Aktuelles Management von Knochenmetastasen und dadurch
Transcrição
Aktuelles Management von Knochenmetastasen und dadurch
Aktuelles Management von Knochenmetastasen und dadurch bedingter Schmerzen Metastasen stellen ein fortgeschrittenes Stadium einer malignen Grunderkrankung dar und beeinflussen Lebensqualität und Lebenserwartung der betroffenen Patienten erheblich. Ossäre Metastasen bilden neben pulmonalen und hepatischen Filiae die häufigste Metastasenlokalisation. Die meisten Knochenfiliae finden sich im Stammskelett sowie in Humerus und Femur, circa 60–75% sind an der Wirbelsäule lokalisiert. Durch den frühzeitigen Einsatz von Bisphosphonaten bei Knochenmetastasen können skelettale Komplikationen wie Frakturen und Knochenschmerzen wirkungsvoll verhindert respektive verzögert werden. Die Zielzelle für die Prävention und Therapie von Knochenmetastasen ist der Osteoklast. RANK-Ligand (RANKL) ist der für die Entstehung, die Aktivierung und das Überleben von Osteoklasten notwendige Stammzellfaktor, d. h. ohne RANKL gibt es keine Osteoklasten. RANKL wird von seinem Gegenspieler Osteoprotegerin (OPG) neutralisiert. Beim Gesunden produziert der Körper etwa gleiche Mengen an RANKL und OPG, nicht so aber bei Knochenmetastasen: Hier dominiert RANKL. Es wird zum einen von den Tumorzellen selbst produziert, zum anderen werden Knochenzellen von Tumorzellen dazu gebracht, mehr RANKL zu bilden. metastasierungswege Foto: Sittig Die häufigsten Primärtumoren bei Knochenmetastasen sind das Mammakarzinom, das Prostatakarzinom sowie Tumoren der Lunge, der Nieren und der Schilddrüse. Die hämatogene Streuung ist neben der lymphogenen Verschleppung und der per continuitatem Ausbreitung der häufigste Metastasierungsweg. Oft | Abb. 1: Szintigraphische Darstellung von Knochenmetastasen im Becken. ärztliches journal onkologie Nr. 3/2008 erfolgt die Metastasierung über das venöse System. Da das vertebrale venöse System mit den Venen der oberen und unteren Extremität, des Rumpfes, des Beckens und des Halses in Verbindung steht, kann potenziell jeder Tumor einer dieser Lokalisationen in die Wirbelsäule metastasieren. Die am häufigsten befallenen Abschnitte der Wirbelsäule sind die Subchondralregion und der vordere Rand der Wirbelkörper. In Abhängigkeit des Verhältnisses zwischen Knochenanbau und Knochenabbau lassen sich osteolytische, osteoblastische und gemischtförmige Metastasen unterscheiden. Klinische Symptome treten meist erst nach einem längeren Intervall auf, wenn die Tumorzellen stark proliferieren und die ursprüngliche Knochenstruktur durch Verdrängung und Einfluss von Zytokinen verändert wird. Klinische Leitsymptome von Wirbelsäulenmetastasen Akute Schmerzen durch Wirbelkörpereinbrüche, Bewegungseinschränkungen und neurologische Ausfälle durch Kompression von Nervenwurzeln oder des Myelons sind klinische Anzeichen für das mögliche Vorliegen von Knochenmetastasen. Das Fortschreiten der Symptomatik ist durch neurologische Defizite wie muskuläre Schwäche, Sensibilitätseinschränkungen, Störungen der Blasen- und Mastdarmfunktion oder Querschnittssyndrome gekennzeichnet. Zudem können Foto: privat onko wissenswert knochenmetastasen Dr. med. Hans-Bernd Sittig, MVZ-Buntenskamp Geesthacht Frakturen und Hyperkalzämie auftreten. Eine frühzeitige Abklärung der Symptome bei Patienten mit bekannter Tumor erkrankung ist für die Prognose von entscheidender Bedeutung. Radiologische Verfahren Röntgennativaufnahmen sollten aufgrund des Auftretens von Metastasen in mehreren Arealen immer von der gesamten Wirbelsäule gemacht werden. Osteolytische Metastasen stellen sich aber erst nach erheblicher Destruktion des Knochens dar, erkennbar z. B. am Verlust der Bogenwurzeln oder durch Höhenminderung der Wirbelkörper. Das konventionelle Röntgenbild entscheidet durch die Möglichkeit der Beurteilung der Stabilität über das weitere therapeutische Vorgehen. Die Ganzkörperknochenszintigraphie, die in der Regel mit Technetium99m-Phosphonaten durchgeführt wird, ist sehr sensitiv und gibt Auskunft über aktive Prozesse und weitere Knochenherde im gesamten Skelett (Abb. 1). Die Magnetresonanztomographie als ein nicht-invasives Verfahren zur Darstellung der gesamten Wirbelsäule erlaubt sowohl die Beurteilung der Ausdehnung als auch die Differenzierung von extraoder intraduralen bzw. extra- oder intramedullären Läsionen. Mit der Computertomographie lassen sich nach entsprechender Höhenlokalisation die ossäre Destruktion und paravertebrale Tumormassen am besten erfassen. therapeutische möglichkeiten Die Lebensqualität der Patienten, die durch die Symptomatik der Metastasen und durch zunehmende Einschränkungen des täglichen Lebens reduziert wird, ist häufig der entscheidende Therapieparameter. Das vordergründige therapeutische Ziel ist die Beseitigung oder Verminderung von Schmerzen. Weiterhin werden die Verhinderung von drohenden pathologischen Frakturen, der Rückgang einer neurologischen Symptomatik bei Kompression des Spinalkanals, die Achsenstabilität und die lokale Tumorkontrolle angestrebt. Neben einer operativen Behandlung von Knochenmetastasen werden auch Radio-, Radiojod-, Chemo-, Hormonund Immuntherapie eingesetzt. Radiotherapie Mit der Radiotherapie kann bei 80–90% der Patienten eine Schmerzsuppression erreicht werden. Sie führt durch Ionisationsprozesse zu DNA-Schäden, die bei fehlender Reparatur im Verlauf der folgen den Mitosen den Zelltod nach sich ziehen. Eine nuklearmedizinische Behandlung mit Samarium oder Strontium wird besonders bei Patienten bei multiplen osteo blastischen Metastasen als palliative Maßnahme zur Schmerzreduktion genutzt. Embolisation Zur interventionellen Radiologie zählt die gezielte Embolisation der Tumorgefäße. Bei stark vaskularisierten malignen Tumoren (z. B. Nierenzellkarzinom- und Schilddrüsenkarzinommetastasen) wird die präoperative Embolisation zur Reduktion des intraoperativen Blutverlustes und zur Erleichterung der Operation durchgeführt. onko wissenswert Eine Kombination mehrerer Untersuchungen ist häufig notwendig, da keines der genannten bildgebenden Verfahren vollkommene Sensitivität sowie Spezifität in der Identifikation des Primärtumors und der Fernmetastasen besitzt. nTherapieprinzip von Klekamp und Samii (1998) zum Einsatz von Radiotherapie und operativen Interventionen 1. Patienten mit Metastasen der Wirbelsäule, die sich in einem guten Allgemeinzustand befinden, sollten bei Auftreten von neurologischen Symptomen operiert werden. Postoperativ ist eine adjuvante Therapie wichtig. 2. Patienten in einem schlechten Allgemeinzustand, welche aufgrund ihrer malignen Erkrankung, aber unabhängig von den Knochenmetastasen, unter Beschwerden leiden, sollten keine Operation der Wirbelsäule erhalten. Für diese Patienten wird eine primäre Radio- und Chemotherapie empfohlen. 3. Patienten, die aufgrund der Skelettmetastasen unter einer Instabilität der Wirbelsäule leiden, sollten eine stabilisierende Operation erhalten, mit dem Ziel eines zufriedenstellenden neurologischen Befundes. Das Ausmaß des operativen Eingriffs soll im Verhältnis zum Allgemeinzustand und zur Lebenserwartung des Patienten stehen. 4. Patienten ohne neurologische Defizite oder Instabilitäten sollten sich primär einer Radiotherapie unterziehen. 5. Tritt während oder nach einer primären Radiotherapie eine Verschlechterung des Zustandes ein, sollten die Patienten eine operiert werden. Allerdings sind hier Komplikationen häufig und die Mortalität ist erhöht. Allein angewandt kann durch Embolisation das Tumorwachstum gehemmt und eine Reduktion der Tumorgröße erreicht werden. Oft wird dadurch ein primär inoperabler Tumor in ein operationsfähiges Stadium überführt. Bisphosphonattherapie Der Einsatz von Bisphosphonaten stellt ein bewährtes Behandlungsprinzip bei Knochenmetastasen dar. Sie bewirken eine starke Hemmung der Knochenresorption durch Beeinträchtigung der Osteoklastenfunktion. Bisphosphonate werden bei hyperkalzämischen Krisen eingesetzt, reduzieren bei regelmäßiger Anwendung aber auch das Auftreten pathologischer Frakturen oder Tumorschmerzen. Die Präparate können oral oder als Infusionen verabreicht werden, und sind in beiden Darreichungsformen gut verträglich. Bisphosponate sind unterschiedlich nephrotoxisch. Bei sehr starken, nicht opioidsensiblen Knochenschmerzen kann deshalb nur Ibandronat in einer Loadingdose von jeweils 4 mg an drei aufeinander folgenden Tagen als Kurzinfusion intravenös verabreicht werden. Eine erst seit relativ kurzer Zeit bekannte und insgesamt seltene Nebenwirkung von Bisphosphonaten ist die Knochennekrose, insbesondere im Bereich des Unterkiefers. Um dieses Risiko zu minimieren, sollte vor einer Bisphosphonattherapie eine gründliche Zahnsanierung erfolgen. Hormontherapie Bei Skelettmetastasen von Mamma- oder Prostatakarzinomen wird die systemische Hormon- und Chemotherapie erfolgreich angewandt. Im Laufe der Erkrankung treten bei ca. 70% der Patienten mit Mammakarzinom Knochenmetastasen auf, ca. 85% der Betroffenen sprechen auf eine Hormontherapie an. Es stehen sowohl LH-RH Analoga als auch Tamoxifen, Aromatasehemmer und Gestagene zur Verfügung. Häufig finden sich Skelettmetastasen bei hochdifferenzierten und rezeptorpositiven Tumoren. Bei letzteren liegt die Ansprechrate der hormonellen Therapie 4–5 mal höher als bei Rezeptornegativität. Bei ausbleibendem Erfolg wird eine Chemotherapie empfohlen. Das Skelettsystem ist die häufigste Lokalisation von Metastasen des Prostatakar- ärztliches journal onkologie Nr. 3/2008 | onko wissenswert knochenmetastasen zinoms. Die Therapie der Wahl ist die Hormontherapie mit LH-RH Analoga, Antiandrogenen, Östrogenen oder Gestagenen. Auch eine bilaterale Orchiektomie ist möglich. Operative Therapie Für die operative Behandlung von Metastasen in der Wirbelsäule stehen verschiedene Methoden zur Verfügung: u Die Resektion des befallenen Wirbelkörpers mit Entlastung und Verbund osteosynthese von ventral. u Die Dekompression des Myelons durch Laminektomie und Stabilisierung von dorsal. u Die dorso-ventrale Kombination. Die Entscheidung über den Zugangsweg ist abhängig von der Metastasenlokalisation, dem ossären Metastasenmuster, der Prognose des Primärtumors und dem Allgemeinzustand des Patienten. medikamentöse schmerz Therapie Die Schmerztherapie setzt in Abhängigkeit von der Wahl des Medikamentes an den Schmerzrezeptoren (Nozizeptoren), der Weiterleitung des Schmerzes über Nervenbahnen oder an den Nervenschaltstellen an. Die verwendeten Arzneimittel werden nach folgenden Gruppen unterschieden: 1. Nicht-Opiathaltig, 2. Opiate (Opioide), 3. Begleitmedikamente, Co-Analgetika, Adjuvantien. Auf Basis der Unterteilung in opiathaltige und nicht-opiathaltige Arzneimittel wurde von der WHO das relativ starre Stufenschema zur Therapie krebsbedingter Schmerzen erstellt, das in jüngerer Vergangenheit jedoch zunehmend von der „Mechanismen-orientierten Schmerztherapie“ verdrängt wird. In Abhängigkeit von der eigentlichen Schmerz ursache werden bei entzündlich-beding ten Schmerzen zunächst antiphlogistisch wirksame Medikamente und Analgetika, bei neuropathischen Schmerzen Anti- | ärztliches journal onkologie Nr. 3/2008 konvulsiva und Antidepressiva und bei sehr starken Schmerzen Opioide – ggf. auch in Kombination – verabreicht. u Als einzige Maßnahme zur kausalen Schmerzbehandlung bei Knochenmetastasen werden die Bisphosphonate eingesetzt. u Als erste Maßnahme zur symptomatischen Schmerzlinderung bei Knochenmetastasenschmerzen bieten sich NichtOpioid-Analgetika mit einem entzündungshemmenden Ansatz, wie z. B. ASS, Ibuprofen, Diclofenac oder Celecoxib an. u Opiate (Hydromorphin, Oxycodon, Fentanyl) müssen meist schon frühzeitig zusätzlich eingesetzt werden, weil die Nicht-Opioid-Analgetika bei Knochenmetastasenschmerzen meist nicht ausreichend wirksam sind und die maximale Tageshöchstdosis aufgrund von Nebenwirkungen limitiert ist. u Als Co-Analgetika werden trizykli sche Antidepressiva wie Amitriptylin, Imipramin oder Doxepin zur Modulation der Schmerzempfindung und zur Akti- vierung des körpereigenen schmerzdämpfenden Systemes eingesetzt. u Antikonvulsiva wie Pregabalin oder Gabapentin können zusätzlich die neuropathische Schmerzkomponente bei Knochenschmerzen dämpfend beeinflussen. u Kortikoide wie Prednison und Dexamethason sind äußerst wirksame Antiphlogistika und werden zur Behandlung von Schmerzen eingesetzt, die bei Gewebeschwellungen entstehen. In niedriger Dosierung haben Kortikoide zudem eine appetitsteigernde, antiemetische, laxierende, euphorisierende und allgemein aufbauende Wirkung. u Zur Vermeidung der häufigsten Nebenwirkungen von Opiaten – Übelkeit, Erbrechen und Verstopfung – kommen Begleitmedikamente wie Antiemetika und Laxanzien zur Anwendung. u Die medikamentöse Schmerztherapie sollte immer auch durch nicht-medikamentöse Maßnahmen wie physikalische Therapieformen und die Psychotherapie ergänzt werden. n Fazit vDas Management von Knochenmetastasen erfordert eine interdisziplinäre Zusammenarbeit. vDurch den frühzeitigen Einsatz von Bisphosphonaten können skelettale Komplikationen wie Frakturen und Knochenschmerzen wirkungsvoll verhindert bzw. verzögert werden. vBei allen tumorbedingten Osteolysen, insbesondere bei Mammakarzinom und Multiplem Myelom sollten Bisphosphonate eingesetzt werden. Der Einsatz scheint auch beim Prostatakarzinom gerechtfertigt. vZur raschen Reduktion von diffusen Knochenschmerzen bieten sich die Behandlung mit Hochdosis-Ibandronat oder die Behandlung mit Radionukliden an, wobei die Radionuklidtherapie auch die Blutbildung beeinträchtigen kann. vZur symptomatischen medikamentösen Schmerztherapie des „Mixed-Pain“ bei Knochenmetastasen sind frühzeitig primär antientzündlich-wirksame Analgetika plus stark- und schnellwirksame Opioide indiziert. Als Co-Analgetika sollten zusätzlich Antidepressiva, Antikonvulsia oder/und Kortikoide verabreicht werden. vFür lokalisierte Schmerzen bieten sich die Radiotherapie oder in speziellen Fällen operative Vorgehensweisen an. vDurch dieses Arsenal an therapeutischen Optionen sollte in den meisten Fällen eine zufriedenstellende Schmerzkontrolle erreichbar sein. Dr. med. Hans-Bernd Sittig, FA für Anästhesiologie, Schmerztherapie und Palliativmedizin MVZ-Buntenskamp, Geesthacht E-Mail: [email protected]