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Forum für Restauratoren, Konservatoren und Denkmalpfleger INTEGRIERTE SCHÄDLINGSBEKÄMPFUNG IN MUSEEN KULTURGUTERHALTUNG IN CHINA VISUALISIERUNG VON COMPUTERTOMOGRAFIEN ERHALTUNG VON NACHKRIEGSARCHITEKTUR NATURSTEINFASSADEN: TAUSCHEN ODER KONSERVIEREN? VORSCHAU ZUR LASERTAGUNG »APLAR 3« IN ITALIEN MODERN CHINESE OIL PAINTING www.restauro.de 4 Juni 2010 INHALT 20 Jahre IFS 216 Konservierung in China 234 Schädlingsbekämpfung 245 Tauschen oder Konservieren? Foto/© Bernhard Furrer, CH-Bern Foto/© IFS Foto: Michaela Morelli (Sammlung Wagenburg/ Monturdepot, Kunsthistorischen Museums Wien) 210 RESTAURO AKTUELL 207 210 212 220 227 Editorial Werkstätten und Institute Blickpunkt Unterwegs Internet 228 230 231 232 Nachruf Rezension Ausstellungen Firmen + Produkte RESTAURO THEMEN 228 234 Pascal Querner und Michaela Morelli Integrierte Schädlingsbekämpfung in Museen Erfahrungen einer Umstellung 242 Imke Berg Visualisierung von Computertomografien (CT) in der archäologischen Forschung Einsatz von VG Studio MAX 2.0 245 Ulrich Gräf Tauschen oder konservieren? Überlegungen zu Maßnahmen an Natursteinfassaden 250 Uwe Zäh Erprobung eines Bindemittels für die Natursteinkonservierung Aktuelle Ergebnisse aus der Münsterbauhütte 252 Yao Erchang The History, Materials and Techniques of Modern Chinese Oil Painting A sketch Workshop in Sarjah Foto/©: Andrea Sartorius 225 Nachruf Otto Wächter 261 Anna-Catharina Wagner The German Connection A link between a German master and an eminent Victorian designer is found in a modest Cambridge church. RESTAURO RUBRIKEN 268 268 208 Autoren Termine 269 270 Stellenanzeigen Impressum 4/2010 INHALT Ölmalerei in China 261 Viktorianische Kunst Foto/© A.Wagner 252 Forum für Restauratoren, Konservatoren und Denkmalpfleger INTEGRIERTE SCHÄDLINGSBEKÄMPFUNG IN MUSEEN KULTURGUTERHALTUNG IN CHINA VISUALISIERUNG VON COMPUTERTOMOGRAFIEN ERHALTUNG VON NACHKRIEGSARCHITEKTUR NATURSTEINFASSADEN: TAUSCHEN ODER KONSERVIEREN? VORSCHAU ZUR LASERTAGUNG »APLAR 3« IN ITALIEN MODERN CHINESE OIL PAINTING Titelbild Unbekannter Künstler. Portrait einer Dame, Detail. Öl auf Leinwand, spätes 19. Jahrhundert, China Central Academy of Fine Arts, Beijing, China. www.restauro.de 4 Juni 2010 Die in RESTAURO veröffentlichten Ansichten der Autoren müssen nicht der Meinung der Redaktion entsprechen. Bildnachweis: Soweit nicht anders angegeben, stammen die Abbildungen von den Autoren. Forum für Restauratoren, Konservatoren und Denkmalpfleger 116. Jahrgang 4/2010 Für die Zukunft gestalten. 209 UNTERWEGS Foto/©: Bruno Maldoner 1 Nobody’s Darling Rückschau auf eine Tagung zur Erhaltung, Konservierung-Restaurierung und Dokumentation von Nachkriegsarchitektur 1 In vorbildlicher Weise vermittelt das instandgesetzte Strandbad Gänsehäufel den humanistischen Geist seiner Bauzeit. 2 Die Ausflüge am zweiten Veranstaltungstag führten unter anderem auch zum Museum des 20. Jahrhunderts. 220 Die Erziehung von Architekten an Universitäten und Fachhochschulen legt bekanntlich weithin ihr Schwergewicht auf die Projektierung von mehr oder minder »feschen« Neubauten. Instandsetzung, Instandhaltung, Denkmalpflege gelten als langweilig und führen daher ein weithin wenig beachtetes Schattendasein. Dieses negative Bild kann sich aber auch ins Positive wandeln, wenn Restauratoren, die sich bisher mit einzelnen, meist kleineren Objekten beschäftigten, nun ihren Blick auf ganze Bauwerke erweitern. Im konkreten Fall rückten Bauten der Moderne in den Fokus. Der internationale Dialog, wie er an der Wiege der Modernen Architektur stand, befruchtete auch die am 26. und 27. Februar vom Institut für Restaurierung an der Universität für angewandte Kunst in Wien in Zusammenarbeit mit Docomomo Austria und dem Bundesdenkmalamt veranstaltete Tagung »Nobody’s darling? Preservation, conservation and documentation of Postwar Modernism«. In den Begrüßungsworten von Gabriela Krist in ihrer Funktion als Leiterin des Instituts für Restaurierung, Barbara Neubauer als Präsidentin des Bundesdenkmalamtes wie auch Norbert Mayr als Docomomo-Präsident spiegelte sich dieser neue Weg der Annäherung. Der Verfasser dieser Rückschau stellte im Einleitungsreferat den sozialen Auftrag der Bautätigkeit in den Nachkriegsjahren und das Bemühen um verbindliche Lösungen für die Gesellschaft vor. Mit der Bautätigkeit wollte man einer demokratisch orientierten Gesellschaft den Weg bereiten. Der Pathos der großen Aufmärsche und das Krieg und Vertreibung begleitende Chaos sollten so überwunden werden. Gastreferenten aus Brasilien (Fernando Diniz Moreira von der Federal University of Pernambuco) und aus Venezuela (Maria-Elena Ghersi Rassi und Alvaro Gonzalez Bastidas von IDEA Caracas) bewiesen den Willen der Universitäten, die enormen Herausforderungen anzunehmen, welche sich aus dem großen und vielfältigen Bestand an Bauten des 20. Jahrhunderts ergeben. Als unverzichtbar erweist sich die fachliche Weiterbildung für Architekten und Ingenieure. Dafür gilt es, nationale und internationale Netzwerke auf verschiedenen Ebenen zu entwickeln. Die Bauten sind in höchstem Maß bedroht, für deren fehlende breite Akzeptanz mag das Wissensdefizit verantwortlich sein. Der Verwendung von Kunststoffen als Bau- und Ausstattungsmaterial in der jüngeren Architekturgeschichte spürte Friederike Waentig (Fachhochschule Köln) nach. Sie konnte beweisen, dass moderne Baustoffe über die – vorerst handwerkliche – Vorfertigung Eingang ins Baugeschehen fanden. Von den vielen Versuchsbauten haben nur wenige überlebt, denn der Werkstoff Plastik impliziert scheinbar auch das Wegwerfen. Dennoch wird einzelnen Objekten bereits Denkmalcharakter zugestanden. Wie die Nachkriegsarchitektur trotz ihrer – wohl auch politisch motivierten – Ablehnung in weiten Kreisen der Bevölkerung zu erforschen und zu 4/2010 UNTERWEGS dokumentieren ist, zeigte das Beispiel aus der Slowakei (Peter Szalay, Slowakische Akademie der Wissenschaften). Das Archiv sammelt und bearbeitet nicht nur systematisch Projektunterlagen und Baumaterialien, sondern erforscht und dokumentiert auch die Beziehung zu dem jeweiligen Baustoffangebot anhand von (Firmen-)Katalogen, Materialmustern und Annoncen. Der Erforschung und Darstellung von Zusammenhängen zwischen Entwicklung, Marktangebot und Anwendungsmöglichkeiten, gezeigt für Stahlbeton, widmete sich die Darstellung von Thomas Danzl (Akademie der Schönen Künste, Dresden). Die Oberfläche als baukünstlerische Aussage verdient demnach besondere Beachtung. Der Erforschung der Materialtechnologie widmete sich Walter Lukas (Universität Innsbruck), der sich seit Jahrzehnten bemüht, brauchbare Werkstoffe für die Betoninstandsetzung zu entwickeln. Die daraus resultierende Verfahrenstechnik ist bestrebt, die Eingriffe möglichst gering zu halten, wobei die Charakteristik der eingesetzten Werkstoffe ähnlich jenen der ursprünglichen sein sollte. Die Darstellung einer – scheinbar unendlich breiten – Palette von Möglichkeiten, sichtbar bleibende Betonoberflächen zu gestalten, stellte Karl Langer (Docomomo Austria) in den Mittelpunkt seines Referats. Er vermittelte eine Ahnung von der Unmittelbarkeit, mit der dieser Werkstoff Baugedanken zu vermitteln in der Lage ist. Angesichts der Tatsache, dass viele Bauwerke der Nachkriegsmoderne bereits verschwunden sind oder zu verschwinden drohen, plädierte Andreas Lehne (Bundesdenkmalamt) für möglichst vielfältige und von einer breiten Öffentlichkeit zu nutzenden Dokumentationsmethoden. Diese zentral gesammelten Dokumentationen sollten die Auswahl von zu schützenden Bauten erleichtern und auch mithelfen, Interventionen präzise zu setzen. Wolfgang Salcher (Bundesdenkmalamt) führte anschaulich vor, dass die Palette der Baudenkmäler und Denkmalgebiete, die erforscht, erhalten und betreut werden müssen, äußerst vielgestaltig ist. Foto/©: Bruno Maldoner 2 4/2010 THEMEN Pascal Querner und Michaela Morelli Integrierte Schädlingsbekämpfung in Museen Erfahrungen einer Umstellung Der nachfolgende Beitrag beschreibt die Umstellung von der konventionellen Schädlingsbekämpfung mit Pestiziden auf ein integriertes Bekämpfungskonzept im Kunsthistorischen Museum (KHM) Wien. Einzelne Punkte der Integrierten Schädlingsbekämpfung wie Monitoring, Reinigung, Gebäude- und Klimaanpassungen und alternative Bekämpfungsmaßnahmen werden diskutiert. Der Artikel veranschaulicht anhand mehrerer Beispiele, dass Restauratoren, Reinigungspersonal, Gebäudemanagement und interne oder externe Beauftragte für die Schädlingsbekämpfung eng zusammenarbeiten müssen und die Anwendung sehr komplex ist. Michaela Morelli ist seit Februar 2000 Textilrestauratorin im Kunsthistorischen Museum Einleitung Das Konzept der Integrierten Schädlingsbekämpfung, im Englischen »Integrated Pest Management« (IPM) genannt, wurde in den 1950er-Jahren in der Nahrungsmittelproduktion und -lagerung entwickelt, um die Applikation von Bioziden (hauptsächlich Insektiziden) zu reduzieren und gezielter einzusetzen. Hierfür kommen unterschiedliche Methoden zur Prävention und Erkennung eines Befalls sowie Alternativen zur Bekämpfung mit Chemikalien zum Einsatz. Seit den 1980er-Jahren wird das Konzept der Integrierten Schädlingsbekämpfung erfolgreich auch in Museen und Depots angewendet (erstmals beschrieben von Albert & Albert 1988 und Story 1986). Heute gibt es kaum noch ein Museum in Europa, in dem regelmäßig Pestizide gegen Schädlinge eingesetzt werden, da sich die meisten verwendeten Chemikalien als schädlich für Objekt und Mensch erwiesen haben. Strategien für Museen und Konzepte zur integrierten Schädlingsbekämpfung wurden von Jessup 1998, Kingsley et al. 2001 vorgestellt. Pinniger 2001 verfasste das bisher vollständigste Buch für Sammlungen und Museen zum Thema IPM im Museum. Strang & Kigawa (2006) beschreiben jeweils adäquate Vorgehensweisen zur Prävention und Schädlingsbekämpfung für verschiedene bauliche Situationen und verweisen bei begrenzten Umsetzungsmöglichkeiten auf entsprechende Alternativen. Nach Brokerhof et al. (2007) ist die IPM Strategie grob in fünf zentrale Bereiche 234 Wien. Sie arbeitet für die Sammlungen Wagenburg, mit den dazugehörigen Depots das Monturdepot, Teile des Lipizzanermuseums1 und ist u. a. zuständig für die präventive Konservierung, in dem Schädlingsmanagement eine immer bedeutendere Rolle einnimmt. Pascal Querner ist Biologe und auf Integrierte Schädlingsbekämpfung in Museen und Depots spezialisiert. Er hat seit 2004 Monitorings in unterschiedlichen Museen in Wien durchgeführt, u. a. auch für das Kunsthistorische Museum in der Wagenburg, dem Monturdepot, der Schatzkammer und dem Lipizzanermuseum. Derzeit ist er als Spezialist für Schädlingsbekämpfung am Rathgen Forschungslabor Berlin für die Staatlichen Museen Berlin tätig. zu unterteilen: avoid (vermeiden), block (abwehren), detect (kontrollieren), confine (isolieren), act (bekämpfen). Häufige Schädlinge in Museen Zentraleuropas sind z. B. die Kleidermotte (Tineola bisselliella),2 die Pelzmotte (Tinea pellionella), der Brotkäfer (Stegobium paniceum), der Gemeine Nagekäfer (Anobium punctatum), unterschiedliche Pelzkäfer (z. B. Attagenus smirnovi), Wollkrautblütenkäfer (Anthrenus sp.), Silberfischchen (Lepisma saccharina), Mäuse, Tauben und Schimmel. Auf letzteren wird in dieser Arbeit nicht eingegangen. Im Gegensatz zum englischsprachigen Raum sind Veröffentlichungen in Restauratorenzeitschriften und Forschungen zu diesem Thema im deutschsprachigen Raum gering. In der vorliegenden Arbeit wollen wir einen Überblick über den Stand der Wissenschaft über die Integrierte Schädlingsbekämpfung in Museen geben, der die Bereiche historische Bekämpfung, Prävention, Monitoring und alternative Bekämpfungsmaßnahmen berücksichtigt. Die Umstellung von der konventionellen Schädlingsbekämpfung mit Pestiziden auf ein integriertes Bekämpfungskonzept in großen Museen gestaltet sich oft schwierig, weshalb im vorliegenden Beitrag die Erfahrungen der Autoren aus dem Kunsthistorischen Museum Wien Eingang finden. Meilensteine auf dem Weg zur Integrierten Schädlingsbekämpfung im KHM waren der Bau einer hausinternen N2-Anlage und die Durchführung von regelmäßigen Kontrollen mithilfe von Fallen. 4/2010 THEMEN 1 hängig von der Innentemperatur kann sich jährlich eine bis mehrere Generationen von Schädlingen entwickeln. Das Klima darf allerdings nur so weit reguliert werden, wie es für die Objekte verträglich und vertretbar ist. In den meisten Fällen decken sich die Interessen jedoch. (3) Die in festen Abständen angelegte Reinigung von Böden, Fensterbänken (Abb. 1), Nischen, Schächten etc. reduziert die potenziellen organischen Nahrungsquellen vieler Insekten. Dabei kommt es auch zu wiederkehrenden Störungen der Tiere, was ihre Lebensbedingung verschlechtert (Strang & Dawson 2001). Bei der Reinigung, besonders durch geschultes Personal, wird der gesamte Zustand der Sammlung in regelmäßigen Abständen kontrolliert, so lassen sich Veränderungen feststellen wie z. B. neue Fraßschäden. (4) Durch Quarantäne kann das Einschleppen von Schädlingen bei einem Neuerwerb von Objekten oder nach der Rückkehr von Leihgaben verhindert werden. Dafür ist ausreichend Platz notwendig, um diesen Bereich vollständig vom Rest der Sammlung zu trennen. Prävention In der Integrierten Schädlingsbekämpfung ist die Prävention eines Befalls der erste Schritt, die Sammlung vor Schädlingen zu schützen. (1) Ein sehr wichtiger Bestandteil ist der Schutz vor einem Befall von außen. Eine dichte Gebäudehülle verhindert das Eindringen von Schädlingen und ist der sicherste Schutz (Strang & Dawson 2001). Linnie (1987) hat gezeigt, dass ein Befall von Schädlingen häufig über offene Fenster oder Türen erfolgt. Deren Abdichtung, z. B. mit feinen Insektengittern, ist eine einfache und kostengünstige Variante, um das Eindringen von Schädlingen zu verhindern. (2) Ein entsprechend reguliertes Klima im Gebäude kann die Lebensbedingungen der Tiere verschlechtern und ihre Entwicklung verlangsamen oder stoppen. Ab- Monitoring Im Rahmen eines Monitorings wird das Auftreten von Tieren, z. B. von Mäusen oder Insekten, frühzeitig mithilfe von Köder-, Klebe- oder Pheromonfallen erkannt (Child & Pinniger 1993, Pinniger et al. 2004, Cox et al. 1996). Klebefallen werden entlang von Wänden und in Ecken aufgestellt. Die darin gefangenen Tiere, egal ob Schädlinge oder zufällige »Gäste«, geben einen Überblick über die im Gebäude aktiven Tiere (Abb. 2). Unter Restauratoren ist noch immer die Angst weit verbreitet, dass Pheromone zusätzlich Objektschädlinge von außen in ein Museum oder Depot locken. Der Sexuallockstoff der Pheromonfalle zieht jedoch nur männliche Insekten (beispielsweise Motten) an, die für die Objekte keine Gefahr darstellen. 4/2010 Foto: Michaela Morelli (Sammlung Wagenburg/ Monturdepot, Kunsthistorischen Museums Wien) Historische Schädlingsbekämpfung in Museen Seit der Sammlung und Lagerung von kunst- und naturhistorischen Objekten in Museen verursachen Tiere, darunter hauptsächlich Insekten, Schäden an Sammlungsobjekten. Zu den natürlichen Nahrungsquellen der Schädlinge gehören organische Materialien wie Totholz, Federn, Felle, Naturfasern, stärkehaltige Materialien oder tote Tieren und Pflanzen, sodass Sammlungen mit z. B. Holzobjekten, Tierpräparaten, Textilien aus Tierwolle, Objekten mit Federn oder stärkehaltigen Klebstoffen und anderen organischen Materialien bei Schädlingsbefall stark geschädigt bis völlig zerstört werden können. Um diesen Befall zu stoppen und vorzubeugen, erfolgte noch bis vor etwa 15 Jahren die regelmäßige Behandlung der Objekte mit Bioziden (z. B. DDT, Lindan, Methylbromid oder Blausäure), oft ohne sich eines Befalls von Objektschädlingen 100 Prozent sicher zu sein. Der Einsatz von Pestiziden wurde als die einzig sichere Maßnahme angesehen. Durch die Entwicklung von Resistenzen der Schädlinge gegen die eingesetzten Gifte (Stein 1986) erfolgte der Befall immer wieder aufs Neue; keine langfristige und nachhaltige Lösung stand in Aussicht. Zum Beispiel kamen häufig Naphthaline zum Einsatz, die aber über die Jahre an Effektivität verloren (Linnie & Keatinge 2000). Mit der Entwicklung konservatorischer, restauratorischer und naturwissenschaftlicher Methoden in der Kunst- und Kulturguterhaltung wurde deutlich, dass der Einsatz von Chemikalien auch negative Reaktionen an den Objekten hervorrufen kann, z. B. Korrosionen an Metallen (Babin 1990, Hammick 1989, Kerr & Hammick 1989). Gleichzeitig ist das Gesundheitsbewusstsein der Restauratoren gestiegen, die sich nicht mehr den schädlichen Pestizidrückständen aussetzen wollten (Linnie 1997, Florian 1988). Nach Child (mündl. Mitteilung) können alle Objekte, die über zehn Jahre in Museen lagern, Pestizidrückstände enthalten. Seit Verbreitung dieser Erkenntnisse hat der Einsatz von Chemikalien in Museen abgenommen (Dawson & Strang 1992). 1 Reinigung der Fensterbänke in der Schauhalle der Sammlung Wagenburg/Monturdepot des Kunsthistorischen Museums Wien. 235 THEMEN ihm vorliegenden Materials zu beobachten (Abb. 10). Die Bearbeitungstools der Software erlauben einen geradezu chirurgisch genauen Schnitt durch die Objekte (Abb. 11). Hier können Materialstärke und tiefreichende Schädigungen wie Risse und Fehlstellen erkannt und genau vermessen werden. Die 3D-Ansichten haben zumeist eine so hohe Qualität, dass sie für Publikationen eindrucksvolle Foto/© Berg, NLD Hannover 8 Illustrationen bieten (Abb. 12). Für den musealen Bereich lassen sich bereits mit geringem Aufwand kleinere animierte 3D-Präsentationen erstellen. Die Visualisierungs- und Bearbeitungsmöglichkeiten von CT-Datensätzen mit VG Studio MAX 2.0 bieten dem Archäologen wie dem Restaurator gute Möglichkeiten zur Vorauswertung archäologischer Objekte, speziell auch archäologischer Blockbergungen. Ohne den Block in aufwendiger Kleinarbeit freilegen zu müssen, ist der Archäologe in der Lage, mithilfe der Tools genaue Informationen über Objektansprache, die daraus resultierende Datierung, Ausstattung des vorliegenden Grabes und die Insitu-Lage der Einzelobjekte, deren genauen Maße und aufgrund bestimmter Dichtewerte auch Erkenntnisse über das vorhandene Material zu gewinnen. Für den Restaurator bietet das Programm die optimale Vorbereitung zur genauen Arbeitsplanung für eine schonende Freilegung, gegebenenfalls lassen sich präventive Festigungsmaßnahmen besser in den Arbeitsablauf einplanen und gezielter durchführen. 10 Foto/© Berg, NLD Hannover 11 Volume Graphics, Wieblinger Weg 92a, 69123 Heidelberg, Tel. 06 22 1/7 39 20-60, Fax -88, [email protected], www.volumegraphics.com Imke Berg Visualization of computer tomographies (CT) in archaeological research via VG Studio MAX 2.0 The storage and regeneration of more than 200 excavated block units from the old Saxonian burial ground in Immenbeck near Buxtehude cause serious problems that 8 Im Test-Block farbig markierte Bügelfibel. 9 Unter einer Organikschicht verborgener Spiralapparat einer Scheibenfibel. Foto/© Berg, NLD Hannover are often underestimated, especially because the blocks 12 contain, among other things, highly sensitive pieces made of glass and partially hundreds of very small beads. In view of the dimension of such finds, Monika Lehmann, the leader of the restoration workshops of the State Office for Historical Monuments Hannover (NLD), and Michael Meier, restorer at the NLD, developed a research project focussing on the possibilities and limits of computer tomographies for the evaluation of excavated block units. Under the leadership of Dr. Jan-Joost Assendorp, the restorer Imke Berg (M.A.) analyses a selection of exca- 10 Blockinhalt mit Messer und Schlüssel in 3D-Ansicht. 11 Geschnittenes Messer, zur Visualisierung der Materialstärke. 12 Geschnittene Glasperle mit Lufteinschlüssen. 244 µCT/© Leibnitz-Universität Hannover, Abt. Werkstoffkunde 9 Foto/© Berg, NLD Hannover Weitere Informationen vated block units by means of conventional X-ray images (MPA Hannover), industrial computer tomographies (VW Hannover) and micro computer tomographies (Leibnitz University Hannover, Department of Material Science). She holds a postgraduate scholarship of PRO*Niedersachsen. Keywords: excavation of block units, software programme, non-destructive exposure of layers, reproduction of images, CT data, data sets, illustration, computer programme 4/2010 THEMEN Ulrich Gräf Tauschen oder konservieren? Überlegungen zu Maßnahmen an Natursteinfassaden Ist das Auswechseln von Steinen langfristig günstiger als konservierende Maßnahmen? Ulrich Gräf ist dieser Frage in seiner langjährigen Praxis als Kirchenoberbaudirektor auf den Grund gegangen und kommt zu recht eindeutigen Ergebnissen. Ulrich Gräf ist gelernter Steinmetz und studierter Architekt. Er war 15 Jahre als Gebietsreferent beim Landesdenkmalamt BadenWürttemberg und danach 16 Jahre als Kirchenoberbaudirektor für die evangelische Landeskirche in Württemberg tätig. Seit Juni 2009 ist er im Ruhestand. Seit mehr als 30 Jahren habe ich mich immer wieder mit der Frage beschäftigt, wann es wirtschaftlich sinnvoll ist, bei anstehenden Natursteinarbeiten an Fassaden Steine zu konservieren. Alle in der Steinrestaurierung Tätigen kennen die Verfahren der letzten Jahrzehnte, den Glauben der MinerosAnhänger, mit Steinersatz alles reparieren zu können, und auch das viel gepriesene Allheilmittel hydrophober Kieselsäureesther. Heute muss festgestellt werden, dass sich viele methodische Ansätze nicht bewährt haben und deshalb die Anhänger der Steinauswechslung immer noch in der Mehrzahl sind. Aus der langjährigen Zusammenarbeit vor allem mit dem Steinrestaurator Albert Kieferle und dem Amtsrestaurator für Stein im Landesamt für Denkmalpflege, Otto Wölbert, haben wir einige Überlegungen für die Praxis abgeleitet. Es geht dabei nicht um eine wissenschaftliche Studie, sondern um Erfahrungen, die sich aus der langjährigen Praxis entwickelt und zur Gewissheit verdichtet haben. Es ging dabei immer um die dringliche Entscheidung: Ist die Reparatur, d. h. das Auswechseln von Steinen, langfristig kostengünstiger als konservierende Maßnahmen, die in regelmäßigen Abständen wiederholt werden müssen und letztendlich doch ebenfalls rasch in eine Auswechslung von Steinen führen? Ich möchte meinen methodischen Ansatz am Beispiel von Steinkirchen aufzeigen. Meine Mitarbeiter und ich haben dabei in vielen Diskussionen ein einfaches Konzept erarbeitet, das ermöglichen soll, eine schnelle Abschätzung der besten Methode für die Steinrenovierung vornehmen zu können und damit auch eine grobe Einschätzung der voraussichtlichen Kosten zu geben. Um eine Finanzierung für eine Maßnahme vorzubereiten, ist es unerlässlich, Kostengrößen zu benennen, damit die für die konkreten Planungen erforderlichen Aufträge erteilt werden können. Eine Maßnahme kann in der Regel nicht begonnen werden, wenn die Finanzierung nicht gesichert ist. Und genau dazu bedarf es bereits vor der konkreten Planung einer möglichst verlässlichen Einschätzung der Kostengrößen. Die Kostenaussage muss meist zu einem Zeitpunkt erfolgen, an dem noch keine konkrete Steinschadenskartierung erfolgt ist. Allerdings ist eine genauere Kostenabschätzung erst mit einer solchen Kartierung möglich. Für Steinkirchen in der evangelischen Landeskirche in Württemberg ist es inzwischen üblich, dass Maßnahmen an den Steinfassaden durch eine Steinschadenskartierung und die darauf aufbauende Maßnahmenplanung mit Ausschreibungskonzept vorbereitet werden. Nur so ist es für den planenden Architekten heute noch möglich, Natursteinarbeiten an Steinkirchen zu bewältigen. Der nicht unerhebliche Aufwand für eine Schadenskartierung, die in der Regel auch eine Gerüststellung erforderlich macht, muss für den Bauherrn in einem erkennbaren Nutzen zum Gesamtaufwand stehen. Für den Bauherrn ist es deshalb absolut notwendig, eine Einschätzung der entstehenden Kosten und eine schlüssige Begründung für den zu leistenden Aufwand für eine Steinschadenskartierung zu erhalten, die sich selbstverständlich nur aus Erfahrungswerten ergeben kann, die auf methodischen Ansätzen basieren. Für die bessere Einschätzung von Natursteinarbeiten unterscheiden wir dabei die folgenden drei Einordnungen von Steinkirchen, sich daraus ergebende Verhältnisse von Mauersteinen zu Profilsteinen und verschiedene Verwitterungszustände: 4/2010 245