28-31_Peichl korr

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28-31_Peichl korr
LEBENSRAUM & ARCHITEKTUR
„Das wahre Progressive ist heute das Konservative ... Leider wird
das bei uns als Schimpfwort gebraucht, z. B. vom Josef Cap.“
„Ich bin ja viel besser als mein Ruf!“
Am 18. März wird Gustav Peichl,
Architekt und Karikaturist, 80 Jahre
alt. Gefeiert werden will er nicht.
TEXT: THOMAS TRENKLER
BILD: RITA NEWMAN
morgen: Feiern Sie Ihren 80er eigentlich
gern?
Peichl: Nein, überhaupt nicht. Ein Interview zum 80er: Das find ich blöd! Schreiben Sie doch etwas über die Ausstellung
im Karikaturmuseum!
Sie meinen „Ironimus. Ohne Leichtsinn
geht es nicht“? Die findet anlässlich Ihres
Geburtstags statt – und wird am 15. März
eröffnet.
Ich hab mir aber verbeten, dass die Politiker dort Reden zum 80er schwingen. Nur
drei Weiber – großartige Frauen – hab ich
gewünscht: Agnes Husslein-Arco, Helga
Rabl-Stadler und Ursula Plassnik. Jede
darf fünf Minuten reden. Aber nur zu
meiner Arbeit. Denn die Ausstellung
widmet sich dem gesamten Œuvre vom
Peichl – beginnend mit Schülerzeichnungen aus der Nazizeit, mit meinen ersten
Karikaturen von Stalin und Churchill.
Haben Sie auch Hitler karikiert?
Schon auch. Aber diese Karikatur gibt es
nicht mehr. Die paar Zeichnungen, die zu
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sehen sein werden, hatte meine Mutter
aufbewahrt.
Wieso haben Sie Ihre Jugend eigentlich in
Mährisch Trübau verbracht?
Von dort stammt meine Mutter. Mein
Vater musste 1938 aus Wien weg. Er hat
dort, in Nordmähren, als Gold- und Silberschmied Arbeit gefunden. Sie wissen,
wer alles von dort herkommt? Adolf Loos,
Sigmund Freud, Josef Hoffmann … Nordmähren ist ein Phänomen!
1947 sind Sie nach Linz, von 1950 bis
1953 haben Sie in Wien bei Clemens
Holzmeister an der Akademie studiert.
Seit wann haben Sie hier, am Opernring,
Ihr Büro?
Seit 1955. Gleich nebenan war das Schlafzimmer. Der erste Opernball war 1956.
Meine Frau und ich saßen beim Fenster,
wir haben mit Sekt angestoßen und
schauten hinüber. Es war wunderbar.
Ist es nicht sonderbar, wenn man als zeitgenössischer Architekt die ganze Zeit auf
so eine historistische Fassade mit all den
Pilastern, Friesen und Gesimsen glotzt?
Ich glotze nicht! Und das Schattenspiel
auf der Fassade, das Streiflicht: Das ist
doch etwas Großartiges!
Der Staberl hat wochenlang in der
„Krone“ dagegen polemisiert. Aber das
hat mich groß gemacht. Und international waren die Landesstudios ein riesiger
Erfolg.
1954 begann auch Ihre Karriere als Karikaturist unter dem Pseudonym „Ironimus“ –
also noch bevor Sie als Architekt in Erscheinung getreten sind.
Ja, als Architekt wollte keiner was von
mir. Ich hab mir nur mein eigenes Haus
gebaut. Das war 1960 in der Himmelstraße.
Bis dahin hab ich gut verdient mit der
Karikatur. Gerd Bacher hatte mich zum
„Bildtelegraph“ geholt.
Sie waren, wie man heute sagt, „state of
the art“. Was waren damals Ihre Grundüberlegungen?
Die gleichen wie heute: Ich möchte modern sein, aber nicht modisch. Was wurde
die Postmoderne gefeiert! Und heute? Ist
sie weg vom Fenster. Ich hingegen wollte
immer nur modern sein. Daher mache ich
auch keine Wuchteln.
Wie war das damals? Sind Sie einfach mit
ein paar Zeichnungen hingelatscht?
Ich bin zwar klein an Wuchs, aber es liegt
mir nicht zu latschen! Ich bin hingegangen, hab lange warten müssen. Und Gerd
Bacher war der Chefredakteur. Beim Bildtelegraph“ musste ich drei, vier Zeichnungen liefern, bis eine genommen wurde. Da
hab ich mir gedacht: Was mach ich mit den
anderen? Und dann bin ich zu anderen
Zeitungen gegangen. Bei der „Presse“ hatte ich sofort Erfolg. Ich bin heute der
älteste „Presse“-Mitarbeiter, ich gehöre
quasi zur Einrichtung. Ich nenne mich
nicht Künstler, obwohl ich einer bin,
sondern „zeichnender Journalist“.
Mit Bacher verbindet Sie eine enge Freundschaft. Er ging 1967 als Generaldirektor
zum ORF.
Zusammen mit meinem „Tiger“. Ich habe
den „Tiger“ erfunden. Auch heute noch ist
Bacher der „Tiger“.
Aus Dankbarkeit haben Sie dann ab 1969
die ORF-Landesstudios bauen dürfen?
Nein, ich hab einen Wettbewerb gewonnen.
Es gab etwa 125 Einreichungen. Das Ergebnis war nicht, so wie bei vielen Wettbewerben heute, im Vorhinein ausgemacht.
Finden Sie die Bezeichnung „Peichl-Torte“
für die Landesstudios in Ordnung?
Natürlich! Alles, wo Peichl genannt wird,
ist in Ordnung.
Was verstehen Sie unter Wuchtel?
Sie sind doch ein Österreicher. Und wissen
Sie nicht, was eine Wuchtel ist? Das
Kunsthaus in Graz zum Beispiel ist eine
Wuchtel. Peter Cook, der Architekt, ist ein
kluger Bursche, und als Wahrzeichen für
Graz ist das Kunsthaus schon eine tolle
Sache. Aber es ist modisch. Und ausstellen
kann man drin fast nichts.
Aber auch an Ihren Landesstudios ist die
Zeit der Entstehung ablesbar.
Finden Sie? Ich höre jetzt immer wieder:
„Das ist ja ganz modern, die schauen
aus, als wären sie erst kürzlich eröffnet
worden.“
Nun, weil die 60er/70er-Jahre wieder modern sind. Das hat was mit Retro zu tun.
Nein, es ist eine zeitlose Architektur! Es
hat Bestand! Und wenn Sie sich die freiliegenden Lüftungsschächte anschauen:
Die entstanden vor dem Centre Pompidou!
Sie haben bei Roland Rainer gearbeitet...
Und viel von ihm gelernt. Er war einer der
intelligentesten Architekten, die wir hatten. Die heutige Architektur ist ja weitgehend unintelligent. Diese Glasschachteln überall: Die muss man im Winter mit
viel Aufwand heizen, im Sommer mit viel
Aufwand kühlen.
Der Akademiehof von Rainer und Ihnen
schaute daher schon bei der Eröffnung in
den späten 90er-Jahren eher alt aus.
Täuschen Sie sich nicht! Der Akademiehof
wird bleiben! Ich sag es Ihnen!
Ich gebe gerne zu: Ihre Architektur ist sehr
funktionell. Das unterscheidet Sie zum Beispiel von Hans Hollein.
Ich schätze Hans Hollein. Aber nicht seine
Architektur. Hollein gibt dem Design den
Vorzug. Das mache ich nicht. Sein HaasHaus ist phantasievolle Architektur, nur:
das Shopping-Center hat nicht funktioniert. Jetzt ist ein Hotel drinnen. Und so
etwas versuche ich zu vermeiden. Gelingt
eh nicht immer. Aber ich versuche zumindest, die Funktion einzubeziehen. Und
die Menschen sollen sich wohlfühlen.
Ich baue nicht für die Kritiker. Das Wohnhaus in der Argentinierstraße zum Beispiel kommt bei den Kritikern nicht an.
Aber reden Sie mit den Leuten, die dort
wohnen: Die sind so etwas von happy!
Die Glasfassade ist ein wenig geschmäcklerisch, finde ich.
Vielleicht. Ich bin nicht gegen das Geschmäcklerische, wenn es Qualität hat. Ich
bin auch nicht gegen den Kitsch. Aber ich
bin gegen den Schund. Und das ist ein
großer Unterschied! Die Glasfassade war
einfach notwendig – aus Schallschutzgründen. Schauen wir einmal, wie sie in
zehn Jahren bewertet wird.
>
Karikaturist Ironimus:
Begonnen beim
Bildtelegraph unter
Gerd Bacher, heute
ältester Mitarbeiter
bei der Tageszeitung
„Die Presse“
Mit der Gangway und den silbernen Entlüftungsrohren erinnern sie auch an vor
Anker liegende Schlachtschiffe.
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„Ich bin mehr ein Clown –
und ich bin das gern. Weil
ich glaube, dass Clowns viel
weiterbringen. Schauen Sie
sich Ministerin Kdolsky an.“
Auf welches Ihrer Bauwerke sind Sie besonders stolz?
Immer auf das letzte. Nein, im Ernst: auf
mein eigenes Haus in Grinzing, das ist ein
Klassiker geworden. Und natürlich auf die
Bundeskunsthalle in Bonn. Für sie hab ich
alle Preise gekriegt, die man kriegen kann,
auch das Bundesverdienstkreuz in Gold,
was natürlich nichts sagt. Aber die Halle
ist jetzt zwölf Jahre alt. Und noch immer
bedanken sich die Kuratoren und Künstler,
weil sie funktioniert. Wenn der Nutzer
sagt: Das ist in Ordnung – dann ist das
eine Genugtuung für den Architekten.
Nach Ihren Entwürfen wurde auch die Erweiterung des Frankfurter Städels errichtet und das Karikaturmuseum in Krems.
Es hat eine eigenwillige Fassade.
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Wenn Sie drüber lachen, ist es gut. Es gibt
viele Architekten, die darüber spotten. Das
Zickzack ist ein Zitat der Verbauung in
Stein. Wenn Sie durch die Altstadt gehen
und nicht nur den Mädels nachschauen,
sondern auch hinaufschauen, dann werden Sie dieses Zickzack erkennen.
Und die beiden Augen in der Fassade samt
der roten Nase?
Ich bin gern g’spaßig. Lassen Sie mich
doch g’spaßig sein!
Ist es ein Wunder, wenn Sie von Kollegen
kritisiert werden? In Ihren Karikaturen
ziehen Sie ja auch gerne über die Kollegen
her. Zum Beispiel über die Brüder Ortner,
die das Museumsquartier errichtet haben.
Hergezogen? Na ja. Weil sie Kisten gebaut
haben! Es ist sehr gut, dass es das Museumsquartier gibt. Aber: Die Brauchbarkeit des Museums moderner Kunst ist eine
geringe. Reden Sie einmal mit Direktor
Köb! Aber ich will nicht schon wieder
schimpfen über die Kollegen. Wir haben
großartige Architekten in Österreich!
Zum Beispiel?
Martin Kohlbauer, Silja Tillner, Paul Katzberger, Albert Wimmer. Oder Heinz Tesar:
ein großartiger Architekt! Das Architekturzentrum Wien hätte schon längst eine
Ausstellung über ihn machen müssen!
Sie haben ja auch das Berliner HolocaustMahnmal von Peter Eisenman kritisiert ...
Und mir wurde daraufhin „Antisemitismus“ vorgeworfen, nur weil ich mich gegen die Architektur ausgesprochen habe.
Aber: Der Maßstab ist falsch! Das StelenFeld ist zehnmal so groß, wie es sein müs-
Ein Clown hat den Vorteil, dass er die
Wahrheit aussprechen kann, ohne dass
man ihn gleich köpft.
So ist es! Das ist der Vorteil meiner Karikaturen. Ich hab Narrenfreiheit. Ich kann mir
alles erlauben. Das war schon bei Figl,
Raab, Kreisky und Sinowatz so: Ich hab die
Politiker ziemlich auf die Schaufel genommen – und trotzdem waren sie alle froh
darüber. Weil sie wussten, dass die Karikatur sie populär macht. Daher sagt auch der
Gusenbauer zu mir: „Mach nur weiter, ich
muss mehr Karikaturen zusammenbringen
als der Kreisky!“ Er ist intelligent. Aber
leider ein schlechter Politiker.
ste. Jenes hinter dem Jüdischen Museum
von Berlin hat 24 Stelen. Und das hat über
2700 Stelen. Das ist ein Fehler! Mit dem
Einfachen, dem Kleinen, dem Maßstäblichen kann man viel mehr erreichen als
mit dem Pompösen. Pompös: Das waren
Hitler und Speer. Die Reichskanzlei und so
weiter: Das war überzogene, maßstablose
Architektur.
Wenn man durch das Stelen-Feld geht: Es
nimmt einen schon gefangen.
Das gebe ich gerne zu. Es hat eine gewisse Originalität. Aber es ruiniert die Umgebung. Es ist nicht menschlich. Ich bin
mit Eisenman befreundet, habe viel mit
ihm diskutiert. Er sagte: „Genau das Unmenschliche wollte ich zeigen.“ In Ordnung! Trotzdem bin ich ein Gegner des
Maßstablosen. Ich kritisiere daher auch
das neue Regierungsgebäude in Berlin:
Das ist ein Haus für Giraffen, nicht für
Menschen. Und ich kenne die Situation in
Berlin sehr gut: Nach meinen Plänen
wurde am Pariser Platz ein Wohn- und
Geschäftshaus errichtet.
Pompöse Architektur: Da hätten Sie auch
viel an Wilhelm Holzbauer zu kritisieren,
wenn ich zum Beispiel an seine Monstergebäude in der Lassallestraße in Wien denke.
Hab ich auch! Sie sollten uns zuhören,
wenn wir streiten! Wir sind befreundet,
aber er fängt nichts mit meiner Architektur an – und ich nichts mit seiner. Das
Haus für Mozart in Salzburg: Es ist sehr
gut, es funktioniert. Aber ich hätte es anders gemacht. Außen: Diese Demonstration von Größe! Holzbauer hat eben den
Hang zur Größe. Allein schon, wie er sich
gibt. Er ist das Gegenteil von mir: Ich bin
FOTOS: CHRISTIAN HUSAR, GÜNTER KARGL, GISELA ERLACHER
Wie ist es Ihnen denn gelungen, dort die
Plastiken von Fritz Wotruba, einem Ihrer
Weggefährten, aufstellen zu dürfen?
Handstreichartig habe ich sie abholen
lassen, weil ich sauer war, wie man mit
seinem Erbe umgeht. Wotruba war mit mir
an der Akademie. 1974 hat er dafür gestimmt, dass ich Meisterschulleiter wurde.
Ich habe ihn über alle Maßen geschätzt.
Ich war einmal in seiner Villa im 18. Bezirk: Im Keller sind die Plastiken umeinandergelegen. Am nächsten Tag hab ich
Wilfried Seipel, den Direktor des Kunsthistorischen Museums, angerufen. Der
war der Präsident des Wotruba-Freundesvereins. Ich hab ihn gefragt, ob er was dagegen hat, wenn ich die Plastiken in der
Argentinierstraße aufstelle. Nein, sagte er.
Und so hab ich die besten Sachen ausgewählt. Ich bin mir sicher: Sie werden
noch lang bei uns stehen.
mehr ein Clown – und ich bin das gern.
Weil ich glaube, dass Clowns viel weiterbringen. Schauen Sie sich Ministerin
Andrea Kdolsky an: ein wunderbarer
Clown in dieser Szenerie der Politik! Das
muss man doch schätzen.
Sie haben auch das Recht, Damen ziemlich unvorteilhaft zu zeichnen – wie zum
Beispiel einst Wissenschaftsministerin
Hertha Firnberg.
Nach der Veröffentlichung einer Karikatur
hat sie mich beschimpft: „Sie sind schuld!
Als ich in Graz war, haben die Studenten
gerufen ,Das Faltengebirge kommt!‘.“ Aber
die Firnberg – die war klass! Wenn ich
mir die heutige Politik anschaue: Die Persönlichkeiten fehlen! Mit Kulturministerin
Claudia Schmied kann man nur zufrieden
sein, wenn man Banker ist oder Sozialdemokrat.
Wieso? Sie hat sich doch gegen den Kanzler gestellt – und nicht Neil Shicoff zum
Staatsoperndirektor bestellt. Ich erinnere
mich an eine Karikatur von Ihnen während der Direktorensuche: Gusenbauer
überbringt Schmied seinen Freund Shicoff
als Geschenkpaket.
Shicoff war von der Zeichnung begeistert.
Denn hier im Haus ist sein Arzt. Der ist
ja mehr Psychiater als Hals-, Nasen- und
Ohrenarzt. Guter Mann! Und der hatte
die Zeichnung bei sich unten. Dort hat
Shicoff sie gesehen. Er wollte unbedingt
das Original, weil er dachte, er wird es.
Und da hat er die Zeichnung gekauft?
Gekauft? Ich hab sie ihm geschenkt! Ich
bin ja viel besser als mein Ruf.
Und ich dachte, Sie geben Ihre Karikaturen
nicht gerne her. In der Albertina und in
anderen Museen gibt es ja nur recht wenige
Blätter von Ihnen.
Das stimmt schon. Ich bin schon etwas
eitel. Und ich will sie alle behalten. Da drüben im Archiv hab ich 17.000 Originale.
Wenn man Ihre jüngsten Karikaturen anschaut, könnte man meinen, Sie zittern
ziemlich. Aber das stimmt nicht: Schon
vor Jahrzehnten war Ihr Zeichenstil ein
solcher. Ist das Ihre Masche?
Ich habe einen Tremor. Zum Beispiel beim
Essen. Aber wenn ich eine Feder in die
Hand hab, dann ist er weg. Das Zittrige:
Das bin eben ich. Das mach ich nicht bewusst. Ich bin darauf schon stolz: Dass ich
meinen Zeichenstil über 60 Jahre ohne zu
verändern beibehalten habe. Alle anderen
haben sich ja fünfmal umgedreht. Man
könnte natürlich sagen: Sie haben sich
entwickelt. Und ich nicht. Macht ja nix.
Auch Sie sind mit der Zeit gegangen: Viele
Ihrer Karikaturen sind eigentlich Collagen.
Ja, der Fotokopierer und später die Mouseclick-Generation hat mir die Chance dazu
gegeben. Gerade vorhin hab ich einen
Schüssel vergrößert und in meine Karikatur geklebt. Aber ich kann dazu eigentlich
nichts sagen. Jeder kennt sich selbst am
wenigsten.
Ein Markenzeichen von Ihnen waren die
Männchen mit Steirerhut und das Arbeiterkapperl. Sie kommen fast nicht mehr vor.
Der ÖVPler und der SPÖler von heute sind
anders. Die Gusenbauer-SPÖ ist keine
Arbeiterpartei mehr. Und in der ÖVP kenne ich viele sogenannte „Linke“. Links und
rechts: Das gilt ja nicht mehr.
Es gibt nur mehr – quer durch die Parteien – die Unterscheidung zwischen Progressiven und Konservativen.
Das schon. Aber: Das wahre Progressive
von heute ist das Konservative! Das kann
man nachweisen. Weil die konservative,
gute Malerei wieder im Aufwind ist, die
gute Zeichnung, die Figur. Sie waren
durch die Steckdosenkunst in den Hintergrund gedrängt worden. Leider wird bei
uns „konservativ“ als Schimpfwort gebraucht. Zum Beispiel von Josef Cap. In
England würde niemand „conservative“
als Schimpfwort verwenden.
Wie zeichnen Sie dann heute einen ÖVPler
oder SPÖler?
Das ist eh ein Problem! Man muss Gesichter zeichnen.
Sie müssen pro Woche vier, fünf Karikaturen liefern – der „Süddeutschen Zeitung“,
der „Presse“. Gibt es auch Tage, an denen
Ihnen nichts einfällt?
Selbstverständlich. Dann ist die Karikatur
eben schlechter. Nicht einmal der Ironimus macht nur gute Zeichnungen. Aber
geliefert habe ich immer.
Ans Aufhören denken Sie nicht?
Nein. Das hält jung. Und weil ich karikiere, brauche ich keinen Psychiater. ■
IRONIMUS IM KARIKATURMUSEUM
Dieses Jahr ist das Karikaturmuseum in Stein bei
Krems ein Ironimuseum: Bis 9. März läuft die
Ausstellung „Alles Kunst, oder was?“ Bereits am
15. März wird die nächste Ironimus-Retrospektive eröffnet: Unter dem Titel „Ohne Leichtsinn
geht es nicht!“ präsentiert das Karikaturmuseum
Zeichnungen, Skizzen, Fotografien, Zeitungsausschnitte und Lithographien aus sechs Jahrzehnten. Tägl. 10–18 Uhr. www.karikaturmuseum.at
Architektur von Gustav Peichl: Messe Wien, Karikaturmuseum in Krems, ORF-Studio Niederösterreich in St. Pölten
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