ERSTE UNTERWEISUNG AUS GOTTES WORT«
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ERSTE UNTERWEISUNG AUS GOTTES WORT«
»ER S T E U N T ER W EI S U N G A U S G O T T E S W O R T« Beispiele religiöser Prägung von Kindern und Jugendlichen aus der Sammlung Volksfrömmigkeit des Zentralarchivs der Ev. Kirche der Pfalz zwölf Jahre nach ihrer Entstehung von Gabriele Stüber und Andreas Kuhn Vorbemerkung Die Sammlung Volksfrömmigkeit im Zentralarchiv der Evangelischen Kirche der Pfalz verdankt ihre Entstehung einer gemeinsamen Ausstellung von Zentralarchiv und Archiv des Bistums Speyer anlässlich des Milleniums im Jahre 2000. In einem Kurzbeitrag für die »Blätter für pfälzische Kirchengeschichte« des Jahres 2001 wurde der Öffentlichkeit ein erster Sachstandsbericht über den neuen Sammlungsschwerpunkt des Zentralarchivs vorgestellt. Am Ende des Beitrags prognostizierte die Verfasserin: »Eines ist jetzt schon sicher: Das Thema ›Volksfrömmigkeit‹ wird das Zentralarchiv allem Anschein nach auch weiter beschäftigen.«1 Inzwischen sind zwölf Jahre ins Land gegangen, und die Sammlung hat ein beachtliches Ausmaß erreicht. Zu den Förderern zählen zahlreiche Menschen aus dem Rhein-Neckar-Dreieck, die durch diverse Publikationen und Zeitungsaufrufe und vor allem durch die Präsenz der Sammlung im Internet von der Initiative erfuhren und für einen kontinuierlichen Zufluss an Literatur und Objekten sorgten. Zu den Persönlichkeiten, die der Sammlung verbunden sind und deren Wachstum mit Interesse verfolgen und auch fördern, gehören Klaus Bümlein und seine Gattin Annette geb. Jacob. Insbesondere die Gruppe der Konfirmationsscheine wuchs durch die Zuwendungen von Klaus Bümlein stark an. Die insgesamt 175 Exemplare der Sammlung – allein 47 stammen aus dem Hause Bümlein – weisen eine bemerkenswerte Motivvielfalt auf und umfassen derzeit den Zeitraum von 1814 bis 1999. Annette Bümlein förderte die Sammlung in ihren Anfängen durch Bereitstellung von Objekten aus ihrer eigenen Sammlung für erste Ausstellungen im Archiv. Außerdem konnte die Sammlungsinitiative von dem Erfahrungsschatz Annette Bümleins profitieren. Neben der Sammlung Volksfrömmigkeit bedachte Klaus Bümlein auch andere Sammlungen des Archivs mit Schenkungen aus seiner Privatsammlung. Für die vielfältige Förderung, die das landeskirchliche Zentralarchiv durch das Ehepaar Bümlein in den vergangenen Jahren erfahren durfte, sei beiden an dieser Stelle noch einmal ausdrücklich gedankt. Vorliegender Beitrag zu den religionspädagogischen Objekten der Sammlung ist aus Anlass seines 70. Geburtstages Klaus Bümlein gewidmet, nicht 1 Gabriele Stüber: Glaube im Alltag. Christliche Volksfrömmigkeit im 19. und 20. Jahrhundert. Eine Ausstellung im Zentralarchiv und ihre Folgen, BPfKG 68 (2001), 149–151. 429 zuletzt in seiner Eigenschaft als ehemaliger Bildungsdezernent der Evangelischen Kirche der Pfalz. Zunächst sollen die Entwicklung der Sammlung Volksfrömmigkeit und das derzeit erreichte Profil der Sammlung skizziert werden. Daran schließt sich eine funktionale Betrachtung ausgewählter Objekte an im Hinblick auf eine religiöse Prägung und Unterweisung von Kindern und Jugendlichen. Zuletzt ist bilanzierend der Gegenwartsbezug des Themas in den Blick zu nehmen. 1. Entwicklung und Profil der Sammlung Volksfrömmigkeit Seit dem ersten Aufruf im Dezember 2000 wuchs die Sammlung durch Schenkungen, in seltenen Fällen durch Ankauf, stetig an. Im April 2002 umfasste sie 190 Objekte, Ende des Jahres waren es bereits 350, Ende 2003 fast 600 Stücke. Im Dezember 2008 war ein Umfang von 1.690 Nummern erreicht. Der aktuelle Stand liegt bei fast 2.400 erschlossenen Objekten, die eine Laufzeit von 1600 bis 2011 umfassen und damit etwa 400 Jahre Frömmigkeitskultur dokumentieren. Vornehmlich stammen die Stücke aus der badisch-pfälzischen Region, wobei der zeitliche Schwerpunkt im 19. und 20. Jahrhundert liegt. Die Entwicklung der Sammlung wird von regelmäßigen Publikationen begleitet, die unterschiedliche Aspekte von »Volksfrömmigkeit« in den Blick nehmen.2 Die Digitalisate einzelner Objekte werden vermittels Internetpräsenz auf Anfrage für Publikationszwecke zur Verfügung gestellt. Überdies können die Objekte für Ausstellungen entliehen werden. Die Erschließung der Glaubenszeugnisse erfolgt möglichst detailgetreu. Von allen eingehenden Gegenständen werden digitale Aufnahmen angefertigt, die als sog. Thumbnails in die Datenbank eingefügt werden, um Interessierten eine Vorabinformation zu ermöglichen. Die bisherige Erfahrung belegt, dass die Präsentation sehr gut angenommen wird, was sich etwa in zahlreichen Anfragen niederschlägt, die zu dem Thema insgesamt gestellt werden oder sich auf eine Kategorie der Sammlung bzw. einzelne Objekte beziehen. In Archiven werden die Aktenbestände durch Klassifikation – in der Regel auf der Grundlage eines Aktenplans oder einer später erarbeiteten Kategorisierung – strukturiert. Auch bei der Sammlung Volksfrömmigkeit wurde eine Klassifikation zugrunde 2 430 Eine Liste der von Gabriele Stüber und Andreas Kuhn hierzu vorgelegten Beiträge findet sich im Vorwort des Findbuches (Zentralarchiv der Evangelischen Kirche der Pfalz – im Folgenden ZASP – Abt. 173, siehe unter www.zentralarchiv-speyer.findbuch.net). Die letzte Publikation entstand 2012 für einen Ausstellungskatalog des Deutschen Landwirtschaftsmuseums Schloss Blankenhain: Gabriele Stüber und Andreas Kuhn: Private Frömmigkeitsformen: »An Gottes Segen ist alles gelegen«. Religion und Frömmigkeit im Haus. Aspekte evangelischer Volksreligiosität in Mitteldeutschland, hg. v. Jürgen Knauss im Auftrag des Deutschen Landwirtschaftsmuseums Schloss Blankenhain. Crimmitschau 2012 (=Blankenhainer Blätter 17), 14–33, Bildteil: 61–69. Einige Passagen dieses Beitrages zum Sammlungsprofil finden sich auch im vorliegenden Aufsatz. gelegt, die sich mit der Sammlung entwickelte und stetig verfeinerte. Sie bietet eine erste Orientierung, erreicht aber keine durchgängige Zuordnungslogik, weil funktionale und inhaltliche Kriterien nicht in jedem Falle voneinander abgegrenzt werden können. Dieses Manko wird durch eine Beschlagwortung, die der Volltextrecherche zugute kommt, ausgeglichen. Für eine gezielte Suche nach Motiven empfiehlt sich in jedem Fall eine Volltextrecherche. Die Sammlung umfasst derzeit 13 Hauptgruppen, die in der folgenden Übersicht aufgelistet sind, wobei die Untergruppen in Auswahl mit der zugehörigen Anzahl der Objekte in eckigen Klammern angeführt werden: • Religiöses Schrifttum (Andachts- und Erbauungsbücher [233], Gebetbücher [93], Religionspädagogische Druckwerke [32], Kalender [87], Liederbücher3 [15]); • Religiöser Wandschmuck (Haussegen und Wandsprüche [56], Christusdarstellungen [102], Maria/Madonna mit dem Kind [31], Biblische Szenen [22], Engel und Schutzengel [43], Martin Luther [17], Gustav Adolf [6], Mutter- und Vaterliebe [8]); • Kleinformatige Andachts- und Memorialbilder (Christus [58], Maria [40], Lesezeichen [41]); • Gedenkschriftgut und gegenständliche Andenken (Patenbriefe4 [31], Patendank [14], Konfirmationsscheine5 [175], Kommunionsscheine [28], Hinterglaskarten [9], Geschirr [15], Fotografien6 [5], Trauung [7], Sterbebildchen [43], Wallfahrtsandenken [26], Gedenken an Priesterweihen und -jubiläen [23], Missionsandenken [8], Poesiealben7 [12]); • Glückwunschkarten zur Erstkommunion und Konfirmation [13 Anlässe]; • Gebrauchsgegenstände und private Frömmigkeitspraxis (Teller, Tassen, Brotkästen [insgesamt 16], Kerzen [11], Rosenkränze [11], Weihwasserbehältnisse [11]); • Kleinplastik (Christus [3], Maria [10], Engel [29], Kreuze [6], Spieluhren [7]); • Schmuck [7]; 3 4 5 6 7 Aufgrund der Vielzahl der Abgaben besteht inzwischen eine eigene Sammlung »Gesang- und Liederbücher«, die etwa 1.100 Objekte umfasst (ZASP Abt. 162). Vgl. hierzu Gabriele Stüber: Patenbriefe in der Sammlung Volksfrömmigkeit des Zentralarchivs der Evangelischen Kirche der Pfalz: Liturgische Blätter. Handreichungen für den evangelischen Gottesdienst, 76 (2009–2010), 218–224. In der Sammlung Volksfrömmigkeit befinden sich ausgefüllte Konfirmationsscheine, während unausgefüllte Formularvordrucke in der Regel einer eigenen Sammlung Konfirmationsscheine zugeordnet sind (Abt. 168). Fotografien von Konfirmandinnen und Konfirmanden als Einzel- oder Gruppenbilder befinden sich in der Regel – insoweit sie nicht mit Objekten der Sammlung Volksfrömmigkeit in Verbindung stehen – in der Fotosammlung des Zentralarchivs (Abt. 154). Es sind etwa 700 Fotos dieser Kategorie vorhanden. Zu dem Thema gestaltete Julia Hamelmann eine Ausstellung unter dem Titel: Konfirmationszeiten – Auf dem Weg zum eigenen Glaubensbekenntnis (ZASP März – September 2012). Vgl. hierzu Gabriele Stüber und Andreas Kuhn: Aus Pfälzer Archiven: Streifzug durch die Geschichte des Poesiealbums. Vom Freundschaftsbuch zum »Pösie«. Erinnerungen der ganz besonderen Art: Die Rheinpfalz 1. Juli 2006 (Palatina-Seite). 431 • Postkarten mit religiösen Motiven (Weihnachten [41], Ostern [14], Engel [16], Feldpostkarten [23]); • Laienspiele (zu Weihnachten [23], Ostern [3] und zu biblischen Gestalten [4]); • Weihnachtsschmuck [68]. Eine eigene Rubrik weist bewusst »Vergleichsmaterial ohne religiösen Kontext« [96] aus. Dazu gehören etwa die Abwanderung von Engelmotiven auf Oblaten, Teedosen oder Teller bis hin zur Werbung für Jeans oder auch Wandbilder mit weltlichen Motiven, die den Bildern mit religiösen Motiven zur Seite traten. Eine solche Kontrastierung ist für die Einordnung der Zeugnisse privater Frömmigkeit wertvoll, da sonst der Eindruck entstehen könnte, diese seien die einzigen Wohnaccessoires oder Lebensbegleiter. Der Vollständigkeit halber und als Sammelbecken für zunächst nur singulär vorhandene Objekte wurde die Kategorie »Sonstiges« eingerichtet. Die Verteilung der Objekte auf die mengenmäßig besonders hervorstechenden Hauptgruppen stellt sich folgendermaßen dar: Religiöses Schrifttum [752], Gedenkschriftgut und gegenständliche Andenken [405], Religiöser Wandschmuck [389], Kleinformatige Andachts- und Memorialbilder [270], Postkarten mit religiösen Motiven [156]. Eine Zuordnung der Objekte zu Konfessionen wurde nur in Einzelfällen vorgenommen. Bezeichnungen wie Rosenkranz oder Lutherbild sprechen je für sich. In zahlreichen Fällen war eine eindeutige konfessionelle Zuordnung nicht möglich oder nicht sinnvoll. In die Sammlung wurden bald auch Schulbücher aufgenommen, da diese zumindest bis in die 1950er Jahre als prägend für die Entwicklung der Frömmigkeits praxis zu erachten sind. Im Kontext dieses Beitrags werden sie ausführlicher behandelt. Nach zwölf Jahren bieten die Bandbreite der Objekte wie auch ihre zeitliche Verteilung der Forschung unter Heranziehung anderer Sammlungen bzw. Kataloge eine wertvolle und aussagekräftige Grundlage sowohl zum privaten Frömmigkeitsverhalten als auch zu den Segmenten eines religiösen Marktes. Mit Hilfe der nach Möglichkeit ermittelten Besitzgeschichte dient die Sammlung der Erhellung kunst- und theologiegeschichtlicher Fragestellungen, vor allem aber bietet sie Ansatzpunkte für die Sozialund Mentalitätsgeschichte im Kontext des »Glaubens im Alltag«. Die normierte Inventarisierung der Objekte erfolgt in der Regel nach folgendem Muster: • Titel, im Falle von literarischen Objekten eine Katalogaufnahme; •Datierung; • Datum und Rechtsform der Übergabe; • eine möglichst umfassende und anschauliche Beschreibung; • Hinweise zur Objektgeschichte, insoweit diese dem Archiv bekannt gemacht wurde; • Benennung der Künstlerin oder des Künstlers; • Vermerk zur Farb- oder Schwarzweißgestaltung; • eine Digitalaufnahme des Objekts; 432 • die Benennung des Versicherungswertes (insoweit das Objekt bereits zu Ausstellungszwecken ausgeliehen war); • die Protokollierung der Ausleihe eines Objekts zu Ausstellungszwecken; • Hinweise über eine Publikation des Objekts; • eine Spezifizierung des Formats; • Vermerk über Restaurierungsmaßnahmen und deren Kosten. Begleitend zum allmählichen Ausbau der Sammlung erwarb die Archivbibliothek gezielt Titel zu einem Sammlungsschwerpunkt »Volksfrömmigkeit«. Eine Literaturliste ist im Internet abrufbar.8 2. Religiöse Prägung und Unterweisung von Kindern und Jugendlichen Die Kategorie »Religiöses Schrifttum« weist mit derzeit 752 Nummern die meisten Objekte einer Hauptgruppe in der Sammlung auf. Fragt man nach dem Anteil der Stücke, die geeignet sind, Kinder und Jugendliche in ihrer religiösen Orientierung zu prägen, kann eine solche Zuordnung nicht eindeutig vorgenommen werden. Einige Publikationen sind von ihrem Titel her bereits eindeutig religionspädagogisch ausgerichtet, insbesondere dann, wenn sie auch im Religions- oder Konfirmandenunterricht eingesetzt wurden. Ein Beispiel aus dem evangelischen Bereich ist etwa »Das Kirchenjahr in der Kinderstube« von Edith Thomas, das aus dem Nachlass der Pfarrerin Marianne Maus stammt. Das Titelblatt weist zwei Leisten christlicher Symbole auf. Das schmale Heft ist undatiert, kann aber den 1920er Jahren zugeordnet werden.9 Als katholisches Beispiel dieser Kategorie kann »Die betende Mutter. Gebetbuch für katholische Mütter, welche ihre Kinder christlich erziehen wollen« genannt werden.10 Der umfangreiche Band erschien 1895 bereits in der 6. Auflage und wurde dem Archiv von Ellen Kreile aus Altrip überlassen. Andere Publikationen erweisen sich hingegen erst auf den zweiten oder dritten Blick als prägend, da sie im Hause wie selbstverständlich vorhanden waren oder sind und von der ganzen Familie wahrgenommen werden. Insofern ist immer auch mit Schnittmengen von Funktionen zu rechnen. Hier sind als Beispiele die Vielzahl christlicher Kalenderausgaben, Bibeln oder Wandbilder und Haussegen zu nennen. Aber auch Spieluhren, Gegenstände des täglichen Gebrauchs oder der große Bereich der Erinnerungsblätter wirken prägend auf Kinder und Jugendliche ein. 8 9 10 www.zentralarchv-speyer.de, Menüpunkt Archivbibliothek/Literaturlisten/Volksfrömmigkeit. ZASP Abt. 173 Nr. 410: Johannes Stauda-Verlag Kassel o. J. [1920–1930], 16 S. ZASP Abt. 173 Nr. 225: Das Gebetbuch ist zugleich Vereins-Gebetbuch für die Mitglieder der Erzbruderschaft der christlichen Mütter. Vermehrt durch Andachten zu Ehren der hl. Familie, hg. v. Anton Rassenberg, Pfarrer. Mit kirchlicher Genehmigung, Dülmen in Westfalen 61895, 498 S. 433 Abb. 1: Das Kirchenjahr in der Kinderstube, Titelblatt; ZASP Abt. 173 Nr. 410. Abb. 2: Die betende Mutter, Vorsatzblatt; ZASP Abt. 173 Nr. 225. Zahlreiche Zeitschriften im 19. und beginnenden 20. Jahrhundert – man denke nur an die »Gartenlaube« – bieten der Leserschaft unter anderem religiös ausgerichtetes Bildgut oder Erzählungen mit christlichem Hintergrund. Die zahlreichen kirchlichen Verlage – überregional das Rauhe Haus in Hamburg, regional die Christliche Verlags anstalt (vormals Carl Hirsch) G. m. b. H. Konstanz in Baden oder die vom Evangelischen Verein für die Pfalz beauftragten Verlage (wie Kranzbühler in Neustadt) – bedienen die Leserschaft mit christlicher Literatur. Die in der kirchlichen Gebietspresse abgedruckten Romane und Kurzgeschichten – als pfälzische Beispiele seien die Fortsetzungsromane im Evangelischen Kirchenboten (seit 1849) oder die Erzählungen im Diakonissenhauskalender (1879–1970) genannt – ergänzen die Beispiele der Lesefrüchte im Bereich Belletristik. 2.1. Biblische Unterweisung 2.1.1. Fleißbildchen und Literatur für den Kindergottesdienst Die biblische Unterweisung und damit christliche Prägung von Kindern und Jugendlichen erfolgte in der Familie, im schulischen Religionsunterricht oder im Kindergottesdienst, der auch unter dem Namen einer Kinder- oder Sonntagsschule bekannt war. 434 Abb. 3 und 4: Schutzengel mit betendem Mädchen am Abgrund, Fleißbildchen, ca. 1900–1930; ZASP Abt. 173 Nr. 1261; Kinderszene, ca. 1900–1930, Abt. 173, Nr. 1078. Als Erinnerung an den Kindergottesdienst am Sonntag erhielten Kinder sogenannte Fleißbildchen, Kärtchen mit Bild und Bibeltext, die eifrig gesammelt wurden. Die religionspädagogischen Kleinmedien sind spätestens seit der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts verbreitet,11 häufig ohne Herstellernachweis überliefert und in der Regel auch nicht datiert. Eine umfangreiche Serie mit Fleißbildchen erhielt das Archiv von der Familie Hauer aus Fischbach. Die Fleißbildchen weisen neben einer kindgerechten Abbildung auch Texte mit Bezug zum Bild auf, die – in Reimform verfasst – als Richtschnur für gewünschtes Verhalten wirken sollten. So heißt es unter der Kinderszene in Abbildung 4: »Wohin ich geh, und was ich tu, der Heiland sieht mir immer zu. Ich möchte jeden Tag so sein, wie’s Ihn erfreut und Mütterlein.« Zur Erinnerung an die Zeit im Kindergottesdienst erhielten die Kleinen auch Schmuckblätter in größerem Format. Die Vordrucke mit Bild und Spruch wurden durch Ausfüllen zu einer individuellen Gabe für das jeweilige Kind. In der Sammlung Volksfrömmigkeit ist unter anderem ein Exemplar von 1928 überliefert (Abb. 5). Für den Kindergottesdienst selbst gibt es bis heute eine große Bandbreite an Material. 11 Vgl. hierzu u. a. Christa Pieske: Das ABC des Luxuspapiers. Herstellung, Verarbeitung und Gebrauch 1860 bis 1930. Berlin 1984, 123–125. – Als Standardwerk für das Genre »Kleines Andachtsbild« insgesamt gilt nach wie vor Adolf Spamer: Das kleine Andachtsbild vom XIV. bis zum XX. Jahrhundert. München 1930; 2. originalgetreue Auflage 1980. 435 Abb. 5: Andenken an die Kinderschule für Waldemar Eicher. Ausgefüllter Formularvordruck mit Abbildung Christi als Guter Hirte; Datierung: 30. März 1928; ZASP Abt. 173 Nr. 2354. In den 1920er und 1930er Jahren wurde die nach Stichworten alphabetisch geordnete Sammlung von Friedrich Baun »Hundert Erzählungen für Sonntagsschulen« gern verwendet.12 Die Stichworte umfassen Themen wie Advent, Barmherzigkeit, Gespensterfurcht, Gnade, Konfirmation, Reichtum, Sanftmut oder Zufriedenheit. Beliebt waren auch Bilder zum Ausmalen. So veröffentlichte der Aue-Verlag in Möckmühl »Bilder zum Wort«, zu einer Mappe formierte 24 Einzelblätter mit Motiven zu Bibelsprüchen, die die Kinder ausmalen konnten.13 In diesem Zusammenhang sei die Kinderbibel zum Selbstgestalten erwähnt, mit der Kinder heute an die Bibel herangeführt werden.14 Der Kindergottesdienst wurde nicht nur in der Pfalz häufig von Diakonissen gestaltet. Aus der Evangelischen Diakonissenanstalt Nonnenweier bei Lahr in Baden stammt eine sehr alte Ausgabe von so genannten Kinderschriften, die von 1863 bis 1866 in loser Reihenfolge publiziert wurden. Sie lieferten in der Regel Geschichten wie etwa »Geben ist seliger denn nehmen«, 1865, »Des Lammes Zuflucht«, 1863, »Wie schön leucht’t uns der Morgenstern«, 1863, oder »Eine Weihnachtsgeschichte«, 1866.15 In der Unterweisung für Mädchen verbinden sich Ende des 19. Jahrhunderts Regeln für das spätere Leben als Hausfrau und Mutter (»Ihr Mädchen wascht die Wäsche rein und plättet sie recht glatt und fein«) mit christlichem Elementarwissen: Neben Morgen-, Abend- und Tischgebeten finden sich das Vaterunser und das Glaubensbekenntnis.16 Fast sechzig 12 13 14 15 16 436 ZASP Abt. 173 Nr. 1882 und 1883. Das Werk erschien im Stuttgarter Quell-Verlag der Evangelischen Gesellschaft. In der Sammlung sind Ausgaben von 1925 (196 S.) und 1931 (296 S.) vorhanden. ZASP Abt. 173 Nr. 234. Die undatierte Mappe befand sich Pfarrarchiv Edenkoben und wurde zur Amtszeit von Pfarrer Georg Friedrich Bittlinger verwendet (1934–1954). Michael Landgraf/Angelica Guckes: Kinderbibel zum Selbstgestalten. Stuttgart 2007. ZASP Abt. 173 Nr. 1655. ZASP Abt. 173 Nr. 798. Jahre später enthält das Handbuch »Vielfältiges Leben der Mädchen von heute« aus dem Burckhardthaus-Verlag Erzählungen und praktischen Ratschläge zum Beispiel zu Haarpflege und Mode neben Abschnitten zu den Themen »Dienste Evangelischer Jugend«, »Jugend in der Kirche«, Erläuterung gottesdienstlicher Begriffe und Überlegungen zum Sinn des Lebens.17 2.1.2. Schulbücher Andenken an Kinder- und Jugendzeit werden, insbesondere wenn es sich um Bücher handelt, nicht selten zu Lebensbegleitern und später oft in der Familie weitergegeben. Im pfälzischen Bereich ist als Beispiel die »Erste Unterweisung aus Gottes Wort für das Haus und die ersten Schuljahre« zu nennen.18 In der »Ersten Unterweisung« findet sich unter anderem ein »Goldenes ABC«, das den Kindern christliche Gesinnung in eingängigen Reimen vermittelt. So heißt es unter den Buchstaben G bzw. K: »Gedenke an deinen Schöpfer in deiner Jugend! Gottes Wort trüget nicht, Kirchengehen säumet nicht. Kind, wirst du rot, so warnt dich Gott.«19 In der Sammlung sind bisher zehn Ausgaben der Jahre 1899 bis 1937 überliefert. Eine Ausgabe von 1912 stammt aus Waldfischbach und trägt die Namen dreier Jungen aus der Familie Weidler, innerhalb derer das Büchlein weitergegeben wurde.20 In der Regel weisen die Exemplare starke Gebrauchsspuren auf, einige sind mit Randnotizen versehen. In der Evangelisch-Lutherischen Landeskirche Bayern wurde das Werk »Vom lieben Gott und von unserer Kirche« eingesetzt, das im Rahmen der Volksmission wie im Schulunterricht Verwendung fand.21 Bei den größtenteils gereimten Texten befinden sich Farbabbildungen. Die Bandbreite der Themen umfasst unter anderem Gotteshaus und Gottesdienst, die Bibel oder das Wort Gottes, das Gesangbuch, das Kirchenjahr, die einzelnen Amtshandlungen und das Abendmahl. Mit dem Glaubensbekenntnis, den Zehn Geboten und dem Vaterunser enthielt das Büchlein die Texte, die gern als »Eiserne Ration eines Christenmenschen« bezeichnet wurden, die man auswendig konnte und die daher in Notlagen zur Verfügung standen. Bei dem dünnen Büchlein handelt es sich um einen Sonderdruck aus dem Werk von Ernst Veit, das der Landeskirchenrat der evangelisch-lutherischen Kirche in Bayern rechts des Rheins herausgab. Von der Gesamtausgabe sind in der Sammlung Exemplare der Jahre 1933, 1935 und 1948 überliefert, deren Besitzgeschichte den Einsatz des Buches auch in der Pfalz nahelegt.22 17 18 19 20 21 22 ZASP Abt. 173 Nr. 413: Gewidmet von Christa Weiss und Ernst Lange, Gelnhausen und Berlin-Dahlem 1956. 335 S. ZASP Abt. 173 Nr. 1987, hg. v. Verlag des Protestantischen Landeskirchenrats der Pfalz. Speyer 1937, 48 S. und 4 Schwarzweißabbildungen. Die für die Jahre 1899 bis 1937 überlieferten Exemplare weisen starke Gebrauchsspuren und viele Eintragungen auf. Wie Anm. 18. ZASP Abt. 173 Nr. 546. ZASP Abt. 173 Nr. 1247: Vom Evang.-Luth. Landeskirchenrat in Bayern rechts des Rheins für die Volksmission genehmigter Sonderdruck aus dem Gottbüchlein. Erster Unterricht im Glauben. Verfaßt von Ernst Veit mit Bildern von Bruno Goldschmitt, o. J. [um 1935]. ZASP Abt. 173 Nr. 491, 1751 und 2330. 437 Abb. 6: Titelblatt von »Schild des Glaubens«, 17. Aufl. 1955; ZASP Abt. 173 Nr. 1312. Durch zahlreiche Abgaben weist die Kategorie Schulbuch mit Exem plaren aus vielen deutschen Regionen mittlerweile eine große Bandbreite auf. Im Religionsunterricht vieler Landeskirchen wurde das Buch des badischen Religionspädagogen Jörg Erb (1899–1975), »Schild des Glaubens« verwendet. Das vor allem nach dem Zweiten Weltkrieg verbreitete Schulbuch prägte die religiöse Vorstellung mehrerer Generationen durch die eingängigen Geschichten, vor allem aber durch die Bilder von Paula Jordan (1896–1986).23 Der Titel bezieht sich auf Eph. 4–6: »Vor allen Dingen ergreifet den Schild des Glaubens, mit welchem ihr auslöschen könnt alle feurigen Pfeile des Bösen.« In der Sammlung sind bisher vier Exemplare aus den 1940er Jahren bis 1962 vorhanden. Bei einigen sind die Abbildungen Paula Jordans sorgfältig ausgemalt.24 2.1.3. Andachtsliteratur Ein christliches Hausbuch wie das Erbauungsbuch des in Frankfurt am Main wirkenden pietistischen Predigers Johann Friedrich Starck (später oft »Stark« geschrieben; 1680–1756) war auch in pfälzischen Familien weit verbreitet. Starck gilt als einer der meistgelesenen Autoren seiner Zeit und veröffentlichte 1728 erstmals sein »Tägliches Hand-Buch in guten und bösen Tagen«.25 Das Gebetbuch erlebte zahlreiche Auflagen, 23 24 25 438 Das Buch erschien erstmals 1941 und wurde bis in die 1990er Jahre von verschiedenen Verlagen publiziert; ZASP Abt. 173 Nr. 789: Jörg Erb: Schild des Glaubens. Geschichten der Bibel Alten und Neuen Testaments samt einem Auszug aus dem Psalter und den Briefen der Apostel, dargeboten von Jörg Erb. Mit Bildern versehen von Paula Jordan. Ausgabe für die Pfälzische Landeskirche. Verlag der Allg. Protestantischen Pfarrwitwenkasse der Pfalz, Speyer 71950, 368 S. ZASP Abt. 173 Nrn. 789, 1187, 1312, 1926. ZASP Abt. 173 Nr. 810: Johann Friedrich Stark’s tägliches Hand-Buch in guten und bösen Tagen, enthaltend Aufmunterungen, Gebete und Gesänge 1. Für Gesunde. 2. Für Betrübte. 3. Für Kranke. 4. Für Sterbende. Nebst mehreren Festandachten und viel schönen Buß-, Beicht-, Communion- und Wetter-Gebeten, Morgen- und Abend-Andachten auf alle Tage der Woche, wie auch Kriegs-, Theuerungs-, Pest- und Friedensgebeten. […] Wohlfeile Ausgabe in grobem Druck. B. G. Kurtz Reutlingen 1851, 608 S. und Anhang von 108 S. die von den Verlagen mitunter gar nicht datiert wurden. Dadurch trat der überzeitliche Charakter des Werkes deutlich in Erscheinung. In der Sammlung Volksfrömmigkeit sind 18 Ausgaben aus den Jahren 1830 bis 1950 überliefert. In der Regel tragen sie private Eintragungen, die die Funktion als Lebensbegleiter belegen. Man wird davon ausgehen können, dass Kinder und Jugendliche diese im Kreise der Familie verwendeten Bücher, aus denen auch laut vorgelesen wurde, als prägend erlebten. Über den Charakter eines reinen Andachtsbuches hinaus gehen Textsammlungen, die Bibelauszüge, aber auch Erzählungen und Nachrichten im weitesten Sinne bereitstellen. Ein Beispiel dafür sind die »Sammlungen für Liebhaber Christlicher Wahrheit und Gottseligkeit vom Jahre 1827«, die von Christian Friedrich Spittler (1782–1867) herausgegeben wurden. Das Buch umfasst – bezogen auf die Monate des Kalenderjahres – zwölf Kapitel und eine bunte Mischung aus Bibelstellen, Berichten und Geschichten, unter anderem Züge aus dem Leben eines frommen Handwerksmannes, Missions-Nachrichten aus Südamerika, 2. Korinther 6,1–10, Aus dem Leben des seligen Pfarrers Oberlin im Steinthal, Geschichte eines katholischen Jünglings, Widerlegung der Einwürfe gegen das Wirken der Bibelgesellschaften, Bekehrungsgeschichte von zwei Personen aus der katholischen Kirche.26 Angesichts der wenigen, in den Familien verfügbaren Bücher kam diesen Sammlungen ein hoher Unterhaltungswert zu, und sie wurden durchaus häufig – allein und geselliger Runde – und mehr als einmal gelesen. Die häusliche Lektüre von Bibel, Andachts- und Gebetbuch ist auch Gegenstand von Abbildungen in diesen Werken selbst. Anschaulich wird dies etwa in der Titelgestaltung der Einleitung in das Bibellesen, die 1834 in Basel erschien (Abb. 7). Sie zeigt, dass tägliches Gebet in Gemeinschaft und die Lektüre geistlicher Schriften zum häuslichen Alltag gehörten und neben dem öffentlichen sonntäglichen Gottesdienst einen privaten Bereich der Frömmigkeit ausmachten. In diesem religiösen Milieu wuchsen Kinder und Jugendliche auf und erlebten eine täglich neu praktizierte Glaubensvergewisserung. Damit korrespondiert die Wertschätzung der – in der Regel raren – Bücher, die von Generation zu Generation weitergegeben oder zu besonderen Anlässen geschenkt wurden. Oftmals wuchsen sie sich geradezu zu Ankerstücken familiärer Identität aus. Sehr viele Eintragungen, Zueignungen und Eigentumsvermerke führen die Umstände von Erwerb oder Schenkung vor Augen. Dem »Christlichen Hausbuch« von Johann Caspar Lavater (1741–1801)27 stellte die Großmutter folgende Widmung voran: »Zum Andenken meinem lieben Enkelkind Katharina Stadtmüller. Der liebe Gott möge Dein Herz regieren und Dich Kraft und Frieden für Deinen künftigen Lebensweg in diesem Buche durch sein Göttlicheswort [!] finden lassen. Deine Großmutter L. Gockardt. Neustadt, den 27. April 1894.« Die Ausgabe war wie viele Andachtsbücher dieser Zeit mit schwarzem Leineneinband, Goldschnitt und Prägungen auf dem Buchrücken 26 27 ZASP Abt. 173 Nr. 1910: Das Werk erschien in Basel bei Felix Schneider [1826] und umfasste 397 Seiten. Es wurde dem Zentralarchiv von Klaus Bümlein für die Sammlung überlassen. ZASP Abt. 173 Nr. 315: Christliches Hausbuch. Gebete und Lieder für Morgen und Abend und für die besonderen Zeiten und Verhältnisse des christlichen Lebens von Johann Caspar Lavater und anderen aus älterer und neuerer Zeit. 5. neu durchgesehene Auflage mit zwei Stahlstichen. Stuttgart Albert Koch und Co o. J. [1894], 547 S. 439 Abb. 7: Biblische Geschichte für den Jugend-Unterricht und als Einleitung in das Bibel lesen, Basel 1834, Titelblatt; ZASP Abt. 173 Nr. 2316. versehen, sodass allein schon die Ausstattung dem Buch besonderen Wert verlieh. An Konfirmanden wurde gern das Werk des Stuttgarter Dekans Gottlieb Friedrich Weitbrecht verschenkt. »Heilig ist die Jugendzeit. Ein Buch für Jünglinge« war als Vollversion mit 300 bis 400 Seiten, aber auch als schmalere Volksausgabe in Stuttgart beim Steinkopf-Verlag im Angebot. In der Sammlung ist die 19. Auflage von 1919 mit der Widmung einer Großmutter für ihren Enkel überliefert.28 2.1.4. Bibeln und Kirchengeschichte Auf den kindlichen Erfahrungshorizont abgestimmte Bibeln, vor allem Bilderbibeln für Kinder, gehören zur klassischen Form der Unterweisung in der Familie. Sie werden bis heute in ganz unterschiedlichen Ausrichtungen mit kindgerechten Auszügen und Abbildungen publiziert und sind nach wie vor ein traditionelles Geschenk anlässlich der Taufe. Ein frühes Beispiel ist eine katechetische Kinderbibel von 1748, die bei Georg Peter Monath in Nürnberg verlegt wurde und 408 Seiten stark ist: »104 saubere Kupffer zu Drn. Johann Hübners Biblischen Historien«.29 Das Werk enthält je 52 Geschichten aus dem Alten und dem Neuen Testament und war die Lernbibel vieler Generationen. Dem eng an Luther angelehnten kurzen Bibeltext folgt ein pädagogischer Dreischritt als Lernweg: Deutliche Fragen, Nützliche Lehren und Gottselige Gedanken. Der Lernweg soll Frömmigkeit und Tugend der Leserschaft fördern und lädt durch die Fragen zur 28 29 440 ZASP Abt. 173 Nr. 503. ZASP Abt. 173 Nr. 1138. Historische Einordnung der Ausgabe nach freundlicher Auskunft von Pfarrer Michael Landgraf, Leiter des Religionspädagogischen Zentrums Neustadt/Weinstraße und Vorsitzender des Pfälzischen Bibelvereins. Das Exemplar wurde dem Archiv von Dekan i. R. Klaus Böhm, Speyer, überlassen. Abb. 8: Von der Vermählung des jungen Tobiä, Kinderbibel von Johann Hübner, Nürnberg 1748; ZASP Abt. 73 Nr. 1131. Auseinandersetzung mit dem biblischen Text ein. Seit 1731 gab es illustrierte Ausgaben der »Biblischen Historien« des Methodisten Johann Hübner aus Hamburg. Vom Verlag der allgemeinen protestantischen Pfarrwitwenkasse der Pfalz wurde in vielen Ausgaben die »Biblische Geschichte für die vereinigte protestantisch-evangelisch-christliche Kirche der Pfalz« herausgegeben. Das 170 Seiten umfassende Exemplar mit festem Einband und Schmuckrahmen enthält auch einige Schwarzweiß- und Farbabbildungen.30 Neben der rein biblischen Geschichte war auch eine »Biblische Geschichte mit kirchengeschichtlichem Anhang« für die pfälzische Kirche im Handel. Die Kirchengeschichte bezieht auch die pfälzische Kirchengeschichte mit ein und behandelt die Themenbereiche Reformation, Reformatoren, Union, Innere und Äußere Mission, Bibelgesellschaft und Gustav-Adolf-Werk. In der Sammlung sind zwei Exemplare überliefert, darunter eines mit einem Besitznachweis aus Nußdorf 1883.31 Etwa 80 Jahre später veröffentlichte die Pfarrwitwenkasse unter dem Titel »Gestern und Heute« ein kirchengeschichtliches Lesebuch für Schule und Haus, das Robert Leonhard Weber bearbeitet hatte. In dem Band finden sich auch Abbildungen aus der Pfalz wie etwa der Trifels, das Kloster Hornbach oder die Kirchen zu Dörrenbach, Großbundenbach und Wolfstein.32 Eine Auswahl biblischer Geschichten für den ersten Unterricht publizierte der Verlag Johann Bagel in Wesel um 1840/1850 und deklarierte das Büchlein als »Ein freundliches Festgeschenk für gute Kinder«. Die von P. J. Beumer bearbeitete Sammlung umfasst 30 31 32 ZASP Abt. 173 Nr. 483. Das Exemplar stammt aus den 1920er Jahren. ZASP Abt. 173 Nr. 1665 (1881), 1336 (1888) ZASP Abt. 173 Nr. 1332: Robert Leonhard Weber: Gestern und Heute (Hebr. 13,8). Ein kirchengeschichtliches Lesebuch für Schule und Haus. Teil I. Speyer 1964, 144 S. 441 24 Bilder und 60 biblische Geschichten aus dem Alten und dem Neuen Testament auf insgesamt 108 Seiten.33 In zahlreichen Auflagen fand auch die 266 Seiten starke Schrift von Franz Wiedemann Verbreitung, »Wie ich meinen Kleinen die biblischen Geschichten erzähle«. Sie war gedacht »für Väter, Mütter und Erzieherinnen, Lehrer und Lehrerinnen und überhaupt alle, die es mit der Erziehung der Kleinen zu tun haben«, aber auch für die Kinder selbst. Illustriert war der Band mit Bildern von Julius Schnorr von Carolsfeld (1794–1872).34 Bebilderte Bibelausgaben für Kinder mit Abbildungen von Schnorr von Carolsfeld oder Rudolf Schäfer (1878–1961) waren beliebt und verbreitet, daher sind in der Sammlung auch Exemplare dieser Gattung mehrfach überliefert. Das Bilderbibelbuch für Kinder aus dem Jahre 1925 beinhaltet 50 Bilder nach Schnorr von Carolsfeld zu Geschichten aus der Bibel in Sütterlinschrift.35 Um 1920 gab der Kaiserswerther Verband zwei kleine Hefte mit biblischen Geschichten und Bildern von Rudolf Schäfer heraus, »Hirte, nimm dein Schäflein an!« und »Komm, o mein Heiland Jesus Christ«.36 Der Calwer-Verlag in Stuttgart veröffentlicht bis heute zahlreiche Bibelwerke. Als Beispiel aus der Sammlung sei »Zweimal zweiundfünfzig biblische Geschichten für Schulen und Familien« genannt, das 1940 in der 482. Auflage erschien.37 Das 1861 von Calwer vertriebene »Handbuch der Bibelerklärung für Schule und Haus« legt die wichtigsten Abschnitte der Heiligen Schrift in ihrem historischen Zusammenhang aus.38 Regelmäßig gibt der Calwer-Verlag heute Deutungen der Jahreslosung und der Monatssprüche heraus, die in hoher Auflage verkauft werden.39 In der Sammlung Volksfrömmigkeit ist die Tradition, biblische Bilderbücher für Kinder zu gestalten, an einigen Beispielen belegbar. Der Pfälzische Bibelverein hat diese Praxis für eine neue Zielgruppe, die Grundschulkinder, mit einer Kinderbibel für Erstleser im Jahre 2011 erfolgreich aufgenommen.40 Neben der Sammlung Volksfrömmigkeit pflegt das Zentralarchiv der pfälzischen Landeskirche auch eine Bibelsammlung mit ca. 350 Objekten, die vom 16. Jahrhundert bis in die Gegenwart reichen. Der Bestand enthält auch Kinderbibeln, die insbesondere aus dem Nachlass von Pfarrer Walter Ohler (1927–2007) stammen. Insofern be33 34 35 36 37 38 39 40 442 ZASP Abt. 173 Nr. 1227. ZASP Abt. 173 Nr. 2315: Das Buch erschien erstmals 1853 und wurde bei C. C. Meinhold & Söhne in Dresden verlegt. In der Sammlung ist die 22. Aufl. von 1921 überliefert. ZASP Abt. 173 Nr. 2317: Bibelbilderbuch für Kinder. 50 Bilder nach Schnorr von Carolsfeld. Neues Testament. Glocken Verlag Zürich 2. Auflage Ausgabe B 1925, 50 S. ZASP Abt. 173 Nr. 1243: Hirte, nimm dein Schäflein an! Acht Bilder aus der Heiligen Schrift von Rudolf Schäfer. Im Auftrage des Kaiserswerther Verbandes deutscher Diakonissen-Mutterhäuser hg. v. Auguste Mohrmann. Dresden Hermann Püschel o. J. [um 1920]; Nr. 1242: Komm, o mein Heiland Jesus Christ, Meins Herzenstür dir offen ist. [wie 1243]. ZASP Abt. 173 Nr. 502. ZASP Abt. 173 Nr. 1825: 4. verbesserte und vermehrte Auflage, Calwer Vereins-Verlag Stuttgart J. F. Steinkopf 1861, 1030 S. ZASP Abt. 173 Nr. 1895: Von Gott kommt mir Hilfe. Eine Deutung der Jahreslosung und der Monatssprüche für das Jahr 2009. Stuttgart 2008. Michael Landgraf: Kinderlesebibel. Göttingen 2011. steht hier, was klassische Kinderbibeln angeht, eine Schnittstelle zur Sammlung Volksfrömmigkeit. In Zusammenarbeit zwischen Zentralarchiv und Pfälzischem Bibelmuseum entstand die von Michael Landgraf konzipierte Ausstellung »Kinderbibel damals – heute – morgen«, die auch als Wanderausstellung gebucht werden kann und über die Pfalz hinaus Beachtung findet. 41 Neben dem Blick in die Geschichte der Kinderbibel steht die Bestandsaufnahme heute im Handel erhältlicher Kinderbibeln; ein Bibelkoffer mit Anschauungsmaterial ist daher Teil der Ausstellung. 2.1.5. Religionspädagogische Wandbilder Der Vollständigkeit halber sei erwähnt, dass neben den Unterrichtswerken auch die Wandbilder für den Religionsunterricht durchaus präAbb. 9: Die offene Tür. Konfirmandenbriefe der Kirche von Otto Riethmüller. Nr. 16, o. D., Titelblatt mit gend auf Kinder und Jugendliche dem Gemälde von Hans Thoma, Der erste Religiwirkten. Die Motive illustrierten die onsunterricht. ZASP Abt. 173 Nr. 402. im Unterricht behandelten biblischen Geschichten und waren aus anderen Veröffentlichungen unter Umständen bekannt, so dass ein Wiedererkennungseffekt einsetzte. In der Sammlung sind 47 Einheiten, die zum Teil mehrere Wandbilder umfassen, vorhanden, die diese Form des evangelischen Religionsunterrichts dokumentieren. 2.2. Lernen im Spiel Zum Einprägen von Bibeltexten oder Liedern aus den Gesangbüchern gab es speziell für Kinder und Jugendliche Kartenspiele. Zum Teil wurden diese auch selbst gebastelt. Anfang der 1950er Jahre hatte Hiltrud Lauermann aus Ludwigshafen in ihrer Konfirmandenzeit zwei Quartette mit Bibelsprüchen in Gebrauch.42 Eines der der bei41 42 Informationen unter www.zentralarchiv-speyer.de Menüpunkt Ausstellungen; vgl. hierzu auch Michael Landgraf unter Mitarbeit von Christoph Melchior und Gabriele Stüber: Kinderbibel damals – heute – morgen. Zeitreise, Orientierungshilfen und Kreativimpulse. Neustadt/Weinstraße 2009. ZASP Abt. 173 Nr. 938: Biblisches Spruch-Quartettspiel. Druck und Verlag der St.-Johannis-Druckerei C. Schweickhardt, Lahr-Dinglingen (Baden) o. J., 120 Karten und eine Spiel- 443 den Spiele besteht aus 36 Karten, die neun Themen gewidmet sind, u. a. Von Adam bis Abraham; Die Zeit der Patriarchen; Die Weihnachtsgeschichte; Gleichnisse und Reden; Apostelgeschichte. Die farbigen Bilder des Spiels, das in der Christlichen Verlagsanstalt Konstanz produziert wurde, stammen von Robert Leinweber (1845–1921). Aus der Zeit um 1900 ist eine Stofftasche mit dem blau eingestickten Wort »Jesus« und 82 Spruchkärtchen überliefert, die offensichtlich zum Lernen von Bibelworten verwendet wurden.43 Dem gleichen Zweck dienten wohl 94 katechetische Kärtchen, die aus einem Bogen ausgeschnitten und jeweils auf blaues Papier aufgeklebt sind.44 Zum Lernen von Kirchenliedern konnte das Quartett-Spiel »Singet und spielet!« eingesetzt werden.45 Ein weiterer Lernort ist das KripAbb. 10: Karte »Mose zertrümmert die Gesetzes penspiel, das in Kindergarten und tafeln« aus einem Bibelquartett, um 1950; ZASP Kindergottesdienst alljährlich für den Abt. 173 Nr. 939. Gottesdienst am Heiligabend über Wochen geprobt wird. Die Texte hierzu sind vielfältig und reichen von der traditionellen Erzählung aus dem Lukasevangelium bis zu modernen Geschichten, denen die Handlung des Weihnachtsevangeliums, die frohe Botschaft von der Geburt Christi, zugrunde liegt. In der Sammlung wurde eine eigene Rubrik »Laienspiel« eingerichtet, um diesen Bereich zu dokumentieren. Unter »Weihnachten« finden sich derzeit 23 Titel. Die Spanne reicht zeitlich von »Ein deutsches Weihnachtsspiel für Kinder« aus dem Jahre 1912 bis »Weihnachtliche Theaterspiele für Kinder« aus dem Jahre 1977.46 43 44 45 46 444 anleitung; Nr. 939: Biblisches Quartettspiel mit farbigen Bildern von Robert Leinweber, Konstanz o. J., 36 Spielkarten und eine Spielanleitung. ZASP Abt. 173 Nr. 345. ZASP Abt. 173 Nr. 1682, o. D. [um 1900–1920]. ZASP Abt. 173 Nr. 1211, o. D. [um 1900–1920]. Das Kartenspiel stammt aus dem Raum Zweibrücken. ZASP Abt. 173 Nr. 1986: Ein deutsches Weihnachtsspiel für Kinder. Nach alten Weihnachtsspielen und -weisen aus Hessen, Bayern, Oesterreich, Schlesien, Steiermark, zusammengestellt und ergänzt von Lina Hilger, Kreuznach (=Der Schatzgräber Nr. 84, hg. v. Dürerbund). München Georg Callwey 1912: a. a . O., Nr. 1968: Liane Keller: Weihnachtliche Theaterspiele für Kinder. Staufen/Breisgau 1977. Darüber sollte nicht vergessen werden, dass die Tradition der Passions-, Oster- oder Weihnachtsspiele ursprünglich von Erwachsenen getragen wurde. Die Verengung des Krippenspiels auf kindliche Darsteller ist eine Entwicklung, die zu Beginn des 20. Jahrhunderts einsetzt. Die Auseinandersetzung mit den Stationen im Leben Jesu im Spiel versuchte man in den 1970er Jahren beispielsweise im Rahmen der Krippenkurrende in Eisenberg wieder zu beleben, allerdings ohne nachhaltigen Erfolg.47 Im Passionsspiel von Oberammergau indessen lebt der alte Brauch mit erwachsenen Darstellern noch fort. In der Sammlung Volksfrömmigkeit sind auch Laienspiele für Erwachsene überliefert wie etwa das überregional bekannte »Oberuferer Christgeburt- und Hirtenspiel« (1955) oder das »Männerspiel zur Weihnacht« von Robert Schäfer (1947).48 1945 gab der Landeskirchenrat in Speyer mit »Begegnung in der Christnacht« ein schlesisches Krippenspiel »aus dem Notjahr 1945« heraus, ein besonderes zeitgeschichtliches Dokument.49 Aus dem Jahr 1946 ist das Haßlocher Krippenspiel überliefert.50 Zum weiteren Komplex des Lernens im Spiel gehört auch die Tradition des Sternoder Dreikönigssingens um den 6. Januar, der heute vielerorts ökumenisch praktiziert wird. Der alte Brauch hat ein festes Ritual: Nach dem Lied folgen Segenssprüche, die »Könige« erhalten Gaben für ihr Kommen, der Segen wird mit Kreide an die Haustür geschrieben. Während die Kinder aber früher für sich selbst sammelten, singen sie heute um Geld für Kinder in armen Ländern. Damit werden – koordiniert durch das katholische Kinderhilfswerk in Aachen – Projekte im Bildungs- oder Gesundheitsbereich unterstützt. »Kinder helfen Kindern« – mit diesem Leitwort lassen sich Kinder, Jugendliche und Erwachsene für die Sache begeistern. Sie opfern Freizeit, gehen durch Kälte, Schnee und Regen – und haben bei all dem das Gefühl, dass sie genau damit die Welt etwas besser machen können. Neben dem Sternsingen ist auch der alljährliche Martinsumzug mit Anspiel am 11. November inzwischen ein von vielen Familien begrüßter Brauch, der über den christlichen Rahmen hinaus wahrgenommen wird. 2.3. Publikationen für den Konfirmandenunterricht Die Zielgruppe der Konfirmandinnen und Konfirmanden wurde früher durch eigene Konfirmandenbüchlein wie etwa das Dresdener Konfirmationsbüchlein (1891) angesprochen, das auch in der Pfalz Verbreitung fand.51 Der Evangelische Verein für die Pfalz gab für seine Mitglieder unter anderem »Konfirmations-Andenken« heraus, die in unserem Raum vielfach überliefert sind. In der Sammlung befindet sich unter anderem ein Exemplar aus dem Jahre 1860. Das schlichte, blau eingebundene Heft um47 48 49 50 51 Vgl. ZASP Abt. 158 Nr. 460. Vgl. ZASP Abt. 173 Nr. 1745 und 1740. Viele dieser Laienspiele erschienen beim Bärenreiter-Verlag. ZASP Abt. 173 Nr. 1827. ZASP Abt. 158 Nr. 460: Weihnachten 1946. Das Haßlocher Krippenspiel, hg. v. d. Kinderkirche Haßloch. ZASP Abt. 173 Nr. 1354: Franz Blanckmeister: Dresdener Konfirmationsbüchlein, Halle (Verein für Reformationsgeschichte) 1891, 39 S. 445 fasst 80 Seiten und weist auf der Titelseite einen Schmuckrahmen mit zwei betenden Engeln auf. 52 Das Bändchen enthält unter anderem Liedtexte, Gebete und den Katechismus. Weit verbreitet war das Werk »Vater, du führe mich!«, ein Konfirmandenbuch mit Bildern des Künstlers Rudolf Schäfer das vom Lutherverein in Leipzig herausgegeben wurde und in zahlreichen Auflagen erschien. Eines der in der Sammlung überlieferten Exemplare trägt die Widmung: »Unserm lieben Eugen Rapp zur Erinnerung an seine Konfirmation am 10. April 1927 von Pfarrer Kirchenrat Treber und Frau«.53 Der Inhalt war abwechslungsreich und umfasste beispielsweise Bismarcks Konfirmationsspruch, Bergpredigt, Erzählungen christlichen Inhalts wie »Der Sonntag des Kindes« oder »Luther und Graf Erbach«, aber auch glaubenspraktische Abschnitte Abb. 11: Titelblatt des Konfirmationsbüchleins des wie »Diakonissen im Dienst der ArEvangelischen Vereins für die Pfalz, Westheim men und Kranken«, »Den Gustav1860. ZASP Abt. 173 Nr. 398. Adolf-Verein sollst du lieb gewinnen« oder »Friedrich von Bodelschwingh«. Ganz dem Reformationsjubiläum verpflichtet waren Ausgaben um 1917, in denen auch stets ein protestantischer Nationalismus mitschwang, wie etwa in Martin Hennigs »Fromm und deutsch. Eine Gabe für die Konfirmanden im Jubeljahr der deutschen Reformation«.54 In dem 32 Seiten umfassenden Bändchen fanden sich Abbildungen aus Luthers Leben, so zum Beispiel Luther bei den Pestkranken. Dieses Beispiel spiegelt besonders eindrucksvoll die volkstümliche Luthertradition, die den Reformator zum heiligen Wundermann Gottes glorifizierte und Stoff zu zahlreichen Legenden lieferte. Mitten im Kirchenkampf erschien für die Konfirmandenschar des Jahres 1937 eine Ausgabe mit dem bezeichnenden Titel »Junge Bekenner. Das Blatt der deutschen Konfirmanden«. In dem nur acht Seiten umfassenden Heft finden sich unter anderem das 52 53 54 446 ZASP Abt. 173 Nr. 398: Confirmations-Andenken. 16. Gabe des evangelischen Vereins für die Pfalz. Verlag des evangelischen Vereins für die Pfalz, Westheim 1860. ZASP Abt. 173 Nr. 1310. Eugen Rapp (Jg. 1914) wirkte von 1955 bis 1977 als Dekan in Obermoschel. Philipp Jakob Treber war von 1914 bis 1929 Pfarrer in Alsenz, wo er Eugen Rapp konfirmierte. ZASP Abt. 173 Nr. 1353. Die Publikation wurde von der Agentur des Rauhen Hauses verlegt. Abb. 12: Vater, du führe mich. Innentitel mit Abbildung der Bergpredigt von Rudolf Schäfer, Leipzig 7. und 8. Aufl. o. J., ZASP Abt. 173 Nr. 1310. Lied »Jesus Christus herrscht als König«, Lutherzitate und nicht zuletzt eine Betrachtung zum Thema »Um den Segen des Kirchgangs«.55 Angesichts der zahlreichen Maßnahmen, mittels derer das NS-System die Jugend für seine Ziele zu vereinnahmen suchte – und dazu gehörten auch bewusst parallel zum Sonntagsgottesdienst angesetzte Pflichtveranstaltungen – setzt dieser Abschnitt bewusst einen Kontrapunkt. Der pfälzische Pfarrer Friedrich Laubscher (1913–1997) stellte für die Präparanden und Konfirmanden zwei kleine Broschüren zusammen. In den 1950er Jahren fand unter dem Titel »Tut mir auf die schöne Pforte« der in der Evangelischen Abb. 13: Fromm und deutsch. Hamburg 1917, Buchhandlung Senftleben, Kaiserslautern, Titelblatt; ZASP Abt. 173 Nr. 1353. 55 ZASP Abt. 173 Nr. 586. Das Blatt wurde von Erich Stange herausgegeben und erschien in Kassel-Wilhelmshöhe. 447 Abb. 14: Friedrich Laubscher, Kommet her zu mir, o. D. [1950–1965], Titelblatt, ZASP Abt. 173 Nr. 1313. verlegte Band mit dem Untertitel »Die Kirche unserer Heimat soll uns zur Heimat werden« Eingang in den Unterricht. Die Abschnitte behandelten Themen wie »Die Kirche«, »Der Turmhahn«, »Warum wir in unserer Heimat eine evangelische Kirche haben«, »Die Reformation« und die hohen Kirchenfeste.56 Laubscher, der von 1948 bis 1979 in Weidenthal wirkte, erarbeitete unter dem Titel »Kommet her zu mir« auch einen Wegbegleiter für Konfirmanden, in dem er die Bedeutung des Sonntags behandelte oder das Grundwissen über das Christentum zusammenstellte.57 Auch andernorts publizierten Pfarrer eigene Begleittexte. Für seine Konfirmandinnen und Konfirmanden des Jahres 1954 formierte Pfarrer Hans-Joachim Belitz, Waldmohr, ein kleines Heft von zehn Seiten.58 Heute setzt man für den Konfirmandenunterricht zumeist flexible Ordner ein, in denen wechselnde Themen behandelt werden. Offenbar finden sich Vorläufer diese Art der Präsentation bereits in den 1950er Jahren. Die »Bildblätter für den Konfirmandenunterricht« könnten freilich auch dem Pfarrer als Unterrichtsmaterial gedient haben.59 Alle genannten Publikationen tragen je für sich dazu bei, religiöse Vorstellungen zu bilden und zu prägen, und begleiten die Menschen das ganze weitere Leben. Auf diese Weise setzen sie dem Tableau privater Frömmigkeit wichtige Pinselstriche hinzu.60 56 57 58 59 60 448 ZASP Abt. 173 Nr. 1314. ZASP Abt. 173 Nr. 1313. ZASP Abt. 173 Nr. 1355. ZASP Abt. 173 Nr. 1946: Texte und Zeichnungen von Pfarrer Wilfried Hilbrig in Landenhausen/Oberhessen., Stuttgart Evangelische Bildblätter (Rudolf Heesen), o. J. [um 1950]. Die Bedeutung von Konfirmationsscheinen wird unter 2.7. behandelt. 2.4. Religiöser Wandschmuck Jeder Mensch wird unbewusst durch Dinge geformt, die sein Alltagsumfeld mitbestimmen und gestalten. Im besonderen Maße gilt dies für Objekte, die täglich vor Augen stehen. Dazu gehört die große Bandbreite religiösen Wandschmucks, ob es sich nun um Drucke, selbstgestaltete Stickbilder oder schlichte Sprüche handelt. Seit etwa 1850 standen dank des technischen Fortschritts in der Bildreproduktion kostengünstig zu erwerbende Drucke für den häuslichen Wandschmuck zur Verfügung. War Bildschmuck in bürgerlichen Wohnungen bis dahin nur bei wohlhabenden Familien anzutreffen, so bestand durch den Preisrückgang nunmehr auch für weniger gut Gestellte die Möglichkeit, ihr Heim mit Bildern aufzuwerten. Am beliebtesten bei den Wandbildern in evangelischen Häusern sind nach den Forschungen Bruno Langners die »vier Ikonen des Pietismus«: Der »Kopf des Dornengekrönten« von Guido Reni, der »Thorwaldsen-Christus«, den der Künstler 1819 für die Frauenkirche in Kopenhagen gestaltet hatte, der »Gute Hirte« und »Der Anklopfende Heiland«.61 Alle genannten Motive sind auch in der Sammlung Volksfrömmigkeit zum Teil mehrfach belegt. In der Vorliebe für das Bild des Guten Hirten verbinden sich das Bedürfnis nach Schutz und Aufgehobensein mit dem einer ansprechenden und eindringlichen Gestaltung auf der Grundlage des biblischen Textes. Das in beiden Konfessionen weit verbreitete Motiv geht auf antike Darstellungen zurück, die in die frühchristliche Kunst Eingang fanden und auf das Gleichnis vom verlorenen Schaf (nach Lukas 15,3–7) und das Gleichnis vom guten Hirten (nach Johannes 10,1–16) Bezug nehmen. Mit dem guten Hirten fiel die Wahl auf einen Wandschmuck, der besonders geeignet erschien, durch Krisenzeiten und Bewährungssituationen zu führen und religiösen Halt zu geben. Nicht von ungefähr wurde dieses Bild in den 1920er Jahren – nach dem verlorenen Ersten Weltkrieg, in Zeiten von Wirtschaftskrise und politischen Umbrüchen – besonders häufig verkauft. Großformatige Bilder (50 cm × 120 cm) dieses Typus hingen in Wohn- oder vorzugsweise auch in Schlafzimmern über dem Ehebett – daher die häufig gebrauchte Bezeichnung »Schlafzimmerbild«. Die Bedeutung des Guten Hirten als Trostbild in Krisenzeiten belegt ein schlichtes Exemplar, das ein Mädchen aus Altrip um 1944 in der Sonntagsschule von Diakonissen erhielt. Das etwa 18 × 25 cm große Bild ist hinter Glas gelegt, aber mit Klebeband befestigt, da Holz in dieser Zeit rar war. Es hing nie an der Wand, sondern wurde während der Endphase des Zweiten Weltkrieges zusammen mit Kleidern und anderen nötigsten Gegenständen in einen Fluchtkoffer gepackt, der für den Fall eines Bombardements immer bereit stand.62 Das Motiv ist bis heute im Handel, so etwa in moderner Adaption aus dem Jahr 2000, gehalten in Metallicfarben mit einer Alpenlandschaft im Hintergrund, umgeben von einem goldenen Kunststoffrahmen.63 61 62 63 Vgl. Bruno Langner: Evangelische Bilderwelt. Druckgraphik zwischen 1850 und 1950 (Schriften und Kataloge des Fränkischen Freilandmuseums Bd. 16; Kataloge des Hohenloher Freilandmuseums Bd. 9), Bad Windsheim 1992, 13f. ZASP Abt. 173 Nr. 79. Abt. 173 Nr. 532. Das 26 cm 20,5 cm große Bild wurde vermutlich in Ostasien produziert. 449 Das Vorbild für das von vielen Künstlern kopierte Motiv des anklopfenden Christus, der an die Seelentüre der Menschen pocht, stammt von dem Nazarener Philipp Veit (1793– 1877). Sein Entwurf aus dem Jahre 1824 wurde von Gottfried Rist gestochen und war sehr verbreitet.64 Die Szene spielt auf den Bibelspruch an »Siehe, ich stehe vor der Tür und klopfe an« (Offb. 3,20; vgl. auch Lk 13,36 sowie Mk 14,32–42 Gethsemane »Wachet und betet!«). Der Spruch aus der Offenbarung erscheint häufig auf Konfirmationsscheinen. In der Sammlung ist das Motiv in Wandbildern nach Vorlagen von Hans Zatzka und Oswald Voelckel belegt. Daneben findet es sich auf vielen Konfirmations- und Trauscheinen, Fleißbildchen und in der religiösen Literatur. Abb. 15 Anklopfender Christus, Hans Zatzka, Engel gehören zu den besonders begenannt Zabateri (1859–1945), ZASP Abt. 173 vorzugten Motiven. Das Engelgeleit in Nr. 1304. freier Landschaft, meist in gefahrvoller Situation für ein Kind, wurde neben Kindergebetsbildern seit 1880 zum Inbegriff bürgerlichen Wandschmucks in beiden Konfessionen. Dabei werden die Schutzengelbilder durchaus nicht nur im Kinderzimmer aufgehängt, sondern finden sich im Hausflur ebenso wie im Wohn- oder Elternschlafzimmer. Die Motive sind häufig als Pendantbilder gestaltet, zum Beispiel mit einem Schmetterlinge haschenden Knaben und einem Blumen pflückenden Mädchen, so dass sie nach dem Geschlecht des Kindes gewählt werden und eine Identifikationsmöglichkeit für die Kleinen – etwa beim Sprechen des Nachtgebets, wenn die Aufmerksamkeit noch einmal auf das Schutzengelbild gelenkt wurde – bieten konnten. Das Motiv des von einem Schutzengel begleiteten Kinderpaares, das über eine defekte Brücke geht, ist bis heute im Handel und hat auch den fernöstlichen Markt erreicht.65 Haussegen oder Wandsprüche wurden in schlichter Form, als gestickte Spruchbilder oder – seit Mitte des 19. Jahrhunderts – als Drucke im Wohnbereich aufgehängt. 64 65 450 Vgl. Sigrid Metken: Nazarener und »nazarenisch«. Popularisierung und Trivialisierung eines Kunstideals: Klaus Gallwitz: Die Nazarener. Ausstellungskatalog Städelsches Kunstinstitut Frankfurt am Main 1977, 365–388, hier 378. Zumindest werden Drucke mit dem Motiv dort produziert und in Asienläden, zum Teil sogar auf Schirmen von Nachttischlampen, angeboten. Abb. 16 und 17: Schutzengel mit Mädchen auf einer Brücke, um 1910; Schutzengel mit einem Knaben am Abgrund, um 1910. Die Pendantbilder ohne Künstlernachweis wurden dem Archiv von Ehepaar Bümlein übergeben; ZASP Abt. 173 Nr. 1497 und 1498. Gewählt wurden Bibelstellen, die für die Familie häufig aufgrund besonderer Erfahrungen Bedeutung hatten. »Er wird deinen Fuß nicht gleiten lassen …« aus dem 121. Psalm war ein gern gewählter Konfirmationsspruch und wurde häufig ins Bild gesetzt. In der Regel kurze Texte wie »Der Herr ist mein Hirte« oder »Ich aber und mein Haus wollen dem Herrn dienen« sind von einer Verzierung umgeben oder in ein Bildmotiv hineingesetzt. Das insbesondere als Konfirmationsspruch beliebte Wort aus der Offenbarung des Johannes 2,10 war Ermunterung und Ermahnung zu einem christlichen LeAbb. 18: Straminbild mit Eglomisérahmung, brauner Holzrahmen; das Bibelwort aus Offenbarung 2,10 ist mit getrockneten Edelweißblüten und Farnen sowie mit einer zentral angebrachten, geprägten Engeloblate (Ganzfigur mit Segensgestus) vor schwarzgoldenem Kreuzoberteil illustriert. ZASP Abt. 173 Nr. 203. 451 ben: »Sei getreu bis in den Tod, so will ich dir die Krone des ewigen Lebens geben«. Die Verheißung himmlischen Lohnes verbindet sich Ende des 19. Jahrhunderts nahtlos mit bürgerlichem Pflichtethos, das dadurch eine quasi-religiöse Weihe erhält. Trotz des standardisierten Angebots im Handel verstand man es, den Stickbildern durch die Wahl des Bibelspruches als tägliches Leitmotiv und durch das Arrangement von Schmuckelementen wie Farn, Efeu oder Zelluloidfiguren (Engel, Christuskind) eine persönliche Note zu verleihen. Die Blütezeit dieser Zimmerbilder fällt in die Jahre zwischen 1880 und 1920. Das Beispiel in Abbildung 18 hing viele Jahre im Hause einer protestantischen Familie in Rhodt unter Rietburg. Die Bibeltexte sprachen ihren Betrachtern jeden Tag aufs Neue Gottes Segen und Gnade zu. Neben den Wandbildern mit religiösen Motiven und den Stickbildern mit Bibelsprüchen waren in protestantischen Haushalten Porträts der Reformatoren (vor allem Luther und Melanchthon) oder anderer kirchengeschichtlicher Persönlichkeiten (in der Pfalz vor allem Gustav Adolf von Schweden) oder Ereignisse beliebt. In der Sammlung sind 20 Reformatorenporträts vorhanden, davon allein 17 Abbildungen von Martin Luther. Der Schwedenkönig Gustav II. Adolf (1594–1632), der Befreier der Pfalz im 30-jährigen Krieg, ist sechsmal vertreten. Ein bekanntes Gemälde ist das Werk von Otto Fikentscher (1862–1945) mit dem Titel »Gustav Adolf erfleht vom Himmel den Sieg am Morgen vor der Schlacht bei Lützen«. 66 Der Tod des Schwedenkönigs wurde als Glaubensopfer verstanden, und die Rezeption verlieh ihm christusähnliche Züge. Als Vorbild für protestantische Glaubensgewissheit ermunterte Gustav Adolf die Betrachter dazu, in Zeiten religiöser Not und Bedrückung die unerschrockene Glaubensfestigkeit und Glaubensfreude nicht aufzugeben. Aufgrund der Rolle des Schwedenkönigs im 30-jährigen Krieg zeugte ein Bild dieses protestantischen Glaubenshelden in einem protestantischen Haushalt von der konfessionellen Ausrichtung der Familie und wirkte prägend auf alle Hausbewohner. Nicht selten war mit dem Bezug auf Gustav Adolf auch ein antikatholischer Affekt verbunden. Bei den Lutherporträts dominieren die Darstellungen nach dem Vorbild des Gemäldes von Lucas Cranach d. Ä. (1472–1553). Auch der Typus von Luther in der Studierstube mit seinem Attribut, dem Schwan, ist vertreten. Ende des 19. und zu Beginn des 20. Jahrhunderts herrschen dann Lutherdarstellungen vor, die den Reformator als Kämpfer für die Sache protestantischer Freiheit ins Bild setzten wie etwa die Interpretation von Karl Bauer (1868–1942). Sowohl der stilbildende Cranach-Luther als auch der kämpferische Bauer-Luther finden sich ebenfalls in protestantischen pfälzischen Kirchen, sei es als Gemälde oder als Glaskunst. Insofern standen sie der Gemeinde und damit auch den Kindern und Jugendlichen im Rahmen des Gottesdienstes als Verkörperung reformatorischer Tradition regelmäßig vor Augen. Um 1870 gab der Protestantenverein der Pfalz an seine Mitglieder und Freunde als Jahresgabe den Unionszug der Generalsynode von 1818 von der lutherischen Kirche zur Stiftskirche in Kaiserslautern heraus. Viele Familien ließen das Motiv rahmen und hängten es in ihrem Wohnzimmer auf. Auch in pfälzischen Pfarrämtern oder Kirchen war 66 452 Vgl. etwa ZASP Abt. 173 Nr. 94: Lithographie von Hartwich; Berlin, um 1900. Abb. 19: Martin Luther in der Szenerie einer altdeutschen Stube, mit Schwan; Lithographie J. Mohr und Fr. Wentzel, Wissembourg, o. D.; ZASP Abt. 173 Nr. 2048. Der Druck wurde der Sammlung von Klaus Bümlein überlassen. Abb. 20: Martin Luther, Farbdruck des Gemäldes von Karl Bauer. Der Druck hing in der Kirche zu Lachen neben der Kanzel; ZASP Abt. 173 Nr. 1022. das Bild, das im Handel in schwarzweißer oder farbiger Ausführung erworben werden konnte, anzutreffen.67 Neben dem Unionszug standen die volkstümlich gehaltenen historisierenden Darstellungen aus dem Leben Martin Luthers hoch im Kurs. Insbesondere auf Konfirmationsscheinen wurde mit Vorzug die Szene vor dem Reichstag in Worms 1521 abgebildet. Beliebt war die Lithographie des Lutherdenkmals in Worms nach dem Entwurf von Ernst Rietschel. Ein 1860 bei Brockhaus in Leipzig gedrucktes Exemplar befand sich lange im Familienbesitz der Großeltern von Gudrun Bauer aus Kirchheimbolanden. Es hing auf dem bäuerlichen Familienbesitz in der »guten« Stube. Frau Bauer berichtet: »Als meine Großmutter, die sehr traditionsbewusst protestantisch lebte, 1962 verstarb, holte meine Mutter, die in derselben Tradition erzogen war, das Bild und weitere Gegenstände zu sich und legte sie in eine große Truhe, um sie zu schützen.«68 67 68 ZASP Abt. 173 Nr. 2049. Die Ausgabe des Protestantenvereins war nach einer Vorlage von C. Voltz von Graeh [?] und Engell in Frankfurt am Main geschnitten worden. Schenkung von Klaus Bümlein. ZASP Abt. 173 Nr. 510. Gezeichnet von Julius Hübner, Aufzeichnung und Schnitt von H. Bürk 453 2.5. Gegenstände des täglichen Gebrauchs Alltägliche Frömmigkeitspraxis kommt auch in Objekten des täglichen Gebrauchs zum Ausdruck. Die Bitte um das tägliche Brot aus dem Vaterunser und mancherlei religiöses Spruchgut finden sich vorzugsweise auf Brottellern und dienten der alltäglichen Erinnerung und Mahnung. Auch Brotkästen oder Tischdecken mit Segensspruch sind wichtige Alltagszeugnisse christlicher Volksfrömmigkeit. Neben 13 Brottellern, die fast alle den Text »Unser täglich Brot gib uns heute« aufweisen, ist in der Sammlung ein Suppenteller aus der Zeit um 1890 mit dem Text »Komm Herr Jesu sei unser Gast!« erhalten.69 Ein Brotkasten aus Emaille von ca. 1890, vermutlich aus Lingenfeld, ist ebenfalls mit dem Spruch »Unser täglich Brot gib uns heute« versehen.70 Aus den 1920er Jahren stammt eine Kaffeekanne aus weißgrundigem Porzellan mit Goldrand und dem ebenfalls in Gold aufgetragen Spruch aus Maleachi 3,20: »Euch aber, die Ihr Seinen Namen fürchtet, Soll aufgehen die Sonne der Gerechtigkeit.« Nach Aussage von Ruth Senck aus Ruchheim besaß die Familie ein ganzes Kaffeeservice, das ähnlich aufwendig gestaltet war. Außer der Kanne blieb aber davon nur eine einzige Tasse mit dem Spruch »Jesus liebt mich« erhalten.71 Für besondere Anlässe fand eine weiße Damasttischdecke mit Abbildungen aus der Lebensgeschichte Jesu Verwendung. In der Mitte des 1,56 × 1,28 m großen Tuches – zweifach für beide Seiten des Tisches – ist das Heilige Abendmahl nach Leonardo da Vinci eingedruckt, auf dem unteren Rand sind die Jordantaufe und Jesu Einzug in Jerusalem zu sehen, die vier Ecken ziert jeweils eine Weihnachtsszene, wobei alle Motive in weiß gehalten sind.72 Die Szenen konnten mit christlichen Lebensstationen (Geburt, Taufe, Konfirmation, Tod bzw. Paradies) in Verbindung gebracht werden, so dass das Leben Jesu der eigenen Existenz Sinn und Struktur verlieh. Ein Brotteller von etwa 1880 spricht insbesondere Kinder an. Auf weißem Grund findet sich ein in Gold gehaltener und durch Verzierungen unterbrochener Text »Unser täglich Brod gieb uns heute«. Im Zentrum erscheint ein profanes Amorettenmotiv vor klassizistischer Parklandschaft. Zwei Amoretten, ein Junge und ein Mädchen, sitzen auf einer Steinbank. Der Junge (links) hält einen Spatzen in der linken Hand, ein Attribut der Liebesgöttin Aphrodite, während das Mädchen Rosen in der linken Hand hält, ebenfalls ein Liebessymbol. Die Kombination von Text und Bildmotiv spiegelt das kindliche Urvertrauen in die göttliche Gnade, die das tägliche Brot gewährt. Abb. 21: Brotteller, um 1880. Brotteller aus Porzellan, ZASP Abt. 173 Nr. 1. Gegenstände des täglichen Gebrauchs und bevorzugte spi- 69 70 71 72 454 ner. Der Stich wurde international vertrieben, denn die Bildunterschrift ist in Deutsch, Englisch und Französisch gehalten. ZASP Abt. 173 Nr. 270. ZASP Abt. 173 Nr. 193. ZASP Abt. 173 Nr. 1697 und 2245. ZASP Abt. 173 Nr. 975. rituelle Begleiter sind die bis heute in vielen Gestaltungsformen vertriebenen christlichen Kalender, allen voran die Herrnhuter Losungen, deren Erstauflage auf das Jahr 1731 zurückgeht.73 Die Losungen erscheinen in 50 Sprachen, wobei die deutsche Ausgabe mit einer Auflage von ca. einer Million Exemplaren mit Abstand die größte Verbreitung aufweist. In Familien mit kleineren Kindern sind Gebetswürfel beliebt, die auf ihren sechs Seiten Textvorschläge für das Tischgebet vor der Mahlzeit bereithalten.74 2.6. Figuren und Spieluhren Auf den Bereich der Kleinplastik entfallen Figuren wie etwa Madonnen aus dem katholischen Bereich, auch Kreuze mit und ohne Korpus wurden dieser Gruppe zugeordnet. Katholische und protestantische Frömmigkeitspraxis haben ihre Schnittmenge bei den Kreuzen, die in katholischem Haushalt im Herrgottswinkel, im evangelischen Haushalt eher im Eingangsbereich oder auch im Studierzimmer, vereinzelt aber auch im Küchenbereich, an die Wand gehängt wurden. Die protestantische Auffassung von der Anwesenheit Christi im alltäglichen Leben bzw. die katholische Abgrenzung eines besonderen Sakralbereichs finden darin ihren angemessenen Ausdruck. In beiden Konfessionen treten auch kleine »Zimmerdenkmäler« in Gestalt von Spieluhren auf. Evangelische Familien erwarben um 1900 gern Luther- oder Christusspieluhren, die in der Regel zwei Kirchenlieder zu Gehör brachten, wie etwa »Großer Gott, wir loben Dich« oder »Ein feste Burg ist unser Gott«.75 Es ist denkbar, dass der Betrieb der Spieluhr besonders artigen Kindern vorbehalten blieb und als Belohnung in Aussicht gestellt wurde. In katholischen Familien finden sich sogenannte Wandkrippen, die die Heilige Familie als Holzfiguren in einer Alltagsszene – Jesus in der Schreinerei des Vaters, Maria am Spinnrad – zeigen und Abb. 22: Christusspieluhr, um 1900. Statuette Jesu Christi auf Sockel als in die ein Spielwerk eingebaut Spieluhr mit Melodien »Großer Gott, wir loben dich« und »Stille Nacht, heilige Nacht«; Zinkguss mit Silberüberzug. Die Statuette ist nach dem ist. Auf dem am Rande verzier- Vorbild der Christusskulptur von Bertel Thorwaldsen (1770–1844) gestalten Schutzglas ist unten ein Ge- tet. ZASP Abt. 173 Nr. 2180. Diese und eine Lutherspieluhr wurden dem betstext angebracht. Die Spiel- Archiv von Annette und Klaus Bümlein für die Sammlung überlassen. 73 74 75 ZASP Abt. 173 Nr. 2002, Nachdruck 1979; Zur Geschichte und dem Kontext der Herrnhuter Losungen vgl. Shirley Brückner: Losen, Däumeln, Nadeln, Würfeln. Praktiken der Kontingenz als Offenbarung im Pietismus. In: Spiel und Bürgerlichkeit. Passagen des Spiels, hg. v. Ulrich Schädler u. Ernst Strouhal, Wien 2011, 247–272. ZASP Abt. 173 Nr. 474. ZASP Abt. 173 Nr. 114 und 2181, (Luther), Nr. 2180 und 2386 (Christus). 455 uhr wurde nur zu besonderen Gelegenheiten in Gang gesetzt und dürfte ihre Wirkung vor allem auf Kinder nicht verfehlt haben.76 Auch als besonderes Wallfahrtsandenken finden sich Spieluhren. Sie präsentieren dem Auge etwa die Lourdes-Grotte oder die Lourdes-Madonna und lassen das Wallfahrtslied zum Mitsingen erklingen.77 Engelspieluhren, vorzugsweise aus dem Erzgebirge, sind bis heute im Handel und finden ihren Weg nicht nur in christliche Haushalte. Trotz der vielfach festzustellenden Vermarktung und Säkularisierung des Weihnachtsfestes verdichtet sich gerade zu diesem Termin die christliche Tradition in den Familien. Der zum Einsatz kommende, oft über Generationen vererbte Christbaumschmuck trägt ebenso zur religiösen Prägung bei wie der Besuch des Weihnachtsgottesdienstes oder die immer noch vielfach anzutreffende, liebevoll aufgestellte Weihnachtskrippe.78 2.7. Erinnerungsblätter Taufscheine, Patenbriefe und Konfirmationsscheine waren lange Zeit die sichtbaren Meilensteine eines christlichen Lebens und wurden sorgfältig aufbewahrt. Je nach Region und kirchlicher Bindung legte man sie in eine Mappe mit persönlichen Unterlagen oder ließ sie rahmen und hängte sie auf, vorzugsweise im Schlafzimmer in der Nähe des Bettes. Die sog. Personal- oder Erinnerungsgraphik erfüllt nicht nur die Funktion einer Urkunde, sondern markiert wichtige Daten und Lebensabschnitte. Zwar werden in der Regel Vordrucke verwendet, doch der vom Pfarrer eingetragene Name mit dem Datum der Amtshandlung verleiht dem Schein eine individuelle und damit einzigartige Prägung. In dem frühen Beispiel eines handgeschriebenen Patenbriefes aus dem Jahre 1849 spiegelt sich auch ein Stück pfälzischer Geschichte, nämlich die Teilung von Familien durch Auswanderung. Auf dem mit verschiedenfarbiger Tinte geschriebenen und mit einer verzierten Überschrift geschmückten Blatt heißt es unter anderem: »Im Jahr Christi 1849 den 13ten April ist meinem lieben bruder dem ehrsamen bürger und winzer Friedrich Schwartztrauber seine eheliche Hausfrau Appolonia eine gebohrene Ohler von Gimmeldingen, ein Töchterlein zur Welt gebohren worden, welches den 22ten darauf getauft und von uns unterschriebenen Eheleuten Ph[ilipp] August Schwartztrauber und seine Ehefrau Elisabetha, eine gebohrene Schultz, von Gimmeldingen, der Petter, die Gödel von Dürkheim und Wohnhaft in Nord-Ammerika über die heilige Tauf gehoben und theilten dem Kinde den Ev. Prot. Namen Elisabetha mit u[nd] ist in Gimmeldingen in der Kirche einverleibt worden.« Im Anschluss an den Segensspruch werden nochmals die inzwischen fernen Paten genannt: »Dieses Alles Wünschet dir von Herzen deine getreue Gödel Elisabetha eine Geb. Schulz und dein getreuer Petter Ph[ilipp] August Schwartztrauber, und freunde, beyde Wohnhaft in Nordammerika; in Picketon im Staadt Ohio. Gimmeldingen den 13ten April 1849.«79 76 77 78 79 456 ZASP Abt. 173 Nr. 499 und Nr. 500. ZASP Abt. 173 Nr. 1422. Die Spieluhr stammt aus dem Jahr 1958. Vgl. hierzu Walter Hartinger: Religion und Brauch. Darmstadt 1992, bes. 208ff. Abt. 173 Nr. 1220. Gödel und Petter sind die pfälzische Variante von Pate. Abb. 23: Patenbrief, Gimmeldingen, 13. April 1849. ZASP Abt. 173 Nr. 1220. In der Sammlung sind derzeit 31 Patenbriefe vorhanden. Seit Mitte des 19. Jahrhunderts entwickelte sich der Konfirmationsschein aus eher unscheinbaren Anfängen eines bloßen Formulars, das auch den Schulabgang und damit die Erfüllung der Schulpflicht bescheinigte, zu einem immer ansprechender gestalteten Erinnerungsgeschenk der evangelischen Kirchengemeinde für die nun mündigen Gemeindeglieder. Erste Exemplare sind seit Anfang des 19. Jahrhunderts belegt. Die inzwischen 175 Konfirmationsscheine der Sammlung Volksfrömmigkeit umfassen den Zeitraum von 1814 bis 1999. Darunter befinden sich auch einige Exemplare, die Konfirmationsjubiläen dokumentieren. Fast alle Scheine waren oder sind noch gerahmt und hingen bei ihren Besitzern an der Wand. Einige sind daher auch recht ausgeblichen.80 Neben den bekannten Abbildungen zu den Bibelstellen Jordantaufe, Christus und seine Jünger, Christus bei Maria und Martha, Abendmahl oder Kreuzigung, die auf die Werke berühmter Künstler zurückgehen, gibt es Konfirmationsscheine, die die jeweilige Heimatkirche abbilden. In der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts spiegeln die gewählten Motive den Zeitgeist und die Wirkabsicht in besonderem Maße wider. Die Verbindung zwischen Bibel, Reformation und Leben in der Nachfolge Christi bildet ein Konfirmationsschein ab, der in der Kunstanstalt Rheinberger – Bad Dürkheim 80 Vgl. hierzu auch Ulrike Lange: Erinnerungen an die Konfirmation: Glauben Daheim. Zeugnisse evangelischer Volksfrömmigkeit. Zur Erinnerung. Zimmerdenkmale im Lebenslauf. Eine Gemeinschaftsausstellung des Fränkische-Schweiz-Museums Tüchersfeld, 1994, und des Museums für Sepulkralkultur Kassel 1995. Kassel 1994, 37–42; Kurt Dröge: Sprüche zur Konfirmation. Bilder zur Erstkommunion. Detmold 1985; Gabriele Stüber: Zur Erinnerung an den Tag der Konfirmation. Der Sammlungsbestand Konfirmationsscheine im Zentral archiv: BPfKG 66/67 (1999/2000), 333–341. 457 Abb. 24: Konfirmationsschein für Johanna Rothhaas, Mackenbach, konfirmiert am Palmsonntag 1916; Abbildung nach einem Entwurf von Charles Jobmann (1857 – ?), 1908, gezeichnet von Valentin Dirion (1867–1954); ZASP Abt. 173 Nr. 2044. Abb. 25: Konfirmationsschein für Frida Pfistert, konfirmiert am 25. März 1917 in der evangelischen Kirche zu Obersontheim; ZASP Abt. 173 Nr. 2067. 458 Abb. 26: Konfirmationsschein für Helene Schlemmer, Medard, 16. April 1916; ZASP Abt. 173 Nr. 771. und Kaiserslautern – hergestellt wurde und sehr verbreitet war. Der wirkungsvoll kombinierte Bildaufbau verweist mit den rahmenden Porträts von Martin Luther, Philipp Melanchthon, Ulrich Zwingli und Johannes Calvin auf das reformatorische Erbe. Eine Ansicht der 1904 eingeweihten Gedächtniskirche der Protestation schlägt den Bogen in die Gegenwart und bestätigt die evangelische Lehre ebenso als zuverlässige Richtschnur wie Christus selbst, der im Vordergrund eine Gruppe von acht Konfirmandinnen und Konfirmanden unterweist (Abb. 24). Im Verlag für Volkskunst und Volksbildung Richard Keutel Lahr/Baden wurde der Konfirmationsschein mit dem Motiv »Luther vor dem Reichstag in Worms« verlegt. Die Vorlage bildete das Historiengemälde von Anton von Werner (1843–1915). In der Sammlung ist dieser Konfirmationsschein in verschiedenen Versionen vorhanden, als Erinnerungsgabe zur Konfirmation im »Jubeljahr der Reformation« 1917 und anlässlich der 400. Wiederkehr des Wormser Reichstages im Jahre 1921.81 Ein direkt auf die Kriegszeit bezogenes Motiv bietet der Verlag Richard Keutel für die Konfirmationsjahrgänge ab 1915 an. Das abgebildete Gemälde von Arthur Kampf (1864–1950), das auch als Schulwandbild zur ›vaterländischen Erziehung‹ verbreitet war, stammt aus dem Jahr 1891 und erinnert an die Freiheitskriege. Der Originaltitel lautet »Einsegnung von Lützows Schwarzen Freiwilligen in der Kirche von Rogau bei Zobten in Schlesien 1813«.82 In der Kombination zwischen dieser Reminiszenz und den christlichen Symbolen sowie dem Bezug auf Martin Luther und die Zitate aus »Ein feste Burg« erfolgt ein Brückenschlag zwischen Religion und Nationalgefühl. Diese unheilvolle Verknüpfung wird zudem durch die Verbindung von Eisernem (Tatzen-)Kreuz und lateinischem Kreuz mit der Umschrift »Gott mit uns«, umrahmt von historischem und zeitgenössischem Kriegsgerät, weiter verstärkt (vgl. Abb. 26). Auf diese Weise erfährt der Krieg eine Umdeutung zur heiligen Handlung. Die Gestaltung des Konfirmationsscheines für den Jahrgang 1929 wie auch für einige der folgenden Jahrgänge stand – zumindest in der Pfalz – ganz im Zeichen des 400. Protestationsjubiläums. Für den vom Landeskirchenrat in Speyer herausgegebenen Konfirmationsschein wählte man daher die entscheidende Reichstagszene aus, in der die Stände das Protestationsschreiben überreichten. Diese bei Julius Kranzbühler in Speyer gedruckte besondere Ausgabe ergänzt den Bildschmuck, der auf ein bis heute populäres Gemälde von George Cattermole (1800–1868) um 1830 zurückgeht (The Diet of Spires, 19. April 1529), um den kämpferischen Text: »Uns ist viel lieber, Gott auf unserer Seite zu haben als die Welt« (vgl. Abb. 27).83 Neben dem immer wichtiger werdenden Bildteil im Formular war insbesondere der Konfirmationsspruch bedeutsam. Während sich die Jugendlichen das Bibelwort heute selbst wählen dürfen oder ihren Taufspruch auch als Konfirmationsspruch verwenden, 81 82 83 ZASP Abt. 173 Nrn. 2067 und 2068 (1917), überreicht von Klaus Bümlein; Nr. 2385 (1921). Vgl. dazu Ina Katharina Uphoff: Der künstlerische Schulwandschmuck im Spannungsfeld von Kunst und Pädagogik: Eine Rekonstruktion und kritische Analyse der deutschen Bilderschmuckbewegung Anfang des 20. Jahrhunderts (Diss. Würzburg 2002), 91–99. ZASP Abt. 173 Nr. 915: Konfirmationsschein für Elise Jutzi, Schloßkirche Bad Dürkheim, Palmsonntag 1929; sowie Nr. 1177 (s. Abb. 24). 459 Abb. 27: Konfirmationsschein für Elisabeth Braun, Protestantische Kirche zu Assenheim, 17. März 1929; ZASP Abt. 173 Nr. 1177. wurde der Spruch früher vom Pfarrer auf die Persönlichkeit des Konfirmierten hin ausgewählt. Traditionell wird der Spruch vor der Gemeinde im Zusammenhang mit der Einsegnung zitiert. Als Leitspruch für das weitere Leben – fast wie ein Orakel – und als Charakterisierung des Konfirmierten – fast wie ein Zeugnis – wurde er früher mit Spannung erwartet. Der Konfirmationsspruch bedeutete den Menschen in Notzeiten Trost und Zuspruch, denn er beinhaltete zumeist ein Wort, das Mut machte und den Beistand Gottes vermittelte. Durch ihn konnte man zum Glauben (zurück-)finden. Ein solches Angebot sollte der Konfirmationsschein darstellen, auf dem der Spruch festgehalten wurde. An die Wand gehängt, entfaltete er seine Wirkung allerdings nicht aus sich selbst. Man musste ihn schon mit Interesse betrachten oder lesen, um seine Botschaft zu erfassen. Das ist im übrigen heute nicht anders als früher. In gewissen Momenten, so hofften die Pfarrer, würde der einstmals Konfirmierte sich in seinem Leben dem Konfirmationsschein wieder zuwenden, einmal genauer hinsehen oder ihn aus den persönlichen Unterlagen hervorsuchen. Gerade auch auf diesen entscheidenden Moment hin wurde ein Spruch gewählt. In Kombination mit dem Bild oder einem Vers aus dem Gesangbuch konnte er Erinnerungen an die Zeit der Kindheit oder an die Heimat wecken und damit möglicherweise religiöse Bindungen erneuern. Diese Wirkung entfalten Taufund Konfirmationssprüche bei den Menschen, die dafür empfänglich sind, bis heute. Sie sind Begleiter für das ganze Leben, ragen aus der Phase der Jugend hinein in das Erwachsensein und sind täglich vor Augen oder in der Mappe mit den persönlichen Unterlagen, die im Laufe des Lebens immer umfangreicher wird. Der Vollständigkeit halber seien die Geschenke erwähnt, die anlässlich der Konfirmation übergeben werden. Das Gesangbuch ist bis heute ein traditionelles Geschenk, und bestimmte Lieder, deren Beliebtheit von Generation zu Generation durchaus wech460 Abb. 28: Teller, Porzellan mit Glanzvergoldung, um 1910; Abt. 173 Nr. 2225. Abb. 29: Schälchen, Porzellan, um 1900; Abt. 173 Nr. 2223. selt, prägen die Erinnerung und tragen bei zu religiöser Sozialisation.84 Während die Jugendlichen heute mindestens ein Konfirmationsalbum erhalten, in das gute Wünsche und Fotos Eingang finden, bezogen sich die Erinnerungsgaben früher eher auf Gedecke oder einzelne Stücke aus Porzellan, die mit Kreuz und Bibel und dem Schriftzug »Zur Konfirmation« versehen waren (vgl. Abb. 28 und 29). 3. Bilanz Die vielfältigen Objekte der Sammlung Volksfrömmigkeit vermögen zu belegen, in welcher Weise über Generationen hinweg Kinder und Jugendliche bewusst und unbewusst in der christlichen Tradition geprägt wurden. Wenn in dem Beitrag nicht alle Aspekte der facettenreichen Thematik berücksichtigt werden konnten, ist dies nicht zuletzt der Schwerpunktsetzung im evangelischen Bereich geschuldet. Reizvoll wären ein systematischer Vergleich zwischen den Konfessionen und ein Nachvollziehen der wechselseitigen Entwicklung seit 1900. In Einzelfällen wird immer wieder deutlich, dass zur religiösen Praxis früherer Generationen mehr Anknüpfungspunkte bestehen als gemeinhin angenommen. Die heutigen Formen sind nicht auf den ersten Blick erkennbar, wenngleich man insgesamt sicher sagen muss, dass die christliche Sozialisation rückläufig ist – ein Befund, der der zunehmenden Säkularisierung der Gesellschaft entspricht. 84 Vgl. hierzu die Wanderausstellung des Zentralarchivs »Gesangbücher – Weggefährten des Glaubens«. Auf einer der Ausstellungstafeln sind die jeweils in einer Generation beliebten Lieder aus dem Gesangbuch auf der Grundlage einer Umfrage angeführt. 461 Gleichwohl wird auch und gerade in Umfragen immer wieder belegt, dass die Menschen – und insbesondere die Jugendlichen – jenseits alles Materiellen auf der Suche nach Spiritualität sind und Offenheit zeigen für die Fragen nach dem Sinn ihres ganz persönlichen Lebens. Früher war die viel zitierte »Eiserne Ration eines Christenmenschen« – bestehend aus dem Vaterunser, dem Glaubensbekenntnis, einigen Psalmen und Liedtexten – in Krisenzeiten verfügbar und half in vielfältiger Bedrängnis. In unserer Zeit ist die Frage nach einer solchen Eisernen Ration neu zu stellen. Die Formen mögen sich ebenso geändert haben wie die Lebensumstände, doch bleiben die Inhalte in einem christlichen Kontext existentiell. Der Grund für einen persönlichen Hausschatz des Glaubens wird in Kindheit und Jugend gelegt und ist nach wie vor auf Vorbilder und mündliche Traditionsweitergabe angewiesen. Abb. 30: Ottilie Wildermuth: Das Peterli von Emmental, aus der Serie »Erzähl mir was! Geschichten für jung und alt«. Heft 14. Konstanz 1949. Auf dem Titelblatt das Gemälde »Die Erzählerin« von Franz von Defregger (1835–1921); ZASP Abt. 173 Nr. 1318. 462