Angriffslustige Robinie
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Angriffslustige Robinie
Angriffslustige Robinie VON WOLFGANG KLAEBER Ökologischer Katastrophenbaum? Kein anderer Baum ist bei uns so umstritten wie die Robinie. Während die eine Gruppe das hohe Lied ihrer Blütenfülle, sowie reichhaltigen Nutzungsmöglichkeiten verkündet und eine Anbauerweiterung befürwortet, bezeichnen sie die Naturschützer als ökologischen Katastrophenbaum. Und das Tollste daran! Beide Seiten haben von ihrem Blickwinkel aus betrachtet recht. Stickstofftransfer Die Robinie kann durch Symbiose mit Knöllchenbakterien Stickstoff aus der Luft direkt für die Ernährung ihrer Blattmasse und Blütenfülle nutzen. Das ohne Laubfärbung nach dem ersten Nachtfrost unmittelbar abfallende Laub zersetzt sich ebenso wie Ulme, Schwarzerle und Esche, sehr schnell und schaukelt so den Nährstoffkreislauf doppelt so schnell hoch. Wandel der Ansprüche Export aus Indianerland Dabei ist der bis 30 m hohe und zu den Schmetterlingsblütlern rechnende Baum in der Berglandschaft beiderseits des Mississippis eine dort unauffällige Mischbaumart des artenreichen EichenHickorywaldes. Nach Kahlschlag, Feuer oder anderen Totalkalamitäten kann die Art aber vorübergehend Dominanz erlangen. Mit Aufkommen von Schattenholzarten pendelt sich die Artenmächtigkeit wieder auf bis zu 4% zurück. Als Zierbaum kam die auch Scheinakazie genannte Art (Robinia pseudacacia) 1630 zuerst nach Paris. Als Importeur gilt der französische Gärtner ROBIN, daher der Name. Erst 1670 gelangte sie in den Berliner Lustgarten. Es war die Zeit des Großen Kurfürsten. Während der späten Regierungsjahre Friedrich des Großen war durch Übernutzung der Wälder eine Holznot herangereift. Die schnell wachsende Art kam da gerade recht. Sie trat quasi aus dem Schatten des Luxusbaumes in die breiten Bahnen des Nutzbaumes hinaus und gewann schnell an Fläche. Anders als in ihrer Heimat – Bergland mit Jahresniederschlägen von 1000 bis 1800 mm – fand der Neophyt bei uns die trockenwarmen Tieflandlagen geeigneter. In Ungarn bauen sich 25 % der Waldflächen aus Robinie auf. In Deutschland liegt darum die höchste Vorkommenpräsens in Südwestdeutschland und Ostelbien. Gebirge, Küste und Nordwestdeutschland liegen ihr nicht. In Brandenburg plus Berlin blieben bisher von möglichen 1040 Messtischblattquadranten (1 Quadrant = ca. 6 x 6 km) lediglich 53 Quadranten unbesetzt. Im Naturpark Dahme-Heideseen jedoch 0 % Robiniennieten. Gute Eigenschaften – viel Nutzungsmöglichkeiten Ihren Siegesfeldzug verdankte sie einigen herausragenden Eigenschaften: der duftende Blütenreichtum ab Ende Mai, die starke Ausdehnung des reichstrukturierten Wurzelwerkes (bis 20 m) und das Fäulnis resistente und parallel dazu superharte Holz. (Abriebgrad 15 x ge- ringer als Kiefer). Als Schlagwörter der Nutzung seien Zier- und Verkehrswegebaum, Bienenweide, Stangen für den Weinbau, Zaunpfosten (Haltbarkeit bis zu 100 Jahre), Grubenholz, als Drechslermaterial, Parfümindustrie, Einsatz an Pionierstandorten und für Gartenmöbel (Ersatz für Tropenholz) genannt. Robiniengesellschaften In Brandenburg kennen wir in Abhängigkeit vom Standort 3 Robinienforstgesellschaften. Den ärmlichsten Eindruck gewinnt der Betrachter beim Anblick des Straußgras-Robinienforstes. Sandboden, Siedlungsferne und Monoanbau befördern die Herausbildung. Neben Gemeinen Straußgras gilt eine Gefolgschaft von Hundsquecke, Brennnessel, Klettenkerbel und LandReitgras. Quasi fast ohne Kräuterblüten! In Siedlungsnähe bzw. angrenzenden Nutzflächen der Landwirtschaft (Düngerabdrift) bringt der Schöllkraut-Robinienforst reichlich gelbe Farbe in die Bodenflora. Dazu noch Echte Nelkenwurz, Stachelbeere, WaldErdbeere und Kleb-Labkraut. Lehmige Standorte begünstigen als Leitart die Wald-Zwenke mit Gefolge von Gefleckte Taubnessel, Wald-Ziest und Rauhes Veilchen. Im Naturpark kommt letzterer Standortstyp nur in verarmter Ausbildung z. B. bei Ahrensdorf, Pätzer Hintersee und Streganzer Berg vor. Der Schwerpunkt liegt im Oderhügelland, wo es auch eine Assoziation auf frischem Boden mit Scharbockskraut und Moschuskraut gibt. Alte Bestände aller 3 Gesellschaften können auch eine gut ausgebildete Gebüschschicht entwickeln. In Richtung besserer Bodeneigenschaften: Schwarzer Holunder, Amerikanische Traubenkirsche, Liguster, Mahonie, Pfaffenhütchen, Schlehe und Weißdorn. In Dahme-Heideseen bleibt es fast immer bei Holunder oder Amerikanische Traubenkirsche. Die Kräuterflora findet dann keine Lichtlücke mehr. Auf tonigem Boden bei Philadelphia stellt jedoch die einheimische Traubenkirsche (Prunus padus) die Gebüschschicht. Bei Mischanbau mit anderen Baumarten (z. B. im Sauener Wald) sowie in Siedlungsnähe gipfelt der Artenreichtum – hier gern mit Berg- und SpitzAhorn in der Baumschicht. Vornehmlich in Siedlungsnähe bietet die Robinie auch weiteren Bodenflora-Neophyten Lebensräume. Schutt, Müll und Gartenabfälle erleichtern die Einwanderung. Es sind häufig sogar schönblütige Stauden wie Sibirischer Blaustern, Dolden-Milchstern, Einjähriges Silberblatt, Schneeglöckchen, Immergrün, Schwertlilien spec. und einiges mehr. Beispiele finden sich bei Pätz, Briesen und Görsdorf. Am Südwestrand der Pätzer Hochfläche profitieren einige blütenreiche Steinweichselbäumchen von den eutrophen Aufwertungen. Hier auch zusammen mit sehr alten Fichten und Douglasien. Bei Novembernebel eine deutsche Märchenstimmung erzeugend. Man erwartet förmlich hinter jeder «Tanne» das Glasmännchen. Ökologenschelte Warum schlagen nun Ökologen Alarm? Selbst in reinen Robinienbeständen mit einem artenreichen Krautanteil bis hin zu Mischbeständen mit einem Robinienanteil von mehr als 10 %, fehlen jegliche einheimische Pflanzen mit Gefährdungsstatus (Rote Listen Arten). Der Grund: gefährdete Arten sind entweder Stickstoff fliehend oder Arealgrenzler mit großer Aversion gegenüber der Stickstoffbombe Robinie. Kritisch ist auch die ständige Flächenerweiterung dieses Invasoren. Sie erfolgt durch Neuanbau oder Wegbereitung bei forstlichen Auflichtungen, sowie von Straßenbäumen ausgehend und gelingt durch Wurzelbrut und Samenkeimung. Wobei Vogelkonzert unter Robinien Prächtige Robinienblüte. Dem Trockenrasen darunter geht es weniger prächtig Foto:W. Klaeber ein selbsttätiger Samentransport von 200–300 m als Grenzwert gilt. Gern dringt die Robinie auch in wertvolle Trockenrasen und richtet hier noch größeres Unheil an. Seltene und schönblütige Pflanzen werden so zum Vorteil nitrophiler und weitverbreiteter Arten verdrängt. Gleiches gilt auch für die Insektenwelt. Der Schlussakkord darüber hinaus heißt dann unerwünschte Bewaldung. Steinpilze Fehlanzeige Die Art des Pilzaufkommens geht gleichfalls in Richtung eutroph. Kaum Mykorrhizapilze, die ja auf nährstoffarmen Standorten eine Symbiose mit den Wurzeln der Bäume eingehen. Bäume nährstoffreicher Standorte wie neben der Robinie auch Erle, Esche, Ulme und Ahorn benötigen keine pilzlichen Partner. Hier greifen Saprophyten (bauen organische Stoffe ab) wie Tintlinge, Schirmlinge, Düngerlinge und diverse Erdsterne ein. Ein sammetrotes Prachtstück ist allerdings der Österreichische Prachtbecherling, der jedoch nur im Landkreis Märkisch-Oderland siedelt. Die Scheinakazie ersetzt hier in einigen Abschnitten den calciphilen Buchenwald oder Edellaubholzwald. Im Naturpark konnte diese Pilzschönheit noch nicht nachgewiesen werden. Interessant und z.T. unausgeglichen gestaltet sich das Vogelleben. Nestbauende Kleinvögel schätzen das dürftige versteckarme und leicht windpeitschende Laub wenig. Der Specht – und zwar ausschließlich der anpassungsfähige Buntspecht – fertigt gelegentlich Höhlen an, die dann auch von diversen Nachnutzern angenommen werden. Doch einheimische Baumarten stehen, wenn in Nachbarschaft vorhanden, höher in Gunst. Sehr alte Robinien weisen jedoch in der groben wie zerrissen wirkenden Borke, durch Stammaufspaltungen und partiell verwachsene Polystämme zahlreiche Nischen und natürliche Höhlungen auf, die gerne von Vögeln, Fledermäusen und Lurchen genutzt werden. Fehlanzeige aber bei in Baumkronen nistenden Großvögeln. Gelegentlich findet sich ein Ringeltaubennest. Allgemein sagt die sehr spät austreibende und dabei dürftige Belaubung sowie die unvorteilhafte Kronenform diesen meist menschenscheuen Großvögeln nicht zu. Nahrungsmäßig hängt die Beliebtheit von der zusätzlichen An- oder Abwesenheit von Sträuchern mit Beerenangebot ab. Robinienfeinde Wie oft bei Neophyten trat die Robinie ihre Reise über den großen Teich zunächst ohne ihre Feinde an. Das konnte ihre Ausbreitung bei uns zusätzlich begünstigen, sofern man abiotische Faktoren wie eine Frühfrostempfindlichkeit der Blätter und Triebe ausklammert. In den Appalachen haben 75 Insektenarten die Robinie zum Fressen gern und können dort die Vitalität empfindlich einengen. Für Mitteleuropa rechnet man neuerdings mit 60 Arten. Aber nur zwei sind ausschließlich an Robinien interessiert: die Blattwespe (Pteronidea tibialis) und die RobinienMiniermotte (Phyllonorycter robinella). Doch alle Arten zusammen bringen nur eine marginale Wirkung hervor. Das kann sich allerdings quasi über Nacht ändern. Man denke nur an die jüngsten Kalamitäten bei Rosskastanie und Erle. Der Wíldverbiss an Jungbäumen gilt als mäßig (für viele Tiere und den Menschen giftig!). Gelegentlich führt der Schwefelporlig zum schleichenden Tod einzelner Exemplare. Aktionen contra Robinie Die Bekämpfung gestaltet sich aufwendig und führt häufig nicht zu Dauererfolg. Nach Fällung der Bäume sprießen Triebe in Menge aus dem Wurzelbereich hervor. Im Oderhügelland setzt man auf Rettung der Adonisröschenhänge durch primäres Absägen und anschließender extensiver Beweidung mit Schafen und Ziegen. Eine andere Methode: Ringeln der Rinde unter Beibehaltung eines Reststeges. Im nächsten Jahr Entfernung dieses Steges. Danach soll der Baum absterben und nicht wieder austreiben. In der Pätzer Kiesgrube waren um 1990 zwei Nester mit Pilzschönheit unter Robinien: der Österreichische Prachtbecherling, hier bei Strausberg Foto:W. Klaeber Robinien entstanden. Nachdem die Bäume entfernt waren, erfolgte im Abstand von 2 – 3 Wochen ein Abgreifen des Neuaustriebes und das maximal 3 Jahre lang. Danach war Ruhe. Leider wurden damals zwei Bäume und einige Sämlinge übersehen. Nach kürzlich erfolgter Entfernung (2005) gilt nun das Interesse den nachwachsenden floristischen Drachenköpfen. Literatur I. Kowarik – Biologische Invasionen: Neophyten und Neozoen in Mitteleuropa, Ulmer Verlag – 2003 A. Scamoni – Waldgesellschaften und Waldstandorte, Akademie Verlag 1960