Brandschutz(?) in der Wohnhausanlage

Transcrição

Brandschutz(?) in der Wohnhausanlage
BAS_2007 1-121:BAS_2007 1-135
26.02.2009
Brandschutz(?)
10:04 Uhr
in
der
Seite 90
Wohnhausanlage
Brandschutz(?)
in der Wohnhausanlage
Eine brenzlige Bestandsaufnahme
im kommunalen Wohnbau
Franz Kulicek
Fuhry + Kulicek OEG - Präventivdienste und Facilitymanagement
A-1220 Wien • Kagraner Platz 40
Tel.: 01 / 958 79 49 - 11 • Fax: 01 / 958 79 49 - 20
E-Mail: [email protected] • Homepage: www.brandschutzbeauftragte.at
eder, der in einer Wohnhausanlage sein Zuhause hat,
lebt mit der Vorstellung, dass die Verwaltung, die
Genossenschaft oder der Besitzer für die Einhaltung
der Gesetze, Normen und Vorschriften sowie für die Sicherheit der Bewohner sorgt. Leider in vielen Fällen ein
Trugschluss.
J
Wie sicher ist wohnen?
dem Dachboden und fordert auf, diesen zu entfernen (mit
Hinweis auf die feuerpolizeilichen Vorschriften). Sonst
sind die Aktivitäten der meisten Hausverwaltungen und
Wohnbaugenossenschaften dazu sehr, sehr gering.
„Bei uns is olles
in Urdnung ...“
Im Betrieb sollte der Brandschutzbeauftragte nach dem
Rechten sehen. Die Sicherheitsfachkraft auch. Der Arbeitsinspektor als behördliche Instanz trägt ebenfalls dazu bei damit der Vorbeugende Brandschutz funktioniert.
Ganz anders im kommunalen Wohnbau. In den seltensten
Fällen werden regelmäßige Brandschutzbegehungen vorgenommen, obwohl die Mehrheit der Brände dort stattfinden. Ein Brandschutzbeauftragter ist in Wohnhausanlagen nur in ganz seltenen Ausnahmen zu finden. Manchmal beanstandet der Rauchfangkehrer den Sperrmüll auf
Falsch! Nach eigenen Untersuchungen in mehr als 300
Wohnhausanlagen in Wien, Niederösterreich und Burgenland hat sich gezeigt: In ca. 60 % aller Wohnhausanlagen sind brandschutztechnische Mängel zu verzeichnen, in 30 % sogar schwere Mängel. Leere Feuerlöscher und defekte Trockensteigleitungen sind ebenso zu
finden wie Munitionskisten im Keller und Benzinkanisterlager (voll) in der Garage. Manche Garagenplätze scheinen oft als Sperrmülllager zu dienen.
Dass die Fluchtweg- und Notbeleuchtungen fast überall
teilweise oder ganz defekt sind, scheint normal zu sein und
Abbildung 1: Dachboden mit Sperrmüll
Abbildung 2: Notbeleuchtung - Funktion oftmals
Glückssache
90
26.02.2009
10:04 Uhr
Seite 91
niemanden zu kümmern. Obwohl die Überprüfung der Sicherheitsbeleuchtungen gesetzlich gemäß Elektrotechnikverordnung vorgeschrieben ist, siehts hier meistens
finster aus (im wahrsten Sinn des Wortes).
Ein Zustand, der im schlimmsten Fall tödliche Folgen für
die Hausbewohner haben kann. Dabei muss es nicht einmal brennen - ein simpler Stromausfall macht ein Gebäude dann zur dunklen Falle.
Die Gefahren
Auf der Suche nach Gefahren wird man schnell fündig.
Einige Beispiele: Sollten im Stiegenhaus Feuerlöscher
hängen, so kommt es häufig vor, dass diese nicht geprüft
sind. Oder schlimmer: leer. Nicht funktionierende Brandrauchentlüftungen, verstellte Stiegenhäuser und Notausgänge behindern bei der Flucht. Für Rettungskräfte im
Einsatzfall eine zusätzliche Hürde.
Oftmals findet man elektrische „Übergangslösungen“,
blanke Drähte mit bereits angeschmorten Leitungen – vom
Brandausbruch nur kurz entfernt. Klemmende Brandschutztüren und -tore welche nicht schließen. Auch zugesperrte Garagenausgänge hindern kaum Einbrecher, sind
aber im Ernstfall eine tödliche Brandfalle.
Der sichere Weg ins Freie muss mit einer Fluchtwegbeschilderung ausgestattet sein. Im besseren Fall in langnachleuchtender Ausführung. Hier sollte man auf die Qualität achten: Technischer Standard sind heute Schilder mit
einer Leuchtintensität von mind. 150 mcd/m2 . Diese Schilder haben den Vorteil, dass sie wartungsfrei sind, brauchen
jedoch eine gewisse Zeit um „aufzuladen“. In Bereichen
mit kurzen Beleuchtungszeiten (z. B. Garagen, Lager- und
Kellerbereiche) können Schilder mit dreifacher Aufladegeschwindigkeit und einer Leuchtintensität von 300 mcd/
m2 sehr gute Ergebnisse erzielen.
„Ist ja noch nichts passiert ...,
... wo steht das ...“
Die entsprechenden Gesetze, Verordnungen und Normen
sind auf viele Bereiche aufgegliedert. Jedoch nach Studium der Judikatur und jüngster Rechtssprechung ergibt
sich ein klares Bild: Der Eigentümer bzw. die Verwaltung
muss seiner gesetzlichen Verpflichtung zur Instandhaltung der Gebäude nachkommen. Es wird immer wieder
(von den Behörden) darauf hingewiesen, „... dass es dem
Eigentümer (Verwalter) obliegt, sich laufend vom guten Zustand der Baulichkeit zu überzeugen ...“
Brandschutztechnische Einrichtungen zählen ebenso dazu!
Sicherheitsprüfung
durch Evaluierung
Eine sicherheitstechnische Begehung von Wohnobjekten
mit Einbeziehung der brandschutztechnischen Einrichtungen ist eine Möglichkeit um sich Gewissheit zu verschaffen. Ist man auf der sicheren Seite oder muss nachgebessert werden? Im Anhang 4 der TRVB N 116 befindet sich eine Checkliste, welche bei der Umsetzung der
Schutzziele helfen kann. Hier werden alle brandschutztechnisch relevanten Punkte (technisch, baulich und organisatorisch) taxativ erfasst. Eine Bewertung über den Objektzustand ist dadurch möglich. Mängel können aufgelistet und im Anschluss behoben werden. Technische Systeme, welche nicht mehr dem Stand der Technik entsprechen, sollte man erneuern oder den Gegebenheiten anpassen. Manche Einrichtungen welche zum Errichtungszeitpunkt in Ordnung waren, genügen den heutigen gesetzlichen Vorschriften nicht mehr. Eine Nachbesserung ist unbedingt vorzunehmen.
Brandschutztechnische
Einrichtungen in der
Wohnhausanlage
Abbildung 3: Wandhydrant oder Autowaschplatz?
Nicht nur im betrieblichen Alltag, auch im Wohnbau begegnet man einer Vielzahl an brandschutztechnischen Einrichtungen. Sämtliche Sicherheitseinrichtungen sind periodischen Überprüfungen zu unterziehen. Folgende Überprüfungstermine sind auch in Wohnhausanlagen laufend
zu kontrollieren:
Tragbare Feuerlöscher: alle 2 Jahre gemäß EN 3 durch
einen befugten Sachkundigen.
Steigleitungen trocken: jährlich periodische Überprüfung gemäß Pkt. 7.2 der TRVB F 128; alle 4 Jahre periodische Dichtheitsprüfung von einer hierzu befugten Stelle.
Steigleitungen nass: jährlich periodische Überprüfung
gemäß Pkt. 8.2 der TRVB F 128; alle 4 Jahre Überprüfung von einer hierzu befugten Stelle.
91
Vorbeugender BRANDSCHUTZ
BAS_2007 1-121:BAS_2007 1-135
BAS_2007 1-121:BAS_2007 1-135
26.02.2009
Brandschutz(?)
10:04 Uhr
in
der
Seite 92
Wohnhausanlage
Wandhydranten mit Schlauchhaspel: jährliche Über-
prüfung gemäß ÖNORM EN 671-3:2000 bzw. Pkt. 8.2
der TRVB F 128; alle 4 (5) Jahre Überprüfung von einer hierzu befugten Stelle.
Blitzschutzanlagen: alle 5 Jahre und nach jedem Blitzschlag durch befugten Fachkundigen gemäß ÖVE-E 49
(und z. B. ÖVE/ÖNORM E 8049).
Rauch- und Wärmeabzugsanlagen (z. B. in den Stiegenhäusern): jährliche Wartung gemäß TRVB S 125
bzw. TRVB S111 durch einen befugten Fachkundigen.
Eigenkontrolle alle 3 Monate auf Funktion.
Brandmeldeanlagen: jährliche Wartung gemäß ÖNORM
F 3070 und TRVB S 123 durch eine befugte und zertifizierte Fachfirma. Alle 2 Jahre Revision durch eine
hiefür staatlich akkreditierte Prüf- oder Überwachungsstelle.
Brandfallsteuerungen: jährliche Wartung gemäß TRVB
S 151 durch einen befugten Fachkundigen. Alle 2 Jahre Revision durch eine hierfür staatlich akkreditierte
Prüf- oder Überwachungsstelle.
Feststellanlagen für Brandschutz- und Rauchabschlüsse: monatliche Überprüfung gemäß Pkt. 5.2 der
TRVB B 148.
Notbeleuchtung: Hierzu zählen die Sicherheitsbeleuchtung und die Fluchtweg-Orientierungsbeleuchtung nach TRVB E 102: Monatliche Funktionskontrolle und jährliche Überprüfung gemäß ÖVE/ÖNORM
E 8002 und Elektrotechnikverordnung (ETV).
Dabei sind lt. TRVB N 116 02 auch für Wohnhausanlagen Brandschutzbeauftragte einzusetzen, welche die Wartungstermine überwachen könnten. Die Anzahl wird wie
folgt ermittelt:
Wohngebäude ohne technische Brandschutzeinrichtungen: 1 BSB ab 2.000 m2 Gesamtwohnfläche oder ab 500 m2
je Stiege bei mehr als 4 Stiegen in einem zusammenhängenden Gebäudekomplex mit mehr als 11,0 m Gebäudehöhe.
Wohngebäude mit technischen Brandschutzeinrichtungen: 1 BSB + 1 StV. ab 1.000 m2 Gesamtfläche. Je nach
Größe können zusätzliche BSW erforderlich sein.
Im Fall einer Brandmeldeanlage mit TUS-Anschluss wird
seitens der Behörde immer ein Brandschutzbeauftragter
vorgeschrieben. Im kommunalen Wohnbau, wo Hausbetreuungsfirmen im Vormarsch sind, oft eine schwierige
Aufgabe. Eine Alternative kann ein externer gewerblicher
Brandschutzbeauftragter sein, welcher sich auch um die
monatlichen Kontrollen kümmert inklusive der erforderlichen Aufzeichnungen.
92
Zusammenfassung
Viele Hausverwaltungen bzw. Eigentümer sitzen buchstäblich auf einer Zeit(brand)bombe. Dass die einschlägigen Gesetze, Verordnungen, Normen und Richtlinien sehr
unübersichtlich sind, macht es nicht einfach. Mindestens
neun verschiedene Landesbauordnungen und ebenso viele Feuerpolizei- und Feuerwehrgesetze gibt es zu beachten. Zusätzlich das Wiener Feuerpolizei- und Luftreinhaltegesetz, das Wiener Garagengesetz u.v.a.
Die neuen OIB-Richtlinien werden in Zukunft eine Vereinheitlichung bringen. Bis diese jedoch in allen Bundesländern zum Gesetz geworden sind und auch angewendet
werden, wird noch eine Weile vergehen ...
Jedoch die Pflicht sich augenscheinlich vom Zustand eines Objektes zu überzeugen, sollte kein Objektverantwortlicher vernachlässigen, oder sich fachkundiger Hilfe
bedienen. Diese kann ein externer Brandschutzbeauftragter sein, mit Gewerbeberechtigung, welcher hilft den Objektschutz zu verbessern.
Nach einem Brand, nach einem eingetretenen Personenschaden über Prävention nachzudenken, ist zu spät. Wenn
Gerichte und Sachverständige mit der Ursachenermittlung befasst sind, kommt oftmals das böse Erwachen und
die Erkenntnis, mit wie geringem Aufwand großer Schaden verhindert werden kann.