Jahren habe ich zahlreiche Turniere organisiert, zumeist Blitz- und Schnellturniere. Legendär war das 24-Stunden-Blitz in Solingen, das ich nach der sechsten Auflage mangels einer bezahlbaren Spielstätte auslaufen lassen musste. Mein großes Schach 10/15 Seite 64: Schach-Fragen Ziel war es dann, am 31.12.1999 das größte Blitzturnier des Jahrtausends zu organisieren. Über die reine Idee ist meine Spinnerei aber nie hinausgekommen. Gestorben ist sie jedoch nicht: Ich würde gerne ein offenes Blitzturnier mit mindestens 100.000 Euro Preisgeld veranstalten. Die Teilnahme von Carlsen & Co. hätte keine Priorität. Stattdessen würde ich deutsche Klasse einladen, darunter auch Karl-Heinz Podzielny, der das Solinger 24-Stunden-Blitz bei vier Teilnahmen jeweils locker gewann. Einziger Ehrengast der Weltelite wäre Wassili Iwantschuk. 17. Auf welche eigene Leistung sind Sie besonders stolz und warum? Darf man stolz darauf sein, 27 Jahre glücklich verheiratet zu sein? Daneben gab es eine »schachliche Leistung«, die sich jedoch abseits des Brettes zutrug. Ich war Mitinitiator der Fusion zwischen der Solinger SG 1868 und dem verfeindeten Lokalrivalen Aljechin Solingen! Die 1868er waren in Qualität und Quantität jahrzehntelang führend. Bezüglich der Quantität verlor der deutsche Spitzenklub Ende der 1980er, als Aljechin mit einem lebendigen Vereinsleben punktete, jedoch erheblich an Marktanteilen. Als ich 1992 von 1868 zum Lokalrivalen wechselte, schaffte der Underdog den Aufstieg in die dritte (NRW-)Liga. Aus einer Bierlaune heraus wurde 1995 vom damaligen Vorsitzenden der SG 1868, Uli Kalkum, und mir der kühne Plan geboren, die beiden verfeindeten Vereine fusionieren zu lassen. Was zunächst undenkbar schien, wurde wenig später auf der Terrasse meines Hauses auf Führungsebene vereinbart! Der Zusammenschluss von zwei komplett unterschiedlich ausgerichteten Vereinen gilt in Solingen auch heute noch als das »Vorzeigeprojekt« schlechthin. 18. Mit wem würden Sie gerne einen Tag lang tauschen und warum? Als bekennender »Chuky-Fan« würde ich zu gerne für einen Tag in die Haut von Wassili Iwantschuk schlüpfen. Was schwirrt in seinem Kopf herum? Kollegen sprechen vom »Planeten Iwantschuk«, welcher mutmaßlich 24 Stunden am Tag um sich selbst und das Schachspiel kreist. Dass dies zumindest nicht zu hundert Prozent stimmen kann, belegt die Tatsache, dass Wassili im Juli 2015 in Heerhugowaard an der Offenen Niederländischen Meisterschaft im Damespiel teilgenommen hat. Bei diesem Meister-Open belegte er als Wertungsloser den 128. Platz bei 164 Teilnehmern. 19. Wann haben Sie zum letzten Mal etwas zum ersten Mal getan und was? Schach 10/15 Anfang 2015 habe ich zusammen mit meiner Frau mit »5+2« begonnen, eine Diät, bei der man sich an fünf Tagen normal ernährt, während dem Körper an den restlichen zwei Tagen der Woche jeweils nur 600 Kalorien zugeführt werden. So tritt nur selten Heißhunger auf, da man ja am kommenden Tag wieder »das geliebte Nutellabrot« essen darf und auch nicht auf ein Glas Wein verzichten muss. Nach acht Monaten konsequentem »5+2« habe ich rund zwölf Kilo abgenommen! 20. Aktuelle Frage: Wie ist aus Ihnen ein antiquarischer Schachbuchhändler geworden und wie funktioniert das Geschäft? 2003 wollte meine Frau unseren Dachboden vom Schachkrempel geräumt wissen und beabsichtigte als erstes, zwei sperrige Computer auf dem Flohmarkt zu verkaufen. Für ein paar lumpige Euro wollte ich die schönen Mephistos jedoch nicht abgeben, weshalb ich sie bei Ebay anbot. Zu meiner Überraschung brachten sie 650 Euro! Vom Auktionsfieber gepackt, versteigerte ich auch meine Schachbücher, die eine ebenso rege Nachfrage auslösten. So wurde eine Idee geboren, für deren Umsetzung ich die Firma SchachSchneider gründete. Schnell ergaben sich Kontakte zu Schachfreunden, die sich aus den unterschiedlichsten Gründen von ihren Büchern trennen wollten. Zugleich gab es dafür einen Markt. Das Geschäftsprinzip ist einfach: Ich kaufe Bücher en gros an und veräußere sie dann einzeln weiter. Inzwischen verkaufe ich ca. 20.000 Bücher jährlich und bin damit mutmaßlich Europas größter antiquarischer Schachbuchhändler. Über Ebay stelle ich Woche für Woche durchschnittlich 250 Auktionen ein. Mein Hauptumsatz wird von ca. 80 Sammlern generiert, als Stammkunden bezeichne ich rund 500 Sammler weltweit. Seit mehr als 300 Wochen laufen meine Auktionen ohne Unterbrechung; sobald eine hochgeladen ist, beginnt die Vorbereitung auf die nächste. Mitbewerber gibt es in diesem Segment kaum: Wer will schon jährlich 1.200 Pakete und 2.000 Büchersendungen zur Post bringen? Stark nachgefragt wird alles, was es selten gibt. Eine Postkarte mit der Unterschrift von Bobby Fischer kann man mit 600 Euro ansetzen, ein von Lasker signiertes Buch ist 400 Euro wert. Vor vielen Jahren erhielt ich 20 Exemplare einer raren, historisch wertvollen Schrift, welche allesamt von Lothar Schmid erworben wurden. Er beabsichtigte damit eigener Aussage nach, »den Markt zu verknappen« ... Spaß macht es mir nach wie vor – auch weil Schachsammler erheblich dankbarer sind, als es meine Immobilien-Kunden jemals sein werden! 67