Diplomarbeit - Institut für Bildungswissenschaft
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Diplomarbeit - Institut für Bildungswissenschaft
Diplomarbeit Titel der Diplomarbeit „Der Daltonplan heute“ Eine qualitative Untersuchung zum Verständnis der Daltonplanpädagogik österreichischer und tschechischer Lehrer/innen. Verfasserin Helene Juliana Feichter angestrebter akademischer Grad Magistra der Philosophie (Mag. phil.) Wien, im November 2007 Studienkennzahl lt. Studienblatt: A 297 Studienrichtung lt. Studienblatt: Pädagogik Betreuer: Univ.-Prof. Dr. Stefan Thomas Hopmann Ehrenwörtliche Erklärung Ich erkläre ehrenwörtlich, dass ich die vorliegende wissenschaftliche Arbeit selbstständig angefertigt und die mit ihr unmittelbar verbundenen Tätigkeiten selbst erbracht habe. Ich erkläre weiters, dass ich keine anderen als die angegebenen Hilfsmittel benutzt habe. Alle aus gedruckten, ungedruckten oder dem Internet im Wortlaut oder im wesentlichen Inhalt übernommenen Formulierungen und Konzepte sind gemäß den Regeln für wissenschaftliche Arbeiten zitiert und durch Fußnoten bzw. durch andere genaue Quellenangaben gekennzeichnet. Die während des Arbeitsvorganges gewährte Unterstützung einschließlich signifikanter Betreuungshinweise ist vollständig angegeben. Die wissenschaftliche Arbeit ist noch keiner anderen Prüfungsbehörde vorgelegt worden. Diese Arbeit wurde in gedruckter und elektronischer Form abgegeben. Ich bestätige, dass der Inhalt der digitalen Version vollständig mit dem der gedruckten Version übereinstimmt. Ich bin mir bewusst, dass eine falsche Erklärung rechtliche Folgen haben wird. Helene Juliana Feichter Wien, im November 2007 2 IST DAS DER DALTONPLAN ? Abbildung 1: „Die Daltons“ in Maurice de/Fauche/Leturgie (1991): Lucky Luke. Gedächtnisschwund. Bd. 63. Stuttgart: Ehapa Verlag. S.3 3 INHALTSVERZEICHNIS I EINLEITUNG .............................................................................................................. 6 1 Vorwort .........................................................................................................................................6 1.1 1.2 Das Forschungsinteresse ...................................................................................................................... 6 Gliederung der Arbeit und Forschungsfragen .................................................................................... 7 II DER DALTONPLAN IN DER THEORIE ............................................................. 10 2 3 Die Entwicklerin des Daltonplans: Helen Parkhurst.......................................................... 10 Historische Einflüsse auf den Daltonplan............................................................................. 14 3.1 3.2 3.3 3.4 4 5 Rezeptionsgeschichte................................................................................................................ 18 Prinzipien des Daltonplans ..................................................................................................... 19 5.1 5.2 5.3 6 7 Maria Montessori................................................................................................................................ 14 Preston W. Search (Puebloplan) ........................................................................................................ 15 Edgar J. Swift...................................................................................................................................... 16 John Dewey......................................................................................................................................... 16 Freedom............................................................................................................................................... 19 Cooperation......................................................................................................................................... 22 Budgeting Time .................................................................................................................................. 22 Lernfortschrittskontrolle mittels Graphen .......................................................................... 23 Unterrichtsorganisation........................................................................................................... 27 7.1 7.2 7.3 7.4 Das Pensum mit den Assignments .................................................................................................... 27 Aufbau des Assignments.................................................................................................................... 30 Lernort................................................................................................................................................. 32 Lernzeit ............................................................................................................................................... 32 8 Varianten der Daltonpraxis .................................................................................................... 33 9 Reflexion im Daltonplan.......................................................................................................... 35 10 Der Daltonplan als spezielle Form des offenen Unterrichts ............................................ 36 10.1 10.2 10.3 10.4 10.5 III 11 FELDFORSCHUNG ............................................................................................ 42 Forschungsmethode ............................................................................................................... 42 11.1 11.2 11.3 12 Zum Verständnis des offenen Unterrichts ...................................................................................... 37 Arbeitsplankonzept (Wochenarbeitsplan)....................................................................................... 39 Freiarbeitskonzept ............................................................................................................................ 39 Projektarbeitskonzept ....................................................................................................................... 40 Stationenarbeitskonzept (Werkstattunterricht) ............................................................................... 41 Zugang zum Feld .............................................................................................................................. 42 Probleme bei der Kontaktaufnahme ................................................................................................ 43 Auswertung ....................................................................................................................................... 45 Kooperative Mittelschule Hörnesgasse ............................................................................... 46 12.1 12.2 12.3 12.4 12.5 12.6 Allgemeines zur Schule ................................................................................................................... 46 Daltonstunden ................................................................................................................................... 47 Freiheit .............................................................................................................................................. 48 Kooperation ...................................................................................................................................... 48 Zeiteinteilung .................................................................................................................................... 49 Kooperation der Lehrenden ............................................................................................................. 50 4 13 Franz Jonas - Europaschule ................................................................................................ 52 13.1 13.2 13.3 13.4 13.5 13.6 14 Chalabalova Dalton Schule ................................................................................................... 57 14.1 14.2 14.3 14.4 14.5 14.6 14.7 15 Allgemeines zur Schule ................................................................................................................... 52 Daltonstunden ................................................................................................................................... 52 Freiheit .............................................................................................................................................. 53 Kooperation ...................................................................................................................................... 54 Zeiteinteilung .................................................................................................................................... 55 Kooperation der Lehrenden ............................................................................................................. 56 Allgemeines zur Schule ................................................................................................................... 57 Besonderheiten der Schule............................................................................................................... 58 Daltonstunden ................................................................................................................................... 58 Freiheit .............................................................................................................................................. 59 Kooperation ...................................................................................................................................... 60 Zeiteinteilung .................................................................................................................................... 61 Kooperation der Lehrenden ............................................................................................................. 62 Husova Dalton Schule ............................................................................................................ 62 15.1 15.2 15.3 15.4 15.5 15.6 Allgemeines zur Schule ................................................................................................................... 62 Daltonzeit.......................................................................................................................................... 63 Freiheit .............................................................................................................................................. 66 Kooperation ...................................................................................................................................... 66 Zeiteinteilung .................................................................................................................................... 67 Kooperation der Lehrenden ............................................................................................................. 68 IV DER DALTONPLAN HEUTE............................................................................... 68 16 Auswertung.............................................................................................................................. 68 16.1 Was ist der Daltonplan heute? ......................................................................................................... 68 16.2 Wieso Daltonplan? .......................................................................................................................... 72 16.2.1 Daltonplan oder doch etwas anderes?.................................................................................... 72 16.2.2 Zugang zum Daltonplan.......................................................................................................... 72 16.2.3 Warum Unterschiede?............................................................................................................. 75 16.2.4 Vorläufer Offenes Lernen ....................................................................................................... 76 16.3 Einflussfaktoren............................................................................................................................... 77 16.3.1 Die Rolle der Schulleitung...................................................................................................... 77 16.3.2 Kooperation ............................................................................................................................. 80 16.3.3 Dynamik im Lehrkörper ......................................................................................................... 82 16.3.4 Unterrichtsklima...................................................................................................................... 84 16.3.5 Ausstattung und Organisation ................................................................................................ 86 16.4 Lernt die Schule?............................................................................................................................. 88 16.4.1 Weiterentwicklungen .............................................................................................................. 88 16.4.2 Schulentwicklung .................................................................................................................... 89 17 Resümee ................................................................................................................................... 98 V QUELLENNACHWEIS UND ANHANG............................................................ 102 18 LITERATURVERZEICHNIS ........................................................................................... 102 19 ANHANG INTERVIEWLEITFADEN............................................................................ 106 5 I EINLEITUNG 1 Vorwort Wenn ich auf meine Schulzeit zurückblicke, dann war diese vor allem im Gymnasium nicht unbedingt von Lernfreude geprägt und das Motto von meinen Schulkolleginnen/Kollegen und mir war, mit so wenig Aufwand wie möglich, das meist Mögliche zu erreichen. Das bedeutete, dass wir die Arbeit, die uns aufgetragen wurde, nur mit Widerwillen und ohne Motivation erfüllten und dennoch hofften, dass eine gute Note dabei herausschaute. Wir empfanden die Arbeit immer als die der Lehrer/innen und nicht als die unsere. Aufgrund der ständigen Kontrolle der Lehrer/innen (Hausaufgaben, Prüfungstermine, keine individuelle Themenwahl usw.) und wenig Möglichkeiten selbständig zu arbeiten, lernte ich auch nicht meine Zeit richtig einzuteilen und kam vor Schularbeiten ständig in Zeitnot. Während meines Studiums musste ich mir ein gutes Zeitmanagement mühsam aneignen, da es zu diesem Zeitpunkt schon vorausgesetzt wurde. In einer Vorlesung über Reformpädagogik erfuhr ich das erste Mal vom Daltonplan. Der Daltonplan ist benannt nach der amerikanischen Stadt Dalton, Massachusetts, wo dieses Konzept erstmals öffentliche Aufmerksamkeit erregte und in Fachzeitschriften unter diesem Namen publiziert wurde. „Plan“ wurden zur damaligen Zeit reformpädagogische Konzepte benannt, so gibt es z.B. auch den Winnetkaplan, den Puebloplan oder den Jenaplan. Ich verfolgte den Vortrag mit einer gewissen Skepsis, obwohl ich selbst im Regelschulsystem schlechte Erfahrungen gemacht hatte. Interessant fand ich jedoch, dass den Lernenden Freiheiten in einem festgelegten Rahmen zugestanden werden und sie einen Überblick über die Unterrichtsthemen, die über das ganze Schuljahr durchgenommen werden, gewinnen. Vor allem die Freude am Lernen war ein Aspekt, den ich in meiner Schulzeit vermisste. Überdies schien mir der Daltonplan auch ideologiefreier als andere reformpädagogische Konzepte und am verträglichsten mit dem Regelschulsystem. 1.1 Das Forschungsinteresse Während meines Studiums hatte ich nur einmal Näheres über den Daltonplan erfahren und das obwohl dieses pädagogische Modell angeblich auch in Österreich immer mehr Anklang findet (vgl. Hasenhüttl/Perl 2002, S. 568). Mir schien es, als würde er heute nicht mehr zur 6 Anwendung kommen. Erst aufgrund des Buches „Ideen machen Schule“ (Fraundorfer 2006) wurde meine Aufmerksamkeit wieder auf diese spezielle Art des selbstgesteuerten Lernens gelenkt. In der Publikation werden neun Schulen vorgestellt, die innovative Projekte umsetzen und reformpädagogisch arbeiten, unter anderem auch nach der DaltonplanPädagogik. Während meiner Literaturrecherche zur Diplomarbeit stellte ich nicht nur fest, dass es wenig Literatur über den Daltonplan gibt, sondern auch, dass in Österreich wenige Schulen dieses Konzept anwenden. Das hat mein Interesse erneut geweckt und es drängte sich folgende Frage auf: Was ist das Charakteristische an dieser Pädagogik, was macht sie aus? Es zeigte sich jedoch sehr schnell, dass es „den“ Daltonplan nicht gibt. Parkhurst selbst sagt, dass der Daltonplan kein starres Konstrukt ist, sondern ein „way of life“ (vgl. Eichelberger/Wilhelm 2003, S. 32). Wenn aber das Konzept derart flexibel gehandhabt wird, wollte ich untersuchen, wie sich die Umsetzung des Daltonplans an österreichischen und tschechischen Schulen aus der Sicht von Lehrer/innen darstellt. 1.2 Gliederung der Arbeit und Forschungsfragen Die vorliegende Arbeit gliedert sich in folgende Teilbereiche: Die Einleitung ist der erste Teil, diese führt zum Thema hin, das Forschungsinteresse wird erläutert, auch die Gliederung der Arbeit und die Forschungsfragen sind darin angeführt. Im zweiten allgemeinen Teil werden die Biographie Helen Parkhursts, historische Einflüsse auf den Daltonplan und unter anderem die Rezeptionsgeschichte dargestellt. Diesen Bereichen kommt besondere Bedeutung zu, da erst dadurch die Entstehung des Daltonplans nachvollziehbar wird. Die Rezeptionsgeschichte bildet auch die Voraussetzung für die Beurteilung des Daltonplans heute. Danach folgt die Analyse der Grundprinzipien, welche kennzeichnend für den Daltonplan und die Basis meines Forschungsvorhabens sind. Ein weiterer Schwerpunkt liegt auf der Ausarbeitung der flexiblen Anwendungen des Daltonplans und der Abgrenzung zum offenen Unterricht. Auf die angewandte Methode bei der Feldforschung wird im dritten Teil näher eingegangen. Der Zugang zum Feld und die Probleme bei der Kontaktaufnahme werden geschildert, sowie 7 die Methoden der Auswertung. Einen weiteren Bereich bilden die Vorstellungen der einzelnen Schulen und die unterschiedliche Anwendungen des Daltonplans. Weiters werden vier Schulen vorgestellt, die nach der Konzeption des Daltonplans unterrichten: Die Kooperative Mittelschule (KMS) Hörnesgasse und die Franz Joans Europaschule in Österreich, die Chalabalova Dalton Schule und die Husova Dalton Schule in Tschechien. Die letzteren drei Schulen gehören der Vereinigung „Dalton International“1 an. Für meine Untersuchung habe ich Interviews mit Lehrer/innen dieser Schulen geführt. An den Wiener Schulen waren jeweils drei Interviews (ausschließlich mit Lehrerinnen) möglich, in Tschechien jeweils zwei pro Schule (mit einem Lehrer und drei Lehrerinnen). Die Interviews dauerten ca. 45 Minuten und liegen in transkribierter Form vor, werden aber aus Datenschutzgründen nicht beigelegt. Datenmaterial erhob ich auch durch den Besuch der „Dalton Conference“ in Brno im Mai 2007, wo ich viele Gespräche mit Lehrerinnen und Lehrern führen konnte. Meine Forschungsfragen lauteten: a) Verständnis des Daltonplans: Was meinen Lehrer/innen, wenn sie von Daltonplan sprechen? Welche Sichtweise haben Lehrer/innen in Bezug auf den Daltonplan. Was verstehen sie unter Daltonplan und wie viel wissen sie darüber? b) Selbstverständnis der Daltonplananwender/innen: Wie glauben Lehrende, dass sie den Daltonplan umsetzen? Wie sieht der Daltonunterricht im Speziellen aus? Welche Aspekte glauben Lehrer/innen, dass sie umgesetzt haben bzw. was unter Umständen nicht? Wie sieht die Unterrichtspraxis aus der Sicht der Lehrer/innen aus? c) Implementierung des Daltonplans: In welcher Spannweite und in welchen Bereichen wird der Daltonplan umgesetzt? Wo liegen die Unterschiede in der Anwendung des Daltonplans zwischen den einzelnen Schulen und in welchen Bereichen hat der Daltonplan Einzug gefunden? 1 Für nähere Informationen: Online im Internet: URL: http://www.daltoninternational.org (Stand 2009-05-04) 8 d) Begründung für die Modifikation des Daltonplans: Wie rechtfertigen Lehrer/innen den Unterschied zum Daltonplan, wie ihn Parkhurst entwickelt hat? Wieso wird der Daltonplan nicht nach den Ideen von Parkhurst umgesetzt? Welche Gründe stecken dahinter? An welchen Vorschlägen von Parkhurst haben sich die Lehrer/innen orientiert? e) Rahmenbedingungen für die Umsetzung des Daltonplans: Welche fördernden oder hemmenden Aspekte nennen Lehrer/innen für die Umsetzung der Daltonplan-Pädagogik? Welche Einflussfaktoren gibt es für die modifizierte Anwendung des Daltonplans? Was unterstützt und was hindert die Lehrer/innen in ihrer Arbeit? f) Der Daltonplan gestern und heute: Aus dem Blickwinkel einer konservativen Daltoninterpretation – Wie sieht der Unterricht aus der Sicht von Lehrenden heute aus? Wie sieht nun der Unterschied des heutigen Daltonplans im Vergleich zur damaligen Umsetzung aus? Was glauben Lehrer/innen, das sie in gleicher Weise umsetzen und welche Unterschiede nennen sie? Die Auswertung und das Resümee finden sich im vierten Teil. Hier werden die Ergebnisse meiner Untersuchung dargestellt, die Forschungsfragen beantwortet und (notwendige) offen gebliebene Fragen angeführt. Der fünfte Teil, der Quellennachweis und der Anhang, beinhalten das Literaturverzeichnis, die Kontaktdaten der einzelnen Schulen sowie den von mir verwendeten Interviewleitfaden. 9 II DER DALTONPLAN IN DER THEORIE 2 Die Entwicklerin des Daltonplans: Helen Parkhurst Über das Leben von Helen Parkhurst gibt es sehr wenige Darstellungen. Eine sehr ausführliche Biographie wurde von Popp in „Der Daltonplan in Theorie und Praxis“ (Popp 1999) verfasst. In den folgenden Ausführungen beziehe ich mich hauptsächlich auf diese Publikation. Helen Parkhurst wurde am 8. März 1886 in der Kleinstadt Durand in Wisconsin geboren. Ihre Familie stammte von einer Siedlerfamilie ab. Der Vater, James Henry Parkhurst, war Gastwirt, Pferdezüchter und betrieb Viehhandel, die Mutter, Ida Parkhurst, war für die Bildung in der Familie verantwortlich. Sie ermutigte die Kinder zu Mal- und Zeichenunterricht. Auch die Begeisterung fürs Lesen hat sich schnell von der Mutter auf Helen übertragen, die zu einer außerordentlichen „Vielleserin“ wurde. Die Familie lebte in Wohlstand und die Kinder konnten daher in ihrem Bildungsweg unterstützt werden. Parkhursts Mutter hatte nie einen Werdegang als einfache Lehrerin für ihre Tochter geplant, da dieser wenig Prestige und Wohlstand mit sich brachte, sie sollte eine Universitätskarriere anstreben. Auch ihre Großmutter Mary Underwood war für Helen Parkhurst von großer Bedeutung, sie förderte ihre Entwicklung und unterstützte sie später in der Ausbildung auch finanziell. Helen Parkhurst konnte sich in ihrer ländlichen Kleinstadt weitgehend frei bewegen und hatte nach ihrer eigenen Aussage eine glückliche Kindheit. Sie konnte eigenständig Erfahrungen sammeln und ihre Umgebung frei erkunden. Das Einzige, was sie als negativ empfand, waren die Kirchengänge, die Strenge und Fadesse im Unterricht in der Schule (vgl. Popp 1999, S. 20). Der Schulunterricht in der damaligen Zeit stellte sich so dar, dass die Schüler/innen sich mit Arbeitsaufgaben aus Büchern still beschäftigen mussten und diese Ergebnisse später kontrolliert wurden. Weiters mussten sie Texte aus Büchern auswendig lernen und die Beantwortung der Lehrerfragen stand im Mittelpunkt. Die Meinung der Schüler/innen war nicht gefragt, denn die Antworten sollten „wie aus der Pistole geschossen“ (Popp 1999, S. 21) kommen. Parkhurst, die dem Unterricht leicht folgen konnte und sich schnell langweilte, 10 sträubte sich gegen den Zwang und hatte mit großen Disziplinkonflikten zu kämpfen. Augrund der schlechten Erfahrungen in ihrer Schulzeit hatte sie schon sehr früh den Wunsch, selbst Lehrerin zu werden. Ohne Wissen der Eltern meldete sich Parkhurst nach der Highschool zum „Teachers` Exam“ an. Obwohl sie den Sommerkursen lediglich als Zaungast beiwohnte, bestand sie daraufhin das Examen erfolgreich. Die ersten Erfahrungen als Lehrerin machte Parkhurst im Herbst 1904, als sie 40 Schüler einer einklassigen Landschule in Waterville übernahm. Die Schule gehörte der „stolid backwoods community“ an, die sieben Meilen von Durand entfernt lag. Parkhurst war eine erfolgreiche Lehrerin. Die damalige Lehrerausbildung war nicht sehr fundiert, so unterrichtete sie nach ihrem Gutdünken und aufgrund der Erfahrungen ihrer eigenen Schulzeit. „Als entscheidender Bezugspunkt ihrer Pädagogik erscheint hierbei das Wissen um die Bedürfnisse der Kinder, besonders um deren Streben nach Selbständigkeit und Anerkennung durch die Erwachsenen.“ (Popp 1999, S. 22) Somit lässt sich in der DaltonplanPädagogik sehr leicht eine „Gegen-Schule“ zur ihrer damaligen Schule erkennen. Über die Unterrichtsexperimente in Waterville ist die Quellenlage dürftig, berichtet Popp. Gesichert scheint jedoch, dass Parkhurst die Grundzüge des späteren Daltonplans bereits in Waterville umsetzte. „Arbeitsanweisungen“ Zwei Eckpfeiler („assignments“) des Unterrichts waren und die die so „fachspezifischen genannten Arbeitsplätze“ („laboratories“). Unter „assignments“ werden zugewiesene Arbeitsaufgaben verstanden, die die Schüler/innen bearbeiten müssen und die im Gesamten das Pensum ergeben. Zu Beginn des Schuljahres wurde auch der Klassenraum „daltonisiert“, das heißt, es wurden „Fachwinkel“ („subject corners“) eingerichtet. Die Tische wurden nicht mehr, wie damals üblich, am Boden verschraubt, sondern konnten beliebig zusammengestellt werden. Obwohl es in Waterville noch einen Stundenplan gab, konnten sich die Schüler/innen, wohl gebunden an die Arbeitsanweisungen, frei im Raum bewegen und selbständig arbeiten. Die jüngeren Schüler/innen bekamen Wochen- und die älteren Schüler/innen Monatspläne zu je 20 „Arbeitseinheiten“ („units“). Weiters gab es die „monitors“, ältere Schüler/innen, die jüngere Schüler/innen in der Gestaltung und Durchführung der Wochenarbeit in den „subject corners“, unterstützten. Parkhurst selbst richtete sich in der Schule ein Büro ein – ebenfalls ein Novum – in dem sie die „assignments“ entwickelte, Schülergespräche führte und die Arbeiten korrigierte. 11 1905 beendete sie ihre Arbeit an der Primary School in Waterville und begann ihr Studium am Teachers’ College in River Fall, Wisconsin, das sie 1907, in nur der Hälfte der vorgesehenen vier Studienjahre, erfolgreich abschloss. Die folgenden zwei Jahre unterrichtete sie in Hudson, Wisconsin, in einem „sozial depravierten Viertel“ und war in der Folge Supervisorin für angehende Grundschullehrer/innen an der Rural Training School for Teachers. Im Anschluss daran unterrichtete sie wieder als Grundschullehrerin in Tacoma an der Edison School. 1913 kehrte sie ans Central State Teachers` College ins Ellensburg zurück, um wiederum als Supervisorin tätig zu werden. Im selben Jahr, als Siebenundzwanzigjährige, übernahm sie die Direktorenstelle der Primarschuldidaktik-Abteilung am Teachers’ College in Stevens Point, Wisconsin. Nebenbei besuchte sie in der Zeit von 1907 bis 1914 zahlreiche Kurse am Teachers’ College der Columbia University. Während dieser ersten Unterrichtsjahre entwickelte Helen Parkhurst ihr pädagogisches Konzept, das schließlich zu ihrem „Laboratory Plan“ führte, konsequent weiter. Der Entwicklungsprozess für eine „andere“ Schule war geleitet von den folgenden drei Zielvorstellungen: „Die Verantwortung (teilweise) an die Schüler/innen zu delegieren und – wie in einer Familie – die älteren in die Betreuung der Jüngeren einzubeziehen, die Lernenden mit der Aufgabe betrauen, ihren eigenen Arbeitsplan für die „open lab-time“ zu erstellen, und ihnen die Möglichkeit zu geben, die verfügbare Arbeitszeit nach ihren persönlichen Lernbedürfnissen einzuteilen.“ (Popp 1999, S. 26) Eine erste wichtige Änderung des ursprünglichen „Laboratory Plans“ war, dass die Schüler/innen nicht mehr in „subject corners“ miteinander in einem Raum, sondern in eigens dafür konzipierten „laboratories“ zusammen arbeiten konnten. Jeder dieser Fachräume wurde von einem/einer Fachlehrer/in betreut, der/die gemeinsam mit den anderen Fachlehrerinnen/Fachlehrern die jeweiligen Arbeitsanweisungen entwickelte. Im Jahr 1914 ließ sich Parkhurst vom Schuldienst in Stevens Point freistellen um einen internationalen Trainingskurs von Maria Montessori zu besuchen. Die Beziehung zwischen den beiden Frauen war jedoch keineswegs die einer Lehrerin zu ihrer Schülerin, denn Parkhurst arbeitete bald mit Montessori zusammen. Allerdings wurde Parkhurst im Laufe der Zeit und der Zusammenarbeit in ihren Ansichten und Vorhaben bestärkt, ihren eigenen pädagogischen Weg zu gehen. Was sie jedoch für ihren „Laboratory Plan“ mitnehmen konnte war, dass es von großer Bedeutung ist, das Kind genauestens zu beobachten. Jene 12 Vorstellungen Montessoris über die Erziehung des Kindes im Vorschulalter waren für Parkhurst, die sich mit der Reorganisation des Schulbetriebes, bzw. des Unterrichtskonzepts beschäftigte, nicht relevant (vgl. Popp 1999, S. 27). Trotz der Vorbehalte ließ sich Parkhurst 1915 zum „Supervisor of Montessori Teachers in the United States“ ernennen mit dem ausdrücklichen Auftrag, die amerikanische MontessoriBewegung zu kontrollieren. Ihre Aufgaben waren sehr weit reichend. Sie musste sich um finanzielle Mittel kümmern, war für die Lehrer/innenausbildung zuständig, sowie für die Gründung neuer Schulen. Weiters sollte sie für den Zusammenhalt der Montessoribewegung sorgen. Ein wichtiger Punkt war auch die Wahrung des Monopol-Anspruchs an MontessoriMaterialien, was finanziell von großer Bedeutung war. Um diese Aufgaben zu erfüllen bereiste sie die Küsten Amerikas, bis 1916 das „Montessori Normal College“ in New York eröffnet wurde. Parkhurst übernahm die Supervisionstätigkeit für die Lehrpersonen, welche hier in zweijährigen Kursen ausgebildet werden sollten. Denn Montessoris Bestreben war, in möglichst kurzer Zeit so viele Montessori-Lehrende wie möglich auszubilden, was in den USA den Vorstellungen von einer qualitativ hochwertigen Ausbildung zuwiderlief. Weitere Ablehnung erfuhr die Reformpädagogin aufgrund ihrer unehelichen Mutterschaft, wegen ihres katholischen Glaubens, sowie aufgrund der Tatsache, dass Montessori Italienerin war, was nach dem Kriegseintritt der USA in den 1. Weltkrieg problematisch erschien. Dazu kamen Angriffe von John Dewey und William H. Kilpatrick, Vertreter der „Progressive Education“.2 All dies führte schließlich zum Zusammenbruch der „National Montessori Promotion Foundation“, da der Bewegung jegliche finanzielle Mittel entzogen wurden (vgl. Pop 1999, S. 28f). 1918 legte Parkhurst ihr Amt zurück, führte jedoch die Montessori-Demonstrationsschule als Children`s University School unter eigenem Namen weiter, wo sie ihren „Laboratory Plan“ anwenden konnte. Die „National Montessori Promotion Foundation“ wurde in der Folge in „Dalton Board of Trustees“ umgewandelt, was zum endgültigen Bruch zwischen Montessori und Parkhurst führte. Denn während der Zusammenarbeit mit Montessori hatte Parkhurst 2 Die Progressive Education Bewegung entwickelte sich Ende des 19. Jahrhunderts und ihre Kritik richtete sich gegen die „alte“ Schule, die von Erfahrungsarmut des Lehrens und Lernens gekennzeichnet war. Das Curriculum, welches sich an objektiven Bildungswerten orientierte, und weniger an den Interessen der Schüler/innen, war für die Anhänger dieser Bewegung nicht geeignet, denn sie waren überzeugt, dass Lernen nur durch die Aktivität des Schülers erfolgen kann. 13 viele Kontakte zu finanzkräftigen New Yorker Kreisen geknüpft und diese unterstützten nun Parkhurst statt Montessori in ihrer pädagogischen Tätigkeit (vgl. Popp 1999, S. 29f). 3 Historische Einflüsse auf den Daltonplan Die Einflüsse auf den Daltonplan werden in der Literatur kontrovers diskutiert bzw. unterschiedlich gewichtet. Wie Popp (1999) beschreibt, beruft sich Parkhurst selbst auf John Dewey (Näheres dazu im Kapitel 3.4) und betont, auch auf Ideen von Waldo Emerson und Edward Lee Thorndike zurückgegriffen zu haben. Alle drei Autoren waren zur damaligen Zeit schon anerkannt und sehr populär und in der Rechtfertigung für die Entwicklung eines neuen Lehrkonzepts Wissenschafter/innen, für Parkhurst die sich nützlich ebenfalls mit (vgl. Popp 1999, dem Daltonplan S. 26). Einige beschäftigten, wie beispielsweise Röhrs oder Skiera, sehen den Einfluss vorwiegend von Montessori ausgehend (vgl. Röhrs 2001, S. 88 / vgl. Skiera 1993, S.14). Besuden (1955) hingegen arbeitet in seiner Dissertation heraus, dass Parkhurst nur ansatzweise die Grundsätze der von ihr selbst genannten Theoretiker aufgegriffen hat. Er gewichtet die Einflüsse auf den Daltonplan dahingehend, dass Parkhurst zum einen stark von Maria Montessori, aber auch mindestens im selben Ausmaß von Edgar J. Swift (Näheres dazu im Kapitel 3.3) und Preston W. Search („Puebloplan“, Kapitel 3.2.) beeinflusst wurde (vgl. Besuden 1955, S. 23-26). 3.1 Maria Montessori Parkhurst erwähnt den Einfluss, welchen Montessori auf ihr Konzept ausübt, nur beiläufig. Für sie war es von großer Bedeutung den Daltonplan als Produkt eigener Ideen darzustellen, es lassen sich dennoch Einflüsse erkennen. Im Mittelpunkt stehen die „bestmögliche Kraftentwicklung“ eines jeden Kindes und auch das „didaktische Material“, welches Montessori einsetzt, wird bei Parkhurst auf höherer Ebene zu den „laboratories“ weiterentwickelt. Für Besuden (1955) sind die Gemeinsamkeiten der pädagogischen Konzepte nicht verwunderlich, da Montessori und Parkhurst lange zusammenarbeiteten und er die Beziehung der beiden Frauen zueinander vor allem als Lehrerin-Schülerin-Beziehung interpretiert (vgl. Besuden 1955, S. 24). 14 Popp (1999) sieht dieses Verhältnis differenzierter. Für sie wird Parkhurst fälschlicherweise als Schülerin von Montessori bezeichnet und ihre Beziehung spielte nicht zwangsläufig eine Rolle in der Entwicklung des Daltonplans, denn „es war schließlich kennzeichnend für diese Epoche, daß vielerorts gleichzeitig verwandte Projekte entstanden.“ (Popp 1999, S. 64) Beispielhaft untermauert Popp ihre Behauptung anhand der Bedeutung der Aufmerksamkeit gegenüber kognitiven Prozessen zur damaligen Zeit. Denn es greift nicht nur Montessori diesen Aspekt in einem Individualisierungskonzept durch die „Polarisation der Aufmerksamkeit“ auf, auch Psychologen wie William James bzw. dessen Nachfolger Edward L. Thorndike betonen die Wichtigkeit der Aufmerksamkeit gegenüber kognitiver Prozesse bei Heranwachsenden (vgl. Popp 1999, 63f). 3.2 Preston W. Search (Puebloplan) Wie bereits erwähnt ist der Einfluss des von Preston W. Searchs entwickelten Puebloplans auf den Daltonplan offensichtlich. Besuden (1955) begründet diese Behauptung mit Parkhursts Bekanntschaft zu Frederic L. Burk, der wiederum ein Schüler von Search war. Durch Burk, so Besuden, müsse Parkhurst vom Konzept des Puebloplans Kenntnis gehabt haben. Zu den wichtigsten Punkten, die als Vorläufer für den Daltonplan bezeichnet werden könnten, zählen die Betonung der Individualität der/des Schülerin/Schülers, die Laboratorien-Methode und die Funktion der Lehrenden als kundige Helfer/innen bei der Erfüllung der Arbeitsanweisungen, welche jeweils für eine Woche entwickelt werden. Weiters wird kein klassischer Klassenunterricht abgehalten und die Leistungsbeurteilung erfolgt nur über Übersichtstabellen. Der Unterrichtsalltag ist so gestaltet, dass jede/r Schüler/in seine/ihre Aufgaben mit individueller Lerngeschwindigkeit und je nach Interesse in Bezug auf die Unterrichtsgegenstände erfüllen kann (vgl. Besuden 1955, S. 26f). Für Popp (1999) greifen diese Erklärungen jedoch erneut zu kurz, da Begriffe wie „assignments“ und „laboratory“ weit verbreitete Begriffe waren, die keinem speziellen pädagogischen Konzept zuzuordnen sind. Parkhurst hätte sich die Ideen durchaus von anderen Reformpädagogen abschauen können. Zur damaligen Zeit waren materialunterstützte Individualisierungskonzepte sehr populär und Parkhurst war mit ihrem Konzept eine von vielen (vgl. Popp 1999, S. 65f). 15 3.3 Edgar J. Swift Zeitgleich mit der Bekanntschaft Maria Montessoris stieß Parkhurst auf Edgar James Swifts Buch „Mind in the Making“, welches von der geistigen Entwicklung des Kindes handelt. Swift übt Kritik am völlig veralteten Unterricht und an der unzeitgemäßen und undemokratischen Erziehung. Anstatt die Kinder zu selbständigen kreativen Individuen zu erziehen, werden sie in der Entfaltung ihrer Individualität gehindert. Der Lernerfolg der Schüler/innen bleibt aus, da sie der Unterricht nicht erreicht und anspricht bzw. sie nicht persönlich gefordert werden (vgl. Popp 1999, S. 67f). Der Unterricht müsse, nach Swift, genügend Freiheit bieten, um an die Bedürfnisse und sehr unterschiedlichen Lernprozesse der Schüler/innen angepasst werden zu können. Aufgrund einer längeren Zitierung aus einer von Swifts Veröffentlichungen in „Education on the Daltonplan“ leitet Besuden (1955) ab, dass Parkhurst folgende Erkenntnisse aus Swifts Konzept für den Daltonplan gewinnen konnte: „1. Die Wirksamkeit der Schülereigentätigkeit mit dem Lehrer als Hilfe gegenüber der veralteten Lehrmethode, 2. Die Ausdehnung der Selbsttätigkeit auf geistige Prozesse gegenüber ihrer bisherigen Beschränkung auf Handbetätigungen, 3. Der erziehliche Einfluss einer passenden Arbeitsumgebung: Erziehungslaboratorien anstelle von Klassenzimmern, 4. Die erziehungsgeschichtlichen Vorurteile als Hemmung auf dem Wege zur Entfaltung von Initiative und Entschlussfähigkeit auch beim Lehrer, 5. Die Kraftökonomie als Problem in der Erziehung wie in der Mechanik“ (Besuden 1955, S. 25f). 3.4 John Dewey Obwohl Parkhurst sich selbst eines Zitates von Dewey in „Education on the Daltonplan“ bedient, sind die Unterschiede der beiden pädagogischen Konzepte doch sehr gravierend. Fest steht, dass sie beide der „Progressive Education“-Bewegung angehören und sich eine Veränderung des damaligen Schulalltags wünschen. Parkhurst gehörte jedoch der pädagogischen Richtung der „individualized instruction“ an, welcher Dewey eher fern stand. Grundsätzlich ist festzuhalten, dass die Wurzeln des Daltonplans in der „materialgebundenen Einzelarbeit“ zu finden sind und die Progressive Education viele pädagogische Konzepte zu Tage brachte, wobei nicht klar zu definieren ist, welche Einflüsse auf wen einwirkten bzw. wer von wem beeinflusst wurde. Popp (1990), die dem Einfluss von Dewey auf Parkhurst 16 eher skeptisch gegenübersteht, weist trotzdem auf Besuden (1955) hin, der davon ausgeht, dass Parkhurst einen guten Grund für die Berufung auf Dewey und dessen Einfluss auf sie hatte. Sie konnte dadurch ihr Konzept hinsichtlich der sozialen und demokratischen Fundierung „absichern“, was gerade zur damaligen Zeit sehr wichtig erschien (vgl. Popp 1999, S. 70f). Die Behauptung dass Parkhurst völlig unbeeinflusst von Deweys Pädagogik gewesen sei, kann meines Erachtens aber nicht aufrecht erhalten werden, denn als sie zwischen 1907 und 1913 mehrere Kurse am Teacher`s College an der Columbia University besuchte, hatte dort Dewey den Lehrstuhl für Philosophie inne (1904 bis 1930) und sie kam wohl zwangsläufig mit seinen Ideen in Kontakt. In einem sind sich beide, Parkhurst wie Dewey einig, nämlich dass es falsch ist zu glauben, der Unterrichtsstoff könne von außen, mittels „Trichter“ in den/die Schüler/in kommen, denn Lernen geschieht ihrer Meinung nach ausschließlich in der direkten Auseinandersetzung. Das Kind kann nur lernen, wenn es aktiv wird und sich selbständig mit verschiedenen Themen auseinandersetzt. Dewey kommt zu dem Schluss, dass in der Regelschule auf zwei verschiedene Weisen damit umgegangen wird. Entweder die Lehrenden versuchen das Kind besonders für die Themen zu interessieren oder radikaler, es herrscht Zwang und Disziplin (vgl. Dewey 1990 S. 187). Letzteres ist für Parkhurst keine Alternative, denn „the more she teaches the less, in fact, will he learn.“ (Parkhurst 1922, S. 54) Weiters ist es für Dewey eine falsche Vorgehensweise das Wissen in einzelne Unterrichtsfächer zu teilen. Das Kind kann das nicht begreifen, da alles bereits „vorgedacht“, kategorisiert und systematisiert ist: Themen werden Unterrichtsfächern zugeschrieben, diese werden wiederum in einzelne Unterrichtseinheiten und danach in Kategorien und Formeln unterteilt (vgl. Dewey 1990, S. 186). Auch Parkhurst teilt diese Meinung und betont: „Children learn, if we only believe it, just as men or women learn, by adjusting means to ends.“ (Parkhurst 1922, S 53) Jedoch geht sie nicht so weit auf die Unterteilung in einzelne Unterrichtsfächer zu verzichten, weist aber auf die Notwendigkeit hin, die Unterrichtsfächer zu synthetisieren indem Unterrichtsthemen fächerübergreifend behandelt werden (vgl. Parkhurst 1922, S. 25). 17 Wie man den geschichtlichen Einfluss auch bewerten mag, die Entstehung des Daltonplans war nicht alleine vom Bestreben geprägt, eine „neue“ Pädagogik zu entwickeln, sondern Parkhurst musste sich aus gegebenen Anlass überlegen, wie sie den Unterricht für ihre altersheterogene Klasse (mehrere Jahrgänge in einer Klasse) gestaltet (vgl. Eichelberger 2002, S. 9). 4 Rezeptionsgeschichte Nachdem Parkhurst die Zusammenarbeit mit Montessori beendet hatte, führte sie ab Herbst 1919 ihre Schule in New York als Children`s University School weiter (vgl. Popp 1999, S. 31). Während dieser Zeit konnte sie aufgrund des Kontakts zum ehemaligen Gouverneur von Massachusetts ihr Konzept auch an anderen Schulen entwickeln. Das erweckte bald auch das Interesse der britischen Pädagoginnen Annie Saunderson und Belle Rennie. In der Fachzeitschrift „Times Educational Supplement“ veröffentlichte Rennie den „Laboratory Plan“ und das Konzept wurde trotz Vorliegen etlicher anderer pädagogischer Modelle in der Folge häufig angewandt: Binnen Kürze führten in England mehrere Schulen das nun mehr „Dalton Laboratory Plan“ oder kurz „Daltonplan“ genannte Unterrichtskonzept ein. Der Daltonplan verbreitete sich sehr schnell, nachdem Parkhurst eine Kurzfassung von „Education on the Dalton Plan“ 1922 in jener Zeitschrift publizierte, in der auch Evelyn Dewey (die Tochter von John Dewey) eine Monographie zum Daltonplan veröffentlichte. Internationale Verbreitung erlangte das Konzept ab den Jahren 1922/1923. Während der Daltonplan in Europa nur in den Niederlanden richtig Fuß fassen konnte und auch in der Zwischenkriegszeit in Tschechien und Polen angewandt wurde, zeigten Länder wie Großbritannien, Kanada, Südafrika, Australien, Indien und einige andere englische Koloniestaaten großes Interesse. Popp (1999) betont jedoch, dass eine exakte Rezeptionsgeschichte schwierig auszumachen ist, da genaue Quellen und Zahlen nicht vorliegen. Lediglich in ihrer Heimat war Parkhurst der Erfolg versagt – womit es ihr mit ihrem Unterrichtskonzept ähnlich wie Montessori in Italien erging. Weshalb das Interesse an Parkhursts Pädagogik im Laufe der Jahrzehnte abflaute, erklärt Popp (1999) damit, dass Parkhurst keine praktischen Erfahrungen im Umgang mit dem Daltonplan an ihrer Schule publizierte und von ihr auch keine weiteren theoretischen Schriften über „Education on the Dalton Plan“ hinaus veröffentlicht wurden. 18 Einer der Gründe für die Ausdifferenzierung bzw. die unterschiedlichen Auffassungen und Interpretationen des Daltonplans könnte, so meine ich, – neben der grundsätzlichen, von seiner Erfinderin geforderten Flexibilität – die Tatsache sein, dass Parkhurst in ihren späteren Jahren dem Daltonplan und der Schule im Speziellen den Rücken kehrte, sich in folge psychologischen Themen zuwandte und es nur wenige theoretische und praktische Beschreibungen des pädagogischen Konzepts von ihr selbst gibt. 5 Prinzipien des Daltonplans Wie an anderer Stelle bereits betont, arbeitete Parkhurst an der Zielvorstellung, nämlich der teilweisen Redelegation der Verantwortung an die Schüler/innen mit der Möglichkeit auf persönliche Lernbedürfnisse einzugehen, kontinuierlich weiter. Diese Weiterentwicklung empfahl sie später ausdrücklich auch allen Schulen, die nach dem Daltonplan arbeiteten. „Der Daltonplan“ ist demnach nach ihren Vorstellungen kein abgeschlossenes, rigides Modell, mit strengen Regeln und Vorgaben, vielmehr sind Grundprinzipien festgelegt, Rahmenbedingungen, innerhalb derer eine dynamische Entwicklung stattfinden kann und soll. Diese sind das Fundament, auf welchem stetige Entwicklung bzw. Weiterentwicklung möglich und auch erwünscht ist (vgl. Parkhurst 1922, S. 28). In „Education on the Daltonplan“ (Parkhurst 1922) werden zwei zentrale Grundprinzipien ihrer Pädagogik formuliert: “Freedom is (...) the first principle (...). The second principle (...) is cooperation or (...) the interaction of group life.“ (Parkhurst 1922, S. 16) Später, 1925 wird noch ein drittes Prinzip angeführt, nämlich „the Proportion of Effort to Attainment, or Budgeting Time“ (Parkhurst 1922, S. 84), was in der Fachliteratur häufig als „Selbständigkeit“ oder „Selbsttätigkeit“ interpretiert wurde (vgl. Skiera 2003, S. 274 / vgl. Eichelberger 2002, S. 19). 5.1 Freedom „Helen Parkhurst definiert die ‚pädagogische Freiheit’ nicht als absolute Selbstbestimmung des Schülers, sondern vielmehr als selbst gesetzte Bestimmtheit des Schülers im Verhältnis zu seiner Aufgabe.“ (Eichelberger 2002, S. 19) Parkhurst begründet das damit, dass „the child 19 who ‚does as he likes’ is not a free child. He is, on the contrary, apt to become a slave of bad habits, selfish and quite unfit for community life.” (Parkhurst 1922, S. 15) Der/die Schüler/in hat demnach nicht grenzenlose Freiheit in der Gestaltung seines/ihres Unterrichts, sondern die Freiheit, die Arbeitsaufgaben in der individuellen Lerngeschwindigkeit, Lerndauer und des Lernniveaus zu erfüllen. Weiters ist die Abfolge für die Bearbeitung der einzelnen Aufgaben frei wählbar und auch die Hilfsmittel (Bücher, Internet, Karten oder ähnliches), die dafür gebraucht werden, sind nicht vorgegeben (vgl. Popp 1999, S. 74). Popp verweist diesbezüglich auf Fauser, welcher die Wahlfreiheit auch als „Wollen-Müssen“ bezeichnet. (Fauser 1986, S. 16 zit. n. Popp 1999, S. 74) In einem festgelegten Rahmen hat der/die Schüler/in die Möglichkeit sich frei zu entfalten. Ihm/ihr werden also Grenzen gesetzt an denen sich der/die Schüler/in orientieren kann. Diese Grenzen stellen die so genannten Pensenpläne dar, die der/die Schüler/in zu Beginn des Schuljahres bekommt und in dem alle wichtigen Aufgaben enthalten sind, die er/sie erledigen muss. In den Klassenzimmern sind für die Schüler/innen spezifische Lernzonen, so genannte „subject-corners“ eingerichtet. Hier stehen fach- oder lernbereichsspezifische Arbeitsmittel zur Verfügung. Der/die Schüler/in ist „Herr seines [bzw. Frau ihres, Anm. v. H.F.] Körpers“, wie Skiera (2003) formuliert, und kann sich im Klassenraum frei bewegen und selbst Lernmaterialien auswählen. „Im Daltonplan werden die Kinder also, so kann zusammenfassend festgehalten werden, nach mehr oder weniger individuell zugeschnittenen ‚Fahrplänen’ auf die ‚didaktische Reise’ geschickt, die sie in den Phasen der Freiarbeit hinsichtlich des ‚Wie’, ‚Wann’ und ‚Wo’ weitgehend selbst bestimmen können.“ (Skiera 2003, S. 271) Parkhurst betont, dass es für den/die Schüler/in besonders wichtig sei, seine/ihre Freiheit auch zu nützen. Er/sie muss lernen, Entscheidungen zu treffen und Verantwortung für sein/ihr Handeln zu übernehmen. Dadurch, dass der/die Schüler/in auch Verantwortung für andere übernehmen soll, werden seiner/ihrer Freiheit wiederum Grenzen gesetzt (vgl. Eichelberger 2002, S. 19). Erst durch das Vertrauen, das dem/der Schüler/in in der Bewältigung der Pensen entgegengebracht wird, kann er/sie Verantwortung für sein/ihr Handeln übernehmen. Der/die Schüler/in hat ein bestimmtes Ziel vor Augen und seine/ihre Arbeit gewinnt an Wert. Aufgrund dessen werden nicht nur seine/ihre latente Intelligenzfähigkeit, sondern auch sein/ihr Urteilsvermögen und sein/ihr Charakter gestärkt (vgl. Eichelberger 2002, S. 21). 20 Parkhurst legt jedoch wert darauf, dass das Kind erst im Alter von ca. neun oder zehn Jahren mit dem Daltonplan zu arbeiten beginnen sollte, da es zuvor nicht fähig ist, mit dieser Freiheit umzugehen bzw. die Arbeit selbst einzuteilen. Bis zu diesem Alter entwickelt das Kind erst diese Fähigkeiten, „so that he can function later as a responsible member of the group.“ (Parkhurst 1922, S. 106) Im Daltonplan hat aber nicht nur der/die Schüler/in viele Freiheiten, sondern auch der/die Lehrer/in. Eichelberger (Eichelberger 2002, S.20) beschreibt die Dimensionen der Wahlfreiheit beider folgendermaßen: Wahlfreiheit der Schüler: Die Wahlfreiheit der Schüler soll deren Selbständigwerden ermöglichen: Sobald ein Kind ein Pensum erhält, kann es entscheiden: - Mit welchem Teil meines Pensums möchte ich beginnen? - Arbeite ich alleine oder suche ich mir Partner? - Wo werde und möchte ich arbeiten? - Welche Hilfsmittel, die mir zur Verfügung stehen, möchte ich benutzen? - Wie viel Zeit möchte ich für die einzelnen Teile des Pensums verwenden? - Wann werde (muss) ich beginnen um sicher fertig zu werden? Wahlfreiheit der Lehrer (oder auch Verpflichtungen): - Wie viele und welche Niveaugruppen werde ich in meine Lerngemeinschaft nehmen? - Welche Studienmittel stelle ich meinen Schülern für die Arbeit an den Pensen zur Verfügung? - Wie viele Stunden sollen in meinem Unterricht für die Freiheit zur Verfügung stehen? - Wie viele Stunden werde ich gemeinsamen Unterricht machen (müssen)? - Werde ich meine Schülergruppen zusammenstellen? - Wie konstruiere ich die Pensen? - Wie kontrolliere ich sie? 21 altershomogen oder altersheterogen Für Eichelberger und Wilhelm (2003) sind die Wahlfreiheit der Schüler/innen bzw. der Lehrer/innen, wie auch die im Daltonplan kennzeichnende Selbsttätigkeit der Grund dafür, dass die „Daltonpraxis“ sehr unterschiedlich ausfallen kann (vgl. Eichelberger/Wilhelm 2003, S. 31). 5.2 Cooperation Das zweite Prinzip von Parkhurst ist Cooperation – Kooperation ist nicht als Diktat zu verstehen, welche Sozialform im Unterricht zu verwenden ist, sondern der/die Schüler/in soll viel mehr die Wahlmöglichkeit haben, alleine, zu zweit oder in der Gruppe zu arbeiten. Das Prinzip der Kooperation richtet sich vor allem gegen die damaligen Strukturen im Schulalltag, die es verhindern, dass Schüler miteinander kooperieren können. Die „soziale Dimension schulischen Arbeitens“ (Popp 1999, S. 74) entwickelt sich von selbst, da durch die offene Lernsituation (Öffnung der Klassen) die Konkurrenzsituation der Schüler/innen untereinander, welche für den Frontalunterricht kennzeichnend ist, gemindert wird und der/die Schüler/in die Möglichkeit hat über die Klasse hinaus zu agieren (vgl. Popp 1999, S. 74). Der/die Schüler/in ist Teil des sozialen Gemeinschaftslebens und je nachdem, wie er/sie agiert und welche Funktionen er/sie einnimmt, wird er/sie von den anderen akzeptiert oder abgelehnt (vgl. Parkhurst 1922, S. 17). Erst in der Zusammenarbeit mit der Gruppe lernt der/die Schüler/in Sozial- bzw. Demokratieverhalten. Er/sie muss anderen respektvoll gegenübertreten und sich auf sie einlassen, seinen/ihren Standpunkt klar formulieren und vertreten und er/sie muss lernen andere Meinungen zu akzeptieren. Erst so wird demokratisches Zusammenleben möglich (vgl. Eichelberger 2002, S. 22). 5.3 Budgeting Time Der/die Schüler/in hat natürlich die Freiheit seine/ihre Arbeitzeit frei einzuteilen, trotzdem steht ihm/ihr nur ein begrenzter Zeitraum zur Verfügung. „Mit diesem [...] ‚dritten Prinzip’ balanciert Parkhurst die pädagogische Freiheit in Hinsicht auf die begrenzte Gesamtlernzeit aus“ (Popp, 1999, S. 74). Das Pensum, welches in einzelne Assignments unterteilt wird und die Tabellen zur Lernfortschrittskontrolle (im Daltonplan werden sie Graphen genannt) dienen dem/der Schüler/in als Orientierung für die Arbeitsplanung und -durchführung. Die Graphen sind ein Aufzeichnungssystem, welches die Leistungsfortschritte der/des 22 Schülerin/Schülers darstellen sollen (vgl. Popp 1999, S. 109). Ein Ziel des Daltonplans ist, dass Schüler/innen lernen, sich die Zeit selbständig einzuteilen. Die Arbeit mit den Graphen kann zu Beginn eine Herausforderung darstellen. Üblicherweise wird die Organisation und Planung der Arbeit durch die Lehrperson abgenommen und Lernende haben im Regelschulunterricht daher keinen Überblick über den Lernstoff (vgl. Parkhurst 1922, S. 53). Parkhurst entwickelte den Daltonplan in einer Zeit, in der auch die „scientific management“Bewegung im Bereich der Curriculumsentwicklung großen Anklang findet. Frederick W. Taylor (vgl. Taylor 1916/2001), der als Vorreiter dieser Bewegung zu nennen ist, war selbst kein Pädagoge, prägte die Pädagogik zur damaligen Zeit in Amerika jedoch maßgeblich. Taylor rationalisierte die Arbeit in Fabriken dahingehend, dass Sequenzen von einzelnen Arbeitschritten entwickelt wurden, wodurch die Arbeiter nun mehr Leistung in derselben Zeit erbringen konnten (vgl. Kliebard 1978, S. 94f). Diese im höchsten Maße effiziente und kontrollierte Arbeitsweise führte schlussendlich zur Fließbandarbeit und das Konzept, welches später als so genannter Taylorismus bekannt wurde, kam vor allem in der Autoindustrie und im Besonderen bei Henry Ford zur Anwendung. In Parkhursts Beschreibung der Arbeitsplanung und Arbeitsdurchführung in „Education on the Daltonplan“ bedient sie sich lediglich dem Jargons des „scientific managments“. Deshalb sollte nicht vorschnell eine Verbindung zum Konzept des Taylorismus geknüpft werden, denn wie Popp (1999) betont, „fungiert die Aufteilung des Pensums gerade nicht als Programm, das die einzelnen Arbeitsschritte detailliert vorschreibt, sondern als Voraussetzung für die individuell akzentuierte selbständige Arbeit.“ (Popp 1999, S. 75) Der Pädagogin ging es somit nicht um die möglichst effiziente und leistungsorientierte Bearbeitung der Aufgaben, vielmehr werden individuelle Bedürfnisse berücksichtigt (vgl. Popp 1999, S. 75). Auch Taylors Idee des Gleichschritts bezüglich Arbeitstempo und der Orientierung am leistungsstärksten Arbeiter (vgl. Kliebard 1987) dienen Parkhurst nicht als Grundlage für ihr pädagogisches Konzept. 6 Lernfortschrittskontrolle mittels Graphen Zunächst hatte Parkhurst zur Aufzeichnung der Lernfortschritte ein Tagebuch für Schüler/innen eingeführt, worin sie ihre jeweiligen Lernfortschritte dokumentieren sollten. Es 23 stellte sich aber schnell heraus, dass diese Methode zu zeitaufwändig war, sowohl für die Schüler/innen als auch die Lehrer/innen, die diese Tagebücher durchzusehen hatten (vgl. Parkhurst 1922, S. 135 / vgl. Eichelberger 2002, S. 101). Um den Lernenden und den verschiedenen Fachlehrerinnen und Fachlehrern eine schnellere Orientierung über den Lernstand zu bieten, entwickelte Parkhurst die Graphen („graphs“). Diese können auf der einen Seite dem/der Schüler/in zeigen, wie weit er/sie in der jeweiligen Arbeit vorangeschritten ist und auf der anderen Seite hat der/die Lehrer/in die Möglichkeit den/die Schüler/in im Weiterkommen zu ermuntern und gegebenenfalls Hilfe anzubieten. Doch die Graphen haben noch einen weiteren Zweck, sie verhindern, dass die Lernenden sich zu lange dem Lieblingsfach zuwenden und dadurch unter Umständen ein anderes vernachlässigen (vgl. Popp, 1999, S. 110ff). Für die Lernerfolgskontrolle stehen drei Graphen zur Verfügung: 1. „Instructor`s Laboratory Graph“ (siehe Abbildung Seite 25): Dieser Graph wird von dem/der Fachlehrer/in eines jeden Laboratoriums verwahrt und dient ihm/ihr als Übersicht über die geleistete Arbeit der Schüler/innen (vgl. Parkhurst 1922, S. 91). 2. „Pupil`s Contract Graph“ (siehe Abbildungen Seite 25f): Er dient dem/der Schüler/in als Übersicht über seine/ihre Fortschritte. Nachdem er/sie sich zuerst im Instructor`s Laboratory Graph eingetragen hat, markiert er/sie dies auch in seiner/ihrer eigenen Tabelle. Sie dient ihm/ihr als Orientierung und Hilfe zur Zeiteinteilung und gibt Hinweise auf mögliche Schwächen (vgl. Parkhurst 1922, S. 94). 3. „House or Form Graph“ (siehe Abbildung Seite 26): Untergliedert in Wochen bietet dieser Graph eine gute Übersicht über das Voranschreiten aller Schüler/innen einer Schule (vgl. Parkhurst 1922, S. 101). 24 Abbildung 2: Instructor`s Laboratory Graph (Parkhurst 1922, S. 92) Abbildung 3: Pupil`s Contract Graph I (Parkhurst 1922, S. 95) 25 Abbildung 4: Pupil`s Contract Graph II (Parkhurst 1922, S. 98) Abbildung 5: Form or House Graph (Parkhurst 1922, S. 102) 26 7 Unterrichtsorganisation Im Konzept des Daltonplans ist nicht vorgesehen, dass der Klassenunterricht völlig aufgelöst wird. Die in „Education on the Daltonplan“ vorgestellten Schulen weisen immer noch einen großen Teil an Klassen- oder Gruppenunterricht auf. Jedoch entscheidet jede Schule bzw. Klasse, wie viel Freiarbeitsstunden klassengebundener kann demnach Unterricht selbst geboten festgelegt wird. werden Die bzw. Anzahl wird an der die Rahmenbedingungen der einzelnen Schulen angepasst (vgl. Skiera 2003, S. 271). Der Frontalunterricht findet dann Anwendung, wenn beispielsweise der/die Lehrer/in bemerkt, dass es Probleme bei der Bearbeitung von bestimmten Aufgaben gibt. Dann werden so genannte „special calls“ einberufen, die darüber hinaus auch der Einführung in neue Themengebiete dienen. Die „conference period“ oder „conference time“ wird immer in Anschluss an eine „Daltonphase“, das ist der Zeitraum, der für die selbsttätige Arbeit reserviert ist, abgehalten. Diese können wie traditionelle Unterrichtstunden abgehalten werden oder auch als Arbeitsbesprechungen genützt werden und betreffen alle Schüler/innen (vgl. Popp 1999, S. 91). Dem/der Schüler/in werden zwar viele Freiheiten geboten, dennoch hat er/sie nicht die „freie Hand“ über den Schulalltag (vgl. Skiera 2003, S. 271). Vielmehr orientieren sich die Daltonplan-Schulen auch am jeweiligen Curriculum. Dennoch sollten nach Parkhurst die Interessen der Schüler/innen berücksichtigt werden, denn zu oft werden diese im Curriculum vernachlässigt, da immer noch ihm und nicht der individuellen Entwicklung des Kindes eine große Bedeutung zugeschrieben wird (vgl. Parkhurst 1922, S. 23). 7.1 Das Pensum mit den Assignments Im Daltonplan kommt den Assignments eine bedeutende Rolle zu, stellenweise wird sogar behauptet, dass „the Daltonplan stands or falls by the assignments.“ (Kimmins/Rennie o. J., S. 112). Jedenfalls bilden sie einen wichtigen Rahmen für den Unterricht. Ein Pensum oder auch „contract-job“ setzt sich aus mehreren Studieranleitungen oder „assignments“ zusammen. Sie stellen „didaktisch fundierte und methodisch durchdachte 27 Lernaufgaben dar.“ (Eichelberger 2002, S. 20) Sie sollen den/die Schüler/in in seiner/ihrer selbsttätigen Arbeit unterstützen, ihn/sie motivieren und ihm/ihr das „Lernen lehren“. Parkhurst empfiehlt, die „assignments“ für mindestens zwei Niveaugruppen zu entwickeln, um die unterschiedlichen Fähigkeiten der Schüler/innen berücksichtigen zu können3. Leistungsschwache Schüler/innen können so auch das Mindestpensum erbringen (vgl. Popp 1999, S. 102). Weiters erhält jede/r Schüler/in, schon zu Beginn eines Schuljahres die Studieranleitungen, welche in Monats- und Wochenpensen unterteilt sind. Das ermöglicht den Überblick über den gesamten Lernstoff (vgl. Eichelberger 2002, S. 26). Das Pensum wird in das Wochen-, Monats- oder auch sechswöchige Pensum unterteilt. Jüngere Schüler/innen erhalten zu Beginn ein Wochenpensum. Wenn sie den Umgang mit den Studieranleitungen gelernt haben, wird schrittweise auf ein Monatspensum übergegangen (vgl. Popp 1999, S. 99). Allerdings können die Schüler/innen, wenn sie mit Studieranleitungen zu arbeiten beginnen, mitunter Schwierigkeiten haben den Gesamtüberblick zu bewahren. Den Schülerinnen und Schülern fehlt die Fähigkeit „to think in terms of the whole contract-job“. Parkhurst erklärt sich das damit, dass „the established habit of studying from day to day, living intellectually from hand to mouth, cannot easily be discarded.“ (Parkhurst 1922, S. 53) Der große Vorteil in der Arbeit mit den Assignments besteht aber darin, dass der/die Schüler/in Verantwortung für seine/ihre Arbeit und für seinen/ihren Lernfortschritt übernimmt. In diesem Fall entwickelt sich nach Parkhursts Meinung eine Selbständigkeit der Schüler/innen, denn „they will learn gradually to say to themselves: ‚Where am I weak, and what must I do to perfect myself in this or that subject?’ instead of ‘How much of this task must I do in order to escape reproof?’ ” (Parkhurst 1922, S. 53). Wird eine bestimmte Leistung von dem/der Lehrer/in (zum Beispiel im Frontalunterricht) gefordert, dann erledigt der/die Schüler/in nur die erwartete Leistung. Werden die Aufgaben jedoch zu seiner/ihrer eigenen Leistung, gewinnen sie an Bedeutung und das Interesse an der Arbeit steigt. Dadurch sind die Schüler/innen auch gewillt mehr Energie in die Arbeit zu investieren (vgl. Parkhurst 1922, S. 10). 3 Allerdings hat Parkhurst selbst nirgends ein Beispiel angeführt, wie eine solche Niveaudifferenzierung praktisch aussehen soll. 28 Besonderen Stellenwert hat für Parkhurst, dass die Studieranleitungen fächerübergreifend gestaltet werden. Für den/die Schüler/in ist dies die Voraussetzung um interdisziplinäre Zusammenhänge zu verstehen. Damit die Zusammenarbeit der Lehrer/innen gefördert wird, gibt es die „departmental cuts“ oder „credits“. Hält also ein/e Schüler/in zum Beispiel im Geschichteunterricht ein Referat, so können ihm 4 von 20 Credits für den Deutschunterricht angerechnet werden. Die Lehrer/innen haben dadurch den Vorteil, dass die eingesparte Zeit für andere Dinge aufgebracht werden kann. Vorraussetzung sind jedoch Konferenzen der Lehrer/innen. Es muss Absprachen geben, welche Themenbereiche fächerübergreifend in den Studieranleitungen umgesetzt werden können (vgl. Popp 1999, S. 99). Von der schriftlichen Studieranleitung wird erwartet, dass die zu erfüllenden Aufgaben unmissverständlich und klar formuliert sind und dass diese dem/der Schüler/in als „guide“ durch den ganzen „contract-job“ zur Verfügung stehen. Die Aufgaben sollten aber weder die Fähigkeiten der Schüler/innen überschreiten, noch sollten sie zu leicht zu bewältigen sein. Der/die Schüler/in soll gefordert, aber keinesfalls überfordert werden, wodurch Interesse und Kreativität gesteigert werden kann Um das zu gewährleisten schlägt Parkhurst die Unterteilung in drei Leistungs- bzw. NiveauGruppen vor. Das „minimum assignment“ stellt sicher, dass auch der/die leistungsschwächste Schüler/in die Grundlagen gelernt hat und das Pensum erreicht. „Moderat intelligente“ Kinder (diese Bezeichnung stammt von Parkhurst) erhalten das „medium assignment“, während die „Stars“ unter den Kindern das „maximum assignment“ erhalten. Wenn sich Schüler/innen intellektuell weiterentwickeln, können sie jederzeit von der Minimum- in die Maximumgruppe aufsteigen. Das Ziel ist jedoch nicht, dass jedes Kind in die leistungsstärkste Gruppe aufsteigen muss, denn Fortschritt wird hier anders definiert. „Uniformity is not at all synonymous with progress.“ (Parkhurst 1922, S. 47f) Das Wachsen seiner/ihrer Interessen und Kräfte überhaupt, ist nur dann möglich, wenn die Aufgaben die Schüler/innen nicht überfordern (vgl. Parkhurst 1922, S. 47f). Aufgrund der Arbeit mit Assignments, die sich in unterschiedliche Niveaugruppen gliedern, ist es nun möglich auf die individuellen Voraussetzungen der Schüler/innen einzugehen. Im lehrerzentrierten Frontalunterricht ist dies nicht möglich, hier geht man von einem/einer Durchschnittsschüler/in mittleren Leistungsniveaus aus (vgl. Skiera 2003, S. 269). 29 7.2 Aufbau des Assignments Besonderen Stellenwert haben für Parkhurst die hilfreichen Hinweise oder auch „interest pockets“, welche am Beginn jedes Pensums angeführt sind. Diese sollen dem/der Schüler/in das Thema näher bringen und bieten ihm/ihr Denkanreize für seine/ihre Arbeit. Es sind kleine Hilfestellungen, die ihn/sie durch das Pensum führen. Parkhurst ist es wichtig, dass diese keinesfalls im Befehlston formuliert sind. Hierfür nennt sie zwei Beispiele: Vermeiden sollte man Anweisungen wie „Read such and such a reference“, da die „interest pockets“ sonst ihre Wirkung verlieren. Vielmehr wird das Interesse durch Formulierungen wie „You will find such and such references helpfull“ geweckt. Auch Anmerkungen, dass es sinnvoll wäre, nach einer bestimmten Aufgabe mit dem/der Lehrer/in Rücksprache zu halten, können angeführt werden: „After you have finished the required problems come to me and I will explain the next rule before you go on.“ (Parkhurst 1922, S. 49) In „Education on the Dalton Plan“ beschreibt Parkhurst zwar detailliert, wie eine Arbeitsanleitung aufgebaut werden soll, trotzdem betont sie, dass diese Punkte nur als Orientierung dienen sollten. Das Wichtigste an der Entwicklung von Arbeitsanleitungen ist für sie, „that it must clearly demonstrate to the pupil what his job really is. He must be told distinctly what is expected of him, and the difficulties he is likely to meet in the execution of it must be indicated.“ (Parkhurst 1922, S. 58) Ein Assignment besteht aus verschiedenen Elementen, die sich in der konkreten Arbeit als nützlich erwiesen haben. Nachfolgend ein Schema aus „Education on the Daltonplan“ zur besseren Verständlichkeit: SUBJECT (GRADE OR FORM) (NO. OF CONTRACT ASSINGMENT) Points to be kept in mind Preface to the Month’s work. 1st Week 1. Topic 2. Problems 3. Written Work 4. Memory Work 5. Conferences or Oral Lessons 6. References 7. Equivalents (in units of work) 8. Bulletin Study 9. Departmental Cuts Abbildung 6: Schema für ein Assignment (nach Parkhurst 1922, S. 54f) 30 Zur Erläuterung der einzelnen Begriffe (vgl. Parkhurst 1922, S. 55ff): Preface: Eine Arbeitsanleitung sollte immer mit einer kurzen Einleitung beginnen, die zum Thema hinführt und ein „interest pocket“ enthält. Die Erfahrungswelt der Schüler/innen soll dadurch mit dem Lernstoff in Verbindung gebracht werden und diese für das Thema begeistern und motivieren. Topic: Die Überschrift dient der Orientierung und ist besonders für jüngere Schüler/innen wichtig. Problems: Aufgaben, die von dem/der Schüler/in zu erfüllen sind, werden hier aufgelistet. Written Work, Memory Work: Die Aufgaben der/des Schülerin/Schülers fallen größtenteils unter diese zwei Punkte. Zu „Memory Work“ zählen Gedichte und Lieder, die auswendig zu lernen sind, oder auch Referate. Conferences or Oral Lessons: Die Termine für die Fachunterrichtsstunden werden unter diesem Punkt angekündigt, sodass der/die Schüler/in sich gegebenenfalls auch darauf vorbereiten kann. Notwendig werden diese Stunden, wenn die Schüler/innen auf einen neuen Themenbereich vorbereitet werden oder wenn ein Thema zu komplex ist um alleine bearbeitet werden zu können (vgl. Popp 1999, S. 102). References: Hier werden, besonders wenn die Arbeitsanleitung lang ist, die benötigte Literatur und deren Standort angeführt. Equivalents: Unter diesem Punkt wird erklärt, wie der/die Schüler/in seine/ihre Fortschritte im Pupil`s Contract Graph einzeichnen kann. Weiters werden die Wertigkeiten der einzelnen Aufgaben bzw. „units“ angeführt. Bulletin Study: Hier wird notiert, welche Lernunterlagen (Kartenmaterial, etc.) am Informationsbrett zu finden sind, wann Termine für die Präsentation von Schülerarbeiten anstehen usw. Departmental Cuts: Arbeitsaufgaben, die fächerübergreifend behandelt oder relevant sind, werden mit Punkten honoriert. Diese Möglichkeit besteht zum Beispiel, wenn ein/eine Schüler/in in Geschichte einen Aufsatz schreibt, der auch im Sprachenunterricht anrechenbar ist. 31 7.3 Lernort Wird das Laboratorium in seiner umfassenden Form praktiziert, dann kommt es zu einer Öffnung der Klassenräume. Das bedeutet, dass nicht wie in der Regelschule ausschließlich ein Raum einer jeweiligen Klasse zugeordnet ist, sondern jedem Unterrichtsfach steht prinzipiell ein Raum zur Verfügung (Mathematiklaboratorium, Geographielaboratorium, usw.). Alle Lernmaterialien wie Lexika, Bücher, Karten, Pläne usw. werden in diesem Raum gesammelt und stehen für die Schüler/innen zur freien Entnahme. Jeweils eine Lehrperson ist für ein Fach verantwortlich und steht dem/der Schüler/in als Experte/in zur Seite. Im besten Fall hat der/die Lehrer/in auch alle Arbeitsblätter und Arbeitsunterlagen im Laboratorium, um die Schüler/innen gezielt unterstützen zu können. Die Schüler/innen selbst wechseln zwischen den Arbeiträumen, je nachdem welches Unterrichtsfach sie bearbeiten möchten. Die Räume sind nur außerhalb der Daltonphasen einzelnen Klassen zugeordnet und zwar wenn gebundener Unterricht stattfindet oder Klassenversammlungen abgehalten werden (vgl. Popp 1999, S. 80f). 7.4 Lernzeit Jede/r Schüler/in hat eine unterschiedliche Lerngeschwindigkeit, individuell wie auf einzelne Fächer bzw. Interessenslagen bezogen. Daher hat er/sie das Recht, während der Daltonphasen frei über seine/ihre Lernzeit zu verfügen. Im Gegensatz zum Regelunterricht ist er/sie in der Daltonphase nicht an die durchschnittliche Lerngeschwindigkeit der Klasse gebunden, sondern kann das Arbeitstempo seinen/ihren individuellen Bedürfnissen anpassen (vgl. Popp 1999, S. 88f). Darüber hinaus wird der/die Schüler/in durch die Schwerpunktsetzungen in der Daltonphase – im Gegensatz zu den einzelnen Unterrichtstunden – nicht mehr aus seiner/ihrer Arbeit herausgerissen, sondern kann sich so lange einem Fach widmen, bis er/sie die Arbeit erledigt oder sein/ihr Interesse nachgelassen hat (vgl. Hackl 2002a, S. 115). Das Pensum (unterteilt in Monats- und Wochenpensum) bildet den erzieherischen Rahmen, in dem freies Arbeiten möglich ist, da den Lernenden der Zusammenhang zwischen Freiheit und Verantwortung aufgezeigt wird. Der vorgegebene Zeitrahmen dient als Orientierungshilfe um dem/der Schüler/in eine gezielte Arbeitsplanung zu ermöglichen (vgl. Popp 1999, S. 90). 32 8 Varianten der Daltonpraxis Alle Autoren/innen, die sich mit dem Daltonplan beschäftigen, weisen auf die unterschiedliche Anwendung des pädagogischen Konzepts Parkhursts bereits in den frühen Anfängen hin. Popp (vgl. Popp 1999, S. 85) beschreibt zwei grundsätzliche Unterscheidungen, die sich schon in den 1920ern in England als Variationen des Daltonplans herausgebildet haben: - Beschränkung auf einen Klassenraum: Das Arbeiten im Daltonplan findet im Klassenraum in den „subject-corners“ statt. - Beschränkung durch einen Stundenplan: Die Schüler/innen können die Zeit für die Bearbeitung der einzelnen Fächer nicht frei wählen, sondern sind auf die Vorgaben des Stundenplans gebunden. Die Organisation des Unterrichtsfaches selbst ist aber an die Prinzipien des Daltonplans angepasst. Auch wenn sich die Schulen am „Dalton Laboratory Plan“ von Parkhurst orientieren, zeigen sich dennoch immer wieder Unterschiede in der Umsetzung. Einerseits handelt es sich dabei um Anpassungen an die Rahmenbedingungen, andererseits gibt es unterschiedliche Interpretationen der pädagogischen Überlegungen von Parkhurst. 1. Beginn mit dem Unterricht nach dem Daltonplan Viele Schulen setzten den Daltonplan trotz der Ratschläge Parkhursts, mit den Pensenplänen erst ab dem neunten oder zehnten Lebensjahr (Näheres dazu im Kapitel 5.1) zu beginnen, bereits in der Primarstufe um. In diesem Fall wird er als Sub-Daltonplan bezeichnet (vgl. Popp 1999, S. 77). 2. Umgang mit unterschiedlichen Lerngeschwindigkeiten Schulen, die nach dem Konzept von Parkhurst arbeiten, haben verschiedenste Methoden entwickelt, um das unterschiedliche Lerntempo der Schüler/innen zu berücksichtigen. An der „Kirkstall Road School“ in Leeds gibt es speziellen Förderunterricht für langsamere Schüler/innen, die anderen Schüler/innen werden durch keinerlei Zeitvorgaben (weder Schulmonate noch Schuljahre) in ihrem Lernen eingeschränkt. Die „South Philadelphia High School for Girls“ ignorierte die Bedingung Parkhursts, dass alle Schülerinnen das Pensum vollständig erfüllen müssen, jede arbeitete so weit sie kam. Um den unterschiedlichen 33 Leistungsstand der Schülerinnen auszugleichen, wurde die sonst übliche Freiarbeit an den Tagen vor und nach dem Erhalt der neuen Pensen aufgehoben (vgl. Popp 1999, S. 94). 3. Das Verhältnis von Freiarbeit und Fachunterricht Auch die Anzahl der Freiarbeitsstunden und Fachunterrichtsstunden variiert in der Praxis. Popp (1999) beschreibt beispielhaft die „West Green Boys` School“, wo das Verhältnis von „free-study-periods“ zum „Klassen“-Unterricht 3:1 beträgt. Andere Schulen hatten ihre „Daltonphasen“ täglich zu bestimmten Zeiten (vgl. Popp 1999, S. 95f). 4. Hausaufgaben Der Umgang mit Hausübungen wird ebenfalls unterschiedlich gehandhabt. Obwohl Parkhurst selbst ihren Schülerinnen und Schülern nie Hausaufgaben auftrug, gibt es Schulen, die Hausarbeiten entweder grundsätzlich, nur sporadisch oder gar nicht verlangen. Die Entwicklerin des Daltonplans teilte lediglich Literaturlisten aus, die als Anreiz dienen sollten, sich mit den Themen länger und ausführlicher zu befassen, bzw. sollten dadurch spezielle Interessen der Schüler/innen gefördert werden (vgl. Popp 1999, S. 96). 5. Das Wiederholen einer Klasse Im Daltonplan nach Parkhurst gibt es kein „Sitzenbleiben“, da die Pensen in drei Kategorien eingeteilt werden, für leistungsstarke und leistungsschwache Schüler/innen und für jene Schüler/innen, die normale Leistungen erbringen. Die Schüler/innen werden durch die Pensenpläne nicht überfordert, sie können sich aber, wenn sie noch über genügend Zeit verfügen, in ein Thema weiter vertiefen. Die Schulen, die Popp beschreibt, lehnen sich vorwiegend an Parkhurst an. Ein Wiederholen der Jahrgangsklasse war seinerzeit im Daltonplan ausgeschlossen, da der Lernfortschritt ein kontinuierlicher ist, der nicht an eine bestimmte Zeitvorgabe gebunden ist (vgl. Popp 1999, S. 96). Heute sieht die Praxis anders aus, da sich der Unterricht an einem verbindlichen Curriculum orientiert. 6. Notengebung Da die Pensen an die Leistungen der Schüler/innen angepasst sind, haben sie auch keine Probleme, diese zu erfüllen. Weniger begabte Schüler/innen erhalten ein minimales Pensum, das sie nicht überfordern sollte und begabte Schüler/innen ein maximales Pensum. Die Noten werden dadurch eigentlich überflüssig. Außerdem sind durch diese Arbeitsweise laufende Tests und Prüfungen nicht notwendig. Die Schüler/innen haben sich aufgrund des 34 selbständigen Lernens das Wissen längerfristig eingeprägt, besser als dies beim üblichen Frontalunterricht möglich wäre. Ein Grund dafür ist, dass sie sich zu der Zeit mit Themen beschäftigen, in der ihr Interesse am stärksten ist (vgl. Eichelberger 2002, S. 104). Auch Selbstkontrollverfahren wie sie z.B. von Montessori praktiziert wurden, kommen bei Parkhurst nicht zum Einsatz (vgl. Bohl 2005, S. 174). Heutige Schulen müssen jedoch aufgrund der Gesetzeslage an der Notengebung festhalten. 9 Reflexion im Daltonplan Parkhurst selbst sagt, dass der „Dalton Laboratory Plan“ kein starres Konstrukt ist, denn „the Dalton Laboratory Plan is not a system or a method, which through ages of use has petrified into a monotonous and uniform shape, to be banded on the succeeding generations of pupils as sheep are branded on going into a fold.“ (Parkhurst 1922, S. 28) Sie will ihr Konzept als Reformvorschlag verstanden wissen und wehrt sich vehement gegen eine Dogmatisierung. Popp (1999) vermutet, dass diese Haltung vor allem auf die Beziehung zu Montessori zurückzuführen ist, die eher an einem starren und strikten Konzept festhält (vgl. Popp 1999, S. 33). Die Bezeichnung „Dalton Laboratory Plan“ lässt zwar vermuten, dass es sich um eine Schablone handelt, die sich an jeder Schule gleich umsetzen lässt. Es handelt sich aber weniger um einen fixen Plan, sondern vielmehr um einen „way of life“. (Hackl 2002b, S. 557) Bei der Arbeit mit dem Daltonplan ist es wichtig, dass man die Anzahl der Schüler/innen, Lehrer/innen, das Umfeld der Eltern, die finanziellen Ressourcen, die räumliche Gestaltung und mögliche weitere Aspekte mit bedenkt (vgl. Hackl 2002a, S. 154). Auch die Pensen beispielsweise orientieren sich am individuellen kognitiven Wissensstand der Schüler/innen. Es ist also zwingend, dass sich die Umsetzung des Daltonplans an die konkreten Gegebenheiten der einzelnen Schulen orientiert. Ein wichtiger Punkt ist, dass das Konzept von Parkhurst als „way of educational reorganization“ (Parkhurst 1922, S. 28) zu verstehen ist. Der Daltonplan wurde für die „Regelschule“ entwickelt und ist daher leicht zu integrieren. „Parkhursts Konzept zielt nicht auf eine Alternativschule [ab], sondern setzt innerhalb des Bestehenden mit Verbesserungen 35 an und muss so notgedrungen andere pädagogische Kompromisse schließen als eine Alternativschule, vor allem im Sekundarbereich.“ (Popp 2002, S. 66) Insbesondere wenn der Daltonplan an einer Schule neu eingeführt wird, kann das nicht von heute auf morgen geschehen, sondern dieser Prozess ist gekennzeichnet durch eine schrittweise und kontinuierliche Entwicklung, die nie abgeschlossen ist (vgl. Hackl 2002a, S. 154). „Lange bevor es den Begriff der ‚lernenden Institutionen’ gab, sah Parkhurst im kontinuierlichen Lernprozess aller Beteiligten die eigentliche reformpädagogische Qualität der Schule überhaupt und des Daltonplans im Speziellen (vgl. auch Eichelberger 1997). Dies meinte sie, als sie von ‚Dalton’ als ‚way of life’ sprach“. (Popp 2002, S. 66) In welchem Ausmaß der Daltonplan an den verschiedenen Schulen angewandt wird, kann daran gemessen werden, wie sehr sich die geschlossene Lehrerschaft mit den Zielvorstellungen, der Wirksamkeit und Verbesserung des Unterrichts auseinandersetzen und den Lernprozess der Schüler/innen reflektieren (vgl. Popp 2002, S. 64). Deshalb ist es von Bedeutung, dass die Umsetzung des Daltonplans nicht zur Routine wird, sondern ständigen Veränderungen und Weiterentwicklungen unterworfen ist. So wird Selbstreflexion zu einer notwendigen Voraussetzung für die Erfüllung der Zielsetzungen im Daltonplan (vgl. Eichelberger 2002, S. 156). 10 Der Daltonplan als spezielle Form des offenen Unterrichts Bis jetzt wurde der Daltonplan immanent dargestellt, wie er im Ideal funktioniert, was man sich dazu gedacht hat, um einzelne pädagogische Aktionen zu begründen, welche philosophischen (Dewey) Positionen einfließen, was dabei auch noch in einer gewissen Grauzone verbleibt etc. Auf der Ebene der „Modelltheorie“ ist allerdings Weiterführendes zu sagen. Zum einen ist der Daltonplan – wie man es auch aus der Parkhurst’schen Biografie entnehmen kann – ein Gegenentwurf zur damals herrschenden Pädagogik. Insofern ist der Daltonplan in den Strauß der alternativ-schulischen Ansätze einzureihen, auch wenn dies von seinen heutigen Vertretern/innen so nicht gesagt bzw. verstanden wird. Der Daltonplan ist aber eine Alternative zur damaligen – heute würde man sagen – „Regelschule“. Zum anderen ist aber die Zeit auch in Europa nicht stehen geblieben, und auch im europäischen Schulwesen sind zahlreiche Reformen durchgeführt worden, angefangen von der „Reformpädagogik“ und 36 ihren Ausläufern, über die „antiautoritären“ Ideen eines Kulturwandels, dessen Herstellung über eine „andere“ Pädagogik erreicht werden sollte, bis hin zu diversen alternativpädagogischen Konzeptionen und Alternativschulen, die ein mehr oder weniger anerkanntes Dasein führen. Nun ist zu bedenken, dass diese „reformierten“ und weiterentwickelten pädagogischen Ideen auch in die Lehrerausbildung und die Universitäten Eingang gefunden haben und mittlerweile Generationen „aufgeklärter“ und dem pädagogischen „Handwerk“ durchaus kritisch gegenüberstehender Lehrkräfte hervorgebracht hat, die sich in den Schulen betätigen. Es fragt sich daher, in welcher Weise die Differenz Regelschule vs. Alternativprogramm aufrecht zu erhalten ist. Jedenfalls heute nicht mehr so, wie vielleicht zu Parkhursts Zeiten. Beobachtbar ist, dass immer dann, wenn einst „alternative“ Ideen irgendwie ins Regelschulsystem integriert werden, eine doppelte Interpretationsmöglichkeit auftaucht. Man könnte einerseits sagen, dass sich das Gesamtsystem zu mehr „Liberalität“ weiterentwickelt hat, andererseits glauben aber viele, dass damit dem Alternativen die Zähne gezogen werden und es bis zur Harmlosigkeit „domestiziert“ wird. Tatsächlich ist dies ein logischer Widerspruch, der auch in einer ganz aktuellen politischen Debatte in Österreich auftaucht, wo über die gesetzliche Verbindlichmachung von „Schulversuchen“ diskutiert wird – so als wäre es kein Widerspruch: Entweder ist etwas ein „Versuch“ oder etwas gesetzlich Reguliertes. Das Problem hat ja schon im Daltonplan auf sich aufmerksam gemacht: Der Betonung des Laborhaften allen Lernens stehen die normativen Verpflichtungen gegenüber, die bei einem „zu viel“ dem Laborlernen die kreative Substanz entziehen. Am deutlichsten lässt sich dies anhand des so genannten „offenen Unterrichts“ zeigen. Denn auch dieser ist Ergebnis einer internen Kritik im Schulsystem, ein Versuch, zu einer irgendwie „besseren“, „kindgemäßeren“, „humaneren“ o.ä.m. Pädagogik zu kommen. Dabei tauchen Elemente auf, die sich auch im Daltonplan schon finden. 10.1 Zum Verständnis des offenen Unterrichts „Den offenen Unterricht gibt es nicht" (Jürgens 2004, S 24). Vielmehr handelt es sich beim offenen Unterricht um einen sehr weit gefassten Begriff, eine vage Bezeichnung für verschiedene Spielarten schüleraktiver und schülerzentrierter Unterrichtformen. Es wird damit eine Vielfalt von unterschiedlichen Denk-, Motiv-, und Handlungsformen in der 37 Pädagogik bezeichnet, zu dem auch das Unterrichtskonzept des Daltonplans zählt. Auch Lern- und Unterrichtsformen wie der Projektunterricht, das Arbeitsplan- und das Freiarbeitskonzept stellen die didaktisch-methodischen Grundformen des offenen Unterrichts dar (vgl. Jürgens 2004, S. 24f). Kennzeichen des offenen Unterrichts ist jedenfalls, dass nicht mehr der/die Lehrer/in im Mittelpunkt des Geschehens steht, sondern der/die Schüler/in. Die Selbsttätigkeit der/des Schülerin/Schülers wird gefördert und das Lernen wird zu seiner/ihrer selbstverantwortlichen Leistung. Selbstverständlich findet „systematisch geplantes Lernen“ auch im offenen Unterricht statt (vgl. Jürgens 2004, S. 49). Wenn man von Offenheit spricht, muss es auch etwas „Geschlossenes“ geben. Für Jürgens gilt Offenheit des Unterrichts in Bezug auf Lerntempo, Sozialform, Aufgabendichte. Geschlossen ist er jedoch hinsichtlich der Systematik des Lernens (vgl. Jürgens 2004, S. 49). Krieger (2005) gibt dem Begriff „Offener Unterricht“ eine andere Bedeutung: Zum einen ist es die Öffnung zum/zur Schüler/in hin, welche die Offenheit nach Innen darstellt und zum anderen die Öffnung zum Schulumfeld, die er als Offenheit nach Außen bezeichnet. Die Offenheit nach Innen ist dadurch gekennzeichnet, dass wieder ein Bezug zum Kind bzw. Lernenden geschaffen werden soll. Der/die Schüler/in steht mit seinen/ihren lernrelevanten Bedürfnissen und Lernmöglichkeiten im Mittelpunkt des Unterrichts. Die Offenheit nach Außen bietet die Möglichkeit, Erfahrungen der/des Schülerin/Schülers aus dem Schulumfeld in das schulische Lernen zu integrieren. Das Lernen kann somit „lebensnaher“ gestaltet werden (vgl. Krieger 2005, S. 5). Eines gilt jedoch für beide Auslegungen: „Je mehr Entscheidungen gemeinsam mit den Schülerinnen und Schülern bzw. von diesen allein getroffen werden, desto offener ist ein Unterricht. Diese Entscheidungen können sich auf allen Ebenen und auf alle Handlungsfelder schulischen Unterrichts beziehen, soweit bestehende Rechts- und Verwaltungsvorschriften dies zulassen“ (Jürgens 2004, S. 49). Das Verständnis Jürgens (2004) dessen, was offener Unterricht ist, trifft meines Erachtens auf alle didaktischen Konzepte mit Arbeitsplänen und Pensen, etc. zu (Daltonplan, Jenaplan), während die Definition von Krieger (2005) eher auf projektförmige Unterrichtsgestaltung abzielt. 38 10.2 Arbeitsplankonzept (Wochenarbeitsplan) Der Unterricht nach einem Arbeitsplankonzept erfolgt, wie der Name schon sagt, über Arbeitspläne, die in ihrer Bearbeitungsdauer von Tages- bis Wochenplänen variieren können. Die Arbeitspläne bauen auf dem jeweiligen Lehrplan und den Lehrzielen auf und stellen eine strukturelle Umgestaltung des Unterrichts dar (vgl. Jürgens 2003, S. 41). Der/die Schüler/in kann, nachdem er/sie den Arbeitsplan erhalten hat, selbständig mit der Arbeit beginnen, wobei er/sie die Sozialform (Einzel-, Partner- oder Gruppenarbeit) frei wählen kann. Über den inhaltlich-sachlichen Aspekt der Arbeitspläne kann er/sie nicht bestimmen, jedoch darüber, mit welchem Teil des Pensums er/sie beginnen möchte. Dieses Konzept geht auch auf die unterschiedliche Lerngeschwindigkeit der Schüler/innen ein, denn die Zeit für die Bewältigung der jeweiligen Aufgaben kann individuell variieren (vgl. Jürgens 2003, S. 42). Die Pläne und somit das Pensum teilen sich in Pflicht-, Wahlpflicht- und Zusatzaufgaben. Der Pflichtteil ist verbindlich und muss bis zu einem bestimmten Zeitpunkt erledigt sein. Vom Niveau ist er so konzipiert, dass ihn jede/r Schüler/in der Klasse ohne Probleme erfüllen kann. Bei den Wahlpflicht- und Wahlaufgaben kann der/die Schüler/in wählen und sich je nach persönlichem Interesse in ein Themengebiet vertiefen (vgl. Jürgens 2003, S. 43). 10.3 Freiarbeitskonzept Freiarbeit zählt zu den schüleraktiven Unterrichtsformen und kennzeichnend für dieses Konzept ist, dass der/die Schüler/in verschiedene Wahlmöglichkeiten hat. Er/sie kann über seine/ihre Zeiteinteilung frei verfügen und entscheiden, welche Lerngegenstände er/sie bearbeiten möchte, bzw. auch in welcher Weise er/sie dies tun möchte – beispielsweise mittels einer Lernkartei, eines Referats, oder eines Experiments. Wo die Arbeiten erledigt werden, also auf welchem Arbeitsplatz und wie dessen Gestaltung aussieht, bleibt dem/der Schüler/in überlassen. Auch die Gruppe bzw. die Zusammenarbeit der Schüler/innen untereinander spielen eine wichtige Rolle. Es sollen die Rahmenbedingungen geschaffen werden, damit Schüler/innen jederzeit miteinander in Kontakt treten können und so ein (Wissens-)Austausch möglich ist. Die Inhalte des Lehrplans stehen im Mittelpunkt der 39 Freiarbeit, jedoch können und sollen tagesaktuelle Themen bzw. Alltagserfahrungen der Schüler/innen aufgegriffen und bearbeitet werden (vgl. Jürgens 2003, S. 67). Die Freiarbeit lässt sich nach Jürgens (Jürgens 2003, S. 69) in vier Grundformen unterscheiden: 1. Die Bearbeitung eines frei gewählten Themas und dessen Darstellung. Dies kann in Gruppen- oder Einzelarbeit erfolgen und dient der Interessensvertiefung. 2. Vertiefung in ein Unterrichtsthema, welches im Unterricht behandelt wurde und für den/die Schüler/in besonders interessant war. 3. Die Freiarbeit kann genützt werden um mit ausgewähltem Übungsmaterial intensiv praktisch üben zu können. 4. Schneller arbeitende Schüler/innen können die Zeit nützen um sich aufgrund von ergänzenden und weiterführenden Lernangeboten in ein Thema zu vertiefen. 10.4 Projektarbeitskonzept Projektunterricht ist „in Mode“ und wird in Schulen heute sehr oft praktiziert und findet in einer großen Spannbreite in Bezug auf die Qualität der Ausführung statt. Vieles wird aber als Projektunterricht bezeichnet, obwohl es den Namen nicht verdient, da grundsätzliche Kriterien nicht eingehalten werden (vgl. Jürgens 2004, S. 119ff). Kennzeichnend für ein Projektarbeitskonzept ist für Jürgens (Jürgens 2003, S. 81f.), wenn - ein wirkliches Problem der Ausgangspunkt für die Arbeit ist, zu dem auch die Schüler/innen besonderes Interesse zeigen, - die Schüler/innen größtmögliche Eigenverantwortung übernehmen und das Projekt selbst planen und durchführen können, - sich die Interaktions- und Kommunikationsstrukturen dahingehend ändern, dass sie weiterentwickelt, und „demokratisiert“ werden, dennoch gibt es klare Regeln für die Arbeit, die von allen Beteiligten festgelegt werden, - das Lernen im Projektarbeitskonzept ganzheitlich passiert, - außerschulische Lernorte integriert werden, um einen unmittelbaren Bezug zur Lebenswelt zu schaffen und - die Themen aus dem Lehrplan fächerübergreifend und ganzheitlich bearbeitet werden. 40 Der Ablauf der Projektarbeit sieht wie folgt aus: Die Arbeit beginnt mit einer (Schüler/innen-) Initiative bzw. einer Idee, von der ausgehend eine Projektskizze entwickelt wird. Mittels eines Projektplans gelangt die Idee zur Durchführung. Mit diesem Ablauf sollte eine „methodisch klug bedachte“ Lösung tatsächlich erreicht werden. Am Ende des Projekts sollte es zu einer Evaluation und Reflexion der Ergebnisse und des Prozesses kommen, um beurteilen zu können, ob die gesteckten Ziele tatsächlich erreicht wurden (vgl. Jürgens 2003, S. 77). 10.5 Stationenarbeitskonzept (Werkstattunterricht) Das Stationenlernen ist besonders für den Regelschulunterricht geeignet, da sich die offenen mit den (dort großteils) lehrergesteuerten Unterrichtsphasen sehr gut kombinieren lassen. Und es ist weiters „ein Konzept zur ‚Öffnung von Unterricht’ und ermöglicht einen aus einzelnen ‚Lernsequenzen’ (Angeboten) zusammenhängenden problemlösende, handlungsorientierte, Unterricht, individualisierte und der entdeckend- fächerübergreifende Vorgehensweisen zulässt.“ (Jürgens 2003, S. 54) Der Unterricht sieht so aus, dass die zu bearbeitenden Themen aus dem Lehrplan in Teilthemen untergliedert werden, sodass jeder Teilbereich als eine „Station“ aufgebaut ist. Der/die Schüler/in hat die Wahlfreiheit, diese einzelnen Stationen unabhängig voneinander und in unterschiedlicher Reihenfolge zu bearbeiten, da sie sachlichinhaltlich und lernstrukturell zusammenhängend sind. Die Aufgaben kann er/sie in Einzel-, Partner- oder Gruppenarbeit bewältigen. Jede/r Schüler/in erhält einen Laufzettel, auch „Laufpass“ genannt, auf denen jeweils die Stationen angeführt sind, samt Feld zum Ankreuzen für erledigte Stationen. So behält der/die Schüler/in den Überblick und der Laufzettel dient ihm/ihr als Selbstkontrolle. Auch für den/die Lehrer/in ist dies eine hilfreiche Lösung um das Voranschreiten der Schüler/innen verfolgen zu können (vgl. Jürgens 2003, S. 59). Die Arbeitsanweisungen für die Teilthemen sollten bei jeder Station aufliegen. Dadurch hat der/die Schüler/in die Möglichkeit diese noch einmal einzusehen, besonders wenn die Aufgaben sehr komplex und arbeitsintensiv sind. Durch die Anweisungen wird auch die Selbsttätigkeit der/des Schülerin/Schülers gefördert (vgl. Jürgens 2003, S. 57). 41 III FELDFORSCHUNG 11 Forschungsmethode Am Anfang meines Forschungsvorhabens habe ich mit der Literaturrecherche begonnen. Es gibt wenig Literatur über den Daltonplan, und auch die Ausführungen über die Umsetzung des Daltonplans sind spärlich und zum Teil sehr abstrakt. Um einen weiteren und vor allem praxisnahen Einblick in die Arbeit mit dem Daltonplan zu bekommen, entschied ich mich für das qualitative Interview als Instrument meiner Untersuchung. Ich wählte das halbstandardisierte Interview zur Datenerhebung, da ich Bedenken hatte, dass ich bei einem stark strukturierten Interview mit einem zu eingeengten Blickwinkel an den Untersuchungsgegenstand herangehe und interessante und spezielle Phänomene gar nicht erkennen kann. Kennzeichen des halbstandardisierten Interviews ist, „dass mehr oder minder offen formulierte Fragen in Form eines Leitfadens in die Interviewsituation ‚mitgebracht’ werden, auf die der Interviewte frei antworten soll“ (Flick 2005, S. 143). An der Franz Jonas Europaschule und der Kooperative Mittelschule Hörnesgasse, beide in Wien, interviewte ich jeweils drei Lehrerinnen, an den Schulen in Brno, der Chalabalova Dalton zwei Lehrerinnen und an der Husova Dalton einen Lehrer und eine Lehrerin. Die Interviews dauerten in der Regel 45 Minuten und liegen in transkribierter Form auf, sind aber aus Anonymitätsgründen nicht integrierter Bestandteil der Arbeit. Weiters habe ich in der Auswertung zur Wahrung der Anonymität der Interviewten keine Angaben gemacht, die Rückschlüsse auf die Lehrenden ermöglichen könnten. 11.1 Zugang zum Feld Den Zugang zu den einzelnen Schulen und die Möglichkeit, Interviews mit Lehrerinnen dieser Schule zu führen, wurde über das „Schneeball-Prinzip“ (Flick 2005, S. 93) möglich. Das bedeutet, dass der/die Forscher/in von einer interviewten Person zur nächsten weitervermittelt wird bzw. sich vorarbeitet. Dabei war die Entscheidung für die jeweiligen Schulen aber keineswegs wahllos, denn ich versuchte eine „maximale strukturelle Variation“ (Froschauer/Lueger 2003, S. 55) zu erreichen, also möglicht viele „Sichtweisen“ von Lehrerinnen und Lehrern einzufangen. So wurden Lehrer/innen von mir befragt, die schon sehr lange mit dem Daltonplan arbeiten und auch „Neulinge“, die sich gerade erst in dieses 42 Konzept einfinden. Auch das Unterrichtsfach der Lehrer/innen variierte von Geographie über Mathematik, Deutsch bis hin zu Musik. Wie wurde also der Kontakt zu den Lehrenden aufgebaut? Die erste Schule, Kooperative Mittelschule Hörnesgasse, entnahm ich „Ideen machen Schule“ (Fraundorfer 2006), die als Daltonschule beschrieben wurde. Über die darin angegebene Internetseite holte ich mir Vorinformationen und schrieb über die Homepage die Schulleiterin an, die binnen kürzester Zeit antwortete und mir den Kontakt zum Koordinator des Daltonplans an der Schule herstellte. Aufgrund weiterer Recherchen (Befragungen, Publikationen, Internet) wurde ich auf die Franz Jonas Europaschule in Wien aufmerksam. Ich wählte den schnellsten Weg und sandte auch hier eine E-Mail an den Schulleiter, der unverzüglich meine Anfrage an die DaltonLehrer/innen weitergab. Diese wiederum erzählten mir nach einem ausführlichen Telefonat von den Dalton Konferenzen und den Kontakten nach Brno. Daraufhin informierte ich mich auf deren Internet-Homepages. Nachdem ich mehrere Schulen in Brno angeschrieben hatte, bekam ich Antwort vom Schulleiter der Chalabalova Dalton Schule. Wie sich herausstellte, ist er darüber hinaus Präsident der tschechischen Dalton Vereinigung und er leitete meine Anfrage an den Lehrkörper weiter. Auch in diesem Fall wurde ich unmittelbar darauf via Internet kontaktiert. Anlässlich meines Besuchs der Chalabalova Dalton Schule in Brno empfahl mich der Schulleiter dem Koordinator des Daltonplans an der Husova Dalton Schule weiter. Letztere Schule organisierte jedes Jahr eine Dalton Konferenz in Brno, an der ich im Mai 2007 teilnahm. Der Koordinator des Daltonplans an der Husova Dalton Schule informierte in Folge seine Kolleginnen/Kollegen und ich konnte weitere Kontakte über E-Mail herstellen. 11.2 Probleme bei der Kontaktaufnahme Zwar wurde mir gegenüber Freude an meinem Interesse am Daltonplan generell und im Besonderen an der jeweiligen Schule artikuliert, jedoch kam es bald zu Schwierigkeiten bei der Konkretisierung möglicher Treffen bzw. der Terminkoordination für die Interviews. Trotz meiner Hinweise auf den Fortschritt meiner Arbeit bekam ich sehr späte Interviewtermine. 43 „Forschung stellt immer eine Intervention in ein soziales System dar“ (Flick 2005, S. 90), womit ich die Skepsis begründe, die mir nach der ersten Begeisterung entgegengebracht wurde. Im Telefonat mit einem Daltonbeauftragten wollte dieser plötzlich noch mehr und genauere Informationen über mein Forschungsvorhaben erhalten. Er fragte nach dem Zweck und Nutzen der Untersuchung, welche Informationen ich genau haben wolle und wie ich die Interviews auswerte. Teilweise kam ich in Erklärungsnot, weil ich natürlich selbst nicht wusste, wohin sich die Forschung entwickelt, da dies abhängig von den Interviews mit den Lehrer/innen ist. Weiters wollte ich meinen Interviewleitfaden nicht im Detail preisgeben, da ich die Befürchtung hatte, dann „auswendig gelernte“ Antworten zu erhalten. Es war mir aber ein Anliegen, keine falschen Hoffnungen zu erwecken und auch keine Erklärungen abzugeben, und ich hielt mich an die Ratschläge von Wolff (2005): „Das Forschungsprojekt kann dem sozialen System nichts bieten. Es kann höchstens funktional sein. Forscher sollten sich hüten, Versprechungen über den Nutzen der Forschung für das soziale System zu machen“ (Wolff zit. n. Flick 2005, S. 91 / Wolff 2005, S. 348). Mein Interesse an der verschiedenartigen Umsetzung des Daltonplans erwähnte ich bei der Kontaktaufnahme mit den Lehrer/innen nicht, um allenfalls daraus entstehenden Unsicherheiten zu vermeiden, die möglicherweise Absagen bewirkt hätten, da „Grenzen des eigenen Handelns offen gelegt werden...“ (Flick 2005, S. 91). Oft können zu viele Informationen für den Zugang zum Feld auch hinderlich sein, da sie die Beteiligten verwirren und irritieren könnten, denn „die Aushandlung des Zugangs zu Institutionen ist weniger ein Informationsproblem als die Herstellung einer Beziehung, in der so viel Vertrauen in die Personen der Forscher und ihre Anliegen entsteht, dass sich die Institution trotz allem, was dagegen sprechen könnte – auf die Forschung einlässt“ (Flick 2005, S. 91). Wolff (2005) nennt einen weiteren Punkt für das mögliche Scheitern einer Untersuchung: „Forschung ist für das zu beforschende soziale System ein Störfaktor, auf dem mit Abwehr reagiert wird“ (Wolff zit. n. Flick 2005, S. 90 / vgl. Wolff 2005, S. 343). Das musste ich ebenfalls erfahren, als ich teilweise auf spätere Termine vertröstet oder mir nach der ersten Zusage nicht mehr geantwortet wurde. Nach einigen vergeblichen Versuchen der Terminkoordinierung für die Interviews wurde mir von einer Lehrerin in Wien angeboten den Fragenkatalog überhaupt nur zu faxen und die Lehrer/innen würden mir dann die ausgefüllten Fragebogen zurückschicken. Es scheint tatsächlich so zu sein, „dass die Diskrepanz der 44 Interessen und Perspektiven zwischen Forschern und beforschten Institutionen prinzipiell nicht aufzuheben ist“ (Flick 2005, S. 91). Eine letzte Hürde war noch die Genehmigung durch den Stadtschulrat in Wien, die ich einholen musste, um überhaupt Interviews an den Schulen führen zu dürfen. Weiters mussten die Interviews an den österreichischen Schulen auf Wunsch der Lehrer/innen ausschließlich während der Unterrichtszeit stattfinden. In Tschechien standen weniger die Interviewzeit, als vor allem das sprachliche Problem im Mittelpunkt. Ich hatte zuvor angeboten die Interviews auf Deutsch oder Englisch zu führen, je nachdem, welche Sprache von den Lehrpersonen bevorzugt wird. Es stellte sich jedoch heraus, dass zwar hier die Termine sehr schnell festgestanden wären, doch das Interesse der Lehrer/innen an einem Interview, das nicht in ihrer Muttersprache geführt wurde, war eher mäßig. An der Chalabalova Dalton Schule wurden die Interviews auf Deutsch geführt, an der Husova Dalton Schule sprachen wir Englisch. In beiden Fällen stellte ich allerdings erhebliche Mängel in der Kenntnis der jeweiligen Fremdsprache bei meinen Interviewpartner/innen fest. 11.3 Auswertung Die Auswertung der Interviews erfolgte nach der phänomenologischen Analyse, die Grundgedanken oder Prinzipien dieser Analyse sind nach Mayring (Mayring 2002, S.108): a) Der Ausgangspunkt der Auswertung ist „die Deskription der Phänomene aus der Sicht des Subjekts und seinen Intentionen.“ Für meine Auswertung heißt das, dass ich den Daltonplan aus der Sicht der beteiligten Personen zu betrachten habe. Meine Sicht als Forscherin ist in diesem ersten Schritt nicht ausschlaggebend. Es geht daher um die Fragestellungen wie: Was verstehen Lehrende unter „Daltonplan“? Wie glauben sie, dass sie den Daltonplan umsetzen und wo sehen sie die Unterschiede zu den Ideen, die Parkhurst entwickelt hat? b) „Eine Reduktion auf ihren Wesenskern wird durch die Variation der Phänomene versucht.“ Der zweite Grundgedanke bedeutet für meine Untersuchung, dass nicht „eine breite Beschreibung bestimmter Gegenstandsfelder erfolgt, sondern eine gezielte Analyse einzelner 45 Phänomene“ (Mayring 2002, S. 108). Diese sind in meinem Fall z.B. die unterschiedliche Adaption des Daltonplans an den vorgestellten Schulen als auch die Untersuchung von Faktoren, die ein Umsetzen ermöglichen oder auch erschweren. Zuallererst ist jedoch bei einer phänomenologischen Analyse „die sorgfältige, ausführliche Deskription der Forschungsgegenstände“ wichtig (vgl. Mayring 2002, S. 107). Es werden daher von mir jene Schulen, die ich für meine Untersuchung ausgewählt habe, nachfolgend genau beschrieben, um eine Nachvollziehbarkeit der Phänomene zu ermöglichen. Dann geht es an die eigentliche Analyse, für die vier Schritte kennzeichnend sind (vgl. Mayring 2002, S. 108f). Zu Beginn kommt es zu einer Durchsicht des gesamten Materials (d.h. der Interviews mit den Lehrpersonen). Damit soll der Analysierende nicht nur einen generellen Eindruck bekommen, die Durchsicht dient auch als Orientierung über die auftretenden Phänomene und als Vorbereitung für die weiteren Schritte. Danach werden im zweiten Materialdurchgang Bedeutungseinheiten gebildet (Kategorisierung), welche folgend (dritter Schritt) in Bezug auf das Phänomen hin interpretiert werden. Im vierten und letzten Schritt werden die „interpretierten Bedeutungseinheiten verglichen, verknüpft und zu einer generellen Phänomeninterpretation synthetisiert“ (Mayring 2002, S. 109). 12 Kooperative Mittelschule Hörnesgasse 12.1 Allgemeines zur Schule Die Kooperative Mittelschule (KMS) Hörnesgasse (3. Wiener Gemeindebezirk) ist eine Verbundschule in Kooperation der Hauptschule Hörnesgasse und des Gymnasiums Landstraße. An der Schule unterrichten ca. 55 Lehrer/innen und die Gesamtschüler/innenanzahl liegt bei 405. Seit September 2000 wird an diesem Schulstandort nach dem Konzept des Daltonplans unterrichtet, wobei die Konzeptentwicklung den Zeitraum von 2000 bis 2005 umfasste. Die Anzahl der am Projekt beteiligten Lehrer/innen lag 2005/06 bei 12. Jeweils eine Klasse jedes Jahrgangs arbeitet nach der Daltonplan-Pädagogik. 46 12.2 Daltonstunden Die Daltonphasen erstrecken sich an der KMS Hörnesgasse über ein Viertel bis ein Drittel der gesamten Unterrichtszeit. Pro Tag sind das demnach zwei Schulstunden. Eine Besonderheit der Schule ist, dass es jedem/r Lehrer/in frei steht, wie viele Stunden er/sie für die Freiarbeit zur Verfügung stellt (deshalb kann die Daltonzeit im Verhältnis zur Gesamtstundenzahl variieren) und ob er/sie dies überhaupt möchte. Das ist auch der Grund, weshalb manche Unterrichtsfächer nicht „daltonisiert“ sind. Betroffen sind z.B. Unterrichtsfächer wie Religion, Turnen und Musik. Um welche Unterrichtsfächer es sich dabei genau handelt, kann aber von Klasse zu Klasse variieren. „Es wird immer am Anfang des Schuljahres ausgemacht wie viele Stunden in den Pot faktisch hineinkommen, für die Freiarbeit. Das macht sich das Lehrerteam am Anfang des Schuljahres aus. Es kann niemand verpflichtet werden, seine Stunden da hineinzugeben.“ (HG, Y, 4)4 An der KMS Hörnesgasse gibt es eine „gleich bleibende „Dalton-Schiene“, Dienstag bis Freitag sind jeweils zwei Stunden für den Daltonunterricht reserviert. Alle Klassen, die an diesem Konzept beteiligt sind, (jeweils eine jedes Jahrgangs) haben zu dieser Zeit ihre Daltonphase. Die Lehrer/innen sind während dieser Zeit zwar stundenplanmäßig in der Klasse, jedoch haben die Pensenstunden keine Stundenzuteilung. Die Schüler/innen können frei entscheiden, an welchen Unterrichtsgegenständen sie arbeiten möchten. „Die Stunden, die in den Daltonpot kommen, die stehen den Kindern auch zur Verfügung, ob sie jetzt Geographie weniger Zeit z.B. brauchen und dafür mehr Mathematik arbeiten können, das können sie frei wählen.“ (HG, X, 1) Um eine bessere Überschaubarkeit über die Lernaktivität der Schüler/innen zu ermöglichen, hat der Lehrkörper den Aktionsplan eingeführt. Damit ist für sie nachvollziehbar, wann ein/e Schüler/in an einem bestimmten Fach arbeitet. Diesen Plan bekommt der/die Schüler/in mit 4 Am Ende der Interviewausschnitte werden Abkürzungen angeführt (z.B. HG, Y, 4). Das erste Kürzel bezieht sich auf die jeweilige Schule (HG = Hörnesgasse, ES = Franz Jonas- Europaschule, CH = Chalabalova, HU = Husova), zweites Kürzel meint die interviewte Lehrperson, letztes Kürzel bezieht sich auf die Seite des Interviewtranskripts. 47 jedem neuen Pensum und vermerkt darin, zu welchem Zeitpunkt er/sie welches Unterrichtsfach bearbeitet hat und wie viel Zeit dafür in Anspruch genommen wurde. 12.3 Freiheit Die Schüler/innen können frei wählen, wann sie welches Fach bearbeiten. Manchmal wird diese Freiheit eingeschränkt: Beispielsweise halten sich Integrationsschüler/innen manchmal an den Stundenplan, weil sie eine Struktur für ihre Arbeit brauchen. Wenn sie aber schon eine gewisse Selbständigkeit erreicht haben, können auch sie Fächer selbst wählen. Eine weitere Ausnahme wird für die Lerngruppen, die es an der Schule gibt, gemacht. Aus logistischen Gründen halten sich die Schüler/innen dann an den Stundenplan, weil „sonst können sich nicht acht Kinder immer wieder zusammen finden, um gemeinsam arbeiten zu können.“ (HG, X, 1) Während den Daltonstunden können die Schüler/innen auch frei wählen, mit wem sie und wo sie arbeiten wollen. „Da wird eben der Unterricht geöffnet, die Räume geöffnet und dann sind die Klassenzimmer eben Facharbeitsräume...“ (HG, X, 2) Aufgrund der Umsetzung der Facharbeitsräume können sich die Schüler/innen auch oft die Lehrer/innen aussuchen, bei denen sie arbeiten möchten. Eine Bedingung ist aber, dass in den speziellen Facharbeitsräumen nur das jeweilige Fach bearbeitet werden darf. 12.4 Kooperation Nach einer schrittweisen Entwicklung an der Schule – weg von den Fachwinkeln und hin zu den Facharbeitsräumen – können die Schüler/innen nun miteinander in Kontakt treten. Eine Vernetzung aller Klassen ist möglich, da sie alle zur gleichen Zeit ihre „Daltonphase“ haben und die Klassen als Facharbeitsräume fungieren. Das bedeutet, dass nicht mehr der/die Lehrer/in den Unterrichtsgegenstand in das Klassenzimmer „bringt“, sondern jede Klasse ist ein anderer Facharbeitsraum und der/die Schüler/in sucht diesen auf, wenn er/sie in diesem Bereich arbeiten möchte. 48 „...wir haben gesagt wir müssen die Klassen öffnen, wir müssen die Klassen vernetzen, wir müssen den Kindern ermöglichen auch altersheterogen miteinander zu arbeiten...“ (HG, X, 2) Manchmal ist die Zusammenarbeit mit anderen Schülerinnen und Schülern auch verpflichtend. Die Lehrperson gibt dann die Sozialform am Pensum vor. Grundsätzlich können die Schüler/innen jedoch selbst wählen. Da jede Klasse ein anderes Pensum hat, beschränkt sich die Kooperation überwiegend auf die eigene Klasse. Wenn es zu Themenüberschneidungen kommt, arbeiten die Schüler/innen gerne zusammen. Die Lehrer/innen unterstützen diese Zusammenarbeit und sind an einer Weiterentwicklung interessiert. „Ja, das ist so unser nächster Plan, das eben Erklassekindern mit Drittklasse zusammenarbeiten. Ja, das ist schon, das ist dann schon wieder eine Weiterentwicklung.“ (HG, X, 4) 12.5 Zeiteinteilung An der KMS Hörnesgasse gibt es keine Graphen wie sie Parkhurst entwickelt hat. In Bezug auf das Zeitmanagement haben die Schüler/innen große Schwierigkeiten, besonders in den unteren Schulstufen. Es gibt auch kein einheitliches System im Bezug auf die Leistungsfortschrittskontrolle, jedes Lehrer/innenteam hat eine andere Methode entwickelt, mit dem die Schüler/innen lernen sollen, sich die Zeit richtig einzuteilen. Der/die Schüler/in hat auch fixe Termine, bis zu dem bestimmte Aufgaben von der Lehrperson abgezeichnet werden müssen. Sie sollen dem/der Schüler/in als Orientierung durch das Pensum dienen. Auf den Arbeitszetteln wird dann die Lehrerkontrolle vermerkt. In manchen Fächern gibt es auch Kompetenzraster. Mit diesem wird angezeigt, welche Kompetenzen man sich durch die einzelnen Aufgaben erworben hat. „Also das ist nicht DER Graph. Wir hatten sie auch eine Zeit lang in der Klasse auf Magnettafeln, und all diese... Tatsache war, dass die Schüler meistens nicht eingetragen haben.“ (HG, Y, 3) 49 Damit die Schüler/innen in der Bearbeitung der Pensen aber nicht überfordert sind, werden diese in drei Niveaugruppen bzw. Leistungsgruppen aufgegliedert (wobei die Leistungsgruppen nach den Aussagen der Lehrer/innen erst im laufenden Schuljahr verpflichtend eingeführt wurden). Jede Gruppe hat Pflichtaufgaben, die man unbedingt erfüllen muss, um positiv zu sein, sowie Erweiterungs- und Wahlaufgaben. Schüler/innen, die das Mindestpensum in der Schule nicht erfüllen, müssen dieses zuhause erarbeiten. „Also sie kommen dann bald einmal drauf, na wenn ich`s mir da ein bissl lockerer mache, dann muss ich`s halt zuhause machen, denn die Pflichtaufgaben, die müssen erledigt werden.“ (HG, Z, 1) 12.6 Kooperation der Lehrenden Alle interviewten Lehrer/innen betonen, dass die Zusammenarbeit im Team für sie von großer Bedeutung ist. Erst unter diesen Bedingungen ist es für sie möglich das Konzept „Daltonplan“ weiter zu entwickeln. Für die einen bedeutet die Unterstützung der Kolleginnen und Kollegen, dass sie ihre Ideen und Innovationen verwirklichen können, die anderen finden damit die nötige Hilfe in der Umsetzung des Daltonplans. Das gilt besonders für jene Lehrpersonen, die erst seit kurzer Zeit nach diesem Konzept arbeiten. „Also ich bin eben erst das zweite Jahr mit dieser Unterrichtsmethode beschäftigt und ich lerne schon jede Woche noch etwas dazu, und es wächst mit.“ (HG, Z, 4) Die Kooperation der Lehrenden ist ständig gefordert – dies betrifft zum Beispiel die Gestaltung der Pensen. Jedes Team hat eigene Vorstellungen, wie diese aussehen sollen, weshalb es nötig wird, dass sich die Teams absprechen. Auch in der Begutachtung und Beurteilung der einzelnen Aufgaben, die die Schüler/innen erledigen, muss Einigkeit bestehen, damit für den Fall, dass eine entsprechende Fachkraft nicht anwesend ist, ihre Aufgabe auch von anderen Lehrer/innen abgezeichnet werden kann. Aufgrund der Freiheit, die im Daltonplan besteht, müssen Kompromisse geschlossen werden. Die Lehrer/innen gehen diese nach eigenen Aussagen auch gerne ein, damit das Konzept umgesetzt werden kann. Obwohl nicht alle Lehrer/innen der Daltonklassen am Projekt beteiligt sind (also Stunden für den Daltonunterricht zur Verfügung stellen), kann das Dalton50 Projekt aufrechterhalten werden. Dass der Daltonplan nicht von allen praktiziert wird, akzeptieren die restlichen Lehrer/innen, wenn auch mit Wehmut. „Meine Vision ist immer, ich bekomme eine neue Schule und kann den ganzen Lehrkörper davon überzeugen.“ (HG, Y, 5) Oft stößt der Lehrkörper auch auf Widerstand im Bezug auf seine Arbeit. Besondere Ablehnung wird dem Daltonplan dann entgegengebracht, wenn Lehrer/innen das Konzept nicht richtig kennen und Vorurteile dieser Arbeit gegenüber bestehen. Deshalb laden die Lehrenden sowohl Kritiker, als auch Interessierte ein, sich den Unterricht anzusehen und sich ein Bild davon zu machen. Trotzdem kostet das viel Energie, welche die Daltonlehrer/innen lieber in ihre Arbeit investieren würden. Viel Überzeugungsarbeit muss von ihnen auch dann geleistet werden, wenn es Konkurrenz aufgrund verschiedener pädagogischer Konzepte gibt, die an der Schule umgesetzt werden. „Und so ist es ein, ein ...im besten Fall an unserer Schule ist es ein nebeneinander ...von verschiedenen Konzepten. Es hat auch Zeiten gegeben, wos auch ein Gegeneinander war...“ (HG, X, 5) Die Freiheit im Daltonplan hat aber auch einen großen Vorteil, so dass mit seiner Umsetzung begonnen werden kann, auch wenn er nicht die volle Unterstützung im Kollegium findet. Das heißt, der Daltonplan wird in diesem Fall, in dem Rahmen umgesetzt, in dem es möglich ist und wenn sich nicht alle Lehrer/innen für das Konzept begeistern bzw. überzeugen lassen, ist das Projekt nicht zwangsläufig zum Scheitern verurteilt. Die interviewten Lehrer/innen berichten, dass etliche Kolleginnen und Kollegen deshalb nicht am Daltonplan-Konzept mitarbeiten wollen, weil sie von den notwendigen Besprechungen und der Zusammenarbeit mit dem Kollegium abgeschreckt werden und das Modell insgesamt als ein zu großer Aufwand angesehen wird. Mitunter wollen jene lieber alleine arbeiten und nicht auf andere angewiesen sein. Das macht eine Eingliederung in das „Dalton-System“ unmöglich. Besonders wenn man den Punkt des fächerübergreifenden Unterrichts praktizieren möchte, ist aber eine Zusammenarbeit zwingend notwendig. 51 „Es erfordert halt doch eine Zusammenarbeit im Team und ein Absprechen im Team und zu dem muss man bereit sein.“ (HG, Y, 7) 13 Franz Jonas - Europaschule 13.1 Allgemeines zur Schule Die Franz Jonas-Europaschule ist eine Hauptschule der Stadt Wien (21. Wiener Gemeindebezirk). Sie ist beteiligt am Cerneda-Projekt – einem Comenius-Projekt – an dem Schulen aus Österreich, der Slowakei, Ungarn und Tschechien beteiligt sind. In diesem Projekt soll ein Austausch zwischen Schulen stattfinden, an denen reformpädagogische Elemente umgesetzt werden. Weiters ist die Schule ein Mitglied der Vereinigung „Dalton International“. Die Schule wird von insgesamt 350-400 Schülerinnen und Schülern besucht, wobei hiervon 80 Schüler/innen in den Daltonklassen vertreten sind. Die Anzahl der Lehrenden beträgt an der Schule 36, acht davon unterrichten nach dem Konzept des Daltonplans. Der Daltonplan wird an der Europaschule seit sechs Jahren umgesetzt. Pro Jahrgang wird eine Klasse als Daltonklasse geführt. 13.2 Daltonstunden An der Europaschule gibt es pro Tag zwei bis drei Daltonstunden. Die Stundenanzahl kann von Klasse zu Klasse unterschiedlich sein, da die Zahl davon abhängig ist, wie viele Lehrer/innen ihre Stunden zur Verfügung stellen. Es besteht jedoch keine Pflicht bzw. kann niemand verpflichtet werden, sich am Daltonkonzept zu beteiligen. „Also es erklären sich immer ein paar Lehrer von der Klasse bereit, das zu tun. Es sind nicht unbedingt immer alle.“ (ES, X, 2) „Und dann gibt es a welche, die noch immer die Freiheit haben und sagen nein, äh, i mach zum Beispiel in Religion, ich will keinen Daltonunterricht machen. Die machen dann eben keinen.“ (ES, Y, 3) 52 Manchmal werden auch Nachmittagsstunden für den Daltonunterricht verwendet. Das entscheidet jede/r einzelne Lehrer/in. Das heißt an der Europaschule gibt es keine fixe Daltonschiene bzw. Daltonphase, sondern die einzelnen Stunden werden zu Daltonstunden herangezogen. Am Anfang jedes Jahres wird festgelegt, welche Stunden das sind. Daraus folgt, dass nicht alle Klassen zur gleichen Zeit Freiarbeit haben. Wenn ein Unterrichtsfach nur einstündig ist, also dieses Fach nur eine Stunde pro Woche unterrichtet wird, ist es für die Lehrer/innen schwierig dieses zu „daltonisieren“, da sonst kein gebundener Unterricht mehr möglich ist. Solche Fächer werden dann nicht als Daltonfächer herangezogen, auch wenn es eigentlich erwünscht ist. Manchmal wird in einigen dieser Fälle das Problem der einstündigen Fächer so gehandhabt, dass abwechselnd eine Woche gebundener Unterricht und in der nächsten Daltonunterricht stattfindet. 13.3 Freiheit Die Schüler/innen haben die Freiheit zu entscheiden, wann sie welches Fach bearbeiten möchten. Weiters können sie entscheiden, wo sie arbeiten möchten. Hierfür stehen den Schülerinnen/Schülern der Informatikraum sowie ein zweiter Klassenraum zur Verfügung. Die Bibliothek ist für Schüler/innen ebenfalls zugänglich und sie können sich in bestimmten Lernzonen, die sich vor den Klassen am Gang befinden, aufhalten. Die Freiheit wird ihnen aber nur gewährt, so lange sie verantwortungsvoll mit ihr umgehen. Sollte diese Freiheit von dem/der Schüler/in ausgenützt werden, kann die Lehrperson vorübergehend auf das Arbeiten im Klassenraum bestehen. Freiheit besteht auch bei der Wahl der Sozialform. Die Schüler/innen können alleine, zu zweit oder in Gruppen arbeiten. Von den Lehrenden wurde die Erfahrung gemacht, dass gerne in Gruppen von zwei bis vier Schülerinnen/Schülern zusammengearbeitet wird. „Wir haben ihnen einige Freiheiten zugestanden. Das ist einerseits, dass sie eben wählen können, welchen Gegenstand sie arbeiten, auch wann sie ihn arbeiten, bei welchem Lehrer und wie sie ihn abarbeiten sozusagen, auf die einzelnen Inhalte.“ (ES, Z, 1) 53 Der/die Schüler/in hat auch die Möglichkeit sich in bestimmte Themen, die ihn/sie besonders ansprechen zu vertiefen. Die Selbständigkeit der Schüler/innen wird gefördert und sie haben die Möglichkeit eigene Interessen zu entwickeln. „Der Lehrer steht [nicht mehr] vorne und setzt mir irgendwas auf, was mich gar nicht interessiert, sondern der Lehrer ist zurückgenommen.“ (ES, Y, 6) 13.4 Kooperation In den Daltonstunden, während die Schüler/innen also ihre Freiarbeit haben, können sie auch gemeinsam an ihren Themen arbeiten. Von den Lehrerinnen und Lehrern ist die gegenseitige Hilfe und Unterstützung erwünscht. Bei schwierigen Aufgaben sollen die „Besseren“ mit den „Schlechteren“ zusammen arbeiten, das heißt, das Ziel ist, dass die Schüler/innen ohne Hilfe der Lehrperson die Arbeiten bewältigen. Aber auch wenn alle auf gleichem Lernniveau sind, wird eine Kooperation von dem/der Lehrer/in gefördert, indem die Schüler/innen auch die Ergebnisse ihrer Arbeiten untereinander kontrollieren. Ein weiteres Beispiel für Kooperation ist, wenn mehrere Schüler/innen Schwierigkeiten mit einer bestimmten Aufgabe haben. In diesem Fall holt sich ein/e Schüler/in Rat von der Lehrperson, danach werden Kleingruppen gebildet, in denen das Wissen an die anderen weitergeben wird. Diese Gruppen sind aber nicht fixe Arbeitsgruppen in den Daltonstunden, sondern sie bilden sich spontan. Anders ist es mit dem Tutorensystem. An dieser Schule gibt es auch erste Versuche dieser speziellen Kooperation, bei der ältere Schüler/innen den jüngeren im Umgang mit dem organisatorischen Aufbau des Daltonplans zur Seite stehen und ihnen dadurch den Einstieg in den Daltonplan erleichtern. Bei themenspezifischen Aspekten findet kein kontinuierlicher Austausch statt, da die Pensen der unterschiedlichen Jahrgänge nicht aneinander gekoppelt sind. Grundsätzlich wird die Zusammenarbeit von den Lehrenden gefördert. Sie greifen nur dann ein, wenn die Schüler/innen zum Beispiel die Daltonstunden nicht richtig nützen und sich lediglich mit den Mitschüler/innen unterhalten, zu laut sind und dabei womöglich die anderen Schüler/innen in ihrer Arbeit stören. Ansonsten kann die Sozialform frei gewählt werden und ist von der Persönlichkeit der Schüler/innen abhängig. 54 „Es ist von den Schülern abhängig, welche da gut miteinander können, welche eher introvertiert sind und lieber alleine irgendwo sitzen. Also, das akzeptiere ich auch, wenn jemand mit wem anderen nicht so gut kann.“ (ES, X, 6) Die Zusammenarbeit ist aber auf die Klasse beschränkt, da es keine Kooperation zwischen den einzelnen Klassen gibt. Folglich gibt es auch keine Facharbeitsräume, sondern Fachwinkel. Die Klassengemeinschaft bleibt während den Daltonstunden erhalten. 13.5 Zeiteinteilung Lernende können sich die Zeit für die Arbeit nehmen, die sie brauchen. Ist jemand besonders genau in der Bearbeitung des Pensums, aber relativ langsam, kann er/sie auch zuhause weiterarbeiten. Das Pensum ist unterteilt in drei Gruppen, den Pflichtaufgaben, den Erweiterungsaufgaben und den Wahlaufgaben. Wenn die Schüler/innen noch über genügend Zeit verfügen, können sie sich auch in ein spezielles Thema vertiefen, wobei die Lehrer/innen betonen: „Es muss nicht jeder alles von vorne bis hinten durchpeitschen. Es ist legitim, dass jemand eben weniger macht.“ (ES, X, 5) Genaue Graphen, wie sie Helen Parkhurst entwickelt hat, gibt es an der Europaschule nicht. Der Leistungsnachweis erfolgt auf unterschiedliche Weise. Manche Klassen haben eine Liste, in welche die Leistungen der Schüler/innen eingetragen werden. Die einzelnen Aufgaben werden jedoch ebenfalls von den Lehrer/innen kontrolliert, wodurch der/die Schüler/in die Kontrolle über den Lernfortschritt behält. Es gibt aber Bestrebungen diesen Bereich der Aufzeichnungen weiter zu entwickeln. „So weit sind wir nicht, sag ich ehrlich (lachen)“ (ES, Y, 3) Was an der Schule vorhanden ist, ist das Pensenbrett bzw. die Planungstafel. Ein Pensenbrett zeigt an, welche Aufgaben sich der/die Schüler/in für den heutigen Tag vorgenommen hat und dient ihm/ihr zur Übersicht, welche Aufgaben noch offen geblieben sind. Mit der Planungstafel lernen die Schüler/innen sich die Zeit richtig einzuteilen bzw. auch 55 abzuschätzen, wie viel Zeit sie für die Erledigung einer bestimmten Arbeit benötigen. Die Verwendung der Tafel bereitet einigen Lehrerinnen/Lehrern allerdings Schwierigkeiten. „Also unser Chef möchte das schon sehr gerne haben, dass das auch von Außen gut zu sehen ist. Da hab i a bissl, da muss ich an mir selber noch arbeiten. Das bring i net so wirklich hin. Also bei mir ist die Tafel of so ein bisschen... ja Stiefkind...“ (ES, X, 6) Den Lehrer/innen ist bewusst, dass dieser Bereich noch einer Weiterentwicklung bedarf. Es ist ihnen ein Anliegen „die Stellung des Schülers im Laufe des Lehrstoffes“ (HG, Y, 4) noch mehr zu betonen, damit der/die Schüler/in immer genau weiß, wie viel er/sie noch zu arbeiten hat, und in welchem Bereichen seine/ihre Schwächen und auch Stärken liegen. Auch soll die Möglichkeit geschaffen werden, dass sich die Schüler/innen mehr bei der Themenwahl einbringen können und auch die eigenen Interessen berücksichtigt werden. Für das Tutorensystem sind eigene Kooperationsstunden eingeteilt. Diese Zeit ist dann reserviert und wird nur für diese Stunden verwendet. Bis auf diese Einschränkung wird in die Zeiteinteilung der Schüler/innen nicht weiter eingegriffen. 13.6 Kooperation der Lehrenden Die Lehrer/innen berichten, dass die Zusammenarbeit davon abhängig ist, wie gut sie sich untereinander verstehen bzw. ob deren Vorstellungen von Unterricht und Erziehung ähnlich sind. Wenn Lehrpersonen sich darüber nicht einig sind, wird eine Zusammenarbeit schwierig. Sie sind auch der Ansicht, dass das Tutorensystem gut funktioniert und von den Schülerinnen/Schülern begeistert angenommen wird. In anderen Klassen sei dies weniger der Fall. Die gute Zusammenarbeit überträgt sich ihrer Meinung nach auf die Schüler/innen bzw. hat eine gewisse Vorbildfunktion. Eine Kooperation der Lehrer/innen ist auch dann gefordert, wenn es zu fächerübergreifendem Unterricht kommt. Das sind dann „Großthemen“ wie zum Beispiel „Märchen“, die in mehreren Unterrichtsgegenständen bearbeitet werden und dann auch im normalen Daltonunterricht stattfinden. Eine solche fächerübergreifende Zusammenarbeit war im vergangenen Schuljahr vier Mal möglich. Im Gegensatz zu den „Großthemen“ gibt es aber auch „wirkliche“ Projekte an denen nur einzelne Lehrer/innen beteiligt sind. Während eines 56 Projekts – die Dauer beträgt ca. eine Woche – wird der reguläre Unterricht aufgelöst und es werden auch Exkursionen zu den einzelnen Themen organisiert. Kontakte werden auch über die Landesgrenzen hinaus gepflegt, so findet zum Beispiel ein fachlicher Austausch mit Lehrer/innen aus Tschechien und Ungarn statt, wobei es auch zu einem Schüleraustausch gekommen ist. 14 Chalabalova Dalton Schule 14.1 Allgemeines zur Schule Das Schulsystem in Tschechien ist ähnlich wie in Österreich organisiert. Kinder im Alter von drei bis sechs Jahren gehen in den Kindergarten. Danach folgt die Volksschule oder auch erste Stufe, welche fünf Jahre dauert. Die zweite Stufe wird bis zu einem Alter von 15 Jahren besucht und ist mit der Hauptschule in Österreich zu vergleichen. Wenn die Schüler/innen keine weiterführende Schule besuchen, bleiben sie noch ein weiteres Jahr an der zweiten Stufe und erfüllen somit ihre Schulpflicht. Der andere Bildungsweg sieht so aus, dass die Schüler/innen mit vierzehn Jahren von der Schule abgehen und eine weiterführende Schule besuchen, die mit der Matura abschließt, oder sie können nach der ersten Stufe – also mit elf Jahren – ins Gymnasium wechseln. An der Schule Chalabalova werden von der ersten bis zur vierten Schulstufe je zwei Klassen geführt, in der fünften ist es nur mehr eine. In der zweiten Stufe gibt es von der sechsten bis zur neunten Klasse ebenfalls jeweils zwei Klassen. Die Schule ist Mitglied der Vereinigung Dalton International und sehr engagiert in der Daltonarbeit in Tschechien. Die gesamte Schule setzt das Konzept des Daltonplans bereits seit ca. zehn Jahren um. Weiters arbeiten sie an den Daltonkonferenzen mit, die jährlich in Brno stattfinden. Vladimir Moskvan, Schulleiter der Chalabalova Dalton Schule, ist zudem Präsident der Tschechischen Dalton Vereinigung. 57 14.2 Besonderheiten der Schule Was die Interviews mit Lehrer/innen an der Chalabalova besonders interessant machten war, dass es sich um eine Volksschule handelt, die den Sub-Daltonplan umsetzt, d.h. der Daltonplan wird hier für unter 10-jährige adaptiert. An der ersten Stufe, vergleichbar mit der Volksschule in Österreich, wird sehr großzügig mit der Praxis des Daltonplans umgegangen. Lehrpersonen haben je eigene Vorstellungen, wie die Arbeit nach diesem Konzept auszusehen hat. Bis auf die Grundprinzipien, die eingehalten werden müssen, haben die Lehrer/innen völlige didaktische Freiheit und können das Prinzip nach ihren Wünschen adaptieren. „Also eine Linie gibt es. ...aber die persönlichen Kleinigkeiten sind anders. Ja, jeder ist anders.“ (CH, X, 2) In der zweiten Stufe kam es dadurch zu folgender Entwicklung: Aufgrund großer Disziplinkonflikte wurde der Daltonplan abgewandelt. Die Lehrer/innen berichten, dass die Schüler/innen an das selbständige Arbeiten nicht gewöhnt waren und sich dementsprechend undiszipliniert verhielten. Nun werden hauptsächlich Projekte durchgeführt, wobei Daltonelemente zum Einsatz kommen können. Das bedeutet, die Schüler/innen können sich in der „Daltonphase“ dann frei bewegen, in ihrem Tempo und Können, gemeinsam mit anderen Schulkolleginnen/Schulkollegen oder auch selbständig und ohne Eingriffe der Lehrperson, arbeiten. 14.3 Daltonstunden Die Anzahl der Daltonstunden kann in den einzelnen Klassen sehr unterschiedlich sein und wird meist mit zunehmender Jahrgangsstufe gesteigert. In der ersten Klasse wird nur ca. zwei Stunden pro Woche Daltonunterricht praktiziert und dieser findet dann an bis zu zwei Tagen statt. Der Daltonunterricht wird in den höheren Klassen auf maximal ein Drittel der Gesamtunterrichtszeit ausgedehnt. Das Ausmaß der Stunden ist von dem/der Lehrer/in abhängig, aber auch von den Bedingungen, die in den Klassen gegeben sind. Übernehmen die Schüler/innen viel Eigenverantwortung kann mehr Daltonunterricht eingeführt werden. Das Konzept wird an der ersten Stufe sehr flexibel eingesetzt, es gibt für die Lehrer/innen keine strengen Vorgaben. 58 „Ich kann zwar ein Modell übernehmen, aber wenn ich sehe, das und das und das passt nicht für meine Klasse, dann mache ich das nicht.“ (CH, X, 4) Die Daltonstunden finden zu festgelegten Zeiten statt, sodass die Schüler/innen auch mit Schulkolleginnen und Kollegen anderer Klassen zusammenarbeiten können. Wenn jedoch Ausflüge, Exkursionen oder ähnliches stattfinden, können die Daltonstunden variieren und auf andere Tage verschoben werden. Die Stunden für die selbsttätige Arbeit können auch dann eingespart bzw. gekürzt werden, wenn der Lehrende glaubt, dass noch Bedarf an gebundenen Unterricht besteht. Die Daltonstunden finden vorwiegend in den einzelnen Klassenräumen statt, wo es Fachwinkel aber keine Laboratorien gibt, letztere sind den Schülerinnen und Schülern der zweiten Stufe vorbehalten. Dennoch sind die Schüler/innen nicht nur auf ihre Klasse beschränkt, sie können vor den Klassen in Lernzonen ihre Aufgaben erledigen oder auch in den Hof gehen und dort weiterarbeiten. 14.4 Freiheit Freiheit bedeutet für die Schüler/innen, dass sie sich das Fach, welches sie bearbeiten möchten, selbst aussuchen können. Auf dem Pensenblatt stehen ihre Aufgaben, welche sie machen müssen. Wann sie welche Aufgaben machen bleibt ihnen überlassen. Am Ende des Pensums müssen sie aber alle Aufgaben nachweisen können, wobei bessere Schüler/innen Zusatzaufgaben bzw. Zusatzblätter bekommen. Aufgrund dieser Staffelung der Aufgaben sind sie nicht unterfordert und können sich in bestimmte Themengebiete weiter vertiefen. Sie können auch jederzeit mit anderen zusammen arbeiten und auch die Zeiteinteilung ist ihnen überlassen, wobei es jedoch fixe Termine für die Erfüllung des Pensums gibt. Die Handhabung des Daltonkonzepts ist relativ „locker“ an der ersten Stufe. Hier muss jedoch betont werden, dass auch die Aufgaben nicht so differenziert sind, wie z.B. für Schüler/innen der Unterstufe. Sie sollen spielerisch mit dem Daltonplan vertraut gemacht werden. Die Schüler/innen sollen lernen selbständig zu arbeiten und eine Übersicht über den gesamten Lernstoff bekommen. Der Spaß und das spielerische Lernen stehen im Mittelpunkt der Arbeit. Die Freude am selbständigen Arbeiten soll den Schülerinnen und Schülern 59 vermittelt werden, ohne Angst und Zwang. Jede/r Schüler/in soll Erfolgserlebnisse in der Arbeit mit dem Daltonplan haben. Obwohl sie noch sehr jung sind, wird den Schülerinnen und Schülern sehr viel Freiheit geboten. Sie können sich während der Daltonstunden in den verschiedenen Klassen aufhalten, in den Hof gehen, sie können auch in bestimmte Lernzonen gehen, wo Teppiche ausgebreitet sind. In den meisten Klassen gibt es auch kleine Bibliotheken, sollte keine vorhanden sein, können die Schüler/innen auch in andere Klassen gehen. Ab der ersten Klasse wird ihnen kontinuierlich mehr Freiheit zugestanden, so dass sie sich in der vierten Klasse völlig selbständig die Zeit einteilen und auch sonst ihre Freiheiten verantwortungsvoll nützen können. Zu Beginn kann sie diese Freiheit manchmal überfordern, deshalb wird schrittweise mit der Öffnung des Unterrichts begonnen. Für Schüler/innen, die bereits den Kindergarten der Schule besucht haben, ist es ein „sanfter“ Umstieg, da sie bereits Erfahrungen mit dem Unterricht nach dem Daltonplan sammeln konnten. 14.5 Kooperation Die Kooperation der Schüler/innen beschränkt sich auf die eigene Klasse, da jede an einem anderen Pensum arbeitet. Manchmal bilden sich Arbeitsgemeinschaften unter den Lehrer/innen, in denen die Arbeitsblätter aufeinander abgestimmt werden. Nur in diesem Fall wird dann eine Zusammenarbeit möglich. Eine weitere Möglichkeit für altersheterogene Kooperation sind vom Lehrkörper organisierte Projekttage, an welchen Schüler/innen aus höheren Klassen (Unterstufe), jene aus der Volksschule bei der Arbeit unterstützen. Diese Gelegenheiten sind aber eher die Ausnahme. Lernzonen, die sich im Gang der Schule befinden, fördern die Zusammenarbeit der Schüler/innen. Auch während der normalen Unterrichtsstunden sitzen die Schüler/innen in Kleingruppen zusammen und arbeiten an verschiedenen Aufgabenstellungen. Von den Lehrenden wird diese Arbeit unterstützt. Das heißt, wenn Schüler/innen Probleme in der Bearbeitung bestimmter Aufgaben haben, dann sollen sie versuchen diese in Kooperation mit ihren Mitschülerinnen/Mitschülern zu lösen. Erst, wenn auch diese keinen Rat oder keine Hilfestellung geben können, darf der/die Schüler/in sich an den/die Lehrer/in wenden. Dadurch wird Sozialverhalten erlernt, die 60 Schüler/innen lernen miteinander zu kommunizieren, respektvoll miteinander umzugehen und sich nicht während der Arbeit zu stören. 14.6 Zeiteinteilung Die Zeiteinteilung wird den Schülerinnen und Schülern größtenteils selbst überlassen. Für die Übersicht ihrer Leistungsfortschritte gibt es in der Klasse eine Tafel mit einer Matrix auf der die Namen der Schüler/innen und alle „daltonisierten“ Fächern stehen. Mit einem Pin rücken die Schüler/innen nach Erledigung einer bestimmten Aufgabe immer ein Feld weiter und haben somit die Übersicht, wie viel sie schon erledigt haben und welche Aufgaben noch zu erfüllen sind. Die Lehrer/innen greifen in die Zeiteinteilung der Schüler/innen dann ein, wenn noch einige Aufgaben vor dem Ende des Pensums ausstehen und gemacht werden müssen. Dann erinnern sie den Lernenden daran, dass die Zeit knapp werden kann. Diese einfache und schnelle Möglichkeit der Übersicht erleichtert den Schülerinnen/Schülern auch den Einstieg in die Arbeit des Daltonplans, wobei an dieser Schule die Lernenden bereits im Kindergarten mit dem Daltonplan zu arbeiten beginnen. Das Konzept ist daher nicht völliges „Neuland“ für sie. In den unteren Klassen kommt es auch vor, dass auf die Wandtafeln verzichtet wird, da die Aufgaben in relativ kurzer Zeit zu erledigen sind. Die Schüler/innen müssen innerhalb dieser Stunden (an einem Tag) mit ihrer Arbeit fertig werden und das Pensum erfüllen. Die Lehrer/innen betonen in diesem Fall die Wichtigkeit, die Arbeitsaufträge alle an einem Tag zu machen und diese auch am selben Tag zu kontrollieren, damit die Schüler/innen die Übersicht haben und sofort den Lernerfolg sehen. Dies wird deshalb so gehandhabt, weil man davon ausgeht, dass es Schüler/innen im Alter von sechs Jahren noch schwer fällt einen Überblick über den Unterrichtsstoff zu bewahren. Das Pensum ist so gestaltet, dass es für alle Schüler/innen ohne Überforderung zu erfüllen ist. In den höheren Klassen, wenn das Pensum auf mehrere Tage ausgeweitet wird, müssen sie lernen sich einen Überblick über die Aufgaben zu verschaffen. Wenn sie zum Beispiel krank sind, oder zum Arzt müssen, teilen sie sich das Pensum selbst ein und sind darin sehr selbständig und engagiert. Es kann auch vorkommen, dass Schüler/innen zwanzig Minuten früher in die Schule kommen, damit sie am Pensum weiterarbeiten, jedoch geschieht dies 61 freiwillig. Niemand wird verpflichtet über das Pensum hinaus zu arbeiten und es soll auch zu keiner Überforderung aufgrund der Aufgaben kommen. An der Schule wird zwar auf eine Differenzierung der einzelnen Niveaugruppen verzichtet, das Mindestpensum muss aber jede/r Schüler/in erfüllen. Lernende die mit ihren Aufgaben bereits fertig sind, können Zusatzblätter bearbeiten. 14.7 Kooperation der Lehrenden Die Zusammenarbeit der Lehrer/innen findet nicht kontinuierlich statt, weil es sich um eine Volksschule handelt. Das bedeutet, dass jede/r Lehrer/in eine Klasse für vier Jahre zugeteilt bekommt und in dieser alle Unterrichtsgegenstände unterrichtet. Der große Vorteil im Gegensatz zum Daltonunterricht an höheren Schulen ist, dass die Lehrperson über die Leistungen der Schüler/innen immer informiert ist. Der Lehrer/innenkooperation wird in den Interviews kein besonderer Stellenwert beigemessen. Das könnte damit zu tun haben, dass Volksschullehrer/innen alle Unterrichtsfächer in einer Klasse unterrichten, es daher zu keinem Lehrer/innenwechsel kommt und man nicht auf Kolleginnen/Kollegen angewiesen ist. Eine Kooperation wirkt sich in diesem Fall nicht auf die Arbeit der Schüler/innen aus, kann jedoch für die Lehrperson den Vorteil bieten, dass sie nicht alle Arbeitsaufgaben alleine erstellen muss, wenn hier ein Austausch stattfindet. 15 Husova Dalton Schule 15.1 Allgemeines zur Schule An der Husova Dalton Schule, die von der sechsten bis zur neunten Klasse führt, gibt es 260 Schüler/innen, die von ca. 60 Lehrer/innen unterrichtet werden. Das Alter der Schüler/innen reicht von elf bis 15 Jahren. Die Husova Dalton Schule ist Mitglied der Vereinigung Dalton International. Jedes Jahr findet an der Schule eine Dalton Konferenz statt. Sie bietet eine Plattform zum Informationsaustausch aller Dalton-Lehrer/innen weltweit. Weiters setzt die ganze Schule das Daltonkonzept um, wobei den Lehrer/innen viel Freiheit gelassen wird. 62 Die Schule ist in mehrere Schulgebäude aufgeteilt. Die erste Stufe („Primary Level“) und die zweite Stufe („Lower Secondary Level“) sind in getrennten Gebäuden, zehn Minuten voneinander entfernt, angesiedelt. Auch die Arbeit nach dem Konzept des Daltonplans fällt sehr unterschiedlich aus, weshalb ich die beiden Anwendungen extra beschreiben möchte, um Verwechslungen zu vermeiden und eine bessere Verständlichkeit zu ermöglichen. 15.2 Daltonzeit Die Schule geht von den drei Dalton-Grundprinzipien aus: „Freedom“, „Independence“ und „cooperation“. Die Zeiteinteilung („budgeting time“) der Schüler/innen spielt nicht mehr so eine große Rolle, dafür wird der eigenverantwortlichen Arbeit ein besonderer Stellenwert eingeräumt. Es finden sich an der Schule auch noch andere Auslegungen der Prinzipien von Parkhurst: die Daltonprinzipien sind in diesem Fall „freedom“, „cooperation“ und (vor allem) „responsibility“. An der Schule kann man zwischen zwei großen Dalton Varianten unterscheiden. An der Primary School gibt es die Dalton-Blöcke oder „Short Assignments“ und an der zweiten Stufe – Lower Secondary Level – gibt es so genannte „Long Term Dalton Assignments“. Manche Lehrer/innen der zweiten Stufe kombinieren auch beide Formen der Assignments. Es bleibt jedem/r Lehrer/in überlassen, wie die genaue Umsetzung aussieht. Eine Besonderheit an der zweiten Stufe der Schule, ist das „Long Term Assignment“, das von fünf Lehrerinnen/Lehrern praktiziert wird. Die Umsetzung des Daltonplans sieht mit dieser Weiterentwicklung etwas anders aus, als z.B. an den österreichischen Schulen. Nach Aussagen der Lehrpersonen implementieren sie lediglich Elemente des Daltonplans. „I think it`s, it`s not Dalton, the clear Dalton, it`s innovatively way of teaching or something like that. .... So it`s not a typical Dalton.“ (HU, X, 1) Das heißt es gibt nicht jeden Tag fixe Daltonstunden, sondern von den Lehrer/innen wird ein Thema – als Beispiel aus dem vergangenen Jahr wurde mir „Renaissance“ und „Südafrika“ genannt – ausgewählt, was dann nach dem Daltonplan abgearbeitet wird. An der Daltonarbeit sind nach Interesse und Bereitschaft ungefähr fünf Lehrer/innen unterschiedlicher Unterrichtsfächer beteiligt. Allerdings erinnert diese Arbeitsweise eher an Projektarbeit, denn 63 diese Themen müssen nicht fächerübergreifend behandelt werden und es machen auch nicht alle Lehrer/innen bei diesen Projekten mit. Nach Aussagen der Lehrpersonen sind manche Unterrichtsgegenstände mehr und andere weniger für diese Unterrichtsmethode geeignet, je nachdem wie viel an gebundenem Unterricht notwendig ist. Ein „Long Term Dalton Assignment“ wird für einen Zeitraum von ca. 14 Tagen entwickelt und jeweils zwei Stunden pro Woche wird dann ein Thema von den Schülerinnen/Schülern selbständig bearbeitet. In Kombination zu dieser Methode wenden manche Lehrer/innen auch noch die kürzeren Assignments, die „Short Assignments“ an, welche überwiegend an der ersten Stufe zur Anwendung kommen. Die Schüler/innen haben dann zwei Mal pro Woche, für jeweils zwei Stunden Daltonblöcke. In dieser Zeit können natürlich keine großen Projekte gemacht werden, vielmehr erhalten die Schüler/innen ein „Dalton Handout“, in dem alle Aufgaben stehen, die zu erledigen sind. Für jüngere Schüler/innen ist diese Methode von Vorteil, da sie so einen Überblick über die Arbeit erhalten und sich das Pensum für sie noch über einen überschaubaren Zeitraum erstreckt. Die Organisation dieses Unterrichts ist nach Angabe der interviewten Personen nicht sonderlich schwierig, da nur ein/e Lehrer/in in der Klasse unterrichtet, diese einen Überblick über den gesamten Lernstoff hat und sich nicht mit anderen Lehrer/innen absprechen muss. Auf einer Magnet-Tafel werden die Leistungsfortschritte mittels Pin angezeigt und wenn die Schüler/innen fertig sind, können sie noch extra Aufgaben bearbeiten und sich in ein bestimmtes Themengebiet vertiefen. Ein Assignment baut sich dann folgendermaßen auf: Alle Schüler/innen müssen das Minimum-Assignment („core material“) erfüllen. Wenn diese Arbeit erledigt ist, können die Schüler/innen aus einem Pool von „options“ wählen. Das sind Aufgaben, die der/die Schüler/in aufgrund seiner/ihrer individuellen Vorlieben aussuchen kann. In diesem Bereich sollen die Themen aus dem „core material“ vertieft werden, oder es werden zusätzliche Themenbereiche angeboten. Weiters gibt es die „extra-activities“, bei denen die Schüler/innen die Möglichkeit haben, sich den Lernstoff auf unterschiedliche Art anzueignen. Es kommen dann beispielsweise Computerprogramme, das Internet und andere unkonventionelle Lernmethoden zum Einsatz. Jedes Assignment schließt dann mit einem Test oder einer Prüfung ab.5 5 vgl. die Beschreibung des Daltonplans der Husova Dalton Schule. Online im Internet: URL: http://www.zshusovadalton.cz/index/engl.htm#db (Stand: 2007-09-08) 64 Im „Short Term Dalton Assignment“ orientieren sich die Lehrer/innen nach dem folgendem Aufbau (vgl. Moskvan/Bajer 20046), wobei jedoch betont wird, dass es im Ermessen der Unterrichtenden selbst liegt, in welchem Ausmaß sie diesen Plan wirklich übernehmen. - Instruction - Compulsory activities - Optional activities - Delayed attention - Independent work - Administration/paper work - Evaluation - Self evaluation - Evaluation following a book - Handling handouts etc. - Other activities - Summary – teacher’s evaluation Kurze Erklärung der einzelnen Begriffe: Jedes Assignment beginnt mit der „instruction“ durch die Lehrperson. In dieser Zeit, ca. 1020 Minuten, geht der/die Lehrer/in auf Fragen der Schüler/innen bezüglich der Aufgaben ein. Während der „delayed attention“ nimmt sich die Lehrperson zurück und greift nur dann in den Arbeitsablauf ein, wenn es zu Disziplinproblemen kommt oder wenn Schüler/innen um Hilfe bitten. Die Schüler/innen können während dieser Zeit selbständig und eigenverantwortlich lernen und arbeiten. Vor allem in dieser Zeit werden die Prinzipien des Daltonplans wirksam. Die „evaluation“ der Arbeit ist der Abschluss jedes Assignments. Lehrende an der zweiten Stufe, die nicht diese speziellen „Long Term Assignments“ machen, arbeiten in der eigenen Unterrichtsstunde nach den Prinzipien des Daltonplans. Das Assignment wird in diesem Fall auf die Zeit von 45 Minuten reduziert, folgt aber ähnlichen Schritten: Zu Beginn gibt es ebenfalls die „instruction“, dann die „delayed attention“ und am Schluss folgt die „evaluation“. Abwandlungen dieser Orientierung sind aber wie auch bei den anderen Varianten abhängig vom jeweiligen Lehrkörper und dem Unterrichtsfach. 6 Moskvan Wladimir/Bajer Lukas (2004): Dalton in Brno. Online im Internet: URL: http://www.daltoninternational.org/Magazine.html (Stand 2009-05-04) 65 15.3 Freiheit Die Schüler/innen können die Themen, die sie bearbeiten möchten, nicht frei wählen, da die Lehrer/innen, wie sie betonen, an ein verbindliches Curriculum gebunden sind. Freiheit wird am Lower Secondary Level demnach auch als „responsibility“ verstanden, was bedeutet, dass die Schüler/innen selbsttätig, ohne Einmischung bzw. Führung der Lehrperson verantwortungsvoll an Themen arbeiten können. Die Schüler/innen haben die Themen zwar nicht selbst ausgewählt, jedoch die Art und Weise wie sie die Aufgaben bewältigen können, steht ihnen frei. Sie müssen Verantwortung für die eigene Arbeit übernehmen und auch den Mitschülerinnen/Mitschülern verantwortungsvoll gegenüber treten. Auf der Homepage der Vereinigung Dalton International findet man eine Auflistung (vgl. Moskvan/Bajer 20047), auf welchen Ebenen sich die Freiheit der Schüler/innen auswirkt: - choosing the working-place - choosing the way of work – either alone, or in group - choice in asking/not asking for help - choosing the most suitable tools - choice in planning and timing - choice in handling the leisure time 15.4 Kooperation Während den Daltonphasen – hier werden sie auch „Long Term Dalton Assignments“, genannt – können bzw. müssen die Schüler/innen zusammen arbeiten. Wird diese Daltonphase wie ein Projekt gehandhabt, dann kann jeder Lernende sich für eine bestimmte Aufgabe entscheiden bzw. bekommt eine zugeteilt. Dafür gibt es einen speziellen Flip-Chart, wo alle Aktivitäten eingetragen werden. So ist eine übersichtliche Arbeitsplanung möglich und die Schüler/innen wissen was ihre Aufgabe ist. Dadurch kann die Lehrperson ebenfalls den Überblick bewahren. 7 Moskvan Wladimir/Bajer Lukas (2004): Dalton in Brno. Online im Internet: URL: http://www.daltoninternational.org/Magazine.html (Stand 2009-05-04) 66 Das „Long Term Assignment“ beschränkt sich auf eine Klasse. Das heißt eine Zusammenarbeit mit Schülerinnen/Schülern anderer Klassen ist nicht möglich. Als Grund für diese besondere Interpretation des Daltonplans werden auch die vielen kleinen Klassenräume der Schule genannt, die bei so einer Arbeitsweise eher hinderlich sind. In der Arbeit mit den kurzen Assignments (den „Short Assignments“) können die Schüler/innen jederzeit miteinander arbeiten. Die Sozialform (alleine oder in der Gruppe) kann demnach frei gewählt werden, wobei sich eine Zusammenarbeit aber lediglich auf die eigene Klasse beschränkt. Während man bei dieser Form auch alleine arbeiten kann, ist eine Zusammenarbeit im „Long Term Dalton Assignment“ zwangsläufig gegeben, da es sehr an Projektarbeit orientiert ist. 15.5 Zeiteinteilung Zu Beginn eines „Long Term Assignments“, welches sich über ca. zwei bis drei Wochen erstreckt, wird mit der Lehrperson die Aufgabe besprochen. Dabei wird erklärt, was von den Schülerinnen und Schülern erwartet wird, wobei diese sofort mögliche Unklarheiten besprechen können. Auch während der gesamten Arbeit steht den Schülerinnen und Schülern die Lehrperson als Berater/in zur Seite. Mittels „Dalton Organizer“ oder „Task List“ wird zu Beginn ein Plan erstellt, der darüber Informationen enthält, welche Aufgaben bis zu welchem Zeitpunkt erledigt werden müssen. Das hilft dem Lernenden sich besser einzuschätzen und die eigene Arbeit richtig einzuteilen. Im Organizer werden auch wichtige Termine, wie schriftliche Prüfungen und Tests eingetragen. Zwei mal pro Semester können sich die Schüler/innen für mündliche Prüfungen melden, die dann auch im Heft eingetragen werden. Diese Art der Aufzeichnung wurde entwickelt, weil es Probleme mit den Magnet-Tafeln gegeben hat. Die Schüler/innen waren mit der Handhabung nicht konsequent genug und diese Art der Leistungsfortschrittskontrolle wurde nur als zusätzliche Last empfunden. Auch glaubten die Schüler/innen, dass es nicht auffällt, wenn sie ihre Arbeiten nicht erfüllen. „The first year I was teaching, five years ago, some of the students just gave... picked the magnet... ‘bang’ and ‘I did it’ and nothing was done.“ (HU, X, 3) 67 15.6 Kooperation der Lehrenden Auch an der Husova Dalton Schule wird den Lehrenden sehr viel Spielraum in der Umsetzung des Daltonplans gelassen. Grundprinzipien müssen eingehalten werden, alles Weitere wird an die Vorstellungen der Lehrpersonen bzw. an die Bedingungen, die in der Klasse gegeben sind, angepasst. Zu diesen Grundprinzipen gehören Freiheit, Zusammenarbeit und Selbsttätigkeit. Diese Richtlinien werden von allen Lehrenden respektiert. Wie die Umsetzung im Einzelfall aussieht, bleibt aber jeder Lehrperson selbst überlassen. Eine Kooperation der Lehrenden ist im Grunde nur bei der Arbeit an den „Long Term Assignments“ gegeben, da die Themen teilweise fächerübergreifend behandelt werden. Die Themen werden mit den anderen Lehrpersonen in Zusammenarbeit beschlossen. Dafür werden keine extra Termine für Besprechungen festgelegt, sondern sie treffen sich meistens im „staffroom“, wo die Materialien für den Unterricht vorhanden sind und wo man zwangsläufig ins Gespräch kommt. Obwohl eine Zusammenarbeit nicht unbedingt vorgesehen ist, wird sie dennoch von den Kolleginnen und Kollegen sehr geschätzt. Wenn es zu Problemen in der Arbeit mit dem Daltonplan kommen sollte, unterstützen sich die Lehrer/innen gegenseitig. Ein Austausch findet also immer statt. „We are supportive together. We help each other.“ (HU, X, 9) IV DER DALTONPLAN HEUTE 16 Auswertung 16.1 Was ist der Daltonplan heute? Wenn man sich die Beschreibungen der vier Schulen ansieht fällt auf, dass sie doch sehr unterschiedlich den Daltonplan anwenden. Da ist es verständlich, wenn Fragen gestellt werden wie z.B. „Was macht den Daltonplan aus?“, „Kann man bei so viel Freiheit und unterschiedlichen Modifikationen, die praktiziert werden überhaupt noch von einem Plan bzw. einem Konzept sprechen?“, „Gibt es den ‚originalen’ oder den ‚typischen’ Daltonplan überhaupt, wenn er ohnehin nur in adaptierter Weise zur Anwendung kommt?“ und „Ab wann 68 kann man sagen, dass der Daltonplan praktiziert wird und nicht ein anderes Konzept offenen Unterrichts?“ Diese Fragen lassen sich nur schwer beantworten und auch in der Fachliteratur wurde dieses Thema noch nicht explizit behandelt. Lediglich Popp (1999) weist darauf hin, dass es für die Qualität der Umsetzung auf die Evaluation der Lernprozesse ankomme. Die Prinzipien des Daltonplans sollten immer im Auge behalten werden und die Reflexion der Wirksamkeit des Schulunterrichts sei eine Grundvoraussetzung um die Qualität desselben zu sichern (vgl. Popp 1999, S. 64). Auch Parkhurst selbst hat sich zu diesem Thema nicht geäußert. Wohl ging es ihr um die Prozesshaftigkeit von Entwicklung, wie diese jedoch genau aussieht, bleibt unklar. Auch war ihr die Reorganisation des Unterrichts ein Anliegen und da war in ihrer Zeit jede Weiterentwicklung besser als gar keine (vgl. Parkhurst 1922, S. 28). Weiterentwicklung kann immer nur schrittweise passieren und so scheint es gerade ein Kennzeichen von Daltonschulen zu sein, dass sie keinen Stillstand erleben und die Lehrer/innen ständig bemüht sind, ihren Unterricht zu verbessern, neue Unterrichtsmethoden auszuprobieren und sich nicht an strikte Regeln bzw. Vorgaben zu klammern. „Also ich denke, ich mache, also jeder macht das auf eigene Weise, also ich setze nur das durch, was mir Spaß, na ja, Spaß macht, was den Kindern etwas bringt. Ich kann zwar ein Modell übernehmen, aber wenn ich sehe, das und das und das passt nicht für meine Klasse, dann mach ich das nicht.“ (CH, X, 4) Wenn Parkhurst ihren Dalton Laboratory Plan als „way of life“ bezeichnet hat (vgl. Popp 2002, S. 66), so bedeutet das für jeden einzelnen, dass man die Prinzipien „freedom“, „cooperation“ und „budgeting-time“ anerkennt, praktiziert und lebt. Das bedeutet, dass jede/r Lehrer/in diese Prinzipien akzeptiert, jedoch unterschiedliche Formen der Umsetzung entwickelt und auch auf unterschiedliche Resonanzen bei den Schülerinnen/Schülern stößt. Man erkennt möglicherweise, dass es nicht den einen richtigen Weg gibt. Darüber hinaus ist die Umsetzung dieser Prinzipien abhängig von unterschiedlichen Rahmenbedingungen, je nachdem wie viel Spielraum gelassen wird. Manche Lehrer/innen gehen sogar noch weiter und erklären, dass auch andere pädagogische Konzepte dem des Daltonplans entsprechen und dadurch seine Umsetzung ermöglichen. 69 „It doesn’t have to be Dalton. It can be some other, but always to be creative, it’s important.“ (HU, Y, 3) Wenn man die Daltonprinzipien als Grundpfeiler des Konzepts ansieht, erhebt sich die Frage, ob man diese überhaupt tauschen, ersetzen oder modifizieren kann. In Holland bzw. auch an einzelnen Schulen, die ich untersucht habe, ist es üblich, nicht „budgeting-time“ als drittes Prinzip anzusehen, sondern „responsibility“ oder auch „independence“. Weshalb entschließt man sich aber dann, seine Arbeitsweise als Daltonplan zu bezeichnen, wenn andere reformpädagogische Konzepte für die Lehrer/innen ähnlich sind, bzw. genauso in Frage kommen würden? Wie die Interviews ergaben sind tatsächlich nicht alle Lehrer/innen aus eigenem Interesse auf diese Unterrichtsmethode gestoßen. In den vorgestellten Schulen ist der Daltonplan vielmehr durch die Initiative von einzelnen Lehrerinnen/Lehrern eingeführt worden und es hat sich nicht der gesamte Lehrkörper dazu entschlossen. Vielmehr musste sich der Großteil erst mehr oder weniger dazu bereit erklären. Ein Lehrer/innen-Team musste also anfangs erst gefunden bzw. Überzeugungsarbeit geleistet werden. An den tschechischen Schulen wird bei der Arbeit mit dem Daltonplan ein sehr großer Spielraum gelassen, da die Lehrer/innen nicht die Möglichkeit haben, sich zwischen regulärem Unterricht und Daltonunterricht zu entscheiden. Ein Grund für die Wahl des Daltonplans könnte sein, dass das Konzept im Vergleich zu anderen reformpädagogischen Konzepten leicht ins Regelschulsystem zu integrieren ist. So scheint es zumindest. Es werden die drei Grundprinzipien von Helen Parkhurst beachtet und man versucht sie in die Rahmenbedingungen einzugliedern. Sollten sich nicht alle Kolleginnen und Kollegen dazu entschließen mit zu arbeiten, dann eben nicht, aber es wird zumindest versucht. Eindeutige Kriterien, was nun Unterricht nach dem Daltonplan ist, gibt es nicht. Entweder die Lehrer/innen „leben“ danach, oder nicht, sagen sie. Es gibt keine diesbezügliche Zertifizierung oder ähnliches und das bedeutet, dass sich jede Schule als „Daltonschule“ bezeichnen darf. Die Umstellung auf das neue System erfolgt schrittweise, was den Einstieg ungemein erleichtert bzw. da sich das Konzept kontinuierlich an die Gegebenheiten anpasst, kann auch keine Kritik geübt werden, wenn bestimmte Modifikationen nicht „Dalton“ genug sind. Eine Frage bleibt jedoch offen. Wieso nennt man sich nicht z.B. „Arbeitsplan-Schule“ oder gibt sich nicht einen neuen Namen, wenn man nur Elemente vom Daltonplan implementiert? 70 Selbst die Schule, die Parkhurst in New York leitete, praktiziert heute den Daltonplan in sehr abgewandelter Weise, hält jedoch immer noch an demselben, von ihrer Gründerin gegebenen, Namen fest (vgl. Semel/Sadovnik 1999, S. 211). Schon Parkhurst hatte zu ihrer Zeit den Namen der Schule von Children`s University School in Dalton School umbenannt (vgl. Semel/Sadovnik 1999, S. 172), was vermutlich in der Absicht geschah, sich von anderen Schultypen zu unterscheiden und die Aufmerksamkeit der Öffentlichkeit auf ihr Konzept zu lenken. Heute scheint die Namensgebung ebenfalls mit Prestige verbunden zu sein, damit der Schule mehr Aufmerksamkeit zukommt. Gegen diese These spricht aber, dass der Daltonplan weder in Österreich noch in Tschechien auch unter „Insidern“ wirklich bekannt ist und somit kaum Zuschreibungen, weder negativer noch positiver Natur, erfährt. Dennoch zeigt sich ein Widerspruch, da man sich einerseits auf den Daltonplan beruft, gleichzeitig aber gibt man als Legitimation für die Implementierung von nur einzelnen Daltonelementen die „Veralterung“ des Konzepts an. „Nachdem Helen Parkhurst selber gesagt hat, dass es ein ganz offenes Konzept und es ist für jeden so zu adaptieren, wie es für ihn notwendig ist, glaub i nit, dass ma a Konzept, was über hundert Jahre alt ist, eins zu eins übernehmen sollte oder kann. Aber es war von ihr auch nicht so gedacht. Das Grundlegende an ihrem Konzept finden wir... einfach wunderbar. Es ist eine Organisationsform, äh und das Wichtigste daran ist der respektvolle Umgang von Lehrern und Schülern untereinander.“ (HG, Y, 5) Es scheint, also ob die Flexibilität des Daltonplans als Freibrief verstanden wird. Jede erdenkliche Modifikation ist damit legitimiert und es entwickelt sich das Konzept zu einem Begriff, der Alles und Nichts bedeuten kann. Wie ich auf dem Daltonkongress im Mai 2007 in Brno erfahren habe wird die „Formlosigkeit“ des Daltonplans in Holland bereits seit längerem diskutiert. Wenn aber eine Schule betont mit dem Daltonplan zu arbeiten, stellt sich zwangsläufig die Frage nach der konkreten Umsetzung des Konzepts. Es stellt sich jedenfalls heraus, dass der Daltonplan offensichtlich nicht mit anderen reformpädagogischen Konzepten vergleichbar ist, wo der Name sozusagen Programm ist, wo relativ genaue Vorstellungen bzw. Reglementierungen hinsichtlich der Unterrichtsmethode herrschen und der Schule der Name „verliehen“ wird, wenn alle Kriterien erfüllt und eingehalten werden. 71 Die Frage bleibt also offen, warum nicht gleich eine „neue“ Schule bzw. Unterrichtsmethode entwickelt wird, ohne dass man sich auf den Daltonplan beruft. 16.2 Wieso Daltonplan? 16.2.1 Daltonplan oder doch etwas anderes? Zu Beginn meiner Untersuchungen war ich von der Annahme ausgegangen, dass doch eine gewisse Geschlossenheit in der Vorstellung und Umsetzung dessen, was DaltonplanPädagogik ist, für Dalton-Unterrichtende besteht, damit dieses Konzept nachvollziehbar und überzeugend umgesetzt werden kann. Was bei den Ausführungen der interviewten Lehrer/innen auffällt, ist die Tatsache, dass sie nicht nur die Zugehörigkeit zu Dalton nicht sonderlich betonen, sondern teilweise auch eine gewisse Beliebigkeit zum Ausdruck bringen, wie ihre Unterrichtsmethoden konzeptmäßig einzuordnen sind. „And we are picking different methods to reach the knowledge in, in the heads of our pupils. So if you call this Dalton, then I am teaching Dalton. (laugh)“ (HU, X, 1) Grundsätzlich wird von den Lehrerinnen/Lehrern auch betont, dass sie nur Elemente von Dalton verwenden und sich dennoch als Daltonschule bezeichnen, oder wenn dies nicht der Fall ist, dass sie noch nicht so weit in der Verwirklichung des Systems sind. Andererseits sind sie anderen Konzepten und Ideen nicht abgeneigt. „Und, ob das jetzt Montessori ist, oder Jenaplan oder Freinet, das ist so und so, ... eben auf der Basis des schülerzentrierten... nur sucht sich halt dann auch jeder Lehrer das aus, was zu ihm passt, ja.“ (HG, X, 7) 16.2.2 Zugang zum Daltonplan Interessant ist jedoch, wie die Lehrer/innen auf das Konzept des Daltonplans gekommen sind. War also der Ausgangspunkt für die Entwicklung des Daltonplans ein eigenes Bestreben den Unterricht zu verbessern, oder wurde den Lehrenden das Konzept aufgetragen? Der Zugang zum Daltonplan wird von ihnen sehr unterschiedlich geschildert. Manche haben in ihrer Ausbildung bereits mehr darüber erfahren, oder sie sind über ein Montessori-Seminar auf das 72 Thema gestoßen, haben eine Volksschulklasse übernommen, die bereits mit dieser Unterrichtsmethode vertraut war, oder es wurde eine Lehrperson für eine bereits bestehende Dalton-Klasse gesucht. Manche waren gleich mit Begeisterung dabei. „Das hat sehr interessant geklungen und dann hab ich eigentlich die Möglichkeiten ergriffen, mich zu verändern. Nachdem ich ja insgesamt 33 Jahre jetzt unterrichte, war das so ein Schritt wieder einmal.“ (ES, Y, 1) Andere waren kritischer und zurückhaltender: „Ich wurde nicht gezwungen, denn man kann ja andere Unterrichtsgegenstände äh mit Freiarbeit besetzten, aber ich habe mir gedacht, ich kenn das noch nicht, ich schau mir das einmal an. Es kann nicht viel passieren.“ (HG, Z, 1) Gezwungen wurde niemand diese Methode anzunehmen, jedoch sind die Vorbereitungen auf das neue Konzept sehr unterschiedlich ausgefallen. Sie reichen von Seminaren, die von den Schulen organisiert wurden, bis hin zu Selbststudien und einem „learning by doing“, wobei das Augenmerk der Lehrer/innen ohnehin nicht auf der Ausbildung zu liegen scheint, vielmehr stehen das Interesse und die Bereitschaft etwas zu verändern ihrer Aussage nach im Mittelpunkt. „Zusatzausbildungen braucht es im Prinzip nicht, ist natürlich nicht schädlich. Jede Zusatzausbildung ist immer angenehm, aber es ist nit, nit erforderlich. Sondern sich einfach mit dem Konzept auseinandersetzen und dann geht das so auch.“ (HG, Y, 1) Allerdings hört man immer wieder, dass Lehrpersonen überfordert sind und sich dem einzelnen Lernenden nicht in dem Ausmaß widmen können, wie sie dies gerne wollten. Röhrs (1990) beschreibt die ideale Unterrichtssituation folgendermaßen: „Der Lehrer selber ist frei geworden für gezielte Kontrollen und Hilfen bei jenen [Schüler/innen], die seiner unmittelbar bedürfen.“ (vgl. Röhrs 1990, S. 181). Was hier so einfach klingt, scheint in der Realität nur mit großem Organisationsgeschick möglich zu sein. Die Idee, dass man die Vorbereitung für ein Pensum macht und sich dadurch während des Unterrichts vollständig auf die Schüler/innen konzentrieren kann, klingt viel versprechend und interessant, aber trotzdem 73 sieht es im Schulalltag oft anders aus. Wie sich in den Aussagen der Lehrer/innen zeigt, ist viel Geschick erforderlich, um den Überblick in einer Daltonklasse zu bewahren und um individuell auf die Schüler/innen eingehen zu können. Lehrende müssen erkennen und unterscheiden, wann jemand Hilfe braucht um ihn/sie dann zu unterstützen, oder ob Schüler/innen einfach Anstrengung vermeiden wollen. Diese sollten Lehrende dann ermutigen sich eigene Lösungswege zu überlegen um die Arbeit erfolgreich zu bewältigen. „Also das ist eins der wesentlichen Dinge, dass man so ein bissl Augen und Ohren überall haben kann, gleichzeitig. (lachen) Und zwar zum Teil ganz einfach, weil Kinder doch immer fragen kommen, und dass dann die anderen, ich will nicht sagen, sich unbeobachtet fühlen, aber man muss so immer ein bisschen auch schauen und die anderen ein bissl im Blickfeld haben. Weil manche das natürlich auch versuchen auszunützen.“ (ES, X, 1) Neben der Organisation während des Unterrichts ist auch die Organisation bezüglich der Entwicklung der Assignments eine Herausforderung. So ist es schwierig Aufgaben für niveaudifferenzierte Pensen zu entwickeln, weil relativ viel Vorbereitungszeit benötigt wird. Mit „niveaudifferenziert“ ist gemeint, dass die besseren Schüler/innen nicht einfach nur mehr Aufgaben als die schlechteren bekommen, sondern dass sich auch das Pensum, welches unbedingt erfüllt werden muss, im Niveau unterscheidet. Das heißt, die schwächste Gruppe hat von Grund auf ein leichteres Pensum, als die leistungsstärkste Gruppe. Vor allem Lehrer/innen, die noch nicht auf einen großen Erfahrungsschatz bezüglich der Arbeit mit dem Daltonplan zurückgreifen können, haben oft Schwierigkeiten, neben den Basisaufgaben für Schüler/innen, niveaudifferenzierte bzw. besonders interessante Arbeitsaufgaben zu entwickeln und zugleich auf deren spezielle Interessen einzugehen. „Deshalb greifen dann doch die meisten Lehrer dann auch aus Zeitmangel auf Lehrbücher zurück, die aber im Niveau überhaupt nicht differenziert sind, wo Texte drinnen sind, die Kinder mit nichtdeutscher Muttersprache ... nicht den Sinn nicht herausholen können.“ (HG, X, 4) „Also ich bin schon ziemlich gefordert. Und des Eingehen auf unterschiedliche Leistungsstufen ist net so ganz einfach. Also ich könnt mir vorstellen, dass das 74 vielleicht mit ein Grund ist, auch das Überlegen was machen die Schwachen, was machen die Besseren oder was kann ich demjenigen geben, der gut ist oder sehr gut ist, noch als Anreiz sozusagen geben, dass er da nicht hängen bleibt, sondern noch weiter macht.“ (ES, X, 11) 16.2.3 Warum Unterschiede? Wie begründen Lehrer/innen den Unterschied zum originalen Daltonplan? Was ist überhaupt nicht umsetzbar? Die Spannbreite der Vorstellung, wie der Daltonplan richtig umgesetzt wird, ist sehr groß. Manche sehen die Umsetzung des Daltonplans, wie ihn Parkhurst entwickelt hat, als das große Ziel an, andere wiederum sind der Meinung, dass dieser entweder nicht mehr zeitgemäß, oder auch grundsätzlich nicht umsetzbar ist. Letztere sind auch der Meinung, dass sich die Rahmenbedingungen grundlegend geändert haben und auch die Voraussetzungen der Schüler/innen unterscheiden sich so völlig von denen zu Parkhursts Zeiten, dass eine buchstabengetreue Umsetzung nicht mehr möglich ist. „Ganz einfach, weil die Gegebenheiten damals andere waren, als sie heute sind. Ich mein, allein schon von, von den Kindern her. Also da waren sicher andere Voraussetzungen die sie hatte, mit den Kindern die wir heutzutage haben. Äh, man muss auch in manchen Klassen, wenn es sehr schwache Schüler sind, wirklich auch auf ein Minimum reduzieren, und Mut zur Lücke haben, aber umgekehrt hat man auch die Möglichkeit, wenn vereinzelt welche drinnen sind, dass man die wirklich optimal fördert.“ (ES, X, 9) An manchen Schulen scheint es, als würde gar nicht versucht werden, den Daltonplan in seiner ursprünglichen Form umzusetzen, sondern er wird von Grund auf, in adaptierter Weise angewandt. So ist nicht das Konzept von Parkhurst das entscheidende Vorbild, sondern es sind vielmehr die Prinzipien, die dahinter stehen, auf die das Augenmerk gelegt wird. Was die Graphen betrifft, so wurden sie an den meisten Schulen wieder abgeschafft bzw. erst gar nicht eingeführt, weil das Eintragen in die Listen als zu zeitaufwändig schien. Nun sind aber gerade die Graphen ein Grundpfeiler des Daltonplans. Eine andere Entwicklung hat sich an der Chalabalova Dalton Schule vollzogen. Das Konzept wurde in der zweiten Schulstufe (mit unserer Unterstufe zu vergleichen) nicht weiter 75 praktiziert, weil es zu Disziplinproblemen gekommen ist. Dort versucht man nun, die Daltonprinzipien im Projektunterricht zu integrieren. Das heißt, es wurde nicht versucht die Schule an das Konzept anzupassen, sondern das Konzept wurde an die Schüler/innen angepasst. Diese Entwicklung hat zwei Seiten. Zum einen ist wohl die Modifikation an die gegebenen Bedingungen ein wesentliches Element des Unterrichts nach dem Daltonplan. Zum anderen stellt sich aber die Frage, ob nicht zu schnell aufgegeben wird. Es wäre jedenfalls kritisch zu hinterfragen, wenn das Konzept vorschnell (und ohne eingehende Analyse) geändert wird, sobald z.B. Schüler/innen Probleme haben verantwortungsvoll mit Freiheit umzugehen. Denn das Erlernen mit der Freiheit umzugehen ist ja gerade das gesteckte Lernziel für Schüler/innen, die nach dem Daltonplan unterrichtet werden. Der verantwortungsbewusste Umgang mit Freiheit ist nicht Grundvoraussetzung, sondern Ergebnis. Das Motto kann daher nur lauten: Gerade weil Schüler/innen (noch) nicht selbständig sind, müssen wir mit dem Daltonplan arbeiten und Freiheiten zugestehen. 16.2.4 Vorläufer Offenes Lernen Größtenteils wurde an den Schulen bereits „Offenes Lernen“ praktiziert. Auf der einen Seite erleichtert das den Übergang zum Daltonplan, da es nicht eine völlige Umstellung der Unterrichtsgestaltung bedeutet und bereits viele Materialen für einen Dalton-Unterricht vorhanden sind. Für die Lehrperson bedeutet es auch, dass sie langsam in die Methode hineinfindet und nicht völlig überfordert wird. „Ja, also über das sind wir dazu gekommen, ja. So über den, das offene Lehren war so ihrs. Und dann hat sie eben den Schwenk so ein bissl gemacht Richtung Daltonplan. Mir gfallts a recht gut, ja, ich bin a recht zufrieden damit.“ (ES, X, 1) Auf der anderen Seite kommt aber der Verdacht auf, dass sich eigentlich nicht viel geändert hat. Der Unterricht könnte bis auf einige wenige formale Änderungen gleich geblieben sein. „Zu uns sind die Lehrer aus Holland gekommen, aus einer Daltonschule. Und die haben uns darüber was gesagt. Aber vorher haben wir schon etwas so was Ähnliches gemacht. Und weil es halt Daltonplan hieß, okay, wir haben Namen übernommen.“ (CH, X. 1) 76 Die Lehrer/innen erklärten, dass der Daltonplan ihrer Meinung nach eigentlich sehr verbreitet sei, nur wüssten die meisten gar nicht, dass sie nach der Daltonplan-Pädagogik unterrichten. Auch diese Aussagen sind kritisch zu hinterfragen, denn es ist nicht ausgeschlossen, dass sich die Prinzipien, die Helen Parkhurst genannt hat, auch tatsächlich in vielen pädagogischen Konzepten wieder finden. Dann wäre das Konzept aber nicht eigenständig und möglicherweise handelt es sich dann um einen Etikettenschwindel. Allerdings wurde von Parkhurst betont, dass ständige Reflexion und Weiterentwicklung notwendig sind, um den Grundgedanken des Konzepts zu verwirklichen. Das muss freilich bewusst geplant und umgesetzt werden. 16.3 Einflussfaktoren Nachfolgend wird untersucht, wie die Umsetzung des Daltonplans in der Praxis aussieht und welche Einflussfaktoren dabei eine Rolle spielen. Es hat sich jedenfalls gezeigt, dass die Organisation des Unterrichts umso schwieriger wird, je mehr Kooperation mit anderen Lehrerinnen/Lehrern gefordert wird und je strikter man sich an die Vorschläge von Parkhurst hält. An der Husova Dalton Schule und an der Chalabalova Dalton Schule, die den Daltonplan in sehr abgewandelter Weise anwenden, ist eine enge Zusammenarbeit der Lehrer/innen an den Pensen nicht zwingend erforderlich. Diese sind so konzipiert, dass die Schüler/innen sie entweder in einer Schulstunde erfüllen können oder jede Klasse für sich am Daltonplan arbeitet. Aber auch die Schulleitung hat erheblichen Einfluss auf die Umsetzung des Daltonplans. Diese kann Rahmenbedingungen schaffen, die eine Umsetzung des Konzepts entweder fördern oder aber behindern. 16.3.1 Die Rolle der Schulleitung Für Daltonlehrer/innen spielt die Schulleitung eine große Rolle. Ihren Aussagen zufolge finden sie durch die Schulleitung nicht nur Unterstützung in ihrer Arbeit, sondern auch die nötige Freiheit in der Umsetzung des Daltonplans. Die Unterstützung wird als „wohlwollend“ bezeichnet, wenngleich auch zum Ausdruck kommt, dass die Schulleiter/innen hauptsächlich eine Kontrollfunktion übernehmen. Solange die Arbeit der Lehrer/innen Erfolge zeigt, können sie größtenteils ihre Ideen und Projekte umsetzen. Erst wenn Probleme auftreten sollten (Unzufriedenheit der Eltern oder Schüler/innen, Konflikte zwischen den Lehrerinnen/Lehrern), würde es zu Interventionen kommen, was aber reine Spekulationen 77 sind, da es bisher in keiner Schule vorgekommen ist, dass die Daltonlehrer/innen von der Schulleitung in die Schranken gewiesen oder angehalten wurden, sich mehr am Daltonplan zu orientieren. „Ja, wir haben eine Methodenfreiheit, wir dürfen das tun, wenn wir zu unseren Zielen kommen, dann... ja... Also es ist schon ein Informations... sie will schon informiert sein, das schon... aber... es muss eine wohlwollende Unterstützung von der Direktion sein, sonst ist das wieder so viel Energieverlust.“ (HG, X, 6) In der Umsetzung des Daltonplans wird den Lehrenden allgemein viel Freiheit gelassen. Meist einigt man sich auf bestimmte Kriterien, die zu Beginn jedes Schuljahres bei einem Treffen aller Lehrer/innen beschlossen werden. Dann werden z.B. formale Kriterien der Pensen bestimmt (Anführung der Lernziele, die man mit der Bearbeitung bestimmter Aufgaben erfüllt) oder es kommt zur Einigung auf bestimmte Kriterien des Daltonplans, die zukünftig als Orientierung dienen sollen. Diese Rahmen-Übereinkünfte haben verbindlichen Charakter, alles andere liegt im Ermessen jeder einzelnen Lehrperson. Das Problem dieser relativ freien Vorgaben ist aber, dass die Auslegung einen großen Spielraum lässt und sie im Zweifelsfall nicht bindend sind. In der Folge kann auch die Schulleitung keine Maßnahmen setzen, da kein/e Lehrer/in verpflichtet werden kann, den Daltonplan umzusetzen. So ist es jederzeit möglich, auszusteigen und nicht mehr am Daltonplan mitzuarbeiten. „Also uns Lehrern wird relativ viel Spielraum gelassen. Wir haben so einige Vorgaben von unserem Chef, die wir immer, so ein zwei mal im Jahr, also ziemlich zu Beginn des Jahres einmal, wo wir uns zusammensetzen und das durchbesprechen; worauf legt er wert, also das sind so seine Grundlagen, des möchte er auf jeden Fall umsetzt haben.“ (ES, X, 10/11) Die Schulleiter/innen nehmen auch eine wichtige Rolle ein, wenn es um die Weiterbildungsseminare im Rahmen des Daltonplans geht. Seminare, die z.B. von Dalton International angeboten werden, bedürfen einer Zustimmung. Diese Weiterbildungen sind jedoch wichtig, da es wenig Fachliteratur zum Daltonplan gibt und damit einem Selbststudium Grenzen gesetzt sind. 78 „Da es auch ein Anliegen von unserem Chef war, haben wir auch Seminare gemacht, zum Teil im Haus, zum Teil außer Haus. Also, es war so ein Grundseminar zu dem Ganzen, und dann auch ein Aufbauseminar, das ich besucht hab.“ (ES, X, 1) Auch was die Kooperation mit anderen Schulen betrifft, ist die Schulleitung gefordert, da sie den Kontakt herstellt. Ein Beispiel hierfür sind Exkursionen, die zu anderen Schulen gemacht werden, um einen Erfahrungsaustausch zu ermöglichen oder neue Ideen und Anregungen für weitere Entwicklungen zu bekommen. Unter anderem werden Comenius-Projekte über die Schulleitung an den einzelnen Schulen organisiert, wo dann ebenfalls ein Austausch stattfinden kann. „Denn, äh man lernt nur immer und man kann sich nur weiterentwickeln, wenn man wieder Neues kennen lernt und sieht wie läufts wo anders. Äh, und der Austausch, was lauft wo gut und was lauft wo schlecht, ist besonders spannend.“ (HG, Y, 7) Für die Lehrer/innen ist es wichtig, dass die Schulleitung zu dem Konzept „Daltonplan“ steht, sodass eine gewisse Unterstützung vorhanden ist, da der Aufwand sonst zu groß wäre. Denn die Lehrer/innen müssen sich gegen andere pädagogische Konzepte und sonstige Kritiker behaupten. Ein Zuviel an Engagement, Entwicklungsbestrebungen und vor allem Rahmenvorgaben werden aber wiederum als Überforderung empfunden. Das gilt vor allem für Lehrer/innen, die nicht mit Überzeugung dabei sind und Schwierigkeiten haben sich mit dem neuen Konzept anzufreunden. Für diese sind weniger Vorgaben eine große Erleichterung. Auf der anderen Seite wären zusätzliche Vorgaben vor allem für jene Lehrer/innen ein Vorteil, die mit Begeisterung bei der Arbeit sind, da somit „an einem Strang“ gezogen wird. Dadurch könnten Entwicklungen schneller vorangehen, bzw. das Konzept könnte einheitlich in der Anwendung und geschlossen von der gesamten Lehrerschaft vertreten werden. Allerdings arbeitet aufgrund mancherorts fast „grenzenloser“ Freiheit und zu flexibler Rahmenbedingungen jede Lehrperson für sich. Der Daltonplan entwickelt sich so zu mehreren Einzelprojekten und nicht zu einem Gesamtkonzept. Um den Daltonplan nach Helen Parkhursts Vorstellungen umzusetzen, müssten Klassen vernetzt werden, d.h. eine Zusammenarbeit der Schüler/innen aus verschiedenen Schulstufen müsste ermöglicht werden. Dies erfordert wiederum fixe Zeiten für Daltonstunden. Für die Schulleitung wäre eine derartige Entwicklung sicherlich einfacher zu initiieren, als für eine 79 einzelne Lehrperson. Ein weiterer Aspekt ist die finanzielle Unterstützung der Daltonklassen. Für die spezielle Einrichtung in den Klassen, zusätzliche Schränke und Ablagen für Unterrichtsmaterialien, müssen von der Schulleitung finanzielle Ressourcen zur Verfügung gestellt werden. Die Daltonlehrer/innen zeigen sich teilweise selbst verwundert und überrascht, welche Unterstützung sie erhalten, was allerdings bei Kolleginnen/Kollegen, die in „normalen“ Klassen unterrichten auch Neid hervorrufen kann. „Na, die Direktion steht beim Daltonplan voll dahinter. Wir haben a sehr... ja wir bekommen eigentlich alles, was wir uns so fast wünschen. (lachen) Das ruft natürlich auch ein bisschen einen Neid wahrscheinlich beim Lehrkörper hervor, für die anderen Klassen. Das ist klar. Aber sonst haben wir eigentlich alle Freiheiten.“ (ES, Z, 4/5) 16.3.2 Als Kooperation großen Vorteil sehen alle Lehrer/innen die Zusammenarbeit mit ihren Kolleginnen/Kollegen. Vor allem die Unterstützung bei der Umstellung auf das neue System wird sehr geschätzt und erleichtert den Einstieg in die Arbeit mit dem Daltonplan. „Also ich bin eben erst das zweite Jahr mit dieser Unterrichtsmethode beschäftigt und ich lerne schon jede Woche noch etwas dazu, und es wächst mit“ (HG, Z, 4) Auch die Unterstützung des Kollegiums bei der Weiterentwicklung des Daltonplans wird als große Hilfe erlebt. Neue Projekte werden gemeinsam mit den Kolleginnen/Kollegen überdacht und oft bedarf es lediglich eines Anstoßes der anderen Lehrer/innen um auch Veränderungen möglich zu machen bzw. ein Projekt realisieren zu können. „...and äh we always if I come with crazy ideas, they don`t say it`s nonsense. (laugh) You can do it. Try it. Perfect. Do this. And they are ... they give me help and so on. I think it`s very important.“ (HU, Y, 3) Eine gute Zusammenarbeit ist auch bei der Entwicklung der Arbeitsblätter und neuen Arbeitsmaterialien von Vorteil, um einen reibungslosen Ablauf in der Erstellung zu gewährleisten. Für das Pensum kann beispielsweise eine Maske bzw. Vorlage in Zusammenarbeit mit dem Kollegium entwickelt werden, in der alle Arbeitsaufträge für die 80 Schüler/innen eingetragen werden. Diese bleiben dann für das ganze Schuljahr bestehen und ermöglichen somit eine gewisse Routine. „Und wenn einer etwas erstellt, kanns auch der andere entnehmen. Das heißt, es macht nicht jeder nur für sich, sondern es wird da wirklich... im Team gearbeitet und wenn einer was erstellt, kann es der Nächste genauso verwenden.“ (HG, Y, 6) Auch in der Begutachtung und Beurteilung der einzelnen Aufgaben, die die Schüler/innen erledigen, ist Einigkeit wichtig, um bei Fachvertretungen die Aufgaben der Schüler/innen ebenfalls abzeichnen zu können. In den Schulen zeigt sich aber, dass es meist dem Engagement von ein oder zwei Lehrer/innen zu verdanken ist, dass Entwicklungen durchgesetzt werden und die sich auch bemühen, den Daltonplan bekannt zu machen und seine Idee zu verbreiten, einerseits in der Öffentlichkeit, aber auch schulintern. An einigen Schulen gibt es auch eigene Daltonbeauftragte bzw. Daltonverantwortliche. Diese nehmen dann eine zentrale Rolle ein, da die Schulleitung in den meisten Fällen den Daltonlehrer/innen sehr viel Freiheit in der Umsetzung des Daltonplans lässt. Da sich jede Lehrperson mit eigenen Vorstellungen vom Daltonplan einbringen bzw. sich auch die Zeit nehmen kann die sie benötigt, um in die neue Unterrichtsmethode hineinzufinden, übernimmt der/die Daltonverantwortliche dann wichtige Koordinations- und Betreuungsaufgaben. Häufig fällt den Lehrerinnen und Lehrern die Umstellung aufgrund jahrelanger Unterrichtstätigkeit und Routine nicht leicht. „Und es soll auch einfach so sein, glaub ich, weil äh, wenn jeder sich in irgendwie in ein System hingepresst fühlt, das ihm net so hundertprozentig liegt, dann wird er bald das Handtuch schmeißen glaub ich“ (ES, X, 10) Da die Lehrer/innen aber mit unterschiedlich viel Engagement bei der Umsetzung des Daltonplans beteiligt sind, kommt es oft zu Frust und Enttäuschung. Diejenigen, die sehr viel Energie in die Arbeit stecken, sind dann frustriert, wenn die Entwicklungen nur langsam voranschreiten oder aufgrund mangelnder Kooperation gar nicht erst zustande kommen. Konflikte im Kollegium entstehen auch dann, wenn Lehrer/innen nicht mit „ganzem Herzen“ dabei sind und die Erwartungen nicht erfüllt werden. 81 „...aber, ja, ich denk, man könnt so viel mehr herausholen noch... mit dem Daltonplan, wenn man wirklich Kollegen hat, die da voll dahinter stehen und die das auch leben können. Da ist es für mich, a bissl ein weinendes Auge dann manchmal schon dabei. Wenn ich mir denk, schade drum, es wär noch viel, viel mehr möglich, aber... es geht nicht. Es ist einfach Regelschulwesen und es geht einfach wirklich nicht. Damit habe ich mich mittlerweile abgefunden.“ (ES, Z, 7) „Auch dass sie [die Schüler] merken, dass man dahinter steht, was man macht. Das, das geht manchmal verloren. Manchmal ist die Motivation nicht die Richtige von den Lehrern.“ (ES, Z, 1) Was hier angesprochen wird, ist ein Problem, welches sich auch dann ergeben kann, wenn sich Lehrer/innen nicht aufgrund der speziellen Arbeitsweise für das Konzept zu interessieren beginnen, sondern nur deshalb, weil angeblich die „besseren“ und „braveren“ Schüler/innen in den Daltonklassen sind. Besondere Unterstützung erfahren diese Klassen auch von den Eltern, die Interesse an der neuen Unterrichtsmethode zeigen und ihre Kinder bevorzugt in den Daltonklassen unterbringen wollen. Dadurch haben die Lehrer/innen ganz andere Vorrausetzungen für ihre Arbeit. Die Lehrer/innen haben mir auch in den Interviews erklärt, dass viele nicht am DaltonplanKonzept mitarbeiten wollen, weil sie von den Besprechungen und der Zusammenarbeit mit anderen Kolleginnen/Kollegen abgeschreckt sind und die Arbeit als zu großen Aufwand ansehen. Mitunter wollen sie lieber alleine arbeiten und nicht auf andere angewiesen sein. Das macht eine Eingliederung in das System unmöglich. Notwendig ist eine Zusammenarbeit vor allem dann, wenn man fächerübergreifenden Unterricht praktizieren möchte. „...es gibt noch immer viele Einzelkämpfer in der Schule, die lieber alleine äh, arbeiten. Es erfordert halt doch a Zusammenarbeit im Team und ein Absprechen im Team und zu das muss man bereit sein.“ (HG, Y, 7) 16.3.3 Dynamik im Lehrkörper Da an den von mir untersuchten Wiener Schulen der Daltonplan nicht in allen Klassen angewandt wird, sondern nur an einer Klasse pro Jahrgang, kann es mitunter zu Konflikten im 82 Kollegium kommen. Die Schule „rühmt“ sich natürlich mit der Bezeichnung „Daltonplan“ und die Lehrer/innen, die nicht daran beteiligt sind, fühlen sich zurückgesetzt, da ihrer Arbeit weniger Aufmerksamkeit geschenkt wird bzw. die Daltonlehrer/innen mehr Unterstützung erhalten. Prinzipiell fordern und erwarten Daltonlehrer/innen aber keine Sonderbehandlung bzw. eine besondere Unterstützungen. Es wird versucht, das Konzept in dem Rahmen umzusetzen in dem es möglich ist. Finanzielle Förderungen werden nicht grundsätzlich erwartet, weil es sonst zu Konflikten mit Lehrerinnen/Lehrern kommen kann, die ihren Unterricht „normal“ gestalten. „Dass wir auch Geld vom Elternverein bekommen haben, am Beginn der ersten Klasse, einfach um manche Dinge auch anzuschaffen. Ja, das sind so die Dinge, wo wir schon ein bisschen bevorzugt sind. Wo ich dann aber eher versuch das immer hinunter [zu spielen], weil i will net haben, dass andere Kollegen sich da irgendwo benachteiligt fühlen. Weil das bringt dann böses Blut, glaub ich.“ (ES, X, 11) „Aber ich sag auch immer, wir haben weder besondere Kinder oder irgendwelche Besonderheiten, sondern das soll einfach schon, die sollen genauso gehandhabt werden wie alle anderen.“ (ES, X, 11) Oft stößt der Lehrkörper auch auf Widerstand im Bezug auf die alternative Unterrichtsmethode. Besondere Ablehnung wird dem Daltonplan dann entgegengebracht, wenn Vorurteile dieser Arbeit gegenüber bestehen und Lehrer/innen das Konzept nicht richtig kennen. In diesem Fall wird behauptet, dass die Schüler/innen nur spielen würden, nicht konsequent arbeiten und demzufolge nichts lernen, oder wiederum völlig überfordert sind, weil ihnen nichts erklärt wird. „Was man von anderen Schulen hört, gibt es von den Kollegen her bissl äh Ressentiments. Wo sie sagen, ja was machen die da, und spielen die da nur herum, oder so. Aber teils aus Unwissenheit. Und... sagma von uns, von den Kollegen ist oft so, dass sagen, ich möchte das nicht machen. Ich mach das auf keinen Fall, weil sie sehr viel Mehrarbeit sehen und die Vorteile eigentlich nicht erkennen.“ (ES, Y, 5) 83 Aus diesem Grund laden die Daltonlehrer/innen Kritiker aber auch Interessierte gerne ein, sich den Unterricht anzusehen und sich ein Bild davon zu machen. Trotzdem kostet das viel Energie, welche die Lehrer/innen lieber in ihre Arbeit investieren würden. „Meine Vision is immer. Äh, ich äh bekomme eine neue Schule und kann den ganzen Lehrkörper davon überzeugen.“ (HG, Y, 5) Viel Überzeugungsarbeit muss auch dann geleistet werden, wenn es Konkurrenz aufgrund verschiedener pädagogischer Konzepte gibt, die an der Schule umgesetzt werden. Lehrer/innen wenden sich aus diesem Grund auch wieder vom Daltonplan ab, weil sie nebenher noch andere Projekte haben. Kleine Erfolge zeigen sich dann, wenn kritische Lehrpersonen dennoch überzeugt werden können und den Daltonplan im kleinen Rahmen in ihren Unterrichtsstunden umsetzen. Das bedeutet in diesem Fall, dass nur ein Fach „daltonisiert“ und mit Arbeitsplänen gearbeitet wird. Als Ziel an der KMS Hörnesgasse und der Europaschule wird gesehen, den Daltonplan auf die ganze Schule auszubreiten bzw. mehrere Räume für die Arbeit zur Verfügung gestellt zu bekommen. 16.3.4 Unterrichtsklima Obwohl es viele Einschränkungen und auch Schwierigkeiten in der Umsetzung des Daltonplans gibt, merken Lehrpersonen sehr schnell, dass dieses Konzept auch viele Vorteile bietet. Deshalb nehmen sie auch Einschränkungen (wie z.B. dass nicht alle Lehrer/innen mitarbeiten) in Kauf, weil die Vorteile immer noch überwiegen. Für die Lehrperson bedeutet diese Unterrichtsorganisation, dass sie sich unter anderem mit einzelnen Schülerinnen/Schülern während der Daltonphasen beschäftigen kann, es bleibt also Zeit für Lehrer/innen-Schüler/innen-Gespräche. „Aber ja, also es gibt da noch eben das ist implizit im Daltonplan, dass es immer wieder Schüler-Lehrer-Gespräche gibt, über den Leistungsstand und die ...was das Kind braucht, wo es Schwierigkeiten hat, dass man da mit den Kindern Einzelgespräche führt, so während des Unterrichts ergibt sich das oft. Ja, also während der Daltonphase.“ (KMS, X, 3) 84 Die individuelle Förderung wird damit möglich, sowohl bei überdurchschnittlich begabten als auch weniger erfolgreichen Schülerinnen und Schülern. Auf Schüler/innen mit speziellen Bedürfnissen, wie z.B. Legasthenie, wird individuell eingegangen und sie können dem Unterricht gut folgen. Diese Förderung ist für die Lehrpersonen möglich, weil die Mehrheit der Schüler/innen überwiegend selbständig arbeitet bzw. die Hilfe der Mitschüler/innen in Anspruch nimmt. Erst wenn es zu scheinbar unlösbaren Problemen kommt und sie nicht mehr weiter wissen, wird die Lehrperson zu Rate gezogen. „Also man kann die Streuung der Klasse besser abfangen, mit so einem System als mit einem normalen System.“ (ES, X, 9) Die Zusammenarbeit mit den Schülerinnen/Schülern wird überdies einfacher, da es nicht mehr einen so großen Widerstand gegen die Lehrenden gibt. Die Lehrperson kann sich zurücknehmen und die Schüler/innen selbstverantwortlich arbeiten lassen. Im Gegensatz zum normalen Unterricht können Schüler/innen sich mehr in die Arbeit einbringen und sind für den Erfolg der eigenen Arbeit selbst verantwortlich. Dadurch wird das Interesse an der selbsterbrachten Leistung verstärkt. Im Speziellen zeigt sich das daran, dass es in den Daltonklassen selten Schulschwänzer/innen gibt. Als großen Unterschied zu normalen Klassen haben die Lehrer/innen auch geschlossen das Engagement der Schüler/innen genannt. „Ja, im Prinzip, man betritt die Klasse, die Schüler arbeiten bereits. Das ist der größte Unterschied zum Frontalunterricht. Weil sie wissen ja, die nächste Stunde ist Pensenstunde und sie arbeiten.“ (ES, Y, 2) „...und das Kind erlebt auch den Lehrer ganz anders. So dass er... der Lehrer einem wirklich helfen will und, und net immer nur schimpft, und... Kinder glauben ja manchmal, Lehrer freuen sich an schlechten Noten und das wird ihnen dann viel mehr bewusst, bei dieser Methode, wenn man direkt nur für ein Kind da ist, zeitweise. Dass, dass der Lehrer sehr wohl bestrebt ist, dem Kind zu helfen.“ (HG, Z, 5) Für die ganze Klasse ergibt sich ein besseres Arbeitsklima. Vor allem sinkt die Aggressivität und auch das Gruppengefühl unter den Schülerinnen/Schülern wird gestärkt, weil sie miteinander arbeiten und sich gegenseitig unterstützen. 85 „Je mehr die Kinder Freiheit haben, je mehr sie den Lehrer auch als partnerschaftlichen Helfer empfinden, umso weniger Angriffspunkte sind von den Schülern da.“ (HG, Y, 5) 16.3.5 Ausstattung und Organisation Manchen Weiterentwicklungen sind auch Grenzen gesetzt. So sind die Klassenräume nicht ideal für den Daltonunterricht, sie sind zu klein und daher ist ein Zusammensitzen in einer größeren Gruppe nicht möglich. In den Klassen muss weiters genügend Stauraum vorhanden sein, um die Unterrichtsmaterialien für jedes Unterrichtsfach aufbewahren zu können. Hinderlich empfinden es Lehrer/innen, wenn sie einzelnen Schülerinnen/Schülern keine speziellen Unterrichtsmaterialen für die individuelle Förderung zur Verfügung stellen können. Manchmal müssen Arbeitsblätter aus anderen Klassen geholt werden, was zwar nicht so viel Zeit kostet, aber trotzdem den Unterricht stört. Es würden auch mehr Räume benötigt werden, um für jedes Unterrichtsfach einen eigenen Facharbeitsraum anbieten zu können. Ein weiterer Punkt ist, dass die Anzahl der Lehrer/innen erhöht werden müsste, um das Konzept mit den Laboratorien wie es Parkhurst entwickelt hat, umzusetzen. So können beispielsweise Computerräume nicht geöffnet werden, da dort die Schüler/innen nicht beaufsichtigt werden können. Als große Einschränkung erleben die Lehrer/innen den strikten Lehrplan, welcher ihnen nur einen gewissen Spielraum für Kreativität im Bezug auf die Unterrichtsthemen zulässt. Sie halten den Lehrplan sehr genau ein und so lassen sich manche Projekte nicht umsetzen. Bestimmte Themen müssen zwingend durchgenommen werden, da die Lehrer/innen sonst ein Scheitern der Schüler/innen bei Aufnahmeprüfungen an anderen Schulen befürchten. „And the state is giving this, the national curriculum. And you cannot do a lot, much. You have to do what they say. You have to cover the topics. And there is a little of variations.“ (HU, X, 9) Die Erstellung eines geeigneten Stundenplans, damit die ganze Schule einheitliche Daltonzeiten hat, kann unter Umständen zu Schwierigkeiten führen. Das ist an der Husova Dalton Schule und der Chalabalova Dalton Schule weniger der Fall, da dort jede Lehrperson für sich nach der Daltonplan-Pädagogik arbeitet und es keine einheitliche Daltonschiene gibt. 86 An der Europaschule und an der KMS Hörnesgasse wird die Abstimmung des Stundenplans zur Herausforderung. „Das... das... heuer ist das recht gut gelungen, aber davor hatten wir große Probleme, äh, das im Stundenplan so zu verankern, dass wir eben alle vier Klassen die gleichen Freiarbeitszeiten haben.“ (HG, Y, 5) „Also das müsste dann wirklich pro Tag eine Schiene sein, wo alle vier Klassen in derselben Zeit Daltonunterricht haben. I man, es ist wahrscheinlich kein was Gott wie Aufwand, nur man muss halt schaun, dass mans unterbringt.“ (ES, X, 10) Die Organisation des Daltonplans wird größtenteils als Hindernis gesehen. Das Konzept in das Regelschulsystem zu integrieren, benötigt einige Anstrengung, aber auch die Aufzeichnung der Leistungsfortschritte wird zur Herausforderung. Die Graphen, wie sie Parkhurst entwickelt hat, sind für die Lehrer/innen in der Handhabung zu aufwändig und zu zeitintensiv. Deshalb wird in den meisten Fällen darauf verzichtet und stattdessen hat jede/r Lehrer/in eigene Methoden für die Aufzeichnung entwickelt. „So, there we are just let`s say are more concentrated on the work. And the administration we put aside a little.“ (HU, X, 2) Wird der Daltonplan nicht an der ganzen Schule umgesetzt bzw. im normalen Regelschulsystem eingeführt, dann ist es sicherlich einfacher als bei anderen pädagogischen Konzepten, trotzdem ist es ein gewisser Aufwand für die Lehrer/innen. „Wenn ich eine ganze Daltonschule, ... wäre natürlich in der Organisation einfacher zu führen. Wenn alle da mitmachen und wenn von Anfang auch die Ausstattung dann dementsprechend sein könnte, mit den Facharbeitsräumen vor allem. Aber das sind reine Visionen.“ (HG, Y, 5) Vor- und Nachteil zugleich ist, dass die Unterrichtsthemen jeweils einen Monat im Voraus feststehen müssen. Das heißt zwar, dass zuvor viel Zeit in die Planung gesteckt werden muss, jedoch können danach die Lehrer/innen sich auf die Schüler/innen und den Unterricht konzentrieren und müssen sich, während eines Pensums, keine Gedanken über den 87 Unterrichtsstoff machen. Diese Planung erfordert eine gewisse Umstellung zum regulären Unterricht und wird zur Doppelbelastung, wenn Lehrer/innen in regulären und DaltonKlassen unterrichten. 16.4 Lernt die Schule? 16.4.1 Weiterentwicklungen Ein wichtiges Kennzeichen vom Daltonplan ist es, dass es keinen Stillstand gibt. Das Konzept ist ständigen Veränderungen und Verbesserungen unterworfen. Hackl (2002a) weist darauf hin, dass „Routine [...] der Feind der Dalton-Pädagogik [ist]!“ (Hackl 2002a, S. 154). Das führt in der Praxis zu einem Problem, denn nach einer gewissen Zeit der Einführung des Daltonplans und einer entsprechenden Vorlaufphase haben alle Lehrende in die Arbeit gefunden, sich daran gewöhnt usw. Durch die erworbene Routine „setzt die Gefahr ein, dass das eigentliche Konzept nicht mehr umgesetzt wird“ (Hackl 2002a, S. 154). Auffallend ist, dass vor allem Lehrer/innen, die bei der Implementierung des Daltonplans von Anfang an mitgewirkt, bzw. aus eigenem Engagement zum Daltonplan gefunden haben, viel mehr Interesse an Weiterentwicklungen zeigen als jene, die sich schwer auf das neue Unterrichtskonzept umstellen konnten. Letztere sind mit der derzeitigen Umsetzung zufrieden und möchten es dabei belassen. „Ich find momentan rennt es sehr gut. Ich glaub gar nicht, dass man da was ändern sollte.“ (ES, Y, 4) „Ich denk, so wie wirs derzeit handhaben, läuft es gut, so kann man weitermachen.“ (HG, Z, 4) „Äh, Na ja, ich bin mit der derzeitigen Form an und für sich schon sehr zufrieden. Wir haben schon sehr viele Änderungen im Lauf der letzten 4 Jahre durchgeführt.“ (HG, Y, 4) Wie sehen nun aber die Entwicklungsvorschläge aus? Für die einen bedeutet es, dass die Themen, die im Unterricht durchgenommen werden, von Jahr zu Jahr variieren. Das heißt 88 nicht das System an sich wird geändert, sondern lediglich die Themen, welche die Schüler/innen zu bearbeiten haben, bzw. auch die Aufgabenstellungen werden neu überdacht. „Aber ich kann nicht auch gleich arbeiten, wenn ich, jetzt habe ich dritte Klase und in sechs Jahren habe ich auch dritte Klasse, kann ich nicht auch dasselbe machen. Da sind Individualitäten in der Klasse. Das ist ganz anders. Ich kann nicht auch alle Materialien normal benutzen, muss ich ändern, das geht nicht.“ (CH, X, 5) Im Unterschied dazu sehen andere noch große Chancen für Entwicklungen. Das bedeutet zum einen die Ausbreitung der Daltonklassen auf die ganze Schule, was sich aber als relativ schwierig herausstellt, weil nicht alle Lehrer/innen mitarbeiten möchten. Zum anderen meint es die Hoffnung mehr Räume für die Daltonarbeit zur Verfügung gestellt zu bekommen, damit jedes Unterrichtsfach in einem eigenen Laboratorium Platz findet. In diesen hätten die Lehrer/innen alle Unterrichtsmaterialien griffbereit und könnten individuell auf die Schüler/innen eingehen. In der Europaschule wäre als nächst mögliche Modifikation eine Vernetzung der Klassen zu nennen, die eine altersheterogene Arbeit der Schüler/innen ermöglicht. Damit eine Zusammenarbeit wirklich erfolgen kann, setzt das die Bildung von Facharbeitsräumen voraus und auch eine Abstimmung der Stundenpläne der einzelnen Klassen müsste stattfinden. An den tschechischen Schulen bezieht sich die Entwicklung mehr auf unterrichtsspezifische Aspekte, da jede Lehrperson ihren „eigenen Daltonplan“ umsetzt. Der Rahmen (z.B. der Stundenpläne) für Veränderung ist somit enger gefasst, als an den österreichischen Schulen. 16.4.2 Schulentwicklung Popp (2002) weist darauf hin, dass Parkhursts Konzept bereits in Richtung „lernende Schule“ entwickelt wurde, lange bevor Senge (1990) den Begriff der „lernenden Organisation“ bzw. „lernenden Institution“ (vgl. Popp 2002, S. 66) prägte. Für die Reformpädagogin Parkhurst waren schon damals ständige Reflexion der Lernprozesse und auch eine kontinuierliche Anpassung des Konzepts an die schulischen Rahmenbedingungen Vorrausetzung für eine gute Schule. Mit diesen Maßnahmen wird verhindert, dass der Daltonplan zu einem starren Konzept wird, welches über Jahre hinweg in derselben monotonen Form geführt wird (vgl. 89 Parkhurst 1922, S. 28). Parkhurst hat den Prozess der Weiterentwicklung nicht näher erläutert und nun stellt sich die Frage, wie solch ein Prozess konkret aussieht und welche Kriterien für eine „lernende Schule“ erfüllt werden müssen. Die Lehrerschaft versteht darunter meist eine Entwicklung in einem begrenzten Rahmen, das heißt, dass sie sich zwar einig sind, dass etwas nicht perfekt läuft und eine Veränderung erforderlich ist, jedoch soll dieser Entwicklungsprozess in einem konkreten Zeitrahmen stattfinden und nicht über eine lange Zeitspanne hinweg und kontinuierlich erfolgen. Im Gegensatz zu dieser punktuellen und kurzfristigen Veränderung gibt es in der „lernenden Organisation“ keine „ultimate destination, only a lifelong journey“ (Senge 1990, S. XV Introduction). Der Lernprozess ist somit nie abgeschlossen und muss ein fixer Bestandteil der Organisation sein. Fraglich ist, ob sich Lehrer/innen, die nicht mit voller Überzeugung den Daltonplan umsetzen, bereit sind, ihren Unterricht bzw. auch ihre Organisation ständigen Veränderungen zu unterwerfen. Für sie ist bereits die Umstellung auf den Daltonplan ein derart großer Schritt und ständige Weiterentwicklung würde für sie Überforderung und Anstrengung bedeuten, die sie nicht zu erfüllen bereit sind. Weiters ist zu beachten, dass nicht alle Veränderungen von Organisationen mit einem Lernprozess gleichzusetzen sind. So ist die Entwicklung an der Chalabalova Dalton Schule – den Daltonplan an der zweiten Stufe nicht mehr weiter zu führen – als kritisch zu betrachten. Ob die Schule wirklich etwas gelernt hat, ist zu bestreiten. Auch dass alle Schulen die Arbeit mit den Graphen eingeschränkt, abgewandelt bzw. ganz aufgegeben haben, ist nicht unbedingt als Lernprozess zu verstehen. Senge, der den Begriff der „lernende Organisation“ prägt, versteht unter dem Begriff Lernen eine kontinuierliche Anpassung an innere und äußere Gegebenheiten, die nicht nur von einer isolierten Person, sondern von der gesamten Organisation „getragen“ werden muss (vgl. Senge 1990, S. 3). Damit ein Lernen der Organisationen (Schule ist auch eine spezielle Art von Organisation) wirklich gewährleistet werden kann und diese Veränderungen auch nachhaltig sind, müssen fünf Punkte erfüllt werden. System Thinking Die Vorrausetzung, um Entwicklungen richtig ansetzen zu können, ist die Betrachtung der Organisation als Ganzes, nicht als einzelne „Schnappschüsse“, die isoliert nebeneinander 90 stehen. Das Verständnis für eine Organisation erfordert die Verknüpfung einzelner Teile, welche sich gegenseitig beeinflussen. Gemeint ist damit das Denken in Systemen. Die Eingebundenheit in ein System wiederum, ist der Grund wieso die Auswirkungen und Wechselwirkungen eines solchen Zusammenspiels oft nur schwer zu erkennen sind (vgl. Senge 1990, S. 6f). Personal Mastery Unter „personal mastery“ versteht man die Persönlichkeitsentwicklung, die Bewusstmachung der eigenen Stärken und der Wille sich für das System erfolgreich einzubringen. Dies geschieht über die eigene Professionalisierung aufgrund von „lifelong learning“. Im Mittelpunkt steht die Frage, was jede einzelne Person für die Organisation beitragen kann, um diese zu einer „lernenden Organisation“ zu machen (vgl. Senge 1990, S. 7f). Mental Models Die mentalen Modelle, welche die Beteiligten beeinflussen, müssen bewusst gemacht und offen gelegt werden. Sie beeinflussen uns in vielen Bereichen, wie man die Welt konstruiert bzw. versteht und vor allem wie man darauf reagiert. Um dies näher zu erklären, möchte ich ein mentales Modell auf die Situation der Lehrer/innen übertragen: so macht es eine großen qualitativen Unterschied, ob man Schüler/innen als wissbegierige Lerner oder ständige Vermeider, als von Grund auf selbständige oder einer kontinuierlichen Überprüfung bedürfende Wesen, wahrnimmt (vgl. Senge 1990, S. 8f). Building Shared Vision Was eine Organisation verbindet und zusammenhält sind „shared visions“. Sofern eine Organisation über Visionen verfügt, die gleichzeitig auch jene von Mitarbeiter/innen sind, wird jede/r Einzelne das Möglichste tun um sich erfolgreich einbringen zu können (und weiterzuentwickeln), um auf ständigen Fortschritt bedacht zu sein, um neue Ideen und Entwicklungen zu verfolgen. Nicht weil es angeordnet wird, sondern weil es ihm/ihr selbst ein Bedürfnis ist. Durch „shared visions“ werden demzufolge die Eigeninitiative und der persönliche Einsatz gefördert (vgl. Senge 1990, S. 9). Team Learning Erfolgreiches „team learning“ findet dann statt, wenn alle Beteiligten durch die Gruppe lernen und die Gruppe nützen. Eine Grundvorrausetzung für „team learning“ ist der „Dialog“. Im 91 Mittelpunkt steht nicht die Hervorbringung von besonders überwältigenden Leistungen, sondern die Nachhaltigkeit des Lernens und das Entstehen eines „thinking together“ (vgl. Senge 1990, S. 10). Grundsätzlich ist aber zu sagen, dass Lehrer/innen wissen müssen worum es beim Daltonplan geht. Das kann in diesem Fall nicht nur durch „learning by doing“ erreicht werden oder indem man sich auf andere verlässt. Verantwortung muss übernommen werden, um eine wirkliche Entwicklung, ein Lernen, zu erreichen. „Na ja, das... das wird der Herr... ihnen besser... das ist unser, unser Entwickler.“ (HG, X, 4) Eichelberger (2003) weist darauf hin, dass die Integration vom Daltonplan wie auch anderer pädagogischer Konzepte in das Regelschulsystem eine intensive Auseinandersetzung mit der Thematik und einer permanenten Reflexion erforderlich macht. Dabei muss überlegt werden ob die Ziele, welche die Schule erreichen möchte, durch das gewählte pädagogische Konzept überhaupt zu erfüllen sind. Im Besonderen, wenn diese nur als Basis für ein adaptiertes oder neu entwickeltes Erziehungs- und Unterrichtskonzepts dienen (vgl. Eichelberger 2003, S. 14). Wenn der Daltonplan als Möglichkeit aufgefasst wird, eine Schule zu einer „lernenden Schule“ zu entwickeln, müssen auch die fünf Disziplinen von Senge (1990) erfüllt werden. Besonders die Unterstützung der Schulleitung wird hierbei oft unterschätzt. In den Interviews, die ich führte, habe ich die Rolle der Schulleitung nicht explizit angesprochen bzw. wie dessen Unterstützung im Speziellen aussieht. Jedoch wurde ersichtlich, dass die Schulleitung größtenteils den Entwicklungen freien Lauf lässt. Das ist aber zu wenig, um die Schule mit dem Konzept des Daltonplans zu einer „lernenden Schule“ zu führen. Damit sie zu einer lernenden Organisation werden kann, braucht es die Unterstützung der Schulleitung und in diesem Fall ist nicht grenzenlose Freiheit, sondern wirkliche Führung und Leitung gemeint. Im Bezug auf die Schulleitung passt die Bezeichnung „steuern“ am besten, denn Entwicklungen können weder geführt noch geleitet werden. Im besten Fall ist eine Steuerung der Prozesse möglich (vgl. Krainz-Dürr 2003, S. 75). Der Grund für das mangelnde Eingreifen in Entwicklungen ist unter anderem auf ein falsches Rollenverständnis von Schulleitern/innen zurückzuführen. „Schulleiter verstehen sich vorrangig als Pädagogen und 92 sind tatsächlich in erster Linie Verwalter und Organisatoren.“ (Krüger 1983, 36 zit. n. Schratz 1999, S. 490) Nun stellt aber die Schule eine spezielle Form der Organisation dar, nämlich eine „Experteninstitution“. Wie schon aus den Interviews zu entnehmen ist, wird die Organisation von vielen Lehrpersonen als etwas Störendes empfunden, was nicht mit der eigentlichen Arbeit, konkret der Vermittlung von Wissen, zu tun hat (vgl. Cortolezis-Schlager /Kogelbauer 1999, S. 388). Bezüglich der Schwierigkeit sich genau nach dem Konzept von Helen Parkhurst zu richten, äußert sich eine Lehrerin folgendermaßen: „Na, na, ich würde sagen, es ist... es kann nicht so als Vorbild nehmen. Ja, okay einige Elemente, okay, das gilt für mich, oder das gilt für meine Kinder. (...) Also, okay, es ist eine gute Idee, aber ich möchte nicht organisieren so etwas.“ (CH, X, 5) „Alles was nicht mit der Erfüllung der Aufgabe als Fachexperte/in zu tun hat, wird als Störung betrachtet. Das Organisationsbewusstsein des Expertenbetriebes ist nicht entwickelt. Die Organisation wird als etwas Äußeres gesehen, das dazu da ist, Rahmenbedingungen für die inhaltliche Arbeit bereitzustellen.“ (Cortolezis-Schlager/Kogelbauer 1999, S. 388) Um Schulentwicklungskonzepte, und hierzu zählt auch der Daltonplan, erfolgreich voranzutreiben, ist eine adäquate Unterstützung der Lehrer/innen von Seiten der Schulleitung unumgänglich. Wie sieht nun die Steuerung ausgehend von Schulleitungen aus? Hierzu muss man zwei Ebenen unterscheiden. Die erste Ebene meint das „strategische Management“ im Rahmen von Schulentwicklungsprozessen, wobei die Schulleitung in diesem Fall eine „Moderationsfunktion“ einnimmt. Die zweite Ebene ist die „Organisation und Implementierung größerer Veränderungsvorhaben“, wo die Schulleitung als Auftraggeber fungiert. Im ersten Fall geht es um die Steuerung während eines Prozesses (die Veränderung hat also bereits stattgefunden) und im zweiten kommt es erst zur Einführung eines neuen Konzepts. Diese zwei Bereiche sind zu trennen, um ein leichteres und adäquates Handeln für die Schulleitung zu gewährleisten (vgl. Krainz-Dürr 2003, S. 77). 93 Damit die Schulleitung die Funktion des „Moderators“ erfolgreich erfüllt, muss sie nach Krainz-Dürr (2003) fünf soziale Fertigkeiten beherrschen: a) Probleme organisationsbezogen definieren b) Referenzrahmen definieren c) Wechselwirkungen beachten d) Kommunikationswege bahnen e) Feedbackschleifen institutionalisieren a) Eine Schwierigkeit von Schulleiter/innen ist, dass ihnen – da selbst eingebunden in die reguläre Unterrichts- und Erziehungsarbeit und damit Teil der ausführenden Ebene – häufig das Verständnis für organisationsbezogenes Denken fehlt. So werden oft Probleme, die im Unterrichtsalltag auftreten, nicht in Beziehung mit der Organisation gesetzt, sondern auf Lehrende bzw. auch auf Rahmenbedingungen geschoben (vgl. Krainz-Dürr 2003, S. 77). b) Je nachdem welcher Referenzrahmen für die Wahrnehmung von Situationen gewählt wird, beeinflusst das den Umgang mit möglichen Problemen. So geschieht es im Schulwesen häufig, dass an Defiziten und nicht an Stärken in Veränderungsprozessen angeknüpft wird. Es ist ein gravierender Unterschied ob davon ausgegangen wird, dass „da [...] sicher andere Voraussetzungen [waren] die sie [Parkhurst] hatte, mit den Kindern die wir heutzutage haben“ (ES, X, 9) oder ob der Referenzrahmen dahingehend geändert und danach gefragt wird, welche Faktoren der bisherigen Erziehung an der jeweiligen Schule gefördert werden können, damit sich die Lernenden zu selbständigen und eigenverantwortlichen Menschen entwickeln können (vgl. Krainz-Dürr 2003, S. 79f). c) Wechselwirkungen beachten bedeutet, dass ein Problem, eine Situation oder ein Verhalten nicht isoliert betrachtet, sondern immer in Zusammenhang mit dem Gesamten gesehen wird. „Soziale Systeme sind immer mehr als die Summe ihrer Teile und Prozesse lassen sich nicht auf einfache Ursache-Wirkungsketten reduzieren.“ (Krainz-Dürr 2003, S. 81) Wenn also Lehrer/innen z.B. unzufrieden mit der Umsetzung des Daltonplans einzelner Kolleginnen und Kollegen sind, da diese Umsetzung nicht den eigenen Vorstellungen entspricht, darf die 94 Situation nicht unabhängig von den Rahmenbedingungen betrachtet werden. Es stellt sich vielmehr die Frage, welche Umgebungsfaktoren dazu beitragen, dass eine Person so und nicht anders reagiert und handelt (vgl. Krainz-Dürr 2003, S. 80f). d) Wird an einer Schule ein neues und spezielles pädagogisches Konzept umgesetzt, ändert sich das Gesamtgefüge der Organisation und das bedeutet, dass Kommunikationswege gebahnt werden müssen. Das betrifft die Schule als Gesamtsystem. Es muss ein allgemeines Bewusstsein geschaffen werden, um zu verhindern, dass sich eine „Schule in der Schule“ entwickelt. In so einem Fall können sich Lehrer/innen, die nicht am Konzept beteiligt sind, benachteiligt fühlen und sich vehement gegen das Projekt stellen. Im schlimmsten Fall „versandet“ das Interesse und das Konzept wird gar nicht mehr umgesetzt (vgl. Krainz-Dürr 2003, S. 81f). Die Schulleitung muss eine Einheit im Lehrkörper entwickeln. An der Franz Jonas Europaschule und der KMS Hörnesgasse entwickelt sich eine Schule in der Schule, da der Daltonplan nicht an der gesamten Institution umgesetzt wird. Dies führt zu einer doppelten Organisation und Schwierigkeiten innerhalb des Kollegiums. Es entsteht Neid unter den Lehrerinnen/Lehrern und das äußert sich in Aussagen, wie: „Und zwar ist irgendwie, hängt da manchmal so im Raum, ihr seid ja die Daltons. Also das ist ja was Besonderes.“ (ES, X, 11) e) Die Schulleitung muss Feedbackschleifen institutionalisieren, damit Lehrer/innen von Zeit zu Zeit aus dem regulären Unterrichtsalltag aussteigen können, um auf eine Metaebene zu wechseln. Dies ist Voraussetzung um ein Bewusstsein für die Gesamtlage zu erzeugen und ermöglicht den Lehrenden, die Organisation bzw. die Situation in der sie sich befinden zum Thema zu machen. Räume für solche Reflexionszeiten sind im allgemeinen Schulalltag nicht fix eingeplant und müssen von der Schulleitung erst geschaffen werden. Auf die Beobachtung von Außen darf auf keinen Fall verzichtet werden, auch dann nicht, wenn keine Veränderung bzw. keine Aktion ansteht, da sie wichtiger Bestandteil von Entwicklungsprozessen ist (vgl. Krainz-Dürr 2003, S. 82ff). 95 Den Aussagen der Lehrer/innen ist zu entnehmen, dass ständige Veränderung Stress und zusätzliche Anforderung bedeutet, der die Lehrpersonen mitunter nicht gewachsen ist. Ob Bedingungen für so eine fortlaufende Reflexion gegeben sind, ist fraglich. „Ja wir setzen uns hin und wieder mal zusammen. Leider haben wir auch nicht so viel Zeit oder wir hams, ja es muss in der Freizeit passieren. Und da setzen wir uns schon... also am Anfang eines Schuljahres sowieso zusammen, weil damit wir wissen, wer welche Daltonstunden hergibt und wie wir die kombinieren können im Stundenplan dann selbst. Und unter Jahr auch, und so reden wir eh ständig am Gang, wenn, bei den Gangaufsichten oder so, oder zwischen Tür und Angel, wenn sie gemeinsam arbeiten, nehmen wir uns auch Zeit dafür.“ (ES, Z, 5) Es können jedoch Rahmenbedingungen geschaffen werden, innerhalb derer eine Entwicklung sich einfacher darstellt. Fixe Termine für Besprechungen der Lehrer/innen wären ein wichtiger Aspekt. Spontan angesetzte Treffen der Lehrenden reichen nicht aus, vor allem wenn kurze Gespräche zwischen Tür und Angel oder während den Pausen am Gang geführt werden. Geregelte Zeiten für Teambesprechungen, jedoch öfters als einmal pro Schuljahr, sind ein unverzichtbarer Bestandteil einer lernenden Schule. Dies kann auch zur Entlastung der Lehrer/innen führen. Wird eine Neuerung (wie z.B. die Arbeit mit dem Daltonplan) in einer Schule implementiert, muss die Schulleitung als „Auftraggeber/in“ tätig werden. Sie muss die Lehrer/innen entlasten, denn diese können neben ihrer regulären Unterrichtstätigkeit nicht auch noch die Motivationsarbeit leisten um Lehrer/innen für das Projekt zu gewinnen und gleichzeitig Angriffe des restlichen Lehrkörpers abzuwehren. Diese Dinge sind nicht Aufgabe des Kollegiums und führen bei Nichtbeachtung zwangsläufig zu Überforderung (vgl. Krainz-Dürr 2003, S. 84f). Für die erfolgreiche Implementierung von Neuerungen sind nach Krainz-Dürr (2003) vier Punkte sicherzustellen: 1. Ist die Schulleitung als interne/r Auftraggeber/in für die Einführung eines Projekts definiert, muss sie die Aktivitäten der Lehrer/innen fördern. Das heißt weder, dass sie den Dingen einfach ihren Lauf lässt, noch eine rein beobachtende Position einnimmt, sondern die 96 Entwicklungen wirklich will und auch unterstützt, vor allem aber „auch in unvermeidlichen Krisen und Konflikten, dem Projekt eine faire Chance“ gibt (vgl. Krainz-Dürr, 2003, S. 86). 2. Das „magische Dreieck“ zwischen „Zeit“ (Terminen), „Leistungen“ (Qualität) und „Ressourcen“ (Personen, Mittel) muss realistisch eingeschätzt und bei jeglicher Veränderung der einzelnen Eckpunkte beachtet werden, da sie sich wechselseitig beeinflussen. So müssen z.B. die Leistungen und die Zeit reduziert werden, wenn sich die Ressourcen minimieren (vgl. Krainz-Dürr, 2003, S. 89f). 3. Oft sind Veränderungen an Schulen nur durch die freiwillige Arbeit und das Engagement von Lehrerinnen/Lehrern möglich. Dies wird zwar überwiegend positiv gesehen, hat aber auch seine Schattenseiten. So kann es für die Entwicklung von Schulen auch negative Folgen haben, da Projekte (wie z.B. die Umsetzung von Konzepten) nur solange durchgeführt werden können, solange auch die Energie und das Engagement vorhanden ist. Ist dies nicht mehr der Fall, verläuft sich die Arbeit und gerät in Vergessenheit. Die Schulleitung muss den Personaleinsatz dahingehend regeln, dass sehr engagierte Lehrkräfte sich nicht in ihrer Arbeit überfordern, wenn sie bereits andere Aufgaben übernehmen und andererseits muss sie bestrebt sein, weitere Lehrer/innen für die Entwicklungsarbeit zu gewinnen (vgl. Krainz-Dürr 2003, S. 90f). Solch eine Überzeugung oder Überredung der Lehrer/innen für das Projekt kann aber auch zu Konflikten führen, wenn diese nur „halbherzig“ das Projekt umsetzen. Vom restlichen Lehrkörper wird dann mehr erwartet als diese bereit sind zu leisten. „Und ich hätt gern, das wär ein riesengroßer Wunsch, ich hätte gern ein Lehrerteam, das das auch leben könnte. Nicht Lehrer, die das aus anderen Motivationen heraus mitmachen, in diesen Daltonklassen zu arbeiten. Das wär mein riesigster Wunsch. Der ist leider nicht zu erfüllen, ich weiß, (lachen) weil die Lehrer die in einer Schule sind, nur mit denen kann man arbeiten. Und das ist halt das Problem.“ (ES, Z, 4) Eine Aufgabe der Schulleitung ist es, in solchen Prozessen darauf Acht zu geben, dass die Entwicklungen weiterhin gefördert werden um nicht stehen zu bleiben. Nach der konkreten Einführung des Daltonplans gehen die Veränderungen oft nur schleppend voran und die Motivation lässt nach. Hier muss die Schulleitung steuernd eingreifen, da diese Prozesse 97 unsicher und offen sind und mitunter eine Überforderung für Lehrer/innen darstellen. Konkret bedeutet das für den/die Schulleiter/in nicht mehr ein routinemäßiges Führen, sondern, dass er/sie sich um „Anregungen zu effektiver Zielerreichung, um Motivation, Koordination von Gruppenaktivitäten und Teamarbeit, um Visionen und natürlich auch um Entscheidungen in wichtigen Angelegenheiten“ bemühen muss (vgl. Krainz-Dürr 2007, S. 76). 4. Wenn ein Projekt an einer Schule gestartet wird, dann entwickeln sich unterschiedliche Gruppen mit verschiedenen Aufgaben und Verantwortungsbereichen. Auch Schnittstellen zwischen der Projektgruppe und dem restlichen Kollegium entstehen und müssen organisiert werden. Natürlicherweise grenzt sich eine Gruppe von den anderen, die nicht der Gruppe angehören, ab. Da diese einzelnen Gruppen aber ihr Interesse durchsetzen wollen, eben ihren eigenen Willen entwickeln und dieser unter Umständen im Gegensatz zur Gesamtorganisation steht, muss die Schulleitung diese Differenzen berücksichtigen und bearbeiten (vgl. KrainzDürr 2003, S. 92f). 17 Resümee In den vorherigen Kapiteln habe ich die Forschungsfragen beantwortet. Nun folgen eine zusammenfassende Darstellung der Ergebnisse und ein Ausblick für mögliche Verbesserungen und Weiterentwicklungen in Bezug auf die Arbeit mit dem Daltonplan. Der Daltonplan dient heute wieder vermehrt als Orientierung für die Gestaltung des Unterrichts, jedoch sind die Unterschiede zum Daltonplan wie ihn Parkhurst entwickelte, doch sehr gravierend. Es gibt eine große Spannbreite der Umsetzung und größtenteils wird der Daltonplan nicht mehr in der ursprünglichen Form geführt.8 Das liegt nicht daran, dass sich die Lehrer/innen unzureichend mit dem pädagogischen Konzept auseinandergesetzt haben. An einigen Schulen wird die genaue Umsetzung des Daltonplans nach Parkhurst nicht angestrebt. Viele Anregungen von Parkhurst werden von den Lehrer/innen als nicht umsetzbar bzw. auch nicht mehr zeitgemäß eingestuft, zumal das derzeitige Schulsystem ihnen nur einen gewissen Spielraum lässt. 8 Obwohl ich persönlich meine, dass nicht angegeben werden kann, was definitiv die ursprüngliche Form des Daltonplans ist. Es gibt keine ausführlichen schriftlichen Darstellungen über die Unterrichtspraxis von Helen Parkhurst an der New Yorker Schule (Näheres dazu im Kapitel 4). Auch ist der Daltonplan, wie Parkhurst sagt „a way of life“ und der findet in vielen Formen statt. 98 Fraglich ist, ob Parkhurst Schulen als Daltonschulen bezeichnet hätte, die nur Elemente von ihrem Konzept umsetzen. Modifikationen des Konzepts und eine Anpassung an die Rahmenbedingungen der Schule sind sehr wohl erwünscht, aber es geht über die Prinzipien, die Parkhurst nannte, hinaus. Der Daltonplan ist eben mehr als nur die Arbeit mit den Arbeitsplänen. Selbstkontrolle der Schüler/innen (mittels Graphen), fächerübergreifende Pensen, Möglichkeit der Zusammenarbeit von Schülerinnen/Schülern jeder Altersstufe und eine Umgebung, die zum Studieren anregen soll (Laboratorien mit genügend Lernmaterialien), sind ebenso Bestandteil des Konzepts. Obwohl es auf den ersten Blick so scheint, ist der Daltonplan doch nicht so leicht ins Regelschulsystem zu integrieren, zumindest, wenn man ihn nach den Vorstellungen Parkhursts praktizieren möchte. Sie erkannte den Daltonplan als Möglichkeit zur Reorganisation des Schullebens und demzufolge müssten offensichtlich wirklich Hebel in Gang gesetzt werden, um dies zu erreichen. Viele Schulen sehen die Implementierung des Konzepts jedoch gelassener und geben sich mitunter mit „weniger“ zufrieden. Obwohl der Daltonplan in adaptierter Weise angewandt wird, werden die Grundgedanken dieser Pädagogik weiter getragen. Die Verbesserung des Unterrichts und die Steigerung der Lernfreude bei den Schülerinnen/Schülern werden vom Lehrkörper gesehen und so fördert das ihre Motivation sich für den Daltonplan einzusetzen und ihn weiterzuführen. Das ist somit auch ein Grund für das Festhalten am Daltonplan. Mit der Bezeichnung Daltonplan bekommt die neue pädagogische Tätigkeit einen Namen. Beziehungen zwischen den einzelnen Schulen werden aufgebaut und es findet ein Austausch statt. Im Mittelpunkt steht die Verbesserung des Unterrichts und des Schulalltags. Das ist eine Gemeinsamkeit aller Daltonschulen. Ein weiteres Kennzeichen ist die Offenheit gegenüber Neuem. Wie bereits erwähnt, ist es aus der Sicht der Lehrer/innen nicht sinnvoll, das Konzept in der heutigen Zeit unbedacht zu kopieren. Einerseits wegen der Rahmenbedingungen, die von der Schule her gegeben sind, andererseits aufgrund der Veränderung der Gesellschaft, in der ein „alter“ Daltonplan nicht mehr anschlussfähig erscheint. Die Prinzipien der Daltonplanpädagogik werden berücksichtigt und es wird versucht, diese in die Regelschule zu integrieren. Das Rad wird somit nicht neu erfunden, sondern man setzt an „alten Traditionen“ an, wobei auch neue Tendenzen ihren Weg in die Arbeit mit dem Daltonplan finden. So wird in Zukunft der Möglichkeit von Schulentwicklung mittels Daltonplanpädagogik noch mehr 99 Bedeutung zukommen. Ansätze hierfür sind gegeben, müssen jedoch noch ausgebaut werden. Die lernende Schule ist noch nicht umgesetzt. Wenn es auch schwierig sein mag etwas zu verändern bzw. auch Entwicklung und Lernen in die Schule zu bringen, so sind die Lehrer/innen doch sehr bemüht. Was fehlt, ist sicherlich das Eingreifen der Schulleitung in größere Entwicklungsprozesse. „Steuerung von oben“ würde so manche Entwicklung vorantreiben und längerfristig eine Entlastung für die Lehrer/innen bedeuten, auch wenn vom Lehrkörper darauf zunächst mit Abwehr reagiert wird. Eine derartige Steuerung würde zunächst als Eingriff in die Arbeits- und Unterrichtsgestaltung empfunden werden, denn „Unterstützung von oben“ wird von den Lehrer/innen bis jetzt hauptsächlich mit Freiheiten gleichgesetzt. Um eine Neugestaltung der Schule zu ermöglichen, muss ein Raum geschaffen werden, in dem Reflexion darüber stattfinden kann, was der Daltonplan ist und welche Ziele sich die Schule gesteckt hat. Ein Denken muss sich entwickeln können, das loskommt von den Rahmenbedingungen, die eine Umsetzung unmöglich machen und sich stattdessen jenen Bereichen zuwendet, in denen eine wirkliche Veränderung möglich ist. Diesbezüglich scheint noch genügend Potenzial vorhanden zu sein. In den meisten Veränderungsprozessen kommt es eben auf die Mitarbeit des Kollegiums an und auf ein organisiertes Vorgehen. Zu Beginn des Schuljahres festgelegte Termine für Besprechungen und Teamsitzungen wären sinnvoll, damit es nicht nur sporadisch zu Treffen kommt und eine effektive Weiterentwicklung und ein Fortschritt möglich werden. Es sollte Einigkeit darüber bestehen, was für die Schule nun die Daltonplan-Pädagogik ist, was das Ziel der Schule ist, und wohin die Entwicklung gehen kann und soll. Denn wenn unterschiedliche Vorstellungen bestehen, wie der Unterricht nun aussehen soll, können mitunter verschiedene Strömungen entstehen, die dazu führen, dass Lehrende zunehmend gegeneinander statt miteinander agieren. Bei aller Freiheit, die von der Schulleitung gegeben ist und auch der Bereitschaft im Lehrkörper für Entwicklungen, ist jedoch darauf zu achten, dass der Daltonplan nicht derart abgewandelt wird, dass sich im Endeffekt fast keine Änderungen bzw. Erneuerungen mehr erkennen lassen und das Konzept nichts Innovatives mehr beinhaltet. Der Daltonplan ist nämlich mehr als „Offener Unterricht“ oder die Arbeit mit Arbeitsplänen. Diese Unterrichtsmethoden können sehr wohl der Ausgangspunkt sein, im Sinne des Daltonplans dürfte aber die Entwicklung nicht an diesem Punkt stehen bleiben. 100 Ein weiterer Punkt in der Entwicklung des Daltonplans ist, dass die Verantwortung nicht mehr an andere abgeschoben wird. Jede/r Lehrer/in ist Teil der Organisation, des Projekts und mitverantwortlich für die Veränderungen an einer Schule. Das Kollegium muss zu einem Team zusammenwachsen und miteinander arbeiten und kooperieren, neue Ideen entwickeln und den Unterrichtsalltag reflektieren. Nachhaltigkeit kann nur erreicht werden, wenn sich der gesamte Lehrkörper zu Entwicklungen durchringen kann und so der Daltonplan zu einem einheitlichen Projekt wird. Ist dies nicht der Fall, wird die Energie von Einzelnen durch die Entwicklungsarbeit verschwendet und nicht auf einen Prozess konzentriert. Betrachtet man die Umsetzung des Daltonplans an den Schulen aus dem Blickwinkel einer konservativen Daltoninterpretation, dann ist das Konzept nicht umgesetzt. Da die Lehrer/innen jedoch das Konzept als Orientierung ansehen, und es sich so zurecht legen, wie es die Rahmenbedingungen zulassen bzw. wie es den Vorstellungen der Lehrer/innen entspricht, kommt es zu einer konsequenten Implementierung des Daltonplans. Grundsätzlich ist aber festzuhalten, dass die Lehrer/innen, die ich interviewen durfte, sehr engagiert in ihrer Unterrichtstätigkeit sind und keine Mühen scheuen den Schulalltag interessant und für die Schüler/innen anregend zu gestalten. Sie haben sich dazu entschlossen die Schule zu verändern und etwas zu bewegen. 101 V QUELLENNACHWEIS UND ANHANG 18 LITERATURVERZEICHNIS BESUDEN, H. (1955): Helen Parkhursts Dalton-Plan in den Vereinigten Staaten. Druck von R. Sußmann, Oldenburg. (Dissertation vorgelegt von Heinrich Besuden aus Nordenham 1955) BOHL, T. 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Abbildung 3: Pupil`s Contract Graph I. Aus: Parkhurst (1922), Education on the Dalton Plan. London: G. Bell and Sons, LTD, S. 95. Abbildung 4: Pupil`s Contract Graph II. Aus: Parkhurst (1922), Education on the Dalton Plan. London: G. Bell and Sons, LTD, S. 98. Abbildung 5: Form or House Graph. Aus: Parkhurst (1922), Education on the Dalton Plan. London: G. Bell and Sons, LTD, Parkhurst 1922, S. 102. Abbildung 6: Schema für ein Assignment, Aus: Parkhurst (1922), Education on the Dalton Plan. London: G. Bell and Sons, LTD, S. 54f. 104 QUELLEN AUS DEM INTERNET Beschreibung des Daltonplans der Husova Dalton Schule Online im Internet: URL: http://www.zshusovadalton.cz/index/engl.htm#db (Stand: 2007-09-08) Die Vereinigung „Dalton International“ Online im Internet: URL: http://www.daltoninternational.org (Stand 2009-05-04) MOSKVAN W./BAJER L. (2004). Dalton in Brno. Online im Internet: URL: http://www.daltoninternational.org/Magazine.html (Stand 2009-05-04) SCHULKONTAKTE Franz Jonas Europaschule: Online im Internet: URL: www.europaschule.at (Stand 2009-05-04) Kooperative Mittelschule Hörnesgasse: Online im Internet: URL: www.mittelschule.at (Stand 2009-05-04) Husova Dalton Schule: Online im Internet: URL: www.zshusovabrno.cz (Stand 2009-05-04) Chalabalova Dalton Schule: Online im Internet: URL: http://www.chalabalova.cz (Stand 2009-05-04) 105 19 ANHANG INTERVIEWLEITFADEN Interviewfragen Zur Lehrperson: Wie lange unterrichten Sie schon nach der Konzeption des Daltonplans? Wie wurden Sie Lehrer/in an einer Daltonschule? Welche Qualifikationen (Ausbildung, Zusatzqualifikationen, soziale Kompetenzen) muss ein/e Lehrer/in mitbringen, um an einer Daltonschule zu unterrichten? Zur Schule: Setzt die ganze Schule die Daltonplan Pädagogik um? Wie viele Klassen werden nach dem Konzept des Daltonplans geführt? Wie sehen die Klassen aus? (altershomogen, altersheterogen) Zum allgemeinen Unterricht: Wie werden die Prinzipien: 1. „freedom“, 2. „cooperation“ und 3. „budgeting-time“ umgesetzt? ad 1. Können die Schüler/innen frei wählen, mit welchen Unterrichtsthemen sie beginnen möchten oder arbeiten alle Schüler/innen zur gleichen Zeit am selben Thema? ad 2. Dürfen die Schüler/innen ihre Sozialform während der Freiarbeitsstunden frei wählen? (Gibt es ein Tutorensystem an der Schule?) ad 3. Wie erfolgt die Arbeit mit den Pensen? Wie sehr kontrolliert der Stundenplan den/die Schüler/in in seiner Arbeit? Wie viel Einfluss üben Sie als Lehrer/in auf die Zeiteinteilung der Schüler/innen aus? Wie gehen Sie mit der unterschiedlichen Lerngeschwindigkeit der Schüler/innen um? Gibt es Förderunterricht für leistungsschwache Schüler/innen? (Werden diese aus dem regulären Unterricht genommen? Was passiert mit Schüler/innen, die das Pensum nicht erfüllen?) 106 Wie wird der Unterricht in Ihrer Klasse organisiert? - Tagesablauf im Unterschied zu einer normalen Schule - Fachwinkel oder Facharbeitsräume - Handhabung von Tests/Schularbeiten und Leistungsbeurteilung - Pensen und Graphen - Hausübungen Gibt es Besonderheiten an Ihrer Schule, eine spezielle Arbeit mit dem Daltonplan? Gibt es festgelegte Zeit für Daltonstunden? (Gibt es eine einheitliche Daltonschiene für alle Klassen? Wie sieht das Verhältnis von Daltonstunden und Regelunterricht aus?) Zur Lehrperson: Welche Änderungen an der Umsetzung des Daltonplanunterrichts würden Sie vorschlagen? Gibt es irgendwelche Einschränkungen für Ihren Unterricht? Was würden Sie brauchen um das Konzept vollständig umzusetzen? - Ist es Ihrer Meinung nach sinnvoll das Konzept von Helen Parkhurst gänzlich zu übernehmen? - Gibt es Punkte, die nicht umsetzbar sind? (Räumlichkeiten, Schulorganisation, Finanzierung?) - Wie viel Spielraum wird Ihnen in der Umsetzung des Daltonplans gelassen? Wieso glauben Sie ist die Daltonplan-Pädagogik weniger verbreitet als der Regelschulunterricht? - Bekommen Sie Unterstützung für ihre Arbeit? - Vernetzen Sie sich mit anderen Schulen oder mit Dalton-Organisationen? Was sagen Kritiker in Bezug auf den Daltonplan und wie gehen Sie damit um? 107 Lebenslauf Persönliche Daten: Name: Geburtsdatum: Geburtsort: Staatsbürgerschaft: Helene Juliana Feichter 6.9.1982 Klagenfurt Österreich Ausbildung: 1989-1993 Volksschule 16, Klagenfurt 1993-1997 BRG 2 Mössingerstraße, Klagenfurt 1997-1998 Fachschule für soziale Berufe I, Klagenfurt 1998-2002 BORG I (Schwerpunkt Bildnerische Erziehung) Klagenfurt 2002-2007 Studium der Pädagogik (Schwerpunkt Schul- u. Berufspädagogik), Wien Sonstige Tätigkeiten bzw. Praktika: 2004 Anstellung im Verkauf Hennes & Mauritz in Wien 2005 Wissenschaftliches Praktikum am Institut für Unterricht- und Schulentwicklung (IUS) an der Alpen Adria Universität Klagenfurt, Fakultät für Interdisziplinäre Forschung und Fortbildung 2006 Praktikum bei „Jugend am Werk“ in Klagenfurt (Mitarbeit im Berufs- orientierungskurs) 2006 Pädagogisches Praktikum an der Kinderuni Wien 2006 2006 Wissenschaftiches Praktikum am Institut für Unterricht- und Schulentwicklung (IUS) an der Alpen Adria Universität Klagenfurt, Fakultät für Interdisziplinäre Forschung und Fortbildung 2007 Anstellung in Verkauf bei Interspar in Wien Seit 2006 Kinderbetreuung im Rahmen ovn Flying Nanny Einsätzen und im „Kinderzimmer“ des Kinderbüros an der Universität Wien. Wien, am 23.11.07 108