Aus für den Gasprom-“Maiskolben” - Sankt
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Aus für den Gasprom-“Maiskolben” - Sankt
Dezember 2010 (Nr. 22) Die deutschsprachige Zeitung zum Leben in Piter Fotogalerie S. 3 >>> Die Geschichte des “Ochta-Zentr” Vom Ticker Metrostation “Obwodni Kanal” eröffnet Die neue Station erschliesst die Verbindung zum Petersburger Busbahnhof. Bild: PD eva.- Genau ein Jahr nachdem die Station “Swenigorodskaja” ihren Betrieb aufgenommen hat, ging ihre Nachbarin “Obwodni Kanal” ans Petersburger Netz - die 64 Haltestelle. Sie gehört zur FrunsenskiLinie und füllt die Lücke unweit des Petersburger Busbahnhofs. Das futuristisch gestaltete Gebäude zeigt, wie Gouverneurin Valentina Matwijenko an der Eröffnung erklärte, die Geschichte des “Abwasserkanals”. Kultur S. 4 >>> Interview mit Judith Hermann Stadtnachrichten S. 5 >>> Petersburgs Kampf gegen Eis und Schnee www.spzeitung.ru Stadtnachrichten S. 7>>> “Allegro”-Zug absolviert Jungfernfahrt Wirtschaft S. 9 >>> Novartis baut PharmaWerk in Petersburg Aus für den Gasprom-“Maiskolben” Der Energie-Konzern Gasprom muss sein Hauptquartier am Stadtrand bauen. Das Projekt für den 400-MeterBüroturm im Zentrum wurde zurück gezogen. eva.-In Verhandlungen mit dem Gazprom-Konzern sei beschlossen worden, das Hauptquartier endgültig nicht im Petersburger Zentrum zu bauen, gab die Petersburger Gouverneurin Valentina Matwijenko bekannt. Gleichzeitig werde damit auch die Ausnahmeregelung in den Bauvorschriften ausser Kraft gesetzt, welche den 400 Meter hohen Turm zugelassen hätte. Nur wenige Tage, nachdem Matwijenko angedeutet hatte, das “Ochta-Zentr” könnte an einer anderen Stelle errichtet werden, fiel der Entschluss endgültig aus. Dazu hat sicher eine Stellungnahme von Präsident Medwedew beigetragen, der im November geäussert Ihr Protest wurde erhöht. Bild: Eugen von Arb hatte, er könne sich das Gazprom-Headquarter auch gut am Stadtrand vorstellen. Fünf Jahre lang versuchte die Stadtregierung gemeinsam mit dem Energieriesen, den Riesenturm durchzuboxen – mal schienen bereits die Bagger aufzufahren, dann wieder kamen wirtschaftliche oder politische Krisen dazwischen. Schrittweise zog sich die Stadtregierung, die das Hochhaus ursprünglich grösstenteils mit Steuergeldern finanzieren wollte, zurück. Aus “Gazprom-City” wurde “Ochta-Zentr”, mit aufwändigen PR-Kampagnen versuchte man der Bevölkerung den Turm schmackhaft zu machen. Trotz allem waren viele dagegen und versammelten sich an Kundgebungen gegen den Turm. Entscheidend war sicher der beharrliche Widerstand der politischen Opposition und Denkmalschützer, die von der Unesco unterstützt wurden. Zwar bleibt ein letzter Rest Misstrauen bei gewissen Oppositions- vertretern, die noch nicht an einen wirklichen Rückzieher glauben können, doch ist ein Widerruf sehr unwahrscheinlich. Ein neuer Standort für Gazprom wurde noch nicht genannt – die Gouverneurin versprach, man werde ihn gemeinsam mit der Bevölkerung wählen. Wo auch immer sich Gazprom ansiedeln wird – der neue Ort wird ein völlig neues Baukonzept verlangen, und all die Millionen Rubel, die für Wettbewerbe, Werbekampagnen, und Bodensondierungen ausgegeben wurden, sind verloren. Der “Kukuruz” (Maiskolben), wie das Hochhaus des britischen Architekturbüros RMJM im Volksmund genannt wurde, ist Geschichte. Dafür wissen die Petersburger wieder einiges mehr über ihre Stadt, denn während den Sondierungen haben Archäologen an der Ochta-Mündung einige interessante historische Funde gemacht. Neuer Sprengstoff-Anschlag auf Lenin-Denkmal in Puschkin eva.- Am Abend des 6. Dezember kurz vor 23.00 explodierte beim LeninDenkmal auf dem Platz bei der Malaja- und Konjuschenaja-Strasse in Puschkin ein Sprengsatz. Die Explosion war von solcher Wucht, dass in der Umgebung sieben Fenster zu Bruch gingen. Kurz danach wurde die gesamte Umgebung um das Denkmal von OmonSonderpolizei abgesperrt. Augenzeugen berichten, dass die Figur noch steht, jedoch leicht geneigt ist. Sie wurde aus den Fugen gerissen – der Oberkörper der Figur wurde abgehoben und seitlich verschoben. Die Bombe soll eine Sprenkraft von rund 100 TNT gehabt haben. Ganz offensichtlich trug das gestrige Attentat Wurde ebenfalls Opfer eines Anschlags - der Lenin von dem Finnländischen Bahnhof. Bild: Eugen von Arb die Handschrift von jenem, das am 6. April 2009 auf den Lenin beim Finnländischen Bahnhof in Petersburg verübt worden war. Damals wurde dem bronzenen Revolutionsführer das Hinterteil weggerissen, und die Skulptur wurde zur Reparatur für fast ein Jahr vom Postament genommen. Die Hintergründe wurden bisher nicht aufgeklärt. Der Puschkiner Lenin wurde bereits vor vier Jahren beschädigt und daraufhin ersetzt. Seine Figur hat ein besondere Geschichte. An seiner Stelle stand vor der Revolution die Kirche der heilige Jekaterina, die vom Architekten Konstantin Ton gebaut worden war. 1938 sprengte man die Kirche und errichtete an seiner Stelle den Lenin-Platz. 1941 gelang es nicht, die Lenin-Skulptur vor dem Anrücken der Wehrmacht abzutransportieren. Sie wurde von den Deutschen demontiert und zum Einschmelzen nach Deutschland gebracht. Allerdings fand sie die Rote Armee 1945 unversehrt in Leipzig. Sie wurde in der damaligen DDR gelassen – im Gegenzug schenkte man Puschkin eine neue Figur. Mittlerweile hat die Rechtsradikalen-Organisation “WP (White Power) – Newograd” mit einer Erklärung im Internet die Verant- wortung für den Anschlag übernommen. Sie bekannte sich bereits zu mehreren Attentaten, unter anderen auch zum Mord an einem afrikanischen Studenten im vergangenen Dezember und zum missglückten Sprengstoffanschlag auf die Zugstrecke beim Petersburger Vorort Gatschina. Die Polizei nimmt jedoch an, dass die Bekenntnisse dieser Gruppierung mindestens zur Hälfte reine “PR-Aktionen” sind. Die Täter im Lenin-Attentat von Puschkin konnten bisher nicht ermittelt werden, doch sieht die Polizei anhand der “Handschrift” einen Zusammenhang mit den Anschlägen in Gatschina um beim Finnländischen Bahnhof im April 2009. Dezember 2010 (Nr. 22) Alexei Miller: GaspromHauptqartier könnte anderswo gebaut werden Stadtnachrichten Seite 2 Erster Schweizer-Treff nach «La Strada»- Schliessung Schaut sich nach neuem Gazprom-Standort um: Alexei Miller. Bild: Wikimedia Commons eva.Gasprom-Chef Alexei Miller äusserte sich zum ersten Mal öffentlich zum Rückzug des Ochta-Zentr-Projekts. Miller zeigte sich enttäuscht und kündete an, Gasprom könnte womöglich in eine andere Stadt im GUS-Raum umziehen. Es sei falsch zu glauben, das Ochta-Zentr werde nun einfach an einem anderen Standort in Petersburg gebaut, sagte er gegenüber der Zeitschrift “Itogi”. Das Ochta-Zentr sei einzig für den vorgesehenen Standort an der OchtaMündung entworfen worden. Die Konstruktion des Gebäudes sei auf die Bodenbeschaffenheit diese Ortes abgestimmt worden und lasse sich nicht an jedem beliebigen Ort in der Stadt bauen. Ausserdem bezweifle er nun, ob ein GaspromZentrum in Petersburg überhaupt erwünscht sei. Gasprom habe in der Zwischenzeit Angebote von anderen Städten erhalten – darunter Omsk, Wladiwostok und Erewan in Armenien. Was mit dem freigewordenen Grundstück an der Newa geschehe, wisse er nicht, so Miller. Möglicherweise werde es nun an einen anderen Investoren abgetreten. Den Gegnern des Gasprom-Turms entgegnete er, die Stadt von Peter dem Grossen könne kein “Retro-Grad” bleiben, sondern müsse mit der Zeit gehen, einer Zeit der Innovationen und der Modernisierung. eva.- Im “Marius Pub” fand der erste Schweizer Treff nach der Schliessung des Restaurants “La Strada” statt. Nach dem Rundschreiben von Taddeo Battistini und Daniel Rehmann hatten sich rund dreissig Personen zum Abendessen am runden Tisch eingefunden. Der Treff soll in Zukunft jeweils am ersten Dienstag des Monats stattfinden - nächster Termin ist der 1. Februar 2011 um 19.00 im “Marius Pub” (Marata 11). Wie früher wird die Zusammenkunft locker und ohne Clubmitgliedschaft organisiert. Auch bezüglich Nationalität ist das Treffen offen - alle Interessierten sind willkommen! Bild: Heidi Moretti Gegner des Ochta-Zentr feiern den Sieg Mit einem kleinen Fest im Haus der Architekten feierten die Gegner des “Ochta-Zentr” die Annulierung des Projekts im Stadtzentrum. eva.- Mitglieder sämtlicher am Protest beteiligten Gruppierungen waren versammelt, unter ihnen “Schiwoi Gorod” (Lebendige Stadt), “Baschne Net” (Nein zum Turm) und die “Jabloko”Partei. Neben einem kleinen Imbiss mit belegten Broten servierte man gekochte Maiskolben – in Anspielung auf den Spitznamen “Kukurus”, den der GazpromTurm von der Bevölkerung erhalten hatte. Wie gross der Sieg denn nun wirklich war, darüber waren sich die verschiedenen Rednerinnen und Redner nicht ganz einig. Während die einen ihrer Freude über den Rückzug von Stadtregierung und Gazprom freien Lauf liessen, warnten die anderen davor, Alexander Karpow serviert eine Portion gekochter Maiskolben. Eugen von Arb/ SPB-Herold sich zu früh zu freuen. Auch darüber, wer denn nun am meisten zum Sieg beigetragen habe, war man sich uneinig. Der Petersburger Jabloko-Leader Maxim Reznik gab zu bedenken, dass sich die Jabloko-Partei von Anfang an gegen das Hochhaus eingesetzt habe. Die JablokoPartei wurde nach ihren Protesten 2006/2007 nicht mehr zu den Wahlen ins Stadtparlament zugelassen. Alexander Karpow, Leiter des Zentrums für Umwelt- expertisen Ekom betonte in seiner Ansprache, dass man neben der Verlegung des Turms auch ein Um- und Mitdenken in der Bevölkerung bewirkt habe. Man habe etwas in der Gesellschaft verändert, und das sei sehr wichtig. Die meisten Votanten gaben zu bedenken, dass es nach der Verlegung des Gazprom-Hauptquartiers darum gehen müsse, die archäologischen Schätze an der Ochta-Mündung und alle anderen bedrohten Kultur- güter der Stadt zu schützen. In einem Film wurde gezeigt, welche neuen Erkenntnisse, die Ausgrabungen an der Ochta-Mündung gebracht haben, die man im Vorfeld des erwarteten Baubeginns durchgeführt hatte. An der Stelle, wo einst die Festungen Ninschanz und Landskron standen und sich Russen und Schweden Gefechte lieferten, kamen Funde zum Vorschein, die bereits Siedlungen vor 5000 Jahren belegen. Aus diesem Grund möchte man an dieser Stelle nun ein archäologisches Museum errichten. Als ein Beispiel wurde die Festung Bourtange im holländischen Groningen angeführt. Die beinahe völlig zerfallene Festung aus dem 16. Jahrhundert im Sumpfgebiet an der holländisch-deutschen Grenze wurde in den vergangenen Jahrzehnten wieder völlig rekonstruiert und ist heute ein Touristenmagnet. Dezember 2010 (Nr. 22) Fotogalerie Seite 3 Gasprom-City - Ochta-Zentr - “Kukuruz” - “Maiskolben” Dezember 2010 (Nr. 22) Kultur Seite 4 Judith Hermann in Russland: “Es gibt nur einen Versuch” Im Rahmen des Projekts von Goethe-Instituts „St. Petersburg 2010“ ist Judith Hermann für eine Lesereise in die Nordwestregion Russlands gekommen. In St. Petersburg, Velikij Novgorod und Petrozavodsk las sie aus ihrem mit dem Kleist-Preis und HugoBall-Förderungspreis ausgezeichneten Buch „Sommerhaus, später“. Wir haben uns mit der Autorin in Velikij Novgorod getroffen. Von Arina Popova Arina Popova: Frau Hermann, wieso spielt die literarische Handlung in Ihrem ersten Buch „Sommerhaus, später“ ausgerechnet in Russland, in Sankt-Petersburg zu Beginn des 20. Jahrhunderts? Judith Hermann: In Deutschland antworte ich, es sei meine Autorenfantasie. Aber da es hier in Velikij Novgorod gefragt wird, sage ich, dass meine Großmutter in Sankt-Petersburg, auf der Vassilij-Insel geboren ist. Sie hat in der Stadt als Kleinkind einige Jahre gelebt. Es gibt einen sehr autobiografischen Bezug zu der Geschichte „Rote Korallen“, und ich habe versucht, einen Teil der Geschichte meiner Familie zu erzählen. Arina Popova: Sind Sie zum ersten Mal in Russland? Judith Hermann: Ja, zum ersten Mal. Ich bin absichtlich mit dem Zug gekommen, um unterwegs mehr sehen zu können. Und ich fühle mich hier nicht fremd, irgendwie vertraut. Arina Popova: So haben Sie die Erzählung „Rote Korallen“ nach den Unterhaltungen mit Ihrer Großmutter geschrieben? Judith Hermann: Damals, als ich diese Geschichte geschrieben habe, war ich sehr was Persönliches von mir in den Briefen und dann in den späteren Geschichten. Und Journalismus ist ja eher etwas Unpersönliches, es soll ein authentisches Schreiben sein, aber es soll unpersönlich, neutral sein. Und ich konnte in Amerika nicht neutral sein, weil ich Sehnsucht hatte. Dieser Übergang, ein Schritt vom journalistischen zum literarischen Schreiben, hat mir Schmerzen bereitet, aber beim Weg ins Schreiben hinein war es gut. Judith Hermann: “Der Schritt vom journalistischen zum literarischen Schreiben hat mir Schmerzen bereitet, aber beim Weg ins Schreiben hinein war es gut.” Bild: Goethe-Institut jung, 25 Jahre alt, und ich war nie zuvor in Russland gewesen. Als die Großmutter 70 Jahre alt war, ist sie nur einmal nach Sankt-Petersburg zurückgekehrt. Sie wollte noch einmal an den Ort gehen, an den sie geboren ist. Und sie ist alleine gefahren. Ich war damals 20 und ich fand es schön, dass sie nach Sankt-Petersburg gefahren ist, aber es hat mich eigentlich nicht so interessiert, wie es mich heute interessieren würde. Es ist traurig, denke ich manchmal. Heute berührt es mich sehr zu denken, dass sie, eine alte Frau, alleine noch Mal diese Wege gegangen ist. Und damals, als sie zurückkam, habe ich mit ihr darüber auch nicht gesprochen. Jetzt ist es zu spät. Ich hatte drei Hilfsmittel für die Geschichte: das Lexikon, ein Fotoalbum mit alten Fotos von Sankt-Petersburg und meine russische Klavierlehrerin. Arina Popova: Wie viel Realität steckt in Ihren Geschichten? Judith Hermann: Ich denke mir ganz wenig aus. Ich erzähle von Menschen, die ich kenne, von den offenen Fragen, von dem Alltag, von dem, wonach man Sehnsucht hat,was man bekommt, oder von dem, was man eben auch nicht bekommt. Aber ich würde nicht sagen, das ich nichts tue (beim Schreiben). Man hat eine kleine Geschichte, und ich diese Geschichte so zu sagen, kenne. Ich weiß, wie sie aussieht, ich weiss genau, wie sie geht, aber sie ist im abgeschlossenem Raum und ich muss den richtigen Schlüßel finden, im richtigen Moment, am richtigen Tag. Es gibt nur einen Versuch. Es ist manchmal sehr schwer, alles richtig zu machen. Arina Popova: Ich habe ihr letztes Buch „Alice“ gelesen. Obwohl es um Tod geht, gibt es keine tragische Atmosphäre im Text. Das Lesen des Buches war für mich etwas fast Meditatives – etwas, das in Verbindung mit östlicher Philosophie steht. War das so auch gemeint? Judith Hermann: Nicht bewusst, aber das Wort Meditation ist richtig. Es ist in diesen Geschichten so, dass plötzlich die Begegnung mit dem Tod gleichzeitig alles sehr auf den Punkt bringt. Innerhalb der Begegnung mit dem Tod bekommen diese kleinen Gegenstände – ein Buch, eine Tasche, ein Glas – eine höhere Bedeutung. Und das ist ein meditativer Gedanke und es freut mich, wenn Sie das so lesen, weil ich es mir so wünsche, dass man so liest, und das ist tröstlich. Arina Popova: Was sind ihre Themen, gibt es solche? Judith Hermann: Die Figuren der Geschichten sind sehr jung im Buch „Sommerhaus. Später“, im zweiten Buch „Nichts als Gespenster“ sind sie älter und im dritten Buch „Alice“ sind sie so alt, wie ich jetzt bin. Die lernen das, was man im Leben lernt. Es gibt ein Sprichwort: „Man soll sich vor der Erfüllung seiner Wunsche hüten“. Das lernen sie zum Beispiel. Oder dass man selten das bekommt, was man will, aber stattdessen bekommt man etwas Anderes. Das Andere ist klein, aber sehr kostbar. Also sie lernen gegewärtiger zu sein. Und bei aller Traurigkeit sind sie eben doch auch froh. Das Glück des Augenblicks und der Trost der kleinen Dinge. Arina Popova: Wie Sind Sie dazu gekommen, Schriftstellerin zu werden? Judith Hermann: Ich glaube, man entscheidet es nicht, aber es ist auch nicht etwas, das einem überfällt oder vom Himmel kommt. Ich habe als Journalistin gearbeitet, und ich bin einmal lange Zeit von Zuhause weggegangen nach Amerika. Da habe ich Heimweh gehabt und sehr viele Briefe nach Hause geschrieben. Ich glaube, als ich diese Briefe schrieb, das war der Anfang. Es war et- Arina Popova: Denken Sie an die Leser beim Schreiben? Judith Hermann: Wenn ich beim Schreiben an der Geschichte denkend mir Fragen stellen würde, was brauchen die Menschen, was bräuchte ein Leser, was meint die Gesellschaft zu diesem Text, wo sind die Fragen der Gesellschaft, dann könnte ich nicht schreiben. Es ist wichtig für mich beim Schreiben ganz alleine zu sein und nur an mich zu denken und an den ganz kleinen Kreis der Menschen, mit denen ich lebe. Wenn ich Glück habe, erzähle ich indem ich über sie erzähle auch etwas über die Gesellschaft, aber das darf ich nicht wollen, sonst zerbräche der Text. Arina Popova: Haben Sie Vorlieben in der russischen Literatur? Judith Hermann: Dostoevskij, Dostoevskij, Dostoevskij. Und noch Tolstoj, Paustovskij und Achmatova. In Deutschland, als dieses Buch erschien, hat die Kritik gesagt, ich sei eine Enkeltochter Tschechovs. Es war schön für mich aber gleichzeitig hat es mir Angst gemacht. Ich habe eine grosse Distanz zu Tschechov. Das Interview wurde auf Russisch in der “Moskauer Deutschen Zeitung” veröffentlicht: www.mdz-moskau.eu Dezember 2010 (Nr. 22) Stadtnachrichten An Petersburgs Dächern wachsen die Eiszapfen Erwartet Petersburg einen zweiten Katas t r o p h e n -W i n t e r ? Trotz der Anschaffung von neuem Räumgerät werden die Schneeund Eismengen nicht beseitigt. eva.- Nachdem die erste Schneewelle bewältigt schien, sorgte das Tief “Monika” für neue riesige Schneeberge und lange Eiszapfen an den Dächern. Nach offiziellen Angaben hat die Stadt rund 2000 Räumfahrzeuge dazu gekauft. Die Räumdienste sind diesen Schneemengen aber ganz offensichtlich nicht gewachsen. Fussgänger kommen zu kurz Wie im vergangenen Jahr haben darunter vor allem die Fussgänger zu leiden, die sich vielerorts über verschneite Trampelpfade und Eisblasen fortbewe- Sie werden immer länger: An manchen Häusern wachsen Eiszapfen zu tödlichen Geschossen. Bild: Eugen von Arb gen müssen. An Rekordtagen passierten laut Fontanka.ru über 120 Auto-Unfälle wegen Schnee und Glatteis auf Petersburgs Strassen und 47 Mal wurde der Notarzt wegen Stürzen von Passanten aufgerufen. Offener Brief sorgt für Eklat Für einen Eklat sorgte ein offener Brief des populären Krimi-Schauspielers Michail Truchin, der aus Wut über die verstopften und vereisten Gehwege die Petersburger Gouverneurin aufforderte, selbst mit der Schaufel ins Freie zu gehen, um beim Schneeräumen zu helfen. Eiszapfen - gefährliche Pracht Gewachsen sind nicht nur die Schneeberge, sondern auch die Eiszapfen – diese gefährliche Pracht hat in den letzten Tagen vier Mal für Verletzte gesorgt. Im schwersten Fall wurde ein Kleinkind am Auge verletzt. Ein Mann und eine Frau verletzten sich beim Sturz von Dächern, die sie von Schnee und Eis befreiten. Wie schon im letzten Jahr suchte man nach einem Gegenmittel gegen das Eis an den Dächern. Während der Vorschlag der Gourverneurin, die Eiszapfen per Laserstrahl zu beseitigen längst als Witz die Runde macht, wurde eine wesentlich realistischere, billigere und nachhaltigere Lösung gefunden. Die Firma “Baltek SPB” erhielt den mit einer Million Rubel dotierten Preis für ihre Isolationswolle. Wie in den meisten westeuropäischen bereits üblich, sollen die Dächer und Dachstühle mit diesem Material wärmeisoliert werden. Dadurch wird die Dachregion kalt und trocken gehalten, und die Eiszapfen entstehen gar nicht. Erste Urteile wegen Mordkomplott gegen Rektorin der Polar-Akademie Kerem Basangowa Das Stadtgericht hat zwei Mitarbeiter der Polar-Akademie, welche die Ermordung der Rektorin planten, zu bedingten Gefängis Strafen verurteilt. ner Buchhaltungsprüfung, welche die neue Rektorin angeordnet hatte, einen Killer. Basangowa erfuhr jedoch von dem Komplott und schaltete die Polizei ein. eva.- Zwei Mitarbeiter der Petersburger Polar-Akademie, die in das Mordkomplott gegen die Rektorin Kerem Basangowa verwickelt sind (der Herold berichtete), wurden vom Petersburger Stadtgericht zu bedingten Gefängnisstrafen verurteilt. Haupt verd äc ht i ger noch auf freiem Fuss Schuldgeständnis Die relativ milden Strafen von je sechs Jahren und acht Monaten bedingt, konnten sich Wladimir und Michail Schaworonkow durch ihr Schuldgeständnis und Entkam nur durch Glück einem Mordkomplott: die junge Rektorin der Polar-Akademie Kerem Basangowa. ihre Zusammenarbeit mit den Ermittlern erwirken. Aufgrund ihrer Aussagen wurde der Prorektor der Hochschule Wladimir Lukin praktisch als Auftraggeber des Anschlags ermittelt, während sie bei der Vorbereitung halfen. Im April 2009 meldete die Polizei, die hochschwan- gere Rektorin sei auf dem Weg zu ihrem Wagen niedergestochen worden und später ihren Verletzungen erlegen. Kurz darauf stellte sich heraus, dass der Mord lediglich von der Polizei inszeniert worden war, um die Drahtzieher zu ermitteln. Prorektor Lukin hatte bestellte aus Angst vor ei- Bisher ist der mutmassliche Haupttäter Lukin nicht geständig und stets auf freiem Fuss mit der Auflage die Stadt nicht zu verlassen. Wie Basangowa gegenüber dem “Kommersant” sagte, beunruhigt sie, dass Lukin nicht inhaftiert ist und weiterhin als Prorektor angestellt ist. Es komme sogar ab und zu in der Universität vorbei, meinte sie. Obschon sie deswegen schon bei der Polizei intervenierte, hat diese bisher nicht reagiert. Seite 5 Petersburger Polizei nimmt zwei “Betäubungsdiebe” fest eva.- Der Petersburger Polizei ist es gelungen, zwei Mitglieder einer Verbrecherbande zu fassen, die ihre Opfer mit Hilfe von Betäubungsmitteln ausraubt, schreibt “Moi Rayon”. Einer der verhafteten Männer hatte die Opfer nachts in Bars, Hotels und Restaurants kennen gelernt und ihnen angeboten, sie nach Hause zu bringen (der Herold berichtete). Unterwegs bot er ihnen ein Getränk an, das mit Klofelin vergiftet war. Hotelzimmer ausgeräumt Nachdem sie das Bewusstsein verloren hatten, raubte man sie aus und stahl auch sämtliche Wertsachen aus ihren Hotelzimmern. Der verhaftete Dieb war bei insgesamt acht Fällen beteiligt, bei denen Sachen im Wert von rund anderthalb Millionen Rubel gestolen wurden. Unter anderem hatte der 29-jährige Verhaftete im Juni einen Esten ausgeraubt, dank dessen Beschreibung er verhaftet werden konnte. Der zweite Festgenommene beschäftigte sich mit dem Verkauf des Diebesguts. Die Polizei konnte bereits die Treff -punkte der Bande, ihr Fahrzeug und die “Kanäle” sicherstellen, über die die Sachen verkauft wurden. Nun fandet sie nach weiteren Mitgliedern der Bande – unter anderem soll auch mindestens eine Fau an den Verbrechen beteiligt gewesen sein, die in Bars am Newski mit Männern flirtete und sie später einschläferte und ausraubte. Dezember 2010 (Nr. 22) Vilsmaier dreht “Russisches Roulette” in St. Petersburg Kultur Ehemaliger «Mitok» Florenski Seite 6 eva.- Der deutsche Regisseur Joseph Vilsmaier dreht in St. Petersburg einen Kriminalfilm mit dem Titel “Russisch Roulette”. Die zweiteilige Produktion erzählt die Geschichte eines getöteten russischen Journalisten Viktor Kunin und seiner deutschen Frau (Katharina Böhm), die während ihrer Reise nach St. Petersburg ihren Sohn (Emit Kafitz) verliert. Auf der Suche im bürokratischen und kriminellen Grosstadtdschungel erlebt sie allerhand Abenteuer. Konzert: “Deutschland. Tradition und Erneuerung” Orgelkonzert mit Werken von Hindemith, Distler, Pachelbel, Buxtehude und Bach. Der Solist Ludger Lohmann ist ein international bekannter Organist und Professor für Kirchenmusik in Stuttgart und Köln. 13. Januar 19.00 Staatliche Akademische Kapella. Nab. Reki Moiki 20. Tel. 314-10-58. Eintritt 350-500 Rubel. Konzert: Mussorgsky DIS-COVERED Fünf Musiker aus verschiedenen Kulturen, schliessen sich zusammen, um einen genialen Komponisten neu zu entdecken: Modest Mussorgsky. Solisten: Elisabeth Kulman (Mezzo-Sopran, Österreich), Tscho Theissing (Geige, Österreich), Arkady Shilkloper (Waldhorn, Flügelhorn, Alphorn, Deutschland/Russland), Antoni Donchev (Klavier, Bulgarien), Georg Breinschmid (Kontrabass, Österreich). 29. Januar 19.00, Staatliche Akademische Kapella. Nab. Reki Moiki 20. Tel. 314-10-58.Eintritt: 350-500. Der bekannte Petersburger Künstler Alexander Florenski zeigte in der Galerie “Anna Nova” seine Reisebilder und signierte Kataloge. Florenski, Mitbegründer der Künstlergruppe “Mitki”, ist neben seiner Malerei auch als Trickfilm-Autor bekannt geworden. Ausserdem war er während Jahren künstlerischer Leiter der Kultuzeitschrift “Schurnal Adressa”. Bild: Eugen von Arb Neue Räume der Eremitage im Generalstab eröffnet Die erste AusbauEtappe im linken Flügel des Generalstabs ist abgeschlossen und wurde eingeweiht. eva.- Wie angekündigt eröffnete die Eremitage die erste Etappe des umgebauten Generalstabsflügels. An der Feier waren zwar noch kaum Kunstwerke zu sehen – dafür erfüllten Musik und prominente Gäste die modernen Museumsräume. Neben Eremitage-Direktor Michail Piotrowski trat die Petersburger Gouverneurin Valentina Matwijenko auf. Sie lobte Qualität und Zuverlässigkeit der mit dem Umbau beauftragten Baufirma “Intarsia”. Das Generalstabsprojekt sei wohl das einzige Beispiel der Modernisierung eines historischen Gebäudes in der Stadt, das keinerlei Konflikte hervorgerufen habe, so Matwijenko. Wie alle anderen Gäste zeigte sie sich beeindruckt vom Foyer der neuen Anlage, Die Eremitage öffnete die Tore zu den neuen Räumen für prominente Gäste. Bild: PD zu dem eine grosse Marmortreppe gehört, die zum 15 Meter hohen Eingansportal führt, das durch ein zweiflügliges Eichenholztor verschlossen wird. Mit dem Generalstab verfügt die Eremitage als erstes grosses Petersburger Museum über moderne Räumlichkeiten, in denen Kunst ohne “historische Kulisse” ausgestellt werden können. Bei ihrem Rundgang besichtigten die Gäste auch die Brücke mit gläsernem Boden, die die beiden Flügel verbindet. Die gesamte Anlage ist sehr minimalistisch gestaltet, wertvolle historische Bausubstanz, wie zum Beispiel Kachelöfen wurde bewahrt und in den modernen Bau integriert. Die moderne Klimaanlage, welche für ideale Bedingungen für Kunstwerke und Besucher sorgen soll, funktionierte ohne am Premiereabend ohne Probleme. Am Eröffnungsabend waren ausser zwei Werken von Henri Matisse noch keine Kunstwerke ausgestellt – dafür bewährte sich die Eingangstreppe ein erstes Mal als Konzertbühne bei einem Auftritt des Opernsängers Vassili Gerello aus dem Ensemble des Mariinski-Theaters. Die Darbietung sei zwar relativ laut gewesen, dafür habe sich ein echter Stereo-Effekt eingestellt, schreibt Fontanka.ru. Der linke Flügel des Generalstabs wird seit 2008 nach dem Projekt des Architekturbüros “Studio44” unter der Leitung von Nikita Jawein umgebaut. Bis 2014 sollen die Modernisierung der insgesamt 45 Räume abgeschlossen sein. Im neuen Trakt soll unter anderem eine Abteilung für zeitgenössische Kunst entstehen. Dezember 2010 (Nr. 22) Stadtnachrichten Putin und Halonen weihen “Allegro”-Schnellzug ein Die finnische Präsidentin und der russische Premier waren bei der Jungfernfahrt des Hochgeschwindigkeitszugs “Allegro” zwischen Helsinki und Petersburg dabei. rian.- Putin schloss sich in Wyborg der finnischen Präsidentin Tarja Halonen an, die in Helsinki in den Zug eingestiegen war. Mit der Umsetzung des Projekts war nach den Verhandlungen zwischen Putin und Halonen im Mai 2002 begonnen worden. Halonen und Putin besichtigten den frisch renovierten Bahnhof von Wyborg und setzten anschließend zusammen ihre Reise nach St. Petersburg fort. Das russische Eisenbahnunternehmen RZD Hat Finnen und Russen einander näher gebracht: der Hochgeschwindigkeitszug “Allegro”. Bild: Wikimedia Commons schlägt vor, die Passagiere der Allegro-Züge für 72 Stunden visumfrei in Russland einreisen zu lassen. Das teilte RZD-Präsident Wladimir Jakunin am Sonnabend auf einer Pressekonferenz in Helsinki mit, die der Aufnahme des Allegro-Zugverkehrs zwischen St. Petersburg und Helsinki gewidmet war. Jakunin verwies darauf, dass diese Regelung vor zwei Jahren für die Touristen beschlossen wurde, die auf dem Seeweg nach St. Petersburg kamen. „Wir haben diesen Beschluss studiert und festgestellt, dass wir die Möglichkeit haben, die Regierung zu ersuchen, die gleiche Regelung für Touristengruppen gelten zu lassen, die die Allegro-Züge auf der Strecke Helsinki – St. Petersburg benutzen werden“, hieß es. „Ich habe bereits einen entsprechenden Brief an Premier Wladimir Putin unterzeichnet.“ Dank den Allegro-Zügen wird die Reisedauer zwischen St. Petersburg und Helsinki von 6 Stunden und 18 Minuten auf dreieinhalb Stunden verringert. Die Züge bieten 344 Plätze für Fahrgäste, 48 davon in der 1. Klasse. Eine Fahrkarte in der 2. Klasse kostet 84 und in der 1. Klasse 134 Euro. Die Zuggeschwindigkeit auf dem Territorium Russlands wird maximal 200 km/h und auf dem Territorium Finnlands 220 km/h betragen. Der Verkauf von Allegro-Tickets hatte bereits vor einigen Wochen begonnen, und laut RZD sind die Allegro-Züge über die Neujahrstage bereits gut ausgebucht. Schwaches Petersburger “Echo” auf Unruhen in Moskau Rechtsgerichtete Gruppierungen demonstrierten, und bei den Antifaschisten führte die Polizei eine Hausdurchsuchung wegen “E x tremismus-Verdacht” durch. eva.- Die brutalen Zusammenstösse von SpartakFussballfans, Nationalisten und Kaukasiern in Moskau hat in Petersburg nur einen schwachen Nachhall bewirkt. Einerseits wurden hier deutlich weniger Menschen mobilisiert, andererseits unterdrückte die Polizei bereits leiseste Anzeichen von Protest und verhaftete wahllos Leute von der Strasse weg. An sämtlichen Metrostationen im Zentrum waren die Polizeistreifen verstärkt. Besonders viel Polizei wurde im Bereich der Sennaja Ploschad zusammen gezogen, wo offenbar ein möglicher Unruheherd vermutete wurde. Polizei und OmonSonderpolizei griffen ohne Vorwarnung zu und bug- Seite 7 Teures Neues Jahr – Tarife für ÖV, Gas, Wasser und Elektrizität steigen massiv eva.- Wie üblich steigen die Lebenshaltungskosten für die Petersburger Bevölkerung zum Jahreswechsel an – diesmal ist der Teurungsschub happig: Eine Metro-Fahrt wird im Januar neu 25 Rubel kosten – drei Rubel mehr als jetzt. Die Preise für Bus und Tram werden um zwei Rubel von 19 auf 21 Rubel angehoben. Auch die Hausverwaltungstarife werden zünftig teurer – im Schnitt werden 15 Prozent aufgeschlagen. Ab dem 1. Januar wird Strom zehn Prozent, Kaltwasser 20 Prozent, Warmwasser 13 Prozent und Gas 17 Prozent mehr kosten. Die Petersburger Regierung, welche die neuen Preise bereits bewilligt hat, begründet die Erhöhung mit der Inflation und der Verteuerung der Treibstoffpreise – ausserdem sollen mit dem Geld die Sozialleistungen der Angestellten im ÖV und bei der Hausverwaltung verbessert werden. Petersburger Weihnachtsmarkt auf dem Ostrowski-Platz “Kochende” Emotionen an einem Spartak-Spiel. Bild: Wikimedia Commons sierten in ihrer Busse, wer ihnen verdächtig vorkam. Laut Fontanka.ru wurden rund 80 Personen auf die Wache transportiert. Einige Festgenommene wehrten sich verzweifelt, andere liessen die Festnahme ruhig über sich ergehen. Erst als die Beamten eine Frau mit einem Kleinkind in den Bus setzen wollten und dafür von den Passanten Empörungsschreie ernteten, merkten sie, dass sie wohl zu weit gegangen waren und liessen sie frei. Die Verhaftete hatte lautstark gegen die Festnahme ihrer Mannes protestiert. Auch die Waffen die bei den mutmasslichen Unruhestiftern sichergestellt wurden, sind kaum vergleichbar mit dem furchterregenden Arsenal an Schlag-, Stich und Feuerwaffen, die der Moskauer Polizei in die Hände fiel. In Petersburg wurden unter anderem eine Luftpistole und einige Schreckschusspistolen beschlagnahmt. Keine der politischen Parteien unterstützte die Pro- teste, selbst die “Bewegung gegen illegale Migration” nicht. Sowohl der Petersburger Zenit-Fussballklub wie auch Spartak Moskau distanzierten sich von den nationalistischen Unruhen. Sie waren ausgebrochen, nachdem am 6. Dezember der junge Spartak-Fan Jegor Swiridow bei einer Schlägerei im Norden Moskaus ums Leben kam und die Polizei mehrere mordverdächtige aus dem Norskaukasus erst verhaftete und kurz danach wieder freiliess. eva.- Noch bis am 7. Januar ist auf auf dem OstrowskiPlatz der fünfte Petersburger Weihnachtsmarkt im Gang. Neben vielen Ständen mit weihnachtlichen Süssigkeiten wie Lebkuchen, gebrannten Mandeln und Karamel sowie Souvenirs und Geschenken, gehört zum Markt auch eine Kunsteisbahn. Der russische Weihnachtsmarkt ist für die meisten Russen ein Symbol für Neujahr – die russische Weihnacht wird nach dem alten Kalender am 6./7. Januar gefeiert. Abends werden auf der Bühne Konzerte abgehalten. Ausserdem malen dort bekannte Petersburger Künstler Bilder, die zugunsten von Kinderhilfsorganisationen versteigert werden. Dezember 2010 (Nr. 22) Fotogalerie Seite 8 Impressionen vom Weihnachtsmarkt auf dem Ostrowski-Platz Dezember 2010 (Nr. 22) Wirtschaft Novartis baut Pharma-Fabrik in St. Petersburg Der Schweizer Chemie-Konzern Novartis wird in Petersburg eine Fabrik mit 4000 Angestellten bauen. pd.- Der Schweizer Novartis-Konzern gab die Unterzeichnung einer Absichtserklärung mit der Stadt St. Petersburg bekannt und bestätigte damit seine Absicht, dort eine neue pharmazeutische Serienproduktionsanlage zu errichten. Ab 2011 soll das neue Pharma-Werk mit 4000 Arbeitsplätzen entstehen. Zum Novartis-Engagement gehört auch eine Kooperation in Forschung und Entwicklung sowie im Gesundheitssektor. Diese Investition ist Teil eines Engagements in Höhe von 500 Mio. Dollar in die lokale Infrastruktur und in Kooperationsinitiativen im Gesundheitssektor, die über einen Zeitraum von fünf Jahren geplant sind. Die umfassende Partnerschaft konzentriert sich auf drei Kernbereiche: lokale Produktion, Partnerschaften in Forschung und Entwicklung (F&E) sowie Entwicklung des Gesundheitswesens. Das Werk in St. Petersburg wird eine moderne pharmazeutische Produktionsanla- Neben der Pharma-Produktion will Novartis auch in den Forschungsstandort Petersburg investieren. Bild: PD ge auf dem neuesten Stand der Technik sein. Die Anlage stellt eine bedeutende Investition von Novartis in Russland dar und wird den Transfer fortschrittlichster Technologien und Fertigkeiten in die Russische Föderation ermöglichen. Nach der Fertigstellung und Zulassung für die gewerbliche Produktion sollen im neuen Werk in St. Petersburg sowohl hochwertige Markengenerika als auch Pharmazeutika hergestellt werden. Es dürfte eine der grössten Investitionen von Novartis in die lokale Produktion sein, die letztendlich die Bedürfnisse des russischen Marktes und anderer Teile der Welt erfül- len soll. Der Baubeginn ist für 2011 geplant, und die Anlage soll etwa 1,5 Mrd. Einheiten pro Jahr produzieren. Neben der Errichtung der eigenen Produktionsanlage in Russland plant Novartis, die Investitionen in F&E sowie die Kooperationen im öffentlichen Gesundheitswesen gemeinsam mit der russischen Regierung weiter auszubauen. Zu diesen Aktivitäten gehören Kooperationen mit Universitäten und Hochschulen, aber auch mit aufstrebenden russischen Privatunternehmen in unterschiedlichen Bereichen der medizinischen Wissenschaft. Das Spektrum dieser Kooperationen kann von Massnahmen wie der Auslizenzierung von NovartisWirkstoffen an russische Unternehmen mit nachgewiesenen wissenschaftlichen Fähigkeiten über die Einlizenzierung und Erkundung von vielversprechenden Medikamentenkandidaten russischer Wissenschaftler und Universitäten bis hin zu Modellierungs- und Simulationstätigkeiten für klinische Studien reichen. Novartis ist aktiv in all diesen Bereichen tätig und identifiziert dabei vielversprechende Projekte für die gemeinsame Weiterentwicklung. Das Unternehmen ist das erste und einzige Pharmaunternehmen in Russlands Foreign Investment Advisory Council (FIAC, Beratungsausschuss für Auslandsinvestitionen) und wird Partnerschaften mit Gesundheitsbehörden auf Bundes- und Regionalebene eingehen. Daneben hat sich Novartis auch dazu verpflichtet, die Investitionen in die Medikamentenentwicklung durch klinische Studien in Russland zu verdoppeln. Es wird mit der Rekrutierung von etwa 4 000 Personen bis 2013 gerechnet. MAN kommt mit LKW-Werk nach St. Petersburg Der Deutsche Lastwagen-Hersteller baut ein Werk für 10.000 Fahrzeuge jährlich. mm.– Wie Kommersant heute meldet, wird der zu Volkswagen gehörende MAN-Konzern in St. Petersburg ein neues Werk für Lastkraftwagen bauen. Das Werk soll eine Kapazität von 10.000 Fahrzeugen haben. Volvo und die VW Tochter Scania, welche bald mit MAN fusioniert, haben bereits ähnliche Projekte gestartet. Das Abkommen über den Hakan Samuelsson , Chef von MAN. Bild: PD Bau des Autowerks wurde am Dienstag zwischen der Stadt und der Konzernleitung unterzeichnet. In einer ersten Etappe wird eine reine Endmontage realisiert, Ziel sei es jedoch eine möglichst tiefe Produktion vor Ort zu erreichen. Die Startinvestitionen von MAN beträgt 20 Mio. Euro, sagt einer der Gesprächspartner zu Komersant. Der Produktionsstandort steht noch nicht fest. Die vorläufige Endmontage wird in einer Abteilungen des Betriebs “Arsenals” beginnen. Dort residierte bereits die Endmontag für General Motors bevor diese in den neuen Betrieb in der Industriezone Schuschary umziehen konnte. MAN betont, es gebe seit 2008 Pläne ein Produktionswerk in Russland zu erstellen. Nach Verhandlungen im Brjankser Gebiet und in Kaluga wurde sich die Lastwagenbauer dann mit St. Petersburg einig. Die Unternehmensberater von Ernst und Young sind dagegen skeptisch. MAN hat im Jahr 2009 ca. 2000 Lastkraftwagen nach Russland verkauft und ist nach dem Markführer KAMAZ mit über 20.000 Fahrzeugen auf Platz 2. Die Mitbewerber Iveco (1400), Volvo und Scania (jeweils ca. 1000) kommen somit alle zusammen mit MAN auf nur 20% des Marktes. Seite 9 Vom Ticker Grundstein für das neue Flughafenterminal in Pulkovo gelegt fra/ mm.– In einer feierlichen Zeremonie hat der Fraport-Konzern gemeinsam mit seinen Konsortialpartnern und im Beisein des russischen Ministerpräsidenten Wladimir Putin am Flughafen Pulkovo in St. Petersburg den Grundstein für ein neues Passagierterminal gelegt. Vor Ort erklärte der Vorstandsvorsitzende der Fraport AG, Dr. Stefan Schulte: „Nur sieben Monate nach der erfolgreichen Übernahme des Flughafenbetriebs durch unser Konsortium ist heute ein weiterer wichtiger Meilenstein in unserem Projekt erreicht. Während der nächsten drei Jahre werden wir Zeuge der Entwicklung des Flughafens Pulkovo zum hochattraktiven Gateway im Norden Europas sein.“ Begleitet wurde Schulte auf seiner Reise nach St. Petersburg von Prof. Klaus-Dieter Scheurle, Staatssekretär im Bundesministerium für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung, sowie von Uwe Becker, Stadtkämmerer der Stadt Frankfurt am Main, deren Teilnahme die herausragende Bedeutung des Fraport-Engagements in Russland für den Wirtschaftsstandort Deutschland und die hessische Heimatstadt des Airport-Konzerns unterstreicht. Fraport ist mit 35,5 Prozent am Konsortium Northern Capital Gateway beteiligt, das gemeinsam mit den Partnern VTB Bank (50 Prozent), dem zypriotischen Investor Koltseva Holdings Ltd. (7,5 Prozent) und der griechischen Copelouzos Gruppe (7 Prozent) die Entwicklung des Flughafens in der zweitgrößten russischen Metropole vorantreibt. Dezember 2010 (Nr. 22) Vermischtes Verschrottungsprämie - Lada fährt allen davon Abtransportiert und verschrottet - ein Lada Samara. Bild: Eugen von Arb/SPB-Herold Zertifikat für einen Lada, deutlich weniger Verkäufe konnte Renault mit 15 Prozent verbuchen. Auf den nächsten Plätzen landeten Skoda mit 10 Prozent, Ford mit 6,3 Prozent und Chevrolet mit 2 Prozent. Laut dem Leiter von “Piterlada” Valeri Scheromow gaben in erster Linie Pensionäre ihre alten Autos in die Schrottpresse – das, obschon sie ihre Wagen über Jahr- zehnte gepflegt hatten und sehr an ihnen hingen. Darum habe man ihnen jeweils das Schutzblech abmontiert und als Andenken überlassen. Manche “Schrottwagen” erwiesen sich als wahre Raritäten, so zum Beispiel eine 21er Wolga oder ein bereits antiker Alfa Romeo. Sie entgingen der Vernichtung und wurden von Oldtimer-Klubs übernommen. Gekauft wur- den vor allem die klassischen Lada-Modelle, aber auch die Modelle “Samara”, “Priora” und der neue “Kalina” liefen gut. Die Aktion wird im kommenden Jahr weiter geführt – dafür stellt die russische Regierung 13 Milliarden Rubel bereit, 2010 waren es 11 Milliarden. Welches Kontingent an Zertifikaten Petersburg erhält, ist noch nicht bekannt. Der St. Petersburger Herold mm.- Der St. Petersburger Herold (Online) ist aus dem Bedürfnis entstanden, ein Internet- und Informationsportal für die deutschsprachige Gemeinde von St. Petersburg zu betreiben. Um nicht mit der altehrwürdigen St. Petersburgischen Zeitung verwechselt zu werden, wurde unsere Online Zeitung “St. Petersburger Herold” genannt. Die gleichnamige politische Zeitung wurde 1871 als religiös und politisch unabhängiges Medium von St. Petersburger Bürgern deutscher Sprache gegründet. Der St. Petersburger Herold wurde in Folge eine bedeutende überregi- Vom Ticker Bobby Farell tot in seinem Petersburger Hotelzimmer aufgefunden worden Die Verschrottungsprämie wurde zwar nicht im geplanten Ausmass genutzt - trotzdem hat sie für einen zünftigen “Anschub” bei den Autohändlern gesorgt. eva.- Vom staatlichen Verschrottungsprogramm haben vor allem die russischen Autohersteller profitiert, schreibt Fontanka.ru. Zwar wurden im Ergebnis nur die Hälfte der möglichen 40.000 Verschrottungs-Zertifikate in Anspruch genommen, doch schon dies ist ein Erfolg – die Autohändler sprechen von bis zu 60 Prozent mehr Kunden dank dem Programm. Die seit vergangenem März laufende Aktion bot jedem Besitzer eines mindestens zehn Jahre alten Autos die Möglichkeit, ihn zu verschrotten und einen Neuwagen mit einer Vergünstigung von 50.000 Rubel (rund 1.100 Euro) zu kaufen. Obschon die Auswahl der zugelassenen Neuwagen gross war, entschieden sich weitaus die meisten für einen Lada. 53 Prozent verwendeten ihr Seite 11 mm. – Im St. Petersburg Hotel Ambassador verstarb der Sänger Bobby Farrell von Boney M. Bobby Farell wurde am 30. Dezember um 9.00 Uhr ohne Lebenszeichen in seinem Hotelzimmer gefunden. Wie die Polizei mitteilte, gibt es keinen Hinweis auf einen gewaltsamen Tod. Es wurde eine Autopsie angeordnet. Das Mitglied der legendären DiscoBand ist Staatsbürger der Niederlande und hat noch am Vorabend ein Konzert in St. Petersburg gegeben. Nach seinem Auftritt hatte er erklärt er fühle sich nicht gut. Der DJ, Tänzer und Backgroundsänger wurde mit der deutschen Disko-Gruppe Boney M berühmt, welche von Frank Farian 1975 gegründet worden war. Impressum Der St. Petersburger Herold erscheint einmal monatlich. Der Inhalt besteht aus Beiträgen der gleichnamigen Internet-Zeitung www. spzeitung.ru. Redaktion: Markus Müller (mm.), Eugen von Arb (eva.). Redaktionsadresse: [email protected] www.spzeitung.ru Telefon: 8-921-988-51-19 Der Petersburger Herold wird unterstützt von: So sah das Original des “St. Petersburger Herold” aus. Bild: Ausstellung “Deutsche in St. Petersburg”. onale Zeitung und wurde von den damaligen Leitmedien im Westeuropäischen Raum stark beachtet und rege zitiert. In der liberalen, kritischen und politisch akzentuierten Tradition des “alten St. Petersburger Herold” fin- den wir unser Leitbild für unsere neue Zeitung. Der St. Petersburger Herold ist auch ein „Mitmach-Portal“ – sie können eigene Beiträge online Veröffentlichen. Wir bitten Sie von dieser Möglichkeit rege Gebraucht zu machen. Empfehlen sie uns Ihren Freunden und Bekannten weiter, damit der “Herold” zur besseren Vernetzung und Information innerhalb der der Stadt beitragen kann.