Heinrich Timm - Experience Composites
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Heinrich Timm - Experience Composites
Experteninterview mit Heinrich Timm, Vorstandsmitglied des Carbon Composites e.V. -Anwendungsschwerpunkt Automotive- EXPERIENCE COMPOSITES: Das Automobilwesen hat sich schon früh die Vorteile von Faserverbundmaterialien zunutze gemacht und damit gleichzeitig dem Faserverbundmarkt zu einem rasanten Wachstum verholfen. Herr Timm, der 40 Jahre in der AUDI AG viele wegweisende Innovationen initiierte und dort zuletzt Leiter des Leichtbau-Zentrums war, hat uns in seiner heutigen Funktion als Vorstandsmitglied des Carbon Composites e.V. einige Fragen zur Anwendung von Faserverbundmaterialien in der Automobiltechnik beantwortet. Herr Timm, Faserverbundmaterialien fanden ja schon früh Anwendung im Automobilbau. Können Sie uns die Historie in diesem Fachbereich etwas genauer erläutern? Herr Timm: Ja, der Automobilbau war im Grunde die Weiterentwicklung des Kutschenbaus. Da waren die Rahmen aus Holz – ein gutes Faserverbundmaterial. Die ersten Composites im Automobilbau waren nicht Technologie getrieben sondern waren die Konsequenz aus Mangel an tiefziehbarem Stahlblech. Für die DDR war Stahlblech auf der Embargoliste, und russisches Tiefziehblech stellte sich damals als nicht brauchbar heraus. Somit bekam der ab 1958 in Serie gebaute Trabant eine Composite Karosserie aus baumwollverstärktem Phenolharz. Zum anderen war das kleine Budget für Werkzeuge ein weiterer Grund für die frühe Anwendung. Auf Basis des DKW 3 = 6 wurde 1957 der DKW Monza, ein Sportwagen mit einer leichten Kunststoffkarosserie aus GFK, gebaut. Die limitierte Auflage betrug 155 Fahrzeuge. Der Monza fuhr 5 Weltrekorde ein. EXPERIENCE COMPOSITES: Auch im Motorsport sind Composites ein großes Thema. Wann kamen Composites dort erstmals zum Einsatz? Herr Timm: Ab 1980 war die Manufakturtechnologie aus der Raumfahrt nun auch ein wichtiges Thema für den Extremsport. Mit dem Beginn der DTM Meisterschaften wurden Karosserien mit hoher Festigkeit und kleiner Masse benötigt, ohne dabei viel Geld in Werkzeuge investieren zu müssen. In der Formel 1 setzten etwa zeitgleich die CFKMonocoque`s ein. Damit ging in der Formel 1 die Ära der Unfälle mit Todesfolge dem Ende entgegen. An das hohe Sicherheitspotenzial in CFK-Strukturen sollten wir immer wieder erinnern. EXPERIENCE COMPOSITES: Wie entwickelte sich die Nutzung der Composites in der Automobilbranche weiter? Herr Timm: 1983 ging der Audi Sport quattro mit einer Karosserieaußenhaut aus Aramid/CFK Composites in Serie und ab 1989 hatte zum Beispiel der Audi 90 serienmäßig in der USA Variante eine CFK Kardanwelle. EXPERIENCE COMPOSITES: Herr Timm, wie ist denn der heutige Status der Anwendung? Herr Timm: Ab ca. 2000 wurden exklusive Kleinserienfahrzeuge mit CFK Monocoque Karosserien gebaut. Diese Anwendung bringt den Marken bis heute ein hohes Image, und die Werkzeuginvestitionen sind, kompatibel zur kleinen Stückzahl, niedrig. Die höchsten Stückzahlen findet man im Anwendungsbereich der Trimmteile im Interieur und im Motorraumdesign. Gleichzeitig werden zunehmend CFK Composites in den Karosseriestrukturen bei Premiumfahrzeugen eingesetzt und auch neue Märkte erschließen sich. Ein aktuelles Beispiel sind hierfür die CFK Felgen. EXPERIENCE COMPOSITES: Können Sie uns einige Produktbeispiele mit CFK Bauteilen aus dem Fachbereich nennen? Herr Timm: CFK Monocoque Anwendungen findet man in exklusiven Baureihen mit kleinen Stückzahlen, wie beispielsweise beim Bugatti Veyron, Lamborghini Aventador, Mc Laren Mercedes SLR oder beim Porsche GT. Neben dem Monocoque hat der Lamborghini Aventador auch eine komplette CFK Außenhaut. Während die erste Generation des Audi R8 Spyder nur das hintere Seitenteil und den Verdeckkastendeckel aus CFK hat, haben in der zweiten Generation alle Modelle des Audi R8 und des Lamborghini Huracan einen großen Teil der Karosseriestruktur in CFK Composites. Karosseriestrukturteile in CFK-Composites sind auch im BMW i3, -i8 und 7 verbaut. Auch der Bentley Flying Spur, sowie der Mercedes S haben Karosseriestrukturteile aus CFK. EXPERIENCE COMPOSITES: Welche FVK-Bauteile werden überhaupt fertiggestellt und welche Herstellungsverfahren werden dabei eingesetzt? Herr Timm: Vielfältige Technologien sorgen für ein breites Spektrum an verwendeten Bauteilen. Es gibt RTM-Bauteile, Fließpress-, sowie Pultrusions-Bauteile. Auch Organobleche, Flechtrovings und Compression Moulding Produkte werden hergestellt. Verwendet werden dabei Endlos-, Kurz-, und Recycling-Fasern, Durplast-, Thermoplast-, Polyurethan-Matrix und CFK-, Aramid-, Basalt-, und Glas-Fasern. EXPERIENCE COMPOSITES: Herr Timm, worin sehen Sie die Erfolgsfaktoren, sowie die Herausforderungen? Herr Timm: Die CFK Technologie hat große funktionale Vorteile gegenüber alternativen Leichtbautechnologien, wenn sie materialgerecht zum Einsatz kommt, das heißt, der Anisotropie Rechnung getragen wird. Ein wichtiger Erfolgsfaktor für den Einsatz ist der Imagetransfer, der vom High-Tech-Material auf die Marke übergeht. Das hohe Sicherheitspotenzial, die relativ geringen Werkzeuginvestitionskosten, die Hybridisierungspotenziale und die möglichen Designfreiheiten werden weitere Erfolgsfaktoren werden. Die Herausforderungen wie Bauteilkosten, Zykluszeiten, Verschnitt-Reduzierungen und Nachhaltigkeit werden sehr erfolgsversprechend in den Projekten des MAI-Carbon Spitzenclusters bearbeitet EXPERIENCE COMPOSITES: Wie sieht die Entwicklung der Verwendung Composites im Automobilbau aus? Blicken wir in eine positive Zukunft? Herr Timm: Die Zukunft kann man nicht vorhersagen, man muss sie gestalten und Gestaltungsfreiraum bietet die FVK Composite Technologie noch reichlich. In den Bereichen Fiber Placement, Biocomposites, Produktivitätssteigerung bei der Endverarbeitung, dem Preforming mit Verschnitt-Optimierung, im System – Faser – Schlichte - Matrix, in teilfolierten Faserverbundbauteilen, Faserhybride Bauteile, sowie Fasermodifikationen - um nur einige Bereiche zu nennen. EXPERIENCE COMPOSITES: Nun kommen wir auch schon zur letzten Frage. Herr Timm, welche eigenen Gedanken haben Sie persönlich, als Vorstandsmitglied des Carbon Composites e.V. und Experte im Bereich Automotive, zur weiteren Entwicklung von Composites im Automobilwesen? Herr Timm: In der MAI Carbon Strategie hatten wir uns 2012 Ziele gesetzt, die, so Sie denn erreicht werden, eine gute Basis für den industriellen Durchbruch der CFK Technologie ermöglichen. Es sieht gut aus. Darum dürfen wir die CFK Composite Technologie als eine wertvolle Ergänzung im Portfolio der Leichtbautechnologien verstehen.