Eine Branche in der Mauser
Transcrição
Eine Branche in der Mauser
TA GES INFO 53 15.05.2006 16.05.06 16:16:45 DIGITAL Tages-Anzeiger · Montag, 15. Mai 2006 53 Swiss Security Day Der Verein Infosurance organisiert am 18. Mai einen Aktionstag zum Thema Informationssicherheit. Unter anderem finden an 40 Schulen in der ganzen Schweiz Unterrichtsstunden zum Thema «Sicheres Verhalten im Internet» statt. www.swisssecurityday.ch DVD-Hunde Der britische Flughafen LondonStansted setzt ab dem Sommer Hunde ein, um DVDs und CDs in Frachtgut und Gepäckstücken zu erschnüffeln. Zwei Labradorhunde wurden dazu ausgebildet, die Silberscheiben mit der Nase zu erkennen. Die Behörden hoffen so, mehr importierte Raubkopien am Zoll abzufangen. WB bietet Filme per Bit Torrent an Filme von Warner Brothers kann man in den USA demnächst als Download kaufen, als Technologie für die Verbreitung wird Bit Torrent eingesetzt. Diese ist bisher vor allem für Raubkopien beliebt, jedoch eben sehr effizient. Die Filme lassen sich auf DVD brennen, die Scheiben jedoch laufen nur auf demselben PC wieder, auf dem sie gebrannt wurden. Frankreich kommt Apple, Sony entgegen BILD LUCY NICHOLSON/REUTERS Als unsichtbarer Tennisschläger lässt sich der neue Controller von Nintendo einsetzen, wie hier an der Game-Messe E3 in L.A. demonstriert. Eine Branche in der Mauser Während der Übergangsphase zur nächsten Generation der Spielkonsolen lässt die sonst so erfolgsverwöhnte Spielbranche derzeit heftig Federn. Von Marc Bodmer, Los Angeles Videospiele sind in der Regel so aufgebaut, dass es gegen Ende eines Spielabschnitts immer schwieriger wird. Will man den nächsten Level erreichen, gilt es einen Oberbösewicht platt zu machen oder sonst ein kniffliges Problem zu lösen. Ähnlich ergeht es zurzeit der ganzen Videospielbranche. Sie steht am Ende eines Hardwarezyklus, und der Übergang auf die nächste Ebene ist eine besondere Herausforderung. Die Lebensdauer einer Spielkonsole beträgt rund fünf Jahre. Diese Regel hat Microsoft letzten Herbst mit der Einführung der Xbox 360 (welche die erst 4-jährige Xbox ersetzt) schnöde gebrochen. Während der Softwareriese aus Redmond vorgeprescht ist, hat Marktführer Sony die Einführung seiner Playstation 3 (PS3) um ein halbes Jahr (17. November in der Schweiz) nach hinten verschoben. Der dritte Anbieter, Nintendo, der ohnehin sein eigenes Süppchen kocht, plant die Premiere der Next-Generation-Konsole Wii ebenfalls vor Weihnachten. Die Folgen davon sind schlicht verheerend. Insbesondere die Verzögerung der PS3 bringt die gesamte Industrie ins Schleudern und lässt Kurse und Umsätze der Gamehersteller absacken. Natürlich gibt es auch hier Profiteure: Microsoft ge- winnt mit ihrer Xbox 360 ein volles Jahr Vorsprung, das von aggressivem Marketing begleitet wird. «Wir erwarten, dass wir bis zur Einführung der anderen NextGen-Konsolen zehn Millionen Xbox 360 weltweit verkauft haben», strahlte Bill Gates letzte Woche persönlich auf der Bühne des Grauman’s Chinese Theatre in Hollywood, wo die globale Gamepresse empfangen wurde. Gigantische Onlinegemeinschaft Die Aufwartung von Gates setzte ein deutliches Zeichen, dass Microsoft das Game-Engagement ernst meint. Das Selbstbewusstsein zeigte sich darüber hinaus in anderer Form: Während bei der Einführung der ersten Xbox die Verbindung zur PCWelt möglichst heruntergespielt wurde, tritt der Windows-Hersteller diesmal hochoffiziell auf. Und das aus gutem Grund: Mit der Einführung des künftigen Windows Vista werden sich die Benutzer von Xbox Live, dem Onlinespielservice der Xbox, mit Windows-Vista-PC-Spielern und WindowsHandy-Kunden verbinden können. Die «Live Anywhere» genannte Gemeinschaftsplattform hat das Potenzial, eine gigantische Onlinegemeinschaft zu schaffen. Allerdings befürchten Skeptiker bereits Virusattacken, die dann nicht bloss Windows-Computer, sondern sämtliche vernetzten Geräte flachlegen könnten. Mit derlei Schreckensszenarien braucht sich Nintendo nicht auseinander zu setzen. Der Fokus der Wii-Konsole liegt an- derweitig. Der alten Weisheit folgend, dass der (grafische) Schein trügen kann, setzt das Haus von Super Mario und Donkey Kong nicht auf hochauflösende Grafik, sondern auf das Gefühl, das Spielen vermitteln soll. In seiner Tradition als Innovator hat sich Nintendo von dem klassischen Controller verabschiedet, der für viele Nichtspieler das Haupthindernis für einen Einstieg in die Gamewelt darstellt. Der WiiController verfügt über ein bewegungsempfindliches Gyroskop, das kleinste Richtungsänderungen registriert und direkt im Spiel umsetzt. Damit lässt sich springen, schlagen, blocken und steuern, und das auf eine sehr intuitive Art. Mit dieser Erfindung hofft Nintendo, wie schon mit der portablen Konsole DS, den Kreis der Spieler zu erweitern. Diese radikale Abkehr von der bisher üblichenSteuerung beeindruckte Platzhirsch Sony derart, dass er kurzerhand eine ähnliche Technologie in die Controller der Playstation 3 einbaute. Das bei Spielern beliebte Rumpeln des Controllers entfällt hingegen, weil es das Gyroskop stören würde. Zweieinhalb Jahre lang will Sony daran entwickelt haben, doch die überraschende Ankündigung deutet eher auf einen Schnellschuss. Überhaupt wirkt der Verkäufer von über 100 Millionen Playstation 2 angespannter als auch schon. Die gezeigten Spiele verfügen zweifelsohne über eine atemberaubende, nahezu fotorealistische Grafik. Auch die neu entwickelte CellChip-Technologie, die das Herz der Der Branchenprimus Sony steht unter Erfolgsdruck wie selten zuvor. Die unterschiedlichen Philosophien der Hersteller sind greifbar Sony: Rückzieher Nintendo: Revolution Microsoft: Ergonomie Der drahtlose Controller der PS3 gleicht jenem der PS2 aufs Haar und reagiert auf Bewegungen wie Nintendos Wii-Controller. Der zunächst angekündigte Design-Controller missfiel dem Publikum, nun setzt Sony auf Kontinuität – bloss nicht zu viel Neues wagen. (rcz) Warum soll man ein Schwert per Knopfdruck schwingen? Der Wii-Controller wird dank internen Bewegungssensoren selbst zum virtuellen Schwert – eine radikale Abkehr von der klassischen Spielsteuerung, die Spielneulingen den Einstieg erleichtern soll. (rcz) Die Xbox 360 brachte einen drahtlosen, handlicheren Controller mit sich. Microsoft hat generell viel über das GameBusiness dazugelernt und gibt sich gerne modisch in Sachen Hardware. Letztlich setzt man aber wie Sony auf Kontinuität statt Experimente. (rcz) nächsten Sony-Computergeneration bildet, verspricht wegweisendes Potenzial. Das Gleiche lässt sich aber nicht vom Bluray-Disc-Format sagen. Die teure PS3 soll Bluray retten Nachdem alle Versuche gescheitert sind, sich mit dem Konkurrenzlager rund um Toshiba (das die bereits verfügbare HD-DVD portiert) auf ein Format für einen High-Definition-Datenträger zu einigen, ist es für Sony von zentraler Bedeutung, dass sich Bluray als Standard durchsetzt. Nicht zuletzt deshalb lastet ein enormer Druck auf der Playstation 3. Sie ist somit Sonys Hoffnungsträger schlechthin. Ihr Erfolg entscheidet über die Zukunft des Bluray-Formats und die Rolle des japanischen Unterhaltungselektronikkonzerns, dessen Umsatz bisweilen zu zwei Drittel von der Abteilung Sony Computer Entertainment (also der Playstation) getragen wurde. Sony muss ihre potenziellen Kunden davon zu überzeugen, in ihre Silberscheiben zu investieren. Das ist umso schwieriger, weil die von Microsoft (ein Unterstützer der HD-DVD; gerade wurde ein Laufwerk für die Xbox 360 angekündigt) gezeigten Titel bereits einen derart hohen Grad an Realismus aufweisen. Wirklich wenig hilfreich in diesem Zusammenhang sind die Preise der PS3, die in zwei Versionen erwartet wird: eine günstigere mit einer 20-Gigabyte-Harddisk kostet 749 Franken und der grosse Bruder mit 60 Gigabyte und WLAN sogar 899 Franken. Im Zeitalter der Aldisierung und der grassierenden Geiz-ist-geil-Mentalität wird sich so mancher Gamer fragen, warum eine Konsole so viel kosten soll. Zumal es die Xbox 360 schon ab 479 Franken gibt und die Wii von Nintendo angeblich nur 200 Dollar (rund 250 Franken) kosten wird. Bei ihrer Einführung schlug die Playstation 2 mit stolzen 699 Franken zu Buche und diente damals vielen nicht zuletzt als günstiger DVD-Player. Gleiches soll die PS3 für Bluray werden, denn entsprechende Abspielgeräte werden anfangs mindestens 1200 Franken kosten. Doch der grosse Unterschied zwischen damals und heute: Zur DVD gab es kein Konkurrenzformat, der Qualitätssprung zwischen der VHS-Kassette und der DVD war riesig. Kritische Stimmen sagen, dass der Erfolgsdruck, der auf der nächsten Playstation lastet, die Wünsche der Gamer hinter die Vorstellungen des Konzerns rücken liess. Aus dem Formatstreit zwischen HDDVD und Bluray hält sich übrigens Nintendo vornehm heraus mit dem Hinweis, dass die Verbreitung von HD-fähigen TVGeräten noch zu klein sei. «In 5 Jahren sieht alles wieder ganz anders aus», meint Shigeru Miyamoto, Nintendos kreatives Meisterhirn. Und dann steht bereits der nächste Generationswechsel an. Das neue französische Urheberrecht nimmt Rücksicht auf die Interessen von Anbietern wie Apple oder Sony. Diese verkaufen online Musik, die ausschliesslich auf den eigenen Musikplayern läuft. Die ursprüngliche Fassung des Gesetzes hatte verlangt, dass alle Anbieter ihre DRM-Technologie anderen Herstellern öffnen, um den Konsumenten ein breiteres Angebot zu ermöglichen. Dieser Teil wurde nun aber gestrichen. DRM bremst das Online-Musikgeschäft Die Kopierschutz- und Rechteverwaltungs-Mechanismen (kurz DRM genannt) sind bei den Kunden unbeliebt. Analysten machen DRM dafür verantwortlich, dass der Onlineanteil am Musikgeschäft erst 6 Prozent beträgt, er könnte viel höher sein, wenn die Leute mit online gekaufter Musik dieselben Dinge tun könnten wie mit einer herkömmlichen Musik-CD. Das wiederum ist der Alptraum der Musik- und Filmindustrie. Icaan lehnt «.xxx» endgültig ab Im Internet soll es keinen klar erkennbaren Rotlichtbezirk geben. Das wäre die Idee hinter einer Top-LevelDomain «.xxx» gewesen. Die zuständige Behörde Icaan will dieser Idee aber nicht zustimmen. Sie steht unter Druck konservativer Lobbyisten sowie von Teilen der Pornoindustrie, die ebenfalls keinen klar umrissenen Erotikbereich im Netz wollen. Offiziell wird der Entscheid damit begründet, dass man kaum alle weltweiten Pornoanbieter dazu zwingen könnte, nur noch die «.xxx»-Webadressen zu nutzen Chinesisches «Wiki» Das Reich der Mitte erhält eine von den Internetnutzern selbst mit Inhalten gefüllte Online-Enzyklopädie nach Vorbild von Wikipedia. Wenig überraschend unterliegt das Projekt der üblichen Zensur. Das Original, Wikipedia, wurde 2005 aus dem chinesischen Netz verbannt. Kamera für Xbox 360 An der E3 in Los Angeles hat Microsoft unter anderen eine Live Vision Camera angekündigt – die längst überfällige Antwort auf die erfolgreiche Eye-Toy-Kamera, die es für die PS2 gibt. Die Xbox-Kamera soll vor Weihnachten erscheinen. (TA) REKLAME PZ463-T