Zentrale Entwicklungen in der ungarischen Rechtsgeschichte
Transcrição
Zentrale Entwicklungen in der ungarischen Rechtsgeschichte
Prof. Dr. Dr. h.c. Herbert Küpper Institut für Ostrecht München Zentrale Entwicklungen in der ungarischen Rechtsgeschichte Jahr/Zeitraum allgemeine Entwicklungen rechtliche Entwicklungen 896 (mythisch, unge- Einwanderung der magyarischen Stämme in das Karpatenbecken (Landnahsichert) me; ungar.: honfoglalás); Herrschaft über die slawischen Bauern Beibehaltung des für nomadische Völker typischen Gewohnheitsrechts („Recht der Steppe“) 1000-1526 Blütezeit des alten Ungarn Aufbau einer mitteleuropäischen Staats- und Rechtskultur 1000 Krönung von István I. zum ersten (christlichen) König 1006 (?) 1102 12. Jht. 12./13. Jht. 1224 1267 1290 1367 1491 1514 Einrichtung eines Staatswesens nach fränkischem Vorbild mit einem König an der Spitze und Grafschaften (Komitaten; ungar.: megye) in der Fläche Übernahme des lateinischen Christentums, Einrichtung des ersten Erzbistums Übernahme des katholischen Kirchenrechts und der frühmittelalterlichen in Esztergom Rechtskultur, wie sie von der römischen Kirche getragen wurde, konkurrierender Einfluss der byzantinischen Kirche Einrichtung des zweiten Erzbistums in Kalocsa, in der Folge Aufbau der kirchlichen Verwaltungsstrukturen Kroatien wird ungarisches Nebenland (bis 1918) Vertrag (Pactum conventum) über die Personalunion zwischen Ungarn und Kroatien Entstehung von Städten im soziologischen und im Rechtssinn Privilegienbriefe für Esztergom und Fehérvár (Stadtprivileg) in der Folge Entstehung des Fehérvárer Stadtrechts zunehmende Feudalisierung von Staat und Gesellschaft 1222 Goldene Bulle (ungar.: Aranybulla): Garantie gewisser ständischer Priin der Folge politische Machtkämpfe zwischen der königlichen Zentralgewalt vilegien einschließlich Widerstandsrecht und dem Adel 1232 zweite Goldene Bulle, stärkere Berücksichtigung des Kleinadels und der Kirche, kein Widerstandsrecht mehr Diploma Andreanum von König András II. politische Einigung der sächsischen Siedlungen in Siebenbürgen: Beginn der Dreinationenverfassung in Siebenbürgen: Ungarn, Sachsen und Szekler landesweite Adelsversammlung zu Esztergom (frühständische parlamentsUmformung der Komitate von königlichen Verwaltungseinheiten zu einer ähnliche Versammlung) Selbstverwaltungsinstitution des Komitatsadels Thronpatent von König András III. die Landesversammlung des Adels (ungar.: országgyűlés; so heißt das Parlament noch heute) soll jährlich einberufen werden; hieraus entwickelt sich im Spätmittelalter der feudale Parlamentarismus: ab dem 15. Jht. werden Gesetze („Gesetzesartikel“ genannt) nur noch durch König und Landesversammlung gemeinsam erlassen Gründung der Universität Pécs (die jedoch nur wenige Jahrzehnte Bestand erste juristische Fakultät in Ungarn, Anfänge der Rezeption in Ungarn mit hat) Hilfe dieser Universität; nach ihrem Schließen geht die Rezeption weiter, weil ungarische Juristen nach Deutschland und Italien zum Studium gehen Erbvertrag Ungarns mit Maximilian v. Habsburg Dreierbuch (Tripartitum opus juris consuetudinarii inclyti regni Hungariae; ungar.: Hármaskönyv) von István Werbőczy: erhält in Ermangelung des förmlichen Inkrafttretens gewohnheitsrechtliche Geltung bis ins 19./20. Jht. Seite 2 1526-1867 Zeit der Stagnation (Zweiter Feudalismus, Teilung, Habs- Bewahrung und Versteinerung des Erreichten, Verlust des burger Herrschaft) Anschlusses an die westeuropäische Entwicklung 29.8.1526 Schlacht bei Mohács 1608 endgültige Teilung des Parlaments in Magnatenhaus (Hochadel mit persönlichem Sitz) und Unterhaus (gewählte Vertreter der Komitate als Vertreter des Landadels, gewählte Vertreter der freien Städte) Gründung der juristischen Fakultät der Universität Nagyszombat 1667 1687 1691 1699 1713 1720 1722 1723 1791 Frieden von Karlovac: Ende der türkischen Herrschaft in Mittelungarn Pragmatische Sanktion in Österreich: Einführung der weiblichen Thronfolge in der Habsburger Dynastie Reformdebatten im Parlament frühes 19. Jht. Reformparlamente 1848/49 ungarische Revolution 1849-1867 direkte österreichische Besatzungsherrschaft 22.1.-4.3.1861 Landesrichterkonferenz (Judexkurialkonferenz) Untergang des alten Königreichs Ungarn; Teilung des Landes in drei Teile: türkisch besetzter Teil, Königreich Ungarn (unter Habsburgerherrschaft), Fürstentum Siebenbürgen erste juristische Fakultät in Ungarn seit dem Untergang der Universität Pécs die ungar. Stände erklären die Habsburger in der männlichen Linie zu den gesetzlichen Königen Ungarns Tripartitum erhält in Siebenbürgen förmliche Gesetzeskraft Pragmatische Sanktion: Zustimmung der kroatischen Stände Pragmatische Sanktion: Zustimmung der ungarischen Stände Pragmatische Sanktion: Zustimmung der siebenbürgischen Stände Entwurf einer feudalen Kodifikation des bürgerlichen Rechts (proiectum legum civilium) gesetzliches Verbot der Folter im Prozess 1827: Entwurf einer feudalen Kodifikation des bürgerlichen Rechts 1840: Einführung eines Grundbuchs (ungar.: intabuláció) erste handelsrechtliche Gesetzgebung (noch keine volle Gewerbefreiheit): Wechselgesetz, Handelsgesetz, Fabrikgesetz, Handeslgesellschaftsgesetz, Handelskammergesetz, Konkursgesetz 1844: adlige Güter können auch von Nichtadligen erworben werden umfangreiche Revolutionsgesetzgebung zu zwei Zielen: - nach außen Wiederherstellung der vollen ungarischen Staatlichkeit gegenüber den Habsburgern (z.B. durch ein dem ungar. Parlament [országgyűlés] voll verantwortliches Ministerium) - nach innen Modernisierung (z.B. durch Abschaffung der Leibeigenschaft, durch Ausweitung des Wahlrechts auf nichtadlige Honoratioren, durch eine teilweise Judenemanzipation) Auflösung des Königreichs Ungarn, Einteilung des Landes in mehrere von Wien direkt verwaltete Provinzen (Bach-System) 1850-1860 direkte Geltung des österreichischen Rechts (z.B. ABGB v. 1811) 1855 Einführung des österreichischen Grundbuchwesens Vorläufige Regeln der Gerichtsbarkeit (ungar.: Ideiglenes Törvénykezési Szabályok): in der Praxis Ersatz für den fehlenden Zivilkodex Seite 3 1867-1948/49 Das bürgerliche Ungarn Modernisierung des geschriebenen Rechts im liberalen Sinn, zögerliche Verbürgerlichung der Rechtskultur 1867 1868 1868 1869 1870/71 1875 1878 1881 Ausgleich mit Österreich: Königreich in Realunion in der Doppelmonarchie Ausgleich mit Kroatien: Nebenland in Realunion mit Ungarn Gesetzesartikel 1867:XII: Wiederherstellung der ungar. Rechtsordnung Gesetzesartikel 1868:XXX; Kroatien hat eigene Rechtsordnung (stark österr.) Nationalitäten- (Minderheiten-)recht Justizgesetz: Verstaatlichung der Justiz Einführung der kommunalen und territorialen Selbstverwaltung Handelsgesetzbuch Strafrecht: Csemegi-Kódex (StGB) Konkursgesetz Polizeigesetz: erste Maßnahmen zur Verstaatlichung der Polizei Eherecht: obligator. Zivilehe, verstaatlichtes Personenstandswesen StPO Einführung der Verwaltungsgerichtsbarkeit Einrichtung des Kompetenzgerichts ZPO Pressegesetz 1894 1896 1907 1911 1914 1918 Verlust des Ersten Weltkriegs: Kapitulation Ö-U am 4.11.1918 Oktober 1918 Asternrevolution: Unabhängigkeit Ungarns, Volksrepublik 21.3.1919 1919/20 Ausrufung der Räterepublik Sieg der Gegenrevolution unter Admiral Horthy 1920 außenpolitische Isolation in der Region durch den Revisionismus, dadurch permanente Wirtschaftskrise 1923 1928 1929 1930 1938-1944/45 1942 1944/45 1945 1946 1947 außenpolitisches Heranrücken an die faschistischen Mächte außenpolitisches Heranrücken an Deutschland, Rückgewinn einiger verlorener Gebiete, Kriegseintritt auf Seiten der Achse deutsche Besetzung; Verlust des Zweiten Weltkriegs, sowjetische Besetzung Landreform Beginn der Vertreibung der Ungarndeutschen Beginn der Verstaatlichungen Abschaffung der Monarchie, Ausrufung der Republik Friedensvertrag von Paris Gesetzgebung im öffentlichen Recht zur Umsetzung der Revolutionsziele Gesetze heißen jetzt „Volksgesetz“ 2.4.1919: vorläufige Verfassung, 23.6.1919: endgültige Verf. (russ. Vorbild) Revisionismus und Rechtskontinuität werden Staatsdoktrin Gesetze heißen wieder „Gesetzesartikel“ Gesetzesartikel 1920:I Monarchie mit vakantem Thron 4.6.1920: Friedensvertrag von Trianon unterzeichnet Hochschulzugangsbeschränkungen für jüd. und ungarndeutsche Studenten Gesetz über den unlauteren Wettbewerb Entwurf eines BGB: in der Folge starker Einfluss auf die Rechtsprechung Verwaltungsverfahrensgesetz Gesetz über GmbH und Stille Gesellschaft antijüdische Gesetzgebung nach dem Vorbild der Nürnberger Gesetze Einführung des Führerprinzips im öffentlichen Dienst ungebrochene Weitergeltung des ungarischen Rechts; keine Einführung eines deutschen oder sowjetischen Besatzungsrechts Gesetzesartikel 1946:I über Ungarns Staatsform Seite 4 1948/49-1989 Das sozialistische Ungarn Aufbau und Verfall einer sozialistischen Rechtsordnung sowjetischen Typs 1948/49 Machtübernahme der Kommunisten vollendet 1949-1955 Aufbau der grundlegenden Strukturen eines Systems nach stalinistischsowjetischem Vorbild 20.8.1949: Gesetz 1949:XX über die Verfassung der Volksrepublik Ungarn Ausrufung der „Volksrepublik“ Legislativakte heißen nicht mehr „Gesetzesartikel“, sondern „Gesetz“ 1949: Abschaffung der Verwaltungsgerichtsbarkeit, erster Fünfjahresplan 1950: Rätesystem, allgemeiner Teil des StGB, staatliche Unternehmen 1951: ArbGB, StPO 1952: FamGB, ZPO 1953: Staatsanwaltschaft 1954: GVG, zweites Rätegesetz 1955: Zwangsvollstreckung, Polizeigesetz 24.10.-5.11.1956 Volksaufstand, anschließend sowjetische Intervention und Besatzung Installierung der Regierung János Kádár 1957 1959 1966 1967 1968 Neuer Ökonomischer Mechanismus tritt in Kraft 1969 1970 1971 1972 1976 1977 1978 1979 1983 1984 ab Mitte 1980er Jahre Intensivierung der Wirtschaftsreformen in Richtung Markt 1986 1987 1988 endgültiger Schritt in eine Wirtschaftsform, in der der Markt überwiegt Gesetz 1957:IV Verwaltungsverfahrensgesetz Regelung der Rechtsstellung der Arbeitermilizen Gesetz 1959:IV ZGB (relativ kurz: 685 §§) neues Wahlgesetz: Mehrfachkandidaturen möglich neues ArbGB: Stärkung der vertragsrechtlichen Elemente Mechanismus selbst war Parteibeschluss, aber in der Folge umfangreiche Gesetzgebung im Wirtschaftsbereich zur Umsetzung des politischen Programms liberale Wirtschaftsgesetzgebung: Patent-, Urheber-, Warenzeichengesetz Änderung des Wahlgesetzes: Ende des Kandidatenmonopols der Volksfront drittes Rätegesetz: „sozialistische Selbstverwaltung“ Genossenschaftsgesetz neues GVG: gewisse Unabhängigkeit der Gerichte; ZPO-Reform Umweltschutzgesetz Gesetz über die staatlichen Unternehmen: größere Selbständigkeit weit reichende Reform des ZGB neues StGB Kodifizierung des IPR neues Wahlgesetz: Mehrfachkandidatur wird obligatorisch Einrichtung des Verfassungsrechtsrates Wettbewerbsgesetz wirtschaftsrelevante Gesetzgebung orientiert sich am EG-Gemeinschaftsrecht Pressegesetz (noch keine Pressefreiheit) Steuerreformgesetze Gesetz 1987:XI Rechtsetzungsgesetz: Machtverschiebung hin zum Parlament Gesellschaftsgesetz, Ausländerinvestitionsgesetz Seite 5 1989-heute Das postsozialistische Ungarn Umbau der Rechtsordnung und Rechtskultur zu einer modernen westeuropäischen, europakompatiblen Struktur 1989 politischer Reformprozess von oben, ausgehandelter Übergang am Runden Tisch Verfassungsänderungen: Volksrepublik wird zu Republik erste gesetzliche Freiheiten, die der Vorbereitung freier Wahlen dienen sollen: Vereinigungsgesetz, Versammlungsgesetz, Streikgesetz, Wahlrechtsänderung, Volksinitiative und -abstimmung, Verfassungsgericht Anfänge einer kleinen Privatisierung, Umwandlung von Staatsbetrieben Verfassungsgericht nimmt seine Tätigkeit auf weitere Verfassungsänderungen: die Verfassung ist Ende 1990 von fast allen sozialistischen Überbleibseln gereinigt weitere Reformgesetze: Religionsgesetz, Pressefreiheit Wertpapiergesetz, Privatisierung: Treuhand wird geschaffen 1.1.1990 Anfang 1990 25.3./8.4.1990 ab April 1990 1991 16.12.1991 1992 1993 1994 1995 der politische Reformprozess vollendet die postsozialistische Staats-, Wirtschafts- und Gesellschaftsordnung erste freie Parlamentswahlen, später im Jahr auch freie Kommunalwahlen erste postsozialistische Regierung: József Antall (konservativ-bürgerliche Koalition) die politischen und rechtlichen Reformen werden durch das erste frei gewähl- Einführung der kommunalen Selbstverwaltung statt Rätesystem te Parlament mit seiner demokratischen Legitimation in Angriff genommen Freigabe der Preise; Privatisierungsgesetz für die kleine Privatisierung Neuregelung der öffentlichen Gebühren individuelle Gewerbefreiheit: Gesetz über die Einzelunternehmung Wiedereinführung eines vollen Verwaltungsrechtsschutzes Arbeitslosenversicherung Konkursrecht Unterzeichnung des Europa-Abkommens EG-Ungarn: Assoziierung Bemühenspflicht Ungarns zur Rechtsangleichung in marktrelevanten Bereichen Reform des Arbeitsrechts und des öffentlichen Dienstrechts gesetzliche Regelung des Datenschutzes Rechtsgrundlagen für die große Privatisierung Neuregelung der Mehrwertsteuer (Umsatzsteuer) Regelung der Ombudsleute Einführung der Minderheitenselbstverwaltung Reform des Schul- und Hochschulrechts Produkthaftungsgesetz gesetzliche Regelung der Sozialverwaltung und der Sozialhilfe zweite postsozialistische Regierung: Gyula Horn (sozialliberale Koalition) Reformen im Justizbereich: Zwangsvollstreckung, Schiedsgerichtsbarkeit Reform des Polizei- und Ordnungsrechts grundlegende Umgestaltung des Umweltschutzrechts grundlegende Umgestaltung des Privatisierungsrechts Sorgerechtsreform: auch bei Getrenntleben grundsätzlich gemeinsames Sorgerecht Seite 6 1996 1997 1998 dritte postsozialistische Regierung: Viktor Orbán (konservativ-nationalistische Koalition) 1999 2000 2001 2002 vierte postsozialistische Regierung: Péter Medgyessy, später Ferenc Gyurcsányi (sozialliberale Koalition) 2003 12.4.2003 16.4.2003 1.5.2004 2004 Referendum über EU-Beitritt: fast 84 % Zustimmung Unterzeichnung des Beitrittsvertrags zur EU Inkrafttreten des EU-Beitritts Neuordnung des Rundfunkrechts: Zweisäulenmodell Neuregelung des Bankrechts, des Wettbewerbs- und Kartellrechts neues Wahlrecht umfassende Justizreform, Schaffung des Landesjustizrates neues Gesellschaftsrecht, Verbraucherschutzgesetz tief greifende Reform der Sozialversicherung Neuregelung der landesweiten Volksabstimmungen und -initiativen Regelung der Risikokapitalgeschäfte Reform des Urheberrechts Aufhebung des Kammerzwangs, Förderung kleiner Unternehmen Nichtraucherschutzgesetz Beginn der „Vorratsgesetzgebung“: gemeinschaftskonforme Gesetze werden erlassen, treten aber erst mit dem Beitritt in Kraft Regelung der Abfallwirtschaft Modernisierung des Internationalen Privatrechts Statusgesetz: Fürsorge für die magyarischen Minderheiten im Ausland Änderung des Devisenrechts: Forint wird völlig frei konvertibel Regelung der elektronischen Unterschrift für alle Rechtsgebiete und der elektronischen Dienstleistungen (e-commerce) Einführung der Strafbarkeit juristischer Personen Verfassung wird beitrittsfähig gemacht: supranationale Öffnungsklausel (Übertragung von Souveränitätsrechten) in § 2/A, Referendum über den Beitritt in § 79 Verf. endgültige gesetzliche Regelung der Tafelgerichte (Abschluss der Justizreform von 1997) Reform des Rechts der Versicherer und des Versicherungsmarkts Regelung der Europäischen wirtschaftlichen Vereinigung neue Agrarmarktordnung, neues SteuerverfahrensG Beitrittsvoraussetzung gemäß § 79 Verf. erfüllt Gesetz 2004:XXX EU-Primär- und Sekundärrecht wird in Ungarn verbindlich das gesamte Jahr 2004 über (vor und nach dem Beitritt) flächendeckende Anpassung der ungar. Rechtsordnung an Gemeinschaftsrecht durch punktuelle Änderungen zahlloser Gesetze und untergesetzlicher Rechtsakte Abschaffung der Wehrpflicht neues Verwaltungsverfahrensgesetz (ersetzt die Regelung aus 1957) Freigabe des Grunderwerbs für EU-Ausländer; Ausnahme: landwirtschaftlicher Boden Zugang von EU-Ausländern zum ungar. Arbeitsmarkt nur im Rahmen der Gegenseitigkeit Verschärfung des Drogenstrafrechts durch ein Verfassungsgerichtsurteil Seite 7 23.12.2004 Parlament kommt durch den Ratifikationsbeschluss zur Europ. Verfassung Bestrebungen zur Abhaltung einer Volksabstimmung zuvor 2005 2006 fünfte postsozialistische Regierung: Ferenc Gyurcsány (sozialliberale Koalition fortgeführt) Herbst 2006: politische Krise im Gefolge der sog. „Lügenrede“ 23.10.2006: 50-Jahr-Feiern zum Aufstand von 1956 steigende Inflation wegen zu hoher Staatsverschuldung 2007 22.12.2007 Parlament ratifiziert den Vertrag von Lissabon durch Gesetz 2008 April 2008: Regierungskoalition zerbricht, Sozialisten führen eine Minderheitsregierung 2009 Wirtschaftskrise in Ungarn: das ist v.a. eine Verschuldenskrise der öffentlichen Hand ebenso wie der privaten Haushalte Parlament billigt die Europäische Verfassung durch Beschluss (Ratifikation) Fortführung der flächendeckenden Anpassung des ungar. Rechts an Gemeinschaftsrecht durch punktuelle Änderungen zahlloser Gesetze und untergesetzlicher Rechtsakte Fürsorge für die Auslandsmagyaren: Gesetz über den Heimatfonds Neuregelung des Verfahrens beim Abschluss völkerrechtlicher Verträge Einführung des Handels mit Emissionzertifikaten für Treibhausgase (KyotoProtokoll) Neuregelung des Binnenhandels Neuregelung des Hochschulwesens Neuregelung des Gesellschafts-, Genossenschafts- und Firmenregisterrechts Steuererhöhungen: erhöhte Mehrwertsteuer, Einführung von Quellen- und Solidaritätssteuer begleitend dazu: sukzessive Reform des Staatshaushaltsrechts, Beginn einer Reform des Sozialsystems und des Sozialrechts Verwaltungsreform: Reorganisation der Ministerien, Rahmengesetz für die obersten und oberen Staatsbehörden, Reorganisation der oberen und mittleren staatlichen Verwaltungsebene Neuregelung der staatlichen Vermögensverwaltung: hin zu einer marktorientierten Nutzung selbst des Verwaltungsvermögens Novellierung des Enteignungsrechts: erstmals zusammenhängende Regelung Liberalisierung des Strommarkts (reiner Markt anstelle des Mischsystems) erstmalige Regelung der Rückversicherer in einem begleitenden Beschluss macht das Parlament deutlich, welche Hoffnungen es mit der Aufnahme der Minderheitenrechte in den EU-Vertrag für den Minderheitenschutz auf europäischer Ebene verbindet amtliche elektronische Publikation ist genauso authentisch wie die Fassung im Gesetzblatt Verfassungsgericht: Urteil über die vorübergehende Verfassungswidrigkeit des Auslieferungsabkommens mit Island und Norwegen Regelung der huamgenetischen Forschung: Freiraum für Forschung, aber strikte Anonymisierung Liberalisierung des Gasmarkts (reiner Markt anstelle des Mischsystems) Gesundheitsreform scheitert an einem Referendum: Auflösung der Einheitskrankenversicherung muss rückgängig gemacht werden neues BGB, kann aber nicht in Kraft treten Einarbeitung von Rom I und Rom II in das IPR eingetragene Lebenspartnerschaft für homosexuelle Paare Einführung der staatl. Förderung von Kurzarbeit als Reaktion auf die Krise Neuregelung der Sozialpartnerschaft (Tripartität) Seite 8 2010 2011 sechste postsozialistische Regierung: Viktor Orbán (nationalpopulistisch: Fidesz in Scheinkoalition mit der Christlich-demokratischen Volkspartei) Fidesz erringt in den Wahlen eine Zwei-Drittel-Mehrheit im Parlament die neue Regierung erhebt den Anspruch, Staat, Wirtschaft, Kultur und Gesellschaft von Grund auf neu zu gestalten Wirtschaftskrise spitzt sich weiter zu Regierung führt ihren Umgestaltungskurs fort, zugleich Bekämpfung der Auswirkungen der Verschuldungskrise 2012 2013 2014 siebte postsozialistische Regierung: Viktor Orbán (nationalpopulistisch: Fidesz in Scheinkoalition mit der Christlich-demokratischen Volkspartei) Fidesz verteidigt in den Wahlen die Zwei-Drittel-Mehrheit im Parlament Wirtschaftskrise hält unvermindert an umfangreiche Gesetzgebung zur Reorganisation der öffentlichen Sphäre Unterstellung der öffentl.-rechtl. Medien unter Regierungseinfluss und Beschränkungen der Presse- und Medienfreiheit Beschneidung der Kompetenzen des Verfassungsgerichts und Ausschaltung der Opposition aus dem Nominierungsverfahren für Verfassungsrichter Neuregelung der Rechtsetzung: stringenteres Rechtsquellensystem Ferneinbürgerung ethnischer Ungarn im Ausland Gesetzgebung zur Reorganisation des öffentlichen Sektors wird fortgeführt: neue Verfassung („Grundgesetz“), Neuregelung der meisten Verfassungsorgane: Verfassungsgericht, Parlamentswahl, Ombudsleute, Rechnungshof, kommunale Selbstverwaltung, Nationalbank, Staatshaushalt und -vermögen, Justiz, Schuldenbremse neues Minderheitenrecht, Beamtenrecht Neuregelung fast des gesamten Bildungswesens: Zentralisierung und Stärkung des Regierungseinflusses Einschränkung der Vertragsfreiheit zum Schutz der verschuldeten Privathaushalte gegenüber den kreditgebenden Banken weitere Reorganisationen des öffentlichen Sektors: Neuregelung des Parlaments (erhebliche Verkleinerung ab 2014), Schaffung von Kreisen als weitere staatl. Behördenstufe, Fortführung der Verwaltungsreform Streit um die richterliche Unabhängigkeit (Absenkung des Rentenalters) Ausgliederung der erstinstanzlichen Verwaltungsgerichts aus der ordentlichen Gerichtsbarkeit: „Verwaltungs- und Arbeitsgerichte“ neues StGB und Ordnungswidrigkeitengesetz neues Arbeitsgesetzbuch: Stärkung der Arbeitgeber gegenüber Arbeitnehmern und Gewerkschaften 4. GrundG-Änderung: u.a. Stärkung des Regierungseinflusses auf die Justiz, 5. GrundG-Änderung: macht viele umstrittene Maßnahmen der 4. GrundGÄnderung wieder rückgängig neues Wahlverfahrensrecht (mit abgeschwächter Wählerregistrierung) neues BGB (noch ohne Einführungsgesetz) Stärkung der staatlichen Aufsicht über den Finanzsektor Inkrafttreten des BGB, umfangreiche begleitende Gesetzgebung Beginn der Neukodifikation der ZPO Versuch einer endgültigen Lösung der devisenbasierten Immobilienkredite