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D o n n e r s ta g , 0 4 . S e p te mb e r 2 0 0 8 - 1 9 : 3 8 Uh r
Lost in Managua
Abgelegt unter: Lateinamerika v o n K l a u s E h r i n g f e l d [E-Mail]
Wer in Nicaraguas Hauptstadt Managua eine Adresse finden will,
braucht viel Geduld, einen Kompass und einen guten Taxifahrer. Und
am besten einen gut ausgeprägten Orientierungssinn. Nur eines
braucht er nicht: einen Stadtplan. Denn Straßennamen und
Hausnummern gibt es in Managua so gut wie nicht. Wer in der
1,5-Millionen-Stadt eine Adresse finden will, muss gut zuhören und
mitschreiben.
Neulich erläuterte mir eine Gesprächspartnerin den Weg zu ihrem
Haus: Landstraße in den Süden, Richtung Jinotepe, bis zum
Kilometer 12,5, beim Hinweisschild der Wasserfirma Enacal links ab,
dann den asphaltierten Weg mit den gelb gestrichenen Bordsteinen
bis zum letzten Haus. Leider gab es an der Abzweigung zwei
asphaltierte Wege mit den gelben Bordsteinkanten. Da auch der
Taxifahrer den Weg nicht kannte, blieb nur trial and error. Am Ende
K l aus Ehr i ngfe l d
Klaus Ehringfeld, Jahrgang 1964, kam
im Oktober 2001 nach Mexiko-Stadt
und wollte eigentlich nur ein Jahr
bleiben. Inzwischen ist ihm das Leben
mit 20 Millionen Anderen im alltäglichen
Wahnsinn der Megalopolis zur Gewohnheit und
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des eingeschlagenen Weges war kein Haus, aber ein älterer Herr,
der natürlich wusste, dass die gesuchte Adresse am Ende des
anderen Weges war.
Wo Namen fehlen, müssen Referenzpunkte helfen. Deswegen hat
fast jede Adresse einen Bezug, etwa zum Managua-See. So muss
man dem Taxifahrer den Weg zur deutschen Botschaft so
beschreiben: Vom Kreisverkehr El Güegüense anderthalb
Straßenblocks Richtung See und dann gleich hinter dem
Optikerladen. Und tatsächlich. Da weht der Bundesadler.
Wenn der See nicht weiter hilft, dann müssen bekannte Orte
herhalten. Ein Hotel, eine Apotheke, manchmal sogar ein großer
Baum. Von da geht es dann nach oben oder nach unten. „Arriba“ und
„abajo“ sind aber keine topographische Referenz, sondern eine
Himmelsrichtung. Nach oben heißt gen Osten, denn da geht die
Sonne auf. Nach unten geht’s gen Westen, wo die Sonne untergeht.
Knifflig wird es, wenn etwas als Anhaltspunkt dient, das es nicht mehr
gibt. Zum Beispiel das alte Kino Cabrera, das seit vielen Jahren nicht
mehr existiert, aber noch immer wieder als Referenz genannt wird.
Wenn man dann einen jungen Taxifahrer erwischt….Sie können es
sich denken.
Als ich meinen Freund Arturo nach den Gründen für dieses Wirrwarr
fragte, zitierte er seinen Großvater. Demnach gab es dieses
„Adresssystem“ schon Anfang des 20. Jahrhunderts. Nur war
Managua da noch ein Dorf. Und auf dem langen Weg in die Moderne
kam der Stadt dann das große Erdbeben von 1972 dazwischen, das
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vor allem das Zentrum vernichtete - bis dahin der einzige
übersichtlich strukturierte Teil Managuas. Es war im
Schachbrettmuster angelegt mit durchnummerierten Straßen. In
Nord-Süd-Richtung hießen sie Avenidas, in Ost-West-Richtung
Calles.
Aber nach dem Beben wurde die Innenstadt an anderer Stelle wieder
aufgebaut, ohne Ordnung und Planung, und Managua verwandelte
sich endgültig in den Ort, „wo die Straßen keine Namen haben“, wie
Arturo sagt. Und wie in Nicaragua üblich, gibt es auch noch einen
politischen Aspekt. Während der Somoza-Diktatur hatten bestimmte
Orte einen Namen, die zu Zeiten der Sandinistischen Revolution
einen anderen bekamen. Und als die Revolution 1990 abgewählt
wurde, gab es wieder eine neue Bezeichnung. Da war es für viele
Nicas dann doch einfacher, sich zu merken: „Vom alten Baum, drei
Blöcke zum See…
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