Gespräch mit Martin Ebert, Geschäftsführer des
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Gespräch mit Martin Ebert, Geschäftsführer des
„Zelluloid klebt!“ Ein Gespräch mit Martin Ebert, Geschäftsführer des CINEDOM, über seinen beruflichen Werdegang, über Kino und Film, über Bernd Eichinger und den Cinedom Seit zwanzig Jahren, ab September 1992, arbeitet Martin Ebert im Cinedom. Erste Kontakte zur Filmbranche hatte er schon während seiner Studentenzeit. Neben seinem MaschinenbauStudium in Bochum arbeitete er für das Studentenkino im dortigen UNI-Center. Mit dieser frühen Phase verbinden sich für ihn besondere Erlebnisse wie beispielsweise der Einlass zu „The Rocky Horror Picture Show“ (USA 1975; Regie: Jim Sharman). Der Kultfilm startete ab 1977 in den deutschen Kinos und löste über Nacht einen bis dahin unbekannten Zuschaueransturm aus. Um den Besucherandrang zu bändigen, wurden die Einlasstüren im UNI-Centers notgedrungen mit schweren Stahlriegeln gesichert. Es sind auch Erinnerungen an die ersten Filme, die Martin Ebert haften blieben. Hierzu gehören „Betty Blue – 37 Grad am Morgen“ (Frankreich 1986, Regie: Jean-Jacques Beineix) und „Eins, zwei, drei“ (USA 1961; Regie: Billy Wilder). Den letztgenannten Film hat Ebert so oft gesehen, dass er ganze Dialogpassagen mitsprechen kann. Martin Ebert hatte in den 1980er-Jahren auch mit den Filmen zu tun, die er als die „Erblast des neuen deutschen Kinos“ bezeichnet. Gegenüber den „spaßfreien und bleischweren Filmen“ von Regisseuren wie Wenders, Kluge und Schlöndorff bevorzugte er lockere Komödien wie „Erst die Arbeit und dann?“, das Erstlingswerk von Detlev Buck (BRD 1984). Rückblickend ist ihm in diesen Jahren bewusst geworden, welche thematische und ästhetische Bandbreite Film und Kino anbieten und wie Rezeption und Wirkung abhängig sind von der jeweiligen individuellen emotionalen Disposition und Betroffenheit. 1992 erhielt Martin Ebert das Angebot, einen Job beim Cinedom in Köln anzunehmen. Aus einer gut zehnjährigen Nebentätigkeit im Kino, wurde nun der Hauptberuf. Für den Kinobetreiber und Cineasten Martin Ebert steht fest: „Zelluloid klebt!“ Wer einmal mit Film und Kino zu tun hat, kommt nicht mehr davon los. Zum damaligen Zeitpunkt ahnte er noch nicht, dass ihm das Studium des Maschinenbaus später einmal als Geschäftsführer eines großen Kinounternehmens von Nutzen sein könnte. Bernd Eichinger und der Cinedom Der Cinedom wurde im Dezember 1991 eröffnet. Die 1980er-Jahre waren geprägt von der Verwüstung und Verrohung der deutschen Kinolandschaft. Es entstanden die sogenannten „Schachtelkinos“. Die großen Kinosäle wurden in immer kleinere Einheiten zerhackt; mit der Ware Film wurde achtlos umgegangen. Als Antwort auf diese Entwicklung reagierten Teile der Filmtheater-Branche mit dem Bau von Multiplex-Kinos, deren Standards sich hinsichtlich der Technik und Ausstattung allerdings durch uninspirierte Schablonen auszeichneten. Die gängigen Unternehmens-Regeln verlangten möglichst viele Plätze auf möglichst wenig Raum. Bernd Eichinger, bei Constantin-Film verantwortlich für das Verleihangebot und die Filmproduktion, sah nicht ein, dass seine Firma „viel Geld für Filme ausgibt, die dann in ausgesprochen erbärmlichen Kinos technisch unzureichend und lieblos vorgeführt werden.“ Im Kino stand für ihn allein die vierte Wand – die Leinwand – im Focus und nichts sollte davon ablenken. Der Saal sollte volle Konzentration garantieren – ermöglicht durch bequeme Sitze mit Beinfreiheit für die Besucher. Selbstverständlich gehörten auch ein vielfältiges Gastronomie-Angebot und ausreichende Parkplätze dazu. Bei der Umsetzung dieser Vorgaben für ein komfortables Kino mit optimalem Soundsystem ließ Eichinger dem renommierten Architekten Eberhard Zeidler aus Toronto freie Hand. Bei der Eröffnung des 110 Millionen DM teuren Hauses in Köln gab es den Media-Park mehr oder weniger nur als Projekt-Idee. Die Gesamtsituation des Ambientes war mit Unsicherheiten und Unwägbarkeiten verbunden und auch der Cinedom war noch eine Baustelle; es konnten zunächst nicht alle Säle bespielt werden. Zur Eröffnung kamen mehr als 3.000 Gäste. Der lakonische Kommentar eines Besuchers: „Ich habe noch nie so viele gut gekleidete Leute auf einer Baustelle herumlaufen gesehen.“ Bernd Eichinger ist bis zu seinem plötzlichen Tod im Januar 2011 dem Cinedom verbunden geblieben, auch wenn seine Eigentumsanteile im Laufe der Jahre wechselten. Obwohl er sich weitaus stärker für seine Filmproduktionen engagierte, hat er den Cinedom immer wieder aufgesucht und sich zuletzt auch für die 3D-Innovation eingesetzt. Eichinger hat Film- und Kinogeschichte geschrieben. In ihrem Buch “BE“ schildert seine Witwe, die Filmjournalistin und -autorin Katja Eichinger, die vielen Facetten seiner Persönlichkeit. Eichinger war nicht nur streitbarer Macher und Manager, sondern auch ein ausgesprochen romantischer Typ und Familienmensch. Den Sternenhimmel im Cinedom hat er seiner Tochter Nina gewidmet und den für alle sichtbaren Kometen Nina nach ihr benannt. Auf einem der großen Wandgemälde im Innenraum des Cinedom sieht man ihn mit seiner neunjährigen Tochter auf dem Schoß inmitten der Größen des Film- und Showbusiness. Kooperation statt Konfrontation Martin Ebert kam einige Monate nach der Eröffnung des Cinedoms nach Köln. Auf einem Bild im Kölner Stadt-Anzeiger vom 14. November 1992 sieht man ihn, wie er den millionsten Gast begrüßt. Es war der Student Elmar Hochhuth, der als Auszeichnung gemeinsam mit seiner Freundin Gabriele Hofbauer den Constantin-Filmball 1993 in München besuchen durfte. In dem Zeitungsartikel wird auch angesprochen, dass die Kölner Kinobesitzer das Jahr 1992 mit zufriedener Miene beschließen: „Der befürchtete Einbruch bei den Besucherzahlen durch den großen Konkurrenten ‚Cinedom’ blieb aus.“ Am Anfang war die Situation in Köln tatsächlich noch sehr angespannt, erinnert sich Ebert. „In den anderen Kinos gehen die Lichter aus“ und „Die Konkurrenz muss zittern“ lauteten die Schlagzeilen. Er fühlte sich persönlich betroffen, wenn vom Cinedom im Zusammenhang mit den „Totengräbern der Kinos“ gesprochen wurde. Selbstbewusst resümiert er heute, dass sich der Cinedom in kurzer Zeit im Ensemble unterschiedlicher Angebote anderer Erstaufführungskinos, Programmkinos und Arthaus-Kinos etabliert und profiliert hat. Der befürchtete „heiße Verdrängungsprozess“ blieb aus. Von „High Noon in der Kinoszene“, wie der Kölner Stadt-Anzeiger am 10. April 1992 titelte, konnte keine Rede sein. Ebert: „Alle waren gut beraten, sich gegenseitig zu akzeptieren und zu respektieren.“ Die Konzeption des Cinedoms sah mit der „Black Box“, dem „schicken High-Tech-Saal in der zweiten Etage“ auch einen vom Kinobetrieb unabhängigen „exklusiven Veranstaltungsort für Konzerte, Theater, Kabarett, Talkshows und Fernsehproduktionen“ vor. Das ambitionierte Programm mit lokalen und internationalen Größen“ startete am 29. Mai 1992 mit einem Mozart-Konzert von Justus Franz. Doch nach einem Jahr stand das Unternehmen der „Polyphonia Tongesellschaft mbH“ vor der Pleite. Die Besucher blieben aus und die Mieten an Constantin-Film als Eigentümer der Immobilie konnten nicht mehr bezahlt werden. Der Saal wurde daraufhin von Constantin selbst übernommen und vom Cinedom als zusätzliches Kino genutzt. Nach Ansicht von Martin Ebert war es nicht gelungen, den politisch gewollten, multifunktionalen Veranstaltungsort mit dem besonderen Anspruch eines überwiegend subventionierten Programms zu realisieren: „Das Experiment ist fehlgeschlagen. Die Vermischung zweier unterschiedlicher, mit wechselseitigen Berührungsängsten vorbelasteter Publikumskreise erwies sich als nicht gelungen.“ Besucher und Programm Martin Ebert erinnert sich noch sehr gut daran, dass der Cinedom in den ersten Jahren seines Bestehens noch unter der baulichen Nicht-Fertigstellung des Media-Park-Geländes zu leiden hatte. Das ehemalige Gelände des Güterbahnhofs Gereon lag lange Zeit brach. Zu einem gemeinsamen, übergreifenden Image kam es auch nach Beendigung der Bauarbeiten nicht. Ein großer Teil der in Aussicht gestellten Nutzungskonzepte wurden verworfen. Es wurde mehr spekuliert als realisiert, was das öffentliche Erscheinungsbild negativ geprägt und entscheidend mit dazu beigetragen hat, die ursprüngliche Projekt-Idee zu ruinieren. In den Folgejahren hat sich der Cinedom einen vom Media-Park unabhängigen Ruf erarbeitet, der auch durch die aktuell anstehenden Veränderungen nicht beeinträchtigt wird. Der MediaPark, der für sein Image und die Außenwirkung sogar an ein gemeinsames Telekommunikations-Konzept dachte, ist heute ein offener, weiter Begriff. Die Interessen der Eigentümer, Mieter und Nutzer sind extrem unterschiedlich. Knallharte kommerzielle Absichten konkurrieren mit kulturell motivierten Initiativen. Dazu Ebert: „Unserem Publikumszuspruch schadet dies nicht; egal, welche Firmen um uns herum existieren.“ Die Statistiken der Filmförderungsanstalt weisen für die Jahre von 2010 bis 2012 eine leicht ansteigende Anzahl von Besuchern deutscher Filme auf. Es sind ca. 12 Millionen pro Jahr, was einem Anteil am Gesamtbesucheraufkommen von ca. 20 % entspricht. Im gleichen Zeitraum ist die Anzahl der Kinobesucher in Deutschland von ca. 60 auf ca. 62 Millionen gestiegen. Dies drückt sich auch in den Umsätzen aus, die seit 2008 kontinuierlich gewachsen sind und 2012 ca. 460 Millionen Euro betragen. Für Martin Ebert spiegelt sich diese Situation auch in seinem Hause wider, wobei der Anteil der deutschen Filme am Gesamtumsatz überproportional einzuschätzen ist. Kommerzielle Kassenerfolge wie sie etwa die Komödien von Till Schweiger erzielen, sind besonders den großen Kinos zu verdanken. Bei diesen Filmproduktionen sind auch die Produzenten, die Verleiher und die Filmförderungsinstitutionen besonders engagiert. Der Cinedom erweist sich dabei als gefragte Adresse für glanzvolle Premieren und repräsentative Auftritte – nicht zuletzt, weil das Haus über entsprechendes Know How und Erfahrungen verfügt. Martin Ebert besucht zu unterschiedlichen Zeiten als „Hausherr“ die Kinovorführungen, um sich ein eigenes Bild vom Service und von der technischen Qualität der Vorführungen zu machen. Dazu zählt auch der ständige Kontakt zum Publikum. Früher waren die 16- bis 30Jährigen die tragende Schicht des Kinopublikums. Das ist heute auch im Cinedom nicht mehr der Fall. Das Durchschnittsalter ist angestiegen. Zu den „Twilight“-Filmen kommen zwar überwiegend Jugendliche und junge Erwachsene, aber bei den anderen Filmen steigt das Durchschnittsalter der Besucher an. Ein Beispiel für diesen Trend sind die neuen „Bond“Filme mit Daniel Craig. Die treuen „Bond“-Fans, sind mit der Serie selbst älter geworden. Das Cinedom-Programm muss auf diese Veränderungen reagieren, bemerkt Ebert. Der Cinedom hat das Privileg der Erstaufführungen und ist für die Major Companys ein wichtiger Partner. Darüber hinaus bemüht sich Ebert aber auch um die Filme, die nicht mit großen Werbekampagnen starten können. Ausschlaggebend ist für ihn die filmische Qualität einzelner Produktionen, die dann mitunter etwas länger im Programm gehalten („gepflegt“) werden. Filme, die das Potential haben sich langfristig zu entwickeln, soll man „nicht sofort die Luft nehmen, sondern länger vorhalten.“ Erfolgreiche Beispiele dafür aus den letzten Jahren sind „Kirschblüten – Hanami“ von Doris Dörrie und „To Rome with Love“ von Woody Allen. Nichtsdestotrotz lebt der Cinedom von der Attraktivität großer Filme und bekannter Namen. Zu den beruflichen Highlights von Martin Ebert zählen in diesem Zusammenhang die spektakulären Premieren mit Stargästen aus der internationalen Szene. Auch wenn diese Veranstaltungen wegen ihres starken Publikumsandrangs besondere Sicherheitsvorkehrungen mit entsprechendem Arbeitsaufwand zur Folge haben, so erinnert er sich heute schwärmerisch an die Kinostarts und Premieren-Events von „Jurassic Park“, „Mission Impossible“ – von Tom Cruise als Stargast begleitet - und „Avatar“. Diesen Film hatte Ebert zuerst bei der Cinema Expo Amsterdam 2009 gesehen, wo er im 3D-Format von Cameron persönlich präsentiert wurde. „Avatar“ war für Ebert ein so großes und beeindruckendes Kinoerlebnis, dass er im Cinedom eine entsprechende Projektionsanlage eigens für diesen Film installierte. Er war sich dabei ganz sicher, das diese Investition erfolgreich sein werde: „Bei allen inhaltlichen Schwächen des Films zeigt er eine Welt, die fasziniert und gefangenhält.“ „Zelluloid klebt!“ Martin Ebert, der Geschäftsführer des Cinedom mit 130 festangestellten Mitarbeitern und jährlich 1,6 Millionen Besuchern, geht nach wie vor in seiner Freizeit ins Kino. Er lebt in Düsseldorf. Die Auswahl der Filme und der Kinos überlässt er gerne seiner Lebensgefährtin. Besonders gefallen hat ihnen in letzter Zeit „Alamanya“ und „Ziemlich beste Freunde“. Das Gespräch mit Martin Ebert führte Horst Schäfer am 16. Oktober 2012 im Cinedom.