MarathontrotzHochwasser

Reise 11
SAMSTAG, 3. NOVEMBER 2012
Marathon trotz Hochwasser
Dauerregen, Kälte und orkanartige Windböen machten den Venedig-Marathon zu einem
Kampf gegen die Naturgewalten Von Heidi Riepl
V
enedig? In der winzigen Lagunenstadt mit 400 Brücken kann man
doch keinen Marathon laufen“ –
das weiß jedes Kind. Man kann
sehr wohl. 7500 Läufer aus aller Welt haben
am vergangenen Sonntag nicht nur gegen
den inneren Schweinehund, sondern auch
gegen die Naturgewalten gekämpft.
Normalerweise gibt es Ende Oktober in Venedig ideale Laufbedingungen. Doch der
Wettergott scheint kein Marathonläufer zu
sein. Denn dieses Jahr waren die Verhältnisse alles andere als gut. Hart ist nur ein Hilfsausdruck dafür, was die Läufer am vergangenen Sonntag erwartete. Aber dazu später.
Denn schon die Streckenbesichtigung am
Samstag wird zu einer Herausforderung der
besonderen Art. Ungeübten Venedig-Besuchern liegt das Wort „Weicheier“ auf der Zunge, als immer mehr Italiener mit Gummistiefeln in den Bus von Mestre nach Venedig steigen. Wegen der paar Regentropfen braucht
man doch nicht gleich so zu übertreiben! Angekommen in der Lagunenstadt, verwandelt
sich der belustigende Blick auf die wasserfesten Stiefel jedoch rasch in blanken Neid.
Aqua alta hat über Nacht die halbe Stadt unter Wasser gesetzt. Gassen enden im Nirgendwo, der Markus-Platz ist überhaupt gesperrt. Während die Touristen aufgeregt die
Fotoapparate zücken, wenn sie die Schuhe
ausziehen und bis zu den Knien durch das
Hochwasser waten, nehmen die Venezianer
das alles gelassen. Entlang der Kanäle sind
längst Stege aufgestellt, die Plastikschuhund Schirmverkäufer machen das Geschäft
ihres Lebens. Selbst in den überschwemmten Kaffeehäusern herrscht Normalbetrieb.
Und auch der Marathon wird nicht abgesagt. Gestartet wird ja auch auf dem Festland, genauer gesagt in Stra. „Es herrscht
heute zwar ein bisschen Wind, aber Euch
kann das nicht stören“, versucht der Platzsprecher den Läufern Mut zu machen. Den
brauchen sie auch: Der Sturm hat mittlerweile nämlich Orkanstärke erreicht. Laufen wird
fast unmöglich. Dennoch kämpfen sich die
Läufer tapfer vorwärts. Gut, dass es auch in
den kleinen Dörfern so viel zu sehen gibt.
„Bravi ragazzi“ und „grande“ feuern die begeisterten Zuschauer die Läufer trotz Dauerregens an.
Von der Laufbahn geweht
Vorbei am Zentrum von Mestre ist endlich
die Brücke der Freiheit übers Meer erreicht.
Doch den grandiosen Ausblick auf die Lagunenstadt kann niemand mehr so richtig genießen. Hier zeigt der Sturm seine ganze
Kraft. Die völlig ausgefrorenen Läufer müssen sich regelrecht am Asphalt festkrallen,
um nicht von der Laufbahn geweht zu werden.
In Venedig geht es dann Schlag auf Schlag.
Oder genauer gesagt von Brücke zu Brücke.
„Nur noch 14 Brücken bis zum Ziel“, steht
auf dem Schild, mit dem dieser ungewöhnliche Countdown beginnt. Zum Glück sind
die Brücken allesamt mit Rampen versehen,
die zwar federn, aber bequem zu überlaufen
sind. Wenigstens das Hochwasser ist weitgehend verschwunden. Campanile, Basilika,
Dogenpalast und Seufzerbrücke – alles zieht
jetzt schnell vorbei. Die Finisher dieses Marathons sind echte Helden.
Während die Touristen aufgeregt durch das Hochwasser waten, bleiben die Venezianer gelassen.
Bummeln mit Brunetti
1
Mit diesem literarischen Venedig-Führer bummeln Sie nicht nur über die
Rialto-Brücke und den Markus-Platz,
sondern auch zum Haus von Kommissar
Brunetti und zu vielen „Tatorten“ aus den
Romanen der Wahl-Venezianerin Donna Leon. Nebenbei
lernt man auch versteckte
calli, verträumte campi und
gemütliche caffès kennen.
„Mit Brunetti durch Venedig“ von Toni Sepeda, Diogenes-Verlag, 368 S., 23,60
Euro.
Von
Andreas Kremsner
Hände hoch, jetzt!
J
emand, der viel reist, erlebt
viel – vor allem in öffentlichen Verkehrsmitteln. Der
weiß aber auch, dass es gilt, gewisse Regeln einzuhalten.
Etwa die Anschnallpflicht im
Flugzeug bis Gegenteiliges aus
den Lautsprechern krächzt (hat
sich bis zu Russen und Chinesen
noch nicht durchgesprochen).
Oder dass Handys und elektronische Geräte während Start und
Landung ausgeschaltet bleiben
müssen etc. Ich halte diese Regeln
ein – eine Frage der Erziehung. Es
stört mich auch, wenn das jemand
nicht tut. Jetzt weiß ich warum.
Ich saß auf Platz 7C, unterhielt
mich mit der Sitznachbarin, das
Flugzeug rollte zum Start. Plötzlich läutete in der Reihe hinter uns
ein Handy. Der Angerufene schrie
plötzlich „Hands up. Now!“ Also:
„Hände hoch, jetzt!“ Das Gespräch
mit meiner Sitznachbarin verstummte, auch sie hatte den „Befehl“ gehört. Nach einer Schrecksekunde realisierten wir, dass der
Mann mit einem Freund telefonierte, der ebenfalls im Flugzeug
saß. Der Angerufene wollte wissen, wo? Deshalb schrie er jenen
Satz ins Handy, der uns kurzfristig das Blut in den Adern gefrieren
ließ.
Regeln haben meist ihren Sinn –
sofern sich alle daranhalten.
@
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3
Die Finisher sind echte Helden. Foto: Venice-Marathon
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